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Mein bester Feind

Teil 8

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Inhaltsverzeichnis

 

„Da ist ja der Held von Justingen.“ Nils grinste mich breit an, als ich am folgenden Freitag Morgen, dem letzten Schultag vor den Herbstferien, auf ihn an unserer Stelle vor der Bäckerei Junghans traf, wo er genauso wie jeden Morgen vor der Schule auf mich wartete.

Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen: „Erinnere mich nicht daran.“

Natürlich hatte ich Nils noch am vorigen Abend angerufen und ihm erzählt, dass ich seiner Mutter einen Protest-Besuch abgestattet und anschließend gemeinsam mit seinem Bruder Torsten die zwei Typen aufgemischt hatte, die mich angegriffen hatten (gut... Torsten hatte sie aufgemischt, während ich wie ein verängstigtes Huhn daneben gestanden war).

„Du hast dich doch anscheinend gut geschlagen“, erwiderte Nils. „Ich habe gestern nach deinem Anruf noch mit Torsten telefoniert und er sagt, dass du gar nicht soooo Scheiße bist.“

Ich schmunzelte verblüfft: „Wie rührend.“

„Du kannst dich geehrt fühlen, Miguel. Ein größeres Kompliment wirst du von Torsten nicht bekommen.“

Zur Unterstreichung dieses Satzes drückte Nils mir einen feuchten Schmatzer auf die Wange.

„Aha? Solltest du mir den Kuss auch von Torsten übergeben?“

„Nee. Ich hab ihm gesagt, das soll er schon selber machen.“

Jetzt musste ich echt lachen. Das Kopfkino, wie Torsten mir einen Schmatzer aufdrückt, war echt skurril: „Das hättest du aber nicht sagen müssen.“

„So bin ich eben“, tat mein süßer Geliebter gönnerhaft.

„Dann gib mir aber wenigstens einen richtigen Kuss.“

Nils erfüllte mir die Bitte und ich bekam nun einen Zungenkuss, der keine Wünsche offen ließ. Natürlich war mir klar, dass wir dabei auch heute wieder aus der Bäckerei heraus beobachtet wurden und ich konnte mir vorstellen, wie man sich dort drinnen über diese Unsitte echauffierte. Aber mehr, als ein bisschen Schadenfreude, löste dieser Gedanke nicht in mir aus.

Nach dieser fröhlichen und ziemlich sexy Begrüßung war unser Gespräch auf dem Weg zur Schule deutlich ernster. Ich erfuhr, dass Torsten tatsächlich vorhatte, sich noch an diesem Tag wieder bei seinen und Nils' Eltern einzunisten, um ihre Mutter vor dem gewalttätigen Ehemann zu beschützen und auch im Bezug auf Nils und mich auf ihn einzuwirken.

„Uns kommt es beiden so vor, als ob Papa dabei ist, zu eskalieren“, erklärte Nils mir.

„Was?“

„Wir glauben, die Demütigung, einen offen schwulen Sohn zu haben, der sogar noch mit einem Ausländer zusammen ist, heizt ihn so an, dass er sich selbst nicht unter Kontrolle hat. Und Torsten will ihm jetzt jedes Mal einen Satz heiße Ohren verpassen, wenn er nicht spurt.“

„Bei euch herrschen Sitten...“, sinnierte ich vor mich hin und war froh, dass Nils diesem Wolfsrudel, das seine Familie war, zumindest vorerst entkommen war. „Mensch Nils. Ich bin immer noch der Meinung, dass du deinen Vater anzeigen solltest, damit das mit dem Sorgerecht gut für uns ausgeht. Klar gehen wir damit auch das Risiko ein, uns Feinde zu machen. Aber so oder so ist es Scheiße.“

Nils gab mir einen neckischen Klaps in den Nacken: „Torsten macht das schon, du süßer kleiner Pessimist.“

„Hmmm“, brummte ich unzufrieden.


Während des Schultags weihten wir auch Basti, Sophie und Anton in die aktuellen Geschehnisse ein und für mich bedeutete das einen dreifachen Rüffel im Bezug auf mein unvorsichtiges Handeln. Zumindest Nils hatte mich in Schutz genommen, als ich mir von Basti die Frage gefallen lassen musste, wie dumm man eigentlich sein konnte und mir auf diese wahrscheinlich eher rhetorisch gemeinte Frage die plausiblen Antworten fehlten. Aber Nils war anzumerken, dass er stolz auf mich war für meinen Einsatz, auch wenn ich ihm versprechen musste, so etwas nie wieder zu tun. Nach der Schule kam Nils direkt mit zu mir nach Hause.

Der Freitag war nämlich als Familientag geplant, obwohl unsere Clique uns gefragt hatte, ob wir mit ihnen den Nachmittag verbringen wollten. Doch nun, wo abzusehen war, dass es nur noch eine Frage von Tagen war, bis Nils zu uns kommen sollte, lag uns daran, dass Nils sich schon mal einlebte. Gerade auch, weil zu erkennen war, dass meine Eltern in diesen Tagen des Umbruchs für ihn am ehesten die natürlichen Bezugspersonen waren.

Und so hatten wir zwei, nachdem wir von der Schule heim gekommen waren, ein für mich eher zweifelhaftes Vergnügen. Weil Papa nämlich freitags schon um 14 Uhr Feierabend machte, wollten wir mit dem Mittagessen noch auf ihn warten. Hauptsächlich auf Nils' Bitten hin gab es wieder Mamas Hühnchen-Paella, die ihm bei seinem ersten Besuch bei uns so gut geschmeckt hatte. Und weil Nils, seit er bei den Schirmachers untergebracht war, sich fürs Kochen begeisterte, wollte er bei der Zubereitung unbedingt dabei sein und mithelfen. Und ich, als jemand, der sich lieber bekochen ließ, als aktiv mitzumachen, wurde natürlich auch eingespannt.

Zumindest war mal wieder die Stimmung gut, als auf der Herdplatte der Reis vor sich hin köchelte, Mama die Hähnchenbrust in Streifen schnitt, Nils sich mit der Paprika abmühte und die undankbare Aufgabe des Zwiebel-Schneidens an mir hängen geblieben war.

„Und wie läuft es bei dir in der Schule, Nils?“, wollte Mama wissen. Sie haute die Hähnchen-Streifen in die Pfanne und gemeinsam mit dem Brutzeln verbreitete sich der leckere Duft von gebratenem Fleisch in dem kleinen Raum.

„Gut. In der Mathe-Arbeit von letzter Woche hab ich sogar eine Eins Minus geschrieben.“

„Oh. War das dieselbe Arbeit, in der Miguel eine Drei bis Vier geschrieben hat?“ - Mama warf mir einen schrägen Blick zu, der mich bitter grinsen ließ.

„Ja“, antwortete Nils. „Seit ich bei den Schirmachers wohne, ist das einfach etwas ganz anderes. Wenn du dich einfach mal zwei, drei Stunden in dein Zimmer zurückziehen kannst, um zu lernen, ohne dass jemand reinkommt, um mit irgendwelchem Rotz zu nerven, der dich abhält...“

„Ja? Und mit welchem Rotz wurdest du bei deinen Eltern genervt?“, fragte meine Mutter zwar beiläufig, aber ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie innerlich vor Neugier brannte.

„Na, meine Eltern wollten immer kontrollieren, ob ich nichts Falsches lerne. Geschichte oder Gemeinschaftskunde konnte ich vergessen. Wenn mich Mama oder Papa dabei erwischt hatten, gab es immer eine politische Gardinenpredigt.“ Nils begann jetzt mit verstellter Stimme, seinen Vater nachzuäffen. „'Der Judenstaat und seine Drecks-Vasallen wollen dich nur unterwerfen und dein Gehirn waschen. Hör mir zu, Junge. Ich sag dir jetzt, wie es wirklich war...', hat Papa dann gesagt und dann kam ich die nächste Stunde nicht mehr zum lernen. Dann musste ich mir Papas Lebensweisheiten anhören.“ Nils lachte jetzt amüsiert auf. „In letzter Zeit hab ich's so gemacht, dass ich, wenn ich Geschichte gelernt habe, immer das Physikbuch mit auf dem Schreibtisch liegen hatte, damit ich es schnell drüber legen konnte, falls Papa rein kam.“

„Krass“, murmelte ich vor mich hin, wobei es mir nicht richtig gelang, mitzulachen.

„Und deine Mutter? Hat die dir auch solche Gardinenpredigten gehalten?“, wollte Mama wissen.

„Jaaaa – nein – manchmal“, zauderte Nils. „Meistens hat sie mir nur gedroht, sie würde das Papa sagen, wenn sie gesehen hat, dass ich mich mit der 'Lügen-Polemik' beschäftige. Nur wenn sie getrunken hat, hat sie mir die Bücher weggenommen oder mich zugelabert.“

„Oh. Hat deine Mutter nachmittags schon getrunken?“

„Ja“, lachte Nils. So als wenn er eine lustige Familien-Anekdote erzählen würde. „Sie hat im Schrank über der Spüle immer ihre Rumflasche stehen und da nimmt sie zwischendurch einen Schluck oder schüttet sich davon in den Kaffee. Sie dachte immer, ich wüsste das nicht. Aber ich hab sie schon dabei beobachtet und den Unterschied, ob sie nüchtern ist oder nicht, bemerkt man ja auch.“

„Ah ja“, tat Mama fröhlich und ich schätzte, den Blick, den sie mir zuwarf, bekam Nils gar nicht mit. Ich hatte Mama und Papa gegenüber schon geäußert, dass ich vermutete, dass Nils' Mutter ein Alkoholproblem hätte. Dabei hatte ich ihr aufgequollenes Gesicht als Argument benutzt. Aber bei den drei Unterhaltungen, die ich bis dahin mit ihr gehabt hatte, war mir auch immer ein zwar dezentes, aber auch verräterisches scharfes Aroma in ihrem Atem aufgefallen. Nils' Aussage war jetzt vielleicht keine Bestätigung, aber sie erhärtete den Verdacht.

Mama versuchte das Thema zu wechseln, wohl weil sie ahnte, dass wir uns auf dünnem Eis bewegten: „Na... Du könntest ja über die Herbstferien Miguel Nachhilfe in Mathe geben, Nils.“

„Ich brauche keine Mathenachhilfe“, motzte ich.

Nils zuckte mit der Schulter: „Klar. Falls es etwas bringt“, und ich hätte in die Luft gehen können. Nils hatte meinen Einwand total ignoriert und der pfiffige Blick, den er mit Mama austauschte, sprach Bände. Hatte Nils sich wirklich mit meiner Mutter gegen mich verschworen?!

Und Mama ließ sich voll darauf ein: „Wenn du ihn motivieren kannst, wird das schon etwas bringen, Nils. Miguel ist ja nicht blöde, sondern nur faul.“

„Wir können es zumindest probieren“, tat Nils nachdenklich. „Das Eine schließt das Andere zwar nicht aus, aber einen Versuch ist es wert.“

„Hey!!!“, beschwerte ich mich und wusste nicht recht, ob ich lachen oder empört sein sollte. Das konnte ja heiter werden, wenn das ab jetzt immer so weiter ging.

Papa hatte, nachdem er gegen halb Drei nach Hause gekommen war, natürlich auch nichts gegen eine leckere Paella einzuwenden. Nils war mal wieder richtig goldig, als wir dann wie eine Familie zu viert am Tisch saßen und schlemmten und er Papa mit vollem Mund und großen Augen vorschwärmte, wie wir gekocht hatten.

„Aus dir wird noch ein richtiger Sternekoch, Nils“, lobte Papa ihn daraufhin mit seinem für ihn typischen Humor in der Stimme und ich konnte es mir kaum verkneifen zu lachen, als ich sah, wie Nils daraufhin verlegen errötete.

Ernster wurde es, als Papa Nils auf das unausweichliche Thema ansprach, wie es nun mit seinem Vater weiterginge, der ja versuchte, das Sorgerecht zurück zu klagen.

„Eine Anzeige kommt für mich nicht infrage“, erklärte Nils auch ihm und Mama in einem eher ungewöhnlichen 'Basta'-Tonfall, der keinen Zweifel ließ, dass ihm das Thema auf den Sack ging. Dann zeichnete sich doch der Hauch eines schelmischen Grinsens in sein Gesicht. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich das schon regeln wird.“ Er warf einen verschmitzten Blick zu mir, den ich mit Augenrollen quittierten. Natürlich hatte er seinen Bruder Torsten im Sinn. Aber ich hatte so meine Zweifel, dass dieser den wild gewordenen Braunen Bernd auf Dauer unter Kontrolle halten konnte.

Nachdem Nils nun auch meinen Eltern zwar einigermaßen charmant, aber doch ziemlich unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er über dieses Thema nicht mehr reden wollte und Mama und Papa auch einsahen, dass sie nicht weiter kamen, wechselten wir wieder das Thema. Es ging hin und her. Papa erzählte von seiner neuen Arbeitsstelle, Mama von ihren Abenteuern als Hausfrau und Mutter (wobei herauszuhören war, dass sie sich darauf freute, wenn sie am folgenden Montag endlich ihren Halbtagsjob als mobile Altenpflegerin antreten konnte), und Nils und ich quatschten über unsere Erlebnisse in der Schule und der Freizeit. Auch da wurde mir wieder schmerzlich bewusst, wie viele Geheimnisse ich noch vor meinen Eltern hatte. Gerade während dieser einen Woche war so vieles passiert und ich musste höllisch aufpassen, mich nicht zu verplappern.

Aber es ging gut. Nils und ich halfen noch beim Abwasch mit, weil Papa so etwas wie eine Spülmaschinen-Phobie hatte, und als die Küche sauber war, tippte Nils mich an: „Was meinst du, Miguel? Gehen wir in dein Zimmer? Dann können wir gleich ein bisschen Mathe lernen.“

„Wer's glaubt“, ulkte Papa, der es kaum schaffte, nicht in Lachen auszubrechen und klopfte Nils mit beiden Händen auf die Schulter.

„Doch. Echt“, tat ich fromm. „Wir haben mit Mama ausgemacht, dass Nils mir Nachhilfe in Mathe gibt, weil ich dumm und faul bin. Und es bietet sich ja an, dass wir heute gleich anfangen.“

„Also gut, Selbsteinsicht ist ja schließlich der erste Schritt zur Besserung. Dann geht mal lernen. Aber seid bitte nicht wieder so laut.“

„Oh... Papaaaa“, seufzte ich genervt. Natürlich hatte ich die Anspielung verstanden, auf unser wenige Tage zurückliegendes erstes Mal, bei dem Nils und ich mitten in der Nacht etwas übereifrig gewesen waren.

„Schon gut. Viel Spaß beim Pauken“, tat Mama versöhnlich, aber mit einer dicken Prise Ironie in der Stimme, die ich gekonnt ignorierte.

„Danke. Auf geht’s, Nils.“ - Um weiteren peinlichen Dialogen aus dem Weg zu gehen, schob ich meinen Liebsten an der Schulter aus der Küche.

Wenige Sekunden später hatten wir meine Zimmertür hinter uns geschlossen. Ich stellte mich Nils gegenüber, legte meine Unterarme auf seine Schulter und schmollte ihn hoffentlich einigermaßen erotisch an: „Na, mein süßes Blondchen, was machen wir nun mit dem angebrochenen Tag?“

„Das was wir gesagt haben. Mathe lernen“, entgegnete Nils ohne den Hauch einer Emotion in der Stimme und kramte dabei in seiner Hosentasche.

„Ist nicht dein Ernst.“ Ich versuchte zwar weiterhin verführerisch zu klingen, tat mir aber schwer damit. Ich trat einen Schritt näher an Nils, so dass wir uns an den Brustkörben berührten, aber Nils schob mich zwar sanft, aber auch bestimmt von sich weg.

„Wir haben deinen Eltern versprochen, dass wir jetzt Mathe lernen und nach allem, was sie für uns getan haben, sind wir ihnen diese Ehrlichkeit auch schuldig.“

„Mann, Nils...“

Nils hatte nun sein Smartphone aus der Tasche geholt und wischte darauf herum. Dabei glaubte ich ein schalkhaftes Blitzen in seinen Augen zu sehen: „Ich hab da so eine Mathe-Lern-App, auf der ich oft für Arbeiten übe. Da kannst du das Thema und die Schwierigkeitsstufe eingeben und du bekommst dann per Zufallsgenerator Aufgaben gestellt.“

„Na toll. Mein Freund, der Streber“, maulte ich vor mich hin und konnte nur den Kopf schütteln. Im Leben wäre ich nicht auf die Idee gekommen, mir eine Mathe-App runterzuladen, geschweige denn, damit zu üben.

„Ganz genau, Miguel. Dein Freund der Streber... Wir spielen jetzt ein Spiel, das nennt sich Strip-Mathe.“

„Strip-Mathe???“

„Wir lösen immer abwechselnd Aufgaben und wer eine Aufgabe richtig hat, darf dem Anderen ein Kleidungsstück ausziehen.“

Nun musste ich lachen. Das war doch mal eine interessante Lernmethode: „Sagen wir zwei Kleidungsstücke, damit es nicht ewig dauert. Und wer seine Aufgabe falsch macht, muss dem Anderen einen Wunsch erfüllen.“

Wir zwei grinsten uns verschworen an und dann ging die Mathe-Nachhilfe los. Klar war mir bewusst, dass ich bei diesem Strip-Mathe nur als Verlierer vom Feld gehen konnte, aber das war mir egal. Hauptsache, ich würde zu meinem Ziel kommen. Und tatsächlich war Nils so nachsichtig zu mir, dass er mir auf dem Lösungsweg meiner Aufgaben auch Hilfestellungen gab, so dass die Kleidungsstücke nach und nach fielen und ich nebenbei sogar noch ein bisschen schlauer wurde.

Nur muss ich jetzt zugeben, dass wir das Strip-Mathe-Spiel nicht bis zum Ende spielten. Als wir beide nur noch sehr leicht bekleidet waren, hatte Nils eine Aufgabe versemmelt und ich wünschte mir dafür eine Massage. Und ich muss sagen, die Massage, die Nils mir verpasste, war so gut und erotisch, dass wir nicht mehr zu den Mathe-Aufgaben zurückkehrten, sondern uns nun voll und ganz der Biologie widmeten. Dieses Mal waren wir zwar bemüht, beim Sex leiser zu sein, als beim ersten Mal, und trotzdem war er sinnlich und einfach nur wundervoll. Fast genauso schön wie das wilde Treiben fand ich das anschließende beieinander-Liegen, bei dem wir verträumt und zärtlich kuschelten und nur wenig redeten. Mir wurde in diesen Momenten so richtig bewusst, dass wohl genau das der Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft war, von dem ich mich immer gefragt hatte, ob es den überhaupt gab. Ich hatte meinen Arm angewinkelt auf Nils' Brust liegen und Nils legte nun seinen Unterarm an meinen Unterarm, so dass sie sich der Länge nach berührten und streichelte gedankenversunken über beide Arme.

„Schön. Oder?“, murmelte er.

„Hmh.“

„Ich liebe den Kontrast von unserer Haut.“

Wenn ich mir anschaute, wie unsere Arme nebeneinander auf Nils Brust lagen, konnte ich ihm nur zustimmen. Das hatte etwas. Nils' Haut, die sehr hell war und meine, die nun im späten Oktober zwar blasser war, als im Hochsommer, aber immer noch eine kräftige Bräune hatte, schien im Einklang so gut zu harmonieren, wie Nils und ich das charakterlich auch taten. Allen rassistischen und homophoben Unkenrufen, die wir uns schon hatten anhören müssen, zum Trotze.

Nils blieb an diesem Freitag auch noch zum Abendessen, aber danach fuhr er mit dem Rad zurück nach Gomadingen zu den Schirmachers. Es war schon schwer genug gewesen, ihnen abzuringen, dass er die folgende Nacht von Samstag auf Sonntag wieder bei uns übernachten durfte. Aber zwei Nächte hintereinander wollten ihn seine derzeitigen Pflegeeltern nicht freigeben. Doch das war okay. Wir waren ganz froh, dass die Schirmachers Nils inzwischen die Freiheiten gewährten, die das Jugendamt auch forderte. Ich vermutete, sie hatten sich inzwischen damit abgefunden, dass ihr Engagement nur von vorübergehender Dauer sein sollte und dass sie auch ganz froh darüber waren. Bisher waren sie als Notfall-Pflegeeltern schließlich nur für kleine Kinder eingesprungen. Einem schwulen Jugendlichen mit eigenem Kopf waren sie mit ihrem antiquiert-christlichen Weltbild anscheinend nicht gewachsen.


Für Nils und mich war es am folgenden Samstagabend dann naheliegend, ins Jugendzentrum zu gehen, wo wir einige Freunde und nette Leute gefunden hatten, und das taten wir auch. Es wäre eigentlich genau an diesem Tag gewesen, an dem ich nach Andalusien fliegen wollte, um über die Herbstferien meine Verwandten und Großeltern zu besuchen, während sich Mama und Papa in ihren neuen Arbeitsstellen abrackerten. Aber weil sich die Ereignisse derzeit Tag für Tag überschlugen, hatte ich es mir anders überlegt. Statt bei fast dreißig Grad die Sonne auf meinen Bauch brutzeln zu lassen, hatten Nils und ich uns mit unseren Freunden Anton, Basti und Sophie zu einem schönen Abend im älbischen Schmuddelwetter verabredet. Weil es in Münsingen für Jugendliche und junge Erwachsene wenig Alternativen zum samstäglichen Ausgehen gab, war das Jugendzentrum an diesem Abend gut gefüllt. Es tat richtig gut, wie herzlich Nils und ich von denen, die wir schon vom Mittwoch kannten, begrüßt wurden. Sogar diejenigen, die uns nicht so wohlgesonnen gewesen waren, waren nicht auf Stunk aus, sondern einfach aufs Feiern.

Die Stimmung war an diesem Samstag sowieso ganz anders, als am vorangegangenen Mittwoch, an dem ich zum ersten Mal im Jugendzentrum war. Damals ging es eher ums Diskutieren und um sozialen Kram. Samstags ging es dagegen ganz klar ums Party machen. Ich könnte jetzt fies sein und die Stimmung als Dorfdisco-artig abtun. Mit der bunten Partykeller-Beleuchtung, den knapp 50 Jugendlichen, von denen mir inzwischen die meisten Gesichter bekannt vorkamen und die teilweise desinteressiert wirkend rumhingen, teilweise angeregt redeten, Billard spielten oder auf der freien Fläche zwischen Tresen, Billardtisch und Sitzgruppe zu Chartspop tanzten (oder eher twerkten) und dem mageren Achim hinter dem Tresen, dem das Wort 'Sozialarbeiter' sprichwörtlich auf der Stirn stand, trifft es diese Beschreibung sogar ziemlich gut. Aber trotz der Provinzialität gefiel es mir hier. Das Jugendzentrum strahlte an diesem Abend eine Wohlfühl-Atmosphäre aus, wie man sie sich als 16-jähriger an einem Samstagabend wünscht.

Unsere kleine Clique hatte sich ziemlich schnell zerstreut. Die frisch verliebten Basti und Sophie hatte es schon bald zum Hinternwackeln auf die Tanzfläche verschlagen und aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie sich Anton mit Max und Niclas aus seiner alten Clique aussprach. Der Oberstänkerer André war an diesem Abend zum Glück nicht da und wahrscheinlich sah auch deshalb das Gespräch zwar angeregt, aber auch ziemlich harmonisch aus.

Nils und ich waren anfangs noch eher zurückhaltend. Wir saßen am Tresen, tranken Cola und unterhielten uns mit Achim, der die Aufsicht und die Getränkeausgabe unter sich hatte und mit Pascal und Juliette, von denen ich schon am Mittwoch den Eindruck gewonnen hatte, dass sie so etwas wie die guten Seelen des Jugendzentrums waren.

Wir hatten uns nun mit dem Rücken zur Bar gedreht, um die Tanzenden zu beobachten und Nils konnte natürlich nicht anders, als zu lästern: „Sieht mir ein bisschen so aus, wie eine Mischung aus Let's Dance und Bauer sucht Frau.“

„Alter!!!“ Juliette boxte ihn lachend gegen den Arm. „Willst du behaupten, dass es bei dir besser aussieht?“

„Ja. In Fachkreisen nennt man mich sogar den schwäbischen Fred Astaire. Ich will es hier nur nicht so heraushängen lassen.“ Er wendete sich demonstrativ an Achim. „Gibst du mir noch 'ne Cola?“

Juliette stand auf und nahm Nils an der Hand: „Die Cola kannst du später noch trinken. Jetzt will ich erst einmal den schwäbischen Fred Astaire mit seinem Don Juan tanzen sehen.“ Sie blickte nun zu mir, wobei ich gerade darüber nachdachte, wer eigentlich dieser Fred Astaire sein sollte. „Nun, ihr zwei Turteltäubchen. Beeindruckt mich.“

„Was hab ich denn damit zu tun?“, beklagte ich mich, weil ich – spanisches Blut hin oder her – gar kein Gefühl für rhythmische Körperbewegungen hatte.

Aber ich kam nicht drum herum. Pascal war so freundlich, mir aufzuhelfen und dann gingen wir zu viert zur Tanzfläche. Wobei auch Pascal, der mit seinen dreizehn oder vierzehn Jahren auch heute zu den Küken hier drinnen zählte und Juliette, die ich eher auf Siebzehn oder Achtzehn schätzte, ein mindestens genauso ungewöhnliches Tanzpärchen abgaben, wie Nils und ich.

Wir Beiden starteten zwar ziemlich lustlos. Aber nach kurzer Zeit ließen wir uns bei dem Lied 'Aurélie' von den Helden, das sich hier in Münsingen als Gassenhauer entpuppte, von der Stimmung anstecken. Genauso wie die anderen auch, schwenkten wir einigermaßen rhythmisch die Hüften, wedelten mit den Armen in der Luft und grölten lauthals die Textzeilen aus unseren Kehlen. Es war genau dieses Lied und diese aufkommende Stimmung, die so etwas wie einen Suchtfaktor weckte. Über Stunden tanzten und twerkten wir, dass uns in dem kleinen, mittlerweile von erhitzten Körpern aufgeheizten Raum der Schweiß lief und ab und zu gingen Nils und ich sogar auf Tuchfühlung, wenn es schmalziger wurde. Es war ein glücklicher und unbeschwerter Abend, den wir an diesem Samstag im Jugendzentrum verbrachten. Zum ersten Mal hatten wir in der Öffentlichkeit als zwei Jungs miteinander getanzt und bis auf ein paar schräge Blicke von Jungs, die sich wohl als Machos fühlten, wurde das als normal akzeptiert. Als wir gegen Mitternacht die Party-Location verließen, die schon bald in der regionalen Presse eher für eine schwere Straftat bekannt sein würde, als für fröhlich feiernde Teenager, waren Nils und ich von einer aufgekratzten Fröhlichkeit erfüllt. Wir mussten gar nicht darüber reden, um zu wissen, dass wir hier regelmäßig unsere Wochenend-Abende verbringen wollten.

Es war schon alles dunkel in der Wohnung, als Nils und ich nach Hause gekommen waren, denn meine Eltern lagen schon im Bett. Nach einem kurzen Mitternachts-Snack in der Küche zogen auch wir zwei uns in mein Zimmer zurück, um den gelungenen Tag zärtlich ausklingen zu lassen. Wie fast immer, wenn er in mein Zimmer kam, ging Nils' sehnsüchtiger Blick zu dem großen Landschaftsposter über meinem Schreibtisch, das den Strand von Nerja in Andalusien in diesem tollen Farbenspiel des Morgenrots zeigte.

„Tut es dir nicht leid, dass du jetzt, über die Herbstferien, nicht dort bist?“, fragte er, ohne mir direkt in die Augen zu schauen.

Ich schüttelte mit dem Kopf: „Eigentlich nicht. Das nächste Mal, wenn ich nach Andalusien fliege, bist du dabei. Versprochen.“

Ich las in Nils' Augen, wie er vom Meer, das er noch nie in seinem Leben gesehen hatte und von der großen weiten Welt zu träumen begann, so wie er es wahrscheinlich schon oft getan hatte und träumte nun selbst davon, ihm diesen Wunsch bald erfüllen zu können. Auch heute Nacht waren wir beim körperlichen Genuss wieder leise genug, um sicher zu gehen, dass wir damit meine Eltern nicht um den Schlaf brachten. Und trotzdem ließen wir nichts an Leidenschaft vermissen.

Aus unserem Schlaf der Gerechten wurden wir durch hektisches Rumoren und dem Diskutieren meiner Eltern auf dem Flur geweckt. Es war schon hell in meinem Zimmer, weil ich die Rollläden nicht ganz unten hatte, und ein Blick auf meinen Radiowecker ließ mich erkennen, dass es 9:11 Uhr war. Nils, der gleichzeitig mit mir wachgeworden war, schaute mich aus verschlafenen Augen aus nächster Nähe an, während er genauso wie ich dem hitzigen Gespräch vom Flur lauschte.

„Wir müssen sofort den Notruf anrufen, Fernando.“ Die Stimme meiner Mutter überschlug sich hysterisch, was so gar nicht zu ihr passte.

Papa versuchte hörbar Ruhe auszustrahlen, aber auch seine Stimme war zittrig: „Beruhige dich, Ines. Es wurde ja niemand verletzt.“

„Noch nicht. Aber das war doch nur ein Anfang. Ich rufe jetzt zumindest die Eins Eins Null. Die sollen etwas unternehmen, bevor doch noch jemand zu Schaden kommt.“ Pause. „Das kann doch nur wegen Nils gewesen sein.“

„Vielleicht. Ich suche die Nummer von der Ortspolizei raus und dann erstatten wir Anzeige“, entgegnete Papa beschwichtigend.

Nils war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen und auch ich hatte ein Gefühl im Magen, als ob ich mich gleich übergeben müsste. Während sich das Gespräch ins Esszimmer verlagerte und wir deshalb nur noch Wortfetzen verstanden, schlüpften Nils und ich schnell in unsere Kleidung, die wir am Vorabend getragen hatten und keine zwei Minuten später traten wir unausgeschlafen und mit zerzausten Haaren ins Esszimmer, wo Papa gerade das Telefon in die Ladestation steckte. Er zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, während Mama einem Nervenzusammenbruch nahe war.

„Was... Was ist denn passiert?“, stotterte ich und hatte eine Vorahnung, dass ich die Antwort gar nicht hören wollte.

„Das Auto“, stammelte Mama auch nur.

Ich warf einen Blick zu meinem Vater, aber er schaute nur bedeppert das Telefon an, mit dem er eben gerade bei der Polizei angerufen hatte. Statt nachzuhaken, ging ich direkt ins Treppenhaus und durch die Haustür, um mir selbst ein Bild davon zu machen, was mit unserem Familien-Auto los war. Nils folgte mir auf den Schritt und mit etwas Verzögerung kamen auch meine Eltern hinterher.

Als ich in die Auffahrt kam, wo der BMW stand, sah ich auf den ersten Blick, dass etwas nicht stimmte. Er sah ein bisschen kleiner aus und schien eine Schieflage zu haben. Erst beim zweiten Hinsehen bemerkte ich, dass der Eindruck daher kam, dass alle vier Reifen platt waren. Beim genauen Betrachten waren auch die länglichen Einstich-Löcher zu erkennen, deren Ränder leicht nach außen gestülpt waren und die bestimmt mit einem Messer verursacht worden waren. Mit zittrigen Knien ging ich dicht gefolgt von Nils um den Wagen herum. An der Fahrertür war etwas in den Lack geritzt. Vielleicht mit demselben Messer, mit dem die Reifen zerstochen worden waren, vielleicht auch mit einem Schlüssel. Das Wort, dass dort eingekratzt war, war nur schwer zu entziffern. Aber mit ein bisschen Konzentration gelang es mir, es zu entschlüsseln:

VERRECKT

„Oh Gott“, stöhnte ich mit einem plötzlichen Anflug von Schwindel. Die Hoffnung, dass Nils' Bruder Torsten für Ruhe sorgen konnte, an die ich sowieso nicht so richtig geglaubt hatte, zerplatzte nun endgültig wie eine Seifenblase. Ich wusste nicht, wer das gewesen war. Vielleicht Nils' Vater. Oder Carsten und Bolle, die sich nach Torstens Eingreifen bestimmt gedemütigt fühlten. Vielleicht sogar jemand ganz anderes, der durch unser Kussfoto und die Hetzereien in den Nazi-Foren angestachelt worden war. Ich war mir nur bewusst darüber, dass die Gewaltspirale noch lange nicht durchbrochen war. Die Frage, wohin das alles noch führen würde, jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken.

Dank meines eigenen Ohnmacht-Gefühls hatte ich gar nicht mitbekommen, dass Nils einen Schritt zurückgetreten war und ihm Tränen über die Wangen liefen. Ich ging zu ihm und drückte sanft seine feuchte Wange an meine Schulter: „Nicht doch, Nils.“

„Daran bin nur ich schuld“, jammerte er. „Nur weil ihr mir helfen wollt, werdet ihr jetzt selbst zu Opfern.“ Ich streichelte ihm hilflos über den seitlichen Hals und Nils nuschelte verzweifelt: „Vielleicht wäre es besser für uns alle, wenn ich doch bei den Schirmachers bleibe. Oder wieder zurück zu meinen Eltern gehe.“

Nun waren auch Papa und Mama zu uns gekommen. Mama streichelte Nils an der Schulter und Papa zupfte ihn aufmunternd am Ohrläppchen: „Das kommt gar nicht in Frage, Nils. Wir stehen das zusammen durch, wir sind doch jetzt schließlich eine Familie.“ Er grinste Nils einfühlsam an. „Ab sofort bist du offiziell der Blonde Garcia.“

Eins musste man Papa lassen. Wenn es darauf ankam, war er in solchen Situationen genial. Nils lächelte ihn aus rotgeweinten Augen an: „Klingt interessant... Der Blonde Garcia...“

Bis die Polizei eintraf, dauerte es geschlagene anderthalb Stunden. Und als dann die beiden Beamten in Form eines in die Jahre gekommenen hageren Walross-Schnurrbart-Trägers, der sich sichtlich nach seiner Kaffeetasse auf dem Revier sehnte und einer sehr jungen Blondine, die zwar motiviert wirkte, aber anscheinend auch nicht viel zu melden hatte, um das Auto liefen, Fotos machten und die Einstich-Löcher in den Reifen vermaßen, hätte ich mich schon wieder ärgern können. Papa hatte dem Polizisten mit dem dicken Schnurrbart unsere Lebenslage genauer erklärt, als es mir eigentlich recht war und hatte auch den Verdacht geäußert, dass es sich bei dem Täter um Nils' Vater handeln konnte.

Daraufhin wackelte der Polizist, der sich mit dem Namen Kinkel vorgestellt hatte, klugscheißerisch mit seinem Schnauzbart: „Schön, dass Sie uns mit Ihren Spekulationen die Ermittlungsarbeiten abnehmen wollen, Herr Garcia“, meinte er höhnisch, dann ernster: „Ich glaube eher, dass es sich bei den Tätern um dumme Jugendliche handelt. Wenn die Buben unbedingt in die Öffentlichkeit posaunen müssen, dass sie... homosexuell... sind, müssen Sie sich darüber auch nicht wundern.“

„Herr Wachtmeister...“, seufzte Papa bittend und an Kinkels Gesichtsausdruck konnte man lesen, dass mein Vater mit dieser Anrede in einen Fettnapf getreten war.

Dafür schmunzelte die junge Polizistin namens Nottmaier etwas schadenfroh: „Wir werden Herrn Lange sicherlich einen Besuch abstatten und uns seine Ansicht zu der Sache anhören.“ Sie blickte zu ihrem Kollegen. „Oder Helmut?“

„Hmm.“

„Der wird doch sicher alles abstreiten“, warf Mama ein.

„Zumindest weiß er dann, dass wir ihn auf dem Kieker haben – falls er überhaupt etwas damit zu tun hat. Solche Delikte werden sowieso nur selten aufgeklärt, aber wir tun, was wir können.“ Der unsympathische Bulle wendete sich an seine Kollegin. „Machst du den Schreibkram mit ihnen, Nancy?“

Das tat die Polizistin, indem sie die Anzeige meiner Eltern schriftlich aufnahm. Keine zwanzig Minuten, nachdem das Polizeiauto angekommen war, waren die Polizisten auch wieder verschwunden und Mama, Papa, Nils und ich waren noch frustrierter, als vor deren Eintreffen.

„Da hätten wir auch beim Gesangsverein anrufen können, statt bei der Polizei. Das hätte genauso viel gebracht“, maulte Papa und schaute dem blau-weißen Fahrzeug hinterher, das gerade um die nächste Ecke bog.

Mama versuchte mit einem Blick, als ob sie in eine saure Zitrone gebissen hätte, Zuversicht auszustrahlen: „Die werden sich schon drum kümmern. Das müssen sie ja.“

„Dein Wort in Gottes Ohr.“

„Und wenn sie jetzt wirklich zu Nils' Vater gehen und der hat in Wirklichkeit gar nichts damit zu tun?“, gab ich zu bedenken. „Dann wird er nur noch saurer auf uns.“

„Jetzt sei mal nicht so pessimistisch, Miguel. Der steht mit einem Bein im Knast. Da wird er sich genau überlegen, was er machen kann und was nicht.“

Ich wollte meiner Mutter erwidern, aber da fiel mir ein, dass sie ja gar nichts von den Schlägern wusste, die der Braune Bernd trotz seiner Bewährung auf mich angesetzt hatte. Ich nickte nur und behielt für mich, für wie unberechenbar ich Nils' Vater tatsächlich hielt. Nils machte sich anschließend auf den Weg nach Gomadingen zu seinen Pflegeeltern, denn er hatte ihnen versprochen, zum Mittagessen zu Hause zu sein.

Am restlichen Sonntag herrschte in der Familie so etwas wie eine Katerstimmung. Spätestens jetzt war uns allen so richtig bewusst, was es für uns bedeutete, dass wir Nils bei uns aufnehmen wollten. Ich schätzte, das Gefühl von Sicherheit, das ich schon am letzten Montag bei der Attacke auf mich verloren hatte, war jetzt auch bei meinen Eltern abhanden gekommen. So etwas oder sogar Schlimmeres konnte jetzt immer wieder passieren. Das war uns allen bewusst. Nils und ich hatten zumindest das Glück, dass Mama und Papa dank ihrer eigenen schwierigen Vergangenheit eher trotzig wurden, als zu verzagen. Dieses Gefühl des Rückhalts war echt Gold wert. Zumindest hatten wir das Glück, dass Papa bei einem nachmittäglichen Anruf Herrn Gepard, einen münsinger Reifenhändler, dazu motivieren konnte, das Auto abzuholen und neue Reifen drauf zu machen.


Am Montag, dem ersten richtigen Ferientag, ging es mir wieder besser. Ich schlief bis in die Puppen und weil an diesem Tag auch Mama ihren ersten Arbeitstag hatte, hatte ich nach meinem Aufstehen um Viertel vor Zwölf die Wohnung für mich alleine. Im Schlafanzug setzte ich mich mit einem Nudelauflauf aus der Mikrowelle und einer Coke-Zero, die ich aus der Flasche trank, an den Wohnzimmertisch, aß und guckte dazu Richter Hold auf Sat1. Der Schock vom gestrigen Tag war zwar nicht ganz vergessen, aber dank der Entspannung konnte ich ihn zumindest ein bisschen in den Hintergrund drängen. Dazu checkte ich mein Smartphone. In der Whatsapp-Gruppe meines Freundeskreises hatte am Vormittag schon einiges an Geschäftigkeit geherrscht, die aber bis dahin komplett an mir vorbei gegangen war.

Schon um kurz nach Acht hatte Sophie begonnen, den Tag zu planen:

Sophie: 'Treffen wir uns um 14 Uhr im Eiscafé?'

Nach und nach waren die Bestätigungen meiner Freunde eingegangen. Basti war um 9:52 Uhr der letzte gewesen, der mit einem 'Jo klar', geantwortet hatte, danach gingen die Lästereien los.

Anton: 'Miguel? Jemand zuhause?'

Nils: 'Vor 12 steht der nie auf.'

Sophie: 'Faule Socke :-D'

Nils: 'Du sagst es.'

Mit einem immer breiter werdenden Grinsen las ich die lange Latte an teilweise richtig lustigen Neckereien, ehe ich mich dazu bequemte, zu antworten: 'Bin auch dabei. Und lästert beim nächsten Mal gefälligst so über mich, dass ich es nicht mitbekomme. Danke :-D.'

Sofort kam wieder Leben in unsere Whatsapp-Gruppe. Nun bekam ich kaum noch etwas vom Richter Hold mit und mein Essen wurde auch kalt, weil ich die ganze Zeit am Tippen war.

Pünktlich – naja, fast pünktlich – betrat ich das Eiscafé Pinocchio, das dabei war, sich zum Stamm-Treffpunkt unserer Clique zu entwickeln. Nils und Anton saßen schon an dem Tisch, an dem wir auch beim letzten Mal gesessen waren, während von Sophie und Basti noch nichts zu sehen war. Ich gab Nils einen flüchtigen Kuss auf die Wange und setzte mich zu den Beiden.

„Hey, Miguel“, begrüßte mein Blondchen mich. „Habt ihr die Sache von gestern gut verdaut?“

„Hhm. Geht so.“

„Was war denn?“, mischte sich Anton neugierig ein.

„Das erzählen wir später, wenn die anderen zwei auch da sind.“

Fast im selben Moment kam Enzo, der Kellner und Besitzer des Eiscafés, an unseren Tisch: „Ein Amore-Eisbecher für die jungen Herren?“, fragte er mit seiner lockeren Art und seinem italienischen Akzent, weil er ja wusste, dass wir ein Paar waren und unsere Vorlieben kannte – zumindest was das Eis betraf.

„Du kannst Gedanken lesen“, schmunzelte ich und Anton bestellte sich gleich noch einen Sicilia-Becher dazu.

Es war nun schon zwanzig nach zwei und von Sophie und Basti war immer noch nichts zu sehen.

„Das ist doch unfassbar“, stöhnte ich. „Da denkt man, dass Basti endlich pünktlicher wird, wenn sich Sophie um ihn kümmert und am Ende ist es genau umgekehrt.“

„Die...“, wollte Anton ansetzen, dann ging sein Blick zur Tür. „Ah, da kommen sie ja.“

Fast schon übertrieben turtelnd kamen die Zwei auf uns zu und auf Nils' Lippen zeichnete sich ein schmutziges Grinsen: „Jetzt wird’s aber Zeit. Habt ihr noch gefickt oder was?“

Unter dem Tisch trat ich meinem Liebsten auf den Fuß, der daraufhin das Gesicht verzog. Denn er hatte die Frage laut genug gestellt, um auch die Tische um uns herum daran teilhaben zu lassen.

„Wir können zumindest ficken, ohne dass wir...“, setzte Basti zu einer vermutlich schlagfertigen Antwort an, aber bevor er sich um Kopf und Kragen reden konnte, hatte Sophie ihn an den Oberarm geboxt und Basti beendete seinen Satz mit einem halbherzigen: „Ähm... ja.“

„So. Dann wäre das auch besprochen“, seufzte Anton amüsiert.

Wir wechselten nun das Thema, aber die Stimmung blieb zumindest so lange gelöst, bis Enzo uns unser Eis gebracht hatte und bei Basti und Sophie die Bestellung aufnahm. Danach wurde es ernster, weil Nils und ich unsere Freunde über die neuesten Geschehnisse informierten. Alle drei waren geschockt, als sie erfuhren, was nun schon wieder passiert war.

„Das war doch bestimmt wieder dein Vater, Nils“, spekulierte Basti und Sophie hängte ein schnippisches: „Oder Torsten“, dran.

Nils, der seinen Bruder immer noch liebte, schaute Sophie beleidigt an und auch ich sprang ihm zur Seite: „Dass es Torsten war, glaube ich nicht. Der hat zwar viele schlechte Seiten, aber ich halte ihn zumindest nicht für hinterhältig.“

„Genau“, brummte Nils.

Anton versuchte die Dissonanz zwischen Sophie und Nils zu schlichten: „Die Polizisten finden es hoffentlich heraus und dann herrscht endlich Ruhe.“

„So wie die sich gestern aufgeführt haben, glaube ich das nicht“, erwiderte ich. „Die haben sich ihre Notizen gemacht, legen alles auf den großen Aktenstapel - und fertig.“

„Na toll“, murmelte Basti.

Nils schob sich einen Löffel Eis in den Mund, dann raunte er: „Zumindest haben Miguel und ich später noch einen Termin. Da erfahren wir vielleicht mehr.“

„Haben wir das?“, fragte ich erstaunt.

„Ja.“ Er warf einen schrägen Blick mit Naserümpfen zu Sophie. „Mit Torsten. Um 18 Uhr.“

„Ah ja.“ - Ich war mir alles andere als sicher, ob ich mich wirklich noch einmal mit Torsten treffen wollte. Aber da musste ich wohl durch. Und weil er ja, so viel ich wusste, seit letztem Freitag wieder in Nils' Elternhaus lebte, standen die Chancen auch wirklich gut, dass Torsten ein gewisses Insider-Wissen mit sich führte.

„Und wo trefft ihr euch?“, hakte Sophie nach und Nils motzte: „Das geht dich gar nichts an.“

Wir restlichen drei lachten immer offener über den kleinen Zickenkrieg, der sich an unserem Tisch um die Integrität von Nils' Bruder abspielte.

„Wo treffen wir uns mit Torsten?“, fragte ich dann in betont beruhigendem Ton.

„Am Stadtbach hinter der Wiesenstraße.“

An der Mimik meiner Freunde konnte ich erkennen, dass dieser Treffpunkt allen außer Nils nicht gefiel. Nils erkannte das auch.

„Was?!“, seufzte er resigniert.

„Dir ist schon bewusst, dass das ganz schön abgelegen ist“, sprach ich meine Sorge aus.

„Na und? Du hast doch selbst mitbekommen, dass uns Torsten nichts macht.“

Nun mischte sich auch der eher zurückhaltende Anton ein: „Wäre es nicht besser, wenn wir mitkommen? Wir können ja so auf Distanz bleiben, dass Torsten uns nicht sieht“, und Basti fügte an: „Vielleicht ist es ja wirklich eine Falle, mit der ihr gar nicht rechnet. Vielleicht hat ja auch dein Vater wieder etwas eingefädelt.“

Nils runzelte die Stirn. Er wirkte zwar weiterhin bockig, aber der Gedanke schien ihn auch ein bisschen zu verunsichern: „Tut was ihr nicht lassen könnt. Und wenn die Schlägerbande dann kommt, könnt ihr alle aus eurem Versteck heraus hüpfen, die Hände in die Luft werfen und 'Buh' rufen. Das vertreibt sie dann bestimmt.“

Sophie beugte sich über den Tisch zu Nils und gab ihm einen nassen Schmatzer auf die Wange: „Danke, Nilsi. Du bist soooo süß.“

„Ja ja.“


Als es Abend wurde, machte sich in uns allen ein Gefühl der Spannung breit. Den ganze Nachmittag hatten wir uns herumgetrieben, gechillt und uns dank der angenehmen und witzigen Gesellschaft trotzdem nicht gelangweilt. Um zwanzig nach Fünf – wir hatten uns auf den Schulhof unserer verwaisten Realschule zurückgezogen, um das Dolce Vita der Herbstferien zu genießen – machten sich Sophie, Basti und Anton auf den Weg, um sich schon ein geeignetes Versteck zu suchen und ließen Nils und mich in der einsetzenden Dämmerung zurück. Wir saßen nebeneinander auf der Tischtennisplatte und hätten jetzt eigentlich in einer einigermaßen romantischen Atmosphäre noch Zeit zum Fummeln gehabt. Doch nachdem unsere drei Freunde aus dem Sichtfeld verschwunden und auch außer Hörweite waren, schaute Nils immer noch abwesend auf den Boden zwischen seinen baumelnden Füßen.

Ich streichelte ihm mit den Fingerrücken über die Wange: „Was ist los, Hase?“

Zumindest der 'Hase' brachte ihn leicht zum Lächeln und er drehte den Kopf zu mir: „Hmm, ich weiß auch nicht. Das Ganze macht mir echt Angst.“

„Du meinst wegen Torsten?“

„Nein. Nicht wegen Torsten. Die Sache mit eurem Auto gestern... Ich hab heute Nacht kein Auge zugemacht. Deine Eltern sind toll, Miguel. Dass sie sich so für dich und sogar für mich einsetzen, ist unglaublich.“ Ich legte meine Hand in seinen Nacken und griff dort zärtlich zu und Nils redete nach einer kurzen Pause weiter. „Aber was ist, wenn es das nächste Mal nicht bei einer Sachbeschädigung bleibt? Was, wenn die Nazis beim nächsten Mal mitten in der Nacht euer Haus abfackeln?“ Nils schaute mich aus müden Augen an. „Was?“

„Das... Das wird schon nicht geschehen.“

Nils nickte: „Ich liebe dich, Miguel. Und ich liebe auch deine Familie. Ich will nicht, dass euch etwas passiert.“

„Ich liebe dich auch, Nils. Und deswegen werde ich nicht zulassen, dass du wieder zurück zu den Verrückten musst.“

Wir schauten uns lange Zeit in die Augen. Am lustigen Verlauf des bisherigen Tages gemessen sehr ernst und sorgenvoll. Dann gab ich Nils einen sanften Kuss auf den Mundwinkel: „Komm. Lass uns losgehen.“

„Na dann, los.“

Schweigend machten wir uns in einem ungewöhnlich intensiven Abendrot auf den Weg durch unsere Heimatgemeinde. Wir waren zwar nicht die klassischen Händchen-Halter und dazu wäre die doch noch ganz gut belebte Stadt auch nicht das richtige Rahmenprogramm gewesen, aber wir gingen so nah nebeneinander, dass sich beim Gehen immer wieder unserer Handrücken berührten. Und das war nicht nur Zufall.

Als wir unser Ziel erreichten, war schon wieder eine viertel Stunde vergangen und das Abendrot war deutlich dunkler und unspektakulärer geworden. Wir waren zwar früh dran, aber das störte uns nicht. Dort, wo die Wiesenstraße an einem Weiher am Ortsrand endete, setzten wir uns auf den Boden und warteten. Nur wenig entfernt war der Abstellschuppen eines Bauernhofs und ich schätzte, dass sich dort irgendwo Basti, Sophie und Anton versteckt hielten, um uns im Notfall zur Seite zu stehen.

Nils und ich behielten die Wiesenstraße im Auge und redeten nur wenig. Fast pünktlich um 18 Uhr kam tatsächlich eine Gestalt aus der Dämmerung angelaufen, die schon fast in die Dunkelheit übergegangen war. Aber nicht zuletzt die Straßenbeleuchtung ließ den wandelnden Kleiderschrank mit olivgrüner Bomberjacke und weißen Sneakers als Torsten erkennen. Er hatte routiniert seinen grimmigen Bulldoggen-Blick aufgesetzt, der sicherlich Passanten zum Straßenseite-Wechseln gebracht hätte. Wenn es denn Welche gegeben hätte.

Als Torsten uns erreicht hatte, warf er mir noch einen bösen Blick zu, ehe er sich Nils zuwendete und seine Grimmigkeit aufgab: „Mann, Schnäuzle. Musstest du den Kanaken unbedingt mitbringen?“

„Das war der Deal“, antwortete Nils cool. „Und außerdem seid ihr doch jetzt beste Kumpels – hört man.“

Torsten verzog abfällig das Gesicht: „Spaßvogel.“

„Wie dem auch sei“, seufzte Nils. Die beiden Brüder schauten sich in die Augen, jeder versuchte sein Pokerface zu erhalten, dann bebten die Lippen und beide konnten das Lachen nicht mehr zurückhalten.

„Was soll denn eigentlich der Quatsch mit diesem abgelegenen Treffpunkt?“, fragte Nils nun in einer deutlich gelösteren Atmosphäre. „Wir hätten uns doch auch wieder an Friedas Imbiss treffen können.“

„Ich hab mir doch schon gedacht, dass du deinen Kanaken-Stecher wieder mitbringst. Bei meinem Ruf kann ich es mir nicht erlauben, ständig mit dem Rassler fröhlich tratschend gesehen zu werden. Das mit der Abreibung für Carsten und Bolle war schon peinlich genug. Und Papa hat auch seine Augen überall. Der hat Spione, von denen du niemals erwarten würdest, dass sie für ihn spitzeln. Das weißt du doch auch.“

„Hmh“, brummte Nils. Und auch ich musste daran denken, wie Nils sofort aufgeflogen war, als er zum ersten Mal mit mir und Sophie im Eiscafé gewesen war. Und vielleicht war es ja auch gar nicht Nils' Vater selbst gewesen, der mich und Nils damals beim Fußball spielen gesehen hatte, kurz bevor ich verprügelt worden war.

„Der Alte wird sowieso immer paranoider“, fuhr Torsten fort. „Gestern Morgen sind noch die Bullen bei uns vorbei gekommen, wegen dem Kanaken-Auto. Papa ist halb durchgedreht und hat den Schnauzbartbullen voll angekeift. Er sagt, ihr hättet die Reifen selbst abgestochen, um ihn wegen dem Sorgerecht zu denunzieren.“ Torsten schaute Nils und mich abwechselnd prüfend an, so als ob er nach einem schlechten Gewissen in unseren Augen suchen wollte. Aber natürlich fand er das nicht.

„Glaubst du wirklich, dass Papa nichts damit zu tun hat?“, fragte Nils stattdessen.

Torsten tat zumindest so, als ob er kurz nachdenken müsse: „Dem ist im Moment alles zuzutrauen. Der spinnt. Samstag Nacht war er mit den Kameraden saufen und ist erst um Vier morgens stockbesoffen heim gekommen. Und dann ist er fast bis um Fünf durch das Haus gerumpelt. Ich kann mir zumindest gut vorstellen, dass er da vorher noch die Reifen platt gemacht hat. Vielleicht waren auch noch ein paar andere dabei.“

„Den müssen wir doch irgendwie stoppen“, gab ich zu bedenken und erntete dafür einen schaudererregenden Blick von Torsten, der 'Wer hat dir denn erlaubt, zu reden?' ausdrückte.

Aber Nils sprang mir zur Seite: „Ich werde jetzt doch zur Polizei gehen. Sonst nimmt das alles kein gutes Ende.“

„Ihr zwei haltet schön die Füße still“, schnauzte Torsten Nils an. „Ihr könnt froh sein, dass wegen der Sache mit eurem scheiß Knutsch-Foto inzwischen wieder Ruhe eingekehrt ist. Wenn ihr Papa anzeigt und vielleicht sogar in den Knast bringt, könnt ihr davon ausgehen, dass ihr es demnächst nicht mehr mit Bolle und Carsten zu tun habt, sondern mit den Weißen Wölfen oder Sturm 34.“

Diese Gruppierungen sagten mir zwar nichts, aber trotzdem lief es mir eiskalt den Rücken runter.

„Aber...“, entgegnete Nils deutlich halbherziger, als zuvor, doch Torsten schnitt ihm das Wort ab.

„Hört zu. ICH kümmere mich darum. Bei mir geht das als Familien-Angelegenheit durch, wenn ich etwas gegen Papa unternehme.“

„Und was willst du tun?“, fragte Nils skeptisch.

Torsten rollte genervt mit den Augen: „Ich gehe morgen zu den Bullen und von mir aus auch zu der Fotze vom Jugendamt. Dann jammere ich denen den Kopf voll, wie mich Papa früher verhauen hat und wie sehr meine Gefühlswelt darunter leidet und so'n Scheiß. Ich kann ja auch behaupten, dass ich gesehen habe, wie er auch dich verhauen hat, Nils. Dann wird die Sache mit dem Sorgerecht schon laufen, damit du zu deinen Kanaken kommst. Und Papa kann sich an mir als Hassfigur die Zähne ausbeißen. Dann ist er auch hoffentlich von euch ein bisschen abgelenkt.“

„Echt?“, strahlte Nils. „Würdest du das für uns tun?“

„Für DICH“, brummte Torsten. „Ich muss total verrückt sein.“

„Stimmt. Das weiß ich schon lange“, lachte Nils und schlang beide Arme um seinen Bruder, der dabei unbehaglich seinen Kopf in alle Richtungen drehte. „Danke, Großer.“

„Boah. Ihr seid mir echt was schuldig.“

„Wir laden dich mal zum Essen ein. Ich weiß jetzt nämlich, wie man Paella kocht.“

„Mann, bist du widerlich, Schnäuzle“, raunzte Torsten, aber bei Nils' Kleiner-Bruder-Charme gelang es ihm nicht besonders gut, ernst zu bleiben. „So, ich pack's dann. Und wenn ihr Probleme habt oder euch irgendetwas verdächtig vorkommt - dann meldet euch bei mir. Okay?“

„Okay.“

„Und gib dem Kanaken meine Telefonnummer, damit er sich auch melden kann, Nils.“

„Mach ich.“ Nils grinste. „Kann es sein, dass du dir auch um Miguel Sorgen machst, Großer?“

„Quatsch.“ Torstens Mimik formte einen angedeuteten Gruß, dann drehte er sich um und wackelte betont aufgepustet davon.

Sobald Torsten aus unserem Blickfeld verschwunden war, begann es im Schuppen hinter uns zu rumoren. Wir drehten unsere Köpfe und drei Gestalten kamen aus der Dunkelheit. Zwei Jungen und ein Mädchen.

„Jetzt erzählt mal. Ich hab da hinten kein Wort verstanden“, erkundigte sich Sophie, die neugierig den beiden Jungs voraus eilte, noch ehe sie richtig bei uns war.

„Ganz sachte. Lass uns doch wenigstens mal Luft holen“, schmunzelte ich und gab Anton und Basti Zeit, um auch zu uns zu stoßen, dann fingen Nils und ich unter den neugierigen Blicken unserer Freunde, an zu erzählen.

Sophie blieb auch nach unserem Bericht misstrauisch: „Ihr glaubt dem doch kein Wort.“

„Eigentlich doch“, entgegnete ich. „So wie ich Torsten mittlerweile einschätze meint er das wirklich ehrlich.“

Ich fing mir einen Blick von Sophie ein, wie ihn wahrscheinlich nur Frauen drauf haben und fügte an: „Wir warten jetzt mal bis Mittwoch oder Donnerstag, dann sehen wir ja, ob sich etwas tut.“

„Das gefällt mit nicht“, meinte Sophie daraufhin versöhnlich.

„Meinst du mir? Aber darauf, die Weißen Wölfe an der Backe zu haben, hab ich auch keinen Bock.“

Meine Freunde blickten betreten drein und auch Sophie nickte langsam. Das Argument war wohl überzeugend. Am Ende war die Entscheidung einstimmig, dass wir vorerst nichts unternehmen sollten. Mit gemischten Gefühlen trennte ich mich von meinen Freunden und ging nach Hause.

Als ich das Haus betrat und die Treppen zu unserer Wohnung hoch ging, hatte ich eigentlich mit einer guten Stimmung gerechnet. Mama hatte heute ihren ersten Arbeitstag gehabt und da hatte sie sicherlich viel zu erzählen. Aber als ich die Wohnung betrat, herrschte dicke Luft.

„Jetzt wird’s Zeit, dass du auch mal heim kommst“, murrte Papa und auch Mama blickte etwas belämmert drein.

„Sorry, ich war noch mit meinen Freunden unterwegs“, entschuldigte ich mich und ärgerte mich im nächste Moment über meinen unterwürfigen Tonfall, weil es doch gar nicht gab, wofür ich mich hätte entschuldigen müssen.

Papa bemerkte wohl auch, dass sich mein Blick in den Angriffsmodus veränderte, denn er hob beruhigend die Hände: „Schon gut, Miguel. Bei uns liegen nur die Nerven ein bisschen blank.“

„Wieso?“

„Der Polizist von gestern hat heute schon bei mir angerufen. Der hat mich tatsächlich gefragt, ob wir die Reifen selbst zerstochen haben. Wegen des Sorgerechtsstreits.“

„Sag Miguel, wie es wirklich war, Fernando“, warf meine Mutter ein und Papa fing noch einmal von vorne an.

„Der Polizist hat mir sogar VORGEWORFEN, wir hätten die Reifen selbst zerstochen. Erst, als ich ihn zur Schnecke gemacht habe, hat er zugegeben, dass das nur die Aussage vom Braunen Bernd war und er das nicht glaubt.“

„Er wollte eben schauen, wie du reagierst“, meinte Mama zu Papa und ich stimmte ihr in Gedanken zu.

„Jaaaa. Wahrscheinlich. Aber der ist so ein Kotzbrocken.“

„Der Polizist oder der Braune Bernd?“, witzelte ich vorsichtig und Papa ließ sich zum Glück darauf ein.

„Beide.“ Ein kurzes Lächeln, aber dann wurde er wieder ernst. „Du musst jetzt Nils unbedingt überzeugen, dass er mit seiner Anzeige endlich mal zu Potte kommt. Damit die alle mitbekommen, was bei der Familie Lange so abgeht.“

„Hmh.“ - Mein Blick sprach wohl Bände.

„Miguel. Verheimlichst du uns etwas?“

„Jaaaa. Neiiiin.“

„Los. Jetzt rück schon raus.“

Auf der einen Seite fühlte ich mich zwar ein bisschen wie ein Verräter, aber auf der anderen Seite tat es auch gut, meine Eltern zumindest ein bisschen mit einzubeziehen. Die Sache mit dem Angriff von Carsten und Bolle behielt ich zwar für mich, damit Mama und Papa nicht total ausrasteten, aber ich erzählte ihnen von Nils' Bruder Torsten. Ich versuchte meinen Eltern klar zu machen, wie gefährlich und radikal er auf der einen Seite war, aber wie sehr er auf der anderen Seite an Nils hing. Als ich die 'Weißen Wölfe' und den 'Sturm 34' erwähnte, um den Plan zu rechtfertigen, den wir mit Torsten geschmiedet hatten, erblassten meine Eltern. Als ich mit meiner Geschichte fertig war, herrschte erst einmal eine Minute Schweigen am Tisch.

„Das gefällt, mir nicht, Miguel“, sagte Mama leise.

„Das gefällt keinem von uns. Ich schätze, wir würden euch nicht mal Vorwürfe machen, wenn ihr mit dem Sorgerecht einen Rückzieher macht.“

Der Blick, den Mama und Papa austauschten, war unangenehm lang, aber sie wurden sich ohne ein Wort zu sagen einig: „Kommt nicht infrage. Wir lassen uns doch vom Braunen Bernd nicht klein kriegen“, tat Mama trotzig und Papa hängte an: „Wir warten jetzt mal ab, wie sich der Prügel-Torsten schlägt und wenn das nicht klappt, schlagen wir zu. Punkt.“

Ich denke, Papa hatte selbst keinen Plan, wie dieses 'Zuschlagen' aussehen sollte und in diesem Moment war das auch zweitrangig. Was zählte war die Sicherheit, dass Nils und ich auch unter diesen bedrohlichen Umständen noch die Rückendeckung meiner Eltern hatten. Danach erfuhr ich dann doch noch, dass Mama mit ihren neuen Kolleginnen (ihr Arbeitsumfeld war wohl eine reine Frauenbande) gut klar kam und musste mir noch ein paar Altenpfleger-Stories anhören. Aber die Stimmung blieb an diesem Abend bedrückt.


Nach einem ereignislosen Dienstag versprach der nächste Tag – dieser grauenvolle Mittwoch - einer der schönsten Tage zu werden, seit ich mit meiner Familie nach Münsingen gezogen war. Und das, obwohl ich schon um neun Uhr aufgestanden war. Eine Uhrzeit, die mir gerade in den Ferien normalerweise als Aufsteh-Zeit total gegen den Strich ging. Doch für diesen kühlen, aber sonnigen Früh-November-Tag hatte meine Clique sich dazu verabredet, dass wir uns um Zehn in Gomadingen bei Nils und seinen Pflegeeltern zum Apfelkuchen-Frühstück treffen wollten, um anschließend eine Radtour zu machen, bei der mir meine Freunde die landschaftlichen Vorzüge meiner neuen Heimat schmackhaft machen wollten. Und weil ich während der letzten Tage das Radfahren für mich entdeckt hatte, schaffte ich es, mich mit einer gewissen Vorfreude aus dem warmen Bett zu zwingen.

Um 9:30 Uhr traf ich mich mit Anton, Basti und Sophie am Bahnhof und es gelang uns tatsächlich pünktlich die erste Etappe der Radtour zu starten, die sogar ich führen durfte. Schließlich war ich in letzter Zeit diese Feldweg-Strecke mit den fantastischen Ausblicken oft genug alleine oder zusammen mit Nils geradelt.

„Hast du eigentlich schon erfahren, ob Torsten tatsächlich zur Polizei gegangen ist?“, fragte mich Sophie, als wir Münsingen hinter uns gelassen hatten und nebeneinander radelnd einen breiten Feldweg in Beschlag nahmen.

„Nils meint, Torsten war wohl tatsächlich auf dem Revier und beim Jugendamt“, gab ich meinen Wissensstand zum Besten. „Aber mehr haben wir bis jetzt auch noch nicht erfahren.“

Basti musste auf einmal lachen.

„Was ist?“, wollte ich wissen.

„Nichts. Ich finde die Vorstellung nur ziemlich witzig, wie Torsten auf dem Revier sitzt und auf die Tränendrüse drückt.“

Der Gedanke daran, wie Nils' grobschlächtiger Bruder den Polizisten Kinkel und Nottmeier gegenüber saß, die am Sonntag an unserem Auto auf Spurensuche gewesen waren und mit Tränen in den Augen von seiner verletzten Seele jammerte, hatte wirklich etwas: „Ich weiß nicht, ob das seine große Stärke ist“, schmunzelte ich. „Ich wäre schon froh, wenn er auf dem Polizeirevier nicht gleich den Schreibtisch umgeworfen hat, wenn ihm eine Frage nicht in den Kram gepasst hat.“

„So ein Orang-Utan“, lästerte Sophie mit und Anton beschwichtigte: „Wir können doch froh sein, dass er auf unserer Seite ist.“

Damit hatte Anton zwar recht, aber trotzdem nutzten wir die Zeit, um über Torsten zu lästern. Später, in Gegenwart von Nils, durften wir das schließlich nicht mehr tun.

Als wir in Gomadingen bei den Schirmachers ankamen, wurden wir schon erwartet. Der Esstisch war auf volle Länge ausgezogen und prächtig gedeckt. Sieben Teller mit Kuchenbesteck, Tassen auf Untertassen und Servietten waren einladend wie in einem Restaurant aufgestellt und in der Mitte thronten zwei Apfelstreuselkuchen, deren intensiver Geruch schon verriet, dass sie noch warm waren und zwei weiße Porzellankannen. Gerd und Erika standen Spalier, als wir das Esszimmer betraten, und Nils, der es ja inzwischen liebte, ein guter Gastgeber zu sein, wies uns etwas blasiert unsere Plätze. Normalerweise wäre das in unserer Clique eine Einladung zum Lästern gewesen. Aber Nils machte einen so glücklichen Eindruck, dass wir alle brav mitspielten.

„Hmmm, lecker“, brummte Anton, nachdem er als erster ein Stück des Kuchens probiert hatte.

Nach und nach bedienten wir uns und tranken dazu Kaffee, der das Esszimmer zusammen mit dem Kuchen in einen wundervollen Frühstücksgeruch tauchte. Auch wenn Erika es lieber gesehen hätte, wenn wir Kakao getrunken hätten, wie es sich für Jugendliche ihrer Ansicht nach gehörte. Auch hier konnten es Basti und Sophie nicht unterlassen, ständig miteinander zu turteln, sich gegenseitig verliebt anzusehen, sich mit Kuchen zu füttern und verliebt zu kichern. Das war zwar süß, aber innerlich hoffte ich, niemals so kitschig mit Nils zu werden.

Erika schien das Gebaren zumindest zu gefallen, während Nils, Anton und ich immer wieder Augenroller-Blicke austauschten.

„Seid ihr zwei ein Paar?“, fragte sie das Unübersehbare, wohl nur, um das Gespräch in diese Richtung zu lenken.

Sophie antwortete mit einem gewissen Stolz in der Stimme: „Ja. Seit einer knappen Woche.“

„Das ist ja schön, wenn ein Junge und ein Mädchen so zu einander finden. Oder Nils?“

„Sehr schön“, brummte mein Liebster und verzog genervt das Gesicht.

„Wäre das nicht auch etwas für dich?“

„Ich habe doch meinen Miguel, den ich liebe. Das reicht doch.“

„Jaaaaa. Aber das ist doch etwas ganz anderes. Das bei euch ist ja keine richtige Liebe. Sebastian und Sophie können einmal heiraten, Kinder bekommen...“

Basti fiel ihr lachend ins Wort: „Der Nils denkt doch, das mit dem Kinder bekommen könnte klappen, weil Miguel lange Haare hat.“

„Dummschwätzer“, pflaumte ihn Sophie an, ohne es zu schaffen, nicht lachen zu müssen. Und auch Anton, Nils und ich mussten grinsen, obwohl zumindest ich es nicht wirklich wollte. Und sogar Gerd sah so aus, als ob er sich auf die Zunge beißen musste, um nicht mitzulachen.

Nils ließ seine Finger liebevoll durch meine Haare gleiten: „Ich werde zumindest immer wieder versuchen, dich zu schwängern, Süßer.“

„Nils!!!“, tadelte ihn seine Pflegemutter entsetzt und ich schlug mir beide Hände vors Gesicht, um nicht zu offensichtlich gegen den Lachkrampf zu kämpfen.

Sophie, deren Lippen auch bebten, versuchte zu beruhigen: „Nils und Miguel sollten so leben, wie sie es für richtig halten. Oder?“

Während Erika noch nach der richtigen Antwort suchte, beendete der wortkarge Gerd mit einem: „Ganz genau“, das Thema.

Das Frühstück blieb fröhlich, wobei unsere gute Laune für Erika auch etwas anstrengend blieb. Doch dabei bekamen wir von den pensionierten Lehrern, die sich beide auch im Heimatverein engagierten, gute Tipps für unsere Radtour über kleine Naturschönheiten, von denen teilweise nicht einmal meine ortsansässigen Freunde etwas wussten. Um kurz nach Elf machten wir uns dann auch endlich auf den Weg. Nils spannte sich einen von Erika zusammengerichteten Picknickkorb auf das Rad, weil er mit dem von Gerd geborgten Alte-Herren-Rad der Einzige war, der einen brauchbaren Gepäckträger hatte. Und dann ging's los.

Während wir durch die Gässlein von Gomadingen radelten, war die Stimmung auch noch ausgelassen und es wurde viel gequatscht und Spaß gemacht. Aber sobald wir das Dorf hinter uns gelassen hatten, wartete schon die erste Steigung, die für uns, so wie wir mit Apfelkuchen vollgestopft waren, gleich zur Herausforderung wurde. Die Tour führte uns nämlich auf den fast 200 Meter höheren Sternberg, sozusagen der Hausberg von Gomadingen. Wir kamen da alle ganz schön ins Schnaufen, wobei sich Nils mit seinem unvorteilhaften Dreigang-Rad besonders schwer tat. Aber auch er wollte sich nicht die Blöße geben, abzusteigen und zu schieben.

Der Anstieg war dann zwar steil, aber zum Glück nicht lang. Nach kurzer Zeit waren wir schon oben angekommen und mit unserer letzten Kraft gingen wir auch noch die Treppen hoch auf den Aussichtsturm, von dem man einen wundervollen Blick über die Münsinger Alb hatte mit den weiten Wäldern, den grünen landwirtschaftlichen Tälern, von denen manche im zähen Nebel lagen und den kleinen Dörflein und Aussiedlerhöfen, die das Landschaftsbild sprenkelten.

Eine Weile schwiegen wir alle fünf, weil wir das Alb-Panorama genossen und auch nach Luft rangen. Dann nutzte ich aber die Gelegenheit, um mit Nils zu reden, jetzt wo wir ohne Gerd und Erika offen reden konnten: „Hast du eigentlich schon etwas Neues von Torsten gehört?“

„Nee. Der arbeitet ja um diese Zeit.“ Nils ließ nachdenklich seinen Blick in die Ferne schweifen. „Aber ich kann mir vorstellen, dass heute Abend der Teufel los ist, wenn er zu Papa heimkommt. Die Polizei oder das Jugendamt werden sich doch wahrscheinlich im Lauf des Tages bei ihm melden. Oder?“

„Ich weiß nicht. So langsam wie die sind“, sinnierte ich.

Alle schauten wir ein bisschen bedröppelt drein. So, als ob wir schon ahnen würden, dass etwa zur selben Zeit ein Countdown des Schreckens begonnen hatte, gegen uns zu zählen. Aber natürlich taten wir das nicht.

Nach einer Verschnaufpause ging die Radtour weiter und nun erst einmal entspannt bergab. Über Stunden erkundeten wir die Umgebung, kreuzten kleine Dörfer und deckten uns im idyllischen Höhenstein mit neuen Getränken ein. Eine dreiviertel Stunde später hielten wir ein Picknick zwischen den zerfallenen Mauern der Burgruine Hohengundelfingen.

Diese Ruine über dem Lautertal strahlte eine wilde Romantik aus, der man sich nur schwer entziehen konnte. Zuerst saßen wir zu fünft im Kreis auf einer Grasfläche, aßen Erikas Schinken-Käsebrote und schmiedeten Pläne, ob wir am folgenden Donnerstag oder Freitag wieder so eine schöne Tour machen sollten. Dann vielleicht östlich von Münsingen Richtung Blaubeuren. Als wir aufgegessen hatte, wurde es leiser und auf eine gewisse Art auch besinnlich. Wir alle waren wegen des frühen Aufstehens und des stundenlangen Auf und Ab unserer Radtour müde und auch ein bisschen erschöpft und jeder fixierte mit verträumtem Blick einen imaginären Punkt im Gras in der Mitte unseres magischen Kreises. Ich selbst war in etwas wie einen Halbschlaf versunken und genoss die zarte Wärme der Herbstsonne in meinem Gesicht genauso wie die liebenswerte Gesellschaft, in der ich mich befand. Da stupste Nils mit seiner Fußspitze an meinen Schuh.

„Hm?“, fragte ich, nicht wirklich bei der Sache.

„Wollen wir uns ein bisschen umsehen?“

„Jo. Okay.“

Etwas schwerfällig und nicht ganz nach meinem Willen richteten wir Beide uns auf. Unsere Freunde folgten uns nicht, denn sie konnten sich wahrscheinlich vorstellen, dass wir an diesem schönen Ort die Zweisamkeit genießen wollten. Ohne viele Worte gingen wir den mit Gras verwilderten Schotterweg, der durch die Ruine führte, entlang und kaum waren wir außer Sichtweite der anderen Drei geraten, fühlte ich Nils' Handrücken an meiner Hand. Fast schon automatisch schloss ich meine Hand um seine und doch war der Augenblick zauberhaft. Wir hatten noch nie Händchen gehalten. Irgendwie hatte ich solche Schnulzereien immer blöde gefunden. Aber nun fühlte es sich gut und richtig an. Es unterstrich auf eine tolle Art, dass wir zusammengehörten.

Und dann fanden wir unseren ganz speziellen Ort. Es war der Burgfried. Oder das, was davon übrig geblieben war. Eine grobe Mauer, die von der Bergseite her, von der wir kamen, nicht einmal einen Meter hoch war. Aber auf der Talseite fiel sie zehn oder fünfzehn Meter senkrecht ab in den Burggraben. Nebeneinander setzten Nils und ich uns auf die Burgmauer und ließen die Beine über dem Abgrund baumeln. Unser Blick ging hinunter auf das kleine Nest Bichishausen, das mit seinem Zwiebelkirchturm und den paar Häusern drumherum, zwischen denen sich die Lauter durchschlängelte, eine kitschige Bilderbuch-Idylle ausstrahlte.

„Wenn das jetzt Erika sehen würde“, schmunzelte ich und schaute zwischen meinen Zehenspitzen in die Tiefe. „Die würde einen Herzinfarkt bekommen.“

Nils lächelte: „Ja. Aber die muss ja nicht alles mitbekommen.“

Es verging fast eine Minute, während der wir nicht redeten, sondern nur träumend in die Ferne schauten. Dann nahm Nils wieder meine Hand in seine.

„Miguel?“

„Ja?“

„Ist es hier schöner oder in Andalusien?“

Ich musste grinsen: „Ich weiß nicht. Das wirst du bald selbst herausfinden.“

„Das wäre schön.“ Nils verzog verlegen das Gesicht. „Ich will endlich mal das Meer sehen.“

„Das wirst du. Vielleicht schon in den Weihnachtsferien.“

Stille.

„Ich liebe dich, Miguel.“

„Ich dich auch, Nils.“

Der Kuss, der nun folgte, war weniger stürmisch, als es bei uns manchmal der Fall war, aber wir mussten ja auch aufpassen, dass wir vor lauter Verliebtheit nicht das Gleichgewicht verloren und in den Burggraben stürzten. Aber dafür war er sehr zärtlich und wurde somit der Situation mehr als gerecht. Meine Hand hatte ich unter Nils' hellgraue Fleece-Weste geschoben, um am Bauch seine Haut zu ertasten. Nachdem sich unsere Lippen getrennt hatten, zeigte er breit grinsend mit dem Zeigefinger an mir vorbei nach links und ich folgte seinem Blick. Auf einem Mauervorsprung etwa 20 Meter entfernt und etwas unter uns stand Anton, der uns mit seinem Smartphone wohl fotografiert hatte. Ein traumhaft schönes Foto, wie sich wenige Minuten später herausstellen sollte, von zwei sich liebenden Jungs in einer zauberhaften Kulisse. Ein Bild, dass ich mir heute noch kaum anschauen kann, ohne dass mich die Gefühle überwältigen.

Nach dem Picknick und den Liebeleien ließen wir es locker angehen und machten uns ganz gemütlich auf den Rückweg nach Münsingen. Das Timing war perfekt. Denn etwa um 16:45 Uhr passierten wir das Ortsschild der Kleinstadt und um 17 Uhr schloss ja der Sozialarbeiter Achim mittwochs das Jugendzentrum auf, wo wir diesen schönen Tag ausklingen lassen wollten.

Als wir auf dem Parkplatz ankamen, von dem aus die Außentreppe zum Jugendzentrum hoch führte, wurden wir fünf gleich freundlich empfangen. Das Zentrum war noch nicht aufgeschlossen und darum standen Pascal, Juliette und eine Handvoll anderer Jungs und Mädchen, die wir schon kannten, am Fahrradständer unter der Treppe und unterhielten sich.

Anton ging direkt auf seine Bekannten Max und Niclas- die beiden Jungs, die bis vor einer Woche noch seine Freunde gewesen waren - zu, die etwas abseits unterhalb der Außenwand standen und schlug mit einem freundschaftlichen Daumenballen-Handschlag bei ihnen ein. Genauso wie das anschließende kurze Gespräch, von dem ich, weil ich nicht nah genug dran war, den Inhalt nicht verstand, wirkte dieser Handschlag zwar kumpelhaft, aber auch etwas unterkühlt. Als Anton zu uns zurück kam, machten die Zwei zumindest keine Anstalten, auch zu uns und den anderen Jugendlichen zu kommen und auch Nils und ich hatten keine Motivation, auf Niclas und Max zuzugehen. Ich wusste ja, dass die Beiden ihre Probleme mit unserer Homosexualität gehabt hatten und anscheinend auch jetzt noch hatten. Doch zumindest schien die Feindseligkeit, wegen der sie Anton fast die Freundschaft gekündigt hatten, erloschen, auch wenn es nicht den Anschein hatte, als ob diese Freundschaft jemals wieder so werden würde, wie sie einmal war.

Es war schon Zehn nach Fünf, als der weinrote Honda Civic auf den Parkplatz einbog und Achim mit dem Schlüssel kam.

„Jetzt wird’s aber Zeit, Achim“, motzte Pascal, unser Kleiner, spaßhaft, als Achim den kurzen Weg von seinem Auto zur Treppe ging.

„Ja ja. Die Familienreferentin hat mich noch aufgehalten.“ Er warf einen erfreuten Blick auf unsere Fünfer-Clique. „Oh, Hallo. Schön, euch auch wieder zu sehen.“

„Immer wieder gerne“, antwortete Basti gönnerhaft, während Achim die Treppe hoch ging und wir ihm folgten.

Oben angekommen, kehrte gleich wieder diese familiäre Atmosphäre ein, die ich schon am vergangenen Mittwoch so geschätzt hatte. Einige der Jungs und Mädchen gingen zum Kühlschrank hinter dem Tresen, holten sich etwas zu Trinken heraus und legten das Geld in die Kasse, ohne dass sich Achim oder jemand anders die Mühe machen musste, das Bezahlen zu kontrollieren. Die anwesenden Jugendlichen waren schon dabei, sich in kleine Grüppchen zu spalten, da klatschte Achim in die Hände, um Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Hört mal zu, Leute. Ich habe etwas mit euch zu besprechen.“

Ein lustloses Geraune ging durch die Menge, wie es sich wohl für Teenager gehört, wenn der Erwachsene zur Ruhe bittet. Aber alle Augen waren nun auf Achim gerichtet.

„Am Besten, wir setzen uns an den Tisch.“

Gesagt getan. Gemeinsam mit den knapp 20 Anwesenden setzte ich mich auf eines der Sofas an dem niederen Tisch, der wohl auch als Besprechungstisch diente, und Nils ließ sich links neben mir nieder. Rechts von mir hatte ich Niclas, der demonstrativ ein Stück von mir wegrutschte.

Es dauerte nun eine Minute, bis alle einen Platz entweder auf einem der beiden Sofas, auf deren Lehne oder auf einem herangezogenen Stuhl oder Barhocker Platz gefunden hatten.

„Was gibt’s denn, Achim?“, stellte Pascal die Frage, die uns alle interessierte.

Achim räusperte sich: „Einige von euch haben vielleicht schon mitbekommen, dass auch dieses Jahr zur Adventszeit wieder die Christmas-Charity-Challenge ansteht. Ich fände es gut, wenn wir daran wieder teilnehmen.“

Unser Sozialarbeiter erntete zustimmendes Gemurmel. Wie ich erfahren sollte, gab es hier im Landkreis jedes Jahr die sogenannten Christmas-Charity-Challenge (Sorry, ich habe den Namen nicht erfunden), an der Vereine und Jugendgruppen dazu aufgerufen wurden, sich ein soziales oder gemeinnütziges Projekt auszudenken und dieses umzusetzen.

„Und was für ein Projekt hast du da so im Auge?“, fragte Juliette und erntete einen ironischen Blick von Achim.

„Wieso ich? Es ist doch viel spannender, wenn ihr euch etwas Eigenes einfallen lasst.“

„Jetzt auf die Schnelle fällt uns auch nichts ein“, motzte ein Junge namens Cedrik und Achim entgegnete: „Wir müssen ja auch nichts übers Bein brechen. Ihr könnt euch bis nächste Woche Gedanken machen, dann sammeln wir alle Vorschläge ein und stimmen ab.“

Niclas lachte trocken: „Na klar. Vielleicht wird es wieder so ein Erfolg wie letztes Jahr im Altenheim. Die waren alle erleichtert, als wir wieder weg waren.“

Ein peinlich berührtes Gelächter ging durch die Runde, das erkennen ließ, dass das letztjährige Projekt nicht gerade als Erfolg zu verbuchen war.

„Dieses Jahr wird alles besser“, rief Achim nun auch die passende Devise aus. „Ihr könnt euch ja jetzt schon mal in Gruppen aufteilen und Ideen sammeln.“

„Oh, Achim...“

„Das nennt man Brainstorming, Max.“ Achim ließ den Blick durch die Runde kreisen und teilte gleich ein: „Ihr Fünf könnt eine Brainstorming-Gruppe machen, ihr Fünf, ihr Vier und ihr.“

„Ach komm, Achim. Du kannst uns doch nicht mit den Schwulen zusammenstecken“, beschwerte sich Niclas, denn die Gruppe, in die Achim uns eingeteilt hatte, bestand aus Niclas, Max, Nils, mir und Anton. Eben so, wie wir auf der Couch saßen.

Achim lächelte herausfordernd: „Ich wusste gar nicht, dass du homophob bist, Niclas.“

„Bin ich auch nicht. Die können von mir aus machen, was sie wollen. Aber nicht mit mir in der Gruppe.“

Nils grinste breit: „Keine Sorge, Niclas. Von dir lassen wir die Finger. Wir sind vielleicht schwul, aber nicht blind.“

„Du Depp, ey“, raunzte Niclas zurück, der sich wohl darüber ärgerte, dass so ziemlich alle außer Max und ihm über den Spruch lachen mussten.

Ich selbst gab mir Mühe, nicht mitzulachen und hielt Niclas versöhnlich meine Hand entgegen: „Komm schon, gib dir 'nen Ruck. Ist doch für einen guten Zweck.“

Durch Niclas ging nun tatsächlich ein sichtbarer Ruck, ehe er widerwillig einschlug: „Okay.“

Während der nächsten Minuten ging Achims Plan tatsächlich auf und die eingeteilten Gruppen verteilten sich im Raum. Die Gruppe, zu der Basti und Sophie gehörten, blieben am Tisch, eine andere Gruppe nahm den Tresen in Beschlag, die Nächste funktionierte den Billardtisch zum Schreibtisch für ihren Notizzettel um und wir setzten uns einfach im Kreis auf den Boden unter dem Fenster. Dann kehrte Stille ein und wir schauten uns ratlos an.

„Fällt jemandem etwas ein?“, fragte Anton wohl hauptsächlich, damit überhaupt etwas gesagt wurde.

„Wir könnten...“, seufzte Max. „Nein.“

Niclas war schon wieder am nörgeln: „Wieso machen wir uns eigentlich so eine Mühe. Am Ende kommt sowieso Achim mit seinem Super-Vorschlag und der wird durchgewunken.“

Ich rechnete fest mit Achims Konter, der wie ein Lehrer bei der Klassenarbeit zwischen den Gruppen hin und her lief, doch dann geschah etwas ganz anderes. Von draußen war das blecherne Gepolter der Stahltreppe, die hier rauf führte, zu hören, dann wurde die Tür aufgerissen.

Kein Geringerer als Nils' Vater - der Braune Bernd - stand breit und grimmig im Rahmen und ließ düster seinen Blick kreisen: „Wo ist er?“

Alle Augen waren erschrocken auf diesen vierschrötigen Klops mit den kurzgeschorenen Haaren und dem bulligen Gesicht gerichtet. Schon im ersten Augenblick fiel mir auf, dass mit Herrn Lange etwas nicht stimmte. Er trug am Oberkörper ein Flanellhemd, das einigermaßen zu ihm passte, aber an den Beinen trug er eine abgetragene lila Jogginghose. Die Augen waren blutunterlaufen und der Blick konfus.

Ehe überhaupt Einer so richtig kapiert hatte, was hier los war, hatte Herr Lange seinen Sohn entdeckt und stapfte mit wildem Blick auf ihn zu. Im letzten Moment richtete ich mich auf und versuchte mich, dem Braunen Bernd in den Weg zu stellen, wurde aber mit einem beiläufigen Armschlag aus dem Weg gewischt. Begleitet von einem widerlichen Alkoholgeruch.

„Ich hab's nicht geglaubt, als ich das gehört habe.“ - Herr Lange baute sich vor Nils auf, der es nicht geschafft hatte, rechtzeitig aufzustehen und stattdessen ungeschickt mit den Füßen strampelnd vor seinem Vater zurück wich. „Du kleiner Bastard treibst dich echt im Juden-Zentrum herum.“

„Verschwinde!“, schrie Nils und seine Stimme überschlug sich dabei vor Panik.

Doch Herr Lange wollte nicht verschwinden. Während wir alle noch in einer Schockstarre waren, packte er Nils am Ohr und zog ihn auf eine so schmerzhafte Weise daran hoch, dass Nils aufkreischte.

„Du kommst jetzt mit heim! Da prügel ich dir die Scheiße aus dem Kopf, bis du wieder normal tickst!“

Ich konnte nicht fassen, was ich da sah. Herr Lange zog Nils am Ohr Richtung Ausgang und Nils heulte dabei Rotz und Wasser. Es war, als ob jemand mit dem Finger geschnippt hätte, als sich auf einen Schlag die Starre in uns allen löste. Basti, Max und Niclas rannten an Herr Lange vorbei zur Tür, um diese zu verstellen. Pascal sprang zum Billardtisch und schnappte sich einen Queue und ich und Cedrik gingen direkt auf Herrn Lange los.

„Haut ab, ihr Scheißer“, fluchte Nils' Vater, als wir angriffen, er aber weiterhin Nils' Ohr mit einem gnadenlosen Schraubstockgriff zwischen Daumen und Zeigefinger hielt.

Seine freie linke Faust knallte Cedrik, der das Unglück hatte, von der falschen Seite anzugreifen, ins Gesicht und der Arme ging zu Boden wie ein nasser Sack. Ich hatte auf meiner Seite mehr Glück. Ehe Herr Lange nach mir schlagen oder treten konnte, biss ich ihm in den rechten Oberarm. Das raue Flanell fühlte sich widerlich an meinen Eckzähnen an, trotzdem schlug ich sie mit aller Kraft in den steinharten Bizeps.

Herr Lange stieß einen überraschten Schrei aus und ich erlebte einen kurzen Moment des puren Triumphs, als Nils nach vorne wegsprang und beinahe über seine eigenen Füße gestolpert wäre. Doch diese Freude hielt nicht mal eine Sekunde an. Schneller, als ich mich entfernen konnte, hatte Herr Lange seinen Arm um meine Brust geschlungen und mich mit dem Rücken an seine Vorderseite gedrückt. Hatte ich mich bis dahin noch gefragt, welcher Teufel ihn eigentlich geritten hatte, trotz seiner Bewährung eine solche Aktion zu starten, so war der Geruch, der mich umgab, die Antwort. Herr Lange stank wie eine Schnapsbrennerei.

„Du kleine Ratte hast mich gebissen“, flüsterte er in mein Ohr und der modrige Schnapsgeruch in seinem Atem ließ mich würgen.

Ich versuchte zwar halbherzig mich zu befreien, aber dazu hatte ich keine Chance. Herr Lange war viel zu stark für mich. Ich war entsetzt, dass niemand Anstalten machte, mir zur Hilfe zu eilen. Cedrik hatte auf dem Boden seinen Oberkörper aufgerichtet und rieb sich den schmerzenden Unterkiefer, während er mit großen Augen zu mir hoch starrte. Auch Achim und alle anderen, die in meinem Blickfeld waren, schauten schreckensstarr zu Herrn Lange und mir, und selbst Nils war behutsam einen Schritt zurückgewichen und schaute uns unbehaglich an. Seine Augen waren noch rot vom Weinen, aber sein Blick war schon wieder klar.

Noch kapierte ich nicht, welches Spiel hier eigentlich gespielt wurde. Doch dann schaute ich an mir selbst runter und sah das Messer in Herrn Langes linker Hand, dessen Schneide meinen Pullover berührte.


Das Schicksal, das nun davor stand, zu eskalieren, hatte schon viel früher am Tag seinen Lauf genommen. Nämlich, als Herr Lange am frühen Nachmittag noch in der Schreinerei gewesen war, in der er arbeitete, und sein Handy klingelte. Nils' Vater ließ es klingeln, weil er gerade am Sägen war, aber bei nächster Gelegenheit schaute er auf das Display und als alter Outlaw hatte er die Nummer des örtlichen Polizeireviers sofort erkannt.

Die Aufforderung des Polizisten, schnellstmöglich aufs Revier zu kommen, weil es etwas zu klären gäbe, hatte Herr Lange mit einem sarkastischen: „Dann setzen Sie rechtzeitig Kaffee auf“, beantwortet. Vor der münsinger Ortspolizei hatte er weder Angst noch Respekt. Doch als er, nachdem er um 15 Uhr eine Stunde früher Feierabend gemacht hatte, auf dem Revier mit den Vorwürfen konfrontiert wurde, die Torsten gemacht hatte, blieb Herr Lange ungewohnt schmallippig.

„Ich sage dazu GAR NICHTS. Sie wissen, wer mein Anwalt ist. Für weitere Fragen wenden Sie sich an ihn.“

„Sie werden in Kürze von der Staatsanwaltschaft hören“, hatte ihm der Polizist Kinkel mit auf den Weg gegeben und nach wenigen Minuten war die 'Informatorische Befragung' beendet gewesen.

Aber für den Braunen Bernd war eine Welt zusammengebrochen.

Frau Lange berichtete viel später vor Gericht, wie sie zusammengekauert und zitternd dagestanden hatte, während ihr Ehemann mit der Obstlerflasche in der Hand tobte: „Da wirst du vom eigenen Fleisch und Blut verraten und verkauft.“ Er nahm einen tiefen Frustschluck aus der Pulle. „Und nicht mal nur von Nils, dem Taugenichts - sondern von Torsten!!!“ - Seine Stimme überschlug sich beim letzten Wort, so laut hatte er es gebrüllt.

„Bernd... Bitte.“

Frau Lange zuckte zusammen, als ihr Mann so ausholte, als wolle er die Flasche nach ihr werfen. Aber er besann sich eines Besseren und nahm stattdessen einen Schluck daraus: „Der Drecksack bringt mich in den Knast!“ Er schlug mit der Faust so fest auf den Tisch, dass es einfach weh tun musste. „Ich bring ihn um! Ich bring sie beide um! Und den verfluchten Kanaken!“

Wieder ein tiefer Schluck, der den Braunen Bernd beruhigen sollte, aber das Gegenteil bewirkte. Frau Lange wimmerte voller Angst, während ihr Mann durchs Haus tobte, schrie und soff. Minuten später regnete es Torstens Kleidungsstücke und Habseligkeiten aus dem Fenster des gepflegten Hexenhauses in den Vorgarten.

Als Torsten wenig später vor seinem Elternhaus, wo er ja vorübergehend wohnte, aus dem Auto ausstieg, hatte selbst er den Drang, den Schwanz einzuziehen. Von drinnen hörte er seinen Vater schreien und auch das Chaos seiner Siebensachen im Vorgarten waren ein schlechtes Omen. Am Liebsten wäre er direkt wieder ins Auto eingestiegen, um nach Blaubeuren zu fahren, wo er seine Wohnung hatte. Aber er besann sich eines Besseren, aus Angst um seine Mutter.

Torsten nahm den Totschläger aus seinem Auto, den er immer unter dem Fahrersitz hatte und ging zur Haustür, um Frau Lange mitzunehmen. Doch als er die Tür aufgeschlossen und geöffnet hatte, sah er sich erst einmal seinem tobenden Vater gegenüber.

„Was suchst du noch hier, du Verräter?!“, wurde Torsten von seinem Vater angebrüllt und aus eigener Erfahrung erkannte Nils' Bruder am Schnapsgeruch im Atem sofort, dass der Braune Bernd unberechenbar war.

Deshalb ließ er sich gar nicht auf Diskussionen ein, sondern packte seinen Vater am Kragen, drückte ihn mit dem Rücken an die Wand und holte drohend mit dem Totschläger aus: „Ich nehme Mama mit.“ Er schaute den Braunen Bernd mit seinem bedrohlichsten Blick an. „Und wag es bloß nicht, dich mir in den Weg zu stellen.“

Torsten machte eine Andeutung, als wolle er mit dem Metall-Stock zuschlagen, woraufhin sein Vater mit einem erschrockenen Schrei den Kopf einzog. Doch statt zuzuschlagen schubste er ihn nur weg, und Herr Lange landete auf dem Hosenboden.

„Komm. Lass uns gehen.“ Torsten nahm seine Mutter, die sich das alles von blanker Angst erfüllt betrachtet hatte, am Arm und führte sie aus dem Haus.

Herr Lange traute sich währenddessen nicht, seinen Hintern hochzuheben. Trotz seines versoffenen und aufgehetzten Geisteszustands wusste er nämlich ganz genau, dass mit Torsten nicht zu spaßen war. Gerade wenn es um seine Mutter oder seinen Bruder ging.

Was anschließend im Hause Lange geschah, kann ich mir nur ausmalen. Vielleicht wütete Herr Lange durch das Haus und schlug alles kurz und klein. Vielleicht beruhigte er sich mit der Zeit auch wieder - wer weiß das schon. Unstrittig ist nur, dass er um kurz nach 17 Uhr einen Anruf bekam. Und zwar von Frau Kneißler.

Frau Kneißler war eine 76jährige Witwe, die in ihrer Erdgeschosswohnung direkt neben dem Jugendzentrum lebte. Sie war immer ein willkommener Ansprechpartner gewesen, wenn die Langes im Namen der NPD Werbung für ein besseres und deutscheres Deutschland machten, auch wenn sie sich wohl nie darüber bewusst gewesen war, welche Radikalität sich hinter den für die Öffentlichkeit weichgespülten Slogans versteckte. Zwischen Frau Kneißler und Herr Lange hatte sich im Laufe der letzten Jahre so etwas wie eine freundschaftliche Bekanntschaft entwickelt. Man hatte ein paar Worte gewechselt, wenn man sich beim Bäcker oder beim Metzger traf, Herr Lange hatte ab und zu Einkäufe im Supermarkt für Frau Kneißler erledigt, seit sie sich nicht mehr traute, Auto zu fahren, und man hatte sich natürlich auch ausgetauscht.

Ein häufiges Thema war dabei das Jugendzentrum gewesen. Frau Kneißler hasste es nämlich, wenn sich an den Wochenenden abends bis Mitternacht die Jugendlichen dort herum trieben, zu laut Musik hörten und auf dem Parkplatz Lärm machten. Oft genug hatte sie schon die Polizei dort vorbei geschickt und auch mit Briefen an den Bürgermeister die Schließung des Jugendzentrums versucht zu erwirken. Ihr Unmut war natürlich immer Wasser auf die Mühlen von Herr Lange gewesen.

„Meine Jungs werden sich niemals bei diesem Messerstecher-Pack herumtreiben“, hatte er schon vor Jahren einmal zu ihr gesagt. Und natürlich war auch diese linke Bazille Achim für beide eine Hassfigur gewesen, über die sie gerne lästerten.

Nun hatte diese Frau Kneißler, die jeden Mittwoch, wenn sich die Jugend traf, aufmerksam am Fenster saß und darauf hoffte, dass diese Balgen endlich einmal ein geparktes Auto beschädigten oder zumindest mit Glasflaschen warfen, an jenem tragischen Tag Nils erkannt, wie er gemeinsam mit uns gekommen war und anschließend auch hoch ins Jugendzentrum ging. Und weil sie von all den Sorgerechtsfragen und Gewaltvorwürfen gegen seinen Vater nichts wusste, hatte sie kein schlechtes Gewissen, als sie das Telefon zur Hand nahm und zuhause bei den Langes anrief. Sie wusste ja, dass das nicht im Interesse der Familie war und hatte ernsthafte Sorgen, dieser Nils, der immer so nett zu ihr gewesen war, könne auf die schiefe Bahn abrutschen. Frau Kneißler war erleichtert gewesen, als Herr Lange ihr versichert hatte, er würde sich darum kümmern.


Und diese Kette tragischer Umstände hatte nun also dazu geführt, dass ich hier im festen Griff mit dem Messer am Bauch stand. Herr Lange schnaufte hektisch wie eine Dampflokomotive in meine Ohrmuschel, so als ob ihm gerade bewusst geworden wäre, dass er die Kontrolle verloren hatte. Achim ging einen Schritt nach vorne auf Herr Lange und mich zu. Als Nils' Vater dann die Klinge fester an mich drückte, so dass ich sie nun auch durch den Stoff meiner Kleidung hindurch fühlen konnte, hob der Sozialarbeiter beruhigend seine Hand: „Lassen Sie das Messer fallen, Herr Lange. Dann können wir so tun, als wäre das alles nie passiert.“

Mein Blick ging von Achim wieder hinunter zu meinem Bauch und ich sah tatsächlich, wie er das Messer wenige Zentimeter von mir weg nahm und seine Finger schienen sich um den Griff sogar zu lockern.

'LASS ES FALLEN.' - In Gedanken schickte ich ein Stoßgebet in den Himmel. Mein Herzschlag hämmerte in meinem Ohr und vermischte sich mit Herr Langes Schnauben zu einem Soundtrack des Wahnsinns. Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sich die Klinge in meine Eingeweide bohrt? Unfassbar langsam neigte sich die Messerspitze nach unten zum Boden, den Griff hielt der Braune Bernd nur noch zwischen den Fingerspitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Jeden Moment würde es ihm entgleiten, mit einem Scheppern auf dem Boden landen und mit etwas Glück meinen Fuß verfehlen. Ich hielt die Luft an und wartete auf diesen erlösenden Augenblick.

Doch untermalt mit einem Grunzen griff die Hand auf einmal wieder fest am Messergriff zu. Nicht nur das. Herr Lange führte die Klinge an meinen Hals. Kalt, hart und tödlich fühlte sie sich an meiner Haut an. Nils' Vater kicherte irre in meine Ohrmuschel und tauchte mich in eine neue Wolke des widerwärtigen Schnapsgestanks.

„Ihr wollt mich doch verarschen, ihr verdammten Zecken.“ - Wieder so ein verrücktes Kichern. „Aber ihr werdet schon sehen.“ - Sein Atem raste zwischen den Worten, so als ob er gerade einen Hundertmeter-Sprint gemacht hatte und seine Stimme war gehetzt. „Ihr wollt mich alle hinter Gittern sehen, was? Sogar Torsten habt ihr gegen mich aufgehetzt... Aber wenn ich schon in den Knast gehe, dann soll es sich auch lohnen.“

Herr Lange erhöhte den Druck der Schneide an meinem Hals nur leicht und sofort fühlte ich dort ein Brennen. Wie ein Faustschlag traf mich die Erkenntnis, dass ich die nächsten Minuten vielleicht nicht überleben würde.

„Lass Miguel los, Papa.“ - Nils war einen Schritt nach vorne getreten und seine braunen Augen schauten an mir vorbei zu seinem Vater.

„Halt die Fresse, du Bastard! Duuuu hast uns das alles eingebrockt.“ - Ich konnte das Messer zwar nicht sehen, aber ich spürte, wie sich der Druck der Klinge an meiner Haut entspannte und das Brennen ließ nach.

„Ich?“ - Nils lachte spöttisch, aber seine Stimme zitterte und die Augen konnten seine Angst nicht verbergen. „Schau dich doch selbst mal an. Säufst und säufst, verprügelst deine Frau und deine Kinder und springst wie ein Irrer mit dem Messer rum. Sind das etwa die deutschen Tugenden, von denen du immer schwärmst?“

„Halt die...“ - Die Klinge fühlte ich nun nicht mehr an mir. Als ich nach unten schielte, erkannte ich, dass Herr Lange sein Handgelenk gedreht hatte und die Messerspitze nun zu Nils zeigte.

Nils' wackelige Stimme wurde von Wort zu Wort fester: „Du solltest dich schämen. Kein Wunder, dass sich nur noch die Dümmsten und Versoffensten mit dir abgeben. Torsten und ich sind dir schon davongelaufen.“ Nils atmete durch. „Und als Nächstes wird Mama...“

„Halt dein verdammtes Maul!!!“ - Speichel oder Rotz sprühte von hinten an meine Wange und Herr Lange streckte drohend mit ausgestrecktem Arm Nils das Messer entgegen.

Mein Liebster lächelte jetzt sogar. Ohne eine Spur von Humor in den Augen: „Sieh es ein, Papa. Dein Leben ist für'n Arsch. Dein Hass hat dich jetzt endgültig zerfressen. Was denkst du, wie lange du sitzt, wenn du das jetzt durchziehst? Lebenslang? Oder nur zehn Jahre, wenn du Glück hast? Und das alles für ein bisschen Rache?“ Nils verzog gespielt anerkennend die Mundwinkel. „Respekt.“

„HÖR AUF!!!“ - Jetzt überschlugen sich die Ereignisse. Herr Lange fuchtelte mit dem Messer in Nils' Richtung, ohne mich aber loszulassen und auf einmal wurden wir beide durchgeschüttelt. Nur so halb war mir bewusst, dass Nils' Standpauke nicht nur eine Abrechnung, sondern auch ein Ablenkungsmanöver gewesen sein musste und jemand hatte seinen Vater von hinten angegriffen. Herr Lange keuchte schmerzerfüllt auf. Ich spürte, wie sich sein Arm um meine Brust entspannte und schaltete auch schnell genug, um mich aus dem Griff herauszuwinden.

Ich hatte es sogar geschafft und wollte zur Seite wegspringen, aber schon spürte ich Herrn Langes Hand an meiner Schulter, die fest zugriff. Irgendwie wusste ich, dass nun der Moment gekommen war, an dem mich der Braune Bernd abmurkste. Ich biss die Zähne zusammen in Erwartung der unerträglichen Schmerzen. Aus meinem Blickwinkel war es dann nur ein hellgrauer Schatten, den ich sah. Nils warf sich wie ein Rammbock auf seinen Vater und dieser Einsatz war es, der mich endgültig befreite und mit dem Hintern schmerzhaft auf dem Boden landen ließ.

Ich blickte auf und das Bild, das sich mir bot, war grotesk. Wie viel Zeit war denn eigentlich vergangen, seit Herr Lange von hinten angegriffen worden war? Eine Ewigkeit? So fühlte es sich zumindest an. Aber in Wirklichkeit waren es wohl eher drei oder vier Sekunden. Zwei Meter hinter Herrn Lange stand noch Pascal, der mit schockerfülltem Gesicht den Billardqueue in der Hand hielt, den er Nils' Vater auf den Rücken oder auf den Kopf geschlagen hatte. Nils und sein Vater standen sich direkt gegenüber. Aber statt sich an die Gurgel zu gehen, starrten sie sich mit weit aufgerissenen Augen an.

'Was ist denn hier los?', schoss es mir durch den Kopf. Dann sah ich das Messer, dessen Griff Herr Lange noch umgriffen hielt und dessen Klinge in Nils' Bauch steckte. Es war, als ob die Zeit aufgehört hätte zu existieren, doch die Illusion verging. Wie im Zeitraffer färbte sich der Stoff seiner grauen Fleece-Weste um die Einstichstelle dunkelrot. Nils stieß einen schrecklichen Seufzer aus, in dem sich Entsetzen, Überraschung und Schmerz widerspiegelten. Sein Vater zog wie in Trance das Messer aus Nils heraus und ließ es auf den Boden fallen. Nils legte seine Hand auf die Wunde und ich sah, wie Blut zwischen den Fingern hervor sickerte. Langsam ließ sich mein Geliebter sinken und setzte sich auf den Boden.

Ohne mir der Gefahr überhaupt noch bewusst zu sein, rappelte ich mich halbwegs auf und watschelte auf Knien am Braunen Bernd vorbei zu Nils.

Ich setzte mich neben ihn auf den Boden und Nils ließ seinen Oberkörper auf meinen Oberschenkeln ab. Sein Atem war zu einem Japsen geworden, das an einen fürchterlichen Schluckauf erinnerte und seine braunen Augen suchten panisch den Blickkontakt.

„Alles wird gut“, flüsterte ich und fühlte, wie Nils am ganzen Körper zitterte. Ich sah, dass er die Lippen bewegte, um zu antworten. Aber er brachte keinen Ton heraus. Immer nur dieses Keuchen. Meine Hand schob sich unter seine Weste, und mit den Fingern ertastete ich an seiner Haut die Wunde. Eher instinktiv legte ich die Handfläche darauf und fühlte regelrecht, wie das Leben wie warmes Wasser aus der Liebe meines Lebens heraus floss. „Du musst durchhalten“, flehte ich und bekam nichts weiteres als diesen elendigen Schluckauf-Atem zur Antwort.

Nils' Vater hatte sich im Schock einige Meter von uns entfernt niedergelassen. Um ihn herum standen Max, Niclas und Pascal mit Billard-Queues bewaffnet, um ihn in Schach zu halten und Basti stand wurfbereit mit einem Maß-Krug im Anschlag zwei Meter vor ihm. Alle Vier schienen nur auf eine falsche Bewegung von Herrn Lange zu warten, um einen Grund zu haben, ihm den Schädel einzuschlagen. Aber Nils' Vater saß nur da und schaute ungläubig seine eigenen Hände an.

Nils' japsender Atem wurde derweil schneller und ging in ein Hecheln über. Sophie war zu mir gekommen. Sie hatte die linke Hand unter Nils' Hinterkopf gelegt, um ihn zu stützen und ihre Rechte auf meine Hand, die auf der Wunde lag.

„Wir müssen richtig zudrücken Miguel.“

Ohne meine Antwort abzuwarten, erhöhte sie den Druck, worauf Nils ein herzzerreißendes Stöhnen von sich gab, das die Schmerzen, die wir ihm damit zufügten, mehr als nur erahnen ließ.

„Hör auf!“, schrie ich Sophie an, aber sie tat es nicht.

„Wir müssen doch die Blutung stoppen.“

Irgend jemand hinter uns brummte: „Das bringt doch nichts. Dann blutet er halt nach innen“, trotzdem hielt ich mich widerwillig an Sophies Anweisung.

Nils wimmerte verzweifelt, aber sein Atem wurde bald ruhiger und flacher. Der Blick, dessen Pfiffigkeit mich einst Tag für Tag zur Weißglut getrieben hatte, nur um mich später in ihn zu verlieben, wurde trübe. Von draußen war das Heulen eines Martinshorns zu hören, das sich bald mit einem zweiten vermischte und sich rasch näherte.

„Bleib bei mir, Nils“, flehte ich ihn an. „Wir wollen doch zusammen nach Andalusien fliegen.“

Ein Fahrzeug mit Martinshorn wurde draußen auf dem Parkplatz abgestellt und Sekunden später war das Trampeln auf den Treppen zu hören. Nils machte eine Bewegung, als ob er mit dem Kopf schütteln würde. Als ihn die Sanitäter mir abnahmen, hatte er die Augen zwar noch geöffnet, aber der Blick war glasig und weit weg. Ich wusste nicht einmal, ob Nils noch bei Bewusstsein war.

Die Polizisten waren fast gemeinsam mit den Sanitätern gekommen und Herr Lange ließ sich ohne Gegenwehr abführen. Kurz darauf waren noch weitere Polizisten gekommen, die den Tatort sicherten, Personalien aufnahmen und meine Freunde befragten. Davon bekam ich aber wenig mit. Alles um mich herum war schwarz. Es war, als ob der Braune Bernd mich abgemurkst hätte. Zumindest war etwas in mir gestorben und zwar für immer. Ausgerechnet Niclas hatte sich meiner angenommen, hatte mich zum Sofa gebracht sich zu mir gesetzt und ein Pflaster auf die kleine Schnittwunde an meinem Hals geklebt.

„Er wird es schon schaffen. Nils ist zäh“, flüsterte er mir zu und knetete aufmunternd meine Schulter. Niclas blieb auch bei mir, als die meisten Jugendlichen hinaus stürmten, um sich anzuschauen, wie der Rettungshubschrauber landete und übergab mich zehn Minuten später meinen Eltern, die von irgendjemandem benachrichtigt worden waren. Was folgte, war Schwärze.

Drei Tage später:

Es war Samstag Vormittag, gegen 10:30 Uhr. Meine Eltern und ich tauschten in dem hellblau gestrichenen Flur Blicke aus, die zu beklommen waren, um wirklich Mut zu machen. Trotzdem rangen wir uns alle Drei ein Lächeln auf die Lippen. Mama und Papa sahen zwar ulkig aus in ihren grünen Ganzkörper-Überwürfen, die sie genauso wie ich über der Kleidung trugen, aber ich sagte nichts darüber. Seit Mittwoch war mir nicht mehr nach Scherzen zumute. Und das jetzige Warten war eine Zumutung.

Endlich waren schnelle Schritte zu hören, die in den Fluren hallten und kurz darauf kam ein überraschend junger Mann Anfang Dreißig mit Brille und weißem Arztkittel um die Ecke.

„Guten Morgen. Familie Garcia? Mein Name ist Doktor Ernsberg.“ - Nacheinander gab er uns die Hand, wobei sich sein Händedruck warm und freundlich anfühlte.

„Guten Morgen, Doktor Ernsberg. Schön dass es...“, wollte mein Vater anfangen, aber ich fiel ihm voller Ungeduld ins Wort: „Wie geht es Nils?“

Doktor Ernsberg ignorierte gekonnt meine Unhöflichkeit und wendete sich direkt an mich: „Lebenswichtige Organe wurden bei ihm nicht verletzt, aber Nils hat viel Blut verloren. Sein Zustand ist noch kritisch, aber stabil.“ - Nachdem er meinen verlorenen Blick richtig gedeutet hatte, zeichnete sich die Andeutung eines Lächelns in sein Gesicht: „Ich denke, er ist über den Berg.“

Ich seufzte tief und machte mir nicht die geringste Mühe, meine Erleichterung zu verbergen. Doktor Ernsberg, der diensthabende Arzt der Intensivstation des Ulmer Universitätsklinikums, legte mir einen Arm um die Schulter: „Am Besten, du siehst ihn dir selbst an.“

Der Arzt führte uns nun in eine traurige Welt. Ein großer Saal mit vielleicht sieben oder acht Betten, in denen Menschen lagen, von denen die Meisten an irgendwelche Apparaturen oder Infusionen angeschlossen waren. Manche waren augenscheinlich nicht bei Bewusstsein, andere nur so halb, und der Geruch von Desinfektionsmittel lag in der Luft. Zwischen den Intensivpatienten schwirrte auf leisen Sohlen eine Pflegerin umher.

Ich wusste in diesem Moment nicht, was mich erwartete. Wir waren auch schon an den beiden vorangegangenen Tagen hier gewesen, aber da waren wir immer wieder abgewiesen worden und wir hatten auch keine Aussagen über Nils' Gesundheitszustand erhalten. Hier auf der Intensivstation waren Besuche in der Regel nämlich nur engsten Familienmitglieder gestattet. Am Vortag hatte uns Frau Zittlau vom Jugendamt noch versprochen, sich mit dem Krankenhauspersonal in Verbindung zu setzen und heute waren wir tatsächlich durchgewunken worden.

Der Raum war überschaubar und Nils entdeckte ich fast sofort, wie er den Kopf hob. Ich fühlte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten. Mein Liebster sah mitleiderregend aus. Seine Haut war aschfahl und unter den Augen hatte er dunkle Ringe. Er war bis zur Hüfte zugedeckt und sein Oberkörper war von einer hässlich geblümten Schürze bedeckt. Neben seinem Bett stand ein Infusionshalter-Ständer mit einem Beutel, der mit einer rostbraunen Flüssigkeit gefüllt war, von dem ein Schlauch zur Infusionsnadel an Nils' Handrücken ging.

Doch Nils' Augen leuchteten wach und erfreut, als er uns sah, und seine blassen Lippen lächelten. Mit zitternden Knien ging ich auf ihn zu, kniff ihm vorsichtig in die Schulter und flüsterte: „Wie geht es dir?“

„Frag nicht“, nuschelte er mit schwacher Stimme zurück. „So, als wenn mich eine Dampfwalze überrollt hätte.“

„So schlimm?“

„Die Wunde allein tut schon weh. Aber noch übler sind die Kopfschmerzen, die ich bei jeder kleinsten Anstrengung bekomme.“

„Du Armer.“ Ich streichelte ihm zärtlich über die Stirn und genoss die Körperwärme, die ich dort fühlte. Nils schloss kurz die Augen, so als ob auch er die Berührung genießen würde.

„Und weißt du, was noch schlimmer ist?“ - Nils Augen funkelten und die Lippen grinsten frech.

„Was?“

„Die zwingen mich hier, in eine Bettpfanne zu kacken.“

Ich schaute Nils gespielt fassungslos an, seine Lippen wackelten vor unterdrücktem Lachen: „Das ist ja schrecklich. Wir müssen dich hier rausholen.“

Wir schauten uns an und dann konnten wir nicht anders, als gemeinsam zu lachen. Ein Geräusch, von dem ich das Gefühl hatte, dass man es in diesem Raum nicht sehr häufig zu hören bekam.


So, liebe Leser. Zum Ende hin möchte ich nach all dem Hobbyautoren-Geschreibe doch noch einen guten Schriftsteller zu Wort kommen lassen, nämlich Mark Twain. Und zwar mit einem Satz, der mir beim Schreiben dieser Geschichte schon länger im Kopf herum spukt:

Wenn man einen Roman über Erwachsene schreibt, weiß man genau, wo man aufhören muss – mit einer Hochzeit nämlich; schreibt man dagegen über Jugendliche, muss man da aufhören, wo es am ehesten geht.

Es würde zwar zu weit gehen, die Geschichte von Nils und mir als Roman zu bezeichnen, aber ein Körnchen Wahrheit steckt in diesem Zitat schon. Dies ist nämlich genau dieser Punkt, wo es am ehesten geht. Nachdem Nils' Vater an jenem schaurigen Mittwoch aus dem Verkehr gezogen worden war, war in unser Leben tatsächlich Ruhe eingekehrt, und wenn ich die Geschichte weiter führen wollte, befürchte ich, sie würde als belanglose Seifenoper vor sich hin dümpeln.

Aber weil es mir jetzt selbst etwas peinlich ist, unsere Geschichte ausgerechnet auf der Intensivstation enden zu lassen, möchte ich mit euch zum Abschluss noch einen kleinen Zeitsprung machen. Vom November 2013 zum 16. Juni 2018. Dort endet die Geschichte 'Mein bester Feind' entgegen aller Unkenrufe Mark Twains doch noch mit einer Hochzeit. Es ist aber nicht die Hochzeit von Nils und mir, sondern die von Nils' Bruder Torsten. Er spielte in der Geschichte zwar nur eine Nebenrolle, aber ich denke seine Heirat mit Lydia war ein Sinnbild, wie sich die Zeiten geändert hatten und auch ein guter Anlass, um über die vergangenen viereinhalb Jahre zu resümieren.

Eine im wahrsten Sinne des Wortes bunte Hochzeitsgesellschaft war an jenem Juni-Tag in der Sankt Peter und Paul Kirche in Blaubeuren versammelt. Von Torstens Familie war Nils der einzige Anwesende, außer man würde mich als Nils' Verlobten mit dazurechnen. Der Vater von Nils und Torsten war zwar nach drei Jahren im Gefängnis inzwischen wieder frei, aber es besteht bis heute kein Kontakt mehr. Seine Strafe war relativ milde ausgefallen. Das kam daher, dass nie zweifelsfrei festgestellt werden konnte, wie es zu diesem um ein Haar tödlichen Messerstich gekommen war. Einige Zeugen glaubten gesehen zu haben, dass Herr Lange auf mich einstechen wollte und Nils sich ganz bewusst dazwischen geworfen hatte, um den Stich abzufangen. Nils streitet diese Version aber bis heute als 'Heldenmythos' ab, mit dem glaubwürdigen Argument, so schnell hätte er gar nicht reagieren können und er sei ja auch nicht blöd. Er bezeichnet den Irrsinn, sich blindlings auf seinen Vater mit dem Messer in der Hand gestürzt zu haben, als Kurzschlussreaktion. Ich selbst denke, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

Letztendlich hatte sich wegen der Zweifel aber die Version von Herrn Lange durchgesetzt (oder die Version seines Anwalts; Herr Lange hatte während der ganzen Verhandlung kein Wort gesagt). Dass das Ganze nur ein schreckliches Missgeschick gewesen sei und er nie beabsichtigt hätte, jemanden zu verletzen. Und warum er überhaupt ein Messer bei sich gehabt hatte? Selbst dazu hatte der Anwalt eine Bernd-typische Erklärung abgegeben. Nämlich dass er es zur Verteidigung mitgenommen hätte, falls er von den Messer-Jungs des Jugendzentrums angegriffen werden würde.

Nils' Mutter war kurz nach der Verhaftung ihres Ehemannes zu ihren Eltern nach Braunschweig gezogen und hatte dort sogar eine Entziehungskur gemacht. Doch bei ihr hatte am Ende die Nibelungentreue gesiegt. Nach Bernds Entlassung zog sie mit ihm nach Jamel in Mecklenburg. Ein Dorf mit dem Ruf, dass dort die Deutschen deutscher seien, als im Rest der Republik, und es gibt Gerüchte, dass sie mittlerweile wieder trinkt.

Bei dem Gedanken daran, was der Vater von Nils und Torsten – der Braune Bernd – beim Anblick dieser Hochzeitsgesellschaft wohl sagen würde, musste ich vor mich hin grinsen, als ich auf der Kirchenbank saß. Lydia und ihre Eltern stammten nämlich ursprünglich aus Mindelo, einer Stadt auf den kapverdischen Inseln und waren alle dunkelhäutig. Lydia war eine 23jährige kreolische Schönheit (muss sogar ich als Schwuler anerkennen) und hatte Torstens Leben in Zeiten größter Selbstzweifel in eine neue Richtung gelenkt.

Torsten hatte nämlich nach der Tat seines Vaters unter großen Schuldgefühlen gelitten. Seine Polizeiaussage hatte den Stein ja schließlich ins Rollen gebracht, außerdem hatte er Nils nicht gewarnt, weil er voll darauf konzentriert gewesen war, sich in dieser Extremsituation um seine Mutter zu kümmern. Die akute Gefahr für Nils und mich hatte er dabei unterschätzt und es dabei belassen, Nils eine SMS zu schicken, die dieser erst Tage später im Krankenhaus gelesen hatte. Torsten hatte zwar noch länger als ein Jahr bei den Nazis und den Hooligans mitgemischt, aber gleichzeitig hatte es ihn auch nicht mehr geschert, wenn er gesehen wurde, wie er sich mit Nils und mir traf. Lydia war im Jahr 2015 im selben Haus, in dem Torsten in Blaubeuren gelebt hatte, zwei Türen weiter eingezogen. Und genauso wie es einst bei Nils und mir gewesen war, hatte die Liebe seltsame Kapriolen geschlagen.

Der Ausstieg aus der Naziszene war für Torsten hart gewesen und er wird auch heute noch bedroht. Aber laut Torsten sind das alles lächerliche Maulhelden. Ich bin zumindest froh, dass er den Nazis und der Gewalt abgeschworen hat und er heute zu meinem engsten Freundeskreis gehört. Seine Ruhe und seinen Humor, der zwar genauso trocken ist, wie der von Nils, aber eine ganze Spur derber, habe ich inzwischen zu lieben gelernt. Gemeinsam mit Nils verbringe ich gerne lange Abende mit einer Flasche Rotwein bei ihm und Lydia, in denen wir die Vergangenheit aufarbeiten, über die Zukunft philosophieren und über Bolle und Carsten lästern.

Ich muss zugeben, die kirchliche Trauung kam mir etwas langatmig und zäh vor. Ich war einfach kein großer Kirchgänger und mochte diese katholischen Zeremonien nicht besonders. Aber dafür war das anschließende Fest ein Genuss. Torsten hatte sich inzwischen einen kleinen, sehr sympathischen Freundeskreis aufgebaut, der nebenbei auch noch gut feiern konnte, und trotzdem von den Kapverdiern in dieser Hinsicht klar in den Schatten gestellt wurde. Es war ein herrliches Fest, das sich in eine laue Frühsommernacht hinein zog.

Sonntag morgens um halb Fünf, als nur noch der harte Kern übrig war und Nils und ich ziemlich betrunken und eng umschlungen miteinander tanzten, meinte Lydia im Scherz: „Ich wette, jetzt mit der Ehe für alle seid ihr Zwei die Nächsten, die heiraten.“

Die Anwesenden lachten und Nils und ich lachten mit. Von unserer zurückliegenden Verlobung wusste niemand etwas. Das war eine Sache zwischen Nils und mir. Doch wir hatten das Thema tatsächlich schon einmal angeschnitten und sahen eine Hochzeit für die Zukunft als Option. Aber für diesen Schritt fühlen wir uns auch heute noch zu jung. Erst einmal wollen wir die wenige Zeit, die wir miteinander verbringen können, genießen. Ich selbst habe es im Moment in Münsingen zwar ziemlich ruhig, aber Nils hat sich, wenn man es genau nimmt, schon seit dem Tag, an dem er nach der Messer-Attacke aus dem Krankenhaus entlassen worden und vom Jugendamt direkt zu uns in die Familie gesteckt worden war, ganz freiwillig einem Dauerstress ausgesetzt. Aus irgendeinem Grund hatte er sich während des Krankenhausaufenthalts nämlich selbst den Floh ins Ohr gesetzt, einmal Arzt werden zu wollen. Für einen Zehntklässler in der Realschule ganz schön hochgesteckte Ambitionen. Vor allem wenn man bedenkt, dass er im Abschlussjahr zwei Monate wegen Krankheit verpasst hatte.

Aber Nils hatte sich reingebissen. Schon direkt nach seiner Krankenhausentlassung war er ganz scharf darauf gewesen, zu erfahren, was wir durchgenommen hatten. Weil das damals noch im November war und es ihm die Ärzte erst erlaubten, nach den Weihnachtsferien wieder zur Schule zu gehen, hatte er mich Tag für Tag dazu genötigt, nach Schulschluss mit ihm zu lernen. Und das, obwohl er wegen der Blutarmut, die sich nur langsam verbesserte, Konzentrationsschwierigkeiten hatte und ihm die Kopfschmerzen, die ebenfalls eine Nebenwirkung der Anämie waren, noch über einen Monat das Leben zur Tortur machten.

Seine Verbissenheit hatte sich letztendlich gelohnt. Er hatte eine fantastische Mittlere Reife hingelegt und durfte danach aufs allgemeine Gymnasium wechseln, wo das Pauken weiterging und er auch noch zusätzliche Kurse belegen musste, um bei den höheren Anforderungen Fuß fassen zu können. Heute studiert Nils tatsächlich Medizin in Heidelberg. Das Schnäuzle von einst ist auf dem besten Wege, zu meinem Doktor Lange zu werden. Die Trennung während der Semester ist zwar nicht schön, denn ich lebe und arbeite immer noch in Münsingen, aber ich muss mir selbst eingestehen, dass sie uns gut getan hat. Nach den Jahren, in denen wir uns das Zimmer geteilt hatten, war unsere Beziehung unmerklich zu einem brüderlichen Verhältnis verstaubt und erst durch die Sehnsucht der örtlichen Trennung war sie wieder so richtig aufgeflammt.

Und heute, am 18. Dezember 2018, können wir behaupten, wir sind mit einer fühlbaren Vorfreude gespannt darauf, was uns die Zukunft bringen wird.

Ende

Wie bitte?! Ende?! Nein, okay... Noch nicht ganz. Eines habe ich noch für euch, und dafür möchte ich euch noch einmal mit zurück nehmen, ins Jahr 2014.

Es sind Winterferien und Nils und ich sind wieder Sechzehn. Während der Frost und die Fasnacht Münsingen fest im Griff haben, haben wir zwei uns davon gemacht. Am Morgen hatte Nils die erste Flugreise seines Lebens von Stuttgart nach Málaga und kurz darauf hat er in Frigiliana die liebenswerte (und immer auch sehr chaotische) Gastfreundschaft meiner Großeltern zu schätzen gelernt. Nun ist es später Nachmittag, als Traum und Realität miteinander verschmelzen. Im Gegensatz zu den Minusgraden, bei denen wir in Stuttgart am Morgen abgehoben waren, herrschen hier, am Strand von Nerja, noch über 20 Grad, obwohl die Sonne als roter Ball schon nah am Meer ist und die sanften Wellen purpurrot und lila schimmern lässt. Es ist genau jener Strand, von dem ich dieses schöne Foto als Poster in meinem Schlafzimmer hängen habe, über den wir jetzt Hand in Hand schlendern und wie zum Beweis unsere Fußabdrücke im Sand hinterlassen.

Der milde Wind streichelt von der See her durch meine Haare und weht salzige Meeresluft um meine Nase. Nils' Hand fühle ich warm und vertraut in meiner Handfläche. Seit Minuten hat er kein Wort mehr geredet, sondern einfach nur die Luft eingesogen und den Moment genossen. Ob er wohl das Gleiche fühlt, wie ich? Diese Stimmung ist schwer zu beschreiben. Es ist nicht das euphorische Gefühl, gewonnen zu haben, so wie ich es mir immer ausgemalt hatte, wenn ich mir diesen Moment erträumte. Es ist ein leises, zartes und trotzdem überwältigendes Gefühl, wie ich es niemals zuvor erlebt habe. Das Gefühl tiefster Dankbarkeit. Dankbarkeit, dass es uns gegönnt ist, diesen Augenblick erleben zu dürfen.

Nils und ich setzen uns nebeneinander in den Sand, um uns anzusehen, wie der Sonnenball im Mittelmeer versinkt und ganz automatisch lehnt er seine Schulter an mir an. Er blickt zu mir und seine Augen schimmern feucht. Dabei fällt mir wieder auf, wie sehr sich Nils verändert hat, seit ich ihm das erste Mal begegnet bin. Sein Gesicht ist schmaler. Klar. Ihm war an jenem Tag im November etwas Schlimmes widerfahren und seine Gesundheit hat sich davon nur langsam wieder erholt. Aber auch seine Haare, die früher ein strammer deutscher Undercut-Schnitt mit Seitenscheitel waren, sind heute wuschelig und verdecken einen Teil seiner Ohren. Die neue Frisur, die eigentlich gar keine ist, steht ihm gut. Doch die Augen sind noch dieselben. Diese zauberhaften haselnussbraunen Augen.

Nils lächelt mich an: „An was denkst du gerade?“

Ich grinse verlegen: „An nichts. Ich möchte nur, dass alles so bleibt, wie es ist.“

Nachwort

Hier, am Ende der Geschichte um Miguel und Nils, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um ein herzliches Dankeschön auszusprechen. Ein Dankeschön an die treuen Leser, die mir mit ihren Feedbacks und Rückmeldungen auch in den schwierigeren Zeiten Mut und Lust gemacht haben, an dieser Story weiterzuschreiben. Ohne euch und euren Zuspruch hätte ich es wohl nicht geschafft, die Geschichte zu Ende zu bringen.

Ein weiteres Dankeschön geht auch noch an die Redaktion von Nickstories für die Überarbeitung und Veröffentlichung meiner Geschichte.

Ich wünsche euch allen weiterhin noch viel Spaß mit Nickstories.

Euer Stefan

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