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Disappointment

Teil 3

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 7

Bevor wir vor die Fans traten, bekam ich noch irgendwelches Zeug ins Gesicht geschmiert, damit man die Verfärbung an meinem Kinn kaum mehr sehen konnte. Bob schien damit zufrieden zu sein und meinte, ich solle während des Konzerts aufpassen, dass ich nicht zu viel davon wieder wegwischte. Ich nickte nur gehorsam, nahm die letzten beiden Tabletten, die ich eingesteckt hatte und ging zu den anderen Jungs. „Hey, du siehst ja echt wieder voll normal aus!“, rief Brain und grinste. Ich lächelte zurück und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich bin normal“, lächelte ich nur und er grinste noch breiter. „Seid ihr bereit?“, fragte Bob wie immer und wir atmeten alle noch einmal tief durch und nickten.

Auf dem Weg zum Bühnenaufgang legte Jason mir eine Hand auf die Schulter und nickte mir aufmunternd zu. Ich lächelte nur zurück und holte tief Luft. Ich freute mich wahnsinnig darauf, jetzt ein bisschen Dampf abzulassen, auch wenn ich mich irgendwie ziemlich schlapp fühlte. Das Geschrei der Menge war kaum auszuhalten, als wir auf die Bühne stürmten aber es fühlte sich verdammt gut an. Die erste Hälfte des Konzerts verlief grandios, ich flippte regelrecht aus, lieferte die Performance meines Lebens ab. Nur leider wurde mir das während der zweiten Hälfte wieder heimgezahlt, meine Müdigkeit meldete sich wieder zu Wort, mein Kopf dröhnte und das Herumspringen und Laufen während der ersten Konzerthälfte machte sich bezahlt. Ich hatte das Gefühl jeden Moment in Ohnmacht zu fallen.

Zwischen zwei Liedern kündigte Adam plötzlich eine ungeplante Pause an und nachdem die „Oh“-Rufe verklungen waren, lief er zum Bühnenabgang und winkte mich von dort aus zu sich. Jason folgte mir und wir sahen Adam beide fragend an. „Pat, was hast du?“, fragte er mich jedoch, worauf ich ihn nur ratlos ansah. Ich merkte nicht einmal, wie unangenehm mir seine Nähe war, schließlich standen wir drei ziemlich nah beieinander. Irgendetwas blockierte alle Gefühle in meinem Körper, außer den Schmerz. „Sieh ihn dir an!“, befahl Adam Jason regelrecht und drehte mich zu ihm. Jasons vorher fragender Blick wurde erschrocken. Was zur Hölle war hier los?

„Pat, wo hast du die Tabletten von Dr. Beech?“, fragte er leiser und trat noch etwas näher an mich heran. „Im... im Bus, wieso?“, stotterte ich, wich einen Schritt zurück. Was wollten die? „Pat, du bist kreidebleich und siehst aus wie der Tod höchstpersönlich, wo sind die Tabletten?“, erklärte Adam mir auf meinen verwirrten Blick hin und ich zuckte zusammen. Die wussten doch überhaupt nicht, was das für Tabletten waren! Und warum zur Hölle sollte ich aussehen wie der Tod? „Du hast doch sicher irgendwelche Schmerztabletten oder so was. Dir steht es ins Gesicht geschrieben, dass es dir bescheiden geht!“, redete Jason auf mich ein und dieses schöne Gefühl der Empfindungslosigkeit verschwand plötzlich wieder. Mir wurde augenblicklich unheimlich schlecht.

Die Situation wurde mit einem Mal völlig irreal, ich hatte das Gefühl, das Ganze lief gerade gar nicht ab, ich realisierte die Beiden, die noch immer unheimlich nah bei mir standen kaum noch. „Hier, trink erst mal was und dann sag mir, wo das Zeug ist!“, meinte Jason und hielt mir eine Wasserflasche hin. „Was ist hier los? Warum habt ihr das Konzert abgebrochen?“, hörten wir Bob plötzlich äußerst wütend schreien. „Pat geht’s beschissen und er kriegt kein Wort raus, er sagt uns nicht, wo er seine Tabletten hat, aber er braucht irgendwelche Schmerzmittel oder so“, erklärte Adam nervös und sah mich besorgt an. Sein besorgter Blick holte mich sofort zurück in die Realität und mir kam in den Sinn, dass sie mich sicher nicht zum Bus lassen würden, also irgendjemand auch die anderen Medikamente sehen würde.

„Jason, Adam, geht zurück und denkt euch irgendetwas aus, Pat musste dringend mit irgendjemandem sprechen, oder sagt einfach nur, dass er sofort wiederkommt!“, befahl Bob, worauf Jason und Adam nur nickten und mir noch einen besorgten Blick zuwarfen. „Und nun zu dir, Pat, du sagst mir jetzt augenblicklich, wo diese Medikamente sind!“, befahl er mir nun und winkte irgendeinen Security-Mitarbeiter zu sich. „In meiner Kabine, in dem Fach am Fußende, in einer braunen Tüte“, sprach ich leise und Bob erklärte dem Security-Typ, er solle sofort zum Bus rennen und die Sachen holen. Während ich mich auf irgendeinen Hocker niederließ, immer mal wieder einen Schluck Wasser trank, lief Bob nur nervös auf und ab.

Nach etwa fünf Minuten kam der Kerl zurück und hielt mir schwer atmend die Tüte entgegen. Mir fiel ein Stein vom Herzen, dass scheinbar doch niemand das ganze Zeug sehen würde. Schließlich bekam man ja normalerweise keine Beruhigungsmittel, wenn man verprügelt wurde und somit hätte schon wieder irgendjemand ahnen können, dass meine Story nicht stimmte. Als ich das Zeug hatte, warf ich schnell drei Schmerztabletten mit einem Mal ein und trank einen Schluck Wasser hinterher. Ich nickte Bob kurze Zeit später zu, atmete tief durch und lief zum Bühnenaufgang. Sofort blickte mich die gesamte Band besorgt an und ich senkte meinen Blick.

Die Fans freuten sich wahnsinnig, dass ich wieder da war und ich entschuldigte mich mit einem etwas beschämten Grinsen, dass ich sie hatte warten lassen. Adam verkniff sich jeden Kommentar und die Anderen begannen wenig später den nächsten Song. Ich gab mir große Mühe und merkte, dass die Schmerzmittel schon nach wenigen Minuten zu wirken begannen. Das Dröhnen in meinem Kopf verabschiedete sich wieder und solang ich nicht allzu viel herumlief nahm ich auch kaum Schmerz in meinem Schritt wahr. Mir war zwar ziemlich flau im Magen und schrecklich müde war ich noch immer, aber die Schmerzkiller nahmen mir irgendwie wieder mein Empfindungsbewusstsein und ich fühlte eigentlich nichts mehr.

Die Zeit bis zum Ende des Konzerts nahm ich nur wie durch einen Schleier war, ich hatte mich zwar unter Kontrolle und machte auch während meinen Parts keine Fehler, aber so richtig realisieren konnte ich nichts um mich herum. Die Verabschiedung, nachdem wir fertig waren, fiel ziemlich kurz aus, die besorgten Blicke der anderen waren während der letzten Minuten immer häufiger geworden. Ich merkte, dass ich schon etwas schwankte, als ich zum Bühnenabgang lief und der schleierartige Nebel vor meinen Augen verdichtete sich noch weiter. Ich spürte nicht mehr, was ich tat, sah nichts mehr um mich herum und hörte nur plötzlich ein erschrockenes „Pat“ von mehreren Seiten. Das einzige was ich noch wahrnahm war ein dumpfer Schmerz in meinem Kopf und die Stimmen der anderen wurden leiser, verloren sich gänzlich.

Als ich wieder zu Bewusstsein kam, schaffte ich es noch immer nicht, irgendetwas zu erkennen, was aber daran lag, dass ich es nicht schaffte, meine Augen zu öffnen. Langsam meldeten sich meine Sinne nacheinander wieder. Ich spürte, dass mir irgendjemand in regelmäßigen Abständen über die Stirn und durch die Haare strich, hörte wenig später leise Stimmen, konnte jedoch erst nach längerer Zeit verstehen, was sie sagten. „Wir hätten ihn auf keinen Fall auftreten lassen dürfen. Wir hätten heute Morgen schon sagen müssen, dass wir das Konzert verschieben müssten, ganz egal, wie sehr er beteuert hat, wieder relativ fit zu sein“, hörte ich eine Stimme, konnte aber nicht erkennen, wem sie gehörte, sie klang völlig fremd.

„So fit, wie Pat sich gegeben hat, hätten wir nicht merken können, dass es das nur vorgespielt hat“, antwortete irgendjemand, ich konnte nicht ausmachen, wer es war oder wo er war. „Habt ihr mitbekommen, wie viel von den Tabletten er genommen hat?“, fragte jemand, ich hörte jedoch keine Antwort darauf. „Bob hat gesagt, er hat beim Konzert drei genommen, er muss sicher vorher schon welche genommen haben“, sprach dann eine Stimme nach längerem Schweigen. „Man, Pat“, seufzte jemand und ich konnte so ungefähr ausmachen, dass derjenige ziemlich nah bei mir war, wahrscheinlich derjenige, der mir die ganze Zeit über die Stirn strich. „Er hat unbedingt wieder fit sein wollen, wahrscheinlich hat er deshalb immer wieder welche von den Tabletten geschluckt, wenn er wieder Schmerzen hatte“, sprach derjenige und ich erkannte die Stimme. Es war Adam.

Ich versuchte noch einmal, mit aller Kraft meine Augen zu öffnen und es klappte sogar. Blinzelnd blickte ich auf, sah dass Jason und Ben auf der anderen Seite des Bettes saßen, auf dem ich lag, Brain und Marc saßen auf dem Sofa, das ich nur etwas verschwommen sehen konnte. „Hey... Pat“, hörte ich Jason leise sagen und meine Kräfte verließen mich, ich sackte wieder nach hinten in mein Kissen. Wenigstens schlief ich nicht sofort wieder ein, sondern hielt meine Augen offen, blinzelte nur ein paar mal. „Wie geht’s dir?“, fragte Adam leise. Ich drehte meinen Kopf etwas und sah, dass Adam auf dem Bett, schräg über mir saß und seine Finger zärtlich durch meine Haare glitten. Ich erwartete, dass ich mich sofort wieder total unwohl fühlen würde, aber es schien mir, als wäre ich selbst dazu zu schwach.

„Der ist ja vollkommen fertig“, hörte ich Ben fast flüstern und sah starr zu den beiden hinüber. „Pat?“, flüsterte Adam und seine Hand fuhr zaghaft über meine Wange. Ich drehte meinen Kopf wieder etwas zur Seite und sah ihn an. „Kannst du dich erinnern, was passiert ist?“, fragte er leise und ich nahm all meine Kräfte zusammen und schüttelte ganz langsam nur angedeutet den Kopf. „Du hast zu viele von den Schmerztabletten genommen, außerdem warst du lange nicht so fit, wie du es uns weiß machen wolltest. Dein Körper hat gesagt, dass er nicht mehr kann und du bist einfach umgefallen“, erzählte er fast flüsternd und ich wandte meinen Blick von ihm. Die anderen sahen allesamt betreten zu Boden.

„Du bist nach dem Konzert umgekippt und keiner von uns war schnell genug. Du bist auf den Boden geknallt, bevor wir dir helfen konnten und warst einfach weg. Bob, Jason und ich sind mit dir ins Krankenhaus gefahren, dort hat man uns gesagt, dass du zu viele von den Tabletten genommen hast und dass dein Körper völlig geschwächt ist“, erklärte Adam weiter und hörte nicht auf mir über das Gesicht zu streichen. Ich konnte kaum glauben, was er mir da erzählte. Ich war einfach zusammengebrochen? Ich hatte meinen Körper überstrapaziert? Ich hatte zu viele von den Tabletten genommen? Aber Dr. Beech hatte doch gesagt, ich könnte mehrfach täglich diese Schmerztabletten nehmen? Hatte ich wirklich zu viele genommen?

Ich versuchte mich aufzurichten, doch mir wurde augenblicklich schwarz vor Augen und ich hörte ein besorgtes „Pat“ von Adam. Kraftlos fiel ich zurück ins Kissen und schloss meine Augen, in der Hoffnung, die schwarzen Punkte seien verschwunden, wenn ich sie wieder öffnete. „Bleib besser liegen, der Arzt hat gesagt du brachst erst mal ein paar Tage Ruhe, dein Körper hat keinerlei Kraftreserven mehr“, hörte ich Adam flüstern und nickte vorsichtig, ohne meine Augen zu öffnen. Ich merkte, dass jemand nach meiner Hand griff, merkte, dass es Adams Hand war, die vorsichtig meine drückte, aber es war mir so egal. So gut ich konnte erwiderte ich den Druck seiner Hand und verschlang meine Finger zwischen seinen.

Mir war zum Heulen zumute, auch wenn ich nicht recht wusste, wieso. Ich fühlte mich einsam, auch wenn meine Jungs bei mir waren. Ich fühlte mich einfach völlig am Ende und wünschte mir nur noch, dass mich irgendjemand in den Arm nahm und einfach nur festhielt. Ich wusste nicht recht, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, dass ich mir wünschte, Adam würde derjenige sein. Als ob er gespürt hätte, wie ich mich fühlte, zog Adam plötzlich mein Kissen auf seinen Schoß, half mir vorsichtig dabei etwas hoch zu rutschen und legte meinen Kopf auf seinen Schoß. Ich drückte seine Hand etwas fester und spürte, dass mir Tränen in die Augen stiegen, als ich diese öffnete. „Ssscht, es wird alles wieder gut, Pat“, hörte ich Adam flüstern, als ich leise aufschluchzte und seine Finger strichen zärtlich über meine Wange.

Als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, waren die anderen verschwunden. Ich blinzelte ein paar mal und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. War meine Haut wirklich so kalt, wie sie sich anfühlte? Oder bildete ich mir das nur ein? Ich tat den Gedanken schnell als Einbildung ab und versuchte mich aufzurichten. Mir wurde zwar etwas schwindlig aber ich sah wenigstens nicht wieder schwarze Punkte vor mir auftauchen. Erst jetzt merkte ich, dass ich doch nicht alleine war. Ich hatte die ganze Zeit mit dem Kopf auf Adams Schoß gelegen, er lehnte an der Rückwand des Bettes und schien tief und fest zu schlafen. Ich versuchte vom Bett aufzustehen, ohne ihn zu wecken und stolperte unbeholfen Richtung Bad.

Ich fühlte mich alles andere als fit, in meinem Kopf hämmerte irgendetwas, mir war äußerst schlecht und beim Blick in den Spiegel erschrak ich richtig. Mein Gesicht sah nicht mehr gesund aus, völlig bleich, bis auf diese leichten, dunkeln Ringe unter meinen Augen. Etwas unsicher stützte ich mich am Waschenbecken unter dem Spiegel ab, weil ich nicht recht wusste, ob meine Beine wieder nachgeben würden. Noch immer mit einer Hand abgestützt wusch ich mir leicht umständlich das Gesicht ab und griff nach einem Handtuch. „Pat? Pat? Pat?! Wo steckst du? Pat?!“, hörte ich plötzlich Adams Stimme erst etwas verschlafen, dann scheinbar schlagartig hellwach und ziemlich beunruhigt.

Und schon riss er die Tür des Badezimmers auf und atmete auf, als er mich sah. „Mein Gott, bin ich erschrocken, als du weg warst“, meinte er und sah mich mit großen Augen an. Ich war meinem Körper dankbar, dass ich mich eh schon äußerst bescheiden fühlte, so machte es mir wenigstens nicht mehr viel aus, alleine mit Adam zu sein. Es war wie vorhin, bevor ich wieder eingeschlafen war, ich hatte seine Nähe gesucht, seine Nähe. Es war so komisch, das war nicht der Adam, vor dem ich Angst haben musste. Das war der Adam, der jahrelang mein bester Freund gewesen war, das war der Adam, den ich liebte. „Ist alles okay?“, fragte er leise und ich nickte nur langsam, da jede schnelle Bewegung ungewisse Konsequenzen zu haben schien. „Kannst du...“, fing ich an, doch noch bevor ich aussprechen konnte hatte er mir schon einen Arm umgelegt und half mir zurück ins Bett.

„Wo sind die anderen?“, fragte ich Adam, nachdem wir einige Zeit geschwiegen hatten. Er zuckte nur mit den Schultern und scheinbar gleichzeitig sahen wir zum Gepäck, was neben dem Sofa stand. „Scheinbar haben sie mich bei dir einquartiert, weil ich vorhin eingeschlafen bin. Jason wollte sicher schlafen, es ist ja schon spät...“, vermutete er und ich nickte. Die Uhr auf dem Nachtschrank neben mir zeigte an, dass es kurz nach ein Uhr nachts war. „Wie geht’s dir?“, fragte Adam mit einem unsicheren Gesichtsausdruck und rutschte etwas weiter aufs Bett. Ich fühlte mich unweigerlich zurückversetzt an jenen Abend. Ich blinzelte kurz und wie in einem Film sah ich wieder, wie er an meiner Bettkante saß und mich fragte, wie es mir ging. „Pat, was ist los?“, riss Adam mich wenig später wieder aus diesem „Film“.

Völlig erschrocken sah er mich an, ich war zu keinem Wort fähig, starrte ihn einfach nur an. „Wa-Warum guckst du so?“, fragte er leise mit einem kleine Anflug von Panik. „Ich...“, bekam ich wenig später nur heraus und schluckte. Warum fühlte es sich an, als wäre das ein ganz anderer Mensch, der mir da gegenüber saß als der, der das an jenem Abend getan hatte? „Adam...“, brachte ich nur heraus und streckte langsam meine Hand nach ihm aus, die er sofort ergriff. „Komm her“, presste ich hervor und merkte, wie sich meine Kehle zuschnürte. Etwas zögernd näherte er sich mir etwas und ich richtete mich mit aller Kraft auf, fiel ihm in die Arme und klammerte mich an ihm fest. Adam legte sofort beide Arme fest um mich und rutschte noch etwas näher um mich besser halten zu können. Ich brauchte ihn.

„Halt mich fest“, flüsterte ich nachdem wir uns einige Zeit einfach nur in den Armen gehalten hatten und schloss meine Augen. Ich wollte ihn nie wieder loslassen, wollte meine Augen nie wieder aufmachen, denn jetzt, wo ich ihn nur festhielt, ihn nicht einmal sah, war es völlig vergessen, was er getan hatte. Vielleicht lag es nur daran, dass ich dank meiner Schwächlichkeit momentan etwas Geborgenheit suchte, aber ich vergas völlig, was er getan hatte, ich fühlte mich zum ersten mal wieder wohl in seinen Armen, schaffte es jeden Gedanken an jenen Abend zu verdrängen und hielt ihn einfach nur fest. „Keine Angst, ich lass dich nicht los“, hörte ich Adam noch leise sagen und spürte, wie meine Kräfte wieder schwanden. Ich merkte noch, dass ich wieder nach hinten kippte, spürte jedoch weiterhin seine Arme um mich.

Als ich meine Augen wieder öffnete, spürte ich, dass jemand sanft über meine Wange streichelte. Ich blinzelte einige Male und erkannte, dass Adam noch immer neben mir lag und mir nun wieder vorsichtig übers Gesicht strich. „Hey...“, lächelte er mich zaghaft an und nahm seine Hand wieder weg. „Was...?“, brachte ich nur mit etwas heiserer Stimme heraus und sah ihn verwirrt an. „Ich hab doch gesagt, dass ich dich nicht loslasse, wenn du es willst“, meinte er leise und wich meinen Blicken etwas verlegen aus. Ich wusste mal wieder nicht, ob das sich gerade gut anfühlte, oder nicht. Doch noch immer überwogen die Gefühle des Schmerzes, der Übelkeit und vor allem der Schwäche, also ließ ich mich einfach in seinen Armen fallen, versuchte es zu genießen, dass er mich fest hielt und rutschte noch etwas näher.

Ein leises, zaghaftes Klopfen ließ mich wieder aus meinem Halbschlaf erwachen und ich sah blinzelnd zur Tür. Jason kam herein und schloss vorsichtig die Tür wieder hinter sich. Er sah uns etwas verwirrt an, lächelte aber leicht. Es musste auch sicher komisch ausgesehen haben, Adam hielt mich in seinen Armen, wie ein kleines Kind, aber das war mir egal, einfach völlig egal. „Wie geht’s dir?“, fragte er leise und kniete sich etwas unsicher vor dem Bett nieder. „Ich weiß nicht... schwach“, sagte ich leise und versuchte etwas zu lächeln. „Ich... Ich habe noch einmal mit Bob geredet. Er meint, dass er dich erst zusammenstaucht, wenn du wieder wohl auf bist und solange will er, dass wir uns so gut wie wir können um dich kümmern, du sollst alles kriegen, was du willst“, meinte Jason und lächelte etwas.

„Du sollst morgen oder übermorgen noch einmal zum Arzt, aber das mit dem Krankenhaus will er nicht, er meint, dass es zu aufwendig und gefährlich wäre, dich in einem Krankenhaus unterzubringen und solange es nicht unbedingt notwendig ist, dass du unter ärztlicher Aufsicht bist, sollst du im Hotel bleiben. Voraussichtlich legen wir zwei Wochen Unterbrechung ein, bis dahin hast du dich sicher erholt“, erklärte Jason und ich nickte leicht. Zwei Wochen Unterbrechung. Dabei wusste ich nicht einmal recht, was ich eigentlich hatte, warum mein Körper den Geist aufgegeben hatte. Wenn ich daran dachte, was das bedeutete, dass wir zwei Wochen Pause einschoben, wurde mir fast noch schlechter. Ich versuchte alle Schuldgefühle, die sich in mir breit machen wollten, wegzuschieben, nur das wollte einfach nicht klappen, wie es sollte. Ich verkroch mich noch mehr in Adams Armen.

Er strich mir sanft mit den Fingerrücken über die Wange und ich atmete tief durch, weil mir schon wieder zum Heulen zumute war, aber langsam wurde es wirklich peinlich dauernd loszuflennen. „Ich denke, ich lasse euch besser etwas allein, ruh dich schön aus Paty, sonst macht Bob mir die Hölle heiß“, lächelte Jason und wuschelte durch meine Haare. Ich zwang mich zu einem kleinen Lächeln und wenig später war Jason schon wieder verschwunden. Ich schloss meine Augen wieder und ließ mich fallen. Es fühlte sich irgendwie toll an, so von Adam gehalten zu werden. Es fühlte sich toll an, mit dem Kopf an seiner Brust zu liegen, zu spüren, wie sein Arm um meine Schultern lag, seine Hand sanft auf meinem Oberarm ruhte, seinen anderen Arm auf meinem Bauch liegen zu spüren, es war ein wahnsinniges Gefühl.

Leise hörte ich ihn seufzen und er drückte mich noch etwas fester an sich, legte seine Hand flach auf meinen Bauch, bewegte ganz leicht seine Fingerspitzen. Es fühlte sich so toll an, dass er das tat, egal, ob er das einfach nur tat, weil ich schließlich „krank“ war. Es half jedenfalls und es half auch etwas dabei meine ganzen negativen Gefühle für Adam zu relativieren, ich konnte schließlich nicht ewig Angst vor ihm haben. Und wenn er so zärtlich war, so lieb, einfühlsam, dann konnte man überhaupt keine Angst vor ihm haben. Ich merkte deutlich mal wieder, warum ich ihn so sehr liebte und ganz, ganz, ganz leicht spürte ich etwas in meinem Bauch kribbeln, als er seine Fingerspitzen wieder leicht bewegte. War das jetzt endlich das Ende von meinen Angstattacken wegen Adam? Ich wünschte es mir so sehr.

„Sag mal, möchtest du nichts essen?“, fragte Adam leise, als ich meine Augen wieder geöffnet hatte. „Wie spät ist es denn?“, krächzte ich nur und Adam sagte, es wäre etwa halb elf vormittags. So recht wusste ich nicht, ob ich etwas essen wollte, mir war noch immer irgendwie übel, aber ich wollte eigentlich so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommen und der Körper braucht ja bekanntlich Nahrung. „Doch, schon“, lächelte ich und Adam richtete sich auf. „Wir nehmen Bobs Befehl, du sollest alles kriegen, was du willst, jetzt mal ganz ernst und bestellen uns was beim Zimmerservice“, meinte er grinsend und kletterte aus dem Bett. Ich musste lächeln bei der Erinnerung, warum das so etwas besonderes war. Jason, Brain und ich hatten beim letzten Mal für 400$ beim Zimmerservice bestellt und seitdem hatte Bob uns strengstens verboten, je wieder etwas zu bestellen.

Adam nahm sich das Zimmertelefon und bestellte etwas, während ich mich unsicher aufrichtete und mich gegen die Rückwand lehnte. Es war ein verdammt mieses Gefühl, wenn einen die Kräfte die ganze Zeit im Stich ließen und der Körper einfach nicht so konnte, wie man wollte. Ich holte noch einmal tief Luft und versuchte aufzustehen. So schwer konnte das ja wirklich nicht sein und nur, weil ich meinen Körper mit Schmerzkillern vollgepumpt und etwas überfordert hatte, konnte es ja nicht sein, dass ich nicht einmal ohne halb ohnmächtig zu werden aufstehen konnte. Ich war zwar etwas wacklig auf den Beinen, schaffte es aber bis ins Bad. Den Blick in den Spiegel wollte ich mir eigentlich ersparen, was aber leider nicht möglich war. Meine Gesichtsfarbe hatte sich kaum merklich verändert, es war deprimierend zu sehen, dass sich mein Körper scheinbar weigerte wieder normal zu arbeiten.

Nach ein paar Minuten verließ ich das Bad wieder und setzte mich wieder aufs Bett. „Deck dich besser zu, nur in Shorts und T-Shirt ist es eindeutig zu kalt und du willst dich doch nicht auch noch erkälten“, meinte Adam, der gerade in seiner Tasche herumkramte und lächelte mich an. Ich nickte nur und verkroch mich unter der Bettdecke, ich wollte ihn wieder bei mir haben. Nachdem Adam sich umgezogen hatte, kam auch schon unser Frühstück und ich merkte deutlich, dass ich doch Hunger hatte. Wir setzten uns beide aufs Bett und frühstückten, es ging mir merklich besser, nachdem ich etwas gegessen hatte. Scheinbar hatte ich auch noch zu wenig gegessen gehabt, das waren wohl alles blöde Zufälle gewesen, wegen denen mein Körper letztendlich schlapp gemacht hatte. Aber dann musste es mir jedenfalls bald wieder gut gehen.

Kapitel 8

Als wir fertig waren, oder besser gesagt, als ich keinen Hunger mehr hatte, zog ich meine Decke etwas fester um mich und gähnte. Es war äußerst unangenehm sich die ganze Zeit so schlapp zu fühlen, ich wollte am liebsten nur noch schlafen. „Noch müde?“, fragte Adam lächelnd und ich nickte nur. Ich wollte am allerliebsten sofort wieder in seinen Armen liegen und dann ganz behütet bei ihm einschlafen. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das wollen würde, ich konnte ihn nicht fragen, ob er es tun würde, aber ich fühlte mich so dermaßen allein. Gähnend zog ich meine Decke noch höher, winkelte meine Beine an und legte meinen Kopf auf meine Arme. „Willst du noch etwas schlafen?“, fragte Adam während er die Reste unseres Frühstücks vom Bett auf den Tisch räumte.

Langsam nickte ich und ließ mich wieder herunterrutschen. Adam würde bestimmt zu den anderen gehen, ich wollte ihn auch gar nicht davon abhalten, er musste ja auch nicht die ganze Zeit bei mir rumsitzen, erst recht nicht, wenn ich schon sagte, ich würde schlafen wollen. „Soll ich bei dir bleiben, bis du eingeschlafen bist?“, lächelte er mich plötzlich an und ich hob verblüfft meinen Blick. Konnte er etwa wirklich Gedanken lesen, oder merkte man es mir dermaßen an, dass es mir wahnsinnig gefallen hatte, in seinen Armen einzuschlafen? Ich brachte kein Wort raus, es war doch Irrsinn zuzugeben, dass ich seine Nähe brauchte, Adam würde das sicher komisch vorkommen, aber andererseits, er hatte es doch vorgeschlagen?

„Schon klar“, grinste er, als ich ihm nicht antwortete und krabbelte wieder aufs Bett.

Kommentarlos rutschte er sogar mit unter die Decke, schob mir einen Arm unter den Hals und zog mich sanft zu sich heran. „Schlaf schön, Paty“, lächelte er und strich mir über die Stirn. „D-Danke“, meinte ich leise, schloss einfach meine Augen und rutschte so nah wie nur möglich an ihn heran. Seine Hand ruhte diesmal auf meiner Brust und wieder bewegte er sanft seine Fingerspitzen. Ganz seicht spürte ich seinen Atem durch meine Haare streichen, es fühlte sich so toll an, ganz nah bei ihm zu sein. Es dauerte nicht lang, bis ich eingeschlafen war, dabei wollte ich am liebsten so lang wie möglich wach bleiben, Adam hatte schließlich gesagt, er würde bei mir bleiben, bis ich eingeschlafen sein würde.

Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, sah ich erst einmal auf die Uhr auf dem Nachtschrank und sah, dass es drei Uhr nachmittags war. Ich gähnte und wollte mir mit der Hand übers Gesicht streichen, merkte dann aber, dass ich meinen Arm gar nicht bewegen konnte. Erst jetzt merkte ich, dass Adam bei mir geblieben war. Er schlief wie ein Kleinkind, eng an mich gekuschelt, auf meinem Arm und noch immer mit einer Hand auf meiner Brust. Ich musste unwillkürlich lächeln und strich vorsichtig mit meinen Fingern über seine Hand. Mal abgesehen davon, dass mir etwas schummrig war und mein Kopf leicht schmerzte, fühlte ich mich unglaublich wohl.

Ich drehte meinen Kopf etwas um Adam ins Gesicht sehen zu können, zuckte dabei jedoch etwas zusammen. In seinen Armen zu liegen und ihn zu spüren war das eine, ihn anzusehen und zu sehen, nicht nur zu spüren, dass er es war, war etwas völlig anderes. Das unbeschreiblich gute Gefühl schwand langsam und ich wandte meinen Blick ab. Mit geschlossenen Augen blieb ich liegen und legte vorsichtig meine Hand auf Adams, die ja noch immer auf meiner Brust ruhte. Ich wusste wirklich nicht mehr, was ich fühlen sollte. Einerseits war es so toll ihm so nah zu sein, war es so wunderschön seine Berührungen, seinen Atem, ihn zu spüren, doch andererseits war es auch seltsam, wenn ich daran dachte, wozu er fähig war.

Ich wollte nicht mehr an all das denken, ich wollte jenen Abend einfach aus meinem Gedächtnis streichen und es genießen, bei Adam zu sein, aber dieser bittere Beigeschmack bei der ganzen Sache verhinderte es wirklich zuverlässig, dass ich hätte glücklich sein können. Würde das jemals wieder verschwinden? Es war doch völliger Irrsinn, einerseits liebte ich ihn abgöttisch, mehr als mich selbst, wünschte mir so sehr, er würde vielleicht meine Gefühle auch ein kleines bisschen erwidern, aber andererseits fürchtete ich mich doch vor ihm. Wie sollte das zusammenpassen? Ich träumte davon mit Adam zusammen zu sein, aber bei der Vorstellung ihn zu küssen, auf sexueller Basis von ihm berührt zu werden wurde mir Angst und Bange. Warum nur hatte er mir all meine Träume zerstört?

Meine Träumereien mit Adam hatten mich bisher immer aufheitern können, hatten mir bisher immer neuen Mut gegeben, hatten mich bisher immer wieder aufstehen lassen, wenn ich am Boden lag und nun war die Vorstellung mit Adam etwas anzufangen einfach nur noch beängstigend. Warum nur hatte er mir auch noch diese Träume geraubt? Reichte es ihm denn nicht, dass ich mich allein mit Träumen zufrieden geben musste, da dass alles eh niemals wahr werden konnte? Musste er mir jetzt selbst das noch nehmen? ‚Pat, was redest du da?’, fragte ich mich selbst in Gedanken. ‚Adam kann doch gar nichts dafür, er wusste doch nichts von deinen Träumen!’

Leise seufzte ich auf und streichelte über Adams Hand. Er konnte doch für all das gar nichts, es war ungerecht ihn, wenn auch nur in Gedanken, so anzuklagen. Ein ganz leises Klopfen drang durch meine Gedanken hindurch und ließ mich zur Tür blicken, die sich langsam öffnete. Jason sah herein und lächelte, als er mich ansah. Lautlos schloss er die Tür wieder und ging dann langsam aufs Bett zu. Ich zog sofort meine Hand ein Stück weg, als ich sah, wie Jasons Blick auf Adams Hand fiel, die ich mit meiner umschlungen hielt. Er lächelte etwas und ließ sich wieder vor dem Bett auf den Boden nieder. „Hey“, flüsterte er und sah mich an. „Hi“, meinte ich nur ganz leise und nahm ganz vorsichtig Adams Hand von meiner Brust.

„Du solltest ihn schlafen lassen, er war letzte Nacht verdammt lang wach“, flüsterte Jason, worauf ich in meiner Bewegung inne hielt und ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah. „Kannst du aufstehen? Dann gehen wir rüber, da müssen wir nicht flüstern“, meinte er und ich nickte. Ganz, ganz vorsichtig um Adam ja nicht zu wecken richtete ich mich auf und Jason half mir auf die Beine. „Warte mal, du brauchst was zum drüberziehen, aber was aus deinen Sachen zu suchen macht sicher zu viel Lärm. Am besten ich gebe dir drüben was, oder noch besser, du legst dich drüben gleich wieder hin, ist sowieso besser“, flüsterte er und legte mir vorsichtshalber einen Arm um, auch wenn ich schon wieder einigermaßen sicher auf den Beinen war. Wir gingen rüber ins Nebenzimmer, Jason und Bens Zimmer.

„Hey Pat“, kam es sofort von Ben, als Jason die Tür aufgemacht hatte. Ich lächelte ihn kurz an, wurde dann auch schon von Jason aufs Bett befördert, auf dem auch Ben saß und bekam von ihm einen Pullover in die Hand gedrückt. „Wenn du dich jetzt auch noch erkältest, dann können wir den Rest der Tour ganz vergessen“, lächelte er mich an und setzte sich mit aufs Bett. Ich zog mir schnell den Pulli über, da mir tatsächlich ziemlich kalt war und zog Jasons Bettdecke bis zur Hüfte. „Woher weißt du, dass Adam letzte Nacht lang wach war?“, fragte ich Jason bevor einer der anderen etwas sagen konnte. Ich wollte unbedingt wissen, was das zu bedeuten hatte. „Wir haben ja gestern Nacht noch Adams und meine Sachen aus den Zimmern getauscht, weil er recht früh eingeschlafen war und wir haben dabei aus versehen meinen Rucksack stehen lassen“, erklärte Jason und mir ging ein Licht auf.

„Ich bin später, als wir ins Bett wollten noch schnell rüber um ihn zu holen, das war kurz vor zwei und Adam lag putzmunter neben dir. Er hat gemeint, dass er nicht schlafen konnte“, erzählte er und ich nickte leicht. Aber wenn er von um zwei bis halb elf geschlafen hatte war das doch ausreichend? „Als ich heute früh aufgestanden bin, stand er auf der Terrasse auf dieser Etage und hat geraucht, das war um acht und er hat mich gefragt, warum ich so spät noch wach wäre, der war so weg, der hat nicht mal gemerkt, dass die Sonne schon langsam aufging“, fügte Ben noch dazu und schüttelte dabei leicht ungläubig den Kopf. Okay, von acht bis halb elf zu schlafen war wirklich zu wenig, deshalb war er wohl auch vorhin eingeschlafen, als er gesagt hatte, er würde nur bleiben bis ich eingeschlafen war.

„Wie geht’s dir eigentlich?“, fragte Ben dann, nachdem ich auf ihre Erzählung nicht geantwortet hatte. „Ach, es geht schon...“, murmelte ich nur und zog meine Knie hoch. „Pat, warum bist du eigentlich nicht ehrlich zu uns? Man sieht dir doch an, dass es dir beschissen geht! Du brauchst nicht so zu tun, als wäre alles okay, wir haben dich gestern auf dem Boden liegen sehen und es ist nichts okay“, meinte Jason ernst und legte zwei Finger unter mein Kinn, zog es hoch, damit ich aufsah. „Du brauchst wirklich nicht so zu tun, als ginge es dir gut“, sagte er noch mal und sah mir direkt in die Augen. Was wollten sie denn hören? Wollten sie, dass ich ihnen ins Gesicht sagte, dass ich nicht wollte, dass sie sich Sorgen um mich machten? Sie würden doch nur denken, ich hätte irgendwelche Minderwertigkeitskomplexe.

„Wärst du schon gestern ehrlich zu uns gewesen, oder wenigstens zu dir selbst, anstatt dich mit Tabletten voll zu pumpen, dann hätten wir das Ganze verhindern können. Ich meine das nicht als Vorwurf, die Unterbrechung unserer Tour ist nicht schön, aber kein Weltuntergang. Ich will, nein, wir wollen einfach nicht, dass es dir schlecht geht und es war so grausam dich gestern am Boden liegen zu sehen, genauso wie es grausam ist, dich in einem Bett liegen zu sehen, kreidebleich und wimmernd wie ein kleines Kind!“, sprach Ben plötzlich, ich starrte ihn nur mit großen Augen an.

Ich konnte kaum glauben, was er da sagte. Das war eindeutig zu viel auf einmal. Erstens, warum hatte er „wimmernd wie ein kleines Kind“ gesagt? Zweitens, warum sagte er, ich hätte ehrlich zu mir selbst sein sollen? Und drittens, warum war er plötzlich so unglaublich ehrlich? „Komm mal her“, meinte Ben, als ich nicht antwortete und keinerlei Regung zeigte. Er setzte sich neben mich, legte mir einen Arm um die Schultern und drückte mich an ihn. „Wir wollen verdammt noch mal, dass es dir gut geht! Du bist unser Freund, wir sind eine Band und wir gehören zusammen, wenn es dir schlecht geht, dann kann es auch uns nicht gut gehen, wir wollen dich glücklich sehen, deinetwegen“, flüsterte er und strich über meinen Rücken.

Ich war mehr als sprachlos, es war einfach zu viel, diese ganze Fürsorge der Jungs. Ich war ihnen so dankbar, dass ich es nicht einmal aussprechen konnte, ein einfaches „Danke“ hätte nicht im entferntesten ausdrücken können, wie sehr ich ihnen für all das dankbar war. Ich legte meine Hände auf Bens Rücken und drückte ihn etwas fester. „Gruppenumarmung“, lachte Jason plötzlich und Ben und ich nahmen ihn beide mit in unsere Arme. Es tat so gut zu wissen, dass ich mich so auf meine Freunde verlassen konnte, dass sie egal was passieren würde, immer bei mir sein würden. „Pat? Versprichst du uns was?“, fragte Jason nach einiger Zeit und wir ließen einander wieder los.

Mir schwante Böses. „Bitte sag es uns das nächste Mal, wenn es dir nicht gut geht. Du scheinst schauspielerisches Talent zu haben, ich hab gestern vor dem Konzert und im Bus wirklich nicht gemerkt, dass es dir nicht gut ging. Bitte hör damit auf, uns weiß machen zu wollen, dass es dir gut geht, du machst dich doch nur selber fertig, wenn du uns allen und auch dir selbst vorspielst, es würde dir wer weiß wie gut gehen. Versprichst du uns das?“, sprach er leise und die beiden sahen mich fast flehend an. Wenigstens hatten sie nicht gesagt, ich solle ihnen versprechen, sie nie wieder anzulügen. Dabei wollte ich das doch gar nicht! War das jetzt vielleicht genau der richtige Moment mit der Wahrheit heraus zu rücken?

Aber es war doch gerade alles wieder okay, wenn ich jetzt alles gesagt hätte, was an diesem Abend passiert war, dann hätte Adam sich wieder von mir entfernt, wo ich es gerade geschafft hatte mich ihm wieder zu nähern. Jetzt alles zu sagen war irrsinnig, hätte alles wieder kaputt gemacht. „Okay, ich verspreche es euch“, sagte ich leise und lächelte etwas, worauf auch die anderen beiden lächelten. Ganz plötzlich hörten wir stürmisches Klopfen an der Tür und noch bevor Jason oder Ben etwas sagen konnten, wurde die Tür aufgerissen. „Jungs, habt ihr Pat gesehen? Er ist...“, rief Adam noch während er die Tür öffnete und stoppte mitten im Satz, als er mich sah. Sein Gesichtsausdruck wurde augenblicklich entspannter.

„Wenn du mir noch öfter solche Schrecken einjagst, dann kriege ich einen Herzinfarkt“, lächelte er nur und schloss die Tür hinter sich. „Pat hat uns versprochen, es jetzt immer zu sagen, wenn es ihm schlecht geht“, platzte es plötzlich aus Ben heraus, nachdem wir uns angeschwiegen hatten und nach weiterem, kurzen Schweigen brachen wir alle in Lachen aus. Diese Art, wie er das gesagt hatte, dieser Stolz der in seiner Stimme mitschwang, nur weil sie mich dazu gebracht hatten zu versprechen, ich würde sagen wenn es mir nicht gut geht, war einfach nur zum Lachen. Wenig später war ein ähnlich stürmisches Klopfen an der Tür zu hören, welche auch wenig später wieder aufgerissen wurde.

„Jason, Ben, wo sind Pat und Adam hin? Ist irgendwas passiert?“, war Brains Stimme zu hören, die sich fast schon überschlug und er und Marc stolperten regelrecht ins Zimmer. Wir fingen schon wieder an zu lachen und ich konnte mich gar nicht satt daran sehen, Adam so ausgelassen lachen zu sehen. Er sah so toll aus, wenn er glücklich war und er dabei nicht so falsch aussah. „Ach.. hier seid ihr“, meinte Marc erleichtert und auch die beiden setzten sich zu uns aufs Bett. Nachdem Brain und Marc etwas besorgt gefragt hatten, wie es mir ginge und ich gespannte Blicke von Jason und Ben geerntet hatte, erklärte ich, dass es mir relativ gut ging, aber noch nicht besonders.

Die beiden lächelten, Jason, Ben und Adam grinsten und nach einiger Zeit Überlegen, was wir noch machen wollten, schlug Brain vor, zur Ablenkung aller irgendeinen Film anzusehen, wogegen niemand etwas einzuwenden hatte. Wenig später machten wir es uns alle auf dem großen Doppelbett bequem und sahen uns irgendeine DVD an. Es war ein tolles Gefühl, als Adam seinen Arm um meine Schultern legte, mich anlächelte und etwas zu ihm zog, damit ich mich an ihn lehnte.

Ich hätte ja so glücklich sein können und es machte mir in gewisser Weise Angst, dass ich obwohl gerade meine größten Träume dabei waren wahr zu werden, nämlich dass Adam mich in seiner Nähe haben wollte, nicht glücklich sein konnte. Klar, es fühlte sich alles wirklich wahnsinnig toll an, aber wo war dieses unbeschwerte Glück? Wo waren Sorglosigkeit und unbegrenzte Freude bei der ganzen Sache? Ich konnte nicht glücklich sein, ich brauchte Adam dazu, doch mit ihm konnte ich nicht mehr bedenkenlos glücklich sein. Es machte mich traurig, dass ich in dieser scheinbaren Sackgasse fest zu sitzen schien.

Sollte ich mich damit zufrieden geben, dass ich wohl nie wieder so richtig glücklich werden würde? Wie sollte man sich denn mit so etwas zufrieden geben? Schließlich war doch jeder Mensch irgendwie auf der Suche nach seinem Glück. Ich lehnte mich noch etwas mehr gegen Adam und seufzte. Es kam mir alles so falsch vor, ich hatte das Gefühl Adam auszunutzen, ich hatte das Gefühl er würde mich nur für den Moment brauchen, ich hatte das Gefühl er meinte es beileibe nicht ernst mit dem was er tat. Was tat er denn eigentlich? Aus seiner Sicht doch nun wirklich gar nichts, er tröstet einen Freund. Mehr nicht.

Aus meiner Sicht war es doch aber so viel, viel, viel mehr. Nicht, dass ich mir Hoffnungen machte, Adam könnte unter Umständen doch etwas mehr als nur Freundschaft für mich empfinden, weil er mir momentan so nah war. Es war viel mehr die Tatsache, dass ich glaubte, er würde diese Nähe nur mir zuliebe eingehen. Wenn er mich wirklich nur tröstete, dann wollte er mir nicht nahe sein, sondern wollte nur, dass ich jemanden hatte. Ich wusste nicht recht, ob ich mich deshalb gut oder schlecht fühlen sollte, eigentlich fühlte es sich ziemlich ungut an. Er wollte mir gar nicht so nahe sein, aber er tat andererseits doch etwas nur für mich?

Ich schlief nach der dritten DVD wieder in Adams Armen ein, die anderen wollten noch irgendeinen Actionfilm ansehen, bei dem ich nach der zweiten unbegründeten Explosion einschlief. Ich wollte gar nicht mehr wach bleiben, zu viele Gedanken kreuzten die ganze Zeit durch meinen Kopf. Dieses Chaos wollte sich gar nicht wieder entwirren, dabei hoffte ich so sehr, endlich etwas Klarheit zu bekommen. Klarheit über Adams Verhalten, Klarheit über meine Gefühle und Klarheit über die Zukunft, wie es sich alles entwickeln würde.

Die nächsten Tage waren erholsam. Die anderen waren ein klitzekleines bisschen dankbar, dass auch sie mal etwas Ruhe hatten. Wir verbrachten viel Zeit zusammen, redeten, schauten DVDs und begannen irgendwann sogar wieder damit, uns um Texte und Samples zu kümmern. Körperlich ging es mit mir wieder bergauf, ich hatte noch ganze vier Tage größtenteils im Bett verbracht und solange es mir sichtbar schlecht ging, war Adam fast die ganze Zeit bei mir. Danach hatte ich es mehr als satt, da ich mich noch mieser fühlte, die ganze Zeit im Bett rum zu liegen und die Jungs sahen auch langsam ein, dass ich keine Bettruhe einhalten musste. Nur damit verlor ich auch Adams Nähe wieder etwas.

Er hatte sich rührend um mich gekümmert, die ganzen Tage lang. Wir hatten zwar wenig gesprochen, aber allein die Tatsache, dass er mich so oft festhielt reichte mir. Nachdem ich wieder etwas lebendiger aussah und nicht mehr die ganze Zeit im Bett lag, entfernte sich Adam tatsächlich wieder von mir. Es tat ein kleines bisschen weh, aber nicht sehr. Mir war selbst bewusst geworden, dass da etwas nicht stimmte. Manchmal sah ich sogar fast ein, dass ich nicht hatte akzeptieren wollen, dass das der selbe Mensch war. Ich brauchte doch nur meine Augen zu schließen und er war wieder der alte. Und ich brauchte sie doch nur öffnen und er war wieder... er.

Es war eine ganze Woche her, dass ich nach dem Konzert zusammen gebrochen war. In genau einer Woche wollten wir das nächste Konzert geben und solang sich mein Gesundheitszustand weiterhin besserte, war ich überzeugt, das durchzustehen. Wir waren gerade unten zum Frühstück gewesen, Adam war noch einmal auf die Terrasse gegangen um eine zu rauchen und ich hatte mich allein wieder in unser Zimmer verzogen. Ich saß an dem kleinen Tisch am Fenster vor meinem Laptop. Ich hatte Kopfhörer auf, also merkte ich nicht, dass Adam hereinkam, bis er sich mir gegenüber an den Tisch setzte. Etwas unsicher lächelte er mich an. „Du Pat? Kann ich mal mit dir reden?“, fragte er vorsichtig, als ich meine Kopfhörer abgenommen hatte.

Ich nickte mit zusammengezogenen Augenbrauen und klappte meinen Laptop zu. Adam schwieg und ich fühlte mich ausgesprochen unwohl. Weshalb wollte er mit mir reden? Weshalb diese seltsame Frage? Weshalb diese Unsicherheit? „Ich... ich wusste nicht so recht, ob ich mit dir darüber reden sollte...“, fing er an, stockte aber, ich blickte ihn nun noch gespannter an und er sprach weiter. „Ich meine, ich wollte dich nicht damit nerven, du brauchtest ja schließlich Ruhe in den letzten Tagen. Aber... mit den anderen kann ich darüber nicht reden.“ Er schüttelte energisch den Kopf. Was gab es denn, was er besprechen wollte?

Es konnte mich persönlich nicht betreffen – und das erleichterte mich extrem – denn sonst hätte er ja nicht darüber nachgedacht mit den anderen Jungs zu reden. Aber was war es dann? „Das kann ich nur dir sagen“, lächelte er und legte seine ineinander verschlungenen Hände auf den Tisch. Ich wurde immer gespannter, fühlte mich aber auch nicht mehr so schlimm, es betraf ja schließlich nicht mich. „Weißt du noch, letztens, die Nacht in der ich etwas über den Durst getrunken hatte?“, fragte er und mir rutschte das Herz in die Hose. Warum sagte er das? Ich schluckte schwer und nickte ganz leicht. Der Stich in meinem Brustkorb fühlte sich an wie ein Messerstich, mein Herz klopfte wie wild, meine Hände wurden eiskalt.

„Ich habe ja gesagt, dass ich mich nur erinnerte, mit jemandem... geschlafen zu haben. Ich glaube, ich erinnere mich an mehr“, meinte er leise und mein Herz hörte auf zu schlagen. Er wusste es. Er wusste wieder was er getan hatte, er erinnerte sich. Ich konnte kaum atmen. „A-an was er-erinnerst du dich..?“, fragte ich fast flüsternd und schluckte, in der Hoffnung wieder normal atmen zu können. Er wusste es. „Du wirst es nicht glauben...“, sprach er leise. „Du vor allem wirst es nicht glauben“, fügte er noch bei uns betonte das ‚Du’ stark. Was redete er da? Ich wusste viel besser als er, was an jenem Abend passiert war!

„Ich glaube, ich hab mit einem... Mann geschlafen“, flüsterte er, nachdem er sich etwas zu mir herüber gebeugt hatte. Ich riss meine Augen auf und mein Herz begann wieder in ungesunder Frequenz zu schlagen. Er hatte mit einem Mann geschlafen. War das alles, was er wusste? Wusste er doch nicht, dass ich das unfreiwilliger weise gewesen war? Ich bekam kein Wort heraus, zu verwirrt war ich. Er hatte mit einem Mann geschlafen. Er wusste nicht, was wirklich geschehen war. Ich sprach gedanklich auf mich ein und versuchte ruhig zu atmen.

Adam machte keine Anstalten noch etwas zu sagen, scheinbar wartete er auf einen Kommentar von meiner Seite. „Ich... Ich dachte, du erinnerst dich nicht? Woher weißt du das?“, stotterte ich zusammen und schluckte zwischendurch schwer. Es war ja so irrsinnig, dass wir gerade über diese Nacht sprachen. Und verdammt, es tat so weh dieses Spiel mitzuspielen. „Naja... Ich hab so eine Art Film gesehen, da lag jemand vor mir, auf dem Bauch und ich hab ihn... du weißt schon. Ich hab ihm... zwischen die Beine gefasst und... das war ganz bestimmt ein Kerl“, erklärte er noch immer ganz leise. Mein Magen schien sich nicht mehr entkrampfen zu wollen. Warum nur musste er das erzählen? Warum nur?

„Aber weißt du was? Was ich da an dem Morgen gesagt habe, dass es toll war... das stimmt. Obwohl es ein Mann war“, meinte er fast flüsternd, als ob jemand da wäre, der es hören könnte. Es fühlte sich an, als hätte er mit einem Messer zugestochen. Ich sah ihn einfach nur an. „Ich... Ich glaube, mir... mir gefallen auch Männer“, flüsterte er und sah etwas verlegen auf den Tisch.

„So richtig. Ich glaube, ich stehe irgendwie auf beides, Frauen und Männer“, fügte er noch bei und grinste etwas. Mein Herz schlug nur immer mal wieder, ich konnte nicht fassen was ich hörte, konnte nicht fassen, was er da sagte. Adam war bisexuell? Und das hatte er gemerkt, weil er mich vergewaltigt hatte? Mir wurde schlecht bei meinen Gedanken. Ich hätte glücklich sein müssen, meine Chancen Adam könnte mich vielleicht auch nur annähernd so lieben, wie ich ihn liebte, stiegen gerade massiv an. Aber ich konnte nicht glücklich sein. Es tat so weh, Adam über diese Nacht sprechen zu hören.

Kapitel 9

Klar, er hatte das nicht einem der anderen erzählen können. Aber ich war schließlich schwul und da hatte er von mir ja nichts zu erwarten gehabt. Ich war auch viel zu überfordert gewesen, um diese Eröffnung von ihm zu kommentieren. Mir steckte der Schock jetzt noch in den Knochen, nachdem unser Gespräch zwei Tage her war. Ich saß wie so oft im Krankenhaus und wartete darauf endlich meinen Bescheid zu kriegen, dass ich wieder wohl auf war. Es waren noch fünf Tage bis zum Konzert, am nächsten Tag würden wir das erste Interview nach der Unterbrechung geben und Bob wollte direkt, wenn ich wieder da war, mit mir sprechen.

Ich wusste nicht recht, wie ich mich bei dem Interview verhalten sollte, aber Bob meinte, er würde mir schon genau sagen, was ich tun sollte. Leider hielt mich so der Gedanke an das Interview nicht mehr von meinen Gedanken an Adam ab. Ich wusste noch immer nicht, wie ich mit seiner Vermutung, wenn man es noch so nennen konnte, bisexuell zu sein, umgehen sollte. Ich konnte mich einfach nicht darüber freuen. Jedes mal wenn ich daran dachte, wenn ich mir in Erinnerung rief, dass ich mir solch ein Geständnis von Adam so lange gewünscht hatte, erinnerte ich mich auf wieder daran, wie er zu dieser Vermutung kam.

Es war ja so krank, meine Chancen bei Adam stiegen, weil er mich vergewaltigt hatte. Ich wusste einfach nicht damit umzugehen und somit versuchte ich ihm aus dem Weg zu gehen. Nur leider klappte das eindeutig mehr schlecht als recht, schließlich schliefen wir theoretisch in einem Bett, bewohnten ein Zimmer zusammen, waren eigentlich fast den ganzen Tag lang zusammen. Ich hoffte sehr, es würde ihm nicht auffallen, beim letzten Mal, als ich ihm aus dem Weg gegangen war, hatte er es ja auch bemerkt und darauf so schrecklich traurig reagiert, dass ich mich natürlich sofort entschuldigt hatte. Ich bereute es nicht, hätte es auch wieder getan.

„Mr. Sway? Kommen Sie bitte?“, rief die Schwester ins Wartezimmer und lächelte mich an. Ich lächelte etwas verhalten zurück, mittlerweile kannten wir uns schon fast, ich war ja nun schon zum dritten mal hier. Ich wartete noch etwa fünf Minuten im Zimmer des Docs und hätte mich auch sicher nicht beschwert, wenn er sich noch etwas Zeit gelassen hätte. Erstens mochte ich noch immer, oder eher, besonders nach den letzten Wochen, keine Ärzte und zweitens war ich ganz froh mal etwas allein zu sein, nicht dauernd ein unsicheres Lächeln zu zeigen, wenn ich Adam alle paar Minuten über den Weg lief. Es war alles so seltsam, schrecklich seltsam.

„Ah, Hallo Mr. Sway!”, rief Mr. Durham, mein hiesiger Arzt, plötzlich und schreckte mich aus meinen Gedanken. „Hallo“, meinte ich mit einem leisen Lächeln und erhob mich kurz um ihm die Hand zu geben. „Wie geht es Ihnen?“, fragte er und ließ sich mir gegenüber auf seinem Ledersessel nieder. „Mittlerweile eigentlich wieder ziemlich gut“, antwortete ich ehrlich und er nickte. Ein paar Fragen später kam die übliche Aufforderung mich oben herum frei zu machen, da der Doc mich abhören wollte. Ich nahm seine Kommentare alle einfach hin und ließ ihn machen. Eigentlich fand ich es nicht unbedingt toll, dass er mir sagte, dass durch Tabletten nehmen und Überstrapazieren des Körpers auch das Herz angegriffen werden konnte.

Noch dazu wo das bei mir ja gar nicht der Fall war, wie ich wenig später von ihm erfuhr. Danach dauerte es nur noch wenige Minuten und er bestätigte mir endlich, dass eigentlich alles wieder in Ordnung war. Die Warnung, dass ich jemanden suchen sollte, der auf mich aufpasste, ging mir natürlich mächtig gegen den Strich, doch ich schwieg weiterhin. Mir war es immer noch lieber einen Amateurkomiker als Arzt zu haben, als einen Totengräber, wie dieser Mr. Beech einer hätte sein können. Außerdem wollte ich ihn nicht verärgern, damit er weiterredete und das ganz noch etwas dauerte. Doch irgendwann stand ich dann wieder vor der Tür, verabschiedete mich von der Schwester und ging zum Parkplatz.

Steve, der von mir liebevoll „Pseudobodyguard“ getauft worden war und mir seinen Namen zwischenzeitlich verraten hatte, lehnte mit einer Zigarette in der Hand am Wagen. Bob hatte ihm, der ja eigentlich einer unserer Security-Mitarbeiter war, den Job gegeben mich überall hin zu chauffieren, wenn es irgendwelche Termine gab. Er war nach der Sache mit den Typen die mich angeblich verprügelt hatten, noch vorsichtiger geworden und laut ihm war ich ja ein perfektes Opfer für wen auch immer, wenn ich zum Arzt musste, also folgte mir mein privater Bodyguard Steve auf jeden Schritt und Tritt. Grinsend trat er seine Zigarette aus und wir stiegen beide schweigend in den Wagen um zurück zu fahren. Mir war nicht danach zumute.

Bob erwartete mich in der Lobby des Hotels, wie Steve mir erklärt hatte, und dort saß er auch wirklich, mit einem Laptop vor sich und einem Glas Wasser daneben. „Hey Bob“, sagte ich relativ leise um ihn nicht zu erschrecken und ließ mich schräg gegenüber in einen Sessel fallen. Er schreckte nur ganz kurz auf, lächelte und klappte wenig später seinen Laptop zu. „Okay, ich habe eine Kopie der Fragen während des Interviews bekommen, die wichtigsten sollten wir vorab zusammen durchgehen“, meinte er und schob mir ein Blatt Papier über den Glastisch, dass ich sofort in die Hand nahm und überflog. „Die ersten zwei Fragen kannst du denke ich auch so beantworten, du weißt schließlich selbst, wie es dir geht“, erklärte er und grinste. Natürlich wusste und sah er, dass es mir wieder gut ging.

„Frage drei, was unter unserer Begründung für die Unterbrechung zu verstehen ist, sollten wir besprechen. Du weißt, dass wir die Geschichte mit der Prügelei nicht publik machen lassen möchten und du wolltest das ja auch selbst nicht, aber dass diese ganze Sache etwas damit zu tun hat wirst du ja auch nicht bestreiten wollen“, begann er und ich senkte kurz meinen Blick, zwang mich aber wieder aufzublicken und zu nicken. „Du erklärst am besten, dass du wegen des Tourstresses, zu wenig zu trinken, um die körperliche Seite vollends zu erklären und Probleme im privaten Bereich etwas entkräftet warst und einen Kreislaufzusammenbruch hattest“, meinte er und kritzelte irgendwas auf den Zettel in seinen Händen.

„Private Probleme?“, fragte ich ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen und überkreuzte nervös meine Füße. Und wie gewisse private Probleme ihren Teil dazu beigetragen hatten, aber wie sollte Bob das denn bitte wissen? „Nun ja, die Erklärung der Stress wäre dir zu viel geworden stellt die Presse nicht zufrieden. Du kannst dir sicher sein, dass es verzweifelte Nachforschungen geben würde und irgendjemand kann immer etwas davon mitbekommen haben, was geschehen ist. Wir behaupten einfach, du hättest private Probleme, denn über die fragt man euch schließlich nicht aus, und damit hat es sich. Klingt doch vernünftig, oder?“, erklärte er und blickte nun mich fragend an. Langsam nickte ich.

Er hatte schon recht, mit dem was er gesagt hatte, doch es war seltsam, dass unser eigener Manager mich anstiftete, die Presse zu belügen. Jedenfalls war es schließlich für ihn eine Lüge. Nur ob dann nicht doch jemand herausfinden wollen würde, was unter diesen „privaten Problemen“ zu verstehen war, fragte ich mich schon. Nicht, dass ich glaubte, jemand würde es herausfinden, nur die Gerüchte, die das aufwerfen musste, waren mir doch irgendwie unangenehm. Das einzig gute war, dass man mich darauf nicht ansprechen würde, wie Bob gesagt hatte, hatten die meisten Pressefutzis noch genug Anstand so etwas auf sich beruhen zu lassen.

Bob ging mit mir Frage für Frage durch, trichterte mir regelrecht ein, was ich sagen sollte, was mir persönlich aber auch recht war, er hatte eindeutig mehr Durchblick, auf was jede einzelne dieser Fragen abzielte. Mit den Worten, dass ich es jetzt nur noch versauen konnte, wenn noch andere Fragen gestellt werden würden, verabschiedete er sich von mir, da er noch irgendein wichtiges Gespräch mit einem Anwalt zu führen hatte. Ich verließ die Lobby ebenfalls und machte mich auf den Weg nach oben in Adams und mein Zimmer.

„Hey, Paty!“, begrüßte er mich sofort, als ich nach kurzen Klopfen eintrat und stellte den Fernseher aus. Ich mochte es nicht, wenn er mich Paty nannte, auch wenn ich früher mal fast so etwas wie stolz auf diesen Spitznamen gewesen war. Das ganze Wirrwarr in meinem Kopf löste sich jedenfalls erst recht nicht auf, solange ich immer wieder erschrak, wenn er diesen Namen in den Mund nahm. „Und, was hat der Arzt gesagt?“, fragte er und blickte mich mit seinen großen, braunen Augen an. „Er hat endlich sein Okay dazu gegeben, dass ich mich wieder fit nennen darf“, meinte ich und setzte mich etwas erschöpft aufs Bett.

„Das freut mich, wirklich Paty“, lächelte Adam und schaltete den Fernseher wieder an, nachdem wir einige Momente geschwiegen hatten. Mir war auch nicht so recht nach reden, deshalb war es mir recht, dass er sich auf den Fernseher konzentrierte. Im Augenwinkel beobachtete ich ihn etwas dabei, wie er auf dem Sofa mit schräg angezogenen Beinen saß und seinen Kopf mit einem Arm abstützte und diesen wiederum auf der Armlehne des Sofas. Er sah niedlich aus dabei, wie er so hochkonzentriert auf den Bildschirm starrte und ich musste lächeln. Es machte mir mittlerweile wieder Spaß ihn zu beobachten, seitdem mein Kopf sich immer seltener einschaltete, um mir zu sagen, wer er eigentlich war.

Ich versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen, während ich zwischen Ben und Adam auf der Couch saß. Im Hintergrund liefen die üblichen Verdächtigen mit Headset und Klemmbrett durch die Gegend und zählten einen Countdown nach dem anderen, wie es mir schien. „Was zitterst du so?“, fragte Ben und sah mich etwas schief an. Ich blickte auf meine Hände und sah, dass ich tatsächlich ein klitzekleines bisschen zitterte. „Ach, ich bin nur etwas nervös, wegen der Fragen und so“, murmelte ich und räusperte mich kurz. Ich war ja so eine Memme, selbst wegen der paar Fragen machte ich mir schon ins Hemd!

Ben lächelte mir kurz aufmunternd zu und da kam auch schon der „Moderator“ des Interviews angelaufen. Er streckte uns allen drei kurz die Hand hin und setzte sich dann auf den Sessel schräg neben der Couch. „Jonathan, die Haare!“, ertönte noch ein kurzer Aufschrei einer Lady aus der Maske, die postwendend an den Haaren des Moderators herumfuchteln musste und ich fragte mich langsam, weshalb man hier so einen Aufstand machte. Das Interview war ja noch nicht einmal Live. „Alles perfekt? Macht euch bereit. 3-2-1...“, erklang die Stimme des Mannes neben der Kamera und die schon aufgenommene Frauenstimme kündigte das „erste Interview nach ihrer mehrwöchigen Tourneeunterbrechung“ an.

„Herzlich Willkommen. Bei mir sind Adam Towle, Pat Sway und Ben Manican, die beiden Sänger und ihr Drummer. Wir wollen über die letzten Wochen und die Gründe für die Tourneeunterbrechung vor mehr als einer Woche sprechen“, lächelte dieser Jonathan in die Kamera. „Hallo Jungs“, begrüßte er uns für die Kamera noch einmal und wir gaben alle ein kurzes Nicken oder Winken zurück. „Vor mittlerweile acht Tagen gab euer Manager Bob Lackter bekannt, dass eure Tournee für zwei Wochen unterbrochen wird und sich somit alle Konzerttermine um zwei Wochen nach hinten verschieben. Als Grund für diese Unterbrechung wurde uns nur von einem „Problem innerhalb der Band“ berichtet“, leierte John seine Einleitung herunter.

Ich wusste bis dahin noch nicht einmal genau, wie Bob das Ganze der Presse gegenüber genannt hatte. „Wir haben mittlerweile erfahren, dass ein Bandmitglied, Rapper Pat Sway, nach dem Konzert vor neun Tagen in einem Krankenhaus behandelt wurde. Pat, wie geht es dir denn mittlerweile?“, stellte er nun die erste angekündigte Frage und ich holte hoffentlich nicht zu bemerken tief Luft. „Ich bin wieder fit, mir geht es gut“, antwortete ich mit einem kleinen, etwas verschmitzten Lächeln in die Kamera. Bob fand dieses Lächeln angebracht, also zeigte ich es einfach. „Du bist also wieder in der Lage eure Tournee fortzusetzen?“, stellte er Frage Numero 2. und ich antwortete mit einer festen Zustimmung.

„Nun zu der Sache nach dem Konzert, weshalb warst du im Krankenhaus?“, fragte er und ich schluckte kurz bevor ich antwortete. Was hatte Bob gesagt? Im ersten Moment fiel mir nichts mehr von alledem ein und ich konnte mir leibhaft vorstellen, wie flehend er mich gerade angesehen hätte, wenn er mit hergekommen wäre. Ich saß einfach nur mit leicht geöffnetem Mund da und starrte ins nichts, für bestimmt mindestens fünf Sekunden saß ich einfach nur starr da, bis ich wieder zu Worten kam. „Mir... ist der Tourstress in den letzten Tagen und Wochen irgendwie, äh, etwas zu viel geworden und wir hatten an dem Tag von dem Konzert sehr viel zu tun und ich hatte vergessen genügend zu essen und zu trinken und... da es mir aus privaten Gründen schon nicht sehr gut ging, hatte ich nach dem Konzert einen Kreislaufzusammenbruch“, erzählte ich und schluckte immer wieder schwer.

Klang das gekünstelt? Wie auswendig gelernt? Aber es war doch fast wahr! Frage vier bezog sich noch einmal auf mein momentanes Wohlergehen und als fünfte erwartete ich eigentlich eine Frage bezüglich unserer Aktivitäten in den letzten Tagen. Was aber kam war eine vorher nicht bekannte Frage, vor denen ich mich ein klein wenig gefürchtet hatte.

„Seht euch doch mal diesen Mitschnitt vom Konzert an“, meinte John bevor er die Frage stellte und wir blickten gespannt auf einen Bildschirm am Rand. Was kam war eine Art Zusammenfassung der Unterbrechung des Konzerts, ein paar Bilder von mir und auch wenn es keine Nahaufnahmen waren, sah man deutlich, dass ich totenbleich im Gesicht war. Ein paar Bilder davon, wie Adam regelrecht besorgt aussehende Blicke zu mir warf und schon endete die Sequenz. „Die Unterbrechung mitten während des Konzerts dauerte fast 15 Minuten. Was war los?“, fragte John und blickte ausgerechnet mich fragend an. Das war nicht abgesprochen und ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich sagen sollte, ohne mich zu verplappern.

Ich wusste nicht, was die anderen zum Publikum gesagt hatten, während ich noch hinter der Bühne war und hier beim Lügen erwischt zu werden, würde sehr, sehr unangenehm werden. Leider waren Adam und Ben der Meinung, ich hätte auch diese Frage vorher schon gekannt und kamen mir somit auch nicht zur Hilfe. Ich fühlte mich ja so hilflos und spielte nur etwas nervös mit meinen Fingern. Ich bekam schon wieder kein Wort raus, musste mittlerweile bestimmt rot wie eine Tomate sein und meine Hände waren total schweißnass. Cool bleiben, Pat! Was regst du dich so auf? Das ist ein harmloses Interview, ein paar blöde Fragen, es ist doch völlig egal, was du diesem Kerl jetzt sagst und ob es stimmt!

„Ich hab doch schon beim Konzert gesagt, dass Pat einen dringenden Anruf entgegennehmen musste, was ich von einem der Security-Mitarbeiter signalisiert bekommen hatte“, sprach Adam plötzlich ganz lässig und ich atmete höchstwahrscheinlich etwas zu offensichtlich auf. Worauf wollte dieser John überhaupt nicht seiner Frage hinaus? Ich verstand es nicht und wollte es auch gar nicht verstehen, genauso wenig, wie ich verstehen wollte, weshalb ich so aufgeregt war. Bei einem war ich mir jedoch sicher und zwar, dass mir Aufregung eindeutig nicht gut tat. Was war ich doch für ein Weichei geworden...

Ich konzentrierte mich nicht mehr auf den Rest des Interviews, ein paar belanglose Antworten, doch Adam und Ben übernahmen das Meiste. Ich versank in Gedanken und starrte auf den Tisch vor unseren Füßen. Ich merkte nicht einmal, wie das Interview beendet wurde, bis Ben mich anstupste und sanft am Arm hochzog. „Komm schon, du hast es hinter dir“, lächelte er mich an und schob mich langsam vor sich her. Ich war noch immer regelrecht durch den Wind, auch wenn ich mir nicht erklären konnte, was diese Aufregung und diese plötzliche Uninteressiertheit sollte. Was war denn nur los mit mir? Ich konnte mir nicht mehr erklären, was da mit mir vorging. Kaum wurde ich, aus welchem Grund auch immer, in die Enge getrieben, wollte ich mich am liebsten verstecken und heulen.

Solch ein Feigling war ich doch früher nie gewesen? Warum fühlte ich mich nur so seltsam? Was war denn verdammt noch mal mit mir los? „Pat? Hey Pat, komm endlich wieder zu dir!“, rief Adam mir ins Gesicht und schüttelte mich etwas an der Schulter. Ich war völlig in Gedanken versunken. Meine Normalität, auf die ich in den letzten Tagen fast stolz war, war weg. Wie als hätte die Frage von diesem John eine Mauer um mich eingerissen, die mich davor bewahrt hatte, von jemandem angegriffen zu werden. Dabei hatte er mich doch gar nicht angegriffen? „Komm“, meinte Adam plötzlich relativ leise, legte mir einen Arm auf den Rücken und zog mich mit.

Stumm setzte ich mich neben ihn in den Wagen und blickte auf dem Weg zum Hotel ununterbrochen aus dem Fenster. Was war das nur? Was war das, weshalb ich mich so verdammt mies fühlte, wenn mich jemand in die Enge trieb? Es war eine Frage, eine einfache Frage, die ich genauso einfach hätte beantworten können. Was war nur los? „Pat, du träumst schon wieder, wir sind da“, sagte Adam und schob mich aus dem Wagen. Draußen schloss ich für einen ganz kleinen Moment meine Augen und atmete tief durch. Das musste weggehen und ich versuchte mir einzureden, dass es das auch sehr bald tun würde. Ich war immerhin jemand, ich hatte Verantwortung in meiner Band und musste mit ihr zurecht kommen.

„Kommst du, Pat?“, fragte Adam leise und ich öffnete erschrocken meine Augen, da ich schon wieder nicht recht bemerkt hatte, dass ich in Gedanken versunken war. „Äh... ja... klar“, stammelte ich und versuchte ein kleines Lächeln, ich musste sicher völlig zerstreut ausgesehen haben. „Dann komm“, meinte Adam noch immer genauso leise, als ich mich nicht in Bewegung setzte und griff plötzlich nach meiner Hand. Er zog mich hinter sich her Richtung Fahrstuhl und ich blickte ununterbrochen auf seine Hand, die sich mit sanftem Druck um meine gelegt hatte. Warum machte Adam nur so etwas? Warum hatte er gerade meine Hand genommen?

Ich schüttelte leicht den Kopf. Bleib auf dem Boden Pat, das war eine Freundschaftsgeste! Wenig später kamen wir oben auf dem Gang an und Ben durchsuchte seine Hosentaschen nach dem Zimmerschlüssel, fand ihn aber nicht und Adam meinte, er solle ruhig mit zu uns rüber kommen, bis Jason wieder da wäre, wo immer der auch war. Ben nickte und so gingen wir alle drei zu Adam und mir ins Zimmer. Ich ließ mich aufs Bett fallen und schloss meine Augen. Ich hätte heulen können, ich fühlte mich so hilflos, meinen Gefühlen einfach ausgeliefert.

„Sag mal, wann wird das Interview eigentlich gesendet?“, hörte ich Ben nach einiger Zeit Schweigen fragen, hörte allerdings keine Antwort von Adam, also musste er wohl mich gemeint haben. Etwas widerwillig öffnete ich meine Augen und setzte mich wieder auf. „Keine Ahnung, Bob sagt uns bestimmt vorher bescheit“, meinte ich nur und ließ mich wieder nach hinten fallen, nachdem die beiden genickt hatten. Ich wollte jetzt nicht reden, ich wollte am liebsten ganz alleine sein. Ben und Adam schwiegen, jedoch drang nach einiger Zeit irgendeine Stimme, scheinbar aus dem Fernseher, zu mir durch. Ich war ganz froh darüber, dass die beiden sich mit irgendetwas beschäftigten und mich nicht ansprechen würden, vor allem nicht auf dieses Interview ansprechen würden. Es war mir ja so schrecklich peinlich.

Nach ein paar Minuten klopfte es leise. Ich kniff meine Augen noch etwas fester zusammen und hoffte, dass an der „Ich sehe dich nicht, also siehst du mich auch nicht“-Theorie doch etwas dran war. Ich wollte einfach nicht angesprochen werden, ganz egal, wer da gerade hereingekommen war. Schon nach den ersten Worten stellte sich heraus, dass es Jason war und zu meinem Glück sprach er mich nicht an, sondern fragte nur, wie das Interview gelaufen war. Ben verschwand schon wenig später wieder mit ihm, er wollte schließlich in ihr Zimmer und hatte ja seinen Schlüssel vergessen. „Pat?“, kam dann leise Adams Stimme, nachdem die beiden anderen uns alleine gelassen hatten und er schaltete den Fernseher aus.

„Ja?“, brachte ich nur noch leiser heraus und machte keinerlei Anstalten meine Augen zu öffnen oder aufzustehen. Bevor ich Adam allerdings etwas sagen hörte, senkte sich plötzlich das Bett neben mir etwas, er hatte sich scheinbar neben mich gesetzt. Ganz leise seufzte ich, ich wollte jetzt nicht reden, aber auf die Idee das einfach zu sagen, kam ich nicht. „Du, sag mal, was war denn vorhin beim Interview mit dir los? Du wirkst so verstört seitdem“, fragte er ganz leise und ich spürte seine Hand kurz, fast kaum merklich durch meine Haare streichen. Ich schluckte schwer und atmete tief durch. „Ich war nur nervös. Es... es war nun einmal das erste Interview und ich wusste nichts von der Frage, was während des Konzerts gewesen war. Ich wollte nichts Falsches sagen“, erklärte ich leise.

„Aber weshalb bist du denn so nachdenklich seitdem? Du machst mir Angst, wenn du so in Gedanken versunken bist“, fragte Adam weiter und wurde gegen Ende hin immer leiser. Ich zuckte zusammen als er das sagte und schlug meine Augen auf. Warum machte ich ihm Angst, wenn ich in Gedanken war? „Du guckst dann immer so komisch“, erklärte er scheinbar etwas verlegen und sah mich schrecklich traurig an. Er machte mich schon wieder so durcheinander, was sollten diese Fragen? Was sollte nur dieser blöde, traurige Blick, der mir jedes mal einen Stich ins Herz versetzte und mir wahnsinnige Schuldgefühle einbrachte, wenn er wegen mir so guckte? Ich verstand es nicht, ich konnte es einfach nicht verstehen.

„Ich... Ich weiß nicht, was du meinst“, stammelte ich fast flüsternd und schluckte wieder schwer. „Ach Pat... Du hast uns etwas versprochen“, seufzte Adam und blickte mich ein klein wenig vorwurfsvoll an. „Ich weiß, aber es geht mir nicht schlecht, wirklich nicht“, beteuerte ich und sah ihn hoffentlich überzeugend an. „Ach Pat...“, seufzte er nur wieder, rutschte plötzlich etwas näher und legte sich neben mich. Eine Hand legte er über meine Brust auf meine Schulter und bewegte sanft seine Finger. „Sei nicht so nachdenklich, Paty, das Interview lief doch sonst gut, dass du nervös warst ist doch okay“, meinte er leise, worauf ich nur nickte. Er hatte ja recht, mit seinen Worten, doch er wusste ja nicht alles.

„Vergiss das doch einfach alles, Paty, nach dem ersten Konzert ist wieder alles vergessen, dann kümmert sich niemand mehr um die letzten zwei Wochen und für dich ist das dann auch viel einfacher, so wegen nervös sein. Mach dir keine Sorgen“, murmelte er leise und kuschelte sich mit geschlossenen Augen an mich. Und diesmal störte leider mein Verstand diese eigentlich schöne Situation und schon wieder kam die Frage in mir auf, ob sich das gut oder schlecht anfühlte. Dieser bittere Beigeschmack kam auf der Stelle dazu und sofort fühlte ich mich denkbar unwohl. Ich merkte, dass ich meine Tränen nicht mehr zurück halten konnte und fing leise an zu weinen.

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