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Jetzt oder nie

Teil 1

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Vorwort

Dies ist meine erste selbstverfasste Geschichte (wenn man von denen absieht, die ich gezwungenermaßen für die Schule geschrieben habe), also seid etwas nachsichtig mit mir, und natürlich bin ich jederzeit für Anregungen, Ideen, Lob oder Kritik aufgeschlossen. Falls ihr also eine tolle Idee habt, was Marius noch erleben könnte, teilt es mir ruhig mit.

[Nachtrag April 2005]

Nachdem sich hier so lange nichts getan hat, schreibe ich nun wieder fleißig, die nächsten Fortsetzungen (Teil 4 und 5) sind in Planung. Als erstes habe ich jeweils das Vorwort aller drei Teile überarbeitet, eine sanfte Überarbeitung der Geschichte werde ich eventuell auch noch in Angriff nehmen (nur Kleinigkeiten).

 

Ich liege alleine am Strand und die Sonne scheint mir auf den Körper.

Alleine? Das scheint wohl ein Irrtum gewesen zu sein, denn irgendjemand schmiegt sich gerade von der linken Seite eng an mich.

Oho, das muss wohl meine Freundin sein. Ich drehe mich langsam nach links, lasse dabei aber meine Augen geschlossen, um mich ganz ihren Zärtlichkeiten hingeben zu können. Sanft streichen ihre Hände über meinen Körper und berühren mich an Stellen, die garantiert noch niemand im Nachmittagsprogramm des ZDF zu sehen bekommen hat. Langsam beginne auch ich ihren Körper zu erkunden und taste mich sanft, ganz sanft bis zu ihrer intimsten Stelle vor...

Aber, oh mein Gott! Das fühlt sich dort unten aber ganz und gar nicht weiblich an. Deutlich fühle ich in ihrer Hose das, was sie bei mir sicherlich auch gespürt hat: eine nicht zu verachtende Beule...

Moment mal! Eine Beule?? Ruckartig öffne ich meine Augen und blicke in das lächelnde Gesicht ... eines braungebrannten Jungen!

Oh mein Gott! Ein Junge?! Vollkommen konfus blicke ich umher und sehe plötzlich in die entsetzt aussehenden Gesichter meiner Familie und meiner Schulkameraden.

Auf einmal schreit irgendeiner von ihnen: »Na, jetzt schaut euch mal diese Schwuchtel an!«

Nein, das ist doch nicht irgendeiner, das ist mein eigener Vater, der das gerade sagt. Es scheint mir so, dass alle diese Personen mich verächtlich anlächeln, während sie uns beide in einem Halbkreis umringen und angaffen.

Ich verstehe jetzt wirklich die Welt nicht mehr, wie bin überhaupt in diese verzweifelte Situation geraten? Ich bin doch immer so bemüht gewesen, meine kleine »Schwäche« vor jedem geheim zu halten, doch auf einmal scheint es jeder zu wissen, aber was mir noch viel wichtiger erscheint ist die Frage, woher denn auf einmal der gut aussehende Junge neben mir herkommt. Ich bin schließlich so konsterniert, dass das einzige, was ich noch wahrnehme, das monotone Surren des Meeres ist.

Moment mal! Das SURREN des Meeres?!

...

Schweißgebadet schrecke ich hoch und schaue mich um ...

Der Sand, das Meer und auch alles andere, das in irgendeiner Form Ferienstimmung vermitteln könnte, sind verschwunden, ich befinde mich wieder, und darüber muss ich vor Erleichterung fast schon aufseufzen, in meinem eigenen Zimmer.

Das einzige Geräusch, das an meine Ohren dringt, ist das ohrenbetäubende, markerschütternde, aber in diesem Moment gleichzeitig auch unendlich erlösende, Surren meines Weckers.

Puh, das ist wohl alles nur ein böser, böser Traum gewesen.

Ein paar Momente brauche ich noch, um mich zu erholen, aber dann sind meine Gedanken schon fast wieder geordnet.

»Verdammter Mist«, denke ich bei mir, »warum, verflucht noch mal, meldet sich dieser beschissene Wecker an einem Samstagmorgen um sieben Uhr?!«

Im selben Augenblick bin ich allerdings auch schon wieder erleichtert.

Erstens darüber, dass sich dieser Satz nur in meinen Gedanken abgespielt hat, und meine Mutter nicht mein reichhaltiges Repertoire an »Kraftausdrücken« (um einmal ihren Ausdruck dafür zu benutzen) nicht zu Kenntnis nehmen muss. Oh ja, mit so etwas ist bei meiner Mutter nicht zu spaßen, das weiß sogar meine sonst so großmäulige kleine Schwester Sabine.

Zweitens bin ich nun doch ziemlich froh, dass der Wecker mich aus diesem Alptraum herausgerissen hat, bevor noch irgendetwas Schlimmeres passieren konnte. Obwohl, wenn ich mir das noch mal recht überlege, wäre der Wecker dafür doch gar nicht mehr nötig gewesen, denn wer weiß nicht, dass man sowieso immer im furchtbarsten Moment des Traumes aufwacht.

Seufzend beschließe ich, dass mein Bedarf am Wahrwerden meiner meistgefürchteten Phantasien für die nächsten Jahrzehnte gedeckt ist und stehe schließlich schweren Herzens auf.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals an einem schulfreien Tag so früh aufgestanden zu sein, und verfluche mich innerlich auch dafür, allerdings ist mir eine gewisse Müdigkeit doch wesentlich lieber als die Gefahr, noch einmal in einem solchen Traum zu landen.

Um endgültig aufzuwachen, beschließe ich zunächst einmal gründlich zu duschen. Während solch ein »Duschvorgang« bei mir sonst öfters ziemlich lange dauern kann, weil ich es wirklich genieße das heiße Wasser über meinen Körper fließen zu lassen, bringe ich das heute wesentlich schneller, tief in Gedanken versunken, hinter mich.

Mit einem Mal sind mir wieder alle meine ungelösten Probleme vergegenwärtigt worden. Die letzten Wochen hatte ich immer wieder versucht, mich durch die verschiedensten Dinge von alldem abzulenken, doch jetzt scheint alles wieder näher als jemals zuvor zu sein.

Mir ist eigentlich schon seit einiger Zeit klar, dass ich eher Jungen als Mädchen nachstarre, wobei »starren« dabei durchaus wörtlich zu nehmen ist, allerdings weiß das außer mir noch niemand. Es ist mir schon schwer genug gefallen, es mir selbst überhaupt einzugestehen, geschweige denn, es irgendjemandem anders zu erzählen.

Ich kann mir schon genau vorstellen, was besonders meine netten Klassenkameraden dann für Wörter für mich hätten. Man sollte ja eigentlich denken, dass Gymnasiasten in der zehnten Klasse schon über das Alter hinaus sein müssten, in dem Schwule einfach nur als »perverse Arschficker« bezeichnet werden, doch irgendwie zweifle ich daran, wenn ich mir einige Typen da so anschaue.

Nicht zuletzt deshalb, weil ich mir in meiner Situation so vollkommen einsam vorkam, war ich in meiner Familie mit Abstand der größte Befürworter eines Internetanschlusses gewesen, den wir dann schließlich letztes Jahr zu Weihnachten auch bekamen. Vielmehr bekam ich ihn, denn der Computer steht seitdem in meinem Zimmer, allerdings dürfen auch die anderen Familienmitglieder mit meiner freundlichen Genehmigung ab und an im Internet surfen.

Die anderen Familienmitglieder, das sind meine kleine Schwester, die ja schon eben einmal Erwähnung fand, mein großer Bruder Jonas, der jedoch momentan mit seiner Stufe auf einer sogenannten Studienfahrt in Prag unterwegs ist (wobei »Studienfahrt« genauso gut auch durch »Sauffahrt« ersetzt werden könnte, aber das nur am Rande) und natürlich meine Eltern.

Es scheint so, dass sich selbst meine zunächst skeptische Mutter inzwischen mit der großen, weiten Welt des Internets angefreundet hat.

Das würde sich wohl aber wieder schlagartig ändern, wenn sie wüsste, auf welchen Seiten ich normalerweise surfe, wenn ich mich unbeobachtet fühle. Aber das muss ich wohl niemandem genauer erklären, ich schätze, dass ich da nicht der einzige bin.

Als ich fertig bin mit Ankleiden, herrscht im Haus immer noch eine himmlische Stille. So etwas weiß man wirklich zu schätzen, wenn man ansonsten ständig die Quäkstimme seiner kleinen Schwester zu hören kriegt. Ich beschließe aus einer plötzlichen Eingebung heraus, meinen Eltern einen Gefallen zu tun und sie mit einem erstklassigen Frühstück zu beglücken. Nun ja, zumindest so erstklassig, wie es meine Qualitäten als Hausmann zulassen.

Eine halbe Stunde später bin ich allerdings wirklich zufrieden mit dem Ergebnis meiner Anstrengungen, die Küche riecht nun wunderbar nach frischem Kaffee und Croissants. Anscheinend ist dieser Duft auch meinen Eltern nicht verborgen geblieben, denn schon etwas später höre ich die beiden die Treppe herunterkommen.

»Wahnsinn, womit haben wir das denn verdient?« Das war meine Mutter, die über diese Überraschung sichtlich erfreut ist.

»Na ja, ich wollte euch einfach mal eine Freude machen, wo ich euch doch sonst so viel Kummer bereite.« Das breite Grinsen auf meinem Gesicht ist kaum zu übersehen, als ich genau den Tonfall meiner Mutter treffe, wenn sie mich mal wieder ausschimpft.

»In Ordnung, Marius, die Show ist vorbei, die Nummer mit dem kleinen Mustersöhnchen nimmt dir sowieso seit zehn Jahren keiner mehr ab. Wofür brauchst du denn mal wieder Geld?« Aha, das konnte ich mir ja gleich denken, dass mein Vater mich mal wieder durch den Kakao ziehen muss.

»Also, Papa, wenn du so etwas von mir denkst, dann gehe ich jetzt wohl besser.« Sage ich mit gespieltem Ernst in der Stimme und bewege mich langsam, ganz langsam in Richtung Tür. Doch wie ich erwartet hatte, fängt mich mein Vater vorher ab und umarmt mich.

»Hey, das war doch nicht böse gemeint. Natürlich freuen wir uns, wenn sich unser ansonsten nutzloser Sohn endlich mal um den Haushalt kümmert. Außerdem bist du der einzige, der genau weiß, was wir hier gleich essen werden, falls wir morgen mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus liegen.«

Durch das Gelächter meiner hochverehrten Eltern angesteckt, kann auch ich mir das Lachen nicht mehr verkneifen und meine Laune bessert sich schlagartig.

Während der nächsten halben Stunde sind alle meine Probleme erst mal vergessen, wir frühstücken zusammen ganz in Ruhe, was besonders der Abwesenheit meiner lieblichen kleinen Schwester zu verdanken ist.

Schließlich lehnt sich mein Vater stöhnend zurück und sagt: »O Mann, so gut habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen«, was ihm einen wütenden Blick meiner Mutter einbringt, die ihm jedoch im nächsten Moment zustimmt: »Ich denke wir haben hier eine wirkliche Begabung von dir entdeckt, und glaube mir, viele Frauen wünschen sich einen Mann, der auch im Haushalt helfen kann.«

Auweia, das saß. Mit einem Mal ist alles wieder da, der Traum erscheint klar vor meinen Augen, insbesondere die entsetzten Blicke meiner Eltern. Meine Mutter scheint sofort zu merken, dass mit mir irgendetwas nicht stimmt und schaut mich beunruhigt an: »Hey Marius, falls ich etwas Falsches gesagt habe, tut es mir leid!«

Ich blicke etwas verstört auf und stottere: »Nein, nein ist schon okay. Mir ist nur etwas im Hals stecken geblieben. Entschuldigt mich bitte, ich gehe nach oben in mein Zimmer!«

Schnell lasse ich meine verdutzten Eltern in der Küche zurück und renne nach oben. Und ob mir etwas im Hals stecken geblieben ist!

Genau das sind die Situationen, die ich am meisten fürchte: Entweder eine Anspielung auf mein späteres, ach so glückliches Familienleben mit mindestens 15 süßen, schnuckeligen Kinder oder diese ständige Fragerei, ob ich denn nun endlich eine Freundin hätte.

Besonders mit dem zweiten Punkt nervt mich mein bester Freund Sascha immer wieder gerne, zumal er selbst mindestens alle paar Wochen mit »einer Neuen« auftaucht. Na gut, er sieht ja auch nicht so schlecht aus mit seinen haselnussbraunen Augen und den fast schwarzen Haaren. Dennoch könnte ich mich nie in ihn verlieben, er ist halt mein bester Freund und außerdem ist er definitiv »vom anderen Ufer«.

Ich muss wohl ziemlich lange so auf meinem Bett gelegen haben, denn plötzlich klingelt es an unserer Tür Sturm. Im ersten Moment schrecke ich zusammen, doch dann schaue ich auf die Uhr, und mir wird klar, dass das Sascha sein muss, schließlich waren für 11 Uhr zum Mathelernen verabredet.

Na klar, wer klingelt auch sonst schon so penetrant, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Ich stürme nach unten, reiße die Tür auf und blicke in das grinsende Gesicht meines besten Freundes.

»Na, du kleines Allroundgenie, bereit, einen Analphabeten in die großen Geheimnisse der Mathematik einzuweihen?«

Das musste ja wieder kommen! Er kann es einfach nicht lassen, mich mit meinen guten Noten aufzuziehen, aber kann ich etwa irgendetwas dafür, dass meine Leistungen trotz Faulheit immer recht gut sind?

»Komm rein, du Spinner!«, fällt mir dazu nur noch ein und renne mit ihm zusammen nach oben in mein Zimmer.

Die nächste halbe Stunde arbeiten wir wirklich intensiv an dem, was die Lehrer so gerne »Analysis« nennen, doch dann passiert das, was eigentlich immer geschieht, wenn wir zusammen für die Schule lernen: Wir lassen uns nur zu gerne ablenken und schließlich landen wir zusammen vor meinem Computer. Seltsam, dass die Zeit beim Lernen immer im Schneckentempo vergeht, während sie am Computer geradezu zu verfliegen scheint. Plötzlich spüre ich einen unheimlichen Druck auf meiner Blase, das ist wohl doch ein wenig zu viel Kaffee heute Morgen gewesen.

Als ich wieder mit erleichterter Blase in mein Zimmer zurückkehre, beäugt Sascha gerade kritisch eine meiner Disketten.

Oh mein Gott! Das ist nicht EINE Diskette, sondern DIE Zip-Diskette, auf der ich die »Erfolge« meine Erkundungstouren durchs Internet gespeichert habe.

Ich renne also wie ein Irrer durch mein Zimmer und reiße Sascha die Diskette aus der Hand. Der guckt mich zunächst ziemlich verdutzt an und sagt dann: »Hey Marius, was ist denn in dich gefahren, ich wollte dir die Disc doch nicht klauen.«

»Die geht dich nichts an, das ist meine Privatsache!« Na toll, beglückwünsche ich mich innerlich, was für eine diplomatische und vor allen Dingen unauffällige Antwort.

»Was soll das, Marius? Du müsstest eigentlich ganz genau wissen, dass ich mich nie an deinen privaten Dingen vergreifen würde. Komm schon, du hast doch irgendwas!«

Noch während er spricht schaut er mir intensiv in die Augen.

Verdammt, wenn ich doch nicht immer so leicht erröten würde!

»Hey, ich dachte, wir wären Freunde. Na los, mir kannst du es doch erzählen!«

Der Unterton in seiner Stimme ist fast schon so fordernd, dass aus der Bitte ein Befehl geworden ist. Ganz langsam fange ich an zu sprechen, nicht ohne einen letzten verzweifelten Blick an die Zimmerdecke zu werfen: »Ähm, Sascha, also es gibt da etwas, was...«.

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