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Slowmotion

Teil 2

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

So, Teil Nummer Zwei von »Slowmotion«. Danke an alle, die mir Feedback gegeben haben, ich hoffe, euch gefällt die Fortsetzung der Geschichte ;)

Vaines

Mike:

»Chester, ich rede mit dir!«, hörte ich jemanden rufen und wandte meinen Blick. Chester stand vor Mr. Courten, der ein weißes T-Shirt in der Hand hatte und mit ihm sprach. Oh oh, das Shirt hatte er doch letzte Nacht an, hat er das etwa liegen lassen? Wenn es das war, dann hatte er ziemlich Ärger am Hals. »Jetzt hör' endlich auf zu stottern und sag mir einfach die Wahrheit!«, hörte ich Mr. Courten ziemlich laut rufen und sah, wie Chester ein Stück zurückschreckte.

Ich konnte das nicht mehr mit ansehen, irgendwie musste ich ihm zu Hilfe kommen, weil er immer noch wortlos vor Mr. Courten stand und ihn ansah wie das Kaninchen die Schlange. Ich ließ John und Tom stehen und marschierte zu Chaz, der angestrengt nachzudenken schien. »Oh, Sorry Chaz, ich glaub ich hab dein T-Shirt vorhin unten liegen lassen!«, rief ich und nahm Mr. Courten das Shirt aus der Hand, gab es Chester. Beide schauten mich blöd an, doch Chaz reagierte schnell. »Macht doch nichts, jeder vergisst mal was«, meinte er nur.

Mr. Courten blickte mich immer noch ziemlich verwundert an. »Nun schauen Sie mich nicht so an, ich habe mir Chesters Shirt ausgeliehen, heute Morgen als ich runtergegangen bin und hab´ es dort liegen lassen«, erklärte ich, packte Chaz am Arm und zog ihn in den Speisesaal, wir wurden nicht zurückgehalten. Dort drinnen atmete Chester sichtlich auf. »Danke Mike... Ich glaube, ich wäre da alleine nicht heil rausgekommen!«, bedankte er sich, doch ich winkte nur ab.

Beim Frühstück blickte Mr. Courten ab und an zu uns und schüttelte den Kopf, aber wie sollte er uns denn beweisen, dass meine Ausrede nicht stimmte? Wirklich glaubwürdig war sie meines Erachtens ja nicht, doch was sollte es, er musste uns schließlich wohl oder übel glauben. Die Planung für den Tag sah so aus, dass wir die meiste Zeit des Tages frei hatten und erst gegen Nachmittag, Abend alle zusammen ins Kino gehen würden, irgendein Film, der uns was lehren sollte.

Diese Planung gefiel mir, auch wenn wir wahrscheinlich wieder ziemlich in Langeweile versinken würden, besser als ziellos durch fremde Städte zu marschieren und uninteressante Museen oder Gebäude anzuschauen. Nach dem Essen begaben Chaz und ich uns erst mal wieder hoch in unser Zimmer. Ich legte mich auf mein Bett und schloss die Augen für einen Moment. Wieder sah ich die Szene von vorhin vor mir. Ich saß auf der Treppe und dachte nach, weil ich Chester nicht hatte aufwecken wollen und deshalb heruntergegangen war.

Als ich Toms Worte gehört hatte lief mir ein regelrechter Schauer über den Rücken und ich sah schon vor mir, wie die ganze Stufe innerhalb kürzester Zeit darüber reden würde. Er stand mit John bei irgendeinem anderen Typen und wollte ihm gerade von Chaz erzählen. Ich hatte nicht überlegt, was mich im Nachhinein wunderte, denn normal überlegte ich immer, bevor ich irgendetwas tat, ich war einfach aufgesprungen und hatte ihnen meine Meinung zu alledem gesagt.

Ob Chaz das alles mitbekommen hatte? Schließlich kam er mitten während unseres Gesprächs plötzlich mit Joe und Phe die Treppe herunter. Sollte ich ihn vielleicht fragen, ob er das mitbekommen hatte? Nein, besser nicht, denn wenn er es nicht mitbekommen hatte, dann hätte ich ihm das erzählen müssen und das musste er nun wirklich nicht wissen, wenn er es nicht schon wusste. Falls er es jedoch wusste, dann würde ich das eh bald erfahren, soweit ich Chaz bisher kannte, würde er sich dafür bei mir bedanken wenn er es mitbekommen hatte.

Ich richtete mich wieder auf und sah, dass er verschwunden war, sah jedoch, dass im Bad Licht an war, er also da drin war. Ich lehnte mich zum Tisch herüber und schaltete Chesters Discman an, in dem wie immer unsere Deftones CD lag. Ausnahmsweise schaltete ich nicht auf »Drive far away«, sondern ließ die komplette CD durchlaufen. Würden wir nach dem Vorfall letzte Nacht wohl noch mal mit den anderen Karten spielen? Eigentlich war das bisher eine gute Möglichkeit gewesen, Zeit zu verbringen, aber ich wusste nicht, ob Chester noch dazu bereit war und ohne ihn wollte ich nicht, er sollte sich nicht ausgeschlossen vorkommen.

Zudem wusste ich nicht, ob John und Tom dann wieder irgendwelche blöden Kommentare abgeben würden, die einem normal eigentlich wenig ausmachten, doch ich konnte mir wirklich gut vorstellen, dass es Chaz verletzen würde, wenn sie ihn deshalb auslachen würden. Irgendwie kam mir das alles unwirklich vor, als wäre diese Nacht nie gewesen, als hätten wir uns nie dort unten zum Kartenspielen getroffen, als wäre das alles nur ein Traum gewesen...

»Mike? Hey Mike, lebst du noch?«, hörte ich plötzlich jemanden fragen und öffnete meine Augen wieder. Chester saß auf dem Boden vor seinem Bett und lehnte sich gegen dieses. »Sorry, war in Gedanken«, erklärte ich, richtete mich auf und lehnte mich gegen die Wand. »Ich hab's gemerkt... Ich wollt' mich nur bei dir bedanken, dass... dass du John und Tom gesagt hast, sie sollen das nicht herumerzählen... das mit gestern, du weiß schon«, sagte er und wandte seinen Blick von mir ab.

So gut kannte ich ihn schon, dass ich voraussagen konnte, dass er sich dafür bedanken würde? Aber so wusste ich wenigstens, dass er es mitbekommen hatte. Doch irgendwie war mir die ganze Sache peinlich, dass er mitbekommen hatte, wie ich mich so für ihn eingesetzt hatte. Dachte er jetzt irgendetwas komisches von mir, weil ich mich für ihn einsetzte? »Ich kann dich ja verstehen, ich würde es auch nicht wollen, dass jemand rumerzählt, dass... irgendein Kerl wegen mir scharf geworden wäre«, hörte ich Chaz sagen und erstarrte regelrecht.

Hatte... ich das nicht so gesagt? Irgendein Kerl? Chester starrte mich an, als könnte er selbst nicht fassen das gerade gesagt zu haben. Ich hatte das vorhin zu John und Tom gesagt, irgendein Kerl. Das war ja wirklich eine total nette Formulierung! Aber ich wusste doch nicht, dass er zuhörte, ich hatte das doch nicht zu ihm gesagt, doch nur zu John und Tom! »Hey Chaz... das... das mit dem ‚irgendein Kerl' hab ich doch nicht so gemeint!«, erklärte ich notdürftig und rein gar nicht überzeugend.

»Ja, schon klar...«, sprach Chester nur ironisch und wandte seinen Blick für einige Momente zu mir. Er sah irgendwie so enttäuscht aus, seine Augen schienen mich regelrecht wütend anzustarren. Nahm er sich diese Formulierung denn so sehr zu Herzen? Ich meinte das doch gar nicht böse, was hätte ich denn zu John und Tom sonst sagen sollen? Wenn ich ihn als meinen oder selbst als einen Freund bezeichnet hätte, dann hätten sie das doch nur wieder als Anlass gesehen irgendetwas Blödes zu sagen, so konnten sie wenigstens das nicht tun. Chester hatte seinen Blick wieder abgewandt und starrte mit einem Blick zum Fenster, der zwischen Wut, Enttäuschung und vollkommener Ausdruckslosigkeit schwankte.

Chester:

Meine Enttäuschung steigerte sich mit jeder Sekunde, jedes Mal wenn ich mir in Gedanken sagte, dass ich für Mike einfach nur irgendein Kerl war. Er hatte es schließlich selbst gesagt und dass er sich jetzt rausreden wollte, konnte mich auch nicht davon überzeugen, dass er das nicht so gemeint haben sollte. Er hatte es so gemeint, ich war einfach nur ein Typ, mit dem er gezwungen war in einem Zimmer zu schlafen, mehr nicht. Einfach nur irgendein Kerl.

»Chaz, ich hab das wirklich nicht so gemeint, das war nur, weil ich John und Tom nicht...«, fing er wieder an doch ich unterbrach ihn. »Hör' auf, Mike«, sagte ich nur leise und voller Wut, die sich in mir aufstaute. Ich formte meine Hände zu Fäusten und blickte starr von Mike weg. »Ich...«, fing er schon wieder an, doch nun reichte es mir endgültig. »Halt die Klappe!«, schrie ich und sah ihn wieder an. Er war erschrocken, blickte mich fassungslos an.

Damit konnte er jetzt auch nichts mehr ändern, mir war klar, dass ich für ihn nichts war, gar nichts, ein einfaches Nichts. Warum musste ich mir denn auch einbilden, wir könnten Freunde werden? Nach dem Ganzen heute Nacht hätte mir doch klar sein müssen, dass wir keine Freunde werden würden! Warum sollte Mike denn anders sein als all die anderen? Wahrscheinlich hatte er mich heute Nacht ganz einfach nur aus Mitleid getröstet, wahrscheinlich war ihm wohl erst später klar geworden, was ich für ein Idiot war.

»Bitte, hör' mir...«, begann Mike noch mal. Konnte er nicht einsehen, dass ich nicht mit ihm sprechen wollte, oder wollte er es nicht? »Halt endlich die Klappe, Mike!«, schrie ich ihn noch einmal in voller Lautstärke an. Ich sah richtig, wie er zusammenzuckte. Aber wenigstens schien er jetzt still zu sein. Wozu sollte ich mir anhören, dass es ihm Leid tun würde, wenn es doch eh eine Lüge war? In solchen Momenten sah man immer, was andere wirklich von einem dachten.

Ich stand auf und setzte mich auf mein Bett, lehnte mich gegen die Wand. In dem Moment wechselte der Discman, der immer noch auf dem Tisch lag, das Lied und die ersten Töne von »Drive far away« erklangen. Das konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen, dieses Lied erinnerte mich so sehr an unsere Herfahrt, wie Mike und ich mitten in der Nacht das erste Mal miteinander sprachen.

Ohne etwas zu sagen schaltete ich weiter und sah im Augenwinkel, wie Mike den Kopf senkte. Ich lehnte mich wieder zurück gegen die Wand und blickte wieder zum Fenster. Nach kurzer Zeit merkte ich, wie Mike aufstand und langsam zur Tür trat. Ich verfolgte ihn mit meinen Blicken. Er sah so... niedergeschlagen aus. Er ging langsam zur Tür und legte seine Hand auf die Türklinke. »Es tut mir Leid«, hörte ich ihn flüstern und sah, wie er die Türklinke hinunterdrückte.

»Mike!«, platzte es plötzlich aus mir heraus. Er verharrte an der Tür, hielt die Türklinke immer noch in seiner Hand. Ich wollte etwas sagen, doch kein einziges Wort wollte über meine Lippen. Ich sah nur, wie er den Kopf senkte und die Türklinke wieder herunterdrückte. Innerhalb von wenigen Sekunden stand ich neben ihm und hielt seinen Arm fest. »Es tut mir Leid«, sprach ich nur leise und sah ihn an, worauf auch er seinen Blick hob.

In seinem Blick lag so viel, man merkte, dass er sich freute, dass ich ihn zurückgehalten hatte, aber irgendetwas in seinen Augen schien so ängstlich. Ängstlich, wegen... mir? Weil ich ihn so angeschrieen hatte? »Es tut mir Leid«, wiederholte ich nur und wir sahen uns weiterhin starr in die Augen. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, die Angst verschwand aus seinem Blick, was mich erleichtert aufatmen ließ. Es war unheimlich zu sehen, dass er Angst vor mir hatte.

»Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht anschreien. Aber... aber es tat so weh, dass du das gesagt hast. Ich dachte, dass... dass wir Freunde werden könnten und dann sagst du ‚irgendein Kerl'. Ich hab mir doch gewünscht, dass wir Freunde sein könnten...«, entschuldigte ich mich noch einmal und drückte die Tür zu, die er einen Spalt weit geöffnet hatte.

»Wir sind doch Freunde«, sprach Mike plötzlich leise. »Oder etwa nicht...?«, fragte er dann und blickte mich mit großen Augen an. Er war der Meinung, dass wir Freunde waren? Aber warum dann »irgendein Kerl«? »Aber warum....«, fing ich an, brach aber von selbst wieder ab, weil ich nicht wusste, wie ich das hätte sagen sollen. »Hätte ich denn John und Tom statt ‚irgendein Kerl' ‚mein Freund Chaz' sagen sollen? Das wäre doch schon wieder ein gefundenes Fressen für die beiden gewesen, um sich auf deine, oder besser unsere Kosten lustig zu machen!«, erklärte Mike.

Auf die Idee hätte ich doch wahrhaftig auch selbst kommen können, oder? Warum musste ich mich denn immer selbst quer stellen und mir Dinge einreden, die anderweitig viel leichter zu erklären wären? »Ich wusste doch nicht, dass du das hörst...«, sagte Mike noch leise und senkte seinen Blick wieder. »Mikey... ich wollte nicht so einen Aufstand deshalb machen... Es tut mir Leid, vergessen wir das einfach, ist doch auch egal. Hauptsache wir bleiben Freunde!«, meinte ich und zwang ihn damit wieder aufzusehen. Ich lächelte ihn an, was er erwiderte.

Letztendlich blieb von diesem, unserem ersten Streit nur ein schlechtes Gewissen meinerseits, weil er wegen mir so niedergeschlagen zu sein gewesen schien und außerdem die Gewissheit, dass wir Freunde waren. So hatte das ganze am Ende wenigstens einen kleinen Sinn gehabt, auch wenn ich das lieber anders als mit einem Streit gelöst hätte. Den Rest des Tages verbrachten wie größtenteils in unserem Zimmer, hörten Musik oder unterhielten uns.

Später gingen wir mit Joe, Phe und den anderen noch ins Dorf und füllten unsere Essensvorräte auf. Zwischendurch kam mir ein paar mal der Gedanke, wie die Jungs uns wohl behandelt hätten, wenn sie von der letzten Nacht erfahren hätten? Wahrscheinlich hätten sie uns alles andere als normal behandelt, aber dank Mike hielten die anderen ja ihren Mund. Am Abend versammelten wir uns alle im Speisesaal und machten uns dann auf den Weg zum Bus, weil wir in die nächstgelegene Stadt fahren mussten, damit wir diesen Film ansehen konnten.

Im Kino ergatterten wir uns natürlich ganz hinten Plätze und hatten einerseits den besten Blick und andererseits keine Lehrer hinter uns, die uns ermahnen konnten, wir sollten ruhig sein. So kämpften wir uns mit Popcornschlachten und kollektivem Schnarchen durch anderthalb Stunden Film.

Mike:

Wir gingen langsam aus dem Saal und wurden erst mal vom Licht in den Vorräumen des Kinos geblendet. Draußen hingegen war es schon stockdunkel und unsere Lehrer machten einen riesen Aufstand, dass sie auch ja niemanden in dieser Dunkelheit vergessen würden. Die Jungs und ich kletterten brav als erstes in den Bus und besetzten die letzte Reihe, obwohl wir zu sechst waren und nur fünf Plätze hatten. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, dass einer von uns sich zu Mr. Courten hätte setzen müssen, worauf wir aber alle verzichten konnten und zusammenrückten.

Nach nur 15 Minuten Fahrt kamen wir wieder an der Jugendherberge an und verließen den Bus sofort. Die anderen strömten alle sofort ins Gebäude, wir sechs blieben hingegen noch einige Zeit draußen und ließen uns auf der Steinmauer vor dem Haus nieder. Joe hatte seinen Popcornbecher auf dem Kopf und wankte orientierungslos durch die Gegend um uns zum Lachen zu bringen, was ihm auch problemlos gelang, als er sich anscheinend unabsichtlich auf den Boden legte.

Wir diskutierten noch einige Zeit über den Film und ausgesuchte Leute unserer Stufe, bis Mrs. Marson nach draußen kam und uns sagte, wir sollten besser reingehen, es wäre schon Dreiviertel Zehn. Wir gehorchten um nicht gleich am Anfang Ärger zu bekommen und versammelten uns noch für eine Viertel Stunde bei Joe und Brad im Zimmer, bis wir uns um Punk 22 Uhr auf unsre Zimmer verteilten. Auf dem Weg in unser Zimmer verabschiedeten Chaz und ich uns nacheinander von den anderen Jungs und traten in unser Zimmer.

Sofort sah ich wieder vor mir, wie Chester dort auf dem Boden gesessen und mich angeschrieen hatte. Ein kalter Schauer lief unweigerlich über meinen Rücken, es war unheimlich, von ihm angeschrieen zu werden, aber er hatte sich dafür entschuldigt und diese Entschuldigung hatte ich angenommen. Schließlich war ich ja selbst daran Schuld, dass das alles außer Kontrolle geraten war, denn meine Formulierung John und Tom gegenüber hatte das ja alles ausgelöst.

Aber das ganze war vergessen, Chaz hatte selbst gesagt, ich solle das ganze einfach vergessen und es war besser so. Ich atmete einmal tief durch und fing dann erst einmal an, ein paar Sachen für den morgigen Ausflug einzupacken, die ich brauchen würde, egal wo es hinging. Dabei merkte ich, dass mein Akku vom Handy so gut wie leer war, deshalb ging ich ins Bad, wo die einzigen Steckdosen waren und steckte das Ladegerät ein. Nachdem ich wieder zurück ins Zimmer gegangen war, sah ich, dass Chaz mit frischen Klamotten ins Bad ging und wenige Momente später das Wasser der Dusche zu hören war.

Müde ließ ich mich auf mein Bett sinken und schloss die Augen für einen Moment. Gerade einmal zwei Tage waren wir hier und so viel war schon passiert, bisher war es wirklich schön gewesen hier. Bis auf den Streit mit Chester, auf den ich wirklich gerne verzichtet hätte. Aber irgendwie hatte er auch seinen Nutzen gehabt, so wussten wir wenigstens beide, dass wir mit dem anderen befreundet sein wollten, auch wenn es mich sehr gewundert hatte, dass er mir so ehrlich ins Gesicht gesagt hatte, dass ihn meine Worte verletzt hatten.

Moment mal, zwei Tage waren wir schon hier? Zwei Tage... Mein Blick fiel auf meine Uhr, es war wenige Minuten nach 22 Uhr. Ich hatte meinem Dad versprochen ihn bis spätestens Zwei Tage nachdem wir hier waren um Zehn Uhr abends anzurufen, weil er danach für einige Zeit im Ausland war! Ein paar Minuten Spielraum würden ihm schon nichts ausmachen, aber Punkt 22.15Uhr ging er ins Bett und wenn ich nicht pünktlich anrief, würde es wieder Ärger geben, den ich mir wirklich gerne ersparen wollte, denn so sehr mochte ich es wirklich nicht, von ihm angeschrieen zu werden.

Doch mein Handy lag im Bad und von dort hörte ich immer noch das Geräusch der Dusche. Ich wartete bis Zehn nach Zehn, doch was Wasser war immer noch zu hören, was auch normal war, schließlich durfte man ja mal eine Viertelstunde duschen. Aber dann wäre es zu spät und mein Vater ihm Bett. Also blieb mir nichts anderes übrig als jetzt ins Bad zu gehen.

Ich atmete tief durch und trat zur Tür. Leise drückte ich die Türklinke nach unten.

Ich würde ganz einfach schnell hineingehen, mit Blick auf den Boden zum Waschbecken gehen, über dem mein Handy auf der Ablage lag, es nehmen und wieder zur Tür gehen. Ganz einfach, Chester würde mich bestimmt gar nicht bemerken! Ich öffnete die Tür und ging meinem Vorhaben nach, schaffte es sogar, ohne meinen Blick zu heben zum Waschbecken zu laufen und mein Handy zu nehmen.

Doch auf dem Weg zurück zur Tür hob ich meinen Blick und sah unweigerlich zur Duschkabine. Ohne es zu wollen verharrte ich und starrte zur Dusche. Die durchsichtigen Plastikwände waren leicht beschlagen, man konnte jedoch immer noch hindurchsehen. Chester schien sich gerade die Haare zu waschen und hatte seine Augen geschlossen. Ich konnte mich nicht bewegen, ich war wie festgefroren und merkte wie mir innerlich heiß wurde.

Meine Blicke tasteten seinen gesamten Körper ab und schweiften immer wieder von seinem Oberkörper, zu seinem Gesicht und dem Rest seines Körpers. Ich konnte nicht wegsehen, es war einfach unmöglich meinen Blick von ihm abzuwenden und zu gehen, es ging nicht. Doch plötzlich hörte ich, wie das Wasser ausging und die Tür der Duschkabine sich öffnete, bewegte mich aber immer noch nicht von der Stelle und blickte in die erschrockenen Augen von Chaz.

Er schien einen Moment zu brauchen, bis er realisierte, was los war und griff dann sofort zu dem Handtuch neben der Dusche und band es um seine Hüften. Erst in dem Moment kehrte ich ins Hier und Jetzt zurück und merkte, dass ich ihm gerade beim Duschen zugesehen hatte und ihn vollkommen nackt angestarrt hatte. »Ich... Scheiße, Sorry..«, stotterte ich nur, wandte mich um und verließ schleunigst das Zimmer. Scheiße, Scheiße, Scheiße!

Was war denn in mich gefahren? Was war mit mir los? Wie kam ich dazu einen meiner Freunde beim Duschen zu beobachten? Und warum konnte ich meinen Blick einfach nicht von ihm abwenden? Was zur Hölle war hier los?! Oh mein Gott, was dachte denn Chester jetzt von mir? Die Situation hatten wir doch schon einmal, nur beim letzten mal hatte er mich angestarrt und außerdem hatte ich in dem Moment noch wenigstens etwas an, im Gegensatz zu ihm!

Hoffentlich reagierte er genau wie ich und ignorierte das einfach, ich wollte nicht von ihm als ein Perverser befunden werden, der seine Freunde beim Duschen beobachtet. Mittlerweile war es schon zwanzig nach Zehn, super, jetzt konnte ich auch nicht mehr zu Hause anrufen und das alles war vollkommen nutzlos gewesen, toll gemacht, Mike!

Chester:

Vollkommen perplex lehnte ich an der Wand neben der Duschkabine und ließ mich langsam herunterrutschen. Was bitte war das gerade? Wie lange stand er denn schon im Zimmer und sah mir beim Duschen zu? Warum denn überhaupt? Ich wusste nicht, was das sollte, ich wusste nicht, was ich denken sollte. Ging es mir jetzt etwa genau wie Mike, als ich ihn im Park angestarrt hatte? Bestimmt nicht genauso, schließlich hatte ich ihn ja nicht vollkommen nackt gesehen!

Wie sollte ich mich denn nun ihm gegenüber verhalten? Am besten das alles nicht ansprechen und ignorieren, ich fand es schließlich auch am besten so, dass wir nicht über die Sache im Park gesprochen hatten. Unsicher stand ich auf, trocknete mich ab und zog mir Shorts und T-Shirt an. Als ich an der Tür stand zögerte ich einen Moment, ich hatte regelrechte Angst davor ihm zu begegnen, obwohl Mike wahrscheinlich um einiges mehr Grund dazu hatte.

Ich öffnete die Tür und trat ins Zimmer. Mike saß in Shorts und T-Shirt auf seinem Bett, hatte die Beine angezogen und einen Arme um sie gelegt. Ängstlich und erwartungsvoll sah er zu mir hoch. Ich wusste nicht recht, wie ich nun reagieren sollte. Kommentarlos lief ich zu meinem Bett und setzte mich auf die Kante. Wie er so da saß, mit diesem ängstlichen Blick, brachte er mich zum Lächeln. Meine Lippen verzogen sich und so sah ich ihn lächelnd an. Er sah einfach zu niedlich aus, wie er so da saß und voller Erwartung zu mir blickte.

Moment, Chester was denkst du da? Niedlich? Er sah niedlich aus? Du brauchst eindeutig mehr Schlaf, du fängst schon an deine Freunde niedlich zu finden! Meine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, dieses Gespräch meiner Gedanken war einfach nur zum Lachen, ich brauchte wirklich mal mehr Schlaf. Apropos Schlaf, es war mittlerweile schon halb Elf und somit Zeit, ins Bett zu gehen, bevor Mr. Courten uns noch hier wach, bei angeschaltetem Licht erwischte.

Ich schlug meine Decke zurück und auch Mike machte Anstalten, ins Bett gehen zu wollen. Er griff noch nach seinem Handy, stand auf und ging Richtung Bad. An der Tür zögerte er einen Moment und drehte sich plötzlich um. Wollte er noch was dazu sagen? Nein, er lächelte. Er stand einfach nur da und lächelte. Dann öffnete er entschlossen die Tür und ging ins Bad, kam wenige Momente später ohne Handy wieder zurück ins Zimmer. Ich verkroch mich derweilen unter meiner Decke.

»Chester! Aufwachen! Sag mal, wie tief schläfst du? Wach aaauf!«, hörte ich Mikes Stimme mich aus meinen Träumen zurückholen. Ich musste grinsen und öffnete blinzelnd meine Augen. Er kniete neben dem Bett und grinste zurück. »Ich glaub, das nächste mal stellst du dir wieder einen Wecker!«, meinte er, als er aufstand und sein Handy aus dem Bad holen ging. Ich richtete mich auf und gähnte erst einmal. »Na, wenigstens muss ich nicht mehr duschen, war ich ja gestern Abend schon!«, grinste ich, weil ich mir diesen Kommentar einfach nicht verkneifen konnte.

Außerdem hatte auch er eine Anspielung auf diese Anstarrgeschichte im Park gemacht, da durfte ich das auch. Er drehte sich erschrocken um und blickte mich mit großen Augen an. Ich hielt es für das Beste, zu grinsen und darauf schien er erst einmal aufzuatmen und schüttelte den Kopf. Ich kroch aus dem Bett und ging erst mal ins Bad um mich fertig zu machen.

Danach machten Mike und ich uns auf den Weg nach unten in den Speisesaal. Irgendwie war ich froh darüber, dass wir auch diese Sache hinter uns gebracht hatten und trotzdem noch normal miteinander umgingen, denn langsam häuften sich die komischen Ereignisse zwischen uns. Die restlichen Jungs saßen schon unten und waren schon mit Essen beschäftigt. Wir gesellten uns zu ihnen und warteten dann noch bis Mr. Courten uns das heutige Programm vorstellen würde.

Als er das jedoch tat erstarrte ich regelrecht. »Wir haben uns in Hinsicht auf das tolle Wetter heute entschlossen, ins Schwimmbad zu fahren. Eigentlich wollten wir erst in ein paar Tagen einen Badeausflug zum See außerhalb des Dorfes machen, aber da es heute sehr heiß wird und der See erst übermorgen zum Schwimmen freigegeben wird gehen wir heute ins Schwimmbad. Wir fahren nicht mit dem Bus, sondern nutzen den Anlass und werden eine kleine Wanderung zum Schwimmbad machen. Den Weg dürften wir in einer Dreiviertelstunde locker schaffen. Also nehmt euch alle genug zu Essen und Badesachen mit, wir treffen uns vor dem Haus um Viertel vor Zehn!«, erklärte Mr. Courten und ein Raunen ging durchs Zimmer.

Hatte sich denn nun alles gegen mich verschworen?! Oder besser, gegen uns! Gegen Mike und mich! Mussten wir denn jetzt ausgerechnet noch ins Schwimmbad fahren, wo wir beide schon genug Probleme gehabt haben, dem anderen mit wenig oder gar keinen Klamotten zu begegnen? Als es wieder lauter wurde, wechselten Mike und ich einen Blick, er sah genauso erschrocken aus.

Ich blickte mich im Saal um und sah John und Tom, die schräg gegenüber von unserem Tisch saßen. Tom beugte sich gerade zu John rüber und flüsterte ihm irgendetwas zu, worauf beide grinsten und zu Mike und mir sahen. Die beiden wussten wohl, dass das heute nicht ohne Probleme ablaufen würde. Ich hatte keinen Schimmer, wie das heute enden sollte. Alleine bei dem Gedanken, was passieren würde lief mir ein Schauer über den gesamten Körper.

Badeshorts waren nicht viel mehr als Boxershorts und beim »Strippokern« hatte Mike auch Boxershorts an... Was sollte dann heute werden, wenn ich ihn den ganzen Tag so sehen würde? Am besten wäre es, wenn wir den ganzen Tag unsere Klamotten nicht ausziehen würden, aber daran würden die anderen Jungs uns ganz, ganz sicher hindern. Wahrscheinlich würden sie uns ins Wasser werfen, notfalls mit Klamotten und die klebten so am Körper, wenn man nass war...

Nein Chester, hör´ auf, daran zu denken! Was war nur los mit mir? Warum wurde mir bei der Vorstellung von Mike in nassen Klamotten so anders? Was war denn bloß los mit mir? Am besten war es, wenn ich ganz einfach bis es soweit war, jeden Gedanken weit, weit weg schob, später blieb mir noch genug Zeit, darüber nachzudenken. »Chaz? Mike? Kommt ihr?«, fragte Rob. Die anderen waren schon weg, Mike und ich saßen als einzige noch da.

Mike:

Chester zog mich am Arm hoch und folgte dann den anderen Jungs, die schon hochgegangen waren, ohne, dass wir etwas davon mitbekommen hatten. Ich hatte Angst. Ich hatte wahrlich Angst vor diesem Tag. Das ganze war wirklich schon schlimm genug, sollte denn etwa heute die ganze Stufe dabei zusehen, wie Chester und ich uns gegenseitig anstarrten? Ich spielte ehrlich mit dem Gedanken mich krank zu stellen, ich hatte Angst vor meiner Reaktion auf Chaz, ich konnte mein eigenes Verhalten nicht einschätzen.

Schließlich hatte ich ihn am Vorabend auch nicht absichtlich angestarrt, als er unter der Dusche stand, aber wegsehen konnte ich trotzdem nicht. »Mike? Was ist los mit dir?«, schreckte Chaz' Stimme mich wieder aus meinen Gedanken. Wir waren mittlerweile oben in unserem Zimmer und ich stand vollkommen verloren mitten im Zimmer. »Was? Mit mir? Gar nichts«, entgegnete ich nur und wandte mich von ihm ab. Wahrscheinlich glaubte er mir das sowieso nicht.

Aber sollte ich ihm denn sagen »Ich mach´ mir Sorgen, weil ich nicht weiß, ob ich dich heute wieder die ganze Zeit angaffe, wenn du halb nackt vor mir rumhüpfst«? Vielleicht machte er sich ja die selben Gedanken, schließlich hatten wir beide schon einmal so auf den anderen reagiert. Am besten war es wohl, wenn wir uns darüber keine Gedanken machten. Vielleicht würde das ja alles ganz anders laufen? Vielleicht würden wir ja gar nicht auf den anderen reagieren?

»Mike? Du solltest deine Sachen packen«, sprach Chester nur leise und ich nickte. Wir standen beide vor dem Schrank und suchten unsere Badesachen heraus. Diese verstaute ich zusammen mit Discman, Handy und meinem CD-Case in meinem Rucksack. Noch Geld einpacken und schon war ich fertig. Chester war mittlerweile auch schon fertig und wartete nur noch darauf, dass ich ihm zunickte und wir nach unten gehen konnten. Dort waren schon die anderen Jungs und begrüßten uns.

Wir ließen uns auf der Steinmauer nieder und warteten darauf, dass der Rest unserer Gruppe dort auftauchte. Als dann wirklich alle da waren machten wir uns auf den Weg und natürlich schlossen wir sechs uns als allerletzte des Gruppe an. Mrs. Marson sagte zu Chester und mir, dass wir hinten bleiben und aufpassen sollten, dass niemand verloren ging, was uns natürlich nicht schwer fiel.

Die 50 Minuten bis wir am Schwimmbad angekommen waren schwiegen Chester und ich meist. Immer wieder dachte ich mir, dass er doch irgendwie wegen des letzten Abends so schweigsam mir gegenüber war, doch als er irgendwann hochsah und mir zulächelte, wurde mir klar, dass ich mir das einbildete. Er kümmerte sich nicht darum und das war gut, mehr als nur gut so. Nur leider hielt dieses Schweigen mich nicht unbedingt davon ab, darüber nachzudenken, was heute passieren würde. Ob Chester sich wohl auch Gedanken darüber machte?

Vor meinem inneren Auge entstanden die schlimmsten Situationen. Mir kam ein Gedanke, der, falls er Wirklichkeit werden würde, schlimmer nicht sein konnte. Was würde sein, wenn mir das Selbe passieren würde, was Chester beim »Strippoker« spielen passiert war? Nach dem letzten Abend traute ich mir und meinem Körper wirklich alles zu und etwas Peinlicheres als das könnte nicht passieren.

Wahrscheinlich würden dann die Jungs jedem davon erzählen, wie ich sie kannte. Darauf würden sicher auch John und Tom ihre Klappen nicht mehr halten können und alle würden davon reden... Es war eine schlimme Vorstellung. Aber selbst die Vorstellung, dass ich Chaz schon wieder so anstarren würde, war schlimm genug, wenn er nichts davon mitbekäme, dann wäre das ja kein Weltuntergang, aber wenn schon... Nachdem das auch schon letzte Nacht passiert war, würde Chester sicher anfangen, sich Gedanken zu machen.

Vielleicht war es besser, wenn wir uns beide den ganzen Tag nicht begegnen würden? Doch in Hinsicht darauf, dass wir die selben Freunde hatten und uns außerdem verdammt gut verstanden war das wohl nicht realisierbar. Und Chester würde sicher denken, ich würde nichts mit ihm zu tun haben wollen, wenn ich vor ihm wegrennen und nicht in seine Nähe kommen würde. Die ganze Situation war alles in allem einfach nur beschissen und aussichtslos.

Je näher wir dem Schwimmbad kamen, desto größer wurde mein Verlangen, sofort wieder zurückzurennen. Irgendwann merkte ich, dass der Abstand zwischen den Jungs und Chester und mir immer größer wurde, wir beide verlangsamten unseren Gang immer mehr, wollten wohl beide nicht dort ihn. Aber es blieb uns doch nichts, rein gar nichts anderes übrig.

Dann kamen wir endlich an, wobei endlich wohl nicht das richtige Wort war, leider würde es wohl besser treffen. Wir wurden von unseren Lehrern durch den Eingang geschleust und mussten uns dann auf der Liegewiese versammeln. Wir wurden durchgezählt und Mr. Courten begann mit seinen Erklärungen, wie wir uns zu verhalten hatten. Ich wünschte mir, er hätte nie aufgehört und hätte immer weiter geredet. Aber das war doch hirnrissig, wir mussten da durch, ob wir wollten oder nicht.

Als er fertig war suchten wir sechs uns einen Platz ein bisschen abseits, weil wir mit den anderen unserer Stufe nicht allzu viel zu tun haben wollten. Dort breiteten wir unsere Handtücher aus und ich legte meins nach kurzen zögern direkt neben das von Chester, er sollte nicht denken, ich wolle nicht bei ihm sein. Nach unserem Streit versuchte ich irgendwie, ihm zu zeigen, dass ich wirklich mit ihm befreutet sein wollte, er hatte so verdammt traurig ausgesehen, als er sagte, er hätte sich gewünscht, dass wir Freunde werden könnten.

Nachdem die meisten anderen schon in den Umkleidekabinen gewesen waren, machten auch wir uns auf den Weg dort hin. Ich schloss mich ein und zog mir meine Badeshorts an. Meine Klamotten stapelte ich und ging zurück zu unserem Platz, ohne auf die anderen zu warten. Am liebsten wäre ich weggerannt, ich hatte so unglaubliche Angst davor, Chaz zu sehen.

Doch irgendwie musste ich da durch, ich konnte mich nicht den ganzen Tag vor ihm verstecken. Und dann... kam er. Alleine, er schien wohl auch nicht auf die anderen gewartet zu haben. Schon von weitem sah ich ihn und merkte, wie eine Gänsehaut sich auf meinem gesamten Körper ausbreitete und mein Herz mit jedem seiner Schritte schneller zu schlagen schien. Oh mein Gott.

Chester:

Ich wollte zurück zu unserem Platz, bevor die anderen fertig waren, doch Mike schien mir zuvorgekommen zu sein. Er war schon dort und saß auf seinem Handtuch, sein Blick wandte sich erst zu mir, dann aber wandte er ihn wieder ab und blickte vor sich auf den Boden. Ich ging zu ihm und brachte nur ein leises »Hey« raus. Er blickte hoch und lächelte mich an. Ich erwiderte sein Lächeln und ließ mich auf meinem Handtuch nieder. Wir schwiegen und warteten auf die anderen.

Ich versuchte die ganze Zeit, nicht zu sehr zu Mike zu starren, was mir mitunter so gut wie unmöglich war. Die anderen schienen wohl ewig zu brauchen, deshalb legte Mike sich nach einiger Zeit auf den Bauch und präsentierte mir diesmal wenigstens nicht seine Brust, wahrscheinlich weil er ja ganz genau wusste, was das letzte Mal dabei geschehen war... So konnte ich ihn wenigstens anstarren, ohne, dass er es merkte, was ich aber trotzdem zu verhindern versuchte. Nach einer schieren Ewigkeit kamen die Jungs endlich zu uns. »Kommt, mir ist heiß und ich will endlich ins Wasser!«, maulte Rob und hampelte aufgeregt rum, als wäre er ein kleiner Junge. Mike richtete sich auf und ich hielt ihm eine Hand hin um ihm aufzuhelfen.

Zu sechst machten wir uns auf den Weg zum Schwimmbecken und Rob und Phe sprangen, ohne zu Zögern ins Wasser. Wir anderen gingen erst einmal zum eigentlichen »Einstieg« ins Wasser, wo es nur knietief war und wateten langsam hinein. Im ersten Moment war das Wasser verdammt kalt und deshalb blieb ich dort stehen und wartete, bis es mir nicht mehr ganz so kalt vorkam. Mike und Joe taten es mir gleich, wobei die anderen Jungs anfingen sich über uns lustig zu machen.

Rob rief Joe irgendetwas extrem Blödes zu, worauf Mike und ich anfangen mussten zu lachen. »Lach´ nicht so blöde!«, maulte Joe plötzlich und schubste mich. Ich verlor das Gleichgewicht und versuchte, mich irgendwo festzuhalten, erwischte aber nur Mikes Arm und der konnte mich auch nicht festhalten, weil ich zu viel Schwung hatte. Also riss ich ihn natürlich hinterher und so landete er auf mir drauf. Für einen kurzen Moment spürte ich seinen Oberkörper an meinem, bevor wir ins Wasser eintauchten. Ich sank ins Wasser, was an der Stelle schon ungefähr einen Meter tief war und Mike lag immer noch auf mir drauf.

Es waren nur Sekunden, in denen ich seinen Körper an meinem spürte und doch kam es mir vor, als wären es Stunden. Seine Arme hatte er halb um mich geschlungen, als wir nach hinten kippten und deshalb hielt er mich an den Oberarmen fest, während wir ins Wasser sanken. Ich öffnete noch unter Wasser meine Augen und sah Mikes Gesicht für einen kurzen Moment unmittelbar vor meinem, bevor er seinen Kopf abwand und zur Wasseroberfläche auftauchte.

Ich tauchte kurz nach ihm wieder auf und schüttelte sofort meinen Kopf um die nassen Haare aus dem Gesicht zu bekommen. »Sag mal Joe, hast du sie noch alle?«, rief ich und sah ihn gespielt wütend an. Ich war eigentlich nicht wütend, ich war einfach nur geschockt, von dem was da gerade geschehen war und wollte irgendetwas sagen, damit die Jungs nichts Falsches dachten. Er grinste nur, ich rollte mit den Augen und tauchte noch einmal unter Wasser.

Bitte was war das gerade? Was war denn nur los? Dieser Moment in dem ich Mikes Gesicht unter Wasser so nah vor mir gesehen hatte... es war mir, als wäre diese gesamte Umfallaktion in Zeitlupe abgelaufen. Irgendetwas stimmte hier ganz gewaltig nicht! Nur sich darüber weiter Gedanken zu machen, brachte wohl auch nichts, es war wohl besser, das ganze zu verschieben und den Tag zu genießen.

»Ich dachte schon, du bist vollkommen abgesoffen!«, rief Phe, als ich wieder auftauchte. Er grinste und winkte, dass ich zu ihnen herüberkommen sollte. Ich schwamm zu den restlichen Jungs, die sich auf der anderen Seite des Schwimmbeckens versammelt hatten und beförderte Rob erst einmal unter Wasser, weil er mit dem Rücken zu mir auf der Stelle schwamm.

Er kam prustend zur Oberfläche und blickte mich bitterböse an, worauf wir uns eine längere Wasserschlacht lieferten, in die nach einiger Zeit auch die anderen Jungs eingriffen. Unwillkürlich tauchte ich irgendeinen von den Jungs unter Wasser, weil ich nicht ausmachen konnte, wer es war und bemerkte erst als er wieder an die Oberfläche kam, dass es Mike war. Ich grinste ihn an und hörte ihn nur ein leises »na warte« grummeln.

Vorsichtshalber schwamm ich schon einmal vor ihm weg und sah kurz später auch schon, dass er mich verfolgte. So drehten wir einige Runden durchs Schwimmbecken, bis ich langsam erschöpft wurde und ein leichtes Opfer für Mike wurde. Ich sah ihn schon fies grinsen und holte tief Luft, als er näher kam. Doch plötzlich stoppte er vollkommen unangekündigt vor mir.

»Komm, schwimmen wir wieder zu den anderen«, meinte er nur und drehte sich um. Verwundert blickte ich ihm hinterher, folgte ihm dann aber. Wir versammelten uns wieder am Beckenrand und Rob und Joe setzten sich darauf, machten sich natürlich einen Spaß daraus, mit den Beinen zu strampeln und uns alle voll zu spritzen. Ich zog Joe an den Beinen ins Wasser und wurde dabei selber unter Wasser gedrückt. Sofort kam ich wieder an die Oberfläche und sah Joe grinsen.

Und vollkommen plötzlich kam Mikes Rache. Ich spürte, dass sich Zwei Arme von hinten um meinen Bauch schlangen und ich unter Wasser gezogen wurde. Er wusste gar nicht, wie fies seine Rache war. Einerseits bekam ich natürlich keine Luft und hatte auch vor Schreck nicht mehr Luft holen können und andererseits spürte ich seinen Oberkörper an meinem Rücken, was schlimmer war als alles andere.

Natürlich strampelte ich wie wild, doch darauf presste Mike seine Arme nur noch fester um meinen Bauch und somit auch seinen Oberkörper gegen meinen Rücken. Dieses Gefühl schoss eine regelrechte Hitzewelle durch meinen gesamten Körper, trotz des kalten Wassers um uns herum. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis er mich wieder losließ und ich hochschwimmen konnte.

Ich holte tief Luft und hielt meine Augen für einige Momente geschlossen. Erst als diese Spannung in meinem ganzen Körper etwas nachgelassen hatte, konnte ich meine Augen wieder öffnen und blickte in Mikes grinsendes Gesicht.

Mike:

Recht geschieht ihm das ganze, wie du mir, so ich dir! Ich grinste ihn nur an und merkte, wie ich langsam anfing zu zittern. Die anderen Jungs reagierten auf meinen Vorschlag rauszugehen nicht und so stieg ich allein aus dem Wasser. Sofort traf ein kalter Wind meinen Körper und ich machte, dass ich so schnell wie möglich zu unserem Platz kam, wo ich mich erst mal in mein Handtuch einmummelte.

Als ich trocken war breitete ich mein Handtuch wieder aus und legte mich auf den Bauch. Von hieraus konnte ich die Leute an den Schwimmbecken immer noch erkennen und beobachtete die Jungs einige Zeit lang. Dann blieb mein Blick wie zu erwarten gewesen war, an Chester hängen. Er saß neben Rob auf dem Beckenrand und die beiden sahen den anderen Jungs bei ihren Spielchen zu.

Als mein Blick an seinem Oberkörper haftete, lief mir eine Gänsehaut über den gesamten Körper. War das noch normal? War das vor allem normal, dass ich dieses unglaubliche Gefühl in jeder Faser meines Körpers spürte, als ich Chaz unter Wasser zog und meine Arme um ihn schlang? Das war weiß Gott nicht mehr normal, was jede Berührung dieses Jungen mit mir anstellte. Ich wusste selbst nicht, warum ich ihn auf diese Art unter Wasser gezogen hatte, doch eins musste ich wohl oder übel zugeben: Es war ein echt schönes Gefühl, ihm so nahe zu sein.

Himmel, was war denn bloß los mit mir? Warum diese Gänsehaut, diese Spannung in meinem gesamten Körper, beim bloßen Gedanken an Chester? Bleib mal ganz ruhig, Mike, und sei ehrlich, wenigstens zu dir selbst. Sich etwas vorzumachen, machte doch auch keinen Sinn und diese Vorahnung hatte ich, seit ich vor Chester im Bad gestanden hatte. Konnte es vielleicht sein, dass ich Chaz sehr, sehr... anziehend fand? Aber anziehend klang irgendwie nicht nach dem, wie ich dieses Gefühl nennen wollte, aber ein besseres Wort konnte ich dafür nicht finden.

Oh mein Gott! Hatte ich mir gerade eingestanden, dass ich einen meiner Freunde geil fand? Ich war doch nicht schwul, wieso konnte ich Chester dann so toll finden? Warum musste das alles so verdammt kompliziert sein? Also, nun einmal ganz langsam, zum mitschreiben: Ich fand Chester unheimlich gutaussehend und verdammt anziehend, aber schwul war ich trotzdem nicht. Widersprach nicht das eine dem anderen? Nur was von beidem war dann falsch? Dass ich Chester geil fand war eine Tatsache, nur hieß das dann etwa... dass ich schwul war? Nein!

Ich war doch vollkommen normal, hatte sogar schon mehrere Freundinnen gehabt und hatte noch nie mehr von einem Typen gewollt – ich war sicher nicht schwul! Nur wie passten dann Chester und das Gefühl, jedes Mal wenn ich ihn sah, dazu? Überhaupt nicht! Wieso musste das denn alles so plötzlich kommen? Konnte sich diese Verwirrtheit nicht noch Zwei Wochen gedulden und mich dann quälen?

Ich seufzte und drehte mich auf den Rücken. Die Sonne strahlte ziemlich und mein Rücken brannte schon nach kurzer Zeit. Moment, kurze Zeit? Laut der Uhr auf meinem Handy lag ich schon seit einer halben Stunde hier alleine rum. Wo waren die anderen? Am Schwimmbecken waren sie nicht mehr, doch meine Gedanken hatten mich davon abgehalten, mitzubekommen, wann sie wohin gingen. Super, mich ließen sie hier einfach mal sitzen.

Ach Mike, hör' doch auf so zu denken, warum sollten sie denn nicht, ohne dich zu fragen, für einige Momente woanders hingehen? Vielleicht waren sie auch einfach nur zum anderen Schwimmbecken, wo man sie von hieraus nicht sehen konnte? Jedenfalls war das keine Gedanken wert, aber immer noch besser, als darüber nachzudenken, ob ich schwul war oder nicht. Es klang so hirnrissig, ich wäre nie, nie auf die Idee gekommen irgendwann über dieses Thema nachdenken zu müssen. Doch plötzlich war das alles so nah und der Gedanke gar nicht so abwegig.

Nein, nicht wieder darüber nachdenken. Warum konnte ich das nicht einfach alles vergessen und in Chester keinen Jungen sehen, der mich mit jedem Blick oder jeder Berührung verrückt machen konnte, sondern einfach nur einen guten Freund? Bis gestern war das doch alles noch vollkommen anders, gestern war dieses Gefühl doch noch gar nicht so extrem!

Irgendetwas lief hier ganz, ganz falsch, ich musste wirklich aufhören mir Gedanken über so etwas zu machen. Was würde denn passieren, wenn einer der Jungs, oder gar Chaz davon Wind bekommen würde? Ich könnte mein Testament machen, ein Junge der darüber nachdenkt, ob er schwul sein könnte, etwas lächerlicheres gab es für die Jungs doch nicht. Aber wie sollten sie das auch herausbekommen? Erzählen würde ich das ganz, ganz sicher keinem.

»Ey Mike, pennst du?«, holte mich eine Stimme aus meinen Gedanken zurück in die Realität. Joe ließ sich gerade neben mich auf sein Handtuch nieder, wie ich sah, als ich meine Augen wieder öffnete. »Ach, ihr seid auch schon wieder da?«, meinte ich, lehnte mich wieder zurück und legte die Arme unter den Kopf. »Ja, wir waren oben am Sprungturm und haben Chester vom Drei-Meter-Brett geworfen, weil er Schiss hatte zu springen!«, grinste Joe und trocknete seine Haare.

»Ihr verdammten Idioten, ich werde mich schon noch rächen! Ihr werdet nicht wissen wann und nicht wo, aber ich werde es tun!«, hörte ich Chesters Stimme schimpfen und drehte mich um. Er hatte beide Hände auf seinen Rücken, oder besser seinen Arsch gelegt und stapfte klitschnass, neben Rob zu uns herüber. Oh mein Gott, das sah nun wirklich verboten geil aus. Mike! Hör endlich auf, so etwas zu denken, oder willst du, dass es dir so geht wie Chester beim »Strippokern«?

»Hey Jungs, kann mir mal einer von euch den Rücken eincremen?«, fragte Joe plötzlich und wir wurden allesamt still. Dann wie auf Kommando fingen wir alle an zu lachen, dieser Satz war so unglaublich und hörte sich einfach... schwul an. Gott, nein, konnte das denn nicht einmal aufhören? »Na, gib mal her«, opferte ich mich. Joe drückte mir die Sonnencreme in die Hand und legte sich auf den Bauch.

Ich nahm was von dem Zeug und cremte ihm den Rücken ein. Das ganze hatte für mich in dem Moment auch einen positiven Nebeneffekt, denn wenn mir das nun aus irgendeinem Grund gefallen hätte, dann gäbe es wirklich Anlass, darüber nachzudenken, ob ich irgendwie einen homosexuellen Touch hatte. Doch ich merkte nichts, gar nichts dabei, fand das ganze weder toll, noch war ich angewidert, also gab es überhaupt keinen Grund, sich weitere Gedanken zu machen.

Joe bedankte sich und ich warf die Sonnencreme auf sein Handtuch. Gelangweilt legte ich mich wieder auf mein Handtuch und nahm meine Jeans als Kopfkissen. Die anderen Jungs machten sich mal wieder daran, ihr Essen untereinander aufzuteilen, nur Chester und ich lagen nebeneinander auf unseren Handtüchern und schwiegen.

Chester:

Mein Hinterteil schmerzte immer noch. Warum mussten die Jungs auch unbedingt auf die Idee kommen mich vom Drei-Meter-Brett zu werfen? Hätten sie mich wenigstens vorgewarnt wäre ich nicht mit dem Rücken ins Wasser geflogen und hätte nun keine Schmerzen, wenn ich auf dem Rücken lag. Ich setzte mich auf und holte meinen Discman aus der Tasche. »Kann ich mithören?«, fragte Mike mich plötzlich, worauf ich nur nickte. Ich legte mich auf den Bauch, was Mike nur mit einem Grinsen kommentierte, verschränkte die Arme unter dem Kopf und nahm einen der Ohrstecker, den anderen nahm sich Mike.

Er lag auf dem Rücken und hatte seine Augen geschlossen. Die anderen Jungs waren alle beschäftigt und so merkte keiner, dass ich Mike schon wieder die ganze Zeit anstarrte. Ich blickte die ganze Zeit in sein Gesicht und gab mir Mühe meine Blicke nicht über seinen gesamten Körper schweifen zu lassen, aus Angst dieser Anblick könnte wieder Auswirkungen auf Klein-Chaz haben.

Mein Gott, wir waren hier auf Klassenfahrt, im Schwimmbad und ich hatte wirklich nichts besseres zu tun, als meinen Zimmerpartner anzustarren? Hier lief doch sicher einiges herum, es war sicher interessanter irgendwelche Mädels zu beobachten, als Mike anzustarren. In jedem Fall hätte ich noch vor einigen Tagen darüber gelacht, mich einmal mehr dafür zu interessieren wie irgendein Freund von mir aussah, als knapp bekleidete Mädels.

Das war alles einfach nur hirnrissig und deshalb war es auch sicher nicht nötig, darüber Gedanken zu verschwenden, es gab besseres zu tun. Zum Beispiel, sich auf die Musik zu konzentrieren und die warme Sonne zu genießen. Ich schloss meine Augen und vertiefte mich vollkommen in die Musik, bis ich irgendwann in eine Traumwelt abschweifte und das Hier und Jetzt gänzlich verließ.

Als ich wieder aufwachte sah alles noch genauso aus, die Jungs saßen immer noch da und teilten ihr Essen und auch die Musik war noch an. Nur Mike lag nicht mehr auf dem Rücken, sondern mittlerweile auf dem Bauch und hatte seine Augen auch nicht mehr geschlossen. Er hatte den Kopf mit dem Arm abgestützt, blickte auf den Boden vor sich und zupfte an einigen Graßhalmen herum. Er sah so nachdenklich aus, schien vollkommen in Gedanken versunken zu sein.

»Hey«, sagte ich nur leise und er schreckte sichtlich auf, lächelte dann aber. Ich legte den Ohrstöpsel beiseite und setzte mich erst einmal wieder auf. Wenigstens tat mein Rücken jetzt nicht mehr weh. Ich streckte mich und fuhr mir mit den Händen übers Gesicht und durch die Haare. Verdammtes Chlorwasser. »Kommt ihr noch mal mit ins Wasser?«, fragte Rob uns dann nach einiger Zeit. Ich wollte erst einmal wissen, ob Mike wollte oder nicht, doch der reagierte erst gar nicht.

Rob blickte mich nur mit zusammengezogenen Augenbrauen an und wandte seinen Blick immer wieder kurz zu Mike. »Hey!«, sprach ich zu dem und stupste ihn vorsichtig an der Schulter an. Er schrak auf und sah Rob und mich fragend an. »Ne, ich... ähm, mir ist jetzt schon kalt, ich will nicht noch mal ins Wasser«, sagte er nur, als Rob seine Frage wieder holt hatte, worauf ich nur nickte. Rob zuckte mit den Schultern und drehte sich weg. Kalt? Mike war kalt?

»Dir ist kalt?«, fragte ich nach einiger Zeit Zögern und er sah hoch. »Nö«, grinste er nur und wandte seinen Blick wieder ab. Ok, warum auch immer er Rob angelogen hatte, aber wenn es ihm so lieber war, mich sollte es nicht stören. Ich legte mich wieder hin und nahm den Ohrstecker. Wir verbrachten den gesamten Tag dort, aßen zwischendurch noch was und ließen uns später sogar noch einmal überreden, mit ins Wasser zu kommen, obwohl wir eigentlich keine Lust hatten.

Erst ziemlich spät abends machten wir uns auf den Weg zurück in die Jugendherberge. Wir wollten alle nicht zurück und unsere Lehrer gaben sich schnell geschlagen, wohl weil sie nicht die ganze Zeit auf uns aufpassen mussten, während wir hier waren. So machten wir uns also erst um 20.30Uhr auf den Weg zurück. Mike und ich durften wieder hinten laufen und darauf achten, dass keiner hinter uns verloren ging. Noch während wir liefen ging die Sonne unter und es wurde dunkel.

So tappten wir den Rest des Weges im Dunkeln, was schon einmal eine Erfahrung für sich war, vor allem für Mike, der sich mal wieder als unglaublich tollpatschig erwies. Nicht nur einmal musste ich ihn festhalten oder gar auffangen, damit er nicht auf den Boden knallte. Er bedankte sich jedes Mal verlegen, wenn er wieder halbwegs in meinen Armen gelegen hatte, weil sich sonst hingelegt hätte.

Der Rückweg zog sich um einiges länger hin, als der Hinweg, aber solange wir unseren Spaß hatten, kümmerten wir uns weniger darum, wie lange wir schon liefen. Mr. Courten fragte durch, ob wir noch einen kleinen Umweg machen wollten und am See vorbeisehen wollten, wo wir in ein paar Tagen noch hingehen wollten und natürlich stimmten die meisten von uns dafür. Mir war es eigentlich ziemlich egal, denn so würden wir uns später nicht wieder langweilen müssen.

Es dauerte nicht lang und wir waren dort angekommen. Hinter einer Art Lichtung kamen wir zum See und blicken in der Dunkelheit, für einige Momente in vollkommenem Schweigen über das Wasser. Es sah wirklich toll aus, auch wenn wir nicht so viel erkennen konnten, weil die Sonne nicht mehr schien. Doch allein das Mondlicht, das sich auf der Wasseroberfläche spiegelte sah schon wunderschön aus. Nach einiger Zeit fingen unsere Gespräche wieder an und wir machten uns endgültig auf den Weg zur Jugendherberge.

Dort verabschiedeten Mike und ich uns sofort von den anderen und verzogen uns in unser Zimmer. Ich packte meinen Rucksack aus und warf meine Badeshorts auf die Heizung, zusammen mit meinem Handtuch. Einen Moment zögerte ich, eigentlich wollte ich Duschen gehen, doch plötzlich entstand vor meinen Augen wieder dieses Bild, wie Mike plötzlich vor mir stand, als ich aus der Dusche trat. Es war unheimlich, aber wir wollten nicht darüber sprechen, jedenfalls wollte ich das nicht und ich war mir auch ziemlich sicher, dass es ihm nicht anders ging.

»Ich geh duschen, Mike!«, sprach ich mit Nachdruck, als ich an der Badtür stand und öffnete sie schon mal. Er blickte mich erschrocken an und senkte seinen Blick dann mit einem leichten Nicken beschämt und verlegen ab. »Hey, das war ein Scherz, vergiss es«, meinte ich und hätte mir in den Arsch beißen können für diesen Kommentar, als ich Mikes trauriges Gesicht sah.

Mike:

Ein Scherz? Ein Scherz sollte das gewesen sein? Entweder hatte er einen wirklich beschissenen Humor, oder er hatte Angst ich würde ihm noch mal beim Duschen zusehen und wollte mir damit sagen, dass ich es ja nicht wagen sollte, das Bad zu betreten. Irgendwie konnte ich mir letzteres am besten vorstellen, das Schlimme daran war ja, dass ich ihn auch noch vollkommen verstehen konnte – die Situation war aus seiner Sicht sicher alles andere als angenehm.

»Schau nicht so traurig, ich hab das doch nicht böse gemeint, ich nehm' dir das nicht übel, das gestern«, erklärte er, ließ die Türklinke los und ging einige Schritte auf mich zu. »Es ist Ok Mike, wie sollte denn ausgerechnet ich dir irgendetwas nachtragen?«, meinte er und zog meinen Kopf am Kinn ein Stück hoch, sodass ich ihn ansehen musste. Ich spürte seine Finger an meinem Kinn und sah, wie er mir fast schon flehend mit seinen dunklen Augen in die meinen blickte.

»Ist ok«, murmelte ich nur leise, damit er bloß seine Hand wegnahm und verschwand, bevor ich noch sonst was denken oder fühlen würde. Er lächelte kurz und wartete bis ich sein Lächeln erwiderte, bis er dann ins Bad ging und die Tür hinter sich schloss. Ich atmete erst einmal erleichtert aus, nachdem ich regelrecht die Luft angehalten hatte, als er mich anlächelte. Warum konnten wir nicht morgen wieder zurückfahren und ich müsste ihn nicht mehr dauernd sehen? Nicht mehr mit ihm in einem Zimmer schlafen und wohnen?

Bei dem Gedanken, dass wir uns nach diesen zwei Wochen wieder vollkommen aus den Augen verlieren könnten, bekam ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Ich wollte zwar vor ihm wegrennen, um mir erst einmal darüber klar werden zu können, was mit mir los war, aber ihn vollkommen verlieren zu können, machte mir Angst. Wir verstanden uns doch so gut und seit wir uns kannten zehrte die ganze Situation zwischen Joe, Brad und mir nicht mehr so sehr an mir.

Nur nachdem in den ersten paar Tagen schon so viel passiert war, war es doch eigentlich unmöglich, dass wir nicht mehr in solche Lagen geraten würden? Ich zählte vier unheimlich peinliche Situationen, wobei zwei davon wohl für Chester um einiges schlimmer gewesen waren. Erst diese Anstarr-Aktion im Park, danach die Nacht im Keller, dann wie ich Chester beim Duschen beobachtete hatte und letztendlich heute, als Joe ihn umschubste und wir aufeinander ins Wasser fielen.

Unweigerlich lief mir eine Gänsehaut über den gesamten Körper und ich spürte wieder, wie er nach meinem Arm griff, wie sich unsere Körper für einer unheimlich kurzen Moment berührten, als wir ins Wasser tauchten. Ich schloss meine Augen und sah wieder, wie nur noch wenige Zentimeter unsere Gesichter voneinander trennten, bis ich vor Schreck so schnell wie möglich auftauchte...

Ich atmete tief ein und wieder aus und öffnete meine Augen wieder. Das alles musste doch einmal ein Ende haben, oder? Warum konnten wir nicht einfach ganz normal miteinander umgehen? Ich war doch mit Joe oder Brad oder einem meiner anderen Freunde auch noch nie in solch eine Situation geraten, warum passierte das alles zwischen Chester und mir?

Plötzlich ließ mich ein Klopfen aufschrecken. »Ja?«, rief ich nur und setzte mich auf. Mr. Courten öffnete die Tür und blieb gleich dort stehen. »Wo ist Chester?«, fragte er, nachdem er sich umgesehen hatte. Ich warf einen Blick auf die Uhr und sah, dass es schon kurz nach halb Elf war, also laut Hausordnung Bettruhe. »Der ist im Bad«, meinte ich nur und er blickte mich zweifelnd an, sah dann zur Badtür. Er ließ die Türklinke los und ging einige Schritte auf die Badezimmertür zu.

Der wollte da doch jetzt nicht etwa hineinsehen, oder? Oh doch, anscheinend hatte er das vor. Doch anstatt die Tür zu öffnen klopfte er zu Chesters Glück und fasste die Türklinke nicht an. Für einen Moment blieb es still, dann hörten wir Chester sprechen. »Na, hast' aus deinen Fehlern gelernt, Mike und siehst mir nicht mehr einfach so beim Duschen...«, rief er lachend und öffnete die Tür, verstummte mitten im Satz, als er Mr. Courten direkt vor sich stehen sah.

»Ähm, ups«, stotterte er nur und drängte sich an Mr. Courten vorbei. Ich sah, dass sein Gesicht knallrot wurde und er sich auf die Unterlippe biss, als er zu seinem Bett marschierte. »Es ist... Bettruhe«, sagte Mr. Courten nur noch, wobei er mich unglaublich verwirrt anblickte und dann unser Zimmer mit zusammengezogenen Augenbrauen und einem leicht, wie mir schien, angewiderten Blick verließ.

Oh super, besser konnte es nun wirklich nicht mehr kommen, einer meiner Lehrer erfuhr davon, dass ich einem Freund beim Duschen zugesehen hatte und dieser angewiderte Blick sagte ja schließlich alles. Sofort fiel mir auch noch die Sache mit dem T-Shirt ein, na super, wahrscheinlich war Mr. Courten jetzt der Auffassung ich wäre stockschwul!

»Ich... sorry Mike, ich wollte das nicht«, entschuldigte Chaz sich mit einem immer noch hochroten Kopf.

»Ist schon in Ordnung«, murmelte ich nur und ging schnell ins Bad um mich umzuziehen. Danach steuerte ich sofort auf mein Bett zu und verkroch mich unter der Decke. Nein, das konnte doch nicht sein, dass irgendjemand etwas über all das wusste, was in mir vorging, oder auch nur zu wissen schien! Das durfte einfach nicht sein und vor allem kein Lehrer! »Es tut mir wirklich leid...«, hörte ich Chaz flüstern und drehte mich auf die andere Seite um ihn anzusehen.

Er lag auf dem Bauch, hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt und blickte starr auf die Wand am Kopfende seines Betts. Dachte er, ich schlief? Sollte ich auf diese zweite Entschuldigung reagieren? Hatte er gemerkt, dass das ganze mich dermaßen wurmte? Dachte er, ich würde ihm das übel nehmen? Warum mussten schon wieder so viele neue Fragen auftauchen? Reichten denn nicht die, die mich schon die ganze Zeit zu quälen schienen?

»Ich wollte dich doch nicht so bloßstellen... Ich wollte das doch eigentlich gar nicht wieder erwähnen, ich wollte das doch alles gar nicht sagen«, unterbrach er flüsternd meine Gedanken und ich war mir nach diesen Sätzen sicher, dass er dachte, ich würde schlafen. »Es ist in Ordnung, du kannst doch nichts dafür«, sprach ich leise, worauf er total zusammenzuckte und seinen Blick erschrocken zu mir wand. Er hatte wirklich gedacht, ich würde schon schlafen.

»Du kannst doch nichts dafür, dass der Typ plötzlich reinkam und vor dir stand«, wiederholte ich und richtete mich wieder ein Stück auf, weil ich eh nicht recht schlafen konnte.

»Aber ich hätte das nicht sagen dürfen, auch nicht, wenn er nicht hier gewesen wäre. Du... Ich weiß nicht, warum das gestern passiert ist, aber ich glaube, du kannst genauso wenig dafür, wie ich für die Sache im Park, oder unten im Keller«, sagte er leise. Er richtete sich auch wieder auf und sah mich an, obwohl er wohl genauso wenig erkennen konnte, wie ich. Warum fing er jetzt plötzlich an, darüber zu reden? Warum musste er mich denn jetzt damit quälen, verdammt?

Chester:

Nach meinem letzten Satz blickte ich ihm direkt ins Gesicht. Was war das? Er hatte sein Gesicht abgewandt und stützte seinen Kopf mit einer Hand ab. Er sah so... verzweifelt aus? Was hatte ich denn nun schon wieder falsch gemacht? War ihm das alles immer noch so unangenehm? Wollte er denn gar nicht darüber sprechen? Wollte er nicht wissen, dass ich ihm nichts übel nahm?

»Wir müssen nicht drüber reden«, sprach ich leise, nur damit er meinem Blick nicht mehr auswich, nur damit er nicht mehr so verzweifelt aussah. Ich wollte ihn nicht so sehen, ich wollte Mike nicht so sehen, ich wollte nicht, dass er überhaupt verzweifelt war. »Ich... ich kann das nicht«, stotterte er nur leise und wandte seinen Blick wieder zu mir. Richtig gequält und vor allem ängstlich blickte er mich an. War es so schlimm für ihn über das alles zu reden?

Lag es daran, dass ihm die Sache mit dem Duschen so peinlich war, oder dass er das im Keller so abartig fand? Wie hätte ich mich wohl verhalten, wenn ich Mike in der selben Verfassung im Bad vor mir hätte stehen sehen? »Ist schon in Ordnung«, beruhigte ich ihn und lächelte ihn an. Komm schon Mike, lache und guck mich nicht so traurig an! Dieser Blick, dieser traurige Gesichtsausdruck lösten in mir ein Verlangen aus, ich wollte mich neben ihn setzen, wollte ihn in den Arm nehmen. Doch wie würde Mike darauf denn reagieren?

»Ich weiß nicht, warum ich dich so angesehen habe. Ich weiß es einfach nicht, ich kann es dir nicht sagen, deshalb will ich nicht darüber sprechen«, flüsterte er schon fast und in seiner Stimme lag etwas weinerliches. Mein Gott, was war denn mit ihm los? Nur weil ich diese Szene im Bad angesprochen hatte? Mein Verlangen ihn zu umarmen wurde immer größer, doch auch die Angst in mir wurde größer, dass er mich wegstoßen würde, dass er das nicht wollte.

»Komm her«, wisperte er plötzlich und ich zuckte zusammen. Was... hatte er da gerade gesagt? Ich solle zu ihm kommen? Was... warum? Ich schob mit zitternden Fingern meine Bettdecke zur Seite und stand mit wackligen Knien auf. Vorsichtig setzte ich mich neben ihn, ließ noch fast einen halben Meter Abstand zwischen uns, weil ich nicht wusste, was er vorhatte.

Hatte er etwa den selben Gedanken wie ich gehabt? Ohne noch irgendetwas zu sagen rutschte er plötzlich zu mir und legte seine Arme um meine Schultern. Zögernd legte ich meine Arme um ihn, auf seinen Rücken und drückte ihn an mich. Ein regelrechtes Feuerwerk explodierte in meinem inneren. Wusste er, was er mir gerade antat? Es war so... schön?

»Vergessen wir doch einfach alles«, flüsterte ich nach einiger Zeit und spürte nur, wie Mike nickte. Wir saßen ziemlich lange dort, wie lange wusste ich nicht, aber es war mir nicht unangenehm, es war alles andere als das. Sein Kopf lag an meiner Schulter und ganz, ganz leicht spürte ich seinen warmen Atem an meinem Hals. Dann und wann strich ich ihm sanft durch die Haare, ich wusste nicht, ob er das wollte oder nicht. Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr fürchtete ich mich davor, dass er es nicht wollte und löste mich ein Stück von ihm.

»Chazy...«, hörte ich Mike daraufhin nur leise sagen und merkte, wie er versuchte mich festzuhalten. Gut, wenn er es wollte, dann durfte ich es weiterhin genießen, bei ihm zu sein. Ich strich ihm durch die Haare und plötzlich rutschte Mikes Kopf näher zu meinem Hals. Ich spürte, wie seine Stirn meinen Hals leicht berührte, was eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper laufen ließ.

Seine Hand wanderte zu meinem Nacken, vorsichtig strichen seine Finger über meine Haut und ich erschauderte. Mein Gott, warum machte er das nur alles? »Warum zitterst du so?«, hörte ich seine Stimme leise und wurde nervös. »Ich... mir ist kalt«, redete ich mich schnell raus und merkte, dass Mike in sich hineinlachte. »Lach nicht...«, meinte ich nur beleidigt und nahm ein Stück Abstand.

»Nicht beleidigt sein Chazy!«, jammerte er plötzlich wie ein kleiner Junge und guckte mich mit einem wirklich unwiderstehlich süßen Blick an. Ich lächelte und Mike warf sich kommentarlos in meine Arme. Kam es mir nur so vor, oder wollte er mich nachdem er sich einmal überwunden hatte gar nicht mehr loslassen? Mir sollte es recht sein, mehr als recht. Mittlerweile lehnte ich an der Wand und Mike lag halb auf mir drauf. Es war so schön, es war so unglaublich schön.

Mir war egal, dass es mitten in der Nacht war, mir war egal, dass er mich nach dieser Nacht vielleicht nie wieder in den Arm nehmen wollte. Das einzige, was mich wirklich noch kümmerte, war die Tatsache, dass er es jetzt wollte und dass er mich gar nicht mehr loslassen wollte. Die Zeit verging und ich genoss es einfach, dass er so nah war, genoss es, dass ich keine Angst haben brauchte, er würde das alles gar nicht wollen. Immer noch spürte ich seinen Atem an meinem Hals, er atmete vollkommen regelmäßig, bewegte sich fast gar nicht mehr.

War er etwa eingeschlafen? Mein Gott, ja! Oder doch nicht? Er hatte seine Augen geschlossen, doch als ich meine Arme lockerte ergriff er plötzlich mein Shirt, zog mich zur Seite, sodass wir nebeneinander lagen. Kommentarlos rutschte er zu mir und lächelte zufrieden. »Schlaf gut Chazy«, murmelte er und ich sah, dass er anfing zu grinsen. »Du auch«, sprach ich leise und immer noch geschockt.

Ich war nicht mehr müde und ich wollte auch nicht schlafen. Die ganze Zeit starrte ich Mike an, es war schön, ihn mal anstarren zu dürfen, ohne, dass er es merkte, oder jemand anderes es merkte. Er schien fest zu schlafen, aber trotzdem schien er immer noch leicht zu lächeln und er sah ganz einfach nur süß aus. Chester, mach die Augen zu und schlaf endlich! Aber ich konnte es einfach nicht, nicht wenn Mike neben mir lag, er machte mich ganz einfach wahnsinnig.

Was war denn nur los? Irgendetwas war zwischen uns, ansonsten würde weder ich mich so wohl fühlen in seinen Armen noch würde Mike unbedingt mit mir in einem Bett schlafen wollen. Aber was war das? Und warum war das da, was da war? Und warum ausgerechnet zwischen uns beiden? Eins wurde mir jedenfalls mit jedem Blick, den ich auf den schlafenden Mike neben mir warf, klarer: Was sich da in meinem Kopf und Körper für ihn entwickelte, das war mehr als nur Freundschaft.

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