zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

New Life Diaries

Neue Stadt, neue Familie, neues Leben: Coming-Out Story

Teil 3 - Moritz

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

Inhaltsverzeichnis

01.08 Klappe, die Erste

Ich lief vor dem Kino auf und ab. Schon wieder musste ich auf Lukas warten. Der hätte sich ruhig mal mehr beeilen können. Es war so furchtbar kalt.

„Sorry für die Verspätung“, tauchte Lukas endlich auf und strahlte mich an.

„Lass uns schnell rein, mir ist Arschkalt.“

„Den könnte ich dir wärmen“, lächelte mich Lukas verführerisch an. Mein Blick sagte wohl alles, denn es folgte ein schnelles „Sorry“. Wir hatten uns für „Avatar“ entschieden. Ich war echt gespannt auf die 3D-Effekte. Am Ende waren es auch genau diese, die diesen Film sehenswert machten. Ich weiß gar nicht, warum Gerrit und die anderen alle so von „Avatar“ schwärmten. Von der Story fand ich den Film ziemlich schwach und ich würde mir ihn auch kein zweites Mal anschauen.

„Magst du noch irgendwo hingehen?“

Ich überlegte kurz. Eigentlich war es ganz nett mit Lukas. Er war nicht mal schwul gekleidet oder so, sondern ging klar als Hetero durch.

„Es ist schon ganz schön spät“, meinte ich. „Aber es hat echt Spaß gemacht, obwohl der Film jetzt nicht ganz mein Fall war.“

„Hauptsache du bist nicht mehr sauer auf mich.“ Lukas setzte eine Art Dackelblick auf.

„Nein“, schüttelte ich meinen Kopf. „Bin ich nicht. Wir können gerne mal wieder ins Kino gehen.“

„Ich bin total gespannt auf Sherlock Holmes“, war er gleich Feuer und Flamme.

„Klar, warum nicht“, war ich einverstanden.

Er schaute mich lieb, aber auch komisch an. Warum sagte er nichts?

„Ich mag dich wirklich sehr gern“, sagte er schließlich. Ich glaube es kostete ihn tatsächlich etwas Überwindung das zu sagen. „Ich bin eigentlich ziemlich schüchtern… aber ich weiß auch nicht. Du bist interessant, lustig. Nicht so blöd wie die ganzen Deppen bei Romeo.“

Ich schmunzelte.

„Und ziemlich süß. Deshalb würde ich mich sogar freuen, wenn es nur bei gemeinsamen Kinobesuchen bleiben würde. Aber ich hoffe natürlich, dass du…“

„Ja“, unterbrach ich ihn. „Ich muss mich halt erst mal daran gewöhnen etwas mit…. Schwulen…. zu unternehmen. Ist alles so neu für mich. Können wir das nicht erst mal dabei belassen?“

„Na klar“, willigte Lukas ein. „Bis morgen in der Schule dann.“

„Bis morgen“, lächelte ich.

Zu Hause wurde ich von Helena begrüßt.

„Wie war der Film?“

„Geht so“, zog ich mir meine Jacke und Schuhe aus.

„Möchtest du einen heißen Kakao? Du siehst aus, als ob du gut einen gebrauchen könntest.“

„Das wäre jetzt super“, freute ich mich. „Ist Dad gar nicht da?“

„Er ist kurz bei Dagmar und Götz.“

„Wieso das denn?“, wunderte ich mich, was er bei den Nachbarn wollte.

„Irgendetwas ist mit ihrem Auto und er schaut sich das mal an.“

Ich nickte. „Das kann dauern.“

Helena lächelte und reichte mir den Becher. „Bitte.“

„Danke“, trank ich sofort einen Schluck. „Und Gerrit ist oben?“

„Er ist noch nicht vom Training zurück.“

Ich war überrascht. Es war immerhin schon kurz vor 11 und das Training dauerte doch nur bis halb 9.

„Dann will ich auch gleich mal ins Bett.“ Ich trank noch meinen Kakao aus und unterhielt mich ein wenig mit Helena, die ich echt ziemlich mochte.

In meinem Zimmer schaltete ich sofort mein MacBook ein. Ich ging mich noch kurz Waschen und schloss dann meine Zimmertür und machte mich fürs Bett fertig. Mit meinem MacBook legte ich mich in mein Bett und wollte noch kurz Mails checken. Auch bei Romeo loggte ich mich noch ein. Ich hatte noch gar keine Nachricht gelesen, da blinkte schon eine neue Nachricht von Lukas auf. Er war auch noch on.

„Na, was machst du noch?“

„Ich lieg schon im Bett, will gleich schlafen“, schrieb ich zurück.

Es dauerte nicht lange, da kam wieder eine Antwort von ihm. „Sieht bestimmt süß aus.“

„Hehe, weiß man nicht genau“, antwortete ich. „Was machst du denn noch?“

Während ich auf Lukas Antwort wartete, schaute ich mir noch meine Profilaufrufe an. Kranke Leute gibt’s, dachte ich nur. Da kam auch schon wieder die nächste Nachricht von Lukas. „Ich lieg auch im Bett, den Rest willst du nicht wissen?“

„Wieso?“, fragte ich und setzte einen frechen Smiley ans Ende.

„Ich hab grad eine Latte und weiß jetzt nicht, was ich damit anstellen soll…“

Er konnte es irgendwie nicht lassen. Ich weiß auch nicht, aber ich ging auf sein Spielchen ein. „Ich wüsste schon, was du tun könntest ;-) Damit du schneller schlafen kannst.“

„Ich bin schon dabei. Was ist mit dir?“

Ich spürte wie es in meinen Boxershorts langsam enger wurde. „Ich nicht, aber vielleicht mach ich es dir gleich. Hilft es denn beim Einschlafen?“

Man scheiße, ich wollte eigentlich nicht mit Lukas flirten, aber irgendwie machte mich der Chat in diesem Moment schon leicht scharf.

„Es hilft! Ich finde, du solltest dich mir anschließen. Meiner steht schon wie eine eins.“

In der Zwischenzeit hörte ich, wie Gerrit nach Hause kam, die Treppe nach oben kam und sich im Bad wohl auch fertig zum Schlafengehen machte.

„Sieht bestimmt gut aus ;-) Vielleicht sollte ich es auch tun…“

Wahrscheinlich hatte ich es echt herausgefordert. In der nächsten Nachricht von Lukas hatte er ein Foto von seinem steifen Penis angehängt. Mir gefiel der Anblick auch und meiner war selbst bis zum geht nicht mehr hart. „So sieht es aus. Hast du auch eins?“, fragte er noch in selbiger Nachricht.

„Nein“, antwortete ich. Zwar hätte ich welche hochladen können, aber das wollte ich auf keinen Fall. „Sieht gut aus“, schrieb ich ihm noch zurück.

Während wir das machten, was wohl jeder Junge mehr oder weniger oft in seinem Bett mit sich selbst treibt, schrieben wir noch kurz hin und her, bis wir beide fertig waren.

„Das sollten wir morgen wiederholen. Am besten nicht nur im Chat“, schrieb Lukas.

Mein Gott, was hatte ich mir dabei nur gedacht. Wieder nur mit dem Schwanz gedacht, ärgerte ich mich. „Ähm ja, war ganz nett. Aber war eine einmalige Ausnahme“, schrieb ich zurück. „Muss jetzt schlafen. Gute Nacht!“

Sekunden nach dem ich diese Nachricht abgeschickt hatte, loggte ich mich aus und machte mein MacBook wieder aus. Fuck! Das hatte ich ja wieder toll hinbekommen.

Gerrit hatte mittwochs immer erst zur dritten Stunde Unterricht, also fuhr ich allein. Ich hatte ein ungutes Gefühl im Bauch. Selbst wenn ich wollte, hätte ich Lukas heute nicht aus dem Weg gehen können. Wir hatten in der 7. und 8. zusammen Latein als Wahlpflichtkurs. In den ersten Stunden hatte ich heute zum ersten Mal Mathe und es war die Hölle. Ich hatte kaum was verstanden und Frau Dewanger ermahnte Timo und mich immer, obwohl er nur versucht hatte mir was zu erklären. Diese Frau hasste ich jetzt schon.

In der großen Pause stand ich zusammen mit Timo, Jacob und Daniel. Wir bemerkten gar nicht, wie Gerrit dazukam. „Na Jungs, was geht?“

„Frau Dewanger geht – und zwar uns auf die Nerven“, schlug Timo mit ihm ein.

„Bist du Arsch jetzt etwa erst gekommen?“, war Daniel überrascht.

„Logo“, grinste Gerrit. „Heute ist mein Entspannungstag.“ Gerrit drehte sich zu mir. „Und kleiner Bruder, du warst gestern schon am Pennen oder wie?“

„Jap“, nickte ich schnell.

„Ich dachte erst, ich hätte dich noch gehört.“

„Nee“, schüttelte ich meinen Kopf. „Ich war schon im Bett.“

„Eigentlich wollte ich dir noch das Neuste erzählen. Dennis hat mit Marina Schluss gemacht.“

Auch für Timo und Jacob war das eine Neuigkeit. „Echt jetzt?“, war Jacob überrascht.

„Weil sie ihn auch angelogen hatte. Sie hatte behauptet, sie hätte schon Schluss mit mir gemacht, als sie mit ihm zum ersten Mal gebumst hatte. Außerdem war sie wohl immer am rumzicken.“

„Marina halt“, lachte Timo.

„Na kommt, sah Gerrit das wohl etwas anders. „Sie ist gar nicht so, wenn man sie richtig kennt.“

„Du verteidigst sie auch noch?“, konnte ich Gerrit nicht verstehen.

„Nein, aber es ist ja nicht plötzlich alles schlecht an ihr.“

„Stimmt, sie hat immer noch geile Titten“, grinste Daniel und alles lachte zustimmend.

„Leute, ich muss schon mal hoch. Wir sehen uns!“

Gerrit verschwand schon mal ins Gebäude. Stattdessen hatte sich Janik angeschlichen. Bemerkbar machte er sich erst mit einem Eiergrabscher von hinten. „Autsch!“, erschreckte ich mich. Janik und die anderen Jungs, die ihn schon kommen sahen, lachten sich halb schlapp. „Einmal erwischt es jeden“, freute sich Janik über seine geglückte Aktion. Das eiern hatte ich schon immer gehasst. Vielleicht auch, weil ich mich nie traute, selbst mal zurück zu grabschen. Auf dem Weg ins Gebäude wurden noch ein paar weitere Versuche unternommen, aber war man einmal gewarnt, konnte man gut ausweichen. Vor dem Musikraum, als keiner mehr damit rechnete, erwischte Daniel noch mal Janik. Der fand das dann sogar noch ganz klasse und zollte Daniel Respekt dafür, dass es ihm gelungen war.

Während der Stunde dachte ich viel nach. Mir fiel jetzt erst so richtig auf, dass mich Gerrit als seinen „kleinen Bruder“ bezeichnet hatte. Weiß nicht, was ich davon halten sollte? Als ob er jetzt groß älter wäre als ich.

Vor der Chemie-Stunde hatten wir wieder 30 Minuten Pause. Wir standen am Kiosk an. Aus der Schlange kam Lukas, der mich komisch angrinste. „Bis gleich in Latein.“

Ich nickte nur, während sich Timo und Jacob angrinsten.

„Ist was?“, war ich irritiert.

„Na ja“, begann Jacob. „Der Lukas scheint dich zu mögen. Er ist halt besonders bekannt in unserem Jahrgang. Wirst du schon noch merken.“

„Eher komisch, dass du es noch nicht bemerkt hast“, gab Timo zum besten.

„Was denn?“

Die Jungs schauten sich an. „Der Typ ist ein… Arschficker.“

Ich muss wohl ziemlich blöd geschaut haben, aber Jacob sprach es dann noch mal ganz klar aus. „Der ist schwul.“

„Du solltest aufpassen“, riet mir Timo. „Sein letzter Freund sah so ähnlich aus wie du. Der hat bestimmt schon ein Auge auf dich geworfen.“

„Echt? Das wusste ich nicht“, meinte ich. „Dachte er wäre ganz ok.“

„Ist er auch“, meinte Jacob. „Nur halt schwul.“

Wieder lachten die Jungs. „Bis gleich in Latein, Marvin.“ Timo zupfte an mir rum und machte einen auf typisch Schwul. Ich lachte mit den anderen mit.

„Woher wusste der eigentlich, dass du Latein gewählt hast?“, wollte Daniel wissen, der inzwischen dazugekommen war.

Meine Gedanken rasten. Sollte ich ihnen etwa erzählen, dass wir zusammen im Kino waren? Früher oder später würde es vielleicht herauskommen.

„Wir hatten uns gestern unterhalten, da hatte ich das erwähnt“, antwortete ich.

„Und du hast nicht gemerkt, dass er schwul ist? Der kann schon ganz schön tuntig sein.“

„Nee, echt nicht gemerkt“, erwiderte ich. „Hauptsache er macht mich nicht an“, fügte ich hinzu und bekam dafür ein zustimmendes Kopfnicken der anderen Jungs.

01.09 Klappe, die Zweite

Nach der Chemiestunde teilten wir uns alle auf. Ich wusste gar nicht so genau, wer aus meiner Klasse noch Chemie hatte. Bis auf Johanna und Annika und Sven und Martin wusste ich niemanden. Jacob und ich gingen uns noch kurz zwei Brötchen am Kiosk holen. „Wir sehen uns morgen. Oder komme doch heute Abend zu meinem Spiel.“ Er meinte natürlich sein Handballspiel. „Dann siehst du Timo und mich mal in Action.“

„Ich weiß noch nicht, ob ich Zeit habe. Aber ich überleg es mir“, antwortete ich und bekam zur Verabschiedung noch einen Schulterklopfer von Jacob. Eigentlich war er mir am ähnlichsten. Auch eher ruhiger, während Timo auch gerne mal im Mittelpunkt stand. Auf mich allein gestellt, lief ich über die Flure der Schule. Aus einem Raum kam ein Junge, der auf dem Flur stehen blieb und sein Handy checkte. Im ersten Moment hatte ich ihn gar nicht erkannt, aber es war der Junge aus der U-Bahn. Gestern hatten wir uns schon kurz nach der Schule gesehen gehabt. „Hey“, grüßte er mich, als er seinen Kopf hob und sein iPhone in seiner Hosentasche verschwinden ließ. „Ist ja mal ein Zufall, dass du auf unserer Schule gelandet bist. Kommst du mit den U-Bahnen jetzt besser zurecht?“, lächelte er.

Er sah dabei so richtig süß aus, lässig und cool gleichzeitig. Wie damals in der U-Bahn. Seine halblangen, dunkelbraunen Haare, hatte er sich hinter seine Ohren geklemmt. „Ähm ja, geht schon. Nun habe ich eher mit den Räumen hier zu kämpfen.“

„Wo sollst du hin?“, fragte er.

„Raum 20, WPK Latein.“

„Das ist leicht“, lächelte er wieder. „Du folgst mir einfach unauffällig.“

„Okaaay“, antwortete ich zögernd.

„Da muss ich jetzt auch hin. Ich bin übrigens Moritz“, stellte er sich vor.

„Du hast auch Latein?“ Er nickte. Ich wusste gar nicht genau warum, aber ich freute mich total. „Ach, ich bin Marvin.“

„Cool“, nickte Moritz. „Wollen wir vielleicht zusammen sitzen?“

Zu meiner innerlichen Freude kam ein großes Überrascht-Sein dazu. Er wollte neben mir sitzen?

„Von mir aus gern“, war ich natürlich einverstanden. „In welcher Klasse bist du denn?“

„In der A“. Moritz deutete mir an, dass wir den richtigen Raum erreicht hatten. Der Raum war schon gut gefüllt. In der letzten Reihe war ein Tisch – warum auch immer – noch frei. Ich schaute mich kurz in dem Raum um, bemerkte dann Lukas, der allein in der zweiten Reihe auf der anderen Seite saß. Er nahm seine Tasche beiseite und lächelte mir zu. Ich glaube er wollte, dass ich mich zu ihm setzte. Ich aber tat so, als ob ich das nicht bemerkt hätte und ging mit Moritz zu dem freien Tisch, wo wir uns hinsetzten.

Sofort drehten sich zwei Mädels zu uns um, die vor uns saßen. Scheinbar gingen sie in die gleiche Klasse wie Moritz. Auf jeden Fall waren sie miteinander vertraut. Als sie sich wieder nach vorn drehten, schaute Moritz auf sein Handy. „Die Schlichting ist aber spät dran. Vielleicht ist sie ja krank“, lächelte er.

„Das wäre cool“, meinte ich. „Und du spielst Gitarre?“

Moritz nickte. „Und singe in einer Band.“

Ich war überrascht. „Krass. Richtig mit Auftritten?“

„Wir spielen noch nicht so lange zusammen. Aber im März treten wir beim Schulfest auf.“

„Und was macht ihr für Musik?“

„Ach, nichts besonderes. Pop halt. Viele Akustiknummern.“

„Dann kamst du bestimmt von einer Probe, als wir uns in der U-Bahn gesehen hatten...“

Moritz wusste es nicht mehr genau. „Oder von einer Unterrichtsstunde.“

„Du gibt’s Gitarrenunterricht?“

Er nickte. „Ja, ich hab zwei Schüler.“

„Ich wollte es auch mal lernen. Ich hatte auch schon so ein Buch mit CD dazu, aber irgendwie waren meine Finger nicht schnell genug.“

Er lachte. „Ohne Lehrer ist es auch schwer. Ich kann dir ja mal ein paar Griffe beibringen.“

„Klar“, war ich begeistert. In diesem Moment betrat Frau Schlichting das Klassenzimmer. Als ich wieder nach vorn schaute, sah ich, wie Lukas uns beobachtet hatte. Inzwischen saß irgendein Mädchen neben ihm.

Die Lateinstunde war, wie schon auf meiner alten Schule, langweilig. Aber mit Frau Schlichting hatten wir eine total nette Lehrerin. Ich mochte sie einfach. Als sie den Unterricht beendet hatte, packten wir unsere Sachen zusammen. Moritz war wahnsinnig schnell. „Also bis dann“, verabschiedete er sich noch von mir und war auch schon verschwunden. Ich hatte gehofft wir würden vielleicht noch kurz reden. Dann eben nicht. Stattdessen fing mich Lukas ab.

„Hi“, sagte er.

„Hallo“, erwiderte ich und war mir unsicher, was nun folgen würde. Es waren schon fast alle gegangen.

„Du kennst Moritz also?“

„Nee“, schüttelte ich meinen Kopf. „Eigentlich nicht.“

„Ich sagte dir doch, er ist ein Idiot.“

„Zu mir war er ganz nett.“ Ich wollte eigentlich auch schnell verschwinden und nicht mit Lukas zusammen gesehen werden. Inzwischen waren wir die einzigen im Latein-Raum. „Ich muss dann los“, sagte ich schnell.

„Gestern Abend, hat Spaß gebracht.“ Ich drehte mich in der Tür noch einmal zu Lukas um. Er lächelte mich komisch an. „Vielleicht sehen wir uns heute Abend ja wieder online.“

„Eher nicht. Ich hab schon was vor“, meinte ich und verschwand auf den Pausenhof. An den Fahrradständern wartete Gerrit bereits auf mich.

„Wo bleibst du denn?“

„Sorry“, schloss ich mein Fahrrad auf.

„Immer der letzte“, schmunzelte Gerrit. „Und wie war‘s?“

„Ganz okay“, meinte ich. „Jacob und Timo haben heute Abend ein Spiel. Hast du vielleicht Lust mit hinzugehen?“

„Logo“, war Gerrit einverstanden.

Der Tag war echt kurz. Wir waren erst kurz vor 4 zu Hause. Ich stellte mir vor, wie stressig es sein würde, wenn wir auch noch richtig viele Hausaufgaben zu machen haben oder für Klausuren lernen müssten. Wegen dem Spiel gab es für Gerrit und mich vorher schon eine Kleinigkeit zu Essen.

Ich war echt froh, dass Gerrit mit kam. Ohne ihn hätte ich die Halle bestimmt gar nicht erst gefunden. Handball war echt ein harter Sport. Jacob und Timo müssten eigentlich den ganzen Körper voller blauen Flecken haben. Es war Spannend bis zur letzten Minute. Am Ende ging es mit 2 Toren Vorsprung gut für uns aus. Wir konnten den beiden nur kurz gratulieren. Gerrit dagegen kannte irgendwie fast jeden, der sich in dieser Halle befand. Es machte auf jeden Fall wieder wahnsinnig viel Spaß mit Gerrit unterwegs gewesen zu sein.

Abends lag ich wieder mit meinem MacBook im Bett. Ich entschloss mich noch kurz bei Romeo reinzuschauen. Inzwischen kannte ich ein paar wenige Jungs, die süß ausschauten und dabei auch noch nett waren. Leider wohnten sie in einer ganz anderen Ecke. Nicht überrascht war ich, dass auch Lukas wieder online war. Er hatte sich einen neuen Nickname zugelegt. Prompt kam eine Nachricht von ihm. Ich öffnete sie. Es stand nur ein „Naa“ in der Nachricht. Angehängt war ein Bild von seinem steifen Schwanz, kurz nachdem er abgespritzt hatte. Zugegeben war das Bild schon geil, aber ich wollte es einfach nicht sehen. Also ignorierte ich seine Nachricht. Doch Lukas blieb hartnäckig. Kurze Zeit später schrieb er: „Was ist los? Gestern warst du noch ganz scharf drauf.“

Dieses Mal antwortete ich schließlich. „Das war gestern.“

„Bist du denn jetzt nicht geil? Ich warte immer noch auf ein Bild von deinem Teil!“

Langsam war ich richtig genervt. „Da kannst du lange drauf warten. Sowas verschicke ich nicht. Gute Nacht!“

Ich loggte mich aus und beschloss mich die nächsten Wochen dort nicht mehr anzumelden.

Am Donnerstag hatten wir 7 Stunden. Gerrit marschierte sofort mit Niklas Richtung Sporthalle. Sie hatten ihre Doppelstunde immer in den ersten beiden Stunden, was ich ziemlich blöd fand. Von weiten sah ich auch Moritz mit ein paar anderen Jungs in diese Richtung laufen. Ich dachte kurz, dass ich auch viel lieber mit einer der beiden Klassen zusammen Sport gehabt hätte, als mit der von Lukas.

Vor dem ersten Deutsch-Block drehte sich alles um das Handballspiel von gestern. Es machte Spaß Timo und Jacob zuzuhören. Sie konnten echt gut erzählen.

In der Biostunde ging mir durch den Kopf, dass ich mit manchen aus meiner Klasse noch nie richtig geredet hatte. Ich hatte auch noch Probleme mir die ganzen Namen zu merken.

Nach der 30-Minuten-Pause hatte wir noch drei Einzelstunden: Geografie, Mathe und Sport. Im Sportunterricht spielten wir heute Gerätebrennball. Hockey fand ich zwar deutlich besser, aber die 45 Minuten gingen schnell vorbei und es machte eigentlich auch Spaß und ich konnte fast ausblenden, dass Lukas auch dabei war. Janik sorgte in der Kabine durch sein Eiergegrabsche wieder für mächtig Stimmung. Ich glaube, Jacob wurde heute so richtig erwischt.

Weil wir erst immer mit dem Klingeln Schluss machten und uns im Anschluss umzogen, war Gerrit heute schon los und ich musste allein nach Hause fahren. Naja fast. Plötzlich wurde ich von Lukas eingeholt. „Können wir reden?“, schaute er zu mir rüber.

„Was gibt’s?“, fuhr ich weiter.

„Ich dachte, du würdest nun doch was von mir wollen. Nach unserem Chat.“

„Ja, war falsch von mir“, sagte ich.

„Dann höre ich jetzt auf damit. Ich will einfach mit dir befreundet sein.“ Lukas starrte mich gerade zu an. „Okay?“

„Ja“, erwiderte ich schließlich.

„Keine versauten Bilder mehr“, grinste er.

„Warum hattest du mir eigentlich nicht erzählt, dass alle hier wissen, dass du schwul bist?“

„Ich dachte, du würdest das wissen.“

„Jetzt weiß ich es“, sagte ich leicht verärgert.

„Hast du dich deshalb neben Moritz gesetzt?“

„Nein“, schüttelte ich meinen Kopf. „Das hatte sich so ergeben.“

„Klar“, glaubte er mir wohl nicht. „Du stehst doch total auf ihn.“

„Quatsch“, fuhr ich schneller.

„So wie du ihm damals auf den Arsch gestarrt hattest.“

„Das war deine Einbildung. Ich finde ihn nur nett. Außerdem bin ich nicht schwul, so wie du!“

„Was?“ Lukas machte eine Vollbremsung.

Ich hatte mich so erschrocken, dass ich auch anhielt.

„Du bist ein feiges Arschloch“, schimpfte er plötzlich.

„Bitte?“

„Natürlich bist du schwul. Genauso wie ich. Dir ist es jetzt nur peinlich mit mir gesehen zu werden. Würde ich nicht an deine Schule gehen, hätten wir schon längst zusammen gefickt. Aber jetzt hast du Angst um deinen guten Ruf hier.“

„So ein Bullshit“, wehrte ich mich gegen seine Anschuldigungen.

„Aber weißt du was. Wenn Moritz merkt, dass du was von ihm willst, dann ist dein Ruf eh im Arsch und du wirst von allen als Tucke abgestempelt.“

„Ich will nichts von ihm, nicht von dir, von niemanden. Ich war mir vielleicht etwas unsicher in den letzten Wochen. Aber jetzt weiß ich ganz genau, dass ich nicht auf Jungs stehe. Auf keinen.“

„Natürlich“, stach die Ironie in seiner Stimme hervor. „Ich will nur, dass du weißt, dass Moritz ein Idiot ist.“

Ich war wirklich wütend. „Dazu bin ich noch ganz gut selbst in der Lage, dass zu entscheiden, wer ein Idiot ist. Und im Moment bist du der Idiot.“

„Weil ich ehrlich zu mir bin?“

„Ach, egal“, wollte ich nur weg.

„Ich glaube dir kein Wort, aber es ist okay für mich. Dann bist du ab heute eben nicht mehr schwul. Und ich lasse dich in Ruhe.“

„Fein.“

Im Grunde hatte er ja sogar Recht und ich hatte auch irgendwie ein schlechtes Gewissen, aber so hoffte ich, dass ich nun endlich Ruhe hatte…

01.10 Familienzuwachs

Die erste Woche Schule neigte sich dem Ende. Endlich Freitag! Der Tag begann mit WPF Medien Informatik. Es war definitiv das beste Fach. Gerrit, Niklas, Flo, Jacob, Daniel und Timo saßen mit in diesem Kurs. Ich arbeitete mit Timo an einem Rechner. Die ersten 4 Wochen sollten wir einen Betrieb aufbauen, Waren einkaufen, Sortimentslisten führen und jedes Team war für den Verkauf von einer bestimmten Ware verantwortlich. Es war eher ein kleiner Trip in die Wirtschaftsinformatik fand ich. Aber es machte Spaß. Wir schickten uns Anfragen hin und her, verhandelten. Es war so toll, nicht nur stur an seinem Platz sitzen zu müssen. Außerdem lernte ich so auch andere Schüler aus anderen Klassen noch besser kennen.

Nach der Doppelstunde Englisch hatten wir noch die 30-Minuten-Pause, in der Lukas einmal zusammen mit dem Mädel aus unserem Lateinkurs an uns vorbeiging und mich ignorierte. Kein Gruß, was ich ja eigentlich gut fand. Nur blöd, dass die anderen Jungs direkt drauf ansprangen.

„Was ist denn da los?“, lachte Timo.

„Was denn?“

„Wir dachten doch Lukas würde auf dich stehen.“

„Er will sich nur interessant machen“, grinste Jacob.

„Ach, ihr meint die Tucke“, tat ich unwissend.

„Tja, Marvin. Chance vertan, da hat er wohl schon wieder einen neuen“, lachte auch Daniel.

Ich ärgerte mich etwas über mich selbst. Es war echt mies von mir, sich über Lukas lustig zu machen. Er hatte mit allem recht, was er mir vorgeworfen hatte. Aber was sollte ich sonst machen?

Die Mathestunde im Anschluss verging wie im Flug. Und da wir nur alle 14 Tage eine Doppelstunde Sport am Freitag hatten, war damit das Wochenende endlich erreicht. Ich verabschiedete mich von den Jungs und ging zu meinem Fahrrad. Auf dem Weg dorthin begegnete ich Moritz.

„Wie jetzt? Schon Schluss?“

„Jap“, grinste ich.

„Na dann, schönes Wochenende“, wünschte mir Moritz.

Zu Hause war Soja ganz aufreget. Heute ging es endlich ins Tierheim. Wir warteten nur noch auf Gerrit, der noch bis halb 3 Schule hatte. Und dann war es soweit. Zu fünft sind wir ab ins Tierheim. Es war schon traurig zu sehen, dass so viele Tiere kein richtiges zu Hause hatten. Immerhin war es ein schönes Tierheim, mit viel Platz zum Toben für die Hunde und ein rießen Außengehege für die Katzen, die also rein und rausgehen konnten, wie sie wollten. Viele der Katzen waren scheu. Soja hatte sich sofort auf eine ganz kleine gestürzt, die erst ein paar Monate alt sein konnte. Einige wären schon Tierheim-Inventar meinte die Tierheimleiterin.

„Ich will die kleine“, sagte Soja.

Ihre Mutter überzeugte sie aber, dass eine Katze, die schon zwei, drei Jahre alt wäre für den Anfang besser für uns wäre. Gerrit hatte sich sofort mit einem Kater angefreundet, der die ganze Zeit auf einer Heizung lag und sich von ihm streicheln ließ. Eine andere war leider schon vergeben, die wir sonst wohl auch genommen hätten.

„Schau mal, der hier ist so verschmust. Der schläft bestimmt mit dir im Bett.“

Gerrit schien Soja sofort überzeugt zu haben. Es war das erste Mal, dass ich mit ansehen konnte, wie Gerrit der einfühlsame große Bruder für Soja war. Dad holte in der Zwischenzeit unsere Transportbox. Und tatsächlich sprang der Kater sofort von der Heizung auf und ging in die Box, als ob er uns sagen wollte, worauf wir noch länger warten, wir könnten doch jetzt mal nach Hause fahren. Alle lachten. Und so entschieden wir uns für Mister Fluffy.

Zu Hause angekommen erkundete Fluffy auch erstmal sein neues Revier. In jedem Zimmer schaute er sich um. Soja immer hinterher.

„Komm, lass ihn erst mal in Ruhe. Er muss sich erst mal an uns gewöhnen“, schlug ihr Gerrit vor. Der ganze Abend drehte sich um Fluffy. Gerrit war der erste, wo er sich für ein paar Minuten auf den Schoß setzte und sich streicheln ließ.

„Er soll auch mal auf meinen Schoß“, beschwerte sich Soja. Aber Fluffy hatte sich für den Rest des Abends unser Sofa ausgeguckt, wo er sich in eine Decke kuschelte.

In der Nacht ließen wir alle unsere Türen auf, doch Fluffy entschied sich, unten im Wohnzimmer zu schlafen.

Am Samstag kam er dann auch mal bei Soja und mir auf den Schoß. Helena gab ihm sein Futter und Dad hatte aus dem Tiershop noch einen zweiten Kratzbaum geholt.

Selbst Gerrit blieb das ganze Wochenende über zu Hause. Jeder war sofort in Fluffy verliebt. Selbst mein Dad, der sich normal nie ein Haustier geholt hätte. Am liebsten spielte Fluffy mit Schnürbändern, auf die er Jagd machte. Er war so schnell, dass ich schon die ersten Kratzer abbekam. Aber ich war damit nicht allein.

Soja, Gerrit und ich spielten noch eine Runde Wii, bevor wir mit der ganzen Familie Essen gingen. Es war das erste Mal, dass wir zusammen in ein Restaurant gegangen waren.

Zurück im Haus, wurden wir schon von Fluffy erwartet, der auch noch etwas zu Fressen haben wollte. Während Gerrit am Duschen war, surfte ich etwas im Netz. Fast hätte ich mich bei Romeo eingeloggt, aber das konnte ich jetzt schlecht machen, sonst hätte mich Lukas vielleicht bemerkt. Mit nassen Haaren und nur mit einem Handtuch um seine Hüften bekleidet stand Gerrit in meiner Tür. „Wollen wir gleich noch mal ne Runde Scrubs bei dir gucken?“, schlug er vor.

„Klar“, fand ich seine Idee super. Er ging zurück ins Bad, wo er sich seine Haare föhnte. Die Tür stand dabei offen und ich musste immer wieder hinschauen, obwohl ich es nicht wollte. Das war verdammt sexy. Ich machte derweil den DVD-Player startklar, während Gerrit sich in seinem Zimmer anzog. Mehr oder weniger. Er kam mit seiner Bettdecke und Kopfkissen zu mir, trug dabei aber wieder nur sein T-Shirt und eine enge Boxershorts. Ich versuchte nicht hinzuschauen und er war zum Glück auch ziemlich schnell unter der Bettdecke verschwunden.

Im Haus wurde es auch langsam ruhig. Soja schlief längst und auch unsere Eltern gingen ins Bett. Plötzlich stand Fluffy bei uns in der Tür. Gerrit bemerkte ihn sofort. „Hey, na komm her“, versuchte er ihn zu locken. Und tatsächlich kam er mit seinem Satz auf das Bett gesprungen. Er ließ sich von Gerrit und mir streicheln und schnurrte dabei. Dann legte er sich ans Fußende, genau zwischen uns quer über beide Bettdecken. Wir schauten noch zwei weitere Folgen von Scrubs und machten dann den Fernseher aus.

„Sieht so aus, als ob wir heute zu dritt bei dir übernachten“, grinste Gerrit, als er zu Fluffy schaute, dem es sichtlich gefiel bei uns.

„Sieht so aus“, bestätigte ich lachend. „Dann mal gute Nacht.“

Gegen 7 Uhr wachten wir auf, als Fluffy sich streckte und aufstand. Gerrit und ich lächelten uns an, weil Fluffy so stark gähnte, wie wir morgens, wenn wir nicht zur Schule wollten. Wir hörten wie Fluffy nach unten lief und dann sich über sein Trockenfutter hermachte. Gerrit ließ sich wieder zurückfallen und schloss seine Augen. Er hatte sich zur Innenseite gedreht, weshalb ich mich nach außen drehte und zum Wecker schaute. Eindeutig noch zu früh, um aufzustehen.

Erst um 11 Uhr, stand mein Dad in meinem Zimmer. Die Tür war immer noch offen. „Na Jungs, kommt ihr zum Frühstück?“

„Ja“, nickte ich und streckte mich. Auch Gerrit richtete sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dann krabbelte er unter der Bettdecke hervor. Ich weiß auch nicht warum, aber das erste was mir in die Augen sprang war seine Beule in den Shorts, die sich abzeichnete und größer wirkte, wie gestern noch. Die Vorstellung, dass er mit einer Morgenlatte neben mir lag, fand ich irgendwie schon anregend. Ich weiß nicht, ob er es gar nicht gemerkt hatte, aber auf jeden Fall, versuchte er es nicht großartig zu verbergen und ging ins Badezimmer. Ich zog mir auch schnell was an und wartete darauf, dass ich ins Bad konnte.

Am Frühstückstisch scherzte Dad dann. „Hätte ich gewusst, dass ihr beide mit einem Zimmer auskommt, dann hätte ich mir auch noch ein Hobbyzimmer einrichten können.“

„Vergiss es“, lachte Gerrit.

„Was haltet ihr davon, wenn wir heute Nachmittag alle zusammen eine Runde Bowlen gehen?“, schlug mein Dad dann überraschend vor.

Doch die Begeisterung hielt sich in Grenzen. „Ich will bei Fluffy bleiben“, protestierte Soja als erste.

„Ich wollte gleich noch einen Kuchen backen“, erinnerte Helena, die morgen Nachmittag irgendwelche Freundinnen zu Besuch bekam.

„Dann vielleicht nächste Woche“, gab sich Dad geschlagen.

„Ja“, nickte Gerrit, der die Idee wohl gar nicht so schlecht fand. „Und was ist mit dir?“, schaute er mich fragend an. „Bock auf ne Runde Squash?“

Ich überlegte kurz. „Ich spiele so schlecht.“

„Egal“, wollte mich Gerrit überreden.

„Wenn du mitgehst, spendiere ich euch die Stunde“, schlug sich auch noch mein Vater auf Gerrit‘s Seite.

„Überredet“, lachte ich.

„Super“, freute sich Gerrit. „Danke, Jonas.“

Das Squash-Spiel war dann wirklich ein Desaster aus meiner Sicht. So ganz kam ich mit den Regeln und dem Spiel zurecht. Außerdem blieben meine Bälle immer in der Lampendecke hängen. Warum auch immer? Als wir zum zweiten Mal nach neuen Bällen fragen mussten, bekamen wir fast einen Lachflash. Die Mitarbeiterin der Sportarena war aber auch eine coole Frau. So lustig.

„Nächstes Mal also wieder Badminton“, grinste Gerrit, nachdem die Stunde abgelaufen war und wir unsere Schläger wieder abgeben hatten.

„Für Squash habt ihr auch erst mal ein Verbot“, meinte die Mitarbeiterin. „Vorher müsst ihr noch die ganzen Bälle aus der Decke holen.“

Klar meinte sie es nur als Spaß, aber Gerrit sprang drauf an. „Kein Ding, das können wir auch jetzt machen.“

Die Frau lachte. „Das macht unser Hausmeister schon.“

„Nee“, meinte es Gerrit ernst. „Wir brauchen nur ne Leiter.“

Die Frau und ich schauten Gerrit zweifelnd an. „Okay“, zeigte sie sich dann einverstanden und rief dann nach Bernd. Scheinbar der Hausmeister. „Kannst du den beiden Jungs mal eine Leiter bringen.“

Gesagt, getan. Bernd brachte uns die Leiter und wir gingen damit in unsere Squash-Kabine. Ich hielt die Leiter, Gerrit kletterte rauf und suchte nach den Bällen. Er musste sich richtig strecken und am Ende hatten wir etwa 15 Bälle gefunden, wovon aber nur höchstens 5 von uns kamen. Es war schon lustig.

In der Kabine meinte Gerrit dann, dass Susanne super sei. So hieß die Mitarbeiterin, die er wohl schon mehrere Jahre lang kannte.

Dann zog er sein T-Shirt aus und dieses Mal ging es mit ihm allein unter die Dusche. Doch dieses Mal hatte ich mich im Griff. Nichts regte sich, obwohl er direkt neben mir stand und sich gründlich einseifte. Auch musste ich mich dieses Mal nicht eher abtrocknen gehen, sondern stand genauso lange wie er unter der Dusche.

Ja, es war stark anzunehmen, dass ich ihn jetzt regelmäßig nackt sehen würde. Daher war ich auch wahnsinnig froh, dass dieses Mal alles gut ging…

01.11 Nahkampf

Noch als ich träumte, hoffte ich, dass dieser Traum noch weitergehen würde und ich nicht plötzlich ganz woanders wäre – so wie ich ständig plötzliche Ortswechsel in meinen Träumen erlebte. In dieser Nacht lag ich in einem kleinen Bett, wie ich es früher einmal hatte. Es war Nacht und ich war wach, tat aber so, als ob ich schlief. Neben mir lag Gerrit. Ich lag mit meinem Gesicht zur Wand, atmete irgendwie komisch mit dem Mund. Ich musste reichlich Platz vom Bett eingenommen haben und meinen Arm auch von mir gestreckt. Gerrit war wach und wusste wohl nicht, wie er bequem liegen sollte. Er nahm meinen Arm, legte sich ihn irgendwie auf sich und sein Bein legte er irgendwie zwischen meine. Ich weiß es nicht mehr genau, die Erinnerung war leider schon schnell verblasst und so mehr ich drüber nachdachte, umso unmöglicher war die Position eigentlich, wie wir lagen. Ich weiß nur noch, dass ich einen Ständer hatte. Vielleicht hatten wir Shorts an, aber auf jeden Fall nicht viel. Ich fühlte seine Haut an meiner Haut. Es fühlte sich hundertprozentig real an. Aber es war nur ein Traum. Ich weiß noch, wie ich dachte, als er sich an mich kuschelte, dass er wohl auch bisexuelle Neigungen hatte. Leider war der Traum an dieser Stelle vorbei. Ich hätte so gern gewusst, wie es weitergegangen wäre. Aber dieses Gefühl seinen Körper an meinem zu spüren, auch wenn es nur für kurze Zeit in einem Traum war, das blieb. Ich glaube ich hatte danach auch noch etwas anderes geträumt. Als ich aufwachte, war ich etwas verwirrt. Warum musste es ausgerechnet Gerrit in diesem Traum sein? Wenig später klingelte mein Wecker. Ich verzichtete auf die 5 Minuten Liegenbleiben und stand sofort auf und ging ins Bad. Ich wusch mein Gesicht, putzte mir die Zähne und machte mich halt soweit für die Schule fertig. Als ich das Bad verließ, lief mir schon Gerrit verschlafen auf dem Flur entgegen.

„Morgen“, murmelte er. Er trug nur seine Shorts und ein T-Shirt. Wie immer.

„Guten Morgen“, antwortete ich und verschwand in meinem Zimmer. Ich zog mir mein Outfit für den heutigen Tag an und machte meine Haare. Unten in der Küche setzte ich mich zu Helena. Dad war ja schon los. Ich war fast fertig mit frühstücken, als Gerrit endlich dazu kam. Er schaufelte sich schnell ein paar Cornflakes rein. Dann mussten wir auch schon los.

Meine zweite Woche startete mit einer Überraschung. Einen Test in Geschichte. Naja, für mich war es nicht so wichtig, aber für die anderen schon, die sich verständlicherweise total über Frau Schenk aufregten. Manche bangten um ihre Note. In 3 Wochen gab‘s ja Zeugnisse. Da musste ich mir keine Sorgen mehr drum machen, weil meine Noten von meiner alten Schule übernommen wurden.

In der ersten Pause waren dann die Fragen von dem Test auch das Thema überhaupt. Würde ich eine reguläre Note bekommen, hätte ich wahrscheinlich auch eine 5 gehabt. Als wir wieder zum Klassenraum gingen, sah ich Gerrit mit Niklas und Marina zusammen über den Flur laufen. Dafür, dass sie ihn so mies abserviert hatte, verbrachten sie wieder auffällig viel Zeit zusammen, fand ich.

In der 7. Stunde hatten wir wieder Sportunterricht mit der D. Es war auch das erste Mal, dass ich Lukas wiedersah nach unserem Streit. Er ignorierte mich vor der Halle und in der Umkleide, was mir nur recht war. Herr Friedrich ließ uns Matten in die Halle tragen und forderte uns auf, Klassenweise Zweierteams zu bilden. Ich bildete ein Team mit Jacob. Jetzt wussten wir auch, dass Herr Friedrich es ernst meinte, als er uns vor der Halle sagte, dass wir heute Ringen werden. Okay, es war kein richtiges Ringen, aber es war wohl ein passender Begriff dafür, was wir machen sollten. Die Teams unserer Klasse mussten gegen die aus der D antreten. Dabei wurde je einer auf die Schulter des Partners genommen und Ziel war es das andere Team zu Fall zu bringen, bzw. den Gegner von den Schultern des Partners zu werfen. Jacob schulterte mich und wir kämpften gegen ein Team, dass uns körperlich komplett überlegen war. Zumindest der Typ, der den anderen Jungen auf seinen Schultern trug. Naja, ich ging als erstes auf die Matte und somit verlor unser Team. Insgesamt siegte unsere Klasse aber. Danach gab es noch Einzelkämpfe. Wir bekamen ein Band um unser Fußgelenk gebunden. Ziel war es dieses Mal natürlich das Band des Gegners als erster abzunehmen. René aus meiner Klasse kämpfte gegen Lukas, der sich sehr gut schlug. Alle, die gerade nicht aktiv waren, saßen um die Matten herum und schauten zu. Lukas gewann sein Match. Timo drückte René danach noch einen Spruch rein, ob er sich schön am Arsch hat tätscheln lassen. Ich trat gegen Christopher an, der ungefähr den gleichen Körperbau und die gleiche Größe wie ich hatte. Es war echt schwer, man versuchte sein Bein möglichst weit weg vom Gegner zu halten und es war gar nicht zu vermeiden in diesen engen Körperkontakt zu treten. Mir gelang es dann Christopher am Bein zu halten und das Band zu lösen. Klar bekam ich dafür ein paar lobende Schulterklopfer meiner Klasse – und ich war echt stolz auf meinen Sieg. Da wir nur 45 Minuten hatten war auch jeder nur einmal an der Reihe. Bei manchen Paarungen ging es echt zur Sache und ich fand es schon cool, wenn die T-Shirts hochrutschten und man die freien Brüste mancher Jungs sehen konnte. Die Stunde kam überhaupt gut an in beiden Klassen. Trotzdem war auch das Ringen wohl eine seltene Ausnahme wie das Hockey letzte Woche.

In der Religionsstunde saß ich heute neben Gerrit und Daniel. Es war der einzige Kurs, wo wir keine festen Sitzplätze hatten, weil es halt eher ein Vorlesungsraum war, als ein Klassenzimmer. Während der Stunde kam eine Diskussion zu Stande. Ein Junge in einer der vorderen Reihen war dabei sehr aktiv. Viele waren genervt, aber er argumentierte echt gut und wirkte dabei nicht strebsam, sondern sympathisch. Moritz entdeckte ich leider nicht. Hoffentlich war er nicht krank, da ich mich echt schon auf Mittwoch freute.

Ansonsten passierte nicht wirklich viel an diesem Tag. Gerrit kam erst spät nach Hause. Soja und ich spielten ein wenig mit Fluffy, dem wir heute ein Spielzeug gekauft hatten, was er jetzt nicht soo toll fand. Schnürsenkel reichten ihm halt.

Auch am Dienstag passierte nicht viel. In meiner Klasse war heute Erik das erste Mal da. Er war bis jetzt wohl krank gewesen. Er war wohl eine Mischung aus Hip Hopper und Skater. Seine Jeans hing ihm auf jeden Fall so tief, dass fast seine ganze Boxershorts zu sehen war. Ich fand seinen Look ziemlich ätzend. Erstmal war er viel zu dünn und zu groß. Und seine Haare hatte er wohl auch frisch rasieren lassen. Erst dachte ich, er hätte eine Glatze, weil man die raspelkurzen Haare unter seinem Cappy nicht sehen konnte. Ich sah ihn schon auf dem Schulhof, da wusste ich aber nicht, dass er in meine Klasse ging. So ging er auch vor mir in den Klassenraum und steuerte auf Timo zu, der auch gerade angekommen war.

„Na wieder fit?“, begrüßte Timo mit Handschlag.

„Alter, war das eine Scheiße sag ich dir.“ Scheinbar hatte sich Erik abgepackt, als Glatteis war.

Erik stellte seinen Rucksack auf unseren Tisch ab und es sah so aus, als ob er sich setzen wollte. Toll, dachte ich. Jetzt musste ich mir wohl einen neuen Platz suchen. Doch ich täuschte mich zum Glück.

„Also hier kannst du nicht sitzen. Das ist Marvins Platz“, erklärte ihn Timo. Da stand ich auch schon bei den beiden.

„Hi“, war ich freundlich. Erik runzelte nur mit seiner Stirn und musterte mich.

„Du bist der Neue?“

„Sieht so aus“, nickte ich. „Marvin.“

„Okay“, überlegte Erik. „Dann setz ich mich mal zu Martin.“

Als er außer Hörweite war und ich neben Timo saß, beugte er sich zu mir vor, so dass uns niemand hören konnte. „Als ob ich neben Erik sitzen wollte.“

Ich grinste nur. „Danke. Wo saß er denn vorher?“

„Neben Martin, wie jetzt auch wieder.“

Wie mies, dachte ich nur. „Und warum wollte er sich jetzt zu dir setzen?“

„Keine Ahnung. Erik ist ein Spinner. Der fängt doch schon vor dem Unterricht an zu kiffen.“

Das konnte ich mir gut vorstellen. Er wirkte auch etwas verplant, wenn man ihn so beobachtete.

In der Pause konnte ich dann noch besser verstehen, warum Timo und auch die anderen Jungs von Erik genervt waren. Er stand die ganze Zeit mit Martin, der kaum ein Wort sagte, bei uns rum. Er nannte mich immer nur der „Neue“. Er fluchte dann die ganze Zeit über seine Familie und seine Mutter, die ihn ständig nervte.

„Jetzt will sie mir das Rauchen in meinem Zimmer verbieten. Die spinnt, die Alte.“

Den anderen waren seine Sorgen reichlich egal. Aber Erik war’s nicht egal. Er erzählte immer weiter. „Kann mir noch mal einer „Snoop Dogg’s Doggystyle“ besorgen? Die CD im Arsch.“ Weil ich nicht so auf diese Musik stand, war mir gar nicht klar, dass dieser Film ein Hip-Hopp-Porno war. Ich dachte es wäre ein Musik-Album. „Neuer, frag Gerrit doch mal. Du sitzt doch an der Quelle“

„Ich glaube kaum, dass er den hat“, meinte ich.

Daniel lachte. „Gerrit guckt nur Hardcore-Streifen.“

Timo nickte zustimmend. „Jetzt ohne Marina, irgendwie muss man sich doch helfen.“

Ich war echt überrascht. Ich hatte noch nie was gehört aus seinem Zimmer oder gesehen. Aber was hieß das schon. Er hörte ja schließlich auch nicht, wenn ich mir Porno Clips im Internet anschaute, was aber auch erst einmal vorkam, seit wir hier wohnten.

Auf dem Rückweg fragte ich dann Gerrit tatsächlich nach diesem Snoop Dogg Film.

„Was soll ich denn mit diesem Scheiß?“

„Weiß nicht? Erik dachte, du hättest den vielleicht.“

Ich konnte schon an Gerrits Gesicht erkennen, dass er Erik auch für einen Vollpfosten hielt.

„Wenn ich mir was lade, ganz bestimmt nicht für andere und lass mich dann womöglich noch erwischen.“

„Das wäre peinlich.“

Gerrit grinste. „Ja, meine Mutter würde da schon blöd gucken.“

„Das glaube ich auch. Aber die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden, dürfte auch sehr gering sein. Ich kenne keinen.“

„Ich auch nicht.“ Wir mussten an einer roten Ampel halten. „Mich hat man auf jeden Fall noch nicht erwischt“, grinste er mich an. Ich erwiderte sein Grinsen.

Ich überlegte kurz, ob er wohl von Hardcore-Pornos oder normalen Filmen sprach, aber traute mich nicht nachzufragen.

Gerrit hatte am Abend wieder Fußballtraining und ich telefonierte mit Micha, einem Kumpel aus Hamburg.

Am Mittwoch war ich so enttäuscht. Schon vor der Lateinstunde hatte ich mitbekommen, dass Moritz wirklich krank war. So musste ich wohl die letzten beiden Stunden alleine sitzen, bis Lukas den Raum betrat. Seine Sitznachbarin war wohl auch nicht da, also setzte er sich einfach auf Moritz‘ Platz. Ich starrte ihn irritiert an.

„Was soll das?“

Lesemodus deaktivieren (?)