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Vorwort

Ich weiß nicht, wie euch meine Story gefallen wird. Vielleicht hat sie nicht so viel Potential wie viele, eigentlich alle, eure Geschichten, dadurch dass persönliche Erfahrungen und eigene Gefühle, aus nahe liegenden Gründen, grundlegend fehlen, aber vielleicht reicht es auch die eigene Vorstellungskraft arbeiten zu lassen.

Am besten regt ihr eure eigene Phantasie an, seht die Personen einfach selbst und fühlt mit ihnen diese Gefühle, die ich ihnen versuche nahe zu legen. Die Geschichte meiner Charaktere liegt mir persönlich sehr am Herzen und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr der Geschichte ein bisschen Leben verleiht, indem ihr sie lest.

Und nun möchte ich gar nicht mehr viel vorausnehmen, ich wünsche euch viel Spaß beim lesen.

Vaines

 

Mike:

Unzählige Bäume rauschten an uns vorbei, hin und wieder kleine Ortschaften am Rande der Straße, danach wieder Bäume. Schilder am Straßenrand informierten uns über die Meilenzahl, die noch vor uns lag. Schon seit zwei Stunden saßen wir in diesem stickigen Bus und warteten auf einen kleinen Stop, um uns von unserer Langeweile zu erholen. Mein Blick sprang von einem Baum zum nächsten und in meinen Ohren dröhnte die Musik der Deftones.

Neben mir saß Brad, seine Augen hatte er geschlossen und sein Kopf rutschte Zentimeter für Zentimeter weiter nach unten, bis er irgendwann auf meiner Schulter lag. Ich ließ ihn lieber schlafen, sonst hätte ich mir wieder ewige Ausführungen über die Sinnlosigkeit dieses Ausflugs anhören müssen. Mir persönlich gefiel der Gedanke zwei ganze Wochen mal keinen Schulstress zu haben eigentlich recht gut. Dafür konnte man auch mal ein paar Stunden Fahrt auf sich nehmen.

Brad begann zu Schnarchen, was ich zwar nicht hörte, aber an den Gesichtern der Jungs vor mir sehen konnte, als sie sich umdrehten und ihn genervt ansahen. Schweren Herzens rüttelte ich ihn wach und legte meinen Discman auf meinen Rucksack. Brad war immer noch nicht richtig wach, deshalb stupste ich ihn ein paar mal mit dem Ellenbogen an und rief seinen Namen, bis er mit den Worten »Fick dich!« aufwachte und seinen Kopf gegen die Lehne seines Vordermanns lehnte.

»Welcher Idiot hat den Bus bitte erfunden? Hätte die Schwuchtel keine bequemeren Sitze einbauen können?«, maulte er los und schlug ein paar mal mit dem Kopf gegen die Lehne. Ich grinste bei dem Anblick und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Ach Braddy, wir machen bestimmt bald mal Pause!«, versicherte ich ihm und grinste ihn immer noch an. »Guck nicht so beschissen, da wird einem ja schlecht!«, meckerte er und ich steckte mir beleidigt meine Ohrstecker des Discmans in die Ohren.

Es dauerte noch eine weitere halbe Stunde, bis Mrs. Marson zu uns in den oberen Stock des Doppelstockbusses kam und sagte, wir würden gleich eine zwanzigminütige Pause machen. Das gab natürlich ein großes Hallo und plötzlich waren alle dabei ihre Sachen zusammenzuräumen und Geld zu suchen. Auch ich räumte meinen Discman weg und zog meinen Geldbeutel aus der Hosentasche um nachzusehen, wie viel Geld drin war. Kurz danach drängten wir alle zu den Türen vor und kümmerten uns einen Dreck um die Ermahnungen unserer Lehrer, dass wir nicht drängeln sollten.

Draußen atmete ich erst mal tief durch und sog die frische Luft in meine Lungen. »Mike, beweg dich, oder willst du ewig in der Schlange stehen?«, fragte Joe und zog mich am Pulli hinter sich her, Richtung Tankstelle. Im Laden schlugen Joe und ich sofort den Weg zu Chips und Süßigkeiten ein, während die meisten anderen zu den alkoholischen Getränken strömten.

Joe stieß mich mit dem Ellenboden an und deutete auf die Tür, wo zwei unserer Lehrer standen. »Die kriegen doch eh nichts und falls doch...«, grinste er mit Blick auf die anderen, die vor dem Regal mit Bier, Wodka und allem möglichen anderen standen. Ich widmete mich wieder dem Essen vor mir und stand später mit Joe an der Kasse, in unseren Händen Fresszeug für insgesamt 40$. Lachend liefen wir an Brad vorbei, der sich gerade allein für den Versuch an Alkohol zu kommen, eine Moralpredigt anhören musste.

Hätte er mal besser vorausgedacht, so wie Joe und ich und sein Geld für anderes ausgegeben. Wir machten uns auf den Weg in den Bus, in dem es endlich nicht mehr ganz so stickig war und Joe räumte mit Zwei Handgriffen Brads Sachen auf seinen Platz Drei Reihen weiter hinten und fiel auf den Platz neben mich. Das Essen warfen wir alles in eine Plastiktüte, die wir an den Sitz vor uns hängten und griffen beide gleichzeitig rein um uns was zu Essen raus zu nehmen.

Nachdem wir wieder losgefahren waren veranstalteten Joe und ich eine regelrechte Fressorgie. Innerhalb von Zwei Stunden verdrückten wir Süßkram im Wert von 20$, bis wir beide hätten kotzen können. Mir war unglaublich schlecht und Joe neben mir jammerte die ganze Zeit, er würde eh schon fett genug sein und warum ich ihn nicht aufgehalten hätte so viel zu fressen. Glücklich stürmten wir, als der Bus das nächste mal hielt aus der Tür und ins Gebäude, wo die Toiletten waren. Wir rannten bis zur Tür mit den männlichen Strichmännchen und jeder in eine Kabine, wo wir uns beide zeitgleich übergaben.

Mir war auch hinterher noch schlecht und ich konnte es echt nicht fassen, als ich kurze Zeit später Joe mit einem Schokoriegel in der Hand sah. Der Junge war echt nicht normal, erst voll stopfen, dann kotzen und sofort wieder weiter fressen! Müde, von Kopf- und Bauchschmerzen geplant schleppte ich mich wieder zum Bus und ließ mich auf meinen Platz fallen.

Als Joe wieder kam setzte er sich mit den Worten »Mir ist so kotzübel!« auf den Platz neben mir. Hallo? Wer hatte denn gerade noch Schokoriegel gegessen? »Rutsch mal!«, wies er mich an und drückte mich in Richtung Fenster. Ich schnappte mir Joes Kissen und lehnte mich in die Ecke zwischen Fenster und Lehne, als wie wieder losfuhren. Das Licht war gedimmt und dank unserer Fressorgie ging es mir sowieso beschissen, also schlief ich innerhalb kürzester Zeit ein.

Die Planung war ja sowieso intelligent, warum fuhren wir bitte um 16 Uhr los, wenn wir eine so lange Fahrt vor uns hatten? So mussten wir uns wenigstens nicht die ganze Fahrt über langweilen, sondern konnten uns die Zeit mit Schlafen vertreiben. Mitten in der Nacht um kurz nach Zwei wachte ich wieder auf. Ich lag auf beiden Sitzen und Joe schlief im Fußraum mit seinem Froschkuscheltier unter dem Kopf.

Es war total leise, man hörte nur das Brummen des Busses. Ich wollte nicht sofort weiterpennen, also stand ich auf und sah mich um. Vor uns pennten alle tief und fest, also machte ich mich auf den Weg nach hinten. Dort schienen aber auch schon alle zu schlafen. Doch als ich zurück zu Joe ging erblickte ich einen Jungen, den ich nur flüchtig kannte, weil wir keine Kurse zusammen hatten, der noch nicht schlief. Er lag über beide Plätze und lehnte seinen Oberkörper gegen das Fenster.

Auch wenn mir langweilig war, irgendwie traute ich mich nicht recht ihn anzusprechen, ich kannte ja nicht mal seinen Namen! Er sah mich nicht an, sondern blickte auf den Block in seinen Händen, in seinen Ohren waren Stecker und lautlos sprach er den Text mit.

Chester:

Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich presste die Fingernägel so fest es ging in meine Haut. Ich musste unbedingt wieder ruhiger werden, denn hier war ein zweistöckiger Bus voll mit Leuten, hier konnte ich mich wohl kaum schreiend auf den Boden werfen und auf diesen einschlagen. Wie ich diese unbegründeten Aggressionsanfälle doch hasste, ich verletzte jeden Menschen, der mich ansprach mit Worten, die ich normal nie über meine Lippen brachte, ich schrie und schlug sogar um mich.

Doch jetzt musste ich mich zusammenreißen! Mit zittrigen Händen griff ich nach meinem Discman und legte eine CD der Deftones ein. Dann schaltete ich weiter und stellte die akkustik Version von »Drive far away« auf repeat um mich damit zu beruhigen. Nach einiger Zeit ging es wieder besser, worüber ich unglaublich froh war. Wenn das in den nächsten zwei Wochen noch mal passieren würde, dann konnte ich den Leuten in meinem Umfeld wirklich nur noch viel Glück wünschen, dass ich nicht auf sie losging. Derjenige, mit dem ich mir ein Zimmer teilen würde, tat mir jetzt schon Leid.

In Gedanken versunken malte ich auf dem Block in meinen Händen herum und schrieb immer wieder Textzeilen aus dem Lied der Deftones auf. Plötzlich sah ich im Hintergrund, dass jemand durch mein Blickfeld stolperte. Ich hob meinen Blick und konnte mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Phoenix, ein guter Freund von mir, lag im Fußraum der Sitzreihe neben mir und hatte sein Bein anscheinend gerade über den Gang ausgestreckt. Einer der Jungs, die ich nicht kannte, lag mitten auf dem Gang, weil er über Phe's Bein gestolpert war.

Ich legte meinen Discman zur Seite, stand auf und hielt dem Typ auf dem Boden meine Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Er ergriff sie und ich zog ihn hoch. »Danke!«, nuschelte er nur und rieb sich seine Stirn. »Keine Ursache! Ich bin übrigens Chester!«, stellte ich mich ihm vor. Musik hören wurde mir langsam zu langweilig, schlafen konnte ich im Bus eh nicht und alle meine Freunde schliefen tief und fest, warum sollte ich mir also nicht die Zeit mit einem weiteren Schlaflosen vertreiben?

»Mike!«, sagte er nach kurzem Zögern und hielt mir noch einmal seine Hand in. »Na, bist wohl auch schlaflos?«, fragte ich ihn lächelnd und setzte mich wieder in meine Sitzreihe. »Hab bis gerade noch meine Bauchschmerzen durch Schlafen auskuriert, aber langsam bin ich nicht mehr müde...«, erklärte er und ich sah ihn nur mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Bauchschmerzen? War der Typ in Wahrheit eine Frau und hatte seine Tage? »Ein Kumpel und ich haben vorhin eine Süßigkeitenfressorgie veranstaltet und sind danach erst mal beide kotzen gegangen.«, erzählte er grinsend und auch meine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.

Mike setzte sich in die Reihe neben mir, Phe lag ja schließlich am Boden, sodass wir uns gegenübersaßen. »Weißt du, wie lang wir wohl noch fahren?«, fragte er und lehnte seinen Kopf gegen den Sitz. »Also wenn wir zügig durchkommen und meine Rechnung stimmt, dann kommen wir um Acht Uhr früh an. Das sind dann wohl noch ungefähr Sechs Stunden!«, rechnete ich ihm vor. »Wenn wir schon heute, nee, gestern früh losgefahren wären und nicht erst um Vier, dann hätten wir jetzt in schön gemütlichen Betten liegen können und müssten nicht in diesem stickigen Bus pennen!«, maulte Mike und ich pflichtete ihm bei.

Wären wir morgens gefahren hätte ich in dieser Nacht vielleicht sogar noch ein bisschen Schlaf bekommen, aber so? Der nächste Tag fiel wahrscheinlich eh vollkommen ins Wasser, genug Schlaf um am nächsten Tag etwas zu unternehmen, würde eh niemand bekommen. »Was hast du gehört?«, fragte Mike und deutete auf meinen Discman. »Deftones, ‚Drive far away' in akkustik.«, antwortete ich ihm nebenbei und drehte meinen Block um, damit er die tausenden Textzeilen nicht sah.

»Akkustik? Ich kenn das Lied nur verstärkt!«, sagte Mike und daraufhin rutschte ich auf den Platz am Fenster und wies ihn an sich neben mich zu setzen. Er kletterte rüber und ich reichte ihm einen Ohrstecker, nachdem ich das Lied angeschaltet hatte. Kommentarlos hörten wir zusammen das ganze Lied einmal durch, bis Mike mir den Hörer zurückgab. »Das ist ja in akkustik extrem geil! Noch besser als verstärkt!«, stellte Mike fest, worauf ich nur nickte.

Nach einiger Zeit Schweigen fing Mike ein neues Gespräch an. »Was sollen wir jetzt eigentlich die nächsten Sechs Stunden machen? Bis Acht ist hier noch keiner wach!«, fragte Mike, doch ich hob nur die Schultern. »Musik hören?«, schlug ich dann aber vor und hielt ihm wieder einen der Ohrstecker hin. »Hm, ok, schalt mal auf repeat, der Song beruhigt einen irgendwie.«, meinte er und grinste worauf ich ihm nur zeigte, dass das Lied schon auf repeat gestellt war und sein Grinsen wurde noch größer.

Ich zählte nicht mit wie oft wir den Song hörten, aber irgendwann nach ungefähr Zehn mal lehnte ich mich gegen das Fenster und beobachtete die wenigen Lichter, die uns entgegenkamen. Später spürte ich Mikes Kopf an meiner Schulter, er war wohl noch einmal eingeschlafen. Aber auch ich wurde langsam müde, so sehr beruhigte mich dieses Lied. Ich schloss meine Augen und sprach leise den Text mit. »I don't care where, just far... away. I don't care where, just far…”

»Chester? Hey! Wach auf!«, hörte ich jemanden neben mir und hatte immer noch den Text in meinem Kopf. »Wir stecken im Stau fest und kommen gleich zu einer Tankstelle. Mrs. Marson sagt, ich solle alle wecken, der Rest pennt immer noch!«, erklärte Mike und ich warf einen Blick auf die Uhr vorne. 8:30Uhr. »Hilfst du mir mal die anderen alle zu wecken?«, bat Mike mich, der im Gang stand und immer noch verschlafen seine Arme in die Luft streckte.

Nickend stand auch ich auf und sagte ihm, er sollte einen Moment warten. Nachdem ich von Mrs. Marson zurück nach oben kam, zog ich Mike mit nach ganz vorn und wies ihn an, sich die Ohren zuzuhalten. »Was soll das denn jetzt werden?«, fragte er verständnislos, doch ich sagte ihm nur, er solle es einfach tun. Grinsend holte ich tief Luft und schrie einmal, durch den gesamten Bus: »Aufstehen!« Mike und ich kriegten uns vor Lachen nicht mehr ein, so lustig sah es aus, als alle gleichzeitig aufschreckten und mehr als nur einer sich den Kopf dabei stieß. »Idioten!«, hörte ich einen Schrei, der uns nur noch lauter Lachen ließ.

Mike:

Ich schlug in Chesters Hand ein und hielt mir meinen Bauch vor Lachen. Also schreien konnte der Typ, eindeutig. »Danke Chester!«, rief Mrs. Marson ihm zu, als wir wieder zu unseren Plätzen gingen. »Wir halten gleich an einer Tankstelle, weil wir im Stau stecken und es wohl noch einige Zeit dauert, bis wir ankommen!«, erklärte sie den anderen. Langsam standen alle wieder auf, weil fast der ganze Bus auf dem Boden geschlafen hatte und auch ich machte mich auf den Weg zu meinem Platz.

Joe schlief immer noch tief und fest, anscheinend hatte nicht einmal Chesters Aufweck-Aktion ihn wach bekommen. Ich lehnte mich über die Sitze und zog ihm seinen Mr. Froggy unter dem Kopf weg, sofort schnappte seine Hand nach meiner und er riss seinen Mr. Froggy aus meinen Händen. »Fass ihn ja nicht wieder an, oder ich schneid ihm hier den Schwanz ab!«, drohte Joe und hielt mir meinen Stoffhund unter die Nase. »Vergiss es, oder Froggy landet im Mixer!«, drehte ich den Spieß um und verstaute den Hund in meinem Rucksack.

»Aber jetzt beweg dich mal hoch, wir kommen gleich zur Tankstelle!«, rief ich, als ich draußen an der Straße ein »500 Meter bis zur nächsten Tankstelle«-Schild sah. »Tankstelle? Süßigkeiten!!!«, kreischte Joe sofort los und war innerhalb von zwei Sekunden auf den Beinen. »Denk an deinen Bauch!«, mahnte ich ihn, um mir später nicht wieder Vorwürfe anhören zu müssen. »Spielverderber!«, grummelte er und setzte sich beleidigt ans Fenster.

Wenige Minuten später hielt der Bus auf dem riesigen Parkplatz und wir kletterten, alle noch ziemlich verschlafen, nach draußen. Ich ging erst mal zu den Toiletten und als ich wieder kam sah ich Joe und Brad an der Kasse stehen, mit Diät-Cola und Diät-Schokolade in den Händen. Ich grinste, griff nach einer Flasche Cola und einer Tüte Gummibärchen. Nachdem ich gezahlt hatte und wieder im Bus saß, wurde mir mal wieder langweilig, denn Joe und Brad waren beide beleidigt und hatten sich ein paar Reihen weiter hinten ein Diät-Fresslager aufgebaut.

Ich stand auf uns sah nach hinten. Chester saß auf seinem Platz, doch neben ihm saß der Typ, über dessen Beine ich nachts gestolpert war. Stören wollte ich sie ja nun nicht, also kramte ich meinen Discman heraus und verteilte meine übrigen Fresssachen auf dem leeren Platz neben mir. Als wir wieder losfuhren stellte ich mein Deftones Album an und riss die Gummibärchenpackung auf. Gelangweilt beobachtete ich die Außenwelt, bis mir irgendwann wieder die Augen zufielen.

Ich wurde erst wieder wach, als alle anderen schon standen und irgendjemand rief: »Wir sind da!« Schleunigst verstaute ich mein Zeug in meinem Rucksack und lief den anderen hinterher, die alle schon draußen waren. Hätte mich denn niemand wecken können? Draußen standen alle mit dem Gepäck in ihren Händen, also holte ich meine Tasche auch schnell aus dem Bus und lief zu den anderen, die gerade die Zimmer einteilten. Hinter Joe blieb ich stehen und fragte, ob er schon in ein Zimmer eingeteilt wäre. »Püh! Mit dir red ich doch gar nicht mehr! Brad und ich teilen uns ein Zimmer!«, rief Joe von oben herab und drehte sich weg.

Ich kam als letzter zu Mr. Courten, der mir nur sagte, es wäre noch ein Bett in Zimmer Sieben frei. Ziemlich genervt, weil ich wahrscheinlich mit irgendeinem streberhaften Außenseiter, den niemand haben wollte, die nächsten Zwei Wochen in einem Zimmer schlafen musste, machte ich mich auf den Weg zu Zimmer 7, um mir Mr. Mitbewohner einmal anzusehen und mein Gepäck zu verstauen.

Das Haus selbst sah nicht schlecht aus, Jugendherberge eben. Die Zimmer waren im ersten und Zweiten Stock, die Jungs oben und die Mädchen unten. Da hatten unsere Lehrer ihren Job ja mal wieder perfekt gemacht, bloß keinen Kontakt verschiedener Geschlechter zulassen! Die Tür von Zimmer 7 war nur angelehnt. Ich klopfte kurz mit den Fingerknöcheln an und stieß die Tür mit dem Fuß auf. Im ersten Moment sah ich niemanden, nur ein geöffneter Koffer lag auf einem der Zwei Betten. »So sieht man sich wieder!«, hörte ich plötzlich eine Stimme und drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme kam.

An der Tür zum Bad stand Chester mit einem fetten Grinsen im Gesicht und in dem Moment fiel mir ein Stein vom Herzen, dass er mein Zimmerpartner war. »Hey! Mann, ich dachte schon, ich müsste mit irgendeinem Idioten in ein Zimmer!«, rief ich erleichtert und stellte meine Sachen ab. »Na, musst du doch auch!«, grinste er mich an. »Ich sag nur: Aufstehen!« Ich fing auch an zu grinsen und winkte nur ab, es gab weitaus schlimmere Idioten in unserer Stufe als ihn.

Wir räumten beide unsere Taschen aus und ich fragte ihn nebenbei, wieso er nicht mit dem Typ in einem Zimmer war, neben dem er im Bus gesessen hatte. »Phe? Der wollte von Anfang an nur mit Rob in ein Zimmer... Mr. Courten hat gesagt, er teilt mich mit irgendjemandem ein, der auch keinen Zimmerpartner hat. Das bist dann wohl du!«, erzählte er und räumte seinen Rucksack aus. Ich nickte nur und verstaute meine Tasche unter dem Bett.

Zwei Wochen mit Chester würden bestimmt gar nicht so schlecht werden. So hatte ich wenigstens jemanden, falls Brad und Joe mal wieder nichts mit mir machen wollten, was oft vorkam. Chester schien es wohl auch nicht anders zu gehen, manchmal versteht man sich super mit ihnen und im nächsten Moment ist man das Fünfte Rad am Wagen. So sehr ich Joe und Brad auch mochte, mittlerweile nervte es mich, immer nur den Lückebüßer für einen von den beiden zu spielen.

Jetzt hatte ich ja Chester und mit ihm verstand ich mich wirklich gut. Es war wohl auch echt ein glücklicher Zufall, dass wir beide nicht pennen konnten und uns deshalb unterhalten haben, ansonsten hätte ich ihn dank meiner Laune in dem Moment als ich ins Zimmer kam, wohl erst mal ziemlich blöd angemacht und es mir mit ihm von vornherein verdorben. Da hatte das Schicksal wohl mal gut mitgespielt, ausnahmsweise. »Komm, wir müssen in den Speisesaal zur Besprechung!«, holte Chester mich aus meinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit.

Ich sprang auf und zusammen verließen wir unser Zimmer in Richtung Speisesaal. Dort angekommen sahen wir, dass schon ein paar Leute da waren, ich erkannte den Typ, den Chester Phe genannt hatte und neben ihm noch einen anderen, das war dann wohl Rob. »Komm!«, forderte Chester mich auf und zog mich mit zu dem Tisch der beiden Jungs, was mich irgendwie freute. Vielleicht wollte er ja echt mit mir befreundet sein? Wenn nicht, dann hätte er mich in dem Moment doch stehen lassen und wäre zu seinen Freunden gegangen, oder?

Chester stellte uns vor und wir setzten uns zu ihnen. Kurz später sah ich Joe und Brad, die sogar zu uns kamen und sich, nachdem sie gefragt hatten, zu uns setzten. Wir warteten bis endlich alle da waren und unsere Lehrer anfangen konnten.

Chester:

»Schön, dass ihr endlich alle da seid. Erst mal das ganze Allgemeine. Frühstück gibt es zwischen Sieben und neun Uhr, ihr seid bitte jeden Morgen um Acht alle hier, damit wir das Programm besprechen können. Zum Abendessen treffen wir uns pünktlich um Sieben Uhr abends hier. Wenn irgendetwas ist, die Lehrer sind in den Zimmern 3, 12, 17 und 22, falls ihr dort niemanden antrefft, dann klopft am Nebenzimmer vom Speisesaal. Für den restlichen Tag heute ist nichts geplant, weil die meisten von euch wohl nicht genug Schlaf bekommen haben!«, erzählte Mr. Courten und Mike und ich grinsten uns an. Er erklärte noch alles Mögliche, bis er uns dann nach geschlagenen 20 Minuten endlich wieder gehen ließ.

Zu Sechst, Rob, Phe, Joe, Brad, Mike und ich, standen wir im Vorraum und überlegten, was wir mit dem Tag anfangen sollten. »Gehen wir uns doch mal umsehen, vielleicht gibt es hier ja irgendwo einen Laden oder so was?«, schlug Mike vor und ich nickte zustimmend. »Alkohol!« und »Süßigkeiten!« riefen Joe und Brad plötzlich gleichzeitig. Ich zog nur beide Augenbrauen hoch und Mike verdrehte genervt die Augen.

Also diese beiden Typen waren eindeutig leicht gestört, mit denen würde es in den nächsten Zwei Wochen bestimmt noch lustig werden. »Ohne mich!«, gähnte Phe, der aussah, als würde er gleich im Stehen einschlafen. Rob nickte nur und die beiden verzogen sich in Richtung Treppe. »Gehen wir jetzt?«, fragte Joe aufgeregt und ich musste über seine Ungeduld grinsen. »Ich brauch noch mein Geld!«, erklärte Mike und legte Joe beruhigend eine Hand auf die Schulter.

»Kommst du mit hoch?«, fragte er mich noch und ich nickte. Zusammen liefen wir die beiden Treppen nach oben und in unser Zimmer. Dort steuerte Mike sofort auf seinen Nachtschrank zu und steckte seinen Geldbeutel in seine Hosentasche. Ich steckte noch 5$ extra ein und wir verließen das Zimmer wieder. Joe und Brad erwartete uns am Treppenabsatz und sagten, sie hätten uns alle vier schon bei den Lehrern abgemeldet. Wir machten uns auf den Weg ins Dorf, auch wenn keiner von uns einen wirklichen Plan hatte, wo wir lang sollten.

Es war ein komisches Gefühl mit den drei Jungs unterwegs zu sein, die Drei waren alle gut befreundet und ich kannte keinen von ihnen länger als 12 Stunden! Mike war der einzige, den ich überhaupt ein bisschen kannte. Man merkte ihm aber irgendwie an, dass er froh war, dass ich mitgekommen war. Er sprach relativ wenig mit den anderen beiden und lief die ganze Zeit neben mir.

Irgendwie erkannte ich mein eigenes Verhalten in seinem wieder, wie hatte ich mich denn verhalten, wenn ich mit Phe und Rob unterwegs war und jemand anderes war noch dabei? Genauso, immer schön ausnutzen, wenn man ihnen mal zeigen konnte, dass sie nicht die einzigen waren, die andere ignorieren konnten. »Brad, nun versteh' es doch endlich, du findest hier nie im Leben einen Laden, wo man dir kleinem Jungen Alkohol verkauft!«, hörte ich Mike auf Brad einreden.

»Genau! Kauf dir doch lieber Süßigkeiten, dann schmeißen wir unser Zeug alles zusammen!«, schlug Joe vor und seine Augen leuchteten. Armer Mike, das Leben mit diesen beiden Jungs musste wohl ziemlich schwer sei. Süßigkeitenfreak gegen Alkoholiker, na Prost Mahlzeit, super Mischung. Ich grinste vor mich hin und beobachtete den Streit um Alkohol oder Süßkram weiter, bis Mike irgendwann stehen blieb und sich die Ohren zuhielt. »Was hat er denn?«, fragte Brad ganz unschuldig und Mike riss den Mund auf, als wolle es das ganze Dorf zusammenschreien. »Mit euch hält man es keine Zehn Minuten aus!«, jammerte er und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Werbetafel hinter ihm.

Doch diese gab plötzlich nach und fiel samt Mike nach hinten um. Joe, Brad und ich standen einfach nur da und lachten ihn aus. Langsam konnte er einem ja schon fast Leid tun, erst stolpert er über Phe und dann kippt er mit diesem Teil um. Aber sozial wie ich war verkniff ich mir irgendwann das Lachen und half ihm beim Aufstehen und Aufstellen der Werbetafel. »Idioten«, murmelte Mike nur, als er wieder stand. Ich hatte ihm doch geholfen, warum war ich denn jetzt ein Idiot?

»Doch nicht du!«, rief er, wahrscheinlich wegen meines verwirrten Blickes. »Komm, ich hab keinen Bock mehr!«, meinte er und zog mich am Arm hinter sich her. Was war denn nun in Mike gefahren? Nur weil Joe und Brad sich ein bisschen auf seine Kosten amüsiert hatten, zickte Mike jetzt so rum? Ich folgte ihm auch noch weiter, als er mich wieder losgelassen hatte. Einerseits, weil ich die anderen beiden Jungs ja gar nicht kannte und andererseits , weil ich Mike nicht alleine lassen wollte. Seine Hände steckten in den Taschen und stumm, mit gesenktem Blick lief er neben mir her.

Ich sah mich währenddessen ein bisschen um und erblickte nach einiger Zeit einen kleinen Laden. »Mike! Warte mal!«, rief ich und hielt ihn am Arm fest. »Wollten wir nicht...«, fing ich an zu sprechen, unterbrach mich aber, als Mike nickte. Wir betraten den Verkaufsraum und besorgten uns Cola, Kaugummis und Chips. Wir teilten das Geld auf und verließen mit einer Plastiktüte und einem »Six-Pack« Cola den Laden. »Wollen wir zurück?«, fragte ich, doch Mike hob nur die Schultern und senkte seinen Blick wieder. Ich sah die Straße entlang und als ich Joe und Brad aus der Richtung kommen sah, in die wir hätten gehen müssen, schlug ich Mike vorsichtshalber vor uns noch ein bisschen umzusehen.

Wir gingen ziellos und stumm durchs Dorf, bis wir am entgegengesetzten Ende eine Steinbrücke über den kleinen Fluss sahen. Dort blieb Mike plötzlich stehen und stellte unser Essen auf den Boden. Ich stellte die Cola-Falschen auch ab und setzte mich neben Mike aufs Geländer. Wir schwiegen immer noch beide weiter, weil ich Mike kein bisschen einschätzen konnte und echt nicht wusste, ob er mir den Kopf abgerissen hätte, wen ich ihn gefragt hätte, was los war. Doch irgendwann fing er von allein an zu erzählen.

»Joe und Brad treiben mich langsam in den Wahnsinn. Immer muss ich für einen der beiden den Lückenbüßer spielen und wenn dann mal die beiden zusammen sind, dann haben sie nichts Besseres zu tun, als sich über mich lustig zu machen. Weißt du, das geht seit ich klein war so, ich hab zwei ältere Brüder und mit denen war es nicht anders. Ich will endlich mal 'nen richtigen Freund haben, der mich nicht links liegen lässt, wenn er jemand ‚besseren' sieht... Ich hab keinen Bock mehr immer nur die Witzfigur zu spielen!«, erklärte er mit Blick aufs Wasser.

Ich war irgendwie erschrocken darüber, dass er mir das alles erzählte, auch wenn es mir in manchen Dingen nicht anders ging, er kannte mich doch noch nicht mal einen Tag lang!

Mike:

Ich wollte wirklich nicht wissen, was Chester nun, nach dieser Erklärung, von mir dachte. Aber immer noch besser, als wenn er gar keine Ahnung gehabt hätte, warum ich so abgedreht hatte. Gespannt wartete ich darauf, ob er noch irgendetwas sagen würde, doch als er nach zehn Minuten Schweigen immer noch nichts gesagt hatte, gab ich es auf und fand mich damit ab, dass er mich jetzt für was weiß ich was hielt. Ich klettere vom Geländer und Chester tat es mir gleich. Als wir voreinander standen und ich unser Zeug aufheben wollte, legte er mir plötzlich eine Hand auf die Schulter und lächelte. »Das wird schon alles wieder, glaub mir!«, sprach er aufmunternd. Nanu? Hielt er mich etwa doch nicht für bescheuert?

Ich wusste ja selbst, dass sich meine »Probleme« anhörten, wie die eines kleinen Mädchens, aber es ging, wie ich gesagt hatte, schon seit Jahren so und langsam wünschte ich mir echt mal jemanden, der sich nicht so benahm. »Gehen wir? Sonst gibt's Zoff mit den Lehrern, wenn Joe und Brad schon zurück sind.«, schlug er vor und ich nickte. Ich griff nach dem »Six-Pack« Colaflaschen und Chester nahm die Tüte mit dem Essen. Sechs Halb-Gallonen Flaschen, das waren so ungefähr 12 Kilo und nach Zehn Minuten Fußmarsch fingen meine Arme langsam an zu schmerzen.

Ich bleib, als ich echt nicht mehr konnte, einfach stehen und stellte das Teil ab. Ich machte mich schon darauf gefasst gleich einen blöden Spruch oder auch nur das Wort ‚Schwächling' zu hören, aber entgegen meiner Vermutung fragte Chester, ohne dass ich das Gefühl hatte, er würde sich über mich lustig machen, ob er nicht den Rest den Weges die Packung tragen sollte. Verwundert, weil er sich gar nicht über mich lustig machte, nickte ich nur und nahm ihm die Tüte mit dem Essen ab.

Er griff nach der Cola und wir machten uns auf den Weg zu Jugendherberge. Dort begegneten wir gleich mal einem der Lehrer, der uns fragte, warum wir so viel Zeug besorgt hatten. »Soll wir uns etwa zwei Wochen von Tee und irgendwelchem gesunden Fraß ernähren?«, meinte Chester empört und wir beide grinsten den Typen an, der uns schon fast geschockt ansah.

Die Tüte mit dem Essen entleerte ich auf dem Tisch und Chester riss die Verpackung auf und holte eine Flasche Cola raus. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und sah mir das Zimmer erst einmal genauer an. Sah eigentlich recht gemütlich aus, neben der Tür war Chesters Bett, am Kopfende ein Nachtschrank, daneben der Tisch und mein Nachtschrank neben meinem Bett, das gegenüber von Chesters stand. Auf der anderen Seite des Zimmers stand ein relativ großer Schrank und daneben war die Tür zum Bad. So schlecht war es hier echt nicht, hier konnte man die zwei Wochen schon aushalten, vor allem mit Chester als Zimmerpartner.

»Hast ein einen Plan davon, was wir morgen vorhaben?«, fragte Chester und ließ sich mit einer Tüte Chips auf sein Bett fallen. Ich zuckte nur mit den Schultern, man wollte uns ja nicht vorher darüber informieren, um uns nicht die »Spannung« kaputt zu machen. Chester legte die Tüte auf den Tisch und schubste sie zu mir rüber. Ich nahm mir eine Hand voll Chips und gab ihm die Tüte zurück. Was sollten wir denn jetzt den restlichen Tag über machen? Es war ja gerade mal 15 Uhr, erst in vier Stunden gab es Abendessen und hier gab es weder einen Computer, noch einen Fernseher, wie unsere Lehrer es ja schon angekündigt hatten.

»Mir ist langweilig...«, quengelte ich nach einiger Zeit Chipstüten hin und her schieben. »Mir auch... schauen wir uns mal um? Vielleicht hat ja irgendjemand einen Beschäftigung gefunden?«, schlug Chester vor. Ich nickte, nahm mir noch eine Packung Kaugummis und wir machten uns auf den Weg. Phe und Rob schliefen beide tief und fest und Chester meinte, es wäre nicht unbedingt ratsam sie zu wecken. In welchem Zimmer Joe und Brad waren, wussten wir gar nicht und mal ganz ehrlich, das wollte ich auch nicht wissen. Im Speisesaal war niemand außer einer Putzfrau, die gerade die Tische sauber machte. Wohl das letzte mal, schließlich mussten wir ab heute Abend den Speisesaal selbst sauber machen.

Immer noch gelangweilt spazierten wir durch das Haus, im Keller waren ein paar Jungen und Mädchen aus dem Sport-A-Kurs, die sich die Zeit mit Tischtennis spielen vertrieben, aber denen zuzusehen wurde uns bald auch zu langweilig. Das war ja grausam, hier konnte man ja wirklich rein gar nichts machen! Erst oben auf der Treppe vom ersten in den zweiten Stock fanden wir ein paar Leute, die sich die Zeit mit Kartenspielen vertrieben, weil ihre Zimmerpartner sie aus den Zimmern vertrieben hatten. Chester und ich gesellten uns zu ihnen und spielten mit, wobei ich merkte, dass Chester sie alle total abzockte und während weit mehr als zehn Spielen nicht ein einziges mal verlor. Wir verbrachten die komplette Zeit bis abends um Sieben dort auf der Treppe und spielten Karten.

Um Vier hatten wir angefangen um Materielles zu spielen, was sich für mich nicht gerade positiv auswirkte, ich versagte auf ganzer Linie und verlor dabei drei Packungen Kaugummi und eine Boxershort. Eins der Mädchen war nämlich auf die Idee gekommen das Spiel mit den Regeln von Strippoker zu spielen, aber das verschoben wir auf die Nacht und entschlossen uns um Unterwäsche zu spielen, die wir nicht gerade anhatten. Den Mädchen gefiel diese Regelung bis aufs äußerste und der Satz »Ich setze Mikes Boxe...« ging mir bis zum Abend nicht mehr aus dem Kopf.

Chester hingegen kleidete sich komplett neu an, bei dem Glück, das der Junge hatte. Wir brachten unsere Sachen noch schnell auf unser Zimmer, bevor wir zum Essen gingen und dabei sah ich, dass Chester auch meine Boxershorts gewonnen hatte. »Ich glaub, du bleibst heut' Nacht als einziger angezogen!«, grinste ich in an und zeigte auf seine Trophäen. »Tja... ich hab eben Glück, aber wenn du willst, dann kannst du deine Unterwäsche gerne wiederhaben!«, grinste auch er und warf mir meine Boxershorts zu. »Danke! Ich glaub, ich zieh heut' Nacht ein paar mehr von den Dingern an!«, erklärte ich und räumte meine Sachen auf.

Danach gingen wir nach unten und kamen als letztes in den Speisesaal, worauf wir böse Blicke von Mrs. Marson und Mr. Courten ernteten. Wir setzten uns schleunigst zu den anderen an den Tisch und hörten uns die Ausführungen über weitere Regeln in der Jugendherberge an. Währenddessen und auch während des Essens sah ich weder Joe noch Brad auch nur ein einziges Mal an, nur komischer weise tat auch Chester das nicht.

Chester:

Nach der Ansprache über alle möglichen Verbote, gab es endlich Essen, doch so sehr ich mich darauf freute, so sehr wünschte ich kurze Zeit später, nachdem ich gekostet hatte, dass sie das Zeug bald wieder wegräumen würden. Was das darstellen sollte, was da auf unseren Tellern lag, das wusste keiner von uns, jedenfalls sah es aus, als wäre es vor nicht allzu langer Zeit noch lebendig gewesen. Nach einer halben Stunde durften wir unser Geschirr inklusive der Essensreste wegbringen und als Nachtisch gab es Schokoladenpudding, den wir uns, nachdem ich mich bereit erklärt hatte zu kosten, schalenweise reinstopften, weil er im Gegensatz zum Hauptgericht richtig gut schmeckte.

Als alle mit Essen fertig waren und das Geschirr weggeräumt war, stand Mr. Courten auf, um uns über das Programm des nächsten Tages zu informieren. »Wir treffen uns morgen früh um Zehn hier im Speisesaal und dann geht es auf in eine größere Stadt hier in der Nähe, wo wir uns erstmal einige historische Gebäude ansehen werden. Mittagessen könnt ihr euch morgen früh selbst machen, etwas zutrinken könnt ihr euch von hier mitnehmen oder dort kaufen. Nach der Mittagspause machen wir eine Führung in einem Museum über den Bürgerkrieg und dann könnt ihr bis zur Abfahrt dort machen, wozu ihr Lust habt, aber wehe es kommt jemand auf die Idee nach irgendwelchen Läden zu suchen, wo man euch für 21 hält!«, erzählte er und sah ‚zufällig' gerade bei seinem letzten Satz zu unserem Tisch, wo ja auch Joe und Brad saßen.

»Achja, ihr seid bitte alle bis 22 Uhr in euren Zimmern und um Punkt 22.30 Uhr ist Bettruhe, das heißt wer nach 22.30 Uhr noch laut ist, der darf in der Küche beim Abwasch helfen!«, drohte Mr. Courten, als würde er glauben, wir würden diese Drohung ernst nehmen. Als wir wieder gehen durften, fragte Thomas, einer der Jungs mit denen wir Karten gespielt hatten, ob wir bei uns im Zimmer weiterspielen könnten. Mike sah mich fragend an, worauf ich nur nickte und Tom sagte, er würde den anderen bescheit sagen. »In welchem Zimmer seid ihr beide?«, fragte er noch und Mike sagte ihm unsere Zimmernummer.

Wir beide gingen schon mal hoch in unser Zimmer und machten genug Platz, damit wir alle Acht auf dem Boden spielen konnten. Als die anderen da waren, machten wir es uns bequem und Tom packte seine Karten aus. Während wir weiterspielten und ich den anderen ihre gesamten Einsätze abnahm, überlegten wir, wie und wo wir uns nachts treffen sollten.

Leider kam keinem von uns bis 22 Uhr die passende Idee und wir verschoben das ganze auf die nächste Nacht, als die anderen gehen mussten. Wir verabschiedeten uns und Mike und ich ließen uns auf unsere Betten sinken. »Hier!«, rief ich und warf ihm Zwei Boxershorts zu, die ich ihm kurz vorher abgenommen hatte. Neben mir lagen noch diverse BHs und Slips der Mädchen, die sie mir jedes Mal mit hochrotem Kopf übergeben hatten, aber jedes Mal lachten und sich freuten, wenn sie Unterwäsche von uns Jungs ergattern konnten.

Mike nahm seine Sachen dankend an sich und verstaute sie in seinem Schrank. Die Mädchen waren sicher immer noch enttäuscht, dass wir ausgemacht hatten, niemand würde etwas behalten, sondern jeder nach einer Woche alle Spielschulden zurück bekommen. Während ich auf meinem Bett saß, Chips aß und über den Abend nachdachte, ging Mike schon mal ins Bad und ich hörte nach kurzer Zeit das Wasser der Dusche laufen.

Bis jetzt hatte diese Fahrt für mich nur positives gehabt, ich hatte Mike kennen gelernt, Joe und Brad und auch Tom, Alice und Jonathan, mit denen wir Karten gespielt hatten, denn Lisa, Philis und Kathelyn, die auch noch mitspielten, kannte ich ja schon vorher. Mit ihnen allen verstand ich mich prächtig, mal davon abgesehen, dass Joe und Brad mir wegen ihrem Verhalten Mike gegenüber ein bisschen gegen den Strich gingen. Mit ihm, Mike, verstand ich mich mit Abstand am besten und war richtig glücklich, ihn kennen gelernt zu haben.

Gerade in dem Moment als mir das durch den Kopf ging, öffnete sich die Badtür und Mike trottete in T-Shirt und Boxershorts ins Zimmer. Er fiel in sein Bett und als ich mit Umziehen fertig war und wieder ins Zimmer kam, schien er schon tief und fest zu schlafen. Ich stellte meine Uhr so, dass der Wecker um Dreiviertel Sieben klingeln würde, löschte das Licht und verkroch mich müde unter meiner Bettdecke. »Nacht Mike«, sagte ich noch leise, ohne die Erwartung er würde noch antworten. »Schlaf gut, Chester«, murmelte er dann kurz später doch noch und ich drehte mich mit fest geschlossenen Augen der Wand zu.

Der Wecker klingelte pünktlich und ich schaltete ihn sofort ab, damit Mike noch ein paar Minuten schlafen konnte. Ich ging mit frischen Klamotten ins Bad und stieg unter die Dusche, danach zog ich mich an und stylte mir meine Haare. Leise ging ich wieder zurück ins Zimmer und kniete mich vor Mikes Bett. Es war Fünf Minuten vor Sieben, Zeit aufzustehen. Vorsichtig klatschte ich ihm gegen die Wange. »Mike! Hey Mike, aufwachen!«, sagte ich leise, obwohl es mich ja reizte ihn genauso zu wecken, wie die anderen am Tag zuvor.

Langsam wurde er wieder wach und öffnete vor sich hin grummelnd seine Augen. »Komm schon, ist schon Sieben Uhr!«, rief ich und räumte ein paar Sachen für den Tag in meinen Rucksack. Mike quälte sich aus dem Bett, trottete verschlafen zum Schrank und dann ins Bad. Zusammen gingen wir kurze Zeit später runter in den Speisesaal und nach und nach kamen auch alle anderen. Zu meiner Überraschung redeten Joe, Brad und Mike plötzlich wieder, vielleicht war es für die beiden ja lehrreich gewesen, dass Mike so abgedreht hatte?

Ich hoffte es jedenfalls, für ihn. Nach dem Essen gingen wir noch mal nach oben und wartete dann draußen noch eine halbe Stunde auf den Rest unserer Gruppe. Sofort als wir in den Bus durften, stürmten wie nach oben und Mike und ich setzten uns in die vorletzte Reihe. Mr. Courten zählte durch, ob wir auch ja alle da waren und dann endlich fuhren wir los. Es dauerte über eine dreiviertel Stunde, bis wir endlich dort angekommen waren, wo wir den Rest des Tages verbringen wollten. Es war Elf Uhr, als wir uns auf den Weg zum ersten, bestimmt extrem interessanten Gebäude machten.

Zwanzig Minuten Fußmarsch und unsere Gruppe schien sich wie Kaugummi auseinander zu ziehen, wir Sechs natürlich ganz hinten. Es war lustig mit anzusehen, wie Joe, Brad, Phe und Rob sich untereinander kennen lernten und ihre Gemeinsamkeiten entdeckten, wie zum Beispiel ein, normaler Weise, riesiges Schlafbedürfnis von Joe und Phe. Mike und ich liefen ganz hinten und beobachteten den Rest unserer Gruppe. Die meiste Zeit lachten wir beide uns über die anderen kaputt, weil wir dank Mikes Kommentaren zu bestimmten Kleidungsstilen, Gangarten oder Lacharten nicht einmal eine Minute ernst bleiben konnten.

Mike:

Es war einfach unglaublich, noch vor Zwei Tagen hätte ich mir so einen Ausflug alles andere als toll vorgestellt, dank Joe und Brad, die zu jedem Wort von mir ihren Kommentar abgeben würden, aber eigentlich war es verdammt lustig. Chester und ich liefen ganz am Ende und so konnten wir über alles und jeden herziehen. Teilweise fragte ich mich wirklich, ob Chester irgendwie von einem fremden Planeten stammte, der weit, weit entfernt lag von dem, von dem Joe und Brad kamen, schließlich waren die so abnormal, dass sie nicht von der Erde stammen konnten.

Nicht ein einziges mal hörte ich eine Beleidigung, einen fiesen Kommentar oder ähnliches von ihm, so lange hätten die anderen es gar nicht ausgehalten, ohne sich über mich lustig zu machen. Chester hingegen lachte über alles, was ich sagte, ohne mich dabei auszulachen und setzte meist noch eins drauf, sodass auch ich vor Lachen nach kurzer Zeit schon nicht mehr gerade gehen konnte und die anderen uns beide ziemlich komisch ansahen.

Endlich an diesem undefinierbaren Haus angekommen, ernteten wir gleich mal böse Blicke, weil wir so langsam gewesen waren, was uns eigentlich ziemlich egal war. Nach zweistündigem Besichtigen, Herumlaufen, Besichtigen, Herumlaufen entließ man uns endlich in unsere wohlverdiente Mittagspause. Ohne groß zu überlegen, steuerten wir Sechs auf den nächst gelegenen Fastfoodladen zu, bevor der Rest unserer Gruppe dort antanzen würde. Chester und ich gingen mit unsren Tabletts zu einem der Tische, zu dem uns auch die anderen Jungs folgten.

Joe und Brad hatten ihre Tabletts voll mit Essen und Chester und ich machten uns einen Spaß daraus, sie bei jedem Bissen an ihre Diät zu erinnern. Kurz später landete eines der Salatblätter, die Phe von seinem Burger genommen hatte, in meinem Gesicht. »Joe du verdammter Hurensohn!«, schrie ich und entfernte die schleimigen Teile des Salatblatts aus meinem Gesicht. Ohne Ankündigung zog ich Joe seinen Pullover vor und warf ihm eine Hand voll fettiger Pommes in den Ausschnitt. »Du Wichser!«, schrie er, sprang auf und hob dabei sein Tablett aus versehen ein Stück an, sodass sein Colabecher umkippte und das meiste des Getränks auf mein T-Shirt spritzte.

»Ey hast du sie noch alle?«, brüllte ich, sprang auch auf und fetzte dabei meinen Becher auch noch um, nahm ein paar Schachteln die sich mit Cola voll gesogen hatten und warf sie auf Joe, damit er auch noch was abbekam. »Was ist denn hier los? Verlassen Sie sofort unser Restaurant!«, schrie plötzlich einer der Angestellten und wir konnten es uns alle nicht mehr verkneifen laut loszulachen. »Machen Sie, dass Sie hier wegkommen, sonst werde ich die Polizei rufen!«, keifte er uns an und wegen dieser Drohung machten wir schleunigst, dass wir dort wegkamen.

So schnell wie unser Streit begonnen hatte, so schnell hatten wir uns auch schon wieder vertragen und liefen alle Sechs lachend die Straße vor dem Restaurant entlang. Ziellos irrten wir durch die Gegend. »Joe, wegen dir klebt mein Shirt total, das ist widerlich.«, jammerte ich und verschränkte die Arme. »Mikey-Schatzi, komm, wir gehen in den Park und sehen mal, ob da irgendwo ein Brunnen ist!«, schlug Joe vor und ich erklärte mich einverstanden.

Der Park war eigentlich keine schlechte Idee, da konnten wir wenigstens den Rest der Mittagspause verbringen. Etwa in der Mitte des Parks entdeckte Chester dann als erster einen großen Steinbrunnen, bei dem aus unzählbar vielen Öffnungen das Wasser sprudelte. »Na, zufrieden, Mikey-Schatzi?«, fragte Joe mit einem Engelsblick und ich nickte darauf nur.

Schnell stellte ich meinen Rucksack unter einen der Bäume, unter dem sich auch Chester niedergelassen hatte und machte mich auf den Weg zum wenige Meter entfernten Brunnen.

Dort zog ich mir mein T-Shirt über den Kopf und warf es kurzer Hand in den Brunnen, dessen Wasser ziemlich sauber aussah. Ich tunkte es einige male unter Wasser und legte es dann auf die Wiese, damit es trocknen konnte. Ich entschloss mich dieses nervende, klebrige Gefühl loszuwerden und spritzte nur deshalb auch noch Wasser auf den Oberkörper und erschauderte dabei, weil das Wasser doch ziemlich kalt war. Fertig gewaschen, aber dafür mit halbwegs nasser Hose ließ ich mich ein, zwei Meter von Chester und den anderen entfernt auf den Boden nieder, legte die Hände unter den Kopf und legte mich auf den Rücken.

Die Sonne strahlte schon ziemlich heftig, deshalb schloss ich beruhigt meine Augen, fest in der Annahme trocken zu sein, wenn ich sie wieder öffnete. Die Jungs schrieen mal wieder nur rum, was mich aber kaum störte, ich war viel zu ruhig und zufrieden, um mich darüber aufzuregen. Erst nach ziemlich langer Zeit öffnete ich langsam meine Augen ein Stück und blinzelte sofort, weil die Sonne mich blendete. Mein Blick schweifte zu Chester, der immer noch an den Baum gelehnt ihm Schatten saß.

Sein Blick haftete auf mir, er hörte auch nicht auf mich anzustarren, als ich meine Augen ganz geöffnet hatte und ihn ansah. Erst als ich mich ein Stück aufrichtete, wandte er seinen Blick erschrocken und beschämt von mir ab. Im ersten Moment zog ich meine Augenbrauen verwundert zusammen und blickte auf meinen Körper, hatten die Jungs mich mal wieder angemalt, oder warum hatte er mich so angestarrt? Nirgends waren irgendwelche Sprüche wie »5$, dann gehör' ich dir« zu lesen und mir fiel auch nichts anderes auf, was ihm Grund gegeben haben konnte, mich so anzugaffen. Aber na gut, wenn er meinte.

Ich setzte mich hin und griff nach meinem T-Shirt, was mittlerweile ziemlich trocken war und zog es an. Schließlich wollte ich mich nicht unbedingt mit nacktem Oberkörper zu den Jungs setzen, das hätte sicher irgendwelche Kommentare gegeben, auf die ich nun wirklich verzichten konnte. »Ausgeschlafen?«, fragte Brad und grinste mich ziemlich gestört an. »Aber immer doch.«, entgegnete ich nur desinteressiert. Wir unterhielten uns noch einige Zeit, bis wir wieder aufbrechen mussten. Chester war irgendwie komisch nach dieser Situation, als ich ihn ertappt hatte, während er mich anstarrte, als wäre ich was weiß ich für ein Wesen.

Er beteiligte sich nicht an unseren Gesprächen, kein bisschen, und blickte jedes mal schnell weg, wenn ich ihn ansah und unsre Blicke sich trafen. So schlimm war es doch nun auch wieder nicht gewesen! Ich versuchte nicht darauf zu achten, sprach ihn aber auch nicht an, weil die anderen mich vollkommen in ihre Diskussionen einbezogen. Dann machten wir uns wieder auf den Weg zu unseren Treffpunkt und nahmen uns vor, dass wir später wieder herkommen würden, die Stadt war sowieso ziemlich langweilig. Wir waren ausnahmsweise mal nicht die letzten am Treffpunkt, was Mr. Courten natürlich mit einem Nicken kommentieren musste.

Die Führung durch das Bürgerkriegsmuseum war langweilig, wie sollte sie auch anders sein? Schließlich war es ein Museum und zudem hatten wir dieses Thema schon tausendmal in der Schule durchgekaut. Ich beschäftigte mich die meiste Zeit damit über irgendwelche Bilder zu lachen, warf nur hin und wieder einen Blick zu Chester, der alleine, ein paar Meter vor uns lief und seinen Blick auf den Boden gerichtet hatte. Ziemlich froh das hinter uns zu haben, verließen wir eine dreiviertel Stunde später das Gebäude und wanderten sofort zurück zum Park.

Dort ließen wir uns wieder an derselben Stelle nieder und breiteten unseren gesamten Essensvorrat vor uns aus. Joe und Brad widmeten ihre komplette Aufmerksamkeit dem Essen und freuten sich, dass der Rest von uns sie nicht an ihre »Diät« erinnerte, was ich eigentlich nur zu gerne getan hätte. Nach einiger Zeit Langeweile durchsuchte ich meinen Rucksack und wollte meinen Discman herausholen, den ich aber dummerweise vergessen zu haben schien.

Chester hingegen saß wieder gegen den Baum gelehnt, hatte seine Augen geschlossen und Ohrstöpsel in den Ohren. Einen kurzen Moment überlegte ich erst, entschied mich dann aber dafür ihn zu fragen, um mich nicht weiter zu langweilen. Ich zog ihn einen Ohrstöpsel heraus und fragte, ob ich mithören dürfte, worauf er mir nach einem kurzen Zögern wortlos einen Ohrstöpsel hinhielt. Ich setzte mich neben ihn und merkte, dass er mal wieder Deftones hörte. »Drive far away?«, fragte er dann plötzlich. Auf meinem Gesicht breitete sich ein Grinsen aus, was auch ihn zum Grinsen veranlasste und schon schaltete er das Lied an.

Chester:

Wieder hörte ich die ersten Töne des Lieds und schloss meine Augen. Hätte ich nur bloß vorhin bemerkt, dass er nicht eingeschlafen war, sondern noch hellwach war! Kein Wunder, wenn er sich fragte, warum ich ihn so angestarrt hatte, aber selbst ich fragte mich ja, warum eigentlich? Mein Blick schien so festgefahren, ich schaffte es nicht ihn von Mike abzuwenden, bis er dann hochsah...

Aber wenigstens sprach er nun wieder mit mir, in jedem Falle deutete die Tatsache, dass er mich angegrinst hatte nicht unbedingt darauf hin, dass er mich für hirngestört oder ähnliches hielt. Wir verbrachten ziemlich viel Zeit dort im Park, schließlich mussten wir ja noch Drei Stunden lang die Zeit totschlagen und diese Stadt hier bot bis auf Museen und Fastfoodläden rein gar nichts. Außer uns Sechs hatten wohl noch mehr Leute den Park entdeckt und versammelten sich in unserer Nähe.

»Habt ihr Lust mitzuspielen?«, hörte ich plötzlich jemanden fragen, nachdem ich meine Augen wieder für einige Zeit geschlossen hatte. Ich blickte hoch und erkannte Tom, der mal wieder seine Karten in der Hand hatte, er sah Mike und mich fragend an und auch ich richtete meinen Blick fragend zu Mike. Der zuckte nur mit den Schultern und nuschelte ein »Ok.«, worauf wir uns aufrafften und mit zu den anderen gingen, die schon im Kreis versammelt saßen und uns begrüßten.

Wir vertrieben uns die gesamte restliche Zeit mit Kartenspielen, auch wenn wir leider ohne Einsätze spielen mussten, schließlich gab es nicht wirklich irgendetwas, worum wir hätten spielen können. Außer natürlich um unsere Klamotten, aber sich in einem öffentlichen Park auszuziehen, das war vielleicht nicht unbedingt die klügste Idee, vor allem, da außer uns noch viele andere auf die Idee gekommen waren, in den Park zu gehen und unsere halbe Klassenstufe hier saß.

»Leute, ich hab heute Morgen was rausgefunden.«, kündigte Kathelyn nach einigen Runden an und blickte grinsend von einem zum anderen. Wir sahen sie nur fragend und auffordernd an und warteten darauf, dass sie uns aufklärte, was sie denn herausgefunden hatte. »Im Keller neben dem Tischtennisraum, da ist doch noch ein Raum mit Kicker und ein paar Spielautomaten. Der Raum ist von innen abschließbar und kalt ist es im Keller ja nicht. Dann könnten wir doch heute Nacht dort unten spielen, richtig?«, erklärte sie und natürlich waren alle von dieser Idee angetan.

Tom und ich gaben nur mürrisch unser Einverständnis, nachdem Kathelyn extra noch mal sagen musste, wir sollten doch keine Spielverderber sein. »Du brauchst dir doch überhaupt keine Gedanken machen, Chester. Du gewinnst doch eh immer, also bleibst du sowieso angezogen.«, meinte Mike noch und daraufhin erklärte ich mich endgültig einverstanden, damit sie sich nicht noch andere Gründe ausdachten, wegen denen wir unbedingt spielen mussten.

Wir verabredeten uns für Dreiviertel Elf, weil unsere Lehrer zu dem Zeitpunkt mit ihren Kontrollgängen fertig waren und wir unbemerkt in den Keller verschwinden konnten. Die anderen waren merkwürdig aufgeregt wegen unserem Vorhaben, aber eigentlich war doch nichts großes dabei, außer dass wir eine einzige Regel brechen würden, dass wir nicht zum Zeitpunkt der Bettruhe in unseren Betten liegen, sondern im Keller sitzen würden.

Eine viertel Stunde bevor wir uns wieder zur Abfahrt trafen, machten sich alle auf den Weg und so kamen wir schon wieder nicht als letztes, sondern inmitten einer großen Gruppe. Die Heimfahrt war ziemlich langweilig, wie auch schon die Herfahrt. Mike und ich saßen nebeneinander und hörten Musik, viel Besseres hatten wir ja eh nicht zu tun und im Bus konnte man schwer Karten spielen. Wieder in der Jugendherberge angekommen verschwanden alle für kurze Zeit in ihren Zimmern, wurden aber sofort wieder zurückgeholt, weil es jeden Moment »Abendessen« gab.

Wir Sechs versammelten uns wieder um unseren Tisch und versuchten das Essen auf der Platte auseinander zu nehmen, damit es aussah, als hätten wir etwas davon gegessen, was aber eigentlich unmöglich war, ohne sich dabei zu übergeben. Der Nachtisch schmeckte wie schon am Vortag ziemlich gut und so verließen wir den Speisesaal wenigstens nicht hungrig. Mike und ich verzogen uns in unser Zimmer und schlachteten erst einmal einige Chipstüten und Schokoladenpackungen. Nebenbei versuchte ich meinen Discman auf eine Lautstärke zu stellen, dass man ihn auch ohne Kopfhörer in den Ohren hören konnte, was nach kurzer Zeit auch funktionierte.

Bis 22.30 Uhr vertrieben wir uns die Zeit damit über alles Mögliche zu diskutieren, von den nächsten fast zwei Wochen bis hin zu unseren Kumpels. Nur über die Szene heute im Park verloren wir beide kein Wort, wofür ich ihm wirklich dankbar war, was hätte ich denn sagen sollen? Dass ich auch nicht wusste, warum ich ihn angestarrt hatte? Das klang wirklich wunderbar überzeugend.

Um Punkt 22.30 Uhr lagen wir mit Klamotten in unseren Betten, hatten das Licht ausgemacht und unsere Decken bis zum Kopf hochgezogen, damit niemand merkte, dass wir Klamotten anhatten. Als Mr. Courten die Tür öffnete und zu uns sah, dachte ich schon er hätte bemerkt, dass ich noch einen Pulli anhatte, weil das Licht seiner Taschenlampe ziemlich lang auf mir verharrte. Doch er ging wortlos aus dem Zimmer und schloss lautlos die Tür. Mike und ich atmeten beide auf und setzten uns erleichtert hin. Nun mussten wir nur noch einige Minuten warten, bis unsere Lehrer alle verschwunden waren und dann konnten wir runter in den Keller.

Mike verschwand vorher noch mal mit ein paar Klamotten ins Bad und ich musste mir wirklich ein Lachen verkneifen, als ich sah, dass er extra einen Pulli, darüber ein T-Shirt und eine Pullover mit Reißverschluss anhatte. »So, vorgesorgt, ich will ja nicht als erster fast nackt rumsitzen und mich von den Mädels anstarren lassen.«, grinste er mich an und ich merkte, wie ich rot wurde. Schnell wandte ich meinen Blick wieder von ihm ab, na wenn das keine Anspielung auf heute Nachmittag gewesen war...

Vorsichtig öffnete ich 17 Minuten vor Elf unsere Zimmertür und lugte in beide Richtungen des Gangs. Kurz nickte ich und deutete Mike an mir zu folgen. Leise schloss er die Tür und folgte mir dann Richtung Treppe. Dort angekommen stieß Tom zu uns und zu Dritt schlichen wir in den Keller, wo die restlichen paar von uns schon an der Tür auf uns warteten. Kurze Zeit später saßen wir auch schon im Kreis hinter der verschlossenen Tür und Tom mischte seine Karten.

Wie erwartet machte man sich sofort über Mikes Aufmachung mit so viel Kleidungsschichten wie möglich lustig, was ihm aber wirklich nutzte. Denn wie auch schon jedes mal zuvor, verlor er jämmerlich und zog eine Schicht nach der anderen aus, während der Rest von uns noch vollkommen angezogen da saß, bis auf Tom, der seinen Pulli ausziehen musste, aber noch ein T-Shirt anhatte. Als Mike einige Minuten später nur noch in T-Shirt und Boxershorts da saß, konnten wir es uns nicht mehr verkneifen zu lachen, weil er schon wieder verloren hatte.

Missmutig zog er sich sein Shirt über den Kopf und entblößte seinen Oberkörper. In diesem Moment ging es los und ich verlor die komplette Kontrolle über meinen Körper. Meine Blicke flogen immer wieder zu Mike, der auch noch ausgerechnet neben mir sitzen musste. Wie schon am Nachmittag schossen mir Milliarden von Gedanken durch den Kopf, die sich nur um dieses eine Thema drehten: Mike, Mike und sein unglaublich geiler Körper.

Ich wurde nervös, meine Hände begannen zu zittern und ich konnte mich kaum noch aufs Spiel konzentrieren, was dazu führte, dass ich selbst einige Runden lang verlor. Doch das schlimmste stand mir noch bevor. Als Mike sich zurücklehnte und mit den Armen abstützte, während Kathelyn gerade die Karten mischte, und mir dabei seinen angespannten Oberkörper präsentieren musste, merkte ich, dass Klein-Chester sich in meiner Hose regte, was meinen Atem für einen Moment stillstehen ließ.

Mike:

Na toll, nun hatten mir nicht einmal meine Drei Schichten Klamotten genützt, auch mit ihnen saß ich als erster und einziger nur noch in Boxershorts da. Gerade einmal Tom hatte eine Runde verloren und musste dafür nur seinen Pullover ausziehen, unter dem er noch ein T-Shirt hatte. Doch ausgerechnet Chester hörte plötzlich auf zu gewinnen und spielte immer schlechter, er schien so nervös zu sein, ich sah sogar, dass seine Hand zitterte, in der er die Karten hielt.

Nachdem Philis gerade ihren Pullover ausgezogen hatte, unter dem auch sie vorsorglich ein Top trug, lehnte ich mich zurück und beobachtete die anderen. Es war irgendwie ein verdammt komisches Gefühl als einziger in Unterwäsche da zu sitzen, während alle anderen noch fast angezogen waren. In der Runde danach verlor Chester kläglich, es schien, als würde er das erste Mal spielen, als wüsste er überhaupt nicht, wie das Spiel eigentlich funktionierte. Seinen Pulli war er schon los und die Mädels verlangten, er solle seine Jeans ausziehen.

Er zögerte einen Moment und seine Hände zitterten noch mehr als vorher. Wie im Zeitraffer zog er so schnell er konnte seine Jeans aus und setzte sich sofort wieder im Schneidersitz hin, zog sein T-Shirt weiter nach vorne. Was war denn in den Kerl gefahren? Sein Gesicht war wirklich knallrot und seine Hände zitterten wie die eines Junkies auf Entzug! Die nächste Runde verlor John und Chester war mit Mischen dran. Er beugte sich nach vorne und griff nach dem Kartenstapel.

Für einen kurzen Moment rutschte sein T-Shirt dabei nach vorne und als mein Blick auf seine Boxershorts fiel, ging ein Schreck durch meinen gesamten Körper. Er... er hatte doch nicht etwa...? Der nächste Gedanke, der mir in den Kopf kam brachte mich zum Erstarren. Außer mir waren doch alle angezogen, es war auch nicht kalt oder so hier unten, war Chester etwa wegen... mir erregt?

Ich merkte gar nicht, dass ich ihn die ganze Zeit anstarrte. Plötzlich sah er kurz zu mir und merkte wohl, dass mein Blick auf seinen Boxershorts haftete. Sein Gesicht wurde vollkommen starr und er sah sofort weg, vor sich auf den Boden. Es schien mir, als gäbe er sich alle Mühe nicht weiter zu verlieren, was ich in Hinsicht auf seine momentane Lage auch verstehen konnte. Meine Gedanken ließen mich nicht los, ich überlegte mir allerlei Ausreden, woran das ganze lag, aber immer wieder wenn ich sah, dass ich der einzige ohne Klamotten war, war jede Ausrede vergessen.

Es kam wie es kommen musste, er verlor. Wir hielten beide gleichzeitig den Atmen an. Wie wollte da jetzt wieder rauskommen? Sein T-Shirt ausziehen und allen präsentieren, dass er wegen mir scharf war? War er das nun eigentlich wirklich? Vielleicht bildete ich mir das ganz einfach ein, es gab doch so viele Gründe dafür. Aber mir kam wieder und wieder der Gedanke, dass er mich doch auch schon am Nachmittag im Park angestarrt hatte, als ich mein Shirt nicht an hatte.

»Komm Chester, hab dich nicht so! Mike hat doch auch nur noch Boxershorts an!«, ermutigte Kathelyn ihn. Ganz kurz sah er zu mir, wandte seinen Blick aber schleunigst wieder ab. Er zögerte weiterhin, so lange bis Tom plötzlich reagierte. Ohne Ankündigung zog er Chesters T-Shirt bis zur Brust hoch und natürlich fielen alle Blicke sofort auf seine Boxershorts. Es herrschte plötzlich vollkommene Stille, keiner hatte auch nur ansatzweise ein Lächeln im Gesicht, alle starrten Chester nur mit großen Augen an, der krampfhaft sein T-Shirt festhielt und auf den Boden blickte.

Nachdem sie einige Zeit Chester angestarrt hatten, sahen die anderen zu mir, weil ihnen wohl aufgefallen war, dass keins der Mädchen irgendwie Haut zeigte und ich der einzige war, der in Unterwäsche da saß. Ich merkte, dass ich leicht rot wurde und sich die Gesichter der Jungs verzogen, bis John und Tom gleichzeitig anfingen zu lachen. Ich sah, dass Chester seine Hände zu Fäusten ballte und die Fingernägel in die Handflächen drückte.

John kippte regelrecht um vor lachen und rollte halbwegs über den Boden, worauf Chester anscheinend endgültig genug zu haben schien, seine Klamotten zusammenraffte, sie vor seinen Körper hielt und aus dem Zimmer rannte. Ich blieb starr sitzen und wusste nicht, was ich machen sollte. Chester war nicht der einzige, dem das peinlich zu sein schien, in Anbetracht dessen, dass die anderen wohl auch der Meinung waren, ich wäre der Auslöser dafür.

»Hey Mike, du musst dich doch geschmeichelt fühlen, ist doch ein Kompliment für dich, wenn Chester bei deinem Anblick scharf wird!«, lachte Tom und der Rest unserer Gruppe begann noch lauter zu lachen. Damit reichte es auch mir. Ich nahm meine Klamotten und lief Chester hinterher. Einerseits weil ich nicht noch mehr blöde Kommentare hören wollte und andererseits, weil ich sowieso das Bedürfnis hatte, Chester hinterherzulaufen. Nur in Boxershorts lief ich leise nach oben und zog mir oben am Gang wenigstens mein T-Shirt drüber, weil es für Chester bestimmt nicht sehr angenehm gewesen wäre, wäre ich einfach so hereingekommen.

Vorsichtig öffnete ich die Tür, schloss sie sofort leise und packte erst einmal meine Klamotten aufs Bett. Das Deckenlicht war ausgeschaltet, aber durch das Licht, was durchs Fenster drang, konnte ich Chester erkennen. Er saß auf seinem Bett, lehnte an der Wand und hatte seine Decke über seine angezogenen Beine gelegt. Sein Blick war starr an die gegenüberliegende Wand gerichtet, sein Gesicht war regungslos und vollkommen ausdruckslos.

Nach kurzem Überlegen ließ ich mich auf seinem Bett nieder, etwa einen halben Meter von ihm entfernt, weil ich mich nicht traute, mich näher heran zu setzen. Er wandte seinen Blick zu mir und sah mich prüfend an, wahrscheinlich wollte an er meinem Blick ablesen, was ich wegen der ganzen Sache von ihm dachte. Als er wohl nichts ablesen konnte, wollte er irgendetwas sagen, doch ich kam ihm zuvor und fing an zu sprechen, bevor er irgendetwas sagen konnte.

»Chaz...«, fing ich an, es war das erste mal, dass ich ihn so nannte. »Vergiss das einfach, das kann jedem Mal passieren, kümmer' dich nicht drum, dass die anderen unbedingt lachen mussten. Es gibt tausend Gründe dafür und wenn die anderen eben der Meinung sind, es lag daran, dass ich nur noch Boxershorts anhatte, dann sollen sie das eben denken, das kann dir doch egal sein, genauso wie es mir egal ist.«, sprach ich weiter und mir war dabei vollkommen bewusst, dass ich nicht die Wahrheit sagte. Eigentlich war es mir nicht egal.

Für einige Momente sah er mich nur schweigend an, teilweise als hätte er kein Wort von dem verstanden, was ich gesagt hatte. Doch dann nickte er nur und lächelte, was ich erwiderte. Ich stand auf und trottete, mittlerweile ziemlich müde, herüber zu meinem Bett, auf das ich mich wortlos fallen ließ. Mit einem Schwung waren meine Klamotten vom Bett geworfen und ich kroch unter meine Bettdecke. Chester hatte sich mittlerweile auch hingelegt und schien die Decke anzustarren. Ich holte heimlich meinen Stoffhund aus meiner Tasche und schloss die Augen.

»Danke, Mike.«, schreckte Chesters Stimme mich plötzlich auf, als ich gerade dabei war einzuschlafen. Danke? Dafür, dass ich nicht von ihm wissen wollte, ob ich der Grund für seine Erregung war, um es mal beim Namen zu nennen? Ich hätte ihn nie im Leben so direkt fragen können, ob es so war oder nicht, egal wie gerne ich es wissen wollte. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und sah, dass auch er mich ansah. Anstatt, dass ich ihm antwortete lächelte ich ihn nur an, was sollte ich denn darauf auch sagen? Etwa einfach nur »bitte«?

Chester:

Wortlos lächelte er mich an. Ich erwartete keine Antwort von ihm, ich wusste ja nicht einmal, ob er überhaupt schon geschlafen hatte, als ich mich bei ihm bedankte. Doch irgendwie verstand ich sein Verhalten nicht, ich an seiner Stelle hätte über denjenigen wahrscheinlich genauso gelacht, wie Tom und John über mich gelacht hatten. Warum reagierte Mike so anders? Und warum tröstete er mich schon regelrecht und sagte, es würde tausend Gründe dafür geben, obwohl doch wirklich alles darauf deutete, dass er der Anlass dafür war?

Aber ich war ihm verdammt dankbar dafür, dass er nicht nachfragte, denn was sollte ich darauf denn antworten? Wäre ich ehrlich gewesen, hätte ich sagen müssen, dass er der Anlass dafür war, ich mir aber nicht erklären konnte wieso. Wäre ich wegen einem der Mädels scharf geworden, dann hätte man sich das ja irgendwie erklären können, aber bei Mike sah die Sache schon vollkommen anders aus.

Was er wohl von mir dachte? Schon nach dieser Szene im Park hätte jeder normale Junge mich für schwul gehalten und dieser Moment, dort unten im Keller, normal hätte wohl niemand mehr mit mir geredet, wenn er an Mikes Stelle gewesen wäre. Doch Mike sprach noch mit mir. Lange lag ich wach, blickte hin und wieder zu ihm herüber und versuchte zu schlafen. Bloß meine Gedanken ließen mich einfach nicht zur Ruhe kommen, die Geschehnisse dieser Nacht hielten mich wach.

Als ich am nächsten Morgen wieder wach wurde, war es schon Sieben Uhr, mein Blick schweifte hinüber zu Mikes Bett, was aber leer war. Wo war er denn um die Uhrzeit schon? Ich kümmerte mich aber nicht weiter darum, quälte mich langsam aus dem Bett und Richtung Bad. Dort verharrte ich für einen Moment und versuchte herauszubekommen, ob Mike im Bad war, doch ich konnte nichts hören und öffnete deshalb die Tür. Er war nicht im Bad, was mich aufatmen ließ, ich wollte nicht schon wieder in eine peinliche Situation zwischen ihm und mir geraten.

Nachdem ich fertig mit Waschen, Stylen und Anziehen war, machte ich mich auf den Weg in den Speisesaal. Es war ein komisches Gefühl alleine durch die Jugendherberge zu laufen, bisher waren Mike und ich uns seit wir hier waren, nicht einmal von der Seite gewichen, doch dass er ausgerechnet jetzt, nach dieser Nacht, ohne mich zu wecken aus dem Zimmer gegangen war, machte mir Sorgen. War er etwa doch angewidert von einem Typ wie mir...?

Ich wollte es nicht, ich wollte wirklich nicht daran Schuld sein, wenn unsere Freundschaft nach so kurzer Zeit schon wieder kaputt wäre, ich wollte nicht gleich alles wieder beenden, bevor wir überhaupt wirklich Freunde geworden wären. Geplagt von meinen Gedanken, ob er mich überhaupt als seinen Freund haben wollte, ging ich die Treppe nach unten und als ich am Treppenansatz angekommen war, wich ich sofort wieder zurück. Dort standen John, Tom und... Mike. Machten sie sich jetzt etwa wegen der Ereignisse der letzten Nacht über mich lustig?

Ich blieb hinter der Biegung der Treppe stehen, sodass die Jungs mich nicht sehen konnten, ich sie aber heimlich beobachten und belauschen konnte, wenn auch nur relativ leise. »...ihr das denn nun jedem auf die Nase binden?«, hörte ich Mike rufen, der ziemlich verärgert klang. »Bis jetzt noch keinem, hast uns ja gerade davon abgehalten.«, meinte Tom vollkommen kalt. »Ist ja auch gut so. Denkt doch mal nach, wisst ihr wie beschissen das für Cha... Chester ist, wenn ihr jedem erzählt, dass er scharf wurde, weil ich fast nichts an hatte?«, meinte Mike heftig gestikulierend.

Warum ergriff er denn Partei für mich? Wenn ich das richtig verstanden hatte, hatte er die beiden gerade daran gehindert irgendjemandem von der letzten Nacht zu erzählen, warum machte er das? »Ach, war doch lustig!«, rief John und als ich zu ihnen sah, sah ich wie er grinste. Plötzlich drängte Mike ihn gegen die Wand und packte ihn an den Schultern.

»Achja? Wie lustig! Wenn ihr eure Klappe nicht halten könnt, dann gibt es Ärger! Ich hab keine Lust mir anzuhören, wie die gesamte Stufe davon redet, dass irgendein Kerl wegen mir geil geworden ist!«, sprach Mike mittlerweile ziemlich wütend und wartete bis John mit den Augen rollend nickte. Dann ließ er ihn langsam wieder los. »Hey Chester, was lungerst du hier auf der Treppe herum?«, hörte ich plötzlich jemanden und drehte mich ruckartig um. Phe und Joe liefen gerade die Treppe herunter und zogen mich hinter sich her Richtung Speisesaal, an Mike vorbei.

Ich achtete nicht auf die anderen beiden, setzte mich nur neben sie an den Tisch. Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte. Einerseits war ich immer noch überrascht, dass Mike sich so für mich eingesetzt hatte, andererseits hatte sein Spruch »..., dass irgendein Kerl wegen mir geil geworden ist« mich irgendwie verletzt. Irgendein Kerl? Er sah in mir nicht mehr als nur irgendeinen Kerl? Nahm er mir das ganze etwa doch übel? Schließlich hatte ich ihn ja damit eigentlich ziemlich bloß gestellt, für ihn war das sicher kein tolles Gefühl...

»Ey Chester!«, hörte ich plötzlich jemanden und merkte, dass Phe mir den Ellenbogen in die Seite rammte. Ich blickte kurz wütend zu ihm und richtete meinen Blick dann nach vorne. »Chester, kommst du bitte mit?«, sagte Mr. Courten vollkommen ernst und ich nickte verwundert. Hatte ich irgendetwas angestellt oder warum wollte der Typ mit mir reden? Ich quetschte mich aus der Sitzecke und folgte ihm nach draußen. Wir standen auf dem Gang vor dem Speisesaal, Mike und die anderen beiden waren immer noch dort, standen einige Meter entfernt von Mr. Courten und mir.

»Chester, gehört das dir?«, fragte dieser mich und ich wandte meinem Blick zu ihm. Oh nein... Er hielt mein T-Shirt in der Hand, was ich letzte Nacht im Keller vergessen hatte. Eigentlich wollte ich es doch heute Morgen gleich holen, denn gestern wollte ich da nicht noch einmal rein. »Ich... Also, ich...«, stotterte ich, doch mir fiel keine Ausrede ein. »Ich hab das heute Morgen im Keller gefunden und ich kann mich nicht erinnern, dass das gestern Abend schon da lag, als wir den Keller kontrolliert haben!«, erklärte er und sah mich scharf an.

Das sah nun wirklich nach Ärger aus. In dem T-Shirt standen meine Initialen, meine Mom war der Meinung gewesen, ich könnte sonst meine Sachen mit denen von anderen aus meinem Zimmer vertauschen. Wenn er glaubte, dass ich in der Nacht dort unten war und ich ihm nicht vom Gegenteil überzeugen konnte, so konnte das heißen, ich müsste wieder nach Hause fahren.

»Chester, ich rede mit dir! Ich will wissen, ob du heute Nacht dort unten warst? Du weißt, dass das gegen die Regeln verstößt, ihr habt nach unseren Kontrollen nirgends außer in euren Betten etwas zu suchen!«, rief Mr. Courten schon etwas lauter und sah mich auffordernd an. »Ich...«, fing ich noch einmal an, doch ich wusste einfach nichts zu sagen, was er glauben würde.

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