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Von Bruder zu Bruder

Weihnachtschallenge 2010

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Inhaltsverzeichnis

Nico

„Ich hasse dich!“, schreie ich. Ich? Wer ich bin? Fragt doch mal meinen lieben großen Bruder. Der ist gerade dabei meinen Schokoadventskalender zu plündern und ist dann auch noch so frech, mich zu beschimpfen. Nichtsnutz… Schulschwänzer… das kenne ich ja schon. Aber gerade hat er mich doch tatsächlich Schwuchtel genannt. Schwuchtel! Das geht mir echt zu weit. Ich habe ihm vor zwei Jahren anvertraut, dass ich auf Jungs stehe. Und jetzt benutzt er das gegen mich. Dabei frisst er sich genüsslich von einem Türchen zum nächsten.

Ich reiße ihm den Kalender aus der Hand und schubse ihn in Richtung Tür. „Verpiss dich!“

„Ach Nico, jetzt reg dich doch nicht so auf“, versucht er mich zu beschwichtigen. Das regt mich nur leider noch viel mehr auf.

„Du verputzt meine Schokolade, nennst mich Schwuchtel und sagst mir dann, dass ich mich nicht aufregen soll?!“

„Ist ja nicht so als würdest du sie essen wollen“, sagt er mit diesem Unschuldsblick, auf den alle anderen ständig reinzufallen scheinen. Aber nicht mit mir, mein Lieber.

„Das gibt dir noch lange nicht das Recht in mein Zimmer zu kommen und sie dir einfach zu nehmen.“

„Also gibst du zu, dass du sie nicht gegessen hättest. Hast wohl Angst, dass sich eine Fettzelle an deinem heiligen Körper ansiedeln könnte, was?“

„Was man von dir ja nicht behaupten kann.“ Oh, wie schön, dass er mir diese Vorlage bietet. Ich kann nicht widerstehen und spiele meinen Trumpf aus. „Wenn du weiter so viele Süßigkeiten frisst, platzt du noch vor Weihnachten. Du hast echt ein Problem.“

Sein Unschuldsblick verwandelt sich schlagartig in diese diabolisch funkelnde Grimasse, die wahrscheinlich nur ich kenne. Vor allen anderen spielt er immer den lieben, geselligen Streber, der nie einer Fliege etwas zuleide tun könnte. Aber ich kenne auch eine andere Seite an ihm. Ich kenne sein Laster, genau wie er meins. Und deshalb enden alle unsere Streitigkeiten immer damit, dass wir uns wutschäumend in unsere Zimmer zurückziehen. Der Fairness halber muss ich aber auch zugeben, dass wir uns eigentlich im Großen und Ganzen immer ganz gut verstehen. Zumindest so lange, bis einer den wunden Punkt des anderen anspricht.

Tom wirft mir nur noch einen hasserfüllten Blick zu und verschwindet endlich aus meinem Zimmer. Wahrscheinlich klemmt er sich jetzt wieder vor sein Mathebuch und lernt ein paar Formeln auswendig, um sich zu beruhigen. Und vermutlich hat er noch ein paar Lebkuchen oder Sonstiges, das er verdrücken kann.

Ich dagegen fahre meinen Computer hoch, schiebe sämtliche Schulbücher beiseite und öffne den Chat.

„Hi“, schreibt Marek sofort.

„Kannst du mich bitte ein bisschen ablenken?“, schreibe ich zurück. Keine Zeit für Hallos.

„Ist was passiert?“

„Streit mit meinem Bruder.“

„Das Übliche?“, fragt er. Ja, er kennt diese Spielchen schon.

„Fast. Er hat Schwuchtel zu mir gesagt!“

„Na und? Da stehst du doch drüber, oder?“

„Und wenn es ihm auch wo anders mal rausrutscht?“, gebe ich zu bedenken.

„Er ist dein Bruder. Würde er das tun?“

„Keine Ahnung. Was ist denn jetzt mit der Ablenkung?“, hake ich nach. Ich weiß, dass er versteht, was ich meine.

„Okay. Gib mir ne halbe Stunde.“

„Damit du dir was Nettes anziehen kannst? Lohnt sich nicht… Ich komme sofort.“

„Wow, muss ja echt schlimm gewesen sein.“

„…“

„Ist ja gut. Dann komm halt jetzt.“

„Ok, bis gleich“, schreibe ich noch schnell und melde mich ab.

Unten treffe ich auf meine Eltern, denen ich die übliche Ausrede präsentiere: Unterwegs mit Freunden. Klappt immer. Dass ich ihnen nicht die Wahrheit sage, ist nicht meine Schuld. Ich hab einfach keine Lust auf Diskussionen. Vielleicht wäre es ihnen auch egal, dass ich schwul bin. Wie ihnen eigentlich alles andere auch egal ist, seit ich keine guten Noten mehr in der Schule schreibe. Ich bin quasi Luft. Die Schande der Familie. Und das schon, obwohl sie nicht mal wissen, was ich mit einem ganz bestimmten Freund so alles anstelle. Ich vermute, dass es ihnen ganz recht wäre, wenn ich von meinem Sexleben erzählen würde. Dann hätten sie wieder einen Grund mehr, mich schief von der Seite anzusehen und hinter meinem Rücken über mich zu reden.

Und Tom? Der ist das Kind, das sie immer wollten. Ein höflicher junger Mann, der sich niemals Feinde macht und auch noch gut in der Schule ist. Und er isst alles, was Mami ihm auf den Tisch stellt. Besonders den Nachtisch. Keine Ahnung, warum sie nach ihm noch ein Kind wollten. Ich esse niemals den Nachtisch. Den hole ich mir lieber von jemand anderem.

Ich drücke die Klingel und lehne mich gegen die Tür, nachdem das vertraute Surren zu hören ist. Wenig später komme ich schnaufend im dritten Stock an und werde von meinem persönlichen Engel empfangen, der lächelnd am Türrahmen zu seiner Wohnung lehnt. Da wird mir gleich schon wieder ganz warm. Er ist der einzige, der mich so ansieht. So, als ob ich ihm nicht ganz egal wäre.

„Du warst schnell“, sagt er und legt seinen Kopf etwas schief. Ich liebe das.

„Na sicher…“ Ich stelle mich ganz dicht vor ihn und küsse ihn auf den Mund. Er legt seine Arme um meine Taille und zieht mich an sich. „… hab ich doch gesagt.“

„Und willst du auch reinkommen?“

„Deshalb bin ich doch hier.“

Seine Wohnung ist toll. Altbau, überall Parkett und ganz weiß gestrichen, ohne dass es zu steril wirkt. Er ist Künstler und meint, dass das Licht dadurch am besten genutzt werden kann. Dann stören nicht die Farben, die von den Wänden abgestrahlt werden. Auf dem Boden liegen immer Bücher, Pinsel und Papier verstreut und am liebsten mag ich es, wenn er gerade an einem Bild arbeitet und noch überall an sich Farbe kleben hat. Außerdem riecht es dann überall nach Farbe und frischem Papier und irgendwie liegt dann immer so was Geheimnisvolles in der Luft. Er zeigt mir seine Arbeit nämlich immer erst, wenn sie fertig ist. Solange bleibt die Staffelei abgedeckt.

Dass so jemand wie er trotzdem auch ständig vor dem Computer oder Fernseher sitzt, konnte ich mir am Anfang überhaupt nicht vorstellen, aber das mag ich so an ihm. Er ist ganz normal.

Er nimmt mir meine Jacke ab und zieht dann den Schal von meinem Hals. „Welche Art von Ablenkung hast du dir denn vorgestellt?“, fragt er grinsend und streicht mit seinen Fingern durch die Haare in meinem Nacken. „Ich gehe mal davon aus, dass du nicht über den Streit mit deinem Bruder reden willst?“

„Dann wäre es ja keine Ablenkung.“

„Okay.“ Marek lehnt sich weiter zu mir vor und hält nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht inne. „Mir wäre jetzt auch nicht nach reden.“ Er drückt seine Lippen auf meine und lässt seine Hände sehr zielstrebig über meinen Rücken bis zu meinem Po wandern. Dort krallen sie sich in meine Jeans und sorgen dafür, dass sich kein bisschen Luft mehr zwischen unseren Körpern befindet. Ich bin augenblicklich total hin und weg und möchte ihn nur noch anfassen und küssen und einfach das tun, wofür ich hergekommen bin. Mich ablenken lassen. Und zwar auf die angenehmste und prickelndste Art und Weise, die ich mir vorstellen kann.


„Darf ich dich irgendwann mal zeichnen?“, fragt er, während er neben mir liegt, seinen Kopf auf eine Hand stützt und mit den Fingerspitzen der anderen über meinen Bauch streicht.

„Fragst du das jeden, der einmal nackig in deinem Bett gelegen hat?“

„Nein, ich frage das sonst überhaupt niemanden.“

Ich sehe ihn an und erwarte schon, dass er gleich in hysterisches Gelächter ausbricht, aber er scheint es wirklich so zu meinen. „Warum nicht?“

„Weil ich nie das Bedürfnis hatte. Ich male lieber abstrakt.“

„Ach, aber mich Lichtgestalt musst du unbedingt zeichnen?“ Jetzt bin ich es, der lacht.

„So ungefähr, ja.“ Marek lächelt. „Du hast ja keine Ahnung wie sexy du sein kannst, wenn du mal nicht den Macho raushängen lässt.“

„Was heißt denn hier Macho?“, frage ich entrüstet.

„Na ja, du weißt offensichtlich schon, dass du nicht gerade hässlich bist und du meinst, dass du Schule nicht nötig hast. Aber so bist du eigentlich nicht und manchmal sieht man das auch.“

„Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, ob das ein Kompliment war.“

Er zuckt nur mit den Schultern. „Und? Darf ich?“

„Wenn´s dich glücklich macht…“

„Danke schön“, sagt er grinsend und drückt mir einen Kuss auf den Mund.

„Aber nicht heute. Ich will noch ein paar Bälle schlagen.“

„Ja ja, immer der Sport. Dabei sollte man meinen, dass du gerade genug davon hattest.“

„Nee, das war Ablenkung. Schon vergessen?“

„Hat´s denn funktioniert?“, fragt er und umkreist jetzt mit seinen Fingern meine Brustwarzen.

„Ziemlich gut.“

„Ja, das war es“, säuselt er.

Ein paar Minuten bleibe ich noch liegen, doch dann taucht wieder dieses merkwürdige Gefühl auf, das ich gar nicht richtig beschreiben kann, und ich stehe auf. Marek sieht mir schweigend dabei zu wie ich meine Hose, mein T-Shirt und meinen Pullover anziehe. Wie immer.

„Willst du nicht irgendwann auch mal hier bleiben?“, fragt er.

Ich antworte nicht, sondern lächle ihm nur einmal kurz zu und versuche meinen Schock zu verbergen. Das hat er noch nie gefragt. Das bringt das ganze Schema durcheinander, auf dem unsere Beziehung zueinander aufgebaut ist. Das überfordert mich.

„Bis bald“, sage ich deshalb nur und gebe ihm noch einen Kuss, bevor ich beinahe fluchtartig seine Wohnung verlasse.

Ich gehe kurz nach Hause, um meine Sportsachen zu holen und mache mich dann auf den Weg zum Fitnessstudio. Es sind noch mehrere Squash-Courts frei. Ich entscheide mich für den, der nicht von der kleinen Tribüne aus sichtbar ist. Muss ja nicht jeder mitkriegen wie ich hier allein den Ball gegen die Wand schmettere. Ich weiß gar nicht genau, worauf ich eigentlich wütend bin und was mich so aus der Fassung gebracht hat. Ich denke nicht, dass es immer noch um Tom geht. Denn da stehe ich eigentlich wirklich drüber. Außerdem ist er immer noch mein Bruder und ich weiß ja, dass er mich niemals wirklich böswillig verletzen würde.

Dann muss es etwas mit Marek zu tun haben. Wahrscheinlich war es die Frage, ob ich nicht noch bleiben möchte. Irgendwann. Wieso hat er mich das gefragt? Ich meine, wir sind ja nicht zusammen. Nicht so richtig. Und ich hatte bisher auch den Eindruck, dass es ihm so ganz recht war. Wir wollten beide nicht mehr. Das wird nur immer so schnell kompliziert und dann kann man sich irgendwann nicht mehr ausstehen. Ich mag ihn. Und das soll auch so bleiben. Aber jetzt kommt er mit diesen Fragen: Darf ich dich zeichnen? Willst du nicht noch bleiben?

Ich hole aus und treffe den Ball mit voller Kraft. Wäre er schon richtig eingespielt, wäre er wohl aus dem Court geflogen. Langsam werde ich warm und der Ball wird immer schneller. Irgendwann bin ich nur noch am Hin- und Herlaufen und schnaufe ordentlich.

Willst du nicht noch bleiben? Tz. Das kann er sich gleich abschminken.

Als ich wieder zuhause ankomme, wartet Tom schon auf mich und entschuldigt sich sofort für das, was er zu mir gesagt hat. „Ich weiß echt nicht, warum ich sowas gesagt habe. Ich hab nichts dagegen, dass du auf Kerle stehst. Wirklich nicht.“

„Weiß ich doch. Und mir tut´s auch leid. Du kannst die Schokolade haben, wenn du möchtest.“

„Nee, die wirst du schön selber essen. Macht glücklich“, sagt er und zwinkert mir zu.

„Wunderbar“, nuschel ich und verziehe mich in mein Zimmer. Was ich jetzt brauche, ist eine Ablenkung von der Ablenkung. Keine Schokolade. Mein Blick fällt auf meinen Schreibtisch. Ob ich wohl morgen mal wieder in die Schule gehe? Ich glaube wir schreiben ne Arbeit in Politik. Mein Arzt schreibt mir bestimmt nicht schon wieder ein Attest. Oh man, dabei hasse ich Politik und gelernt hab ich auch noch nicht. Na, wenn das keine Ablenkung ist, weiß ich auch nicht. Ich kralle mir das Buch und das Grundgesetz und werfe mich auf mein Bett. Wozu so steif am Schreibtisch hocken, wenn man es hier auch so gemütlich haben kann?


Die Arbeit war der absolute Horror. Wer soll sich denn die ganzen Paragraphen merken können, ohne dabei den Verstand zu verlieren? In meinem Kopf schwirrt schon genug durcheinander.

Mathe in der ersten Stunde war ebenfalls für die Katz. Unser Lehrer hatte es eindeutig auf mich abgesehen und ständig die unmöglichsten Antworten von mir verlangt. Peinlich genug, wenn man die Lösung nicht weiß, aber dann auch noch vorne an der Tafel vorrechnen? Das ist Folter. Schülerfolter. Und das sollte meiner Meinung nach eher mal im Grundgesetz aufgenommen werden als so was Beknacktes wie Erbrecht.

Jetzt wimmelt es in meinem Kopf von Zahlen, Paragraphen, nervigen Brüdern und anhänglichen Liebhabern. Nicht zu vergessen die absolut überflüssigen Eltern. Aber wenigstens scheint Marek mich einigermaßen gern zu haben, wenn er schon will, dass ich bei ihm bleibe. Von meinen Eltern bekomme ich so was nie zu hören und von meinen sogenannten Freunden auch nicht. Eigentlich sind das gar keine Freunde. Nur Typen, mit denen ich den Pausen rumhänge. Warum Marek mich nicht so behandelt wie alle anderen auch verstehe ich allerdings nicht. Er sagt doch selber, dass er es nicht mag, wenn ich so bin wie ich nun mal bin. Und der, den er glaubt in mir zu sehen, kann ich einfach nicht sein. Da wird er sich wohl anders wo umsehen müssen. Aber der Gedanke gefällt mir auch wieder nicht. Ich will nicht, dass er jemand anderen zu sich einlädt und ihm seine Arbeiten zeigt. Das darf er nur mit mir.

„Ey Nicki, wieder Stress zuhause?“, fragt Anton, einer meiner sogenannten Freunde und schlägt mir so stark auf die Schulter, dass ich fast umkippe. Einen halben Herzkasper hab ich auch noch bekommen, weil ich ihn nicht hab kommen sehen.

„Nenn mich nicht so. Du weißt, dass ich das nicht ausstehen kann.“

„Oha, da ist aber einer schlecht drauf. Politik war wohl nicht so der Knüller?“

„Nee, bei dir etwa?“, frage ich stirnrunzelnd. Wenn der mir jetzt sagen will, dass er besser zurechtgekommen ist als ich, werde ich mir ein hysterisches Lachen nicht verkneifen können.

„Ach wo, hab erst gar nicht gelernt, weil ich wusste, dass das nicht in meinen Kopf geht.“

„Da geht ja auch nur Alkohol rein, sonst nichts.“ Ich hab keinen Bock mich noch länger mit ihm zu unterhalten, also gehe ich schon mal in meinen nächsten Unterrichtsraum. Kunst ist gleich dran. Oh verdammt! Ich wollte doch Marek noch was fragen. Wir sollen so ein komisches Bild analysieren, auf dem ich aber nur ein paar Striche und Kleckse sehe. Ich wette ihm wäre da was Schlaues eingefallen, aber er musste ja mit dieser blöden Frage kommen. Und da wäre ich wieder bei dem Thema… Seufzend lasse ich mich auf meinen Stuhl plumpsen und sehe mich um. Es ist sonst noch keiner da, aber… oh nein. Tom hat mich vom Flur aus entdeckt und kommt auf mich zu.

„Du hier?“, fragt er überrascht. „Habt ihr eine Arbeit geschrieben?“

„Ja. Politik.“

„Ach so. Ist der einzige Grund dich in die Schule zu kriegen, oder?“ Er lacht, also meint er es nicht böse. Ausnahmsweise mal nicht.

„Sieht so aus“, antworte ich trocken und krame ich meiner Tasche nach meinem Block und der Federtasche.

„Ist irgendwas?“, fragt Tom.

„Nö, wieso?“

„Du bist total mies gelaunt. Hat dieser Kerl Schluss gemacht?“ Tom weiß, dass ich mich öfter mal mit jemandem treffe, aber nichts Genaues. Er weiß nicht wer es ist und wie wir uns kennengelernt haben. Er hat nämlich was gegen Chatprogramme, also hab ich ihm das verschwiegen, um mir nicht eine von seinen Standpauken anhören zu müssen.

„Nee, er wird mir nur ein bisschen zu anhänglich.“

„Ich dachte du magst ihn. Wie kann er denn dann zu anhänglich werden?“, fragt Tom verständnislos und setzt sich auf die Kante von meinem Tisch.

„Ich mag ihn auch. Aber eigentlich treffen wir uns ja nur zum…“

„Ja ja ja ja, schon gut. Ich weiß, was du meinst“, unterbricht er mich schnell, bevor ich das böse Wort benutzen kann. „Und er will jetzt mehr oder wie?“

„Sieht ganz so aus. Er wollte, dass ich noch bei ihm bleibe.“

„Aber das ist doch toll“, freut sich Tom etwas zu überschwänglich für meinen Geschmack. „Bald ist Weihnachten, das Fest der Liebe, da ist es doch immer schöner, wenn…“

„Wer sagt denn was von Liebe?“, frage ich etwas entsetzt. „Denkst du er hat sich in mich verliebt?“

„Woher soll ich das wissen? Aber zumindest scheint er dich sehr zu mögen.“

Mir wird schlecht. Was mache ich denn, wenn Marek sich in mich verliebt hat. Ich hab keine Lust, jemandem so kurz vor Weihnachten das Herz zu brechen. Und ich will das nicht verlieren, was wir jetzt haben. Es funktioniert so doch ganz gut. So ohne Verpflichtungen und ohne den Zwang ständig ganz lieb und nett zu sein und schön brav „Ich liebe dich“ zu sagen.

„Warum findest du das so schlimm?“, fragt Tom irritiert. „Ich würde mich freuen.“

„Er hat gesagt, dass er mich für einen Macho hält. Und das gefällt ihm offensichtlich nicht besonders. Warum sollte er dann mehr von mir wollen? Ich finde einfach, dass es am besten so läuft wie es jetzt gerade ist.“

„Du hast Schiss, dass du dich drauf einlässt und er dann doch einen Rückzieher macht“, kombiniert Tom und hält mir seinen Zeigefinger vor die Nase, um seinen Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen. Auf mich wirkt das allerdings eher etwas lächerlich, also schlage ich seine Hand weg.

„Das ist Quatsch.“

Tom mustert mich kritisch und sagt schließlich: „Hast recht. Es würde einfach nicht zu dir passen, wenn dir jemand mehr bedeutet als du selbst.“

Mir klappt der Mund auf. „Willst du damit sagen, dass ich egoistisch bin?“

„Ein bisschen schon, ja. Ein Macho eben.“ Er grinst, aber nicht angriffslustig, sondern eher neckisch.

„Blödmann“, gebe ich zurück.

„Du solltest das trotzdem mit ihm klären“, sagt er, während er von meinem Tisch springt. Dann verlässt er das Klassenzimmer und kurz darauf kommen die ersten meiner Mitschüler herein. Ich hab noch kurz Zeit über die Worte meines Bruders nachzudenken, bis die restlichen Schüler zusammen mit der Lehrerin den Raum betreten.


Zwei ganze Tage hab ich nachgedacht. Marek hat sich in der Zeit nicht gemeldet und mir kommt langsam der Verdacht, dass er sauer auf mich ist. Er wird doch wohl nicht verletzt sein, nur weil ich nicht bei ihm geblieben bin. Hab ich das mit dem gebrochenen Herzen etwa schon hinter mir? Keine Ahnung, was ich dann machen würde. Ich bin nicht so gut im Entschuldigen und Trösten.

Bei meiner Grübelei ist letztendlich rausgekommen, dass ich mich mit Marek treffen und mit ihm reden werde. Er muss doch einsehen, dass es alles gut ist wie es gerade zwischen uns läuft.

Ich öffne also den Chat und werde etwas kribbelig, als ich sehe, dass Marek auch online ist. Ob er auch mit anderen chattet?

„Hi“, schreibe ich und warte dann geschlagene drei Minuten auf eine Antwort.

„Hey“, ist dann alles, was zurück kommt. Na toll…

„Können wir uns bitte treffen? Zum Reden.“

„Ach, so nennst du das jetzt?“

„Du kannst es auch gerne Konversation nennen, aber ich finde das klingt etwas hochgestochen“, antworte ich gereizt.

„Okay. Morgen Nachmittag?“

„Was ist denn mit heute?“, tippe ich verwirrt. Normalerweise heißt treffen bei uns immer sofort.

„Kann nicht.“

Na schön, der will mich nur ärgern. „Gut, dann eben morgen.“

Und schon ist er abgemeldet. Das wird ja ein sehr kuscheliges, entspanntes Treffen, denke ich, während ich mich ebenfalls wieder auslogge und dann den Computer runterfahre. Ich frage mich, warum er heute keine Zeit hat. Das ist noch nie vorgekommen. Vielleicht hat er ja einen anderen, mit dem er jetzt lieber chattet und der nicht einen Tag auf ein Treffen warten muss. Deshalb musste ich auch eben so lange auf eine Antwort warten. Ich muss zugeben, dass der Gedanke daran nicht besonders angenehm ist. Er ist sogar sehr viel unangenehmer als ich gedacht hätte. Ich mag mir gar nicht vorstellen wie ein anderer Junge durch Mareks Wohnung läuft, seine Bilder bestaunt und dann von dem mit Farbspritzern verzierten Künstler verführt wird. Da zieht sich so einiges in mir zusammen.

Aber das würde Marek nicht wirklich machen, oder? Vor ein paar Tagen noch wollte er mich unbedingt zeichnen und gar nicht mehr gehen lassen. Das kann er nicht einfach vergessen haben. Er kann sich nicht einfach jemand anderen suchen.

Eine Stunde später ruft meine Mutter zum Mittagessen und schon sind Toms eilige Schritte auf der Treppe zu hören. Wahrscheinlich ist er schon am Sabbern, weil es zum Nachtisch heute Käsesahnetorte gibt. Da kann er nie widerstehen. Ich dagegen könnte schon kotzen, wenn ich nur daran denke mir so viel fluffig matschigen Teig und einen Haufen fettige Sahnecreme reinzuziehen. Unterschiedlicher könnten wir echt nicht sein. Tom ist hetero, gut in der Schule, hat nette Freunde und macht sich mehr aus Süßigkeiten als aus Sport. Ich bin bei allem genau das Gegenteil. Und das Gegenteil ist in diesem Fall nicht unbedingt das Bessere. Meine Eltern haben das schon lange rausgefunden.

Nach dem ersten Stück Kuchen bettelt Tom, dass er noch eins bekommt, aber meine Mutter bleibt eisern und sagt ihm immer wieder, dass der Rest für morgen gedacht ist. Komischerweise geht ihr diese Diskussion nicht auf die Nerven. Sie scheint sich eher zu freuen, dass ihr Backwerk so gut ankommt.

„Kann ich meinen Kuchen in meinem Zimmer essen?“, frage ich und lache innerlich über den teuflischen Plan, der sich gerade in meinen Kopf geschlichen hat. Ich muss mit Tom reden und will auf gar keinen Fall diesen Zuckerhaufen essen. Tom dagegen würde wahrscheinlich alles tun, um ein weiteres Stück davon zu ergattern. Ich bin sicher, dass das funktioniert.

„Mach doch, was du willst“, entgegnet meine Mutter gleichgültig und stellt den Rest des Kuchens in den Kühlschrank. Tom blickt ihm resignierend hinterher und steht dann gleichzeitig mit mir vom Tisch auf. Wir steigen zusammen die Treppe rauf und ich folge ihm bis zu seinem Zimmer.

„Ist irgendwas?“, fragt er, als er bemerkt, dass ich nicht in mein Zimmer abgebogen bin.

„Ich schlage einen Deal vor“, sage ich grinsend. „Du bekommst meinen Kuchen, wenn du mich rein lässt und ich kurz mit dir reden kann.“

„Geht´s schon wieder um diesen Kerl?“

Ich nicke.

Er scheint zu überlegen, ob der Kuchen wirklich so viel Wert ist, hält mir dann aber die Tür auf und ich betrete zufrieden grinsend sein Zimmer. Dass er wirklich so viel besser in der Schule ist als ich, kann ich mir manchmal nur sehr schwer vorstellen. Was würde er denn machen, wenn der Lehrer einen Muffin essen würde, während er eine wichtige Arbeit schreiben muss? Könnte er sich dann noch konzentrieren?

„Also, worum geht es?“, fragt Tom. „Hat er dich jetzt doch abblitzen lassen?“

„Nein, nicht direkt. Oder vielleicht doch… ein bisschen. Ich weiß nicht.“

„Kannst du das bitte etwas genauer formulieren?“

„Ich hab mit ihm gechattet“, gebe ich zu, aber zu meiner großen Überraschung sagt Tom nichts dazu. „Heute. Und er hat mir ziemlich lange nicht geantwortet. Dann hab ich ihn gefragt, ob wir uns heute treffen können, nur zum Reden, aber er meinte, dass er keine Zeit hat. Erst morgen Nachmittag wieder. Meinst du er hat einen anderen?“

Tom sieht überfordert aus. „Hä?“, fragt er dann schließlich auch, passend zu seinem Gesichtsausdruck. „Wie genau bist du jetzt darauf gekommen, dass er einen anderen hat?“

„Na, weil er mir nicht gleich geantwortet hat, und weil er mich heute nicht sehen wollte.“

„Hast du schon mal daran gedacht, dass er vielleicht wirklich einfach keine Zeit hat?“

„Ja, weil jemand anderes bei ihm ist“, sage ich etwas ungeduldig.

„Und was stört dich daran? Du hast doch neulich noch gesagt, dass er dir zu anhänglich wird, und dass du keine richtige Beziehung willst. Dann kann er doch machen, was er will.“

Tom schnappt sich den Teller in meiner Hand und fängt an, den Kuchen zu verdrücken. Doch dann lässt er die Gabel auf einmal scheppernd auf den Teller zurückfallen. „Aber es stört dich. Also willst du doch mehr von ihm.“ Er hält mir schon wieder seinen Zeigefinger vor die Nase.

„Nein, will ich nicht. Ich will nur nicht die zweite Geige spielen.“

„Ziemlich egoistisch, oder?“

„Aber es hat doch bisher auch geklappt.“

„Vielleicht dachte er da ja noch, dass du ihm doch irgendwann verfällst“, meint Tom, der sich jetzt wieder über den Kuchen hermacht. „Sieht so aus als hätte er diese Illusion jetzt aufgegeben.“

„Und was soll ich jetzt machen?“

„Entweder du sagst ihm, dass du mit ihm zusammen sein willst, oder du akzeptierst es so wie es jetzt ist. Oder du beendest es gleich ganz.“

Das sind ja tolle Aussichten. Ich hab also die Wahl zwischen Beziehung, zweiter Geige und Einsamkeit. Letzteres kommt nicht infrage. Ich kann doch nicht den Menschen aufgeben, bei dem ich mich immer am wohlsten gefühlt habe. Aber ich will ihn auch nicht mit einem Fremden teilen. Ich kann aber auch nicht mit ihm zusammen sein. Das wäre eine Lüge.

„Hey, ich muss jetzt los. Danke für den Kuchen“, sagt Tom und klopft mir auf die Schulter.

„Schon wieder so eine dämliche Lerngruppe?“

„Ich tue wenigstens was für meine Noten.“

Schon ist er auf dem Weg die Treppe runter und ich verkrümel mich in meinem Zimmer. Keine Ahnung warum ich unbedingt mit Tom reden wollte. Der hat doch keine Ahnung von so was. Er würde ein Mädchen niemals anfassen, wenn sie nicht seine große Liebe ist. Er kann das nicht verstehen.

Ich schaue aus dem Fenster auf die Straße und sehe gerade noch wie mein großer Bruder um die nächste Straßenecke biegt. Manchmal frage ich mich, ob es besser ist wie er zu sein. Er scheint glücklich zu sein mit seinem Leben, was ich nicht gerade behaupten kann. Ein paar richtige Freunde wären schon ganz nett. Und vielleicht ist es wirklich besser ein Ziel zu haben. Tom strengt sich in der Schule an, weil er Arzt werden möchte. Ich hab keine Ahnung, was ich nach der Schule machen will. Oh verflixt, es ist wieder so weit. Zur Weihnachtszeit werde ich immer sentimental und depressiv. Alles ist so schön und überall riecht es gut. Nur mein Leben passt da nicht rein. Ich hab halt keine Familie, mit der Weihnachten feiern wirklich Spaß macht. Und ich bin nicht der Typ, der sich romantisch mit seinem Geliebten vor den leuchtenden Weihnachtsbaum setzt und massenweise Lebkuchen und Zimtsterne futtert. Trotzdem hat diese Zeit etwas. Zumindest muss es für jemanden ganz nett sein, der nicht ich ist.


Ich hab immer noch keinen Plan, was ich Marek sagen will, aber ich gehe trotzdem zu ihm. Es ist Samstagnachmittag. Morgen ist der zweite Advent. Weihnachten rückt immer näher und es sieht so aus als würde sich im Vergleich zum letzten Jahr nicht besonders viel geändert haben. Ich wurde heute Morgen grummelig gefragt, was ich mir denn zu Weihnachten wünsche. Echt witzig. Als ob es sie interessiert. Und als ob es jemals in Erfüllung gehen würde.

Gerade als ich mich auf den Weg mache, fängt es an zu schneien. Ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern konnte. Immerhin war es schon ein paar Tage lang unerträglich kalt gewesen. So wie jetzt auch. Ich bin in sämtliche Wollaccessoires eingepackt, die man sich nur vorstellen kann. Dicke Mütze, kuscheliger Schal, flauschige Handschuhe und unter der Jacke versteckt sich ein warmer Pullover. Anders überlebt man diese Temperaturen ja nicht. Aber trotz dieser Präventionsmaßnahmen schlottere ich ordentlich als ich bei Marek ankomme. Meine Wangen und Nase fühlen sich merkwürdig taub und irgendwie abgestorben an. Und trotzdem wäre es eine Lüge zu behaupten, dass ich nicht wie scheinbar jeder andere dieser Jahreszeit verfallen bin. Nur weil mir kein fröhliches Weihnachten vergönnt sein soll, muss man ja nicht gleich den ganzen Winter hassen, oder?

Ich drücke wie schon so oft auf den Klingelknopf und warte auf das Geräusch, das ich am liebsten höre. Na ja, vielleicht nicht am allerliebsten, aber man weiß schon, was ich meine, oder?

Es summt und ich drücke mit einem glücklichen Grinsen die Tür auf. Viel wärmer ist es hier im Flur nicht, aber immerhin pfeift mir jetzt nicht mehr der Wind um die Ohren.

Das Grinsen verschwindet allerdings von meinem Gesicht, als ich sehe, dass Marek mich nicht wie sonst üblich an der Tür zu seiner Wohnung empfängt. Die Tür steht offen, aber er ist nicht zu sehen.

„Hallo?“, rufe ich vorsichtig in die Wohnung hinein.

„Komm rein“, kommt die Antwort aus dem Wohnzimmer.

Ich betrete die Wohnung, schließe die Tür und entledige mich meiner Wintermontur. Erst als ich ins Wohnzimmer gehe, sehe ich ihn. Auf dem Sofa sitzt er, mit einer Zeitung in den Händen. Und er macht keine Anstalten auf mich zuzugehen, um mich so zu begrüßen wie wir es sonst immer tun. Er ist echt sauer auf mich.

„Also, was hab ich getan?“, frage ich. Ich will es von ihm hören.

„Nichts.“

„Ach komm schon!“, schnaufe ich. „Du bist sauer auf mich und ich würde gerne wissen warum.“

„Es ist nichts, was du nachvollziehen könntest.“

Einen Moment lang weiß ich nicht, was ich sagen soll. Aber das fällt nicht auf, weil er schon wieder weiter redet. Dieses Mal legt er die Zeitung beiseite und sieht mich an.

„Wieso willst du es überhaupt wissen?“

„Weil es so nicht weitergehen kann.“

„Oh, stimmt ja. Es kann natürlich nicht sein, dass du dich unwohl fühlst“, sagt er sarkastisch. „Aber wenn ich mich unwohl fühle, fällt es dir nicht mal auf oder du übergehst es einfach.“

„Ich sage wenigstens, wenn mir was nicht passt. Du hättest ja auch mal den Mund auf machen können.“

„Ich dachte eigentlich, dass ich letztes Mal deutlich gemacht habe, was ich will“, sagt Marek ruhig, steht auf und kommt jetzt doch auf mich zu.

Ich hab keine Ahnung, was er vorhat und möchte schon fast einen Schritt zurück gehen. Doch dann legen sich seine warmen Hände an mein Gesicht und er sieht mich durchdringend an.

„Ich hab´s satt deine Ablenkung zu sein“, sagt er fast geflüstert und küsst mich.

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ihn wegstoßen? Den Kuss erwidern? Einfach warten bis er sich wieder zurückzieht? Für mich macht jede einzelne Variante gerade sehr viel Sinn, aber gleichzeitig hat auch jede ihre Nachteile. Ich merke, dass ich ihn küssen will, weiß aber nicht genau warum. Gleichzeitig möchte ich ihn unbedingt wegstoßen, um ihm keinen falschen Eindruck zu vermitteln. Warum ist das auf einmal so schwer?

Ich öffne meine Augen, die ich eben reflexartig geschlossen hatte und sehe direkt in Mareks Augen. Er beobachtet mich. Dann löst er seine Lippen schlagartig von meinen und dreht mir den Rücken zu. Jetzt merke ich ganz deutlich, dass ich ihn wieder küssen möchte. Es ist einfach da, das Verlangen. Ich strecke meine Hand aus und lege sie auf seine Schulter. Er schüttelt sie ab und stellt sich vor seine Staffelei. Irgendetwas scheint da wohl sehr interessant zu sein.

„Marek, ich…“ Weiter komme ich allerdings nicht, weil ich in diesem Augenblick sehe, was er sich anschaut. Es ist eine Zeichnung. Eine, die ich noch nie gesehen habe. Vor ein paar Tagen hat er mir noch gesagt, dass das nicht sein Stil ist, und dass er bei mir aber eine Ausnahme machen würde. Jetzt starre ich das Bild an und kann nicht wegsehen, obwohl ich es nur zu gerne würde. Stattdessen stolpere ich rückwärts auf die Tür zum Flur zu und versuche das unerträgliche, reißende Gefühl in mir zu verdrängen.

Marek dreht sich zu mir um. „Was ist?“, fragt er, sichtlich verwirrt und auch ein bisschen beunruhigt. „Wirft es dich jetzt wirklich aus der Bahn, dass ich einen anderen gezeichnet habe?“

Ich sage nichts. Ich kann gerade nichts sagen. Das ist ein echter Schock und ich weiß nicht, wie ich den verdauen soll.

Erst als ich im Flur angekommen bin, kann ich meinen Blick abwenden und gehe auf die Stelle zu, an der ich meine Sachen abgelegt habe. Ich schlüpfe in meine Schuhe und sehe nur unbewusst im Augenwinkel, dass Marek mir gefolgt ist.

„Nico, was ist los? Hallo?“, fragt er und jetzt schwingt definitiv Sorge in seiner Stimme mit.

„Tom“, flüstere ich, während ich nach meiner Jacke und all dem anderen Kram greife, den ich auf dem Weg hierher anhatte.

„Woher weißt du wie er heißt?“, fragt Marek.

Jetzt fühle ich zusätzlich auch noch Wut in mir aufkochen. Wie konnte er das tun? Wie konnten sie beide das tun?

Ich funkel Marek böse an. „Er ist mein Bruder!“ Dann reiße ich die Tür auf und verschwinde so schnell ich kann aus diesem Haus. Es ist mir egal, dass ich mir sonst was einfangen könnte, weil ich meine Jacke immer noch nicht angezogen habe. Ich renne durch den Schnee nach Hause, ohne dass mir kalt wird. Mit jedem Schritt sammelt sich mehr Wut an und wahrscheinlich würde ich auch noch anfangen zu heulen, wenn das nicht bedeuten würde, dass mir Marek mehr bedeutet als ich es mir eingestehen wollte. Und da das ja nun mal nicht so ist, bleiben meine Augen trocken. Er kann lange darauf warten, dass ich ihm nachtrauere. Ich bin der einzige, den er zeichnen würde? Ach ja? Und er will mit mir zusammen sein? Dass ich nicht lache… Na wenigstens ist es in der Familie geblieben.

Ich kann nicht fassen, dass ich so etwas wie Mitleid hatte. Für diesen Heuchler. Und hatte ich nicht sogar eine kurze Zeit in Betracht gezogen, mich auf eine Beziehung einzulassen? Falls das so war, kann er sich das jetzt so was von abschminken. Und ich kann ebenfalls nicht fassen, dass ich mit Tom darüber geredet habe. Ich hab ihm alles erzählt und mir seine Ratschläge angehört. Wie konnte ich nur so blöd sein?! Von wegen Lerngruppe. Deshalb hatte Marek gestern keine Zeit. Er hat mich versetzt, um mit meinem Bruder zu vögeln. Und Tom ist noch so dreist, mich Schwuchtel zu nennen. Der kann was erleben…

Als ich zuhause ankomme, werfe ich meine Jacke und alles andere in eine Ecke, schlüpfe schnell aus meinen Schuhen und rase die Treppe hoch. Hoffentlich ist Tom da. Die Tür ist nur angelehnt, also schubse ich sie auf und gehe direkt auf Tom zu, der an seinem Schreibtisch sitzt. Ich hole aus und treffe ihn mit der Faust mitten im Gesicht, bevor er sich über mein Reinplatzen beschweren kann. Er fällt vom Stuhl auf den Boden und ich funkel ihn wütend an.

„Was soll das denn?!“, schreit er und rappelt sich auf.

„Du bist so ein Arschloch! Macht es dir eigentlich Spaß, mir immer alles wegzunehmen?“

„Was?“

„Ich komme gerade von Marek“, sage ich herausfordernd. Meine Hände sind immer noch zu Fäusten geballt.

Toms Augen werden jetzt so groß, dass es aussieht als würden sie ihm gleich aus dem Kopf fallen. Tja, das hat er wohl nicht erwartet. Er hätte mich wahrscheinlich lieber noch ein bisschen verarscht.

„Und du nennst mich Schwuchtel. Ich bin fertig mit euch beiden.“

Ich verlasse sein Zimmer und schließe mich stattdessen in meinem ein. Der Kloß in meinem Hals ist jetzt doch ziemlich groß, aber ich schaffe es, ihn runterzuschlucken. Jetzt habe ich beide verloren. Tom war der einzige in diesem Haus, auf den ich mich, zumindest meistens, verlassen konnte. Und Marek hat mir immer das Gefühl gegeben, nicht wertlos zu sein. Bei ihm konnte ich immer alles vergessen und mich einfach nur wohlfühlen.

Ich kann hier nicht bleiben. Nicht in diesem Haus voller Verrückter. Und nicht in dieser Stadt voller armseliger Heuchler. Keinem von denen war ich wirklich wichtig. Nicht den Lehrern, nicht meinen sogenannten Freunden und meiner Familie und nicht Marek. Der einzige Ort, an den ich mich jetzt zurückziehen kann, ist 400 Kilometer entfernt. Aber das schreckt mich jetzt nicht ab. Meine Tante ist die einzig vernünftige Person in meiner Familie. Und ich wollte Köln schon immer mal zur Weihnachtszeit sehen. Ein bisschen Geld hab ich noch. Das wird für die Zugfahrt draufgehen.

Tom

Scheiße. Das hab ich nicht kommen sehen. Ich starre immer noch vollkommen entsetzt und erschrocken auf die Tür, die Nico gerade hinter sich zu geknallt hat. Den Schmerz an meiner Wange spüre ich überhaupt nicht, aber dafür ganz deutlich etwas Anderes. Und zwar ein riesen Schuldgefühl, das ich so noch gar nicht kannte. Nico war schon oft sauer auf mich, aber ich wusste immer, dass sich das wieder einrenkt. Wir sind Brüder. Da streitet man sich schon mal, oder?

Aber dieses Mal ist es anders. Ich weiß, dass er sich keine Entschuldigung anhören wird. Er wird nicht einfach zu mir kommen und eine Erklärung verlangen wie er es schon so oft getan hat. Ich hab eher das mulmige Gefühl, dass er es sehr ernst meinte, als er sagte, dass er mit uns fertig ist. Mit Marek und mir. Und ich kann ihn verstehen. Mir wäre es genauso gegangen. Aber ich wusste nicht, dass es Marek ist, mit dem er sich trifft. Er hat seinen Namen nie genannt. Und bei Marek ist der Name Nico auch nicht gefallen. Warum auch? Wir haben uns nur zweimal getroffen. Das erste Mal zufällig bei einer seiner Kunstausstellungen, wo wir uns lange unterhalten haben und er mich schließlich zu sich eingeladen hat. Und das zweite Mal dann gestern. Ich wollte es doch nur mal ausprobieren. Es hatte gar nichts zu bedeuten. Und Marek sagte, dass er die Ablenkung gut gebrauchen kann. Ich hab mir überhaupt nichts dabei gedacht. Wie hätte ich auch darauf kommen sollen, dass es ausgerechnet Marek war, über den mein Bruder mit mir gesprochen hat?

Ich wüsste nur zu gern wie Nico es herausgefunden hat. Hat Marek ihm gesagt, dass er was mit einem anderen hatte, um ihn eifersüchtig zu machen? Oder hat Nico ihn gefragt wie er auch mich gefragt hatte? Das wird mir wohl nur Marek selbst verraten können. Aber bevor ich auch nur daran denken kann, ihn anzurufen, klingelt mein Handy.

„Weißt du es schon?“, höre ich Mareks Stimme, nachdem ich mich mit einem Hallo gemeldet habe.

„Ja.“

„War er sehr sauer?“

„Kann man so sagen. Er hat mich geschlagen, bevor er irgendwas gesagt hat“, sage ich und berühre vorsichtig die Stelle, die jetzt doch langsam zu pochen anfängt. „Aber ich kann´s ihm nicht verübeln. Ich wäre auch stinkig an seiner Stelle.“

„Scheiße, das tut mir echt leid. Ich wusste nicht, dass du sein Bruder bist.“

„Und ich wusste nicht, dass er von dir geredet hat.“

„Ihr habt über mich gesprochen? Was hat er gesagt?“, fragt Marek jetzt neugierig.

„Zuerst darüber, dass ihm das zwischen euch zu ernst wird.“ Ich höre ein Seufzen am anderen Ende der Leitung und rede schnell weiter. „Aber dann kam er zu mir und meinte, dass du vielleicht einen anderen hast. Das hat ihm offensichtlich überhaupt nicht gefallen.“

„Meinst du, er war eifersüchtig?“

„Vielleicht.“

„Also eher nicht“, sagt Marek enttäuscht.

„Es hörte sich schon danach an, aber das passt eigentlich gar nicht zu ihm. Wahrscheinlich wollte er dich einfach nur nicht teilen. Er hat schon immer ziemlich übertrieben reagiert, wenn er dachte, dass man ihm etwas wegnehmen will.“

Eine Weile sind wir beide still. Könnte daran liegen, dass wir beide nicht wissen, was jetzt zu tun ist. Nico wird mit keinem von uns reden wollen, so viel steht fest. Aber wir müssen trotzdem versuchen, ihm alles zu erklären.

„Ich denke, dass wir ihn für heute lieber in Ruhe lassen“, schlage ich vor. „Ich versuche dann morgen mal mit ihm zu reden.“

„Okay, hört sich vernünftig an“, stimmt Marek zu.

Kurz danach legen wir auf. Aus Nicos Zimmer ist nichts zu hören. Er scheint sich dieses Mal dagegen entschieden zu haben, sein Zimmer auseinander zu nehmen. Glücklicherweise. Letztes Mal hat mir das echt ein bisschen Angst eingejagt. Unser Vater hatte Nico ins Kino eingeladen und mich in letzter Minute dann doch auch noch mitgenommen. Nico ist total ausgerastet und hat sich wohl irgendwie betrogen gefühlt. Ich hätte es nie zugegeben, aber ich konnte ihn damals schon gut verstehen. So wie heute auch. Unsere Eltern haben uns nie gleich behandelt.

Und wahrscheinlich fühlt er sich jetzt von mir genauso betrogen. Ich kann nur hoffen, dass er mir morgen zuhört, denn es war nicht meine Absicht ihn zu verletzen.

Aber am nächsten Tag kommt es dann doch ganz anders. Nico kommt nicht zum Frühstück runter und als ich später an seine Tür klopfe, kommt keine Antwort. Den ganzen Tag sehe und höre ich absolut nichts von ihm, also gehe ich am Abend einfach in sein Zimmer und sehe, dass es leer ist. Er ist nicht da. Er muss abgehauen sein. Wahrscheinlich schon letzte Nacht. Und ich hab keine Ahnung, wo er hingefahren sein könnte. Heute ist der zweite Advent. Er wird doch wohl an Weihnachten wieder hier sein, oder?

Ich schaue in seinen Schrank und sehe entsetzt, dass er so gut wie alles mitgenommen hat. Er ist also nicht nur abgehauen. Er ist quasi ausgezogen.

Als ich meinen Eltern davon erzähle, sind sie zwar überrascht, aber lange nicht so besorgt wie ich es bin. Sie glauben nicht, dass er allzu lange weg sein wird. Immerhin sei er ja noch minderjährig und viel zu verwöhnt, um irgendwo für sich selbst sorgen zu wollen. Super. Von denen kann ich also keine Hilfe erwarten.

Nachdem ich Marek angerufen und ihm alles erzählt habe, versuche ich Nico zu erreichen. Meinen ersten Anruf drückt er weg und beim zweiten Mal ist sein Handy ausgeschaltet. Hab ich mir schon gedacht.

Marek will versuchen, ihn über Mail oder über dieses Chat-Programm zu erreichen, aber da mache ich mir auch keine großen Hoffnungen. Wenn ich doch nur wüsste, wo er steckt. Dann könnte ich wenigstens was tun. Ich könnte zu ihm fahren und versuchen, ihn dazu zu bringen, mir zuzuhören. Aber ich weiß nicht, wo er ist. Marek weiß es nicht. Und meine Eltern sowieso nicht.


So langsam wird es richtig weihnachtlich. Es ist eiskalt, schneeweiß wo man auch hinsieht und der Glühwein fliest in rauen Mengen. Meine Mutter ist damit beschäftigt überall Lichterketten anzubringen, während mein Vater sich in der Küche am Plätzchenbacken versucht. Keinem von beiden ist anzumerken, dass eines ihrer Kinder sich seit über einer Woche nicht gemeldet hat und wahrscheinlich an Weihnachten nicht zuhause sein wird. Ich dagegen kann an nichts Anderes mehr denken. Und nein, weder Marek noch ich haben Nico erreicht. Sein Handy ist schon so lange ausgeschaltet, dass er mittlerweile wohl etwa 50 Nachrichten bekommen würde, sobald er es wieder einschaltet.

Ich habe versucht, mich mit lesen abzulenken, mich auf die Schule zu konzentrieren oder in der Stadt nach Weihnachtsgeschenken zu suchen. Aber das ändert alles nichts an meinem schlechten Gewissen.

Manchmal hasse ich Nico dafür, dass er mir das antut. Hätte er nicht wenigstens versuchen können, mit Marek oder mir zu reden? Keiner von uns beiden wollte ihn mit Absicht verletzen. Obwohl ich durchaus auch verstehen kann, dass Marek sauer auf ihn war. Warum sollte er sich nicht mit anderen treffen dürfen, wenn Nico ihm schon so unmissverständlich klar gemacht hat, dass sie nicht zusammen sind?

Na ja, spätestens jetzt dürfte uns wohl allen klar sein, dass Nico sich selber etwas vorgemacht hat. Wer hätte das gedacht?! Mein kleiner Bruder hat endlich mal jemanden gefunden, den er genauso lieben kann wie sich selbst. Und ausgerechnet jetzt macht er sich aus dem Staub. Wenn ich wüsste, wo er ist, würde ich ihn notfalls an den Haaren wieder hierher zurückschleifen. Der kann was erleben…

Nico

„Verdammt!“, fluche ich, als ich zum zweiten Mal heute über einen Karton voller Weihnachtsbaumschmuck falle. Die stehen hier überall rum und ständig muss ich mir dieses Lametta Zeugs von der Hose zupfen. Ich hätte meiner Tante echt einen besseren Geschmack zugetraut. Ich meine, es gibt doch wirklich Schöneres als lange, glitzernde Haare in einen Baum zu hängen.

„Was gibt es denn jetzt schon wieder zu fluchen?“, fragt meine Tante mit diesem Hab-ich-das-nicht-verboten-Blick, den mein Vater perfektioniert hat.

„Nichts“, sage ich schnell. Die Diskussion über kitschigen Weihnachtsschmuck hatten wir nämlich schon.

„Hast du dein Handy jetzt wieder eingeschaltet?“, fragt sie in einem ganz anderen Ton. Ihr Blick wird weicher und sie hilft mir vom Boden auf.

„Nein.“

Als ich hier angekommen bin, hatte ich peinlicherweise einen kurzen Zusammenbruch. Ich hab meiner Tante alles erzählt, was vorgefallen ist und mich bei ihr ausgeheult. Deshalb macht sie sich jetzt Sorgen um mich und versucht mir einzureden, dass es besser wäre, mit Tom und Marek zu reden. Es macht ihr nichts aus, dass sie mich über Weihnachten am Hals hat, und wer weiß wie lange noch, aber ich glaube ihr geht meine schlechte Laune etwas auf die Nerven. Ich bin im Moment halt nicht die beste Gesellschaft für Feiertage. Ich krieg einfach dieses Bild nicht aus dem Kopf.

„Meinst du nicht, ihr solltet das klären? Dein Bruder macht sich bestimmt große Vorwürfe.“

„Ja klar!“, schnaufe ich.

„Nico, du weißt, dass du so lange hier bleiben kannst wie du willst. Aber solange du das nicht geklärt hast, wird dir der Abstand überhaupt nichts bringen. Offensichtlich kannst du es nicht vergessen, also lauf auch nicht davor weg.“

„Ich hab zu Tom gesagt, dass ich fertig bin mit den beiden. Und das meinte ich auch so. Wenn sie was von mir wollen, sollen sie herkommen.“

„Hast du nicht gesagt, dass niemand weiß, wo du bist?“

„Ja, so ein Pech aber auch“, sage ich und zucke mit den Schultern.

Meine Tante verdreht die Augen und seufzt. „Okay, aber an deiner Laune müssen wir noch arbeiten. Komm, wir backen Kekse.“

„Ich?“, frage ich entsetzt. Sehe ich etwa aus als würde das meine Laune verbessern? Ich bin doch kein Kind mehr, das Spaß daran hat im Mehl zu wühlen und mit bunten Förmchen zu spielen.

„Ja du. Wenn du schon hier bist, kannst du mir auch ein bisschen helfen.“

Sie schiebt mich in die Küche und drückt mir eine… Schürze in die Hand. Ich brech zusammen. Sie meint das wirklich ernst. Mir wird genau gezeigt wie viel Mehl auf dem Tisch verteilt werden muss, wie der Teig geknetet und schließlich ausgerollt wird.

„Na toll, wird das jetzt eine Art Therapiestunde, oder was?“, frage ich gelangweilt, während ich das Mehl verstreue.

„Nein, du sollst mir nur helfen.“

„Meinst du man kann das Mehl in Tüten füllen und als Drogen verkaufen?“

„Kannst es ja mal versuchen. Aber ich bezahle weder irgendwelche Krankenhausrechnungen, noch die Kaution, wenn du von der Polizei aufgegabelt wirst.“

„Das war doch nur ein Scherz“, sage ich schnell und greife nach dem Teigklumpen.

„Ich weiß.“

Als alle Kekse fertig gebacken sind und auf Blechen überall in der Küche zum Abkühlen verteilt liegen, klopft mir meine Tante auf die Schulter und grinst mich an. „Ich hab genau gesehen, dass du von dem Teig genascht hast.“

„Äh…“

„Ist doch nicht schlimm. Du wirst nicht daran sterben.“ Sie deutet auf meinen Bauch und macht es sich dann im Wohnzimmer auf dem Sofa gemütlich, um fernzusehen.

„Ich fahre noch mal in die Stadt“, sage ich und komme mir irgendwie doof dabei vor. Zuhause hab ich nie Bescheid gesagt, wenn ich weggegangen bin, aber da hat es ja auch niemanden interessiert.

„Okay.“

Bei meiner Tante ist es anders. Sie macht sich Sorgen um mich und will immer wissen, wo ich bin. Jeden anderen hätte das vielleicht genervt, aber mir gefällt es irgendwie. Ich fühle mich wohl hier. Das kenne ich eigentlich nur von Marek. Bei ihm war auch immer alles anders. Aber es war auch nicht genauso wie es hier jetzt ist. Wenn ich wählen könnte, wäre ich wahrscheinlich noch lieber bei Marek. Sogar jetzt, wo ich eigentlich gar nicht an ihn denken will.

In der Innenstadt ist es unheimlich voll. Na ja, am Samstag vor dem vierten Advent war das wohl zu erwarten. Besonders schlimm ist es natürlich auf dem Weihnachtsmarkt am Dom, und genau da muss ich mich natürlich durchquetschen. Aber deshalb bin ich schließlich hier. Um Weihnachten in einer Großstadt zu erleben.

Ein Stand bietet kleine Holzstaffeleien an, die mich sofort an Marek erinnern. Das wäre das perfekte Weihnachtsgeschenk gewesen. Ich hätte zwölf Fotos von mir gemacht, sie einzeln auf einen Karton geklebt, wie ein Kalenderblatt beschriftet und hintereinander auf die Staffelei gestellt. Auf der Domplatte hab ich sogar einen Fotoautomaten gesehen. Schade, dass mir diese Ideen immer nur kommen, wenn ich sie nicht gebrauchen kann.

Stattdessen kaufe ich eine Flasche von einem gar nicht so günstigen Likör für meine Tante, damit ich an Weihnachten nicht mit leeren Händen dastehe.


Der vierte Advent kommt und geht. Wir essen Kekse, trinken Tee, sehen uns an wie die Schicht Schnee draußen immer dicker wird und lästern ein bisschen über meine Eltern. Über Tom und Marek sprechen wir nicht, aber ich hab das Gefühl, dass meine Tante nur auf den passenden Moment wartet, um wieder damit anzufangen. Ich glaube sie ahnt, dass meine Andeutung Tom gegenüber nicht so ernst gemeint war wie ich es gerne hätte. Ich wäre nur zu gerne fertig mit der ganzen Geschichte, aber ich bin gerade erst mitten drin. Von vergessen kann überhaupt keine Rede sein, aber von Vergebung erst recht nicht. Was also soll ich tun? Wieder zurückfahren? Auf keinen Fall! Die sollen mal schön hier angekrochen kommen, wenn sie wollen, dass ich ihnen überhaupt erst mal zuhöre.

Vielleicht hab ich ihnen aber auch einen Gefallen getan, indem ich mich selber entfernt habe. Vielleicht wollten sie es genauso haben. Jetzt sind sie allein und können ungestört übereinander herfallen.

Was wohl meine Eltern sagen würden, wenn sie wüssten, dass ihre beiden Söhne schwul sind?

„Nico?“

„Hm?“

„Was willst du eigentlich machen, wenn die Schule wieder anfängt?“

Oh. Mit der Frage hatte ich jetzt nicht gerechnet. Und ich hab keine Ahnung, was ich ihr sagen soll. „Ich weiß nicht.“

„Es sind doch nur noch eineinhalb Jahre bis zu deinem Abschluss. Meinst du nicht, dass du es so lange noch zuhause aushalten kannst?“

„Bei meinen Eltern, die sich nicht für mich interessieren und bei meinem angeblich heterosexuellen Bruder, der hinter meinem Rücken mit meinem Freund schläft?“, frage ich fassungslos. Das kann doch nicht ihr Ernst sein.

„Mit deinem Freund?“, fragt sie und sieht mich grinsend an.

„Du weißt genau, was ich meine“, gebe ich kopfschüttelnd zurück. „Und nein, ich glaube nicht, dass ich das aushalten kann.“

„Also, erstens glaube ich nicht, dass du jetzt noch die Schule wechseln willst, und zweitens bin ich mir ziemlich sicher, dass Tom dich nicht mit Absicht verletzen wollte. Und Marek wollte dich mit Sicherheit nur eifersüchtig machen. Er wusste bestimmt nicht, dass Tom dein Bruder ist. Es ist bald Weihnachten und ich denke, dass du…“

„…mit ihnen reden solltest. Ich weiß!“, sage ich genervt. „Ich will aber nicht mit ihnen reden. Und es ist mir scheißegal, ob Weihnachten, Ostern oder sonst was ist. Das ändert überhaupt nichts.“

Ich stehe vom Sofa auf und verziehe mich in das Gästezimmer, in dem ich zurzeit schlafe. Weihnachten. Na und? Was soll das schon ändern? Soll ich vielleicht sagen „Hey, ihr habt mich zwar total verarscht, aber es ist ja Weihnachten, also Schwamm drüber“? So was Lächerliches.

Als es am Mittag des 24. Dezembers unten an der Tür klingelt, schrecke ich allerdings trotzdem hoch und merke, dass mein Herz ungewöhnlich schnell schlägt. Haben sie die Postkarte etwa doch noch gefunden?

Unten an der Tür steht aber nur der Postbote, der meiner Tante einen Umschlag in die Hand drückt, auf dem groß Eilbrief steht. Und sie gibt ihn schließlich an mich weiter.

Tom

Es ist jetzt schon der 23. Dezember und mein Bruder ist immer noch verschwunden. Ich weiß jetzt langsam echt nicht mehr, ob ich mir Sorgen machen oder lieber sauer auf ihn sein soll. Jedenfalls ist es echt nicht mehr lustig. Ich starre mein Handy jetzt schon eine Stunde an, ohne dass es auch nur einen Ton von sich gegeben hat. Na schön, dann versuche ich es halt noch mal. Ich wähle, wie so oft in den letzten Tagen Nicos Nummer und gehe gedankenverloren rüber in sein Zimmer. Es tutet in regelmäßigen Abständen, bis mir auf einmal eine mittlerweile sehr bekannte Frauenstimme sagt, dass der angerufene Teilnehmer nicht erreichbar ist. Was für eine Überraschung, denke ich und setze mich auf den Stuhl an Nicos Schreibtisch. Mein Blick fällt auf den Adventskalender, der auf seinem Bett liegt. Ich vermisse es sogar schon von ihm zu hören, dass ich nicht so viel essen und lernen soll. Es ist einfach nicht mehr dasselbe ohne ihn.

Mein Blick wandert weiter über seinen Schreibtisch und bleibt an einer Postkarte hängen. Vorne ist der Kölner Dom abgebildet. Wer schickt ihm denn eine Postkarte aus Köln? Ich drehe sie um und lese den kurzen Text. Mein Mund klappt auf. Das glaub ich ja nicht.

Ich schnappe mir die Karte und laufe schnell die Treppe runter. Die Schuhe und eine Jacke sind schnell angezogen und dann verlasse ich das Haus.

Schnaufend komme ich zwanzig Minuten später bei Marek an und klingel ungeduldig an der Tür.

„Ja?“, höre ich eine aufgeregte Stimme.

„Hier ist Tom.“

„Oh.“ Er klingt enttäuscht. „Komm rauf.“

Oben angekommen, sehe ich, dass er schon an der Tür steht und mich verwirrt ansieht.

„Er ist in Köln“, keuche ich und halte Marek die Postkarte hin. „Er ist bei unserer Tante.“

Er nimmt mir die Karte ab und bittet mich dann erst mal rein.

„In Köln“, schnauft Marek. „Weiter weg ging wohl nicht.“

Wir sitzen auf dem Sofa und starren beide fassungslos auf die Karte.

„Ich wusste gar nicht, dass er noch Kontakt zu unserer Tante hat“, sage ich. „Ich hab schon ewig nichts mehr von ihr gehört.“

„Bist du denn sicher, dass er da ist?“

„Wo sollte er sonst hin? Und warum sollte er sonst diese Karte rausgesucht haben?“

„Keine Ahnung.“

Wir schweigen. Irgendwie ist es seltsam hier zu sein. Wäre ich nie hier her gekommen, würden wir alle ein ganz normales Weihnachtsfest feiern. Oder besser gesagt, ein Weihnachtsfest, das bei uns normal ist. Aber ich bin hier her gekommen. Und jetzt sitze ich schon wieder hier. Nico würde das nicht gefallen, aber immerhin reden wir über ihn und versuchen eine Lösung zu finden. Und ich habe nicht vor, jemals wieder mehr von Marek anzufassen als seine Hand zur Begrüßung.

„Was willst du jetzt machen?“, frage ich.

„Ich fahre hin.“

„Nach Köln? Das wird aber heute nichts mehr. Der Bahnhof ist total zugeschneit.“

„Und was soll ich sonst machen? Ich muss es ihm erklären und zwar nicht erst nächstes Jahr.“

„Dann schreib halt einen Brief“, schlage ich vor und ernte ungläubige Blicke von Marek.

„Einen Brief…?“

„Ja, dann kannst du alles schon mal erklären und die Chancen sind besser, dass er dich nicht so begrüßt wie mich neulich.“

„Oder er zerreißt ihn einfach“, meint Marek bitter und sieht noch nicht besonders überzeugt aus. „Außerdem kommt der sowieso nicht rechtzeitig. Bis der da ist, bin ich auch schon angekommen.“

„Noch nie was von Eilsendungen gehört? Wenn du dich beeilst und ihn heute noch einwirfst, ist er morgen da.“

Auf einmal ist Marek wie ausgewechselt. Meine Idee scheint ihn überzeugt zu haben und jetzt rennt er durch die Wohnung und sucht nach Papier. Sollte ihm eigentlich nicht so schwer fallen. Das fliegt hier ja überall rum.

Gerade noch rechtzeitig kommen wir dann schließlich bei der nächsten Poststelle an und geben den Brief ab. Billig ist so ein Eilbrief nicht wirklich, aber ich glaube, dass Marek das gerade nicht so sehr interessiert.

Wenn ich doch nur dabei sein könnte, wenn Nico den Brief bekommt. Ich hab keine Ahnung wie er reagieren wird. Natürlich kann es auch sein, dass er ihn gar nicht erst liest, aber das hab ich Marek nicht gesagt. Er ist sowieso schon nervös genug. Aber ich kann mich auch noch gut daran erinnern, dass meine Tante es immer geschafft hat ihren Willen durchzusetzen. Hoffentlich bringt sie Nico dazu den Brief zu lesen.

Wieder zuhause angekommen, erzähle ich meinen Eltern, wohin Nico abgehauen ist und sie sind logischerweise nicht besonders begeistert. Nicht etwa, weil ihr Kind den ganzen Weg bis nach Köln allein gefahren ist und an den Feiertagen nicht zuhause sein wird, sondern weil er eben bei unserer Tante ist. Unser Vater hat seiner Schwester schon seit Kindertagen nichts mehr zu sagen und kann es jetzt natürlich nicht gutheißen, dass sein Sohn wieder Kontakt zu ihr aufnimmt. So was Bescheuertes.

Ich kann darüber nur den Kopf schütteln und frage mich, warum ich eigentlich noch nicht abgehauen bin. Vielleicht wollte ich es einfach bisher nicht wahrhaben, dass meine Eltern in ihrer eigenen kleinen Welt leben und überhaupt nicht kompromissfähig sind.

Ich kann meinen Bruder immer besser verstehen und hoffe wirklich, dass er Marek eine Chance gibt. Ich weiß, dass es ihm schwer fallen muss zu verstehen, dass Marek ihn wirklich so will wie er ist. Immerhin haben unsere Eltern ihm nicht gerade beigebracht da besonders optimistisch zu sein. Und eine große Hilfe war ich wohl auch nicht. Aber jetzt hat er ja endlich die Möglichkeit etwas zu ändern und die soll er gefälligst auch annehmen. Immerhin kommt es nicht so oft vor, dass jemand bei diesem Wetter und dann auch noch an Heilig Abend, 400 Kilometer mit dem Zug zurücklegt, nur um bei ihm zu sein.

Ich werde jedenfalls diese Nacht mal wieder ruhig schlafen können, weil ich endlich weiß, wo mein kleiner Bruder gerade ist, und dass er morgen ein Weihnachtsgeschenk bekommt, mit dem er wohl nicht gerechnet hätte.

Aber Moment… wenn er nicht gefunden werden wollte, warum hat er dann die Postkarte so deutlich sichtbar auf seinem Schreibtisch liegen lassen?

Nico

Okay, ich geb´s zu. Ich hab die Postkarte absichtlich liegen lassen. Aber es war mehr unbewusst. Ich hab gar nicht so genau darüber nachgedacht, und damit gerechnet, dass Marek mir hinterher fährt, hab ich sowieso nicht. Wahrscheinlich war es nur ein Test, um herauszufinden wie weit er gehen würde.

Tja, offensichtlich hat Tom die Karte gefunden und Marek davon erzählt. Aber gekommen ist er nicht. Stattdessen hat er einen Brief geschickt. Wirklich sehr einfallsreich. Ich weiß nicht, warum ich deswegen eigentlich enttäuscht bin. Ich hab doch nichts erwartet. Dann dürfte ich auch nicht enttäuscht sein.

Den Brief hab ich jedenfalls nicht gelesen, sondern ungeöffnet in den nächsten Papierkorb geworfen. Meine Tante wollte zwar protestieren, hat es aber sein lassen, als sie mich genauer angesehen hat. Keine Ahnung wie ich auf sie gewirkt habe, jedenfalls hat sie mich für eine Weile in Ruhe gelassen.

Wir haben schweigend zusammen das Abendessen vorbereitet und danach hab ich mich für etwa eine Stunde auf mein Bett gelegt und nachgedacht. Offensichtlich ist sogar etwas dabei rausgekommen, denn als meine Tante im Bad verschwunden ist, habe ich mich runter geschlichen und den Brief doch wieder aus dem Papierkorb gefischt. Ich war einfach zu neugierig und irgendetwas hat mir gesagt, dass ich wenigstens so fair sein sollte, mir durchzulesen, was Marek zu sagen hat.

Jetzt sitze ich mit meiner Tante auf dem Sofa, sehe mir den Weihnachtsbaum an und komme mir vor wie der letzte Depp.

„Er fehlt dir, hm?“

„Ja“, sage ich und nicke zusätzlich mit dem Kopf. „Hast du was dagegen, wenn heute noch jemand hier übernachtet?“

Sie sieht mich verwirrt an und schlägt mir dann auf einmal mit der Hand auf den Hinterkopf „Er kommt hierher? Hättest du damit nicht ein bisschen früher rausrücken können?“

Jetzt kann ich mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen und schon schlingen sich ihre Arme um meinen Hals.

„Endlich“, murmelt sie. „Endlich ist dieses miesepetrige Gesicht verschwunden. Es gibt doch noch Wunder.“

„Haha“, entgegne ich nur, muss ihr aber insgeheim recht geben. Ich hab es uns allen nur unnötig schwer gemacht, weil ich dazu neige aus jedem Pups gleich ein riesen Drama zu machen. Dass Marek sich entschlossen hat, trotzdem heute noch hierher zu kommen, hätte ich wirklich nicht gedacht. Er muss mindestens genauso verrückt sein wie ich.

Als ich dann endlich das erlösende Klingeln höre, erkenne ich mich selber nicht wieder. Ich stürme zur Tür, reiße sie auf und falle Marek um den Hals, sodass er fast rückwärts in den Schnee fällt. Ich drücke meine warmen Lippen auf seinen kalten Mund und kümmere mich mal wieder nicht darum, dass ich keine Jacke anhabe. Seine Arme um meinem Körper fühlen sich wärmer an als meine dickste Winterjacke.

Jemand räuspert sich irgendwo neben uns. „Ich will ja nicht den Spielverderber spielen, aber mir ist ziemlich kalt.“

Erst jetzt fällt mir auf, dass Marek nicht alleine vor der Tür stand. Tom ist auch noch da und zittert tatsächlich ziemlich stark.

„Was willst du denn hier?“, frage ich überrascht.

„Reizend“, mault er mit klappernden Zähnen. „Glaubst du wirklich, dass ich nach allem noch mit unseren sogenannten Eltern Weihnachten feiern will?“

„Auch nicht, wenn es deinen Lieblingskuchen gibt?“

Er streckt mir die Zunge raus und ich glaube wir sind beide froh, dass wir uns wiederhaben.

Nach einem scheinbar endlosen Vorstellen und Drücken und Knuddeln quetschen wir uns alle in das kleine Wohnzimmer und erzählen, was in den letzten Tagen so alles passiert ist. Ich erfahre zum Beispiel, dass sich Tom weiterhin zu dem heterosexuellen Teil der Familie zählt und auf der Zugfahrt wohl schon ein paar Telefonnummern gesammelt hat. Offensichtlich hat er seine Meinung über One-Night-Stands geändert. Und das ausgerechnet, als ich mich entschieden habe, es mal mit einer Beziehung zu versuchen.

Anschließend erzählt meine Tante zu meinem großen Entsetzen, dass ich in einer Schürze Kekse gebacken und ihr heute freiwillig beim Kochen geholfen habe. Marek – auf dessen Schoß ich gerade sitze, weil es auf dem Sofa sonst zu eng wäre – flüstert mir daraufhin ein „Das hätte ich gerne gesehen“ ins Ohr und berührt dann ganz leicht mit seinen Lippen meinen Hals. Ich versuche das Kribbeln unter meiner Haut zu ignorieren und weiterhin dem zuzuhören, was Tom unserer Tante erzählt, aber das stellt sich als unmöglicher Versuch heraus. Ich kann mich nur noch auf Mareks Lippen an meinem Hals und auf seine Hände auf meinem Bauch konzentrieren.

Etwas später am Abend macht meine Tante noch die Flasche Likör auf, die ich ihr geschenkt habe und reicht jedem von uns ein Glas. Erst als kein Tropfen mehr übrig ist, beschließen wir schlafen zu gehen. Tom bleibt im Wohnzimmer auf dem Sofa und Marek kommt natürlich mit zu mir.

„Wie geht es jetzt weiter?“, fragt er, während er mir zuerst den Pullover und dann das T-Shirt über den Kopf zieht.

„Keine Ahnung“, antworte ich und mache dasselbe bei ihm.

Seine Finger öffnen meine Hose… „Dann komm doch mit zu mir.“ … und ziehen sie mir von den Hüften.

„Aber ich werde erst in einem halben Jahr achtzehn.“ Seine Hose fällt ebenfalls zu Boden.

„Du kannst ja offiziell noch so lange bei deinen Eltern wohnen, bleibst aber trotzdem schon bei mir.“

Seine Hände legen sich auf meine Brust und schieben mich rückwärts auf das Bett zu. Ich falle auf die Matratze und er beugt sich über mich.

„Das hört sich viel zu gut an, als dass es klappen könnte“, meine ich und lege meine Hände in seinen Nacken. Meine Finger spielen mit seinen Haaren, während ich darauf warte, dass er etwas sagt.

„Ich liebe dich“, flüstert er schließlich.

Einen Augenblick muss ich überlegen, aber dann bin ich mir sicher. „Ich liebe dich auch.“

Er küsst mich und tastet gleichzeitig mit einer Hand nach dem Lichtschalter.


Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zu dem Fotoautomaten auf der Domplatte und quetschen uns zu zweit in diese kleine Kabine. Immerhin brauchen wir jetzt einen Kalender mit Fotos von uns beiden, wenn wir schon zusammen wohnen werden. Und meine Tante bekommt auch noch welche. Ich glaube sie vermisst uns jetzt schon, aber wir haben ihr versprochen, dass wir sie bald wieder besuchen kommen. Und wer weiß… vielleicht zieht es uns irgendwann sogar ganz nach Köln. Marek gefällt es hier auch. Aber erst mal will ich noch meinen Schulabschluss machen und mich daran gewöhnen, dass mein Leben jetzt ganz anders ablaufen wird. Gut anders.

Zwischen Tom und mir ist auch alles wieder wie immer. Das heißt, dass wir uns endlich wieder zanken und vertragen können wie Brüder es eben tun. Manche Dinge kann man einfach nicht ändern. Aber das ist auch gut so.

Ändern wird sich zum Beispiel auch nie, dass ich es immer kaum erwarten kann, nach der Schule nach Hause zu kommen und von Marek an der Tür empfangen zu werden. Sein Lächeln löst immer wieder das gleiche Kribbeln in mir aus. Und ich weiß, dass ich ein echtes Glückskind bin, weil ich endlich jemanden habe, zu dem ich nach Hause kommen kann.

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