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Ward Manor

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Vorwort

Diese Geschichte hat eine seltsame Entstehung. Ich begann sie 2004 in Neuseeland und beendete sie ein Jahr später 20000 km entfernt davon in Irland nahezu am Originalschauplatz. Poetisch gesagt: Die halbe Welt liegt zwischen Beginn und Ende dieser Geschichte... Sie enthält einige Begriffe, für die ich am Ende ein Glossar zusammengestellt habe, da ich nicht davon ausgehen kann, dass sie jeder kennt. Ich möchte mich noch bei Florian, Martin, Max, Andrea, Astrid, Björn und Markus bedanken für ihre Geduld und interessante Diskussionen über den Inhalt. Ein Tipp: Es ist sehr stimmungsvoll, während des Lesens z.B. den Soundtrack von "The 6th Sense" oder Vergleichbares laufen zu lassen. O.R.

 

Aus dem Tagebuch von Frank Ward:

23. September

Ich habe mir angewöhnt, zu schreiben, als ob ich jemandem erzähle, was mich bewegt. Ich will das fortführen, so wie früher, als ich noch Tagebuch schrieb, während ich mit Alex zusammen war. Ich habe sie alle verbrannt, als ich mich von ihm trennte. Es passt zu mir und meinen impulsiven Ausbrüchen. Wenn ich etwas tue, dann richtig.

Ich kann es noch immer nicht fassen, was ich getan habe. Du musst wissen, dass der Kauf dieses Hauses in Irland selbst meine üblichen Verrücktheiten bei weitem übersteigt, die Alex oft wahnsinnig gemacht hatten. Ja, ich gebe zu, im Grunde ist es absolut meine Schuld, dass eine Beziehung von fast 9 Jahren so endete. Wenn ich es recht bedenke, ist es ein Segen für Alex, mich los zu sein. Und dass er Bernd gefunden hat, erfüllt mich fast mit Zufriedenheit. Vielleicht ist es auch nur eine billige Beruhigung meines schlechten Gewissens Alex gegenüber, aber zu wissen, dass er jemanden hat, der sich besser um ihn sorgt, als ich es tat, nimmt mir ein wenig das miese Gefühl gegenüber meinem Exfreund. Die Flucht aus Berlin in meine Wahlheimat Irland erklärt sich wohl auch mit meiner Abstammung. Mein amerikanischer Vater Henry James Ward hatte mich zweisprachig erzogen und oft nach Irland mitgenommen, wo er zeitweilig arbeitete. Aber im Grunde wuchs ich bei meiner Mutter in Deutschland auf. Sie meinte, der Name Frank sei ideal, weil er englisch wie deutsch ausgesprochen werden konnte, ohne dass man die Schreibweise verändern musste. Ja, das war meine Mutter, in ihrer Führsorglichkeit immer gleich pragmatisch. Klar, dass sie mein Outing als Homosexueller sofort mit der Bemerkung begrüßte, da hätte sie nicht das ganze Gezeter mit Enkeln und könne sich mehr um einen ruhigen Lebensabend Gedanken machen. Verrückte Frau! Aber ich liebe sie, auch wenn sie von Vater nie mehr hielt als das, was sie an ihm in der Nacht fand, als ich entstanden bin. Genug jetzt der Familiengeschichten.

Ich bin vor allem hierher gekommen, weil ich mit meinem bisherigen Leben abschließen wollte. Typische Tabula-rasa-Reaktion. Und mit Vaters Erbe gleich ein Haus gekauft! In Irland, und da nicht etwa in Dublin. Nein, mitten in Connemara, 8 Meilen vom nächsten größeren Ort entfernt und das war der Touristenort Clifden. Ich war als Kind mal mit Vater hier. Es war der einzige Ort in meinen Erinnerungen, der mich auf eine schräge Weise berührt hatte. Weißt du, jeder Ire würde jeden noch so vernünftigen Typen – und das sind in der Regel Iren mit einem Hang zu Guinness und Whisky – für absolut irre halten, so etwas zu tun. Aber als ‚Halbblut' dieser Herkunft billigt man mir das zu. Als ich in Galway die Unterlagen abholte, waren die amüsierten Blicke nicht zu übersehen. Ich mag die Iren, sie sind viel unkomplizierter als Deutsche.

Und direkter! Das bekommt man schon mal zu spüren, wenn sie mitkriegen, dass ich nicht auf Frauen stehe.

Hab mir natürlich in Galway schon mal ein paar nette Abende gemacht. Es ist was dran an dem was ein Typ mir mal sagte: Wenn du mit ‘nem schwulen Kerl in Irland nach drei Stunden noch keinen Sex hattest, war es kein Ire.

O.k. Muss mich also erst mal hier einleben. Ich habe das Haus Ward Manor getauft.

Unglaublich! So ein Kasten für 300000 Euro. Spottpreis. Es war ein alter Herrensitz. Das Anwesen ist gut und gern 500 Jahre alt. Das Haus selbst stammt aus dem 18 Jhd. und gehörte einem Landlord namens Seamus O'Sea (ein Deutscher würde es Schäimes Ou Schia schreiben wenn er es richtig aussprechen will – ja das Gälisch, kann es zwar nicht, aber Ansätze kriegt man hier schon mit). Ich vermute es war dann wohl Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts aufgegeben und an Verwalter der nahen Kylemore Abbey verkauft worden. Genau weiß ich das nicht. Gegen 1948 hat man es dann ganz aufgegeben und fast verfallen lassen. Es stand lange leer und die irische Regierung lies es 1990 zum Teil renovieren. Man wollte ein Touristenzentrum draus machen, ein Hostel für junge Leute. Ist ja auch super gelegen, in diesem malerischen Talkessel westlich des 'Connemara National Park'.

Wie es zur Ausschreibung kam, weiß ich nicht. Interessiert mich auch nicht. Ich hab das Haus, und es ist genau, was ich immer wollte. Es passt zu meiner exzentrischen Art.

Weißt du, mir ist echt egal, ob mich Leute für ein arrogantes Arschloch halten, solange ich weiß, dass das, was ich tue für mich o.k. ist. Hier bin ich allein, hier gehe ich keinem auf den Senkel.

Mich besucht nur ab und zu der alte Paddy O'Hare, der hier so viel wie Postbote, Gemeindeverwalter und Mädchen für alles ist. War schon komisch für ihn, sag ich dir, am Anfang. Naja, so ein Kerl aus Deutschland, der volle Stadttyp, so ein ‘Smart-Ass‘, Jetsett-Yuppie oder was immer ich für ein Bild abgebe in diesem alten Kasten als 34-jähriges Ex-Model. Aber die Iren sind so cool. Ich hab mein Englisch nur ein wenig mit irischem Kauderwelsch angereichert und spendier Paddy ab und zu ein Guinness. Mann, ist der aufgetaut. Er ist ein echter Kumpel, mit seinen drei Zähnen! Aber irre auch. Murmelt immer was vor sich hin, das ich nicht ganz versteh. Aber er mag mich, das ist klar.

Und dann ist da noch Molly Winslow, eine feine alte Dame, die vor meiner Zeit hier regelmäßig nach dem Rechten sah und es sich jetzt nicht nehmen lässt, mich ab und zu zu verhätscheln. Nein ehrlich, kommt die kleine Alte neulich vorbei und bringt mir frischen Apple-Tart, natürlich selbstgebacken. Sie hat einen Schlüssel, und ich gestatte ihr zu kommen, wann sie will. Sollte sie mich je mit einem Typen im Bett erwischen, ist das ihr Problem, das muss sie dann schon verkraften. Aber ich glaube, die ist robuster, als man denken will. Die haut nicht viel um. Zumindest tut sie so, als putze sie unter der Woche in einem Dubliner SM-Keller und staube am Samstag Abend den Altar der Kylemore-Abbey ab. Was nötig ist, muss gemacht werden. Ich glaub, ich mag sie.

1. Oktober

Der Herbst hier ist schon recht unheimlich. Ich hab das Haus etwas erkundet. Mann, es ist so verwinkelt, dass man's gar nicht richtig überblickt. Eigentlich ist es nicht sonderlich groß. Ich habe alte Pläne gefunden. Sie tragen kein Datum, aber sie scheinen aus dem 19. Jhd. zu sein. Wundervolle Arbeit. Alles per Hand gezeichnet. Demnach ist das Haus einige Male umgebaut worden. Bevor es aufgegeben wurde war hier echt was los! Und es gab mindestens zehn Bedienstete und gut vier bis sechs Bewohner, wenn man dem alten Haushaltsbuch vertrauen kann, das ich in einem Zimmer im nicht renovierten Teil fand.

Dazu eine Bemerkung: Der Übergang von den renovierten Bereichen im Haupthaus (das sind die Eingangshalle, eine kleine Bibliothek, ein Salon, die Küche, und ein Arbeitszimmer, sowie drei Schlafräume im ersten Stock) in die alten Bereiche ist stets recht abrupt. Man geht im ersten Stock z.B. im Hauptkorridor um eine Ecke und steht in einem langen, dunklen Gang ohne Licht, der zu alten, muffigen Zimmern und dem Nordostflügel führt, welcher im ganzen ein Stück höher gebaut worden war, weil sich das Haus an einen Hang schmiegt.

Typisch für Herrensitze aus der Zeit und wohl für die düstere Gegend von Connemara ist auch, dass es zwei Türme gibt, der eine ist halb renoviert und ragt aus der Südwestecke des Hauses, der andere aus dem hinteren Bereich des Nordostflügels, zu dem ich seltsamerweise noch keinen Zugang gefunden habe.

Weil wir gerade bei Seltsamkeiten sind: Das Haus fasziniert mich, es bietet immer neue Überraschungen. Es kommt jetzt, nach über 2 Wochen, die ich hier bin, noch immer dazu, dass ich kleine Räume entdecke, die ich bisher noch nicht kannte. Und Türen. Der Architekt dieses Hauses war offenbar unter anderem ein Türennarr. Ich habe noch nie in einem Haus so viele unsinnige Türen gesehen. Ich glaube, ich lasse einfach ein paar zumauern. Was soll es für einen Sinn haben, von ein und dem selben Korridor oder Zimmer ins angrenzende selbe Zimmer zwei Türen zu haben? Und die Krönung ist, ich habe zwei Türen gefunden, die schlicht nirgends hinführen. Eine befindet sich am Ende des besagten düsteren Korridors im ersten Stock, der in den Nordostflügel führt. Ich habe sie lange nicht entdeckt, weil ein staubiger, schwerer, ziemlich muffiger Vorhang sie verdeckt und die Ecke von keinem Fenster Licht erhält. It's totally weird! Ich meine, stell dir eine Türe vor, ganz normal, so, als ab man durch Drücken der Riegelklinke (das sind diese alten Türklinken) einfach in ein Zimmer dahinter geht. Aber nachdem ich das Schloss mit einem Dietrich hatte schnappen lassen, und die Klinke drückte, tat sich nichts. Es klickte und eine Art Mechanik ging. Es kostete mich einen ganzen Nachmittag im Kerzenschein, ehe ich es bemerkte. Der Riegel ist auf der rechten Seite der Türe. Drückte man ihn, trat eine Art verborgener Riegel auf der linken Seite der Türe hervor. Meine ganze Coolness, die ich mir in langem Training in der Berliner Szene angeeignet hatte, brach zusammen. „Holy Shit!“, schrie ich und lies fast den Kerzenhalter fallen, Wachs tropfte auf meine Hände. Scheiße, das tat weh!

Was soll das ganze? Als ich den linken, verborgenen Hebel drückte, schwang die Türe auf. Ich war wirklich völlig vom Schlag gerührt, als ich sah, was sich hinter der Türe befand: Eine Wand! Eine sauber gemauerte Wand! Verdammt, das ist doch die totale Idiotie!

Ich gab's auf. Aber es gab ja noch eine dieser Türen. Da ich sie bisher nicht aufgekriegt habe und ich sowieso glaube, dass dahinter eine Wand ist, ließ ich vorerst Türe Türe sein. Andererseits mag ich es aber nicht, wenn etwas vor mir Geheimnisse hat. Schon gar nicht ein Haus. Aber das wird noch werden. Ich weiß auch nicht genau, was diese beiden Türen einmal bedienten bevor man die eine zumauerte und die andere verschloss. Es könnte ein Raum oder ein Korridor sein, verdammt schwer zu sagen.

Ward Manor hat mehr als eine Seltsamkeit. Da gibt es auch noch einige Treppen, die einfach keinen Sinn haben. Eine führt hinauf, um nach einem kleinen Absatz, der jedoch weder eine Türe, noch einen Korridor bedient, auf einer anderen Treppe wieder hinabzuführen. Beide Treppen beginnen in einem Korridor des Nordostflügels und führen demnach in ihn zurück. Eine weitere Treppe im Haupthaus führt einfach vom ersten Stock weiter hinauf und endet an einer Wand, als habe die Treppe einst weitergeführt und ein exzentrischer Maurer von heute auf morgen entschieden, eine Wand quer darüber zu bauen. Die Wand besitzt die gleiche scheußliche alte Tapete wie der Rest der Wände in diesem Teil des Hauses. Was diese Treppe so seltsam macht, ist die Eigenart, dass Treppe oder Wand getrennt voneinander völlig normal erscheinen, allein die Kombination beider Dinge auf diese Weise macht sie so surreal.

Du kannst dir sicher vorstellen, wie enttäuscht ich war, als ich nach der Untersuchung der kleinen Bibliothek nicht die kleinste Spur einer Geheimtüre fand. Ward Manor ist nicht gerade kitschig zu nennen. Erleichtert wiederum, kein Disneyland gekauft zu haben, habe ich mir vorgenommen, für ein Wochenende nach Galway zu fahren, um noch mal die Sau rauszulassen.

4. Oktober

Bei allen irischen Kobolden! War das ein geiles Wochenende! Ehrlich gesagt, ich weiß nicht mehr, wie viele Typen ich unter mir hatte und ob sie straight oder von meinem Ufer waren. Ich weiß genauso wenig, wie viele Smithwicks-Biere und wie viele verdammte Jameson-Whiskys ich in mich reingeschüttet hatte. Wie ich zurück nach Ward Manor kam, ist mir auch nicht so ganz klar. Mein Kopf fühlt sich etwa so an, als hätte ich das ganze Wochenende starrsinnig versucht zu ignorieren, dass die eigenartige Türe im ersten Stock eine Mauer besitzt, die mich am Durchgehen hindert. Ich hab sogar ‘ne Beule am Hirn. Aber egal. Ich weiß schon wo die herkommt. Hab zu viel Geld ausgegeben. Da fällt mir ein, dass ich mich langsam mal drum kümmern muss, wie ich hier meinen Lebensunterhalt verdiene. Vielleicht mach' ich ja echt so eine Art Campingstation auf, oder eröffne ein B&B ...

5. Oktober

Ich glaube, mein Schädel ist noch immer nicht ganz klar. Heute hatte ich ein seltsames Erlebnis. Es war so gegen fünf, einige Zeit vor Sonnenuntergang, aber schon recht dämmrig im Haus, weil das Anwesen – lagebedingt – immer schnell finster wird. Da hörte ich, wie im oberen Stock einige Türen knarrten und dann leise zuschlugen, nicht heftig, aber hörbar. Zunächst dachte ich, ich hätte die Fenster zum Korridor nicht geschlossen und der Wind sorgte einfach für den Effekt. Doch ich fand alles geschlossen vor, windig und zugig kann es im renovierten Teil nicht sein, selbst wenn ein Sturm draußen herrschen würde. Von den Unsinnstüren stand eine offen, drei, die ich sehen konnte waren geschlossen. Ich wollte gerade hinunter in den Salon gehen, um mich wieder ins Internet zu werfen, da ging die Türe zu einem der renovierten Schlafzimmer einen Spalt auf, gerade so, als wollte jemand mich durch den Spalt beobachten. Ohne mir weiteres zu denken, ging ich hin und riss sie auf. Verdammt, ich kann dir nicht sagen, was ich eigentlich erwartet hatte, aber es war niemand da, wieso auch, ich bin ja allein in meinem Haus. Bisher hatte ich angenommen, dass ich niemand aus Galway mitgenommen hatte. Der hätte sich dann aber auch fast zwei Tage in dem Zimmer verstecken oder schlafen müssen. Naja, kann schon passieren, wenn ich mit 'nem Kerl fertig bin, dass er das dann braucht... Is' ja gut Frank, so toll bist du jetzt auch wieder nicht... nicht mehr ...

Was dann passierte, haute mir aber echt das Piercing aus der Brustwarze... Draußen auf dem Korridor hörte ich trappelnde Schritte! Ich raus: leerer Korridor, finster in der Dämmerung. Klick, das Licht an! Die offene Unsinnstüre in das kleine Teezimmer schloss sich leise. Ich rief „Hey, come out, dude!“, setze zur Türe und fiel mit ihr ins Teezimmer. Ich sah gerade noch, wie die zweite Türe zum Korridor bereits offen, wieder zufiel, als ob mich jemand verarschen wollte. Ich war so sauer und verwirrt, dass ich erst nach einigen Sekunden bemerkte, dass ich dabei ein Kind hatte jammern hören. Oder war's bloß Einbildung? Now that's going to be fucking weird. Nee echt. Ward Manor hat ja vieles, aber wenn hier ein Kind sein sollte, dann würd' ich's wissen. Das einzige, was hier sein könnte, von dem ich nichts wüsste, wäre wie gesagt ein vergessener Lover... Ja, echt, ich schaff so was, aber aus Kindern mach ich mir nun wirklich nichts! Ich suchte alles ab. Da war niemand. Dann überprüfte ich die Türen noch mal. Die Angeln quietschten ein wenig. Was mich dann beruhigte: Das klingt 'damned reality' nach Kinderjammern oder so was. Echt, das glaubt man erst, wenn man's hört. Und dann die Einbildung von tapsenden Kinderschrittchen... na ja, really funny. Ich hatte dann schon die Ölkanne in der Hand, ließ es aber sein. Ich denke mir, wenn ich echt ein Hostel draus mache, kann ich das als Attraktion verkaufen. Eigentlich nicht blöd, ein Bamp;B, in dem's spukt. Geiler Gedanke.

Vielleicht war's ja auch nur Molly und ich bilde mir zu viel ein.

6. Oktober

Irgendwas ist komisch. Gestern Abend, nach Sonnenuntergang hätte ich schwören können, ich hätte jemanden bei den Ställen gesehen. Es war schon ziemlich neblig. Die Gegend hier neigt dazu schnell verdrizzelt zu sein. Zuerst dachte ich, es ist der alte Paddy. Ich habe ihm erlaubt, die Schmiede und die Werkstatt im Stall zu benutzen, um seine Sense und andere Geräte zu reparieren, wenn er mir dafür hilft, das alles in Ordnung zu bringen und den Stall zu reparieren. Aber nach Sonnenuntergang ist Paddy noch nie da gewesen. Hat sich um seine Schafe zu kümmern, sagt er. Und für Molly war die Statur der Gestalt zu groß. Als ich dann das Licht ausmachte, um draußen in der Dämmerung besser sehen zu können, war da wirklich jemand. Glory Shit! Das war ein Kerl! Was für ne geile Schnitte...! –Äh, ich korrigiere mich. Ja, ich habe mir vorgenommen, meinen Ton zu ändern. Also, da war ein stattlicher Bursche, so Mitte Zwanzig, blond. Ein Ire, klar, ein Landkerlchen. Und er war mit Abstand die bestaussehendste Sau... äh der attraktivste Typ auf diesem feuchten, weiten, grünen Klotz im Atlantik, den sie auf gälisch Éire nennen. Es ist wirklich ein Vorurteil, dass Iren rothaarige, käsehäutige Moosgewächse mit Sommersprossen wären. Nein, die meisten sind blond oder dunkelhaarig. Nur etwa jeder Zwanzigste ist rothaarig. Er stand am Stalleingang und machte irgendetwas. Ich ertappte mich dabei, ihn ausführlich zu mustern. Echt komisch. Ich hatte das Gefühl, ihn in Galway an meinem letzten Wochenende gesehen zu haben. Shit! Ich kann mich nicht erinnern, ob ich ihn gefic... ob ich was mit ihm hatte oder nicht. Echt, es wird Zeit, dass ich aufhöre, Männer als Ware zu sehen. So viel Alk und noch ein paar andere Stimulanzien im Blut und du ziehst völlig daneben deinen Traumtypen durch, ohne richtig zu wissen, was du tust und dann schmeißt du ihn weg wie einen benutzten Gummi. Und du weißt nicht mal, was du da tust! Echt geil. Eine Schande. Egal, ob ich diesen Typen schon hatte oder noch nicht. So, wie ich ihn jetzt da stehen sah, war er etwas einzigartiges, nie Dagewesenes. Heiliger Leprechaun, ich sag dir, es wird Zeit, dass ich endlich kapiere, was das Wesentliche ist. – Da hörte ich ein Geräusch in meinem Zimmer. Ich fuhr herum. Da war jemand. Was geht hier vor?

„Paddy?“ flüsterte ich. Der alte O'Hare würde mich aber nicht so erschrecken. „Molly? S'it You?“ Keine Antwort. Das würde Molly nie tun. Ich tastete zum Lichtschalter. Hörte ich Schritte? Leise? Klick! Meine Augen adaptierten. Das Zimmer war leer. Mich fröstelte... Das ist eine Gruppe von Kerlen aus Galway, denen du offenbar ein wenig zu übel mitgespielt hattest, Frank. Jetzt hast du's! Die haben schnell herausgefunden, wo dieser verrückte schwule Deutschamerikaner zu finden ist und jetzt wollen sie dir auf's Dach steigen, weil du sie vielleicht zu ein paar Sachen überredet hast, die sie als Straight-Guys nie mit ihrer Macho-Ehre vereinbaren können. Ich gebe zu, in diesem Moment hatte ich echte Angst. Angst wie noch nie. Und der Grund dieser Angst war einzig und allein ich selbst. Shit! Mir war klar, wenn ich hier länger leben wollte, musste ich was tun und das war etwas, das ich zuvor noch nie getan habe: Verantwortung übernehmen für das, was ich so anstellte. Hier konnten sich die Konsequenzen direkt auf mich auswirken. Ich packte meinen Mut, holte die Taschenlampe und rannte raus in den Drizzel. Ich zog die Kapuze tiefer und schrie in die Nacht hinaus, dass ich mit mir reden lasse und sie rauskommen sollten.

Was bin ich doch naiv! Natürlich antwortete niemand. Ich ging zum Stall. Verlassen. Keine Spur von dem blonden Typen. Ich suchte das ganze Gelände ab. Niemand da! Nichts. Ich wurde nervös. Ich hatte ihn doch gesehen. So schnell konnte er nicht weg sein von hier. Ich stieg in meinen neuen 4WD-Landrover (ja, ich altes Smart-Ass musste natürlich ein stylisches Outdoor-Auto haben, mit dem man auch in der Stadt was hermachte – ich kam mir blöd vor, echt.) und brauste den Weg zur R344 runter. Sie konnten nur auf dem Zufahrtsweg davon sein – das Gelände war viel zu unwegsam und in der Finsternis gefährlich. Gerade Nachts kann man nur auf diesem befestigten Weg zu meinem Haus gelangen. Da ich keine Motorengeräusche gehört hatte, mussten Sie zu Fuß oder per Rad gekommen sein. Klar, keiner von denen wollte, dass ich sie zu früh bemerkte. Also musste ich sie mit dem Auto einholen. Nichts. Ich war auf der Abzweigung zur R344, der Straße, die die große Schleife der N59 um ganz Connemara herum durch das Inagh-Tal hindurch abkürzte.

Niemand! Nichts, außer der Stille der Nacht im Irischen Hochland. Verdammt! Wenn sie sich im Haus versteckt hielten und irgendeine Rache planten, konnten Sie mittlerweile alles Mögliche angestellt haben. Ich Idiot! So weit war es her mit dem ‚Smart-Ass'. Gut gemacht Frank!

Ich fuhr zurück, von der Paranoia getrieben, dass mir jemand etwas Übles wollte. Das Haus war so, wie ich es verlassen hatte. Nachdem ich nochmals alles durchsucht hatte und nun sicher war, der einzige Mensch auf meinem Grund und Boden zu sein, setzte ich mich leicht verstört in die Küche und machte noch eine Milch warm. Mir ging der Junge nicht aus dem Kopf, den ich am Stall heute Abend gesehen hatte. Und dieses Geräusch, das direkt darauf im Arbeitszimmer den Eindruck erweckte, ich sei nicht allein im Raum. Da ich nicht an Geister glaube, auch wenn die Gegend dafür überreiche Stimulationen bot, kam mir ein weitaus beunruhigender Gedanke: Ich gebe zu, ausführliche Erfahrung mit Drogen zu haben. Von Alkohol und Ecstasy abgesehen sind Koks und GHB in Berlin meine Begleiter an allen Wochenenden gewesen. Da ich auch einige Erfahrung mit Special K und LSD habe, kann ich mir das nur so erklären, dass mein Verstand langsam die Folgen dieses Lebens auf der Überholspur zu tragen hatte. Ich bekam Halluzinationen. Optische und akustische. Der Gedanke beruhigte zwar meine Paranoia, weckte aber die weitaus größere Sorge vor körperlichem Verfall. Jemand hatte mal gesagt, Irland sei wie eine Dusche, eine Dusche für die Seele und sie kann dein Leben reinwaschen, solange du begreifst, dass diese Dusche kalt ist. Sie ist verdammt kalt, sag ich dir. Aber ich begann zu erwachen aus dem seltsamen Traum eines Lebens von reiner Selbsttäuschung.

Ich beschloss, in den nächsten Tagen nach Galway zu fahren und mich einmal von Kopf bis Fuß untersuchen zu lassen.

Als ich zu Bett ging, fühlte ich mich eigentlich ganz gut. Ich hatte eine richtige Entscheidung getroffen. Es gab da nur eine weitere Seltsamkeit: ich konnte mich einfach nicht mehr daran erinnern, wann ich das Bild von Alex umgeworfen hatte. Es war die einzige Erinnerung an meinen Ex, die ich mir erlaubte. Es stand auf meinem Nachttisch. Als ich zu Bett ging, fand ich es am Boden liegend, das Glas zersprungen. Ich musste es aus versehen beim Aufstehen heute morgen umgeworfen haben.

10. Oktober

Ich war beruhigt. Aber auch wieder nicht. Die Ergebnisse der Untersuchung waren ganz gut. O.k. ich hatte ein wenig Probleme, dem Arzt zu erklären, wie ich zu einem solchen Cocktail an Reststoffen von Drogen in meinem Blut kam. Ich entschloss mich dazu, mit meinem Vorhaben gleich zu beginnen und schenkte ihm reinen Wein ein. Ich erklärte ihm meine Flucht aus Berlin und meine exzessive bisherige Lebensweise. Meine sexuellen Neigungen behielt ich für mich. Es war auch kein Thema. Als ich vorsichtig die Frage stellte, ob der Befund mir nachhaltige Probleme bereiten würde, ob z.B. die Wahrnehmung meiner Umwelt Beeinträchtigungen erfahren könnte, beruhigte er mich. Ich solle mir da keine Gedanken machen. Allerdings legte er mir sehr stark nahe, mich von gewissen Stoffen fernzuhalten und statt dessen lieber mal ein gutes Guinness zu trinken. ‘Mal', dachte ich, o.k. Die Iren betrachten ein Guinness als Medizin.

Das Problem ist jetzt aber, dass mir die Grundlage entzogen wurde, die Phänomene zu erklären, die in Ward Manor auftreten. Es blieb nämlich nicht bei dem, was ich vor 4 Tagen erlebt hatte.

Ich sah den Jungen wieder. Aber nur kurz. Er lungerte wieder beim Stall herum. Wieder in der Dämmerung. Und ich war diesmal ganz sicher, keinen Knick in der Optik zu haben. Als ich rausrannte, war er weg. Sekunden später schepperte es im Haus. Ich hetzte zurück in die Küche. Drei Messer von der Anrichte lagen auf dem Boden. Eines wackelte noch. Mein Herz raste: Was wurde hier gespielt? Ich flüchtete aus der Küche, rannte in den Salon und zog mir einen Jameson rein. Einen Dreifachen. Das beruhigte mich zwar nicht, betäubte aber das Zittern. Ich sah auf. Vor dem Fenster stand ER. Ich hatte ihn noch nie so nahe gesehen. Aber mein erster Eindruck von ihm wurde noch übertroffen. Diese Augen waren wohl das eindrucksvollste, was hinter einer Glasscheibe existieren konnte. Und sie wirkten keineswegs unfreundlich. Ein wenig traurig vielleicht. Er sah plötzlich zur Seite, als habe er etwas bemerkt und rannte in die andere Richtung weg. Ich hörte schwere Schritte im Kies vor dem Salonfenster. Doch es blieb dunkel. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich rannte an den Lichtschalter. Klick. Finsternis. Die Dämmerung draußen zeichnete blau-graue Schatten. Da war jemand. Ich konnte nur eine finstere Silhouette sehen. Das düstere Etwas folgte dem Jungen. Es rannte nicht, bewegte sich eher eiligen Schrittes.

Als ich mich endlich dazu durchgerungen hatte, auf den Hof hinauszugehen, war wieder niemand zu sehen. Ich suchte alles ab. Es war mehr als unheimlich. Wieder lief ich zurück ins Haus. Ich rannte ins Badezimmer und glotze in den Spiegel. Ich sah schrecklich aus. Das perfekte Gesicht, das einst Bilderserien zierte, wirkte ausgezehrt, müde, verstört. Ich zitterte noch immer, trotz des dreifachen Whiskys. Ich kam mir vor wie ein kleiner Junge. Und ich schämte mich, warum weiß ich nicht genau, ich schämte mich für mein bisheriges Leben. Für die Oberflächlichkeit meines Daseins und meine Unfähigkeit mit Situationen umzugehen, für die ich keine einstudierten Verhaltensmuster parat hatte. Das ist Mr. Cool, wenn das Make-Up ab ist, wenn die Maske weg ist, die ihn in der Gesellschaft so gut hatte funktionieren lassen. Ein Bündel personifizierte Unsicherheit. Wie ein getretenes kleines Hündchen, das man in Regen und Kälte stehen gelassen hatte. – Verdammt, shit! Frank! Das ist so typisch für dich! Aus dir trieft Selbstmitleid ...

Schluss damit. du musst noch etwas erfahren, was wirklich wichtiger ist als mein Geheule: Ich bemerkte es nicht sofort, aber ich trat darauf, als ich vor dem Spiegel stand. Ich hatte meine Tasche mit Kondomen und Gleitgel immer im Bad verstaut. Alle Kondompackungen waren aufgefetzt und alle Kondome lagen auf dem Boden. Zerschlissen!

Ich verstand die Welt nicht mehr! Wer hatte das getan? Ich lief aus dem Bad und verkroch mich unter meiner Bettdecke. Es war wohl jemand gnädig mit mir, denn ich schlief ein. Am nächsten Morgen sah es schon wieder ganz anders aus. Aber der Anblick des Chaos auf dem Badboden versicherte mir dann doch, letzte Nacht nicht geträumt zu haben. Mit eigenartigen Gefühlen warf ich die zerstörten Kondome und die aufgerissenen Packungen in den Müll. Welche Verschwendung! Muss mir in Galway neue kaufen.

Mir war verdammt mulmig zumute und ist es noch. Wer hasst mich so sehr, dass er eine solche Aktion gegen mich durchführte? O.k., ich geb's ja zu, es gibt Leute, die mich nicht mögen. Aber ich dachte, die hätte ich alle zurück in Berlin gelassen ...

12. Oktober

Ich hatte einen verstörenden Traum. Ich lief durch mein Haus, suchte ständig Türen, fand aber nie die richtige. Sie ließen sich entweder nicht öffnen, oder führten in einen Abgrund. Und dann träumte ich von einer Treppe, die ich noch nie gesehen hatte. Sie war düster und führte nach oben in die Dunkelheit. Sie knarrte schrecklich, als ich sie betrat. Jede Diele ächzte unter meinem Tritt, als ertrage sie tausend Schmerzen. Ich wusste, dass ich am Ende dieser Treppe das Geheimnis dieses Hauses erfahren würde. Als ich auf halber Höhe stand, rief jemand meinen Namen. Ich sah um. Der Junge, den ich stets im Hof sah, blickte mich an, erschrocken, den Mund vor Sorge verzogen. Und dann sagte er etwas: „Geh nicht diese Treppe, geh sie nicht! Diese Treppe ist tödlich!“ Der Junge sprach Gälisch, nicht Englisch! Aber ich verstand ihn. Ich fragte ihn, wer er sei. Er antwortete, sein Name sei Brian. Da packte mich etwas und ich fiel rücklings die Treppe hinab und dem Jungen entgegen! Dann erwachte ich. Der Traum ließ mich den ganzen Tag nicht los.

Eigentlich wollte ich nicht, aber ich ertappte mich immer aufs Neue dabei, nach dieser Treppe zu suchen. Ich erwähnte ja schon, dass es zwei eigenartige Treppen gab, aber keine der beiden erweckte den Eindruck, zu der aus meinem Traum zu passen. Gegen Abend jedoch fiel mir etwas auf. Ich durchstreifte gerade noch ein weiteres mal mit den Kerzen den gesamten unelektrifizierten Bereich des Nordostflügels, weil ich wieder einmal vergessen hatte, endlich neue Taschenlampenbatterien zu kaufen. Meine Entdeckung irritierte mich sehr. Ich hatte es zuvor noch nie wahrgenommen. Zumindest glaube ich, mich nicht daran erinnern zu können. Es gab noch eine Seltsamkeit im Zusammenhang mit einer Tür in diesem Haus. Ich schrieb ja schon, dass der Architekt dieses Hauses einen eigenartigen Fimmel für Türen aller Art zu haben schien. Aber dann stand ich vor einer gänzlich ungewöhnlichen Türe. Sie war wie jede andere Türe in diesem Haus, Größe, Holz, Farbe, Riegelklinke, die eigentümliche Kassettentäfelung. Nichts unterschied sie von allen sonstigen Türen dieses Hauses, bis auf einen merkwürdigen Umstand: Sie war gemalt! Einfach auf die Wand aufgemalt. Platt! Ein Bild. Einfach so auf die glatte Mauer gemalt. Und das mit einer wundervollen Präzision. Es wäre mir im Kerzenlicht nicht einmal aufgefallen, dass es keine echte Türe war, hätte ich nicht in meinem verwirrten Gedanken über die Treppe im Traum die spontane Eingabe gehabt, dass ich diese Türe noch gar nicht geöffnet hatte. Ich konnte mich dann erinnern, dass ich sogar schon mehrfach daran vorbei gegangen bin und sie ganz einfach für eine echte Türe gehalten hatte, ohne zu bemerken, dass sie nur ein Kunstwerk war. Ich wusste, dass diese Mauer eine Außenmauer des Hauses war, aber eine, deren Außenseite nicht zugänglich war, denn sie lag in den Hang gebaut, ihre Rückseite war Fels, feinster natürlicher Connemara-Marmor. Ich empfand diese Türe bisher als den Gipfel der architektonischen Unheimlichkeiten in meinem neuen Heim. Waren schon die beiden Türen, die eine nicht zu öffnen, die andere vermauert und diese eigenartigen Treppen Seltsamkeiten, die nicht jedes Haus auf die Liste seiner Sehenswürdigkeiten setzen konnte, so war eine gemalte Tür der Inbegriff des Absurden. Vorhanden, aber ohne Möglichkeit, je ihrer Bestimmung als Türe gerecht zu werden. Denn was ist eine Türe schon anderes, als ein Durchgang vom Hier zum Dort, eine Gelegenheit, etwas Trennendes wie eine Wand zu überwinden. Dann wurde mir klar, dass eine Treppe eine ähnliche Aufgabe erfüllte, sie stellte eine Brücke zwischen den verschiedenen Ebenen eines Hauses dar. Alle architektonischen Eigenheiten von Ward Manor, die Bereiche des Hauses miteinander verbinden, Treppen und Türen, scheinen offensichtlich auch groteske Varianten zu haben.

Es wird wirklich Zeit, dass ich mehr über dieses Gebäude und seine früheren Besitzer herausfinde, denn die seltsamste Eigenart ist und bleibt dieser Junge, dessen Name offenbar Brian ist. Ich gebe zu, dass ich ihn nicht nur zur Klärung einiger Fragen finde möchte, sondern auch, um ihn endlich nicht immer nur durch eine Glasscheibe zu sehen. Ich habe das ehrliche und starke Verlangen, ihn berühren zu wollen. Nicht so, wie ich all die anderen berührte. Nein ehrlich... ach, jetzt werd' ich schon sentimental...

Da fällt mir auf, ich hätte so was in Berlin nie für möglich gehalten. Aber ich hätte auch nie gedacht, dass ich mir über die tiefere Natur von Treppen oder Türen Gedanken machen würde. Die Dusche beginnt zu wirken. Und sie ist fröstelnd kalt.

17. Oktober

Ich bin aus Galway zurück. Es hat eine ganze Weile gedauert, ehe ich die Unterlagen des Countys zu dem alten Landsitz Ballyséan einsehen durfte, das spricht sich etwa Bällischäien, und war der Name, den das Anwesen bis 1948 seit seinem Bau im Jahre 1843 trug. Man sagte mir, das Verfahren im County Council dauere mindesten 2 Tage. Da ich keine Lust hatte, ständig hin und her zu fahren, es waren insgesamt doch gute 80 Kilometer, nahm ich mir ein Zimmer in einem Bamp;B und setze mich in die verschiedenen Pubs, trank fleißig Smithwicks und Guinness und versuchte die Gesprächsbereitschaft der Einheimischen vorsichtig auf die Geschichte der Landgüter in Connemara zu lenken. Es fiel auf, dass ganz wenige je etwas vom Gut Ballyséan gehört hatten. Erst, als ich erwähnte, dass es bei Kylemore Abbey liegt, wusste man, wo man es hin zu stecken hatte und dann kam gleich drauf die Bemerkung, ob das nicht das alte Ding sei, das dieser verrückte Amerikaner gekauft haben soll. Als sich der befragte Typ mit einem Fischer in die Wolle darüber kriegte, ob es nun ein Deutscher oder ein Amerikaner war, der da was gekauft hatte, entschloss ich mich, die Sache aufzulösen, mich als Deutsch-Amerikaner vorzustellen, eben jener, der das Landgut gekauft hatte und bot ihnen zwei weitere Guinness an. Für einen Moment lang glotzten sie mich konsterniert an. Dann lachten sie, stießen mit mir an und sprachen über das Wetter. Leider erfuhr ich nichts mehr über mein Haus.

Im nächsten Pub hörte ich von ein paar netten alten Damen eine ähnliche Sache. Diesmal tat ich so, als sei ich deutscher Tourist, der mit seinem Fahrrad durch die Gegend bei Kylemore bei diesem Landgut Unterschlupf vor einer Regenfront zu suchen gehofft hatte, dass es da aber ganz seltsam gewesen sei, und ob sie etwas über das Gut wüssten. Sie waren sehr redselig.

Die eine, sie hieß Margareth, meinte, ihre Tochter arbeite im County Council und habe den jungen Mann, der das Ding gekauft hatte, gesehen. Sie meinte, ihr Mädchen schwärmte davon wie gut der Kerl ausgesehen habe, dass er aber gar nicht wie jemand gewirkt habe, der so einen alten unheimlichen Kasten in einer gottverlassenen Gegend kaufen wollte. Die alte Eitelkeit in mir kam wieder hoch und ich fühlte mich durchaus gebauchpinselt. Andererseits: Was sollte denn heißen, ich wirke nicht wie jemand ...? Egal. In jedem Fall hörte ich einige interessante Dinge von dem, was man sich an Geschichten rund um Kylemore so über Ballyséan erzählt.

Der Erbauer, Séamus O'Sea war ein Architekt und Landbesitzer, der eigentlich einen Sommersitz für seine Gattin Geraldine hatte bauen wollen. Ballyséan wurde auch zunächst nur von Juni bis September genutzt. Den Rest des Jahres kümmerten sich die Bediensteten darum. Als der kleine Sohn von Séamus – Padraig – im Jahre 1849 oder 50 mit fünf Jahren beim Spielen tragisch auf Ballyséan auf einer Treppe ausglitt und sich das Genick brach, ging eine Veränderung mit Geraldine vor. Mir wurde sofort heiß und kalt, als ich das hörte. Eine Treppe! Eine tödliche Treppe! Bei allen irischen Kobolden. Das ist einfach nicht möglich, oder? Der Junge... nein, er war keine fünf... jetzt wird es wirr... nein, Frank, keine Spekulationen jetzt. O.k. der Reihe nach, es wird noch interessanter. Die Freundin von Margareth, genannt Aisling (das gälische Wort für Traum und ein beliebter Mädchenname in Irland – spricht sich Äschling), warf interessante Details ein. Ich spendierte den beiden einen Jameson on the Rocks, und ich erfuhr, dass Geraldine O'Sea nach dem Verlust ihres Sohnes offenbar ein wenig sonderbar wurde. Sie wollte das Haus nicht mehr verlassen und erbat von ihrem Mann umfangreiche Umbauarbeiten. Man sage, so die beiden alten Frauen, das Haus habe viele neue Türen erhalten und seltsame Treppen. Es ist nicht ganz klar, warum Treppen eine solche Rolle spielten, obwohl man doch meinen konnte, die gute Geraldine würde sie hassen müssen, nach dem was eine Treppe ihrem Kind angetan hatte. Aber das mit den Türen scheint sich derart zu erklären: Sie liebte es offensichtlich, mit dem kleinen Jungen durch die Türen der Zimmer fangen zu spielen. Indem sie zuweilen durch die nachträglich zusätzlich eingebauten Türen lief, so sagt man, hatte sie offenbar den Eindruck, sie würde sein Lachen hören. Séamus liebte seine Frau und er tat offensichtlich alles, um ihren Schmerz zu lindern. Aisling meinte, er hätte sich nicht immer um Projekte in Dublin kümmern sollen und ihr Haus mit komischen Türen bebauen, sondern sie einfach mal ordentlich in die Arme nehmen. Dann wäre es sicher nicht passiert, dass Geraldine eines Tages – offenbar geistig völlig verwirrt – von einem der Türme in den Tod stürzte.

Ich war ziemlich schockiert zu erfahren, wie viele Leute bereits in meinem neuen Heim zu Tode gekommen waren. Das hatte der Makler von O'Malley Estates nicht erwähnt. Naja, vielleicht wusste er auch wirklich nichts davon, er sitzt in Dublin. Es gelang mir offenbar ganz gut, den interessierten Touristen zu spielen, denn die beiden Damen liefen zur Höchstform auf. Ich gebe – etwas abgespeckt – wieder, wie es weiter ging. Nach dem Tod seiner Frau war Séamus so betroffen, dass er das Haus nie wieder betrat. Er beauftragte einen Geistlichen, sein Name war Pater O'Roury, das Haus zu verwalten. Es solle nach seinem Tod an die Kirche fallen, sofern sie es für gemeinnützige Zwecke nutzen würde. Séamus O'Sea starb hochbetagt und kinderlos im Jahre 1899. Die Kirche übernahm unter der Leitung von Pater O'Roury das Gut und es wurde darauf lange Jahre in Verbindung mit der Kylemore Abbey als ein Haus genutzt, in dem junge Novizen auf den Dienst in der Kirche vorbereitet werden sollte. Jetzt wurde mir klar, warum ich im Nordwestflügel so viele kleine Räume mit irischen Kreuzen an der Wand gefunden hatte. Das mussten die Zellen der Novizen gewesen sein. Ich fragte, ob ausschließlich Geistliche auf dem Gut gearbeitet hatten. Margareth meinte, dass es wohl einige Knechte gab, die die weltlichen Dinge erledigen halfen, also handwerkliche, gartenbauliche und stallwerkliche Arbeiten. Man legte jedoch offenbar Wert darauf, dass keine Frauen anwesend waren, um die jungen, noch nicht geweihten Novizen nicht von ihrem Weg zu Gott abzubringen. Verständlich. Und pervers, in meinen Augen. Aber weiter. Ich fragte, wie es dann dazu kam, dass das Gut jetzt verkauft wurde und sich nicht mehr in den Händen der Kirche befände.

Aisling meinte, dass man darüber nichts genaueres wisse. Es muss wohl eine unschöne Geschichte gegeben haben mit einem der Nachfolger Pater O'Rourys als Verwalter und Aufseher. Der letzte Pater von Ballyséan war Pater Allister O'Kean. Die Kirche löste auf jeden Fall 1948 das Noviziat auf und gab das Gut an den Staat. Die beiden guten Damen waren sich ziemlich einig darüber, dass der letzte Pater wohl irgendwelche Frauenschweinereien veranstaltet haben musste, denn immer wenn die Kirche so beharrlich schwieg und über eine Sache einen Deckel breitete, ja sogar einmal besessenes Land und Gut einfach abgab (was ja seltener vorkam als ein Kamel durch ein Nadelöhr ging...), war Sex im Spiel. Das machte mich dann schon wieder nachdenklich und ich musste an die Kondome denken, die ich zerrissen im Bad gefunden hatte. Margareth schloss mit der schlichten Bemerkung, dass der Staat ein Connemara Jugendhostel daraus machen wollte, aber offenbar feststellte, dass entweder die Gelder nicht reichten, oder sich die Abgelegenheit des Gutes für eine touristische Nutzung nicht eignen würde. Und so wurde es verkauft. Meine Güte. Und ich rannte am Vortag ins County Council um etwas zu erfahren. Mit den beiden brauchte man ja kein Lexikon mehr...

Ich dankte Margareth und Aisling sehr und verschwand eiligst ins Bamp;B.

Als ich am nächsten Tag endlich die Unterlagen einsehen durfte, händigte sie mir eine grinsende junge Angestellte aus. Mrs. O'Malley stand auf ihrem Namensschild. Du meine Güte, das musste die Tochter von Margareth sein. Zwar wird sie nicht wissen, dass der junge Tourist von gestern Abend, von dem ihr ihre Mutter sicherlich erzählte, und ich ein und die selbe Person sind, aber ich denke, sie vermutete es. Auf alle Fälle ließ sie sich nichts davon anmerken. Ich fand alle faktischen Grundlagen der Geschichte von Margareth und Aisling bestätigt, na ja, einige Jahreszahlen hin oder her lagen anders. Aber die Zeit von 1898 (dem eigentlichen Todesjahr von Séamus) bis 1948 war dann schon sehr interessant. Ich suchte intuitiv nach einem Eintrag über einen Stalljungen Brian und wurde fündig: Brian O'Connor, geboren am 28. Juli 1923 in Ballyvaughn, County Clare, im Dienst auf Ballyséan von 1945 bis 1948. Gestorben auf Ballyséan am 6. Oktober 1948. Tod ungeklärt! Als ich das las wurde mir heiß und kalt. Der Junge, den ich gesehen hatte, war gute 25 Jahre alt, und ich sah ihn zum ersten mal am 6. Oktober dieses Jahres, dem Tag, an dem Brian O'Connor auf ungeklärte Weise in meinem jetzigen Haus vor 56 Jahren ums Leben kam. Wenn das der selbe Brian ist, Frank, dann hast du einen Geist gesehen!!

19. Oktober

Ich hab das Haus durchsucht, vor allem die Bibliothek und das alte Arbeitszimmer. Bingo! Es gibt Haushaltsbücher und so was wie Beurteilungshefte für Angestellte und auch für die Novizen aus der Zeit, als dieses Haus für die Kirche als Noviziat genutzt worden war.

Eigentlich hat mich so ein Ramsch nie interessiert. Hätt ich das ohne die Begegnung mit diesem verdammt sexy Geist gefunden, ich hätte es natürlich weggeworfen. Aber ich musste mehr rausfinden über die Zeit um 1948, als Brian starb und irgendetwas die Kirche dazu brachte, unter dem Deckmantel des Schweigens das Noviziat schleunigst aufzulösen. Ich sah mir alles an, jeden Namen von jedem Novizen, jedem Angestellten. Über fast 50 Jahre hinweg und unter der Führung von drei Patres kam da echt was zusammen. Aber mich interessierte natürlich die Zeit von Brian O'Connor am meisten. Ich fand sein Berichtsheft. Er war Schmied. Aha, deshalb der Körperbau! Die Einträge des Paters O'Kean über Brian waren recht gut. Es kamen nicht alle Angestellten so gut weg. Es gab da einen Knecht namens Eoin, an dem der Pater kein gutes Haar ließ. Überhaupt waren die Einträge seiner beiden Vorgänger erheblich sachlicher. Auffällig ist, dass es in Pater O'Keans Berichtsheft über Brian immer wieder Passagen auf gälisch gibt, die ich natürlich nicht verstehe. In den Heften der anderen Angestellten gab es solche Passagen nicht, wohl aber in den Heften, die über die Novizen, geführt wurden. Das war seltsam. Aber es gab wiederum keine spezifischen Auffälligkeiten. Das war mehr als merkwürdig. Aber was ist schon merkwürdiger, als unter einem Dach mit einem Geist zu leben, in dessen Erscheinung man sich verliebt hat... Frank, hast du das eben wirklich in dieses Tagebuch geschrieben? –Ja, das hab ich. Holy Shit! All Saints! Es ist wirklich das erste mal, dass ich mich fassbar verliebt habe. Und dann muss es natürlich ein Geist sein, klar! Ich glaube du spinnst, Frank. Du bist total übergeschnappt.

Ich gehe jetzt wirklich besser schlafen. Ach ja, eines war noch komisch: Der Ton, den O'Kean gegenüber Brian im Berichtsheft anschlägt, wird kühler, ja manchmal sehr scharf, wenn man die Seiten von 1948 liest. Und: Es ist deutlich zu sehen, dass Seiten fehlen. Beschriebene Seiten, sehr eilig herausgerissen, daran festzustellen, dass noch einige Buchstaben an den Restfetzen zu erkennen sind.

20. Oktober

Ich hatte heute Nacht einen Alptraum. Er ist mir so eindringlich im Gedächtnis geblieben, dass ich fast jedes Element protokollieren könnte. Ich weiß nicht, ob ich das will. Es ist … nein, ich muss das anders aufschreiben. Weißt du, was den Sex mit Männern angeht (oder solchen, die behaupten, welche zu sein), bin ich nicht nur erfahren, ich habe so ziemlich alles ausprobiert, was geht, solange es save war und kein bleibender Schaden entstanden ist. Ich persönlich stehe eher auf die Naturvariante, aber ab und zu mal eine Kinky-Tour, warum nicht. In der Regel bin ich auch eher Top, aber passiv zu sein hat bei manchen Kerlen auch seinen Reiz. Was ich in diesem Traum erlebte, war eine Nummer, die – oh-boy – eine der perversesten Sessions war, die ich je erlebte, oder nein: Die ich mir selbst je hätte ausdenken können. Das Verrückte ist aber grade das: Man träumt doch nur, was in einem selbst ist, oder? Ich meine, ich WEISS, dass das nicht aus meinem Hirn kam, so krank meines auch sein mag, aber so was? Es war ein echter Alptraum. Ich meine, rein nüchtern betrachtet war es schon wieder interessant, ja sogar geil. Muss ich mal ausprobieren, wenn ich das nächste mal in San Francisco im ‘Chains‘ bin... Aber das absurde an Träumen ist, dass man sie nicht erzählen kann, weil man die Stimmung nicht rüberkriegt. Und das war der Haken an der Sache. Was ich im Traum erlebte, wäre für einen, der auf Kinky-Sex steht, eine ganze Reihe echt super geiler Aktionen, aber das Gefühl und die Stimmung, die sich damit verband, war finster, seelenlos, gebrochen, verzweifelt, nahe dem Wahnsinn. Um es so zu beschreiben: Die Hingabe an den Wahnsinn hätte die Szenerie erträglich gemacht, aber das Klammern an den Sinn, an das Licht, an das Bestehen einer Rechtschaffenheit ließ die Qual von Unausweichlichkeit, von Hoffnungslosigkeit erst wahrhaftig zu Tage treten. Und dennoch, in dem Traum klammerte ich mich an genau das, was mir die Situation unerträglich sein ließ: Die unumstößliche Hoffnung auf Erlösung bis hin zum Zerbrechen des Verstandes.

Nach diesen Zeilen brauche ich eine Pause. Der ganze Tag steht schon im Banne dieses Traumes. Draußen regnet es. Ich hatte zuvor einen Gedanken: Was ist, wenn ich Brians Leben erlebt hatte, transformiert in eine Art surreales Alptraumgeflecht, in das noch das Thema Sex mit eingeflossen ist? Ich geb's ja ungern zu, aber als ich heute Nacht aus dem Alptraum schreckte, war ich klitsch nass. Und das zwischen meinen Beinen war nicht nur Schweiß...

Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird es mir. Ich habe etwas aus Brians Leben erfahren. Er ist ein Geist – ich scheine das zu akzeptieren, wie ich selbst verwundert gerade feststelle – also warum sollte so eine Alptraumbotschaft nicht möglich sein? Aber ich glaube, was ich erlebte, ist keine Alptraummetapher seines Seelenlebens mit wilden übersteigerten Sexphantasien verschmolzen, nein, es erschien mir zu präsent. Es war wirklich erlebt. Shit! Beim Leprechaun! Wenn Brian wirklich solche sexuellen Erlebnisse hatte, dann wird mir echt übel. Der arme Kerl! Verdammt, ich will ihn in die Arme nehmen und trösten. Echt wahr. Dieses Gefühl des Schmerzes, dieses tiefe Mitgefühl für ihn, das mich fast zerreisst, es ist direkt unerträglich.

Ich – ich weiß, es klingt – scheiße noch mal – zuckerkitschig, aber ich kann ihn in diesem Moment fast fühlen, berühren, irgendwie riechen ...

Boy, ich werde noch völlig irre hier! Ich hätte die letzten Zeilen eigentlich streichen sollen. So was schreibe ich doch nicht. Nein – ich meine, natürlich hab's ich geschrieben, aber ich habe doch echt gedacht, Brian wäre hinter mir im Raum gewesen. Reichlich dämlich, bedenkt man, dass ich im Bett mit dem Kissen im Nacken an der Wand lehnte. Es kann so nicht weitergehen. Es wird wirklich Zeit, dass ich etwas mehr über dieses Haus herausfinde.

21. Oktober

Heute habe ich es angepackt. Das erste, was mein am morgen kaum funktionierender Verstand unternommen hatte, war eine Maurerfirma ausfindig zu machen. Das Internet funktioniert endlich wieder. Bis die aus Galway da waren, wurde es schon nach Mittag. Aber was bin froh, dass sie gleich kamen. Während ich ihnen die Anweisung gab, die seltsame Mauer hinter der noch seltsamer zu öffnenden Türe im Nordostflügel einzureißen, machte ich mich daran, sämtliche Schlüssel des Hauses einzusammeln, ja sogar in der Scheune nach allem zu suchen, was somewhat-key-like war, um endlich die verdammte andere Türe aufzukriegen, die ich bis jetzt nicht hatte öffnen können. Jetzt war Schluss, keine Gnade mehr, weder für Türen noch Mauerwerk! Ich war so sehr in meine Arbeit vertieft, eine Möglichkeit zu finden, die blöde andere Türe im Erdgeschoss aufzubringen, dass mir total entging, wie mich einer der Bauarbeiter immer ansah. Frank, reiß dich zusammen! So ein Blick wäre dir früher aufgefallen, ehe der Kerl gewusst hätte, dass er ihn getan hat! Als ich gerade beim ich glaube 23zigsten Schlüssel war, den ich auf alle erdenkliche Weise schon in das Schloss versucht hatte einzuführen, fuhr ich echt zusammen, als der Typ plötzlich hinter mir stand und sich höflich räusperte. Vor Schreck fiel mir der Schlüsselbund aus der Hand. Holy shit, war das peinlich. Ich bückte mich. Unwillkürlich glitten meine Augen beim Aufstehen an ihm hoch. Boy! Handwerker halt! Matthew war sein Name.

„Sir, die Wand ist weg, wir sind soweit fertig. Sollen wir den Schutt ...“

Für den Bruchteil einer Sekunde pendelte mein Verstand verwirrt zwischen der Aufgabe zu antworten, zu begreifen, dass ich mein Ziel bei der Mauer erreicht hatte und der schier vernunftzersetzenden Begegnung mit seinem Blick hin und her. Dann gewann der alte Frank die Oberhand. Ich setzte mein charmantestes ich-flirte-mit-straight-guy-Lächeln auf und meinte: „Dann lass uns mal sehen, was dahinter steckt!“ Als wir gemeinsam am Ort des Interesses anlangten, hatten seine beiden Kollegen den Schutt schon fast beseitigt. Ich hatte nur noch Augen für das Dahinter. Da war eine Wendeltreppe! Natürlich! Der Turm. Es war eigentlich nur logisch! Die Treppe führte in den kleinen Turm, der über den Nordostflügel wachte. Aus Angst, irgend etwas Merkwürdiges auf dem Weg die Wendeltreppe hinauf oder in der Turmkammer zu finden, dankte ich den Handwerkern, gab ihnen ordentlich Trinkgeld und ließ keinen Zweifel daran, dass ich mit dem Rest schon fertig werden würde. Ich begleitete alle zur Türe. Matthew ging als letzter. Unsere Blicke trafen sich. Schnell warf ich noch ein: „Äh Matthew, ich habe vor, das Haus noch weiter zu renovieren. Könntest du vielleicht mal vorbeikommen, dann könnten wir bei 'nem Smithwicks einen Rundgang machen und ein wenig in die Materie eindringen...?“ Das war sehr gewagt. Aber ich war einfach ziemlich derangiert. Matthew lächelte und meinte, er wolle morgen gegen Nachmittag vorbeikommen. Der Blick, der darauf folgte, hätte auch aus einem Pornostreifen sein können. Ich hielt die Luft an und ließ sie erst wieder raus, als der bullige Ire hinter der Türe verschwunden war.

Minuten stand ich, noch immer mit einem Bund uralter Schlüssel in der Hand in der kleinen Eingangshalle und versuchte meinen Triumph zu genießen, morgen Abend mit Matthew 'ne Nummer zu schieben... Es gelang mir nicht. Noch während ich darum rang, fiel mir siedendheiß ein, dass ich endlich die Chance hatte, den Turm zu erkunden! Ich pfefferte den Schlüsselbund auf die Kommode unter dem Spiegel in der Halle und rannte hinauf in den ersten Stock, hinüber in den Nordostflügel. Mich kümmerte nicht, dass eine der unsinnigen Türen, die auf meinem Weg lagen, ganz offensichtlich ohne jeden Zufall in ihr Schloss fiel, als ich daran vorbei eilte. Am Ende des Ganges war die Türe wieder zu. Der Staub der Abrissaktion hatte sich noch immer nicht gelegt. Das Licht des Nachmittags stach in dünnen Speeren durch Ritzen an den vorderen Gangfenstern in den Korridor. Die Türe war angelehnt. Der Wind musste sie zugezogen haben. Ich riss sie auf und sah Sterne! Blut rann mir von der Stirn. Mann tat das Weh! Nein! Ich werde wahnsinnig! Die Wand! Sie war wieder da!! Als hätte ich die letzten Stunden geträumt! Und ich war mit voller Wucht dagegen gerannt. Der Schmerz und die Abartigkeit der Situation betäubten mich wie ein eine abstruse Droge aus einem Berliner Szeneladen. Ich kann dir sagen, so etwas macht der Verstand nicht mit. Mir kreisten Erklärungen durch den Kopf die noch verrückter als das Erlebte waren.

Am Ende einigte ich mich mit mir selbst darauf, das alles geträumt zu haben. Die Beunruhigung, diesen Traum als Realität empfunden zu haben schmolz zu einem Nichts gegen das Gefühl dieses surreale Erlebnis als wahr hinnehmen zu müssen. Ich rannte ins Badezimmer, betrachtete die Wunde und versorgte sie. Es tat gut. Eine so wunderbar einfache Arbeit brachte mich zurück ins Diesseits. Ich sah mir in die Augen. Was war von diesem wunderbaren Gesicht geblieben? Ein Schatten. Die blauen Augen blutunterlaufen. Die Haare wirr. Unglaublich, wie hässlich man wird, wenn man sich seiner selbst nicht mehr sicher ist.

23. Oktober

Was gestern geschah, kann ich heute erst schreiben. Matthew stand abends vor der Türe. Nicht im Blaumann, nein, verdammt aufgetunt! Ich war von den Socken! Du kannst dir denken, was in mir vor sich ging. Die Nummer mit der Wand konnte keine Einbildung sein! Matthew war umwerfend! Ich geb' zu, ich stehe auf diese Straight-guys. Queens mochte ich nie... Natürlich fragte er nach der Wand – small talk! Es brachte mich nur kurz aus dem Konzept. Bei allem, was recht ist. Ich konnte Matt nicht verscheuchen.

Ich erspare mir die Einzelheiten, ich hatte verdammt schnell eine Menge Matthew in mir drin. Dann passierte es! Klirren riss uns aus der Extase. Matt horchte auf. Erschrocken fuhr er hoch und fragte mich, wer da ist. Ich muss ein selten blödes Schafsgesicht gemacht haben. Ich wusste es nicht. Wieder klirrte etwas, als werfe jemand Scheiben ein. Rasch bekleidet rannten wir durchs Haus und uns stockte der Atem. Alle Spiegel zersprangen! Vor unseren Augen. Die Eingangshalle glich einem Chaos. In Matt's Augen stand Panik geschrieben. Mir ging es ähnlich. Dann ein Pochen an der Türe. Matt duckte sich und schrie, ich solle ihm sagen, was hier vor sich geht. Aber das konnte ich nicht. Die Eingangstüre flog auf. Das Licht erlosch. Ich spürte einen kalten Hauch. Ich packte Matt und hielt mich an ihm fest, aber er riss sich panisch los. Etwas betrat die kleine Eingangshalle. Ich hastete zur Kommode. Da war eine Taschenlampe. Ein Schlag, Matt schrie. Ich fand die Lampe. Ein Spot fiel auf Matt. Er hielt sich die Backe. Eine schwere Wunde! Blut rann ihm bis auf die Brust. Mein Gott! Das musst du dir vorstellen. Ich konnte mich nicht rühren. Ich schrie nach ihm. Ich roch einen erdigen Duft. Eine Kälte floss durch mich. Ich hatte das Gefühl: jetzt ist es aus. Time to stick the spoon into the wall... Matt rannte. Ich konnte ihn nicht aufhalten. Ich hörte Reifen quietschen. Dann schlug die Türe zu, als dränge sie auf den Hof hinaus. Ich sank auf den Boden. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in der Bibliothek auf der Couch. Ein Traum? Wieder? Hoffentlich. Aber holy shit! Ich beginne den Verstand zu verlieren ...

Ich wollte mich gerade aufraffen, als ich wieder diesen holzigen, erdigen Geruch wahrnahm. Von dem Regal der alten Bücher kam ein Geräusch. Hörte sich an als ob eine Maus an den Büchern knabberte... Aber es war keine Maus! Mein Herz pochte. Da war ein Buch, das sich bewegte! Langsam kroch es aus der Reihe. Als hätte es tausende grausiger Beinchen, schob es sich an den Rand des Regals. Mit steinerner Mine sah ich dem Schauspiel zu. Dann fiel es. Der Krach löste meine Starre. Langsam ging ich drauf zu. Ich erwartete etwas, ich weiß nicht was... Einen Schlag oder so... weiß nicht. Das Buch lag auf dem Rücken, eine Seite lag offen.

Ich las: „Samhain“. Ich hatte das Wort nie gehört. Wusste nicht mal, wie man's ausspricht. Offensichtlich gälisch. Aber der Text war englisch. Ich fand mich auf der Couch wieder, las das Buch. Die Kelten und ihre Bräuche. Hatte mich nie interessiert. Aber was ich las, trieb mir den Strom durch die Adern!

Es gab vier Feste bei den alten Kelten. Eines war das Samhain-Fest, man spricht wohl „Sowänn“ oder »Såänn« oder ähnlich. Und es findet am 31. Oktober statt – das ist in einer Woche!! Die Kelten glaubten an Geister, die sie die Sidhe (sprich „Schije“) nannten. Das Volk der Geister wohnte in hohlen Hügeln und Bergen in einer Art Gegenwelt. Diese Welt trennte sich von unserer, nur Seen, Quellen, überhaupt Wasser und magische Orte bildeten Portale. Dort waren Übergänge möglich. Aber zu dem vier Feuerfesten, speziell aber zu Samhain, aus dem unser altbekanntes Halloween wurde, da waren die Portale zur Geisterwelt weit geöffnet und sie konnten in unserer Welt wandeln wie Menschen und wir in ihrer wie Geister. Mir wird etwas klar. Brian will mich treffen! Es ist mir gleich wie bescheuert sich das anhört.

Ich nahm meinen Mut zusammen und sagte Laut in das leere Zimmer: „Brian, ich werde dich treffen. Zu Samhain. Gib mir einen Hinweis! Wo wirst du sein?“

Ich wartete. Dann sah ich eine Spiegelung im Fenster. Ich sah sein Gesicht! Seine Augen waren rot gerändert. Seine Stirn hatte eine Wunde! Mein Gott! Er sah mir so ähnlich! Aber er war so schön! Wie könnte ich mich je für so unwiderstehlich halten wie ich es tat, wenn man so einem Kerl in die Augen sehen darf. Dann wischte ein Schatten vorbei und Brians Gesicht verschwand. Mir wird klar und klarer, dass Brian nicht der einzige Geist hier ist.

Mit seltsamer Gelassenheit beseitigte ich die Scherben der Spiegel in der Halle und ging zu Bett. Ich hatte wieder Alpträume, das weiß ich, aber ich erinnere mich nicht an sie.

24. Oktober

Ich habe einen Schlüssel gefunden, ich stolperte förmlich über ihn als ich versuchte, den Nordostturm über eine Leiter von außen zu erreichen. Es war seltsam. Beim Leprechaun! Ich war die Leiter hinab gestiegen, um sie nochmals zu versetzen. Wollte an das unterste Turmfenster ran, ist nicht so einfach wenn noch ein Stück Schrägdach davor ist. Da lag der Schlüssel einfach neben der Leiter im Kies. Ich schwöre, der lag zuvor nicht da. Hatte ja das Ding aufgestellt. Mir war sofort klar, zu welchem Schloss er gehörte.

Ich rannte zu der Türe, die ich bisher nicht hatte öffnen können. Ich rutschte zweimal vom Schloss ab, so nervös war ich. Und er passte! Nach einiger Mühe stand die Türe offen. Ich brauchte einen Augenblick, um durch die Türe zu gehen. Ich weiß nicht, vielleicht hatte ich eine absurde Angst, ich könnte wieder vor einer Mauer enden.

Nein, ein schäbiger Gang führte in einen gruftartigen Raum. Ich wusste sofort: Hier hatte Brian gelebt! Gehaust! Das war ein Loch! Unglaublich!

Zu meinem Leidwesen fand ich zunächst nichts, was nach persönlicher Habe aussah. Es war, als habe man den Raum eine lange Zeit als Gerümpelkammer genutzt. Überall standen alte und schrecklich kitschige Madonnenfiguren herum. Diese Art von Marienstatuetten, die die Iren gerne in ihren Gotteswinkeln im Haus aufstellen, und das in allen Größen. Jede dieser Figuren hatte einen Blick drauf, als ob Maria gerade den Tod ihres Sohnes am Kreuz beweint. Bei allem was Recht ist, muss es denn in dieser Religion immer nur um die Darstellung von Leid gehen? Ein wenig Freude wäre ja auch mal nicht schlecht ...

So verstaubt und in dieser Menge hier versammelt hatten die Statuen etwas sakral Unheimliches. Ein altes Kreuz hing an der Wand. Wieder der Ausdruck des Leidens ...

Es war klamm und feucht. Der Geruch in diesem Raum ließ mich schaudern – chilly. Ich weiß nicht, was es war. Wie soll ich das beschreiben? Aber vermoderter Weihrauch mag vielleicht so riechen.

Da war eine Pritsche, nicht viel mehr als ein Bretterhaufen. Sah ganz danach aus, als ob es Brians Schlafstelle gewesen war. Von Bett kann man nicht sprechen. Ich weiß nicht, welcher Impuls mich dazu trieb, aber – boy – ich legte mich auf das Lager. Es knarrte. Das Holz stöhnte, als täte ich ihm die schlimmste aller Qualen an. Ich blickte auf das hölzerne Fußende der Pritsche, das nicht mehr als ein Holzbrett war, das gegen die grobe, unverputzte Wand lehnte. Hier an dieser Stelle lag Brian. Mich durchfuhr ein Schauder. War es mehr Aufregung, Unheimlichkeit oder gar Gruseligkeit? Es gab keinerlei Hinweise, dass es wirklich Brians Raum war, aber die brauchte ich nicht. Das war absolut klar.

Der fensterlose Raum wurde nur durch ein kleines Loch in der Wand erhellt, das dem Tageslicht erlaubte, in die Düsternis zu dringen. Der Lichtfleck an der Wand traf den Rand des Holzbretts zu meinen Füßen. Da war etwas! Wenn nicht alles in diesem Raum meine Sinne total fertig machte, dann steckte da ein Stück Papier. Es klemmte zwischen Wand und Brett. Eine vergilbte Spitze lugte heraus. Das Tageslicht zeigte wie ein Spot drauf. Ich beugte mich vor. Das Holz knarrte, als wolle es mich warnen. Das Brett schwankte und das Papier fiel zu Boden. Ich nahm es auf und legte mich zurück auf die Pritsche, um es direkt im Lichtkegel betrachten zu können. Es war eine Fotografie! Eine von jener Sorte, wie man sie am Anfang des 20. Jahrhunderts angefertigt hatte. Vergilbt und braun, leicht verwaschen. Ein Portrait, ein Junge. Das war ein Novize! Die Kutte und der Rosenkranz um den Hals verrieten es. Das war nicht Brian. Der Junge wirkte zarter und jünger als Brian. Ein Engelsgesicht! So unschuldig! Ich wette, er war es nicht! Aber sehr hübsch, fast, als ob die Fotografie das Gemälde eines idealen Jungengesichtes sei – ich weiß nicht – du kennst diese überkitschten Bilder von Pierre & Gilles, die eine Weile durch die schwule Popkultur geisterten. Ich sage immer, wenn diese Typen je ein Bild von mir in die Finger bekämen und so 'nen zuckersüßen Kleister draus machen würden, dann pack ich meinen Baseballschläger aus und vergesse meine feinen berliner Manieren ...

Aber so schlimm war das Bild nun nicht. Nein, es hatte echt was Gefälliges. Ich kenn mich ja als Model von Berufswegen mit Fotografie aus. Der Junge lächelte schüchtern, etwas, das früher sofort meinen Jagdtrieb geweckt hätte. Aber das tat es hier nicht. Der Junge gefiel mir – nicht sexuell – obwohl er – 'catching cute' war. Er erinnerte mich an meinen Großvater, als dieser noch jung war. Der zeigte auf den Bildern seiner Jugend ein ähnlich scheues, charmant unsicheres Lächeln. Auf der Rückseite der Fotografie stand etwas geschrieben. Blöderweise war es mal wieder gälisch. Aber ich fand den Namen 'Brian'. Mein Herz pochte. Am Ende stand da – zuerst glaubte ich, mich verlesen zu haben – 'in Liebe, Dein Peter!' – auf Deutsch! – All Saints und beim Gold des Leprechauns! Das war Brians Lover gewesen! Natürlich! Er hatte ein Verhältnis mit einem Novizen hier! Ich spürte eine sanfte Eifersucht. Aber da wurde einiges klarer. Aber warum dann der deutsche Satz am Ende? Peter – so geschrieben konnte es ein deutscher oder englischer Name sein – wie bei mir, wie mir gerade auffällt. Wenn dieser Peter ein deutscher Novize hier in Ballyséan war, und wenn er mit Brian ein Verhältnis hatte – hit me hard! – dann war es ja total klar, den letzten Satz lieber in einer Sprache zu schreiben, die hier nicht jeder verstand ...

Etwas begann plötzlich an dem Bild zu zerren. Ich hielt es panisch fest. Ich sah nichts. Aber die Fotografie verbog sich. Mein Herz raste.

»Nein!« schrie ich. »No, you won't get it. Piss off! Feck off!« Meine Finger schmerzten. Das alte Papier zerriss und trennte den Kopf Peters vom Rumpf! Fetzen wirbelten durch die Luft. Das Holz der Planken knarrte. Entsetzt sah ich Wurzeln und Äste aus den Brettern sprießen. Sie räkelten sich mit grausiger Schnelle aus der Pritsche und wanden sich um meinen Körper. Einige krochen um meinen Hals und schnürten mir die Luft ab. Ich begann zu schreien. Wurzeln krochen über meinen Mund und knebelten mich. Meine Zähne bissen auf ein widerlich weiches, fleischiges Holz. Meine Hände wurden gefesselt, meine Beine zusammen gepresst. In Sekunden war ich vollkommen bewegungslos. Ich war auf die Pritsche gefesselt, von unheimlichen, kalten, schmierigen fleischigen Ranken und Wurzeln. Ein gnadenloses Geflecht der Unentrinnbarkeit. Den Rest der Fotografie noch immer in den fast wie zum Gebet erhobenen Händen gekrampft, in der Haltung durch die Ranken fixiert, lag ich zitternd da. Etwas betrat den Raum. Kerzen zwischen den Marienfiguren entflammten. Ein unheiliges Glimmen erfüllte die Kammer. Ich begann zu beten. Die Angst lies meine Innereien zu Eis erstarren. Bei allen Heiligen! Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Gott um Hilfe anflehen würde. Aber was nun geschah, würde jedem – ich sage jedem! – die Scheiße aus dem Arsch treiben! Japsend vor Entsetzen, sah ich hilflos, wie der Rest von Peters Fotografie sich zwischen meinen Fingern von selbst zerknüllte. Ich spürte die Kräfte, die das Papier deformierten. Unfähig, den Kopf zu drehen, verdrehte ich die Augen nach links bis ich Sterne sah vor Anstrengung. Ein Schatten! Da war nichts als ein Schatten. Jene Art von Dunkelheit, die es nur in finsteren Winkeln alter Häuser gab und die auf eine unbegreifliche, schreckliche Weise belebt war. Kalt und zur Flucht treibend. Aber ich konnte nicht fort! Ich spürte eine Berührung. Eine entsetzliche Berührung. An den Oberschenkeln. Ich betete. Langsam krochen so etwas wie Finger empor bis zu meinem Schwanz. Ich wollte Schreien. Kälte! Eisige Kälte. Die Finger krochen wie Schnecken, widerlich madiges Gewürm an meinem heiligsten Selbst herum. Ich schrie. Ich schrie nach Brian. Ich biss in die Ranke, die meinen Mund knebelte, bis ich Sterne sah. Etwas heulte auf. Schleim troff in meinem Mund. Dann gab es einen dumpfen Schlag. Ein schauerliches Geräusch, wie das Bersten von Eingeweiden, die durch den Raum spritzten. Und ich war frei. Als ob ein Alp von meiner Brust gewichen sei. Da lag ich, unversehrt, schweißgebadet, die Fotografie Peters zerknüllt und zerrissen in den Händen... Hatte ich das selbst getan? Ich atmete schwer. Es war ein Traum, ein Alptraum. Es musste ein Traum gewesen sein... Langsam wich der Horror von mir. Ich prüfte mein bestes Stück. Alles heil, aber feucht! – Oh boy! Embarrassing! Ich hatte in die Hose gepisst! – Ne echt! Was Wunder? Was hättest du getan? Es war ein Alptraum, und trotzdem... da lag ein Hammer zwischen dem Gerümpel am Boden. Ich kann beschwören, der lag zuvor nicht da! Und es war ein Schmiedehammer! – Brian?

27. Oktober

Ich bin zurück! – Ich – wie soll ich sagen? – Ich flüchtete nach dem letzten Vorfall. Das war zu viel. Bei den Gebrüdern Guinness! Ich verbrachte die letzten Tage in Dublin. Bin glatt mit meinem 4WD-Landrover die 4 Stunden an die Ostküste gebrettert. Ein Wunder, dass noch alle Schafe auf der Strecke leben. Keine Bars, Pubs oder Nightclubs. Ich ging ins Theater, zog mir Oscar Wilde rein, oder strolchte durch die Straßen von Templebar. Ich las Zeitung in Tea-Shops. Ich dachte viel nach. Mir wurden zwei Dinge klar. Das, was in Ballyséan passiert war, muss eine Tragödie gewesen sein, die viele Beteiligte ins Bodenlose riss. Und nun war ich da hineingeraten. Ich beginne, an so etwas wie Schicksal zu glauben. Ich denke, ich bin dazu da, Brian zu helfen. Denn seine damalige Liebe zu Peter blieb offensichtlich nicht unbemerkt. Mir ist klar, dass eine einflussreiche Person, vermutlich sogar ein Geistlicher des Noviziats, die Beziehung zwischen Brian und Peter erkannt und die Situation zu seinem Vorteil ausgenutzt hatte. Vermutlich hat er Peter und Brian erpresst. Und falls das Schwein selber auf Kerle stand, bin ich sicher, hat er Brian dazu gezwungen, ihm gegen sein Schweigen zur Verfügung zu stehen. Und was soll ich sagen: Diese miese Ratte – that son of a bitch – ist auch hier! Und er war es, der mich vor drei Tagen hier hat Scheiße schwitzen lassen! Je mehr ich in Dublin darüber nachdachte, desto mehr wurde mir klar, Brian würde erst Frieden finden, wenn der Geist seines Peinigers erledigt war. Ich musste also hierher zurückkehren. Ich hatte Angst vor dem Gedanken, Ballyséan noch einmal zu betreten, aber ich musste immer und immer wieder an Brian denken. Ich will diese Verantwortung übernehmen, für Brian. Ich will, kann und werde Brian helfen. Ich muss nur diesen anderen Geist loswerden. Aber wie? Ich habe in so etwas keinerlei Erfahrung!

Ich muss noch mal in die Bibliothek und dieses Buch über die keltische Mythologie wälzen.

Nebenbei: Seit meiner Rückkehr wirkt Ballyséan irgendwie anders. Dinge verändern sich. Treppen haben manchmal eine Stufe zu viel. Türen gehen andersrum auf... Ich achte kaum noch darauf, aber die Türen öffnen und schließen sich, wie sie wollen. So lange ich dort hin gelange, wo hin ich möchte, reicht mir das. Ich habe seit dem Zwischenfall mit Matt nicht mehr nachgesehen, ob die Wendeltreppe zum Nordostturm noch vermauert ist. Seltsam ist auch, dass ich weder den alten Paddy, noch die gute Molly seit Tagen gesehen hatte, ja auch schon vor meiner Flucht nach Dublin, fällt mir auf. Das ist eigentlich nicht ihre Art ...

29. Oktober

Die letzten Tage waren ruhig. Vermutlich liegt es daran, dass ich mich einfach an sich selbst bewegende Türen, Schritte in Korridoren, das leise Schluchzen eines Kindes, diffuse sorgenvolle Frauenstimmen und ein leises Stöhnen des Nachts aus verschiedenen Ecken gewöhnt habe. Seltsam, wie schnell der menschliche Geist solche Dinge zu akzeptieren scheint. Dennoch schlafe ich unruhig. Ich nehme Schlafmittel. Ich weiß, das ist nicht gut, aber es hilft, über die Nacht zu kommen.

Das Buch über die keltischen Geisterwelten fand ich echt geil – pardon, faszinierend. Scheinbar werden Geister zur Samhain-Nacht von Sonnenaufgang bis -untergang real, scheinen also einen berührbaren Körper zu erhalten. Die Vorstellung, Brian vielleicht berühren zu dürfen, treibt meinen Puls hoch.

Das bedeutet aber auch, dass der Geist dieses Kindes, der Geist Geraldine O'Seas und dieses Ungeheuers real werden. Nach dem, was ich las, könnte man einen Geist tatsächlich in diesem Zustand töten. Allerdings ist das nicht so einfach.

Geister sind sich offenbar ihrer Natur nur in den seltensten Fällen bewusst. Man muss sie mit etwas konfrontieren, das ihnen ihren Zustand bewusst macht. Oder man beseitigt den Umstand, der sie zu einem Geist werden ließ.

Ich weiß ja nicht, wie Brian starb. Ich weiß zudem nicht, wie dieser Schatten mit Brian verbunden ist, ob er eine Schuld an seinem Tod trug oder gar, was er mit Brian zu seinen Lebzeiten anstellt hat.

Oh Brian, warum zeigst du dich nicht? Es herrscht eine groteske Stille in Ward Manor. Aber ich werde hier bleiben, egal, was übermorgen hier abgeht. Ich bin fest entschlossen, das Geheimnis von Brian O'Connor und der Vergangenheit meines Hauses zu lüften.

30. Oktober

Ich kann nicht mehr schlafen. Nichts tut sich. Nur das Wetter ist irischer, wie es nicht hätte sein können. Was gäbe ich jetzt um zwei Flaschen Jameson Whisky. Aber ich hab nichts mehr... Niemand ist da. Kein Paddy, keine Molly, ich sehe keinen Brian, höre auch keine Geräusche mehr außer das Ächzen des Windes in dem alten Gebälk und das sanfte Dippeln des Drizzle-Rains an den Fenstern. Es ist düster. Das Kaminfeuer brennt. Ich warte, sitze hier in der Bibliothek und warte... Brian ...

31. Oktober

Ich kann Nacht und Tag nicht unterscheiden. Es ist so düster... Stimmen. Ich höre Stimmen. Ich habe die Bibliothek nicht mehr verlassen seit gestern. Kaum getrunken, nix gegessen. Das Feuer ist nur noch Glut.

Der Strom ist weg. Der Lichtschalter ist tot. Kerzen brennen. Ich habe überall welche aufgestellt. Taschenlampen finde ich nicht. Die Flammen flackern unruhig. Ich habe mein Tagebuch auf dem Schoß. Es ist Zeit. Ich muss die Bibliothek verlassen. Das Tagebuch nehm' ich mit. Schwer, bei Kerzenlicht zu schreiben. Will alles notieren. Wer weiß, was kommt...

Ich öffne die Türe. Der Korridor ist stockfinster bis auf die Gestalt eines Kindes. Es steht da, keine fünf Meter entfernt und starrt mich traurig an. All Saints! Der kleine Padraig! Sein Kopf steht seltsam schief auf den Schultern...


Ich habe meinen Mut zusammengenommen und Padraig angesprochen. Ich fragte, ob er Brian kenne. Er schüttelte langsam den Kopf. Es knackte unheimlich, als er seinen Kopf drehte. Das Gesicht ausdruckslos und bleich, als drehe sich grausig der Porzellankopf einer Puppe, gekleidet in ein blaues Kleidchen der damaligen Zeit.

»Wo ist deine Mutter, Padraig?« brachte ich hervor. Der Junge blickte sehr traurig, sein Kopf senkte sich knackend. Ich hatte schon Angst, er würde ihm von den Schultern fallen. Schluchzen erklang. Mir wurde klar, er wusste es nicht. Er konnte sie nicht finden! Meine Güte, es scheint, als ob sie sich gegenseitig suchten.

Mir kam ein Gedanke. Wenn sich Geraldine aus dem Turmfenster gestürzt hatte, dann kann ich sie dort vielleicht auch finden, sofern ich die verdammte Treppe hinaufgehen konnte. Das will ich jetzt herausfinden!

Ich nahm allen Mut zusammen und ging auf Padraig zu. In der Erwartung, dass gleich etwas Grässliches geschehen würde, legte ich meine Hand auf seinen Schopf und tätschelte ihn.

»Komm mit, Padraig, ich bringe dich zu ihr!« flüsterte ich. Der Junge hob den Kopf. In seinen Augen zeigte sich Verwirrung, aber er folgte mir leise, keinerlei Geräusch von sich gebend.


Padraig ist weg. Er verschwand, als ich den letzten Eintrag schrieb. Ich stehe im Korridor im ersten Stock, starre in den letzten heilen Spiegel in diesem Haus. Oh Frank, sieh dich an. Du siehst erbärmlich aus! Der Spiegel widert mich an. Das ändert sich jetzt!


Ich habe den Spiegel zerschlagen. Die geheimnisvolle Türe zum Turm am Ende des Korridors öffnet sich. Keine Mauer dahinter! Licht dringt hervor. Eine Frauenstimme fragt, wer da sei. Geraldine? Ich werde gehen und nachsehen, auch wenn meine Knie zittern, als hätte ich eine Überdosis GHB.


Ich stehe im Nordostturm! Mit Geraldine O'Sea! Traurig blickt sie durch das Turmfenster hinaus in die Nacht. »Wo ist mein Sohn?« fragt sie. »Er spielt mit den Türen«, meine ich leise. Sie weint. »Ich bringe Sie zu ihm.« Sie dreht sich zu mir. Jetzt erst sehe ich ihre andere Seite. Das Gesicht aufgerissen, das Kleid zerfetzt. Shit! Der Sturz! Entsetzt starre ich auf die Verletzungen. Ich zittere, nehme mich zusammen. Ich bitte sie, mir zu folgen und schreibe

.


Gott, ist das wundervoll!! Kaum zu beschreiben. Ich kann dir nicht mit tausend Worten erzählen, was soeben geschah! Padraig und seine Mutter – es war, als ob sie sich nicht sähen. Ich musste beide aufeinander aufmerksam machen. Langsam, ungeheuer langsam, als ob Mutter und Sohn eine unwirkliche Scheu, sich in die Augen zu blicken zu überwinden hatten, erkannten sie einander. Es geschah in Geraldines Zimmer. Der Raum wurde heller und begann zu strahlen, als ob ihn tausend Kerzen erhellen würden. Mutter und Sohn fielen sich in die Arme. Ich glaube, Glück muss so aussehen! Bei Gott, wie lange mussten beide hierauf gewartet haben? So lange, bis ihnen jemand die Wahrheit zeigte. Geraldine wollte nie glauben, dass ihr Sohn tot sei und hielt seinen Geist unwissend im Diesseits fest. Dennoch war ihre Depression so stark, dass sie sich schließlich vom Turm stürzte, ohne recht zu verstehen, was sie damit anrichtete. Vielleicht hoffte ihre geplagte Seele auf diese Weise, einen Weg zu Padraig zu finden. Doch ihr Geist war weiter gefangen in der Suche nach ihren Sohn. Nur dass sie ihn nunmehr erst recht nicht finden konnte.

Welche einfache, tiefe und reine Freude in diesem Wiedersehen lag – oder besser: in diesem Wiedererkennen!

Padraig lachte vergnügt. Geraldine nahm ihn in die Arme. Ich schloss die Augen, denn es war, als sehe man in das Herz einer großen strahlenden Flamme. Dann war es still. Sie waren gegangen, für immer. Aber sie haben mir etwas hinterlassen, das mehr als Dankes wert ist. Pure Confidence! Reine Zuversicht. Mut. Ich fühle mich gut. Das werde ich auch brauchen, denn jetzt muss ich Brian suchen und mich diesem finsteren Etwas stellen ...


All Saints in Heaven! Brian! Er steht vor mir! – Ich... Gott, gib mir Kraft, all das aufzuschreiben. Der Reihe nach!... Mann, Brian, sieh mich nicht so an, ich will das aufschreiben ...

Als ich Geraldines Zimmer verließ, irrte ich durchs Haus. Ich fand Brian nicht. Ich war schon am Verzweifeln. Und dann... ich konnte es nicht fassen – es fiel mir zunächst gar nicht auf: Die Treppe, diese seltsame Treppe, die plötzlich aufhörte und so unvermutet vor einer Wand endete... sie führte weiter! Holzstufen, hinauf in die Finsternis! Ich erkannte sie sofort wieder: Es war die Treppe aus meinem Traum. Die tödliche Treppe, vor der Brian mich gewarnt hatte. Die tödliche Treppe! – Ich hörte Stimmen. Nein, eine Stimme und ein Stöhnen! Die Stimme klang herrisch, wütend, verlangend, befehlend. Etwas krachte. Wieder Stöhnen! Brian! Es war Brians Stöhnen!! Er litt! Ich stieg die Treppe hinauf. Das schwarze Holz der Stufen schien den Schein meiner Kerzen fast zu schlucken. Eine lange Treppe. Viel länger als möglich! Ihr Ende musste weit über das Dach Ballyséans hinausragen. Ich erreichte eine halboffene Türe. Ein Schein drang aus der Kammer dahinter. Eine Dachkammer. Vorsichtig drückte ich die Türe weiter auf.

»Los!! Sag, dass es dir gefällt! Verdammter Teufelsbock!«, knurrte eine tiefe, dröhnende Stimme. Es schnalzte. Brian schrie auf. Ich trat ein. Eine überaus große Gestalt, eine schwere Reitgerte erhoben, in schwarzem Priestergewand, beugte sich über einen niederen Dachbalken!

»Halt! Lass ihn in Ruhe, du Schwein!« schrie ich. Langsam dreht sich der Priester um. Mir wehte der Dunst der Hölle entgegen. Ich fühlte mein Herz umklammert. Er sah furchteinflössend aus. Seine Augen glühten vor Hass. Aus seinem Mund troff Speichel, die entblößten Zähne waren gelb. Seine Kutte bauschte sich, als er auf mich zu stürmte. Ich ließ Kerzen und Tagebuch fallen und taumelte zurück. Ein Schlag traf mich. Es war wie ein ohrenzerfetzender Schrei, ein Dolchhieb und ein gleißender Blitz zugleich. Ich spürte das schwarze Priestergewand vorbeistreifen. Polternd rumpelten schwere Stiefel die Treppe hinab.

Für Sekunden betäubt, kam ich langsam zu mir. Warum das Monstrum floh, weiß ich nicht, aber was ich sah, zerriss mir das Herz. Bei allen Heiligen, noch vor Wochen hätte ich bei diesem Anblick sogar einen Ständer bekommen. Ich schämte mich dafür, wie verdorben ich gewesen war. Jetzt fiel mir die Last von 30 Jahren ungelebten Mitgefühls auf die Brust. Und es tat weh!

Brian war nackt, gefesselt auf einen hüfthohen Dachbalken gebunden, mit Pferderiemen. Der geschundene Kopf war mit einem zurechtgeknoteten Pferdegeschirr, die Trense durch seinen Mund geschoben, zurückgebunden. Die Arme über den Kopf nach oben mit Lederriemen an einem Haken im Gebälk befestigt. Die Beine mit Ketten seitlich an den Balken fixiert. Was mit den empfindlichen Körperregionen angestellt wurde, wage ich nicht aufzuschreiben, das ist selbst mir zu viel.

So schnell ich konnte, befreite ich Brian aus dieser perfiden Lage. Sein Rücken war blutüberströmt. Tiefe Schnitte von der Wucht der Gerte teilten Haut und Muskeln. Es sah verheerend aus. Ich betrachtete es wie gelähmt vor Entsetzen. Wie konnte man einem Menschen so etwas antun?? Vorsichtig half ich Brian auf.

Er stöhnte, sah mich an und lächelte.

»Peter...«, murmelte er. Ich war verwirrt... »Nein, – Frank! Mein Name ist Frank, Brian!«

»Ich weiß!« gab er von sich. Er zitterte. Ich zog mein Sweatshirt aus und legte es ihm vorsichtig über die Schultern. Ich bedachte die Wunden nicht, aber er verzog nur leicht das Gesicht. Es war voller Kratzer.

»Du bist Frank, ja, aber du siehst ihm so ähnlich!« Ich hatte Tränen in den Augen. Ich weiß nicht, was er meinte, aber das war auch egal. Er machte einen Schritt auf mich zu. Mein Gott, wie schön er ist! Selbst die Wunden konnten ihn nicht entstellen. Ich nahm seine Hand und küsste sie. Augenblicklich verblassten seine Verletzungen am Armgelenk.

»Danke«, sagte er. Seine Stimme klang kräftig und rein. Es war plötzlich heller.

Ich umarmte ihn. Ich weiß nicht, wie lange. Ich bemerkte kaum, dass er einen dicken Ständer schob. Unwichtig! Ich küsste ihn. Fühlt sich so die Ewigkeit an? Ja, bitte!

Seine Wunden waren weg.

»Frank, er wird wieder kommen!« »Wer ist das?«

»Pater Allister O'Kean! Er weiß – wusste von mir und Peter. Er mag selbst Jungen, sehr junge. Er musste es immer verbergen. Hass und Eifersucht erfüllen ihn. Er ist schrecklich, Frank. Er ist der Teufel dieses Hauses! Er hat Matthew geschlagen, die Spiegel zerstört und deine Gummidinger zerstört.«

»Was sollen wir tun? Was können wir tun?«

»Du allein kannst ihn aus seinem Wahn reißen. Er muss sich ins Gesicht sehen, Frank!«

»Aber wie?? Es gibt keine Spiegel mehr im Haus und er ist tot, so wie du!«

Brian lächelte. »Seine Kammer! Dort ist sein verborgenes Buch. Fotografien aller Novizen, die er missbrauchte. Und es sind nicht wenige. Er hat sie heimlich gesammelt, als eine Art Trophäe. Ich wusste davon. Und ich habe ihm das Bild Peters gestohlen.«

»Er hat auch dich missbraucht!«

»Ja, und schlimmer als alle anderen. Ich war nur Stallbursche und Schmied. Ich habe es für Peter getan, um ihn zu schützen. Denn von da an hat er ihn wenigstens in Ruhe gelassen.« Brian seufzte. Er sah plötzlich sehr traurig aus aber ich war glücklich zu sehen, dass meine Anwesenheit und meine Berührung seinen Schmerz zu lindern vermochten.

»Seine Kammer? – Die gemalte Türe, nicht? – Ich hole es!« Brian nickte.

»Brian?« »Ja?« »Hat O'Kean dich getötet?« Brian nickte abermals. Die Trauer in seinem Gesicht wandelte sich in Freude, als ich in seine Augen sah.

»Brian, ich will bei dir bleiben.« Er sah mich nur an. In seinem Gesicht glühte Zuversicht, jene, die ich zuvor bei Geraldines und Padraigs Erlösung fand.

»Ich schreibe jetzt alles auf, Brian, dann gehe ich und hole die Fotografien. Brian nickte und küsste mich.


Aisling klappte das Tagebuch zu. »Unglaublich!« Sie reichte Margareth die Irish Times und deutete auf die Titelstory. Margareth betrachtete das Bild und begann kopfschüttelnd zu lesen:

»Fluch von Ballyséan fodert neues Opfer!

2. November 2004 – Connemara, County Galway

Gestern morgen am 'All Saints Day' fand der Innenarchitekt Matthew O'Donoghue auf Ballyséan, einem alten Landsitz nahe Kylemore zwischen Benbaun und Lough Kylemore den Deutsch-Amerikaner Frank Alexander Dermott Ward tot auf. Ward, 34 Jahre alt, wurde mit gebrochenem Genick am Fuße einer Dachbodentreppe gefunden, die vor Jahren bis auf wenige Stufen zugemauert worden war. Die Obduktion ergab zudem eine Überdosis an bewusstseinserweiternden Drogen, Antidepressiva und Alkohol in seinem Blut. Um die Leiche herum gestreut fanden sich eine Reihe alter Fotografien, die – wie sich nun herausstellte – Bilder junger Novizen darstellten, die in Ballyséan bis 1948 untergebracht und auf die Priesterweihe vorbereitet worden waren. Ein weiteres Rätsel gibt der Fund eines stark deformierten Skelettes auf, das von einem überaus großen, älteren Mann stammen musste. Es lag neben der Leiche Wards auf dem Treppenabsatz vor den Stufen. Die Gerichtsmedizin bestätigte der Irish Times die Vermutung, dass es sich um die sterblichen Überreste des Paters Allister O'Kean handeln musste, der 1948 kurz vor der Auflösung des Noviziats Selbstmord beging und dessen Leiche kurz nach seinem Auffinden auf rätselhafte Weise verschwand.

Frank Ward kaufte erst im August diesen Jahres das Anwesen Ballyséan, nachdem er aus Berlin nach Connemara gezogen war. Padraig O'Hare und Molleen Winslow, die das Gut verwalteten, gaben an, dass es sich bei dem jungen Mann um einen sehr gutaussehenden, umgänglichen, wenngleich leicht verstört wirkenden Ausländer gehandelt hatte, der wohl versuchte, hier in Irland seiner Drogenprobleme Herr zu werden.

Ward war in der Berliner Mode- und Werbebranche ein beachtetes und erfolgreiches Fotomodel gewesen. Seine einzige lebende Angehörige ist seine Mutter, die bereits auf dem Weg nach Irland ist und der das Anwesen zufällt.

Die näheren Umstände des Todes und das Erscheinen des 56 Jahre alten verschollenen Skeletts bleiben bis auf weiteres ungeklärt. In der Bevölkerung des nahen Umlandes gilt das Anwesen seit langem als Spukhaus. Padraig O'Hare und Molleen Winslow konnten dazu jedoch keinerlei Angaben machen. Die besagte Treppe, an deren Fuß der grausige Fund gemacht worden war, sagt man, trage einen Fluch. Matthew O'Donoghue, der die Leiche und das Skelett fand, gab an, er habe sich mit Ward aufgrund der Besprechung von Umbauarbeiten getroffen. Nähere Angaben machte er nicht. Anhand der Befunde der Gerichtsmedizin ist Mord auszuschließen. Es handele sich um einen bedauerlichen, tragischen Unfall, begünstigt durch die Einwirkung halluzinogener Drogen und vermutlich dem psychischen Stress, dem Ward kurz vor seinem Tod vermutlich aufgrund des Auffindens des Skelettes und anderer persönlich belastender Faktoren ausgesetzt gewesen war. Wir werden weiterhin berichten.»

Margareth legte die Zeitung beiseite und seufzte: »Diese Idioten! Schmierfinken! Keine Ahnung haben die!«

»Wie sollten sie auch?« meinte Aisling und wog das Tagebuch in ihren Händen.

»Und du hast das Buch am Morgen nach Samhain gleich geholt? Dann musst du doch auch die Leiche Franks gesehen haben!«

»Das habe ich auch, Aisling! Und das Skelett und alles so, wie es hier in dem Bericht steht. Ich habe nichts angerührt. Nur das Tagebuch genommen.«

»Und? Margareth, ich bin deine beste Freundin! Der Junge – er war so hübsch! Du hast mir noch einiges zu erklären! Warum weißt du so viel über die Geschichte und ich scheinbar so wenig? Ich dachte, ich hätte Ahnung von Ballyséan ...«

»Nun, Aisling, es tut mir leid, dich so lange nur mit der halben Wahrheit versorgt zu haben, aber das war nötig. Weißt du, die Geschichte hat viel mehr Zusammenhänge als jeder hier wusste. Selbst mir waren einige Dinge unbekannt und erst dieses Tagebuch hier füllte all meine Lücken. Mir ging es um Brian und um Frank.«

Aisling sah auf: »Um Brian? Aber der ist doch schon lange tot! Ich meine, diese Geistergeschichte ist doch nur ...«, sie zögerte, nervös grinsend, » ...eine Geschichte.«

Margareth blickte das Tagebuch in Aislings Händen an: »Nun gut, liebe Freundin. Falls du noch immer nicht davon überzeugt bist, dass es auf Ballyséan Geister gibt, dann lass es uns einfach mal so annehmen, was wäre, wenn das alles stimmt, was in diesem Tagebuch von Frank steht. Du musst wissen, der Ort, auf dem das Gut steht, ist ein alter keltischer Kraftort. Ein Tor zur Welt der Sidhe. Die Realität ist dort ein wenig anders als in deinem gemütlichen Wohnzimmer. Frank hatte einen Sinn für so etwas, ohne es zu ahnen. Kein Wunder, wenn man bedenkt...«

»Moment, woher weißt du das?«

»Alles der Reihe nach. Lass mich ein wenig ausholen...« Aisling zog den rechten Mundwinkel hoch, sie kannte Margareths Vorliebe für detaillierte Ausführungen.

»Weißt du, vor meiner Hochzeit mit Killian O'Malley war mein Name O'Sullivan, da meine Mutter Ian O'Sullivan – Gott hab sie beide selig – heiratete. Der Mädchenname meiner Mutter jedoch lautete O'Connor, Mary O'Connor...«

Aisling stand der Mund offen: »Du willst doch nicht sagen... Brian O'Connor ist mir dir verwandt?!«

Margareth lächelte: »Um genau zu sein ist meine Mutter Brians Zwillingsschwester gewesen, 1923 in Ballyvaughan geboren. Ich bin Brians Nichte. Ich war oft in Ballyséan und obwohl ich Brian nie wirklich gesehen habe, wusste ich, dass er da war. Einmal glaubte ich, etwas von ihm im Fenster gesehen zu haben. Ich sprach oft zu ihm, einfach in den leeren Zimmern und draußen am Stall. Und ich wusste auch von seinem Leid. Meine Mutter erzählte mir von ihrer älteren Schwester Eileen. Sie stand Brian sehr nahe und wusste als einzige zu seinen Lebzeiten von seiner Neigung zum eigenen Geschlecht. Das war damals ein großes Problem. Nach dem Tod Brians ging Eileen nach Amerika und heiratete einen Großindustriellen... Der Name ihres Bräutigams war Peter Dermott Ward!«

Aisling fiel das Tagebuch aus der Hand. »Nein! Beim Heiligen Patrick von Irland! Du willst sagen, dass Frank mit deiner Großmutter verwandt ist? – Und – und dann, bei allen Heiligen, ja auch mit Brian!«

»In der Tat, Aisling, in der Tat! Das ist Franks amerikanische Seite – und damit seine ur-irische. Aber es geht ja noch weiter. Franks deutsche Seite ist auch nicht uninteressant.«

Aisling hatte das Tagebuch wieder aufgehoben. »Jetzt bin ich aber gespannt!«

»Na ja, du weißt ja, 1939 war es für Familien jüdischer Abstammung in Deutschland alles andere als angenehm. Die Eltern Peter Goldenthals versteckten ihren Sohn im Noviziat auf Ballyséan vor den Nazis. Zwar war die Familie christlich und sehr katholisch, aber die Abstammung war jüdisch. Das reichte schon als Grund für die Versteckaktion. Zudem ahnte Peters Mutter etwas von seinen Neigungen und trachtete damit, ihm seine Flausen auszutreiben, ohne zu ahnen, dass sie damit eine Tragödie heraufbeschwor. Nach dem Tode Brians und dem seltsamen Selbstmord O'Keans wurde das Noviziat aufgelöst. Der Krieg war zu Ende und Peter kehrte zurück nach Deutschland. Er musste sehr traurig gewesen sein. Soweit ich weiß, hat er die Geschichte mit Brian nie auch nur einer Seele gegenüber erwähnt.«

»Und was hat er mit Frank zu tun?«

»Peter war der Vater von Franks Mutter, sein Großvater.« Aisling schüttelte sprachlos den Kopf.

Margareth hob den Finger: »Frank war Brians Großneffe und zugleich der Enkel seiner großen Liebe. Und er war der einzige, der Brians Fluch und den schwarzen Schatten von Ballyséan nehmen konnte.

Ach Aisling, es dauerte so lange, das alles in die Wege zu leiten. Mein Mann spielte mit seiner Immobilienfirma in Dublin dem guten Frank das Anwesen zu einem Spottpreis zu. Und meine Tochter, na ja, du weißt ja, sie arbeitet im County Council hier in Galway. Marney war vom ersten Moment an in Frank verschossen. Klar, Aussehen und Stil hatte er. War kein Leichtes, sie davon zu überzeugen, dass er auf Männer aus ist und sie nie auch nur den Hauch einer Chance bei ihm hatte.»

Aisling war nicht ganz zufrieden: »Aber die Idee Franks, Berlin zu verlassen und nach Irland zu kommen, das hast du nicht auch noch eingefädelt?«

Margareth lachte: »Oh nein, so weit reicht mein Arm nun nicht. Das war seine eigene Idee. Es war reiner Zufall, dass er bei O'Malley-Estates anfragte. Mein Mann hat es mir auch nur durch Zufall erzählt. Ich weiß nicht, wie ich darauf kam, über Frank zu recherchieren. Ich denke, es gibt einfach so etwas wie Fügung. Aber zum Rest war natürlich ein wenig Nachhilfe nötig.«

Aisling schüttelte den Kopf: »Deshalb diese Bar-Tour durch Galways Pubs vor einigen Tagen. Ich gehe doch da sonst nicht hin in meinem Alter.«

Margareth grinste verschwörerisch: »Du hast es aber sehr genossen! Nachdem Frank gegangen war, hattest du einen Faible für männliche Touristen um die Dreißig entwickelt.«

Aisling wurde rot: »Hör auf! Wenn das mein guter Sean – Gott hab ihn selig – wüsste... Aber eines fehlt mir noch. Warum hat O'Kean Brian umgebracht? Er konnte ihm doch gar nicht gefährlich werden, wer glaubt schon einem Schmied und Stallknecht, wenn er so was Lächerliches behaupten würde, dass der Pater kleine Novizen missbrauchte, oder gar ihn selbst?«

»Trinke nicht so viel Whisky, Aisling! Ist doch leicht zu sehen: O'Kean war krank vor Eifersucht, dass zwei gutaussehende junge Männer, die er heimlich begehrte, etwas miteinander erlebten, das er sich zeit seines Lebens versagen musste. Er stellte Brian zur Rede, nachdem er beide in flagranti ertappt hatte. Brian bat O'Kean, Peter völlig herauszuhalten. Er liebte ihn. Also begab er sich in O'Keans Hände, der endlich ein Ventil für seinen Hass glaubte gefunden zu haben. Und O'Kean lebte auf grausame Weise seine angestaute Abscheu gegenüber der Welt der Geschlechtlichkeit an Brian aus, schonte dafür aber Peter. Für den jungen deutschen Novizen muss es die Hölle gewesen sein, denn ich glaube nicht, dass sich beide fortan noch öfter treffen konnten. Brian sah Peters Qual und konnte das nicht mehr länger durchstehen. Er stellte sich gegen O'Kean, als dieser ihn abermals die Treppe hinauf in seine Züchtigungskammer führte und es kam zum Handgemenge. Nun war Brian zwar kräftig, aber O'Kean ein Hüne und von enormer Statur. O'Kean schleifte Brian die Treppe hinauf, kurz vor der Türe wehrte sich Brian heftig, stolperte, fiel rückwärts die Treppe hinab und bracht sich das Genick. O'Kean musste wahnsinnig vor Schreck geworden sein. Er konnte seinen Vorgesetzten unmöglich erklären, wie es zu diesem Tod gekommen war. Aus Angst und Panik, seine perversen Aktionen mit den Novizen würden ans Licht kommen, stürzte er sich aus dem Turmfenster, das schon Geraldine O'Sea den Weg in die Schattenwelt ebnete. Wer weiß, vielleicht wusste sie von O'Keans Vergehen an Kindern und war sein Wegbereiter gewesen.«

Aisling starrte sinnierend auf das Tagebuch und schlurfte von ihrem mittlerweile kalten Earl Grey.

Es pochte. Margareth stand auf und kam kurz darauf wieder. Sie hielt eine Art Couvert in den Händen.

Sie sah Aisling bedeutungsvoll an: »Na so was, es war Molly Winslow von Ballyséan. Sie sagte, es sei für uns beide!«

Neugierig öffneten die beiden alten Damen den Umschlag.

Jetzt sah Margareth zum ersten mal verblüfft aus: »Ein Brief von Frank! Datiert auf gestern!«

»Aber da war er doch schon tot!«

Margareth blickte ihrer Freundin streng in die Augen: »Willst du nun, dass ich den Brief vorlese oder soll ich ihn verbrennen, weil er eigentlich unmöglich ist?«

»Beim Gewande der Heiligen Mutter, lies schon vor, Margareth!«

Margareth O'Malley begann zu lesen:

»Ballyséan, 1. November 2004:

Liebste Margareth, liebte Aisling,

Brian hat mir erzählt, was ihr alles für uns getan habt. Ich danke euch, ihr habt geholfen, dass ich die Liebe meines Lebens fand und Brian von einem schrecklichen Fluch befreien konnte.

Ihr hättet sehen sollen, wie der alte O'Kean auf uns los ging als ich ihm die Bilder seiner Opfer unter die Nase hielt. Unglaublich! Eine Höllenfigur. Mir steckt jetzt noch der Schreck in den Gliedern. Seid froh, das nicht erlebt zu haben.

Sicher war es Schicksal, dass der Kampf auf Brians und Padraigs Todestreppe stattfand. Ich befand mich im Gerangel mit diesem Monster, als wir beide stürzten. Brian fing mich auf. Es war das wunderbarste Gefühl, das ich je erleben durfte. O'Kean blieb reglos liegen. Seine Leiche zerfiel vor unseren Augen. Schauerlicher Anblick. Ich bin glücklich. Wir sind glücklich. Ich weiß, dass sich das nie ändern wird.

Ihr beiden, Aisling, Margareth und auch deine Tochter, dein Mann, Matthew und selbstverständlich meine Mutter sind jederzeit willkommen in unserem Haus. Aber sorgt bitte dafür, dass nie wieder ein Priester über die Schwelle von Ballyséan tritt. Nichts gegen diesen Berufsstand, aber Brian und ich sind beide ein wenig empfindlich gegen schwarze Kutten und zu viele Kreuze geworden. Ich glaube, das lässt sich verstehen.

Gehabt euch wohl und lasst euch von Brian grüßen.

Míle buíochas agus slán de shíor:

Euer Frank Alexander Dermott Ward.»

Margareth legte den Brief beiseite und lächelte. Aisling sah sie mit großen Augen an: «Glaubst du, ihm ist bewusst, dass er nun ein Geist wie Brian ist?»

Margareth lehnte sich zufrieden zurück: «Das spielt – glaube ich – keinerlei Rolle ...!»

GLOSSAR:

agus: [Aussprache etwa: ägas] gälisch für «und».

Clifden: Ein Touristenort an der Westküste Connemaras.

Connemara: Ein großer herb-schöner Landstrich an der Westküste Irlands. Nähere Informationen: http://www.connemara-tourism.org

Drizzle: Die irische Bezeichnung für feinen Sprühregen, im Grunde nicht mehr als feuchte Luft, man wir bei Wind nicht einmal nass davon, da das Trocknen oft schneller geht, als das Feuchtwerden.

Feck: kein Tippfehler in «Fuck» sondern ein typisch irischer und sonst nirgends gebräuchlicher Kraftausdruck für alles Abzulehnende. Wird in gleicher Weise wie «Fuck» gebraucht, jedoch ohne sexuelle Komponente.

Galway: Sowohl die größte Grafschaft (County) des irischen Landesteiles 'Connaught' als auch eine der hübschesten Städte an der Westküste Irlands. Mitten an der Nordseite der großen Galway-Bay gelegen. Man spricht es übrigens weder 'Gälway' noch, was ich auch schon von deutschen Touristen hörte 'Gallwai' aus, sondern etwa «Gålway». Nähere Infos: http://www.galway.net bzw. http://www.galwaycity.ie

GHB: (Gamma Hydroxybutyrate) Eine üble Modedroge vor allem in Amerikanischen Danceclubs und in der schwulen Partyszene. Eigentlich als Beruhigungsmittel designed, wird es wegen seiner euphorisierenden und halluzinogenen Wirkungen als Aufputschmittel missbraucht. Ehr gefährlich. Nähere Infos: http://www.drugs.com/ghb.html

Guinness: Das bekannteste und irischste aller Biere. Es zählt zur Gruppe der 'Stout'-Biere, die eine sehr schwarze Färbung, einen feincremigen karamelfarbenen Schaum und einen sehr herben Geschmack aufweist. Das zweite, etwas weniger bekannte, aber auch weniger herbe Stout in Irland ist das «Murphy's». Informationen: http://www.guinness.com

Jameson: Ein wunderbar 'weicher' leicht nach Aprikosen schmeckender irischer Whisky.

Kinky: wörtlich 'gebogen, geknickt'. Im Zusammenhang mit Sex als Bezeichnung für Sexualpraktiken ungewöhnlicherer Art.

Kylemore Abbey: Eine der schönsten und malerisch gelegensten Gebäude Irlands aus dem 19. Jahrhundert. Heute eine Abtei der Benediktinernonnen. Ein sehr lohnendes Reiseziel, da auch bei Regen romantisch und von einnehmender Schönheit. Nähere Infos: http://www.osb.org/kyle/ oder http://www.kylemoreabbey.com/

Míle buíochas: [Aussprache etwa: 'miele biachas'] gälisch für 'Tausend Dank'.

Samhain: [Aussprache etwa: 'Sowänn' oder 'Såänn']: heute in Gebrauch als das gälische Wort für 'November'. Im Eigentlichen die Bezeichnung für das keltische Feuerfest am 31. Oktober, aus dem sich 'Haloween' ableitet.

Slán de shíor: [Aussprache etwa: 'slån de-ihr'] gälisch für 'Auf Wiedersehen für immer'

Smithwicks: Neben den Schwarzbieren, den Stouts, und den Hellbieren, den Lagers, gibt es noch die dritte Gruppe irischer Biere: Die Ales. Das Smithwicks ist ein fast rotbraunes, sehr süffiges Ale von exzellentem Geschmack und das Lieblingsbier des Autors in Irland. Übrigens braucht man sich wegen der Aussprache keine Zunge brechen, die Iren selbst nennen es einfach 'Smitticks«.

Special-K: Ein Beruhigungs- und Narkosemittel, das oft als Droge missbraucht wird. Verhältnismäßig ungefährlich, wenngleich es bei Überdosis zu Atemlähmung kommen kann. Deshalb wie alle Drogen nicht zu empfehlen.

Templebar: Ein Stadtteil in Dublin. Früher ein heruntergekommenes Arbeiterviertel am Fluss Liffey, heute ein angesagtes Szene- und Künstlerviertel.

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