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New Life Diaries

Neue Stadt, neue Familie, neues Leben: Coming-Out Story

Teil 4 - Plötzlich vergeben

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

01.12 Getäuscht

Lukas hatte sich einfach neben mich gesetzt, als ob nichts gewesen wäre.

Ich wiederholte meine Frage.

„Hast du letzte Woche nicht aufgepasst?“

„Hä?“ Ich verstand kein Wort.

„Ein Arbeitszettel pro Tisch. Und meinen hat Inga mit.“

Na toll. Ich schob meinen Zettel aus der letzten Woche in die Tischmitte, so dass Lukas auch mit raufschauen konnte. Ansonsten wechselten wir kein Wort. Nur sein Knie berührte immer wieder das meine. Ich fragte mich, ob das Absicht von ihm gewesen war.

„Bis dann“, stand er auf, als die Stunde vorbei war und ging.

Auf dem Hof standen noch Daniel, Timo und Gerrit zusammen.

„Naa“, schauten mich alle an.

Timo grinste. „Da bist du ja doch noch im Rennen.“

„Was meinst du?“, wusste ich im ersten Moment echt nicht, was er meinte.

„Lukas. Er steht doch noch auf dich.“

„Ach Quatsch. Er hatte sich einfach neben mich gesetzt. Nur heute. Moritz war krank.“

„Denkst du“, grinste auch Daniel. „Der wird jetzt jede Woche neben dir sitzen und seinen Platz verteidigen“, scherzte er weiter.

„Du sitzt neben Moritz?“, hatte ich Gerrit davon wohl noch nicht erzählt.

„Ja, in Latein“, nickte ich.

„Cool“, meinte Gerrit nur. „Wollen wir gleich los?“

„Klar“, war ich einverstanden.

„Bis morgen Leute“, verabschiedete sich Timo von uns.

Als Dad von der Arbeit nach Hause kam, sollten wir uns alle in der Küche versammeln. Soja, Gerrit und ich saßen am Tisch, während Helena die ganze Zeit sich schon freute und mein Dad dann endlich mit der Sprache rausrückte. „Da ja bald Winterferien sind, haben Helena und ich uns überlegt, dass dies eine gute Gelegenheit für unseren ersten Familienurlaub wäre. Was haltet ihr von Center Parks in Holland?“

„Und was ist mit Fluffy?“, war Sojas erster Einwand.

„Um Fluffy würden sich deine Oma kümmern und Dagmar und Götz haben sich auch dazu bereit erklärt, Fluffy zu füttern.“

„Okay“, strahlte Soja. „Dann bin ich dafür.“

„Und was ist mit euch, Jungs?, fragte mein Vater.

„Klingt ganz gut“, meinte ich.

Alle schauten auf Gerrit, der gleichgültig mit seinen Schultern zuckte. „Von mir aus.“

„Also steht es fest. Wir fahren in die Ferien“, freute sich Helena.

„Cool“, stand Gerrit auf. „Ich muss noch lernen. Morgen schreiben wir Bio.“

Gerrit verschwand und Soja und ich schauten uns mit unseren Eltern den Center Parks Katalog an, der richtig Bock auf den Urlaub machte, wobei ich nur dachte, dass es im Sommer vielleicht noch ein Tick cooler dort wäre. Naja, mal abwarten, wie’s dann wird…

Am Abend kam noch Niklas vorbei, der mit Gerrit lernen wollte. So sah ich beide auch kaum. Ich loggte mich doch wieder bei Romeo ein. Ich hatte gehofft, dass Lukas auch online war und schrieb ihn an. „Was war das heute in der Schule?“

„Ich dachte du bist nicht schwul? Und trotzdem hier online? Komisch!“, antwortete Lukas. Es war aber gar keine Antwort, er hatte mich zeitgleich angeschrieben. Wenig später folgte seine Antwort auf meine Frage. „Wie ich sagte. Ich hatte keinen eigenen Zettel.“

„Bin ich auch nicht, ich wollte dich nur gefragt haben“, antwortete ich.„

Ein Anruf hätte es auch getan“, meinte er und hatte ja auch irgendwie recht damit.„Klar, ich wollte nur, dass du weißt, das nächste Woche Moritz da wieder sitzt.“

„Weil du Schiss hast, dass man dich für schwul halten könnte. Dabei würdest du doch selbst am liebsten mit Moritz ficken.“

Wie ich nur noch genervt war von seinen Antworten und Unterstellungen. „Genau deshalb habe ich keinen Bock mehr auf dich.“

„Du kannst froh sein, dass ich noch niemanden erzählt habe, wie du eigentlich tickst“, drohte er mir in seiner folgenden Nachricht. Leichte Panik überkam mich. Das meinte er ja wohl hoffentlich nicht ernst.

„Als ob dir jemand glauben würde… Komisch, ich fand dich mal nett.“

Bis seine nächste Antwort kam dauerte es eine Weile. „Wie dein „Bruder“ das wohl finden würde? Und die anderen erst. Ich fand dich auch mal nett, aber da wusste ich noch nicht, dass du so ein Arsch bist, der sich nur um sein Image sorgt und sich über andere lustig macht. Und das obwohl du selbst schwul bist!“

Das hatte gesessen. Hatte er denn recht? War ich ein Arsch? Er hatte schließlich angefangen damit, so komisch zu sein. Ich loggte mich aus und ließ seine Antwort so stehen.

Am nächsten Tag musste Erik einen Vortrag in Deutsch halten, weil er vorher krank gewesen war. Es war absolut chaotisch, aber witzig. „Der ist so verplant“, flüsterte mir Timo kopfschüttelnd zu. Ich nickte und hörte dem Vortrag weiter zu. Ich glaube mit einer 4 war er hier noch gut bedient.

Im Sportunterricht spielten wir heute Handball. Für morgen kündigte Herr Friedrich dann schon Fußball an, weil viele der Jungs fragten, wann wir denn endlich wieder mal Fußballspielen würden. Ich war da gar nicht so scharf drauf. Timo und Jacob waren auf jeden Fall begeistert. Beide wurden von Herrn Friedrich dazu auserkoren sich ein Team zusammenzustellen. Zwei Jungs aus der D machten das gleiche. So gab es am Ende 4 Teams. Was mich freute war, dass ich Jacobs erste Wahl war. Dabei hatte er noch gar keine Ahnung, wie gut ich spielen konnte. In der anderen Klasse bekam ich mit, dass Lukas relativ spät gewählt wurde. Eigentlich war er der letzte Schlanke, nach ihm wurden nur noch die Dicken aufgeteilt. Ich weiß auch nicht, warum er so einen schweren Stand hatte in seiner Klasse – zumindest unter den Jungs. Es gab doch auch Schwule, die absolut anerkannt sind in ihren Klassen. Aber es war mir jetzt auch egal. Wichtig war das Spiel und das hat richtig Spaß gebracht. Es ging schon hart zur Sache. Timo und Jacob waren so krass gut, da hatten die anderen keine Schnitte gegen. Ich fand mich schnell ins Team ein und hatte eine gute Position im Zusammenspiel mit Jacob gefunden. Nach dem Spiel klatschte Jacob mit mir und ein paar anderen ab. „Du warst echt gut“, erkannte Jacob meine Leistung an. „Hast dich echt eingebracht.“

„Hat auch Spaß gebracht“, war ich auch zufrieden mit dem Spiel. Wir hatten nur das Finale gegen unsere zweite Mannschaft verloren.

In der Umkleidekabine kam auch Timo zu mir und war voll des Lobes. „Nicht schlecht, Alter. Das nächste Mal spielst du in meinem Team.“ Er grinste und klopfte mir auf die Schulter. Ich bemerkte, wie uns Lukas beobachtet hatte und immer schnell wieder wegschaute, als ich in seine Richtung schaute.

„Das hättest du wohl gern, Marvin ist viel zu gut. Der bleibt in meinem Team“, konterte Jacob. Mir gefiel es, wie sich die beiden keppelten. Überrascht war ich aber, als sich manche Jungs plötzlich ganz auszogen und zu den Duschen gingen. Timo war einer davon. Mein Blick folgte automatisch seinem knackigen Hintern. Auch Daniel folgte ihm, zog seine Boxershorts aber wohl erst unter der Dusche aus oder duschte vielleicht sogar mit? Letzten Donnerstag ging das warme Wasser wohl nicht. Ich hatte weder Handtuch noch Duschgel mit, weil ich dachte, dass nur nach der Doppelstunde am Freitag geduscht werden würde. War aber wohl hier tatsächlich so, dass sich viele nach jeder Sportstunde duschen gingen. Aber ich war nicht der einzige, der heute nichts mithatte. Auch Lukas duschte sich. Er hatte sich aber im Gegensatz zu Timo sein Handtuch um seine Hüften gebunden. Unter der Dusche ging es wohl ganz munter zu. Ich vermutete, dass Janik wieder am Eiergrabschen war. Jacob ärgerte sich, weil er sein Handtuch vergessen hatte. Ein paar Jungs waren schon gegangen, wir blieben in der Umkleidekabine sitzen und warteten auf Timo.

„Also auf mich steht er nicht“, kam er grinsend zurück. Auch er hatte jetzt sein Handtuch um seine Hüfte gebunden. Ebenso wie Daniel, der kurz darauf folgte.

„Wer?“, fragte Jacob nach, konnte sich seine Frage dann aber selbst beantworten. „Ach Lukas. Und wieso nicht?“

„Hat keine Latte bekommen, obwohl ich gegenüber von ihm stand“, lachte Timo. Gleichzeitig ließ er sein Handtuch zu Boden fallen, um sich seine Shorts anzuziehen. Ich schaute verlegen zur Seite. Jacob lachte noch über Timos Bemerkung. Auch ich setzte ein Lächeln auf und hatte plötzlich Schiss davor, dass mir das morgen auch passieren könnte.

„Wieso? Ist ihm das schon mal passiert?“, fragte ich nach.

Jacob nickte. „Ja, aber zwei, drei anderen ist es auch passiert. Und die sind nicht schwul“, grinste er.

„Passiert halt mal“, meinte ich und bekam dafür auch keinen Widerspruch. Ich schaute zur anderen Klasse gegenüber. Ein richtig fetter Hintern war im Weg, der Lukas fast komplett verdeckte. Kein schöner Anblick.

„Mir ist das noch nie passiert. In der Schule nicht, im Schwimmbad nicht und beim Handball auch nicht“, erklärte Timo stolz.

„Das würde mir auch zu denken geben“, schüttelte Jacob amüsiert seinen Kopf.

Als Timo sich auch fertig umgezogen hatte, gingen wir zu den Fahrrädern, wo mich Gerrit schon erwartet hatte.

„Wo bleibt ihr denn so lange?“

„Das warme Wasser geht wieder“, berichtete Daniel.

„Das ging gestern auch schon“, wusste Gerrit Bescheid. „Was habt ihr gespielt?“

„Handball“, antworteten Timo und Jacob im Einklang. „Dein Bruder hier hat echt Talent. Der sollte mal zum Training kommen“, fuhr Jacob fort.

„Liegt in der Familie“, scherzte Gerrit.

Auch Niklas kam zu uns und war direkt am Fluchen. „So ein Dreck!“

„Was ist los?“, wollte Daniel wissen.

„Bio! Voll verhauen“, berichtete Niklas frustriert.

„Willkommen im Club“, grinste Gerrit. „Das waren auch Themen, die hatte doch kein Arsch gelernt.“

„Ach egal“, zog sich Niklas seine Handschuhe über. „Wir sehen uns beim Training“, klopfte er Gerrit auf dessen Schulter und fuhr los.

Wir verabschiedeten uns noch von den anderen und fuhren dann auch langsam los.

„Und überleg dir das echt mal mit dem Training“, rief mir Jacob hinterher.

„Mach ich!“

Gerrit und ich mussten an einer Ampel halten. Hinter uns kam Moritz angefahren und hielt neben mir.

„Hallo“, grüßte er freundlich.

„Moritz!“, freute sich Gerrit. „Alles klar?“

„Ja, bin wieder fit“, berichtete er. „Hab ich gestern was verpasst?“, fragte er mich dann.

„Nicht wirklich“, hatte ich schon halbwegs wieder verdrängt, was wir gestern in Latein durchgenommen hatten.

„Du musst dir jetzt aber einen neuen Platz suchen“, grinste Gerrit. „Lutschkas sitzt jetzt neben Marvin.“

„Was?“ Moritz schaute entgeistert. „Lukas?“

„Er hatte nur keinen Zettel dabei und hat sich dann einfach zu mir gesetzt.“

„Aber nächste Woche habe ich meinen alten Platz wieder, oder?“ Innerlich freute ich mich, dass er wohl unbedingt neben mir sitzen bleiben wollte.

„Naja“, begann Gerrit. „Ich hab ja gehört, dass Lukas ein Auge auf Marvin geworfen hat. Aber keine Angst, ich pass schon auf ihn auf.“

„Das ist gut“, meinte Moritz dann. Ich hatte irgendwie den Eindruck, als ob Moritz Lukas auch nicht wirklich mochte.

Wir fuhren noch ein kurzes Stück mit Moritz zusammen, dann musste er einen anderen Weg weiterfahren. Er erzählte, dass er gleich noch einer Nachbarin Gitarrenunterricht geben sollte und heute Abend Bandprobe hatte.

Zu Hause machte ich mir wieder über Lukas Gedanken. Ich wollte es nicht, aber ich konnte es auch nicht abstellen. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen und hätte mich wohl auch entschuldigen sollen. Ich hatte sogar mein iPhone schon in der Hand und wollte ihn anrufen. Ich hatte immer die Angst, dass er nur mit mir in die Kiste hüpfen will – und das wollte ich auf keinen Fall. Und wenn wir nur Freunde sein könnten, dann würden mich auch alle für schwul halten. Das konnte ich absolut nicht gebrauchen. Außerdem war seine Drohung auch ziemlich daneben. Also entschied ich mich dazu, ihm zukünftig einfach aus dem Weg zu gehen und zu ignorieren…

01.13 Eine schnelle Nummer

Das Wochenende war fast erreicht. Nur noch 7 Stunden trennten uns davon. Medien Informatik war wieder hammer lustig. Timo und ich schickten die ganze Zeit irgendwelche blödsinnigen Nachrichten mit Gerrit und Niklas hin und her, die eigentlich nichts mit unserem Projekt zu tun hatten. Irgendwie war der Sinn auch gar nicht mehr so erkennbar. Wir sollten mit den anderen „Firmen“ Preise aushandeln, aber da jeder machen konnte was er wollte… ach keine Ahnung, wozu das gut sein sollte. Auf jeden Fall würden wir das Projekt auch die nächsten beiden Wochen noch fortsetzen. Schon cool. Dieser Kurs war definitiv eine gute Wahl, während Englisch und Mathe wieder das Gegenteil waren, vor allem Mathe, wo ich immer noch total hinterher hänge und nicht viel am checken bin.

Die letzten beiden Stunden standen an, meine erste Doppelstunde Sport an der Schule. Und damit waren die Jungs auch voll in ihrem Element. Wir spielten Fußball. In der Halle fand ich es noch ätzender als draußen. Wir spielten heute Klasse gegen Klasse. Je zwei Spieler mussten immer mal kurz raus, weil das Feld sonst zu voll war. Ich war auch nicht mal der schlechteste, trotzdem machte es mir nicht soviel Spaß wie das Handballspiel. Jacob wiederholte sein Angebot, dass ich mal zum Training kommen sollte. Er meinte, dass ich da noch viele andere Leute kennenlernen würde, was ja auch cool wäre. Lukas wirkte heute mal wieder hetero beim Sport, worüber ich sehr froh war. Wir hatten auch ein paar Duelle, bei denen ich es schon komisch fand Körpereinsatz zu zeigen. Stattdessen nahm er mir einmal sogar den Ball ab, was mich ziemlich ärgerte. „Pass doch auf“, schimpfte Niels, der ein ziemlicher Fußballcrack war. Nach der Doppelstunde ging es dann zum Duschen über. Es war gar nicht so schlimm, wie ich es mir in der Nacht zuvor vorgestellt hatte. Bis auf ein paar Handtuch-Schlägereien ging es hauptsächlich um das Spiel. Alle diskutierten fleißig über das Spiel und den Chancentod Erik, der sich verteidigte. Ich glaube so ziemlich alle Jungs hatten sich geduscht. Aber keiner hatte dabei eine Latte oder so bekommen. Ich hab mich nicht mal getraut andere Jungs anzuschauen, beziehungsweise sie zu mustern. Einzig einen Blick auf Jacobs Hintern konnte ich erhaschen, der mir auch gut gefiel. Dieses Mal gab es auch gar keine Witze über Lukas, der ebenfalls mit am diskutieren war.

Nach dem Unterricht gingen wir zu den Rädern. Ich war überrascht, dass Gerrit noch gewartet hatte. Er stand mit Moritz zusammen. Kurz bevor wir dazukamen, hatten sie sich mit Handschlag verabschiedet.

„Na ihr“, musterte Gerrit uns. „Ihr seht fertig aus.“

„War ja auch ein krasses Spiel“, erzählte Daniel von unserer Niederlage gegen die D.

„Naja, manchmal muss man den Gegner gewinnen lassen, damit er nicht die Lust verliert“, grinste Gerrit, der sich einen Spaß draus machte Daniel mit der Niederlage zu ärgern.

„Wer von euch kommt heute Abend mit ins Popfox?“, wechselte Gerrit dann das Thema.

Niklas, Daniel und Timo waren sofort dabei. Jacob musste ablehnen und Flo wollte später dazukommen.

„Was ist mit dir?“, wollte Timo von mir wissen.

„Marvin ist auch am Start“, antwortete Gerrit sofort für mich. In diesem Fall war es auch okay, weil ich schon Lust hatte mal in einen Club hier zu gehen. Aber eigentlich kann ich durchaus für mich selbst sprechen.

„Einer muss ja auf Gerrit aufpassen“, lachte ich.

„Ohne mich findest du gar nicht mehr nach Hause“, konterte Gerrit. „Also Moritz ist auch dabei. Wird bestimmt ganz nice.“

Cool, dachte ich. Wegen Moritz freute ich mich total auf den Abend.

„Um Mitternacht bist du wieder zu Hause.“

Die Vorfreude trübte sich ein wenig, als ich Dad von der Party erzählte.

„Das ist doch ein Witz“, mischte sich Gerrit ein, der am Tisch noch seine Hühnersuppe löffelte.

„Kein Witz“, blieb mein Vater stur.

„Na toll, da können wir auch direkt zu Hause bleiben“, maulte ich.

„Länger dürft ihr laut Gesetz sowieso nicht bleiben.“

„Als ob das einer kontrolliert“, lachte Gerrit.

Helena und Soja kamen in die Küche dazu.

„Geht es um die Party heute Abend?“, vermutete sie schon richtig.

Gerrit nickte. „Kannst du deinem Lebensabschnittsgefährten vielleicht mal erklären, dass wir nicht schon um 12 zu Hause sein werden?“

Dad war sichtlich genervt, dass Gerrit mal wieder nicht auf ihn hören wollte.

„Einigen wir uns darauf, dass ihr euch um 12 verabschiedet und euch dann langsam auf dem Weg nach Hause macht. Spätestens um halb 1 seid ihr dann zurück. Einverstanden?“

Ich merkte Dad an, dass er nicht ganz einverstanden war mit Helenas Kompromiss. Aber er widersprach auch nicht. Vermutlich um sich nicht wieder mit Gerrit anzulegen.

„Das ist okay für uns“, nickte ich und schaute fragend zu Gerrit.

„Ja gut“, war auch er einverstanden. Ich wusste, dass er sonst auch schon viel später erst nach Hause kam. Da waren es aber meist Privatfeiern oder vom Fußball aus.

Mit der U-Bahn fuhren wir zum Popfox. Es war ein relativ kleiner Club auf zwei Etagen mit gemütlichen Sitzecken und einem Kicker. Von außen hätte ich aber nie erwartet, dass dort tatsächlich etwas abging. Es spielte laute Alternative Musik als wir den Club betraten und Ausschau nach den anderen Jungs hielten.

„Scheint noch keiner da zu sein“, vermutete Gerrit. Am Tresen bestellte er uns jeweils ein Bier. Wir setzten uns in eine gemütliche Sofaecke. Auf der Tanzfläche war noch nicht viel los. „Wollen wir vielleicht solange Kickern bis die anderen kommen?“, schlug ich vor. Gerrit war einverstanden. Zum Kicker führte eine kleine Treppe. Viel Platz war dort eigentlich nicht und es sah ganz schön gammelig aus. Aber gerade das machte diese Location auch ziemlich genial. Zwei Mädels kamen zu uns. Auch sie waren mit einem Bier ausgestattet, was ich bei Mädels immer noch irgendwie komisch fand. Gerrit kam sofort mit ihnen ins Gespräch und so dauerte es nicht lange, bis wir gegen die beiden spielten. Natürlich hatten sie keine Chance.

„Wie wär’s mit einem Partnertausch?“ Gerrits Vorschlag wurde sofort akzeptiert. Ich spielte jetzt mit Kerstin und Gerrit mit Anja. Sofort ging es enger zu.

„Hier steckt ihr“, entdeckte uns Daniel und Niklas etwas später. Die Mädels pausierten und Gerrit und ich bildeten wieder gegen Daniel und Niklas ein Team. Die Mädels verschwanden kurz, aber nur um mit neuen Bier zurückzukommen. Gerrit und ich verloren das Spiel. Als Timo auch endlich auftauchte wechselten wir wieder zur Sofaecke. Timo war echt schon ziemlich voll. Mittendrin blieben Kerstin und Anja, die beide wirklich nett waren. Vom ganzen Bier musste ich ständig Pinkeln gehen. Nach zwei weiteren Runden standen Gerrit und ich nebeneinander am Pinkelbecken. „Kerstin steht voll auf dich“, meinte er.

„Glaubst du?“, war ich mir unsicher.

„Logo. Da läuft noch was, wenn du willst.“

„Ach Quatsch.“

„Was meinst du, warum sie dich immer fragt, ob du noch woanders hin willst?“

„Aber wo denn?“

„Keine Ahnung. Hier auf Klo oder im Innenhof.“

„Ist doch viel zu kalt“, fand ich.

Gerrit lachte nur. „Dann ist dir nicht mehr kalt. Wenn Anja nicht so schüchtern wäre, dann würde ich mir das nicht entgehen lassen.“

„Dann nimm du doch Kerstin.“

„Die steht aber leider nur auf dich. Kann das sein, dass du in dieser Hinsicht ziemlich blind bist?“

„Ist er“, kam plötzlich Niklas dazu. Während er auch pinkelte warteten Gerrit und ich an dem Waschbecken bis er fertig war.

„Siehst du. Jeder checkt es, nur du nicht.“

Als wir das Klo verlassen wollten, stand Kerstin plötzlich da. Niklas schubste mich in ihre Richtung und verschwand mit Gerrit.

„Hey“, meinte sie und stellte ihr Bier auf den Zigarettenautomaten ab.

„Hi“, lächelte ich verlegen.

„Ganz schön stickig hier drin. Hast du Lust kurz mit rauszukommen?“

Hatten die Jungs tatsächlich recht? „Also ich weiß nicht?“

„Komm schon“, fasste sie mir plötzlich um meine Taille. Ich weiß gar nicht mehr wie es passierte, aber plötzlich küssten wir uns. Selbst als Timo an uns vorbeiging, hörten wir nicht auf. „Auf geht’s“, klopfte er mir auf meine Schulter und Kerstin grinste. Sie zog mich an meiner Hand zur Treppe, die zum Hinterhof führte. Es war stockdunkel, nur eine Laterne brannte dort. Ein riesengroßes schwarzes Tor riegelte den Hof von der Straße ab. Ich hatte keine Ahnung, ob man dieses öffnen konnte. Wir gingen zu einem Baum, der in einer der Ecken stand.

Sie schaute mich fragend und zugleich verführerisch an. Wir knutschten immer wilder und hielten unsere Hände auch nicht mehr bei uns. Sie hatte echt einen richtig guten Body, sie führte meine Hände sogar zu ihren eher kleinen Brüsten, was mir irgendwie dann doch unangenehm war. Nervös schaute ich mich um, aber es war kein Mensch dort. Plötzlich fummelte sie an meiner Hose herum, was mich jetzt auch erregte. Sie öffnete meinen Gürtel und meinen Reißverschluss und zog meine Jeans mit einem Ruck ein kleines Stück herunter. Ich konnte mich gar nicht dagegen wehren, weil alles so schnell ging. Plötzlich hatte sie meinen steifen Schwanz in ihrer Hand und fing an mir einen zu Blasen. Ich hatte das Gefühl, dass sie da schon reichlich Übung hatte, denn sie war wirklich gut. Als ich soweit war, ließ sie von meinem Teil ab und schaute hockend zu, wie ich auf den Boden anspritzte. Schnell zog ich meine Hose wieder hoch. Sie kam aus der Hocke und gab mir einen Kuss. Im nächsten Moment zog sie ihr Handy aus ihrer Hosentasche. „Wie ist deine Nummer?“

Nachdem wir die Nummern getauscht hatten, gingen wir zurück in den Club und zu den anderen. Bei ihnen saß inzwischen auch Moritz und ein weiterer Junge, den ich vom Sehen her aus der Schule kannte. Die Jungs grölten und Grinsten, als wir uns wieder zu ihnen setzten. Aber keiner sagte was, sondern sie unterhielten sich weiter über Fußball. Timo gab noch eine Runde aus. Als ich wieder zum Klo wollte, kam mir Moritz von dort entgegen. Er hatte seine Jacke bereits wieder an. „Willst du los?“, fragte ich ihn.

„Ja, so spannend ist es heute ja nicht“, meinte er. „Aber du hattest ja deinen Spaß, wie ich gehört habe.“ Ich wusste nicht, wie ich seine Worte aufnehmen sollte? War es so eine typische Anerkennung unter Jungs oder eher abwertend, wie man so billig sein konnte?

„Naja, war ganz lustig. Wir haben gekickert und so.“

Moritz nickte nur.

„Können wir ja auch mal“, wollte ich das Gespräch nicht so enden lassen. „Ich bin inzwischen richtig gut.“

„Wer mit Gerrit zusammenwohnt, der passt sich an.“

„Ähm… ja“, hatte ich wieder keine Ahnung, wie er das meinte. „Dann sehen wir uns in der Schule?“

„Klar“, erwiderte Moritz und wollte gehen.

„Schade, dass du schon gehst. Ich hätte echt gern noch mehr mit dir gequatscht.“ Während ich sprach merkte ich zunehmend, dass ich auch schon leicht angetrunken war.

„Bis dann, Marvin“, verabschiedete sich Moritz und ging zum Ausgang. Da kam Gerrit dazu. „Wir müssen auch gleich los. Sonst gibt’s wieder Stress mit deinem Dad“, meinte er und drückte sich an mir vorbei, um selbst auch noch mal pinkeln zu gehen.

Als ich in der Nacht in meinem Bett lag, dachte ich an Moritz. Er faszinierte mich irgendwie. Er war cool und hatte dieses Besondere. Seine Stimme, die man einfach nur gerne hörte und sein ziemlich geniales Haar. Ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass Lukas wohl recht hatte, wenn er behauptete, dass ich auf ihn stehen würde. Oder wollte ich ihn doch nur als Kumpel? Das ganze Bier verwirrte meine Gedanken. Dann leuchtete mein Handy auf. Eine SMS von Kerstin. „Sehen wir uns noch mal am Wochenende?“

01.14 Verliebt?

Ich hatte leichte Kopfschmerzen, als ich Samstag durch das Klopfen von Gerrit an meiner Tür geweckt wurde.

„Ja?“, hob ich meinen Kopf.

„Na“, trat Gerrit in mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Er setzte sich zu mir auf mein Bett. Auch er hatte sich noch nicht angezogen und trug nur ein T-Shirt und Boxershorts.

„Krasser Abend gestern“, meinte er.

Ich nickte. „Schon irgendwie.“

„Respekt, Alter. Hätte ich nicht von dir gedacht?“

„Was denn?“

Gerrit grinste. „Na, dass du so mutig bist und dir von irgend so einem fremden Mädchen einen Blasen lässt.“

„Weißt du doch gar nicht…“

Jetzt grinste er übers ganze Gesicht. „Klar, weiß ich das.“

„Hab ich dir das auf dem Rückweg erzählt gehabt?“

„Und das es geil war“, nickte Gerrit gerade so, als ob er total stolz auf mich wäre.

„Ich hätte das mal nicht tun sollen“, meinte ich. „Eigentlich kannte ich sie doch gar nicht.“

„Ja und?“, sah Gerrit das lockerer. „Sie war scharf auf dich, sah einigermaßen gut aus. Da wärst du schön blöd gewesen, wenn du das nicht ausgenutzt hättest.“

„Trotzdem… ich weiß nicht?“

„Sonst hättest dir wieder selbst einen rubbeln müssen.“

Gerrit sagte das so selbstverständlich. Plötzlich fielen mir seine trainierten Oberschenkel auf.

„Hattest du schon oft was mit nem Mädchen?“, wollte ich jetzt von Gerrit wissen.

Er wollte gerade aufstehen, blieb dann aber noch kurz sitzen und überlegte scheinbar kurz. „Zwei Freundinnen, aber mit Marina lief ja nicht viel mehr, als zwischen dir und Kerstin.“

„Und so mal ne schnelle Nummer?“

„Einmal auf nem Stadtpark-Festival. Hab die nie wieder gesehen.“

„Auch blöd, oder?“

Gerrit zögerte kurz und dann grinste er mich an. „Nö, war ganz gut.“ Mit diesen Worten sprang er von meinem Bett auf und ging wieder zur Tür. Mein Blick fiel auf seinen knackigen Hintern, der in seinen engen Boxershorts total zur Geltung kam. Gerrit war schon echt heiß, aber ich sollte sowas einfach nicht denken und ich wünschte mir, es einfach ignorieren zu können.

Zu unserer Überraschung mussten wir uns überhaupt keinen Kommentar zu gestern von unseren Eltern anhören. Wir waren fast pünktlich zu Hause und konnten den Alkohol wohl ganz gut verbergen. Gerrit schonte sich an diesem Tag, immerhin stand morgen das erste Freundschaftsspiel in diesem Jahr für sein Team auf dem Programm.

Irgendwann fiel mir ein, dass ich heute mit Kerstin verabredet war. So richtig konnte ich mich gar nicht mehr dran erinnern, aber ich hatte ihr gestern Nacht offensichtlich noch geantwortet, dass wir uns am Thomann-Platz treffen könnten. Und so kam es dann auch. Irgendwie war es schon komisch. Wir saßen bei McDonalds und obwohl sie mir schon einen gelutscht hatte, war sie mir eher fremd.

„Seid ihr denn gestern noch gut nach Hause gekommen?“

„Ja, klar. Und wie lange warst du noch unterwegs?“, fragte ich.

„Wir sind auch gegangen. Anja wollte los. Und ohne euch war es auch langweilig.“

Ich nickte und wartete schlürfte meinen Erdbeershake.

„Du gehst auch aufs Ring-Gymnasium?“

„Ja“, nickte ich. „Hab dich da noch nie gesehen?“

„Ist auch schwer möglich“, antwortete sie. „Ich geh an die Theodor-Lange Schule.“

Warum auch immer, war ich fast froh drüber, dass sie nicht auch auf meine Schule ging. „Dann gibt’s wenigstens keine Gerüchte.“

„Was soll es denn für Gerüchte geben?“, wunderte Kerstin sich.

„Du weißt schon“, konnte ich es gar nicht aussprechen.

„Ach so“, lachte sie plötzlich. „Ich glaube da sorgen deine Jungs schon für.“

„Na toll.“

„Ist doch egal. Du sollst wissen, dass ich nicht so eine Schlampe bin, die sich jeden Jungen an den Hals wirft und ihn dann auf den Innenhof schleppt.“

„Ach, bist du nicht?“, fragte ich frech und musste dabei grinsen.

„Nein“, erwiderte sie lächelnd. „Nur wenn ich den Jungen ganz besonders nett finde.“

„Das hast du aber schnell für dich entschieden gehabt“, grinste ich herausfordernd.

„Aber du… du bist doch auch gleich drauf eingestiegen“, konterte sie.

„Schon.. ich bin ja auch nur ein Junge.“ Wir lachten beide. „Und trotzdem bin ich auch nur mitgegangen, weil ich dich auch gleich mochte.“

Plötzlich stand sie auf. „Wollen wir weiter?“

Ich schaute zu ihr hoch und nickte. Ich fand sie tatsächlich irgendwie süß und es machte Spaß mit ihr zusammen zu sein.

Wir waren noch eine Weile shoppen, redeten über Gott und die Welt und verabschiedeten uns schließlich in der U-Bahn-Station.

„Sehen wir uns morgen beim Spiel von deinem Bruder?“, fragte sie.

„Er ist nicht mein Bruder“, korrigierte ich sie. „Aber ich bin auch da.“

„Cool“, umarmte sie mich. „Ich freu mich.“

„Ich mich auch“, schaute ich ihr nach, als sie eilig in die U-Bahn steigen musste.

Am Abend lachten wir alle über Fluffy. Wie ein verrückter flitzte er durch das ganze Haus, von unten nach oben und zurück und kugelte sich dann auf dem Boden, wie ein verletzter Fußballer. Gerrit, Soja und ich spielten noch eine Runde Wii vor dem Abendessen. Als unsere Eltern noch im Wohnzimmer fernschauten und Soja bereits im Bett war, ging ich zu Gerrit ins Zimmer, der an seinem Laptop saß.

„Und gewinnt ihr morgen?“, wollte ich von ihm wissen. Ich setzte mich auf sein Bett.

„Was für eine Frage? Selbstverständlich“, grinste er, klappte seinen Laptop und drehte sich dann zu mir um. „Wie war‘s eigentlich mit Kerstin?“

„Ganz gut“, erwiderte ich. „Ich mag sie echt.“

„Sie dich auch“, grinste er weiter. „Eigentlich bist du auch echt cool. Du hast es geschafft in deiner Klasse akzeptiert zu werden und hast nach ein paar Wochen schon ne Freundin. Respekt.“

„Sie ist ja nicht meine Freundin“, stellte ich klar.

„Was ist sie dann?“

Ich überlegte kurz. „Eine Bekannte.“

„Klar, eine Bekannte, die dir deinen Schwanz lutscht und mit der du Stundenlang durch die Stadt läufst. Du bist doch total verknallt.“

Ich ließ Gerrits Worte so stehen, obwohl ich nicht in sie verknallt war. Ich mochte sie nur einfach. Genauso wie Janina, nur das sie mir nie einen gelutscht hat.

Am Sonntag ging es gleich früh raus. Das Hallenturnier stand an. Wir waren mit der ganzen Familie dort, um Gerrit anzufeuern. Auch von der Schule waren richtig viele Leute da. An einem Stand holten Soja und ich uns Waffeln. Als wir wieder zu Helena und meinem Dad wollten, entdeckte mich Kerstin.

„Hallo Marvin“, strahlte sie mich an.

„Hey“, freute ich mich auch sie zu sehen. „Das war übrigens Soja. Gerrits Schwester“, stellte ich ihr die Kleine vor, die gleich weiter rannte, um keine Minute vom Spiel ihres großen Bruders zu verpassen.

„Süß“, urteilte Kerstin. „Mein Bruder spielt auch heute.“

„Echt? Alle spielen sie Fußball.“

„Ja, aber du gar nicht, oder?“

„Nee, aber ich überlege, ob ich mal zu einem Handballtraining gehen sollte.“

„Warum nicht? Macht bestimmt Spaß.“

„Ja“, konnte ich mir das gut vorstellen. „Und ich lerne noch ein paar Leute außerhalb der Schule kennen.“

„Also hast du dich doch schon entschieden. Geh zum Training. Schaden kann’s nicht“, machte mir Kerstin Mut.

Wir redeten noch kurz und schauten uns dann wieder mit unseren Familien das Spiel weiter an. In einer Pause trafen wir uns wieder.

„Auf Dauer doch ganz schon langweilig“, meinte Kerstin.

„Naja, die anderen Mannschaften interessieren mich jetzt auch nicht so.“

„Hast du vielleicht Lust mit mir zu kommen?“

„Wohin gehst du denn?“, wollte ich wissen und merkte schon während ich fragte, dass die Frage eigentlich überflüssig war.

„Nach Hause. Da sind wir ungestört. Meine ganze Familie ist hier.“

Ich zögerte kurz. Dann erblickte ich Lukas im Augenwinkel. Er stand zusammen mit diesem Mädchen aus dem Lateinkurs. Ich merkte, wie er mich auch beobachtete. Auf einmal fühlte ich mich unter Druck. Kurzentschlossen griff ich nach Kerstins Hand und zog sie Richtung Ausgang durch die ganzen Zuschauer.

„Das heißt wohl ja“, lachte sie.

Mit der S-Bahn fuhren wir fast vor ihre Tür, was ich äußert praktisch empfand.

„Da wären wir. Hier wohne ich.“ Sie öffnete die Haustür und ich staunte. Es war etwas kleiner als unser Haus, aber schon gemütlich eingerichtet.

„Ich find dich wirklich süß. Auch wie du dich um deine kleine Schwester gekümmert hast.“

„Sie ist nicht meine Schwester“, verbesserte ich sie lachend.

„Irgendwie ist sie das schon“, kam Kerstin mir näher. Wir schauten uns an und küssten uns kurz im Flur. Dann nahm sie meine Hand und nahm mich die Treppe mit nach oben, direkt in ihr Zimmer.

„So sieht also ein typisches Mädchenzimmer aus“, zog ich sie auf.

„Als ob du noch nie in einem Mädchenzimmer gewesen wärst…“

„Nicht so oft, wie in Zimmern von Jungs“, lachte ich.

„Ich finde ja, dass du das ändern solltest“, presste sich Kerstin wieder an mich und wir knutschten wild los. Dabei ließen wir uns auf ihr Bett fallen. Wir kuschelten, knutschten, fummelten und plötzlich zog sie ihr Oberteil aus. In ihrem BH wirkten ihre Brüste größer, als am Freitag im Club. Ehe ich mich versah hatte sie mir auch mein Pulli und T-Shirt ausgezogen. Ich lag ihr quasi hilflos ausgeliefert im Bett. Aber ich fühlte mich unwohl. „Meinst du nicht, dass deine Familie gleich nach Hause kommt?“

„Nein, die haben noch was vor“, lächelte Kerstin mich verführerisch an.

„Gut zu wissen“, antwortete ich, während Kerstin an meiner Hose herumfummelte, die mir wenig später in den Kniekehlen hing. Es war das zweite Mal, dass sie mir einen lutschte – und sie verstand ihr Handwerk wirklich gut. Sie hätte ruhig noch weiter machen können, aber Kerstin wollte dieses Mal mehr. Wir waren jetzt beide nackt und ich war am Zug. Das Problem war, dass ich zwar schon Lust hatte, aber ich fand es gleichzeitig eklig. Es kostete mich echt Überwindung sie zwischen ihren Beinen zu verwöhnen. So dauerte es auch nicht lange, bis ich zum Kondom griff und dann trieben wir es. Auch das kostete mich erst Überwindung, aber war man einmal drin, war es okay. Ich hatte vorher schon mal Sex mit einem Mädchen, aber ich war nicht der Profi, für den sie mich gehalten hatte. Nach dem Sex lagen wir nebeneinander in ihrem Bett.

„Mit dir ist alles so einfach“, sagte sie.

„Wie meinst du das?“

„Reden, Spaß haben… alles.“

„Ach so.., okay“, starrte ich an die Decke. Dann erhob sie sich und blickte mir in die Augen. „Ich hatte mich Freitag schon in dich verliebt.“

Ich war froh, dass sie mich küsste und ich nicht antworten musste.

„Aber jetzt sollten wir uns anziehen, bevor meine Eltern doch noch nach Hause kommen.“

Auf dem Weg nach Hause stieg ich an der falschen Station aus. Kacke! Ich war so verwirrt. Scheinbar hatte ich jetzt eine Freundin. Nur wollte ich gar keine haben…

01.15 Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die Woche hätte nicht schlechter starten können. Wir bekamen die Geschichts-Klausuren zurück. Ich hätte eine fünf gehabt, aber meine wurde ja nicht gewertet. Dafür erwischte es einige Andere, die jetzt zittern mussten, dass sie nächste Woche bei den Zeugnissen nicht böse überrascht wurden. Timo fing sogar noch eine Diskussion mit Frau Schenk an, dass dieser Test ne Frechheit gewesen wäre und nicht gewertet werden dürfte. Er fiel echt miserabel aus. Es gab nur eine 2 und vier dreien. Dafür viele vieren und fünfen. Timo und Daniel hatten eine davon. Jacob hatte es sogar geschafft eine der dreien zu erwischen. Frau Schenk blieb natürlich hart und wertete die Klausur ganz normal.

In der Pause verabredeten sich Jacob und Timo für morgen zum Handball gucken. Da startete die EM und Deutschland spielte gleich. „Wann habt ihr eigentlich wieder Training?“, wollte ich wissen.

„Heute“, antwortete Timo, wurde aber gleich von Jacob korrigiert. „Heute fällt das Training aus. Donnerstag erst wieder.“

„Vielleicht komme ich dann mal vorbei“, meinte ich.

Jacob freute sich wohl. Er sah auf jeden Fall so aus. Timo machte stattdessen wieder nur einen seiner Sprüche. „Wenn deine Freundin dich lässt.“

Toll! Ich dachte schon sie hätten Kerstin vergessen.

„Seid ihr jetzt eigentlich richtig zusammen?“, wollte Daniel wissen.

„Keine Ahnung“, zuckte ich mit meinen Schultern. „Mehr oder weniger.“

„Auf jeden Fall wart ihr am Sonntag ja schnell verschwunden“, grinste Timo vielsagend. „War wohl sturmfrei, was?“

Bevor ich was sagen konnte, stimmten Jacob und Daniel ihm zu. „Krass und wie war‘s?“

Ich wollte mich um eine Antwort drücken, aber die Jungs ließen nicht locker.

„Geil war’s“, antwortete ich und tat so, als ob ich die Coolheit in Person wäre. Dabei mochte ich diese Rolle nicht wirklich. Die Pausenklingel rettete mich dann. Französisch und Physik waren ziemlich ätzend. Dafür spielten wir beim Sport wieder Handball. Jacob war wieder ganz begeistert. Scheinbar hatte ich Talent, wenn ich den anderen und Herrn Friedrich glauben würde. Beim anschließenden Duschen war es ganz komisch. Lukas stand mir schräg gegenüber. Ich wusste, dass er mich musterte. Als er vor mir zurück in die Umkleide ging, konnte ich auch hinschauen. Plötzlich schoss mir das Bild von seiner Latte in den Kopf. Verdammt! Schnell wieder an etwas anderes denken. Timo und ich gingen dann nur paar Sekunden später zusammen zurück, trockneten uns auch ab und warteten vor der Halle auf die anderen Jungs. Wieder nichts passiert, nur die Erkenntnis, dass ich Lukas‘ Körper immer noch ziemlich geil fand.

Im Reli-Block machten Daniel und Niklas sich über Gerrit lustig, weil Marina ihn nie so richtig ranließ, aber ich gleich nach zwei Tagen zum Zug kam bei Kerstin.

Nach der Relistunde wartete ich auf Moritz. „Na“, ich wusste gar nicht, was ich eigentlich sagen wollte.

„Hey Marvin“, erwiderte er und blieb tatsächlich stehen, während zwei seiner Freunde schon zum Hof gingen.

„Am Wochenende im Club, war ich da irgendwie blöd zu dir?“

„Nein, alles gut“, erwiderte Moritz und lächelte sogar. „Ich trinke nur nichts und du warst schon etwas voll.“

„Ja“, gab ich ihm recht. „Weil ich normal auch nicht viel trinke.“

„Und du bist jetzt mit Kerstin zusammen?“

Ich war überrascht, dass er so gut informiert war. „Kennst du sie?“

„Flüchtig durch eine andere Freundin“, klärte er mich auf. „Dann Glückwunsch.“

Ich zögerte, bevor ich wieder etwas antwortete. „Danke. Sie ist aber wirklich nett.“

„Kann sein, ich kenne sie nicht weiter. Wir sehen uns Mittwoch in Latein“, wollte er nun gehen.

„Alles klar. Bis dann.“

Ich schaute Moritz hinterher und war plötzlich irgendwie traurig. Keine Ahnung warum, aber es kam mir vor, als ob ich ihn enttäuschen oder fast schon betrügen würde. Es war echt krass. Schon die Stunde über hatte ich immer zu ihm rüber geschaut. Kein anderer Junge faszinierte mich so wie er. Er war unerreichbar für mich. Ganz im Gegenteil zu Lukas, der kommentarlos an mir vorbeiging.

Von allen bisherigen Schultagen war der Dienstag bislang der langweiligste gewesen. Es passierte rein gar nichts Spannendes. Zu Hause wunderte sich Helena, dass Gerrit die Ruhe weg hatte. „Hast du denn heute gar kein Training?“

„Doch“, meinte er. „Aber ich gehe nicht hin.“

„Nicht?“, war ich auch überrascht.

„Ist nur Lauftraining heute. Geht kaum einer hin“, erklärte er.

„Schaust du nachher mit Handball?“, hatte ich Hoffnung nicht allein gucken zu müssen.

„Logo“, war Gerrit mit am Start.

Kurz bevor die Übertragung startete bekam ich einen Anruf von Kerstin.

„Was machst du?“, wollte sie wissen.

„Nichts“, antwortete ich. Ich saß auf dem Bett in meinem Zimmer.

„Hast du Lust gleich mit mir und Sparky eine Runde im Park zu drehen?“ Sparky war ihr Hund.

„Ähm… eigentlich spielt Deutschland gleich.“

„Hmm.“ Ich glaub Kerstin wusste das gar nicht oder hatte es ausgeblendet, weil es sie nicht so interessierte War ja kein Fußball.

„Wir können morgen was machen“, schlug ich vor.

„Da habe ich keine Zeit. Ich muss lernen. Aber Donnerstag.“

„Da wollte ich eigentlich zum Handballtraining.“

„Ach ja. Na gut“, sagte sie enttäuscht. „Wir telefonieren einfach wieder.“

„Alles klar“, beendeten wir das Gespräch.

Ich ging zurück ins Wohnzimmer, wo die Vorberichte liefen. Die ganze Familie war versammelt, als ob es ein Finale einer Fußball-WM wäre. Ich mochte das aber und es war jedes Mal ein großer Moment, wenn die Hymne spielte. Das war Big Time Feeling! Leider verloren wir das Spiel gegen Polen mit 2 Toren Unterschied. Morgen gegen Slowenien musste also schon mal ein Sieg her!

Am nächsten Tag war das Spiel das Top-Thema bei Timo und Jacob.

„Wo ist morgen das Training?“

Jacob schaute mich fragend an. „Also willst du echt kommen? Cool!“

„So langsam staubt eure Begeisterung dafür auf mich ab.“

„Komme einfach vorher bei mir vorbei, dann fahren wir zusammen“, schlug Jacob vor.

In der Lateinstunde saß dann Moritz wieder neben mir. Es war zum Glück wieder alles ganz normal. Da hatte ich mir wohl nur wieder zu viel Gedanken gemacht. Er war richtig witzig heute und wir haben viel geredet. Überhaupt war heute viel diskutiert worden in der Stunde. So langsam macht sich bemerkbar, dass die Ferien anstehen. Leider war er nach dem Unterricht auch schnell wieder weg. Am Ausgang stand Lukas und zog sich seine Jacke an, als ich rausging. „Tschüss“, sagte er zu meiner Überraschung. Ich schaute ihn überrascht an, sagte auch kurz tschüss und bin dann auch schnell auf den Hof.

Das Deutschlandspiel hatte ich heute nur mit Gerrit zusammengeschaut, weil Soja, Helena und Dad zusammen einkaufen waren und nicht rechtzeitig zurück waren. Verpasst hatten sie nichts. Ein Unentschieden gegen Slowenien. Langsam machte ich mir Sorgen um die Hauptrunde.

Donnerstag spielten wir wieder Fußball in der Sportstunde. Es war das einzige Fach, wo die anderen lieber weiterspielen wollten, als aufs Klingeln zu hören.

„Wir sehen uns dann später“, verabschiedete sich Jacob in der Umkleide von mir. Irgendwie hatte er es wohl eilig.

„Wir haben dem Trainer schon Bescheid gesagt“, meinte Timo dann noch, was ich nickend zur Kenntnis nahm. Lukas lenkte mich ab, der uns wohl zuhörte und nun wusste, dass ich zum Handball gehen würde. Ich konnte mir schon denken, was er davon hielt. Ich ärgerte mich etwas, dass ich mir überhaupt Gedanken darüber machte, sollte er mir doch eigentlich egal sein.

Am Nachmittag fuhr ich zu Jacob nach Hause. Er wohnte mit seiner Familie in einer Doppelhaushälfte. Ich klingelte an der Haustür und seine Mutter öffnete mir. Es war tatsächlich das erste Mal, dass ich bei einen der Jungs zu Hause war. Seine Mutter war super lieb und wollte mir gerade erklären, dass ich die Treppe nach oben gehen und dann das zweite Zimmer rechts klopfen sollte. Aber da kam Jacob schon die Treppe herunter und begrüßte mich freudig. „Hey, unser Nachwuchsstar!“

„Er übertreibt“, meinte ich lachend zu seiner Mutter.

Wir sind dann auf sein Zimmer gegangen. Ich schaute mich erstmal um. Neben seinem Bett hatte er einen kleinen Schreibtisch, wo sein Desktop-Rechner stand. Außerdem hatte er Cola-Dosen gesammelt und dekorativ hingestellt. An seiner Tür hing ein schwarzweiß Poster von einer nackten Frau mit dicken Titten am Strand, die sie aber zum Großteil mit ihren Armen verdeckte. Unten trug sie einen schwarzen Minislip. Also schwul war Jacob wohl schon mal nicht. In einer Ecke hatte er seine dreckigen Klamotten liegen. Eine seiner Boxershorts viel mir natürlich als erstes auf. In einem Regal hatte er einige Pokale stehen. Ein paar Medaillen waren auch dabei.

„Cool“, war ich begeistert. „Hast du die alle beim Handball gewonnen?“

„Nee“, saß Jacob auf seinem Bett. „Die sind zum Teil auch noch vom Tennis.“

„Du spielst Tennis?“

„Nicht mehr so oft. Nur zum Spaß mal.“

„Wir müssen mal gegeneinander spielen. Ich hab früher auch gespielt.“

„Auf jeden!“, war Jacob einverstanden.

Wir saßen noch eine Weile zusammen und haben nett geredet über das Training, die Schule und wie ich mich hier so eingelebt habe.

„Auf jeden Fall hast du mit Kerstin einen guten Fang gemacht“, stand er schließlich von seinem Bett auf. „Ich geh noch mal kurz ins Bad, dann können wir los.“ Als Jacob im Bad war, fiel mein Blick wieder auf seine Boxershorts. Ich zweifelte kurz an meiner Zurechnungsfähigkeit, als ich für einen Moment überlegte, ob ich mir die mal genauer anschauen sollte, was ich dann aber nicht gemacht habe. Wenig später war Jacob zurück, packte noch seine Schuhe in seine Sporttasche und dann ging’s auch schon los zum Training.

An der Halle angekommen stellte mich Jacob den anderen Jungs vor. Wenig später kam auch Timo angefahren.

„Marvin!“, grinste Timo nur und schlug mit mir ein. „Ich bin gespannt.“

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