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Kalanja'neiu - Legende einer vergessenen Welt

Teil 15

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Inhaltsverzeichnis

XLIV

„Wer sagt uns, dass sie uns nicht direkt in eine Falle führt, Yashi?“ wisperte Manju gereizt, während seine Finger nervös den Griff seines Dolches umspielten. „Niemand von uns kennt diesen Teil des Nordwaldes, die Bäume stehen so dicht beieinander, dass ich nicht einmal am Lauf der Sonne unsere genaue Reiserichtung bestimmen könnte. Woher sollen wir also wissen…“

„Gar nicht, mein lieber Freund. Doch versuch zumindest, die Waldhexe nicht dauernd mit deinen Blicken zu erdolchen. Zudem denke daran, dass nicht sie es ist, die unsere Richtung bestimmt. Es ist immer noch Felix, oder besser gesagt sein Armreif, der hier die Entscheidungen trifft“, Yashi blickte den Elben beschwichtigend an. „Du hast gesehen, wie Felix sich auf ihre Seite gestellt hat und beinahe das weiße Feuer in sich erweckt hätte. Bei allen Göttern, Manju, bedenke doch, wie gefährlich es wäre, wenn der Junge zum jetzigen Zeitpunkt ausrasten sollte und sich mit seinen Kräften gegen uns stellen würde. Erst wenn wir sichere Beweise gegen die Hexe in den Händen halten, können wir mit ihm sprechen.“

„Ich bin mir nicht so sicher, ob wirklich noch Felix entscheidet, oder ob sie ihn unter ihrer Kontrolle hat“ murmelte Manju leise vor sich hin und zuckte zusammen, als ein besonders lautes Knacken aus dem Dickicht neben ihnen ertönte. Missmutig blickte er zu Yashi. „Dieser Wald hat etwas an sich, das mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Ich bin ein Elb, Yashi. Normalerweise fühle ich mich in den Wäldern geborgen und mit ihnen verbunden. Doch hier ist alles anderes. Bei jedem Knacken und Rascheln im Unterholz greife ich nach meinem Dolch, selbst die Laute der Tiere erscheinen mir seltsam. Es ist ein Gefühl, als ob sogar die Bäume uns genau im Auge behalten würden. Nur die Hexe verhält sich so, als ob dies alles völlig normal wäre. Sie bewegt sich selbst in diesem Dämmerlicht so sicher, als ob sie auch mit verbundenen Augen ihren Weg durch den Wald finden würde. Zudem scheinen die Vögel mit ihr zu sprechen… das ist Hexerei, dunkle Magie. Wie kannst Du mir sonst erklären, dass jedes Tier dieses Waldes sich mit ihr zu unterhalten scheint? Ich habe die Stimmen dutzender Vögel gehört, das Grunzen von Waldschweinen und ja, sogar das entfernte Heulen eines Wolfes.“

Der Grünling nickte bedächtig. Auch ihm war diese seltsame Verbindung zwischen Dayari und dem Wald aufgefallen, doch im Gegensatz zu Manju witterte er dahinter keine dunkle Magie. Yashi war sich sicher, dass diese, zugegebenermaßen eigenartige Verbindung zwischen Dayari und dem Wald darauf beruhte, dass sie diesen Ort seit hunderten von Jahren ihre Heimat nannte. Aber völlig gleichgültig, wodurch diese Verbindung zustande gekommen war, auch er traute der Hexe nicht. Zu tief wurzelte auch in ihm das Misstrauen, das jeder Aksharianer gegenüber Dunkelelben und deren Bastarden hegte.

Felix fühlte, wie die misstrauischen Blicke seiner Freunde auf ihm und Dayari ruhten. Müde und völlig entnervt fuhr sich Felix mit der Hand über sein Gesicht, strich eine widerspenstige Haarsträhne wieder an ihren Platz zurück und betete darum, dass die endlosen Streitereien zwischen Manju und Dayari ein baldiges Ende fänden. Die anstrengende Reise und die angespannte Lage zerrten an seinen Nerven. Seit ihrer Begegnung mit Dayari fühlte er ein eher beständiges, sanftes Pulsieren, das von seinem Armreif ausging und ihm wohl mitzuteilen versuchte, dass er sich nun auf dem richtigen Weg befand – auch wenn dieser sie immer tiefer in den Wald führte. Dahin, wo kaum ein Sonnenstrahl je den Boden berührte.

Sie waren nun schon seit zwölf Tagen unterwegs, kämpften sich durch das immer dichter werdende Unterholz des Waldes. Ohne Dayari hätten sie sich schon längst heillos verirrt. Je tiefer sie in den Wald vordrangen, mit jedem Tag den sie unterwegs waren, verschlechterte sich die Stimmung. Felix hatte gehofft, dass die zunehmende Nähe zum Drachenreich den Elben beruhigen würde, doch er hatte sich geirrt. Wenn es so weiterging, würden Manju und Dayari sich noch gegenseitig töten, anstatt gemeinsam gegen Zadonia zu ziehen.

Manju war außerstande, seine Abscheu und Verachtung Dayari gegenüber zu überwinden, und die Ungewissheit über Konjarus Schicksal lastete schwer auf ihm. Wie gerne hätte Felix dem Elben die erlösenden Worte selbst mitgeteilt, doch er war durch heiligen Eid verpflichtet, zu schweigen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als immer wieder schlichtend einzugreifen, um Schlimmeres zu verhindern. Felix seufzte. Er hatte zunächst darauf gehofft, dass Yashi und Tapani die unsinnigen Vorurteile gegenüber ihrer neuen Gefährtin ablegen würden, doch es schien aussichtslos. Im Gegensatz zu Manju behandelten sie Dayari zwar höflich, jedoch schlossen sie sie immer wieder bewusst aus der Gruppe aus. Hatten Yashi und Manju dem Ba’nei bei ihrer Abreise in Akshareen immer noch misstraut, so bildeten sie nun eine geschlossene Front gegen den ‚neuen Feind’ in ihrer Mitte.

Ein lautes Kichern und Brummen lenkte Felix von seinen trüben Gedanken ab. Dayari, die neben ihm her schritt, zupfte ihn am Ärmel und wies mit dem Kopf über ihre Schulter nach hinten. Er drehte sich um. Kion und Rubion thronten grinsend auf Dragos Rücken, zupften kleine Blätter und Zweige aus dessen Fell und alberten unbekümmert mit dem so viel größeren Drachenbären herum, der dies mit einem gutmütigen Brummen quittierte. Felix lachte leise in sich hinein. Die beiden Hörnchen waren ein kleiner Lichtblick und milderten die herrschende Spannung. Die erste Zeit hatte Dayaris Bär die beiden Futterdiebe immer wieder misstrauisch beäugt, sie mit drohendem Brummen und den kräftigen Pranken von den Vorräten ferngehalten. Jedes Mal musste Dayari für Kion die gewünschten Zutaten aus dem Gepäck holen, da die Gruppe ansonsten keine warme Mahlzeit bekommen hätte. Das Suchhörnchen hatte die Kocherei bereits entnervt aufgeben wollen, als Dayari ihn auf eine kleine Schwäche des großen Drachenbären aufmerksam gemacht hatte. Genau wie Rubion liebte Drago gutes Essen. Seit Kion den Drachenbären nun durch einen ständigen Nachschub an frischen Wurzeln und Beeren bei Laune hielt, ließ dieser Kion nicht nur wieder an die Vorräte, nein, er gestattete es den beiden Hörnchen auch, streckenweise auf seinem Rücken zu reiten.

Selbst über Yashis und Tapanis Lippen huschte ein leises Lächeln. Ein einziger Blick in Manjus Augen reichte jedoch, um es gleich wieder von ihren Gesichtern zu wischen. Mit verengten Augen musterte der Elb Drago.

„Widernatürlich“, stieß der Elb empört zwischen den zusammengepressten Lippen hervor. Jeder Bürger von Akshar wusste, dass Drachenbären nicht nur ungewöhnlich große und kräftige Tiere waren. Viele Legenden und Lagerfeuerballaden drehten sich um ihre Unerschrockenheit, den wilden Kampfgeist und wie unerbittlich sie ihr Revier gegen Eindringlinge verteidigten. Noch nie in der Geschichte Akshars war es jemandem gelungen, einen dieser Bären zu zähmen. Auch die berühmtesten Jäger unter den Elben wagten es nicht, sich mit einem Drachenbären anzulegen. Selbst wenn sich Jäger mit Magie zu helfen versuchten, endeten für sie solche Begegnungen in den meisten Fällen mit schwersten Verletzungen, die oftmals einen tödlichen Verlauf nahmen.

Wie konnte es dann sein, dass gerade dieses Tier sich der Hexe gegenüber wie ein zahmes Schoßtier benahm und nun sogar Suchhörnchen auf seinem Rücken reiten ließ, obwohl diese durchaus auch auf dem Speiseplan der allesfressenden Raubtiere standen? Mochte Felix auch völlig verblendet sein, er, Manju, würde weiterhin ein wachsames Auge auf die Waldhexe haben. Seine Finger fuhren beinahe liebkosend über den Griff seines Dolches, der in seinem Gürtel steckte. Beim geringsten Anzeichen, dass sie mit Zadok im Bunde stand, würde er handeln. Auch Felix’ Protest konnte ihn dann nicht mehr davon abhalten, seine Klinge tief in Dayaris Brust zu stoßen und das Leben in ihren Augen erlöschen sehen.

Doch nicht nur die Gedanken des Elben kreisten unaufhörlich um Dayari. Tapanis Blicke bohrten sich wie spitze Pfeile in ihren Rücken, während sie neben seinem Geliebten her schritt und in eine augenscheinlich sehr angeregte Unterhaltung vertieft war. Brennende Eifersucht wütete in seinem Herzen. Seit jenem, für ihn immer noch unbegreiflichen Ereignis, als sie Felix beinahe verloren hätten, hatte sich dieser nicht nur von den anderen, sondern auch von ihm zurückgezogen. Tapani vermisste die Nähe zu seinem ‚Vertan’ schmerzlich und sehnte sich danach, ihn endlich wieder des Nachts in die Arme schließen zu dürfen oder ihn bis in die frühen Morgenstunden leidenschaftlich zu lieben. Er hatte es als selbstverständlich angesehen, dass Felix sich als erstes wieder ihm annähern würde - und nun das! Die beiden schritten vor ihm her und schienen so vertraut, als ob sie sich schon immer gekannt hätten. Mit Dayari führte sein Geliebter rege Gespräche, ja lachte sogar mit ihr. Doch ihm und den anderen gegenüber blieb er immer noch reserviert, als würde ein dunkles Geheimnis zwischen ihnen stehen. Wenigstens trug Felix noch den kleinen Talisman, den er ihm geschenkt hatte. Trotzdem wurde der Ba’nei die Angst nicht los, dass die Beziehung zwischen ihnen dieser Belastung nicht mehr lange standhalten würde.

Dayari ließ die Schultern kreisen und versuchte, die völlig verkrampften Muskeln zu lockern, vergebens. Jede Faser ihres Körpers stand unter Hochspannung. So mussten sich die kleinen Waldkaninchen fühlen, wenn sie die Gegenwart eines Jägers spürten. Angespannt, Adrenalin schoss durch die Adern und mit jedem Atemzug wurde die Versuchung, sich schnell ins schützende Dickicht zu flüchten, stärker. Dayari atmete tief durch und bemühte sich, Felix’ Worten zu folgen. Doch es gelang ihr nicht. Die permanente Feindseligkeit Manjus zerrte unerbittlich an ihren, sonst schon zum zerreißen angespannten Nerven. Durch die Jahrhunderte versteckt im Wald, immer wieder auf der Flucht vor den ‚Hexenjägern’, hatten sich ihre Sinne derart geschärft, dass Manjus Hass sie sogar körperlich schmerzte. Sie fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis auch Felix das zarte Band zwischen ihnen zerreißen und sich auf die Seite der anderen stellen würde. Am liebsten hätte sie der Gruppe den Rücken gekehrt, aber es war ihr nicht möglich. Dayari wusste genau, was ihre Aufgabe war, und kein Elb dieser Welt konnte sie daran hindern, diese zu erfüllen. Sie legte den Kopf in den Nacken und ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Lippen. Allmählich lichteten sich die Bäume und sie konnte bereits die ersten Gipfel der Drachenberge erkennen. Bald würden sie die Grenze erreichen. Wehmütig dachte sie daran, dass ihr wohl nur noch wenig Zeit blieb, bevor sie sich von Drago trennen musste. So teuer ihr der Bär auch war, sie konnte ihn nicht mitnehmen. Er war ein Geschöpf der Drachenberge und des Nordwaldes. Drago würde sich in den weiten Ebenen Akshars oder gar in Zadonia selbst nicht heimisch fühlen.

Sie waren noch etwa einen halben Tag von der Grenze zum Drachenreich entfernt, als die Situation eskalierte. Manju, der mit jedem Schritt in Richtung der Berge unleidlicher wurde, piesackte Dayari bereits den ganzen Morgen mit spitzen Bemerkungen, die immer stärkere Risse in ihre, nur mühsam aufrecht gehaltene, gelassene Fassade rissen. Nicht nur Felix, auch die anderen spürten, dass es nur noch wenig bedurfte, bevor Dayari sich nicht nur mit Worten an dem Elben rächen würde.

„Elender Bastard“, zischte diese soeben wutentbrannt und wandte sich ab. Sie würde dem Ja’neisa nicht die Genugtuung geben, indem sie ihre Selbstbeherrschung noch völlig verlor.

„Ja, wende Dich nur ab. Das passt so hervorragend zu jenen Geschichten über deinesgleichen. Feiges Pack, das floh, wenn es ernst wurde, und Speichel leckend vor Zadok zu Kreuze kroch.“ Manju verspürte ein regelrechtes Hochgefühl. All seine Sorgen um Konjaru traten in den Hintergrund, je mehr er seine gesamten Ängste an der Hexe ausließ.

„Es reicht! Alle Beide, es reicht!“ Felix’ Brust hob und senkte sich rasch, als er mit hochrotem Gesicht Manju und Dayari anbrüllte. „Wir können Zadok auch gleich den Stadtschlüssel von Akshareen überreichen! So wie ihr beide euch zankt, werden wir unser Ziel niemals erreichen. Also, bei den Göttern, beherrscht euch.“

Dayari presste die Lippen zusammen, senkte jedoch unter Felix’ zornigen Blick den Kopf. Felix nickte ihr dankend zu. Als einzige seiner Gefährten akzeptierte sie seine Rolle als Anführer und zweifelte nicht jede seiner Entscheidungen an. Ihr gegenüber brauchte er nicht jeden seiner Schritte zu rechtfertigen. Froh darüber, dass sie bereit war, den Streit für den Augenblick ruhen zu lassen, wandte er sich Manju zu und blickte ihn fragend an.

Doch dieser schüttelte den Kopf. „Nein, ich werde mich nicht beherrschen“, stieß er zornbebend hervor. „Seid ihr denn alle zu blind um das Unglück zu sehen, in das uns diese Hexe stürzen wird? Vor allem Du, mein Junge“, er funkelte Felix wütend an und deutete anklagend in Richtung Dayari. „Es ist nicht zu übersehen, dass sie Dich verhext hat. Was immer auch auf dieser Lichtung geschehen ist, sie hat Deinen Verstand vernebelt. Bei allen Göttern, komm endlich wieder zu Dir! Du weißt doch nicht einmal mehr, wer Deine wahren Freunde sind. Dein blindes Vertrauen in diese Höllenbrut wird uns alle in den sicheren Tod führen. Sieh sie Dir doch an. Jedes Zoll an ihr schreit das Wort Verrat förmlich heraus! Ich weiß nicht, was die Götter sich dabei gedacht haben, einen Jungen auszuerwählen, der so leicht durch das Böse zu verführen ist.“ Der Elb ereiferte sich immer mehr, Zorn und unbändige Wut schwappten wie eine Welle des Hasses über den Köpfen der anderen zusammen.

Dayari, die sich bereits einige Schritte entfernt hatte, um mehr Abstand zwischen sich und Manju zu gewinnen, wirbelte wutentbrannt herum. „Wie kannst Du es bloß wagen, die ganze Zeit am Erwählten zu zweifeln, Manju?! Traust Du Deinen eigenen Göttern nicht?“

„Es ist nicht Felix, an dem ich zweifle“, entgegnete Manju ätzend. „Ich zweifle an Dir, Hexe. Du würdest doch jeden von uns ohne zu zögern an Zadok ausliefern, so lange es Dir irgendeinen Vorteil einbringen würde. Wer hat denn über Jahrhunderte grundlos und ohne jeglichen Skrupel beinahe jeden Elben getötet, der in seine Nähe kam. Und jene, die nicht getötet wurden, kehrten zurück, ihres Geistes beraubt und zu keiner klaren Äußerung mehr fähig? Wer war das? Das warst doch wohl Du! Du, der Hexenbastard aus den Wäldern!“

Dayari spürte, wie sich etwas in ihr veränderte. Der Zorn, der eben noch heiß ihn ihr gelodert hatte, kühlte ab und floss nun wie Eiswasser durch ihre Adern. Sie nahm ihre Umgebung überdeutlich war. Sah in das höhnische Gesicht des Elben, der ihr all seine Verachtung entgegenschleuderte. Grundlos - wie konnte er es wagen, ihr zu unterstellen, sie hätte grundlos gemordet? Mit eiskalter Stimme, die wie kühler Stahl durch die angespannte Stimmung schnitt, wandte sie sich an Manju. „Grundlos? Wie kannst Du, Manju Ja’neisa es auch nur wagen, mir dies ins Gesicht zu schleudern. Ich werde Dir zeigen, was grundlos bedeutet!“

Sie sah nicht, wie die anderen, erschrocken ob der spürbaren Kälte in ihr, zurückwichen. Selbst in Manjus Augen flackerte für einen kurzen Moment Angst auf, als Dayaris Rubin aufloderte und er in dessen Unheil verkündendes Glühen blickte. Starr sah er zu, wie sie die Hände ausstreckte und einige Schritte auf ihn zukam. Es schien beinahe so, als ob seine Füße am Boden festgewachsen wären.

„Dayari, nicht!“ Felix ging dazwischen, streckte seinen Arm aus, um sie aufzuhalten und ihren Zorn zu beruhigen. Beinahe gleichzeitig mit Dayari fiel sein Blick auf seinen ausgestreckten Arm, an dessen Handgelenk der Armreif schimmerte. Instinktiv erkannte Felix, dass er ihr damit ungewollt die Möglichkeit bot, Manju zu bestrafen. Felix’ Augen weiteten sich verstehend, doch es war zu spät. Dayari griff mit beiden Händen nach seinem Arm, umfasste sein Handgelenk und schloss ihre Finger um seinen Reif. Er schrie auf. Es fühlte sich an, als ob der Armreif sich bis auf die Knochen durch sein Fleisch brennen würde. Der Schmerz wurde immer unerträglicher, explodierte förmlich in ihm. Gefangen in seinem Schmerz sah er, wie sich Dayari all ihre Magie in den Armreif hineinzwang und sie dadurch um ein Vielfaches verstärkte. Er spürte, wie sein Geist regelrecht in den Armreif hineingesogen wurde, hinein ihn ein grelles, blendendes Licht. Als er die Augen wieder öffnete, fand er sich am Waldrand wieder. Umgeben von Manju, Yashi und Tapani. Doch… wo waren sie und wo war Dayari?


„Welche Hexerei treibt diese verfluchte Göttin nun schon wieder?“, fluchte Zadok und schritt wutentbrannt in seinem Thronsaal auf und ab. Seine Späher hatten den Kontakt zu Felix verloren und obwohl er die Erschütterung des magischen Gefüges gespürt hatte, als sich erneut die erwachende Kraft des Herzens offenbarte, konnte er die Quelle mit seiner Magie nicht orten. Zadok spürte, wie der Dämon sich in seinem Schlaf regte und atmete tief durch. Nein, er durfte keine Schwäche zeigen. Ihr Pakt beruhte auf der Stärke seiner Magie, die durch dunkle Magie verstärkte und pervertierte Kraft eines Elben, der von den mächtigsten der Ja’neisa abstammte, aber aufgrund seiner Bastardherkunft keinen Platz in ihren geheiligten Hallen fand. Sollte er jedoch Schwäche zeigen, würde ihm seine Magie nichts mehr nutzen. Dann würde der Dämon die Kontrolle übernehmen.


Was geschah hier? Yashi zog die Stirn kraus. Fast erschien es ihm, als würden sie ihre Umgebung durch eine Art Schleier wahrnehmen, als würde etwas zwischen ihnen und dem was sie sahen stehen. Der Grünling war ratlos. Weder konnte er sich erklären, wie sie hierher gelangt waren, noch weswegen. Das Einzige an das er sich erinnern konnte, war das aufflammen von Dayaris Rubin und der Magie des Armreifes. „Seht!“, Felix’ Ruf schreckte Yashi aus seinen Gedanken auf. Der junge Mann streckte den Arm aus und deutete auf das Dickicht vor ihnen. Manju, Yashi und Tapani folgten seinem Arm mit ihren Blicken und entdeckten die beiden.

Ein schlaksiger, viel zu magerer Junge umfing mit seinen Armen ein kleines Mädchen, barg sie an seiner Brust, hielt ihr die Hand vor den Mund und duckte sich mit ihr tief in das Versteck zwischen den dichten Dornbüschen. Ihre Gesichter waren rußverschmiert und ihre zerrissene Kleidung sowie unzählige blutige Kratzer auf ihren Armen und Beinen zeigten, mit welcher Verzweiflung sie sich durch das dichte Geäst der Dornbüsche gezwängt hatten. „Scht, sei still, meine Kleine!“ Beruhigend strich er ihr durch das zerzauste schwarze Haar. „Wenn Du ganz ruhig bist, wird uns nichts geschehen!“ Die Stimme des Jungen kippte nervös zwischen mehreren Tonlagen hin und her während er versuchte, die Panik, die in seinem Blick lag, vor ihr herunterzuspielen. „Aber Mama..:“ Tränen kullerten über die bleichen Wangen des Mädchens, als sie sich schutzsuchend an ihren großen Bruder klammerte. „Ich weiß, kleine Schwester, ich weiß“ Er drückte sie fest an sich. Unendlicher Schmerz und Zorn spiegelten sich in seinen Augen, die vor ungeweinten Tränen glänzten. Mit zusammengepressten Blicken starrte er beinahe wie hypnotisiert geradeaus, so gut es das ihn verbergende dichte Blattwerk gestattete.

„Was?“ Manju blickte verwirrt auf, wandte sich an Yashi. „Warum sehen sie uns nicht, Yashi? Es ist, als ob wir gar nicht hier wären… und dabei können wir sie doch direkt vor uns sehen!“ Der kleine Grünling zuckte mit den Schultern. Wie sollte er dem Elben etwas erklären, das er selbst noch nicht verstand. „Bei allen Göttern!“ Tapani, der sich bisher ruhig im Hintergrund gehalten hatte starrte entsetzt auf das Bild, das sich ihnen bot. Sein Gesicht war ganz blass. Sie folgten seinem Blick und begriffen, was die Kinder veranlasst hatte, mitten in den dichtesten Dornen Schutz zu suchen.

Einst mussten es einige wenige kleine Häuschen gewesen sein, doch nun zeugten nur noch rauchende Trümmer davon, dass auf der kleinen Lichtung eine Gemeinschaft gelebt hatte. Während ein Trupp schwer bewaffneter Elbensoldaten die Trümmer nach weiteren Überlebenden durchkämmte, und die Toten, unter ihnen auch kleine Kinder, achtlos auf einen Haufen warf, wo bereits ein Feldpriester wartete und Beschwörungen murmelte, trieb der Rest von ihnen die verängstigten Gefangenen in der Mitte der Lichtung zusammen. Grob wurden die Gefesselten zu Boden gestoßen und ihre Köpfe zurückgerissen, als ihr Anführer zu den Gefangenen trat.

Yashis Augen weiteten sich, als er ihre Gesichtszüge sah. Nun verstand er. Dies musste eine jener kleinen Gemeinschaften, ein „Bastarddorf“ gewesen sein, in denen die Mischlingsbastarde der Dunkelelben mit reinen Elben und Ba’neis in Sünde zusammenlebten. Ungeachtet dessen, dass sie mit ihrem frevelhaften Tun gegen die gesellschaftlichen und gesetzlichen Gebote Akshars verstießen. Der Grünling erinnerte sich an die Erzählungen seines Meisters, dass vor Ausbruch des großen Krieges viele dieser Gemeinschaften gewaltsam aufgelöst worden waren, um Zadok den Nährboden zu entziehen, da sich gerade die Mischblütigen seiner Armee angeschlossen hatten, da sie sich unter ihm die Duldung ihrer verbotenen Beziehungen erhofften. Doch etwas stimmte hier nicht. Was taten sie hier, um Jahrhunderte in der Zeit zurückversetzt und ausgerechnet an diesem Ort? Yashi war sich nicht sicher, aber er hatte das Gefühl, dass sie wieder einmal erfahren würden, dass die Geschichtsbücher nicht immer die reine Wahrheit erzählten.

Die blutenden Wunden, Schrammen und blauen Flecken zeigten, dass die Soldaten alles andere als sanft mit ihren Gefangenen umgesprungen waren. Auf einen Befehl hin packen sie eine der Frauen, zerren sie an ihren Haaren vor, traten und schlugen auf sie ein. „Das reicht!“, ein Elb, vermutlich der Gruppenkommandant trat vor und blieb vor der am Boden knienden stehen. Blut rann aus ihrer aufgeplatzten Lippe, doch ihr Wille, den Soldaten zu trotzen, loderte ungebrochen aus ihren schwarzen Augen. Der Kommandant hob die Hand und ohrfeigte sie. „Rede Du Bastardhure!“, brüllte er sie an. „Gesteht endlich, wo die restlichen eurer Kinder sind.“ Er wandte sich um und blickte jene Gefangenen an, deren Aussehen sie als „Reinrassige“ auswies. „Jene unter euch, die reinen Blutes sind, können der Todesstrafe entgehen. Aber ihr müsst uns die Missgeburten ausliefern!“ Die junge Frau, die er eben noch geohrfeigt hatte, spie ihm ins Gesicht. „Niemals! Niemals werden wir unsere Kinder euch Schlächtern ausliefern. Ihr, die ihr den Willen der Götter zu euren eigenen Gunsten auslegt und dabei genau jene Verbrechen begeht, derer ihr uns beschuldigt und weswegen ihr uns verfolgt!“ Die Welle des Zorns, die der Hauptmann ausstrahlte, war deutlich zu spüren. Wutentbrannt zog er sein Schwert und rammte es tief in die Brust der zu seinen Füßen knienden Frau. Wie konnte es diese Mischlingshure wagen, ihn, einen Reinblütigen, derart herauszufordern? Zufrieden sah er zu, wie das Lebenslicht in ihren Augen erlosch. Doch selbst als sie ihren letzten Atem aushauchte, blieb ihr Stolz ungebrochen, zeigte ihm ihr Blick, dass sie sich nicht vor seinem Willen beugte. Als sie zu Boden sank, packten sie die Soldaten und schleppten sie zu Seite, warfen sie achtlos zu jenen, deren Leben sie bereits ausgelöscht hatten. Mit hämischen Gesichtern, verblendet von Hass, gesellten sie sich wieder zu ihren Kameraden und betrachteten das Schauspiel, welches sich ihnen bot. Ein silberhaariger Elb in dunkler Robe war auf Geheiß ihres Kommandanten vorgetreten, legte seine Hände jenen Gefangenen auf die Stirn, welche ihm sein Befehlshaber bestimmte. Gellende Schreie erklangen, Wimmern und Wehklagen erfüllte die Luft, als das Silberhaar seine Magie freiließ und gewaltsam in die Gedanken seiner Opfer eindrang. Immer auf der Suche nach Informationen über weitere Dörfer wie dieses, wie auch nach Verstecken und Fluchtwegen, auf denen sie ihre Kinder in Sicherheit bringen wollten. Die Gefangenen konnten ihm nichts entgegensetzen. Sobald er von ihnen abließ, sanken sie schluchzend zu Boden, starrten mit leeren Augen ins Nichts. Sie nahmen ihre Umwelt nicht mehr wahr, sahen nicht die Klingen herabsausen, die einen nach dem anderen von ihnen töteten.

Manju, der bisher dem Geschehen ohne sichtliche Gefühlsregung gefolgt war, keuchte entsetzt auf, als er sah, wie der silberhaarige Elb vortrat und seine Hand auf die Stirn der Gefangenen legte. „Bei allen Göttern!“, er erblasste. „Er… er dringt mit Gewalt in sie ein. Wie kann er nur? Auch wenn Krieg herrscht, wie kann er es ertragen, so etwas Abscheuliches zu tun? Er muss doch mit jeder Faser seines elbischen Seins spüren, welche Qualen er verursacht!“

„Es ist ihm egal, dass sie leiden“, beantwortete Tapani Manjus Frage mit leidenschaftsloser Stimme und trat zu Felix, zog den Geliebten in seine Arme. „In den Augen dieser Soldaten sind die Dorfbewohner doch selbst schuld an ihrem Schicksal und verdienen es zu leiden. Siehst Du denn nicht ihre Gesichter? Sie leuchten regelrecht vor lauter Hass. Hast Du nicht gesehen, dass sie selbst die Toten noch verfluchen. Oder glaubst Du, dass der Priester, den sie bei sich haben, einen Segen für die Opfer spricht?“ Manju antwortete nicht, starrte nur geradeaus. Er war unfähig, seinen Blick vom Geschehen abzuwenden.

Sie waren als einzige übrig geblieben. Stolz knieten sie da, als ob sie so der ganzen Welt trotzen konnten. Ihre langen, schwarzen Locken fielen ihr ins Gesicht, als sie sich, geschwächt von den Schlägen an ihn schmiegte. Sein von silbernen Haaren umrahmtes, schmales, aristokratisches Gesicht verzerrte sich kaum sichtbar vor Schmerz, als einer der Soldaten den Fuß hob und zutrat. Selbst jetzt noch, von seiner eigenen Rasse verstoßen und verachtet, hielt er sich eisern an jenen Prinzipien fest, die jedem Ja’neisa mit in die Wiege gelegt wurden – Stolz, Ehre, niemals Schwäche zeigen, sich niemals ergeben. Er zuckte nicht zusammen, als der Magier der Soldaten sich ihm näherte und versuchte, in seine Gedanken einzudringen. Es würde ihnen nicht gelingen. Eher würde er sein Leben geben, als seine Kinder, die Kinder seiner geliebten Layuna in den sicheren Tod auszuliefern.

Als der Magier den Kopf schüttelte und zurücktrat, tobte der Kommandant. Er wollte die Kinder der beiden haben. Sie waren Abscheulichkeiten, die vom Angesicht dieser Welt getilgt werden mussten. Doch nichts! Es war dem Magier nicht gelungen, in die Gedanken der beiden einzudringen. Auch wenn sie die Magie des Ja’neisa mit Bannzaubern gedämpft hatten, war er doch noch stark genug, um das gewaltsame Eindringen in seine Gedanken zu verhindern. „Wir brauchen diese Informationen!“, herrschte der Kommandant den Magier an. „Finde einen Weg, sie ihnen zu entreißen“! Dieser nickte bedächtig. Auf sein Zeichen hin zerrten die Soldaten die Frau von ihrem Mann weg, schleppten sie ein Stück weiter und fesselten sie kniend an einen in aller Eile in den Boden gerammten Holzpfahl. Mit einem grausamen Lächeln wandte sich der Kommandant an den Ja’neisa vor sich. „Nun, werdet Ihr endlich sprechen, Partanju, werdet Ihr Euch Eurem Erbe würdig erweisen, oder wollt Ihr weiterhin jenem Irrweg folgen, auf den Euch diese Dämonenhure gelockt hat? Seht sie Euch doch an! Ein Bastard, ein Mischblut durch dessen Adern Ba’nei und Dunkelelbenblut fließt. Wie könnt Ihr, als ein Sohn der höchsten und reinsten Familie eures Volkes, es ertragen, Eure Seele zu verdammen indem Ihr Euch an dieses Weibsstück bindet?“ Doch Partanju schwieg. Sein Blick suchte den Layunas. Fest blickten sie sich in die Augen. Sie spürten nicht, wie die scharfen Klingen der Soldatendolche ihre Haut aufritzten, sie folterten. Unverwandt blickten sie sich an. Liebe und Hingabe sprach aus ihren Augen. Selbst als sie den Ja’neisa über den Platz zu seiner Frau prügelten, sie zusammen festbanden und der Magier die Hände hob, blieben sie stumm. Nun würden sie zusammen von dieser Welt gehen, doch ihre Kinder würden überleben. Feuer loderte auf, umspielte die Hände des Magiers bevor er es losschickte. Gierig fraß es sich in die Kleidung seiner Opfer, brannte sich seinen Weg. Als die Flammen über ihre Haut züngelte,n löste sich die Trance, mit der sie die bisherigen Folterungen überstanden hatten. Ihre Todesschreie hallten über die Lichtung bis zu den dichten Hecken, wo sich die beiden Kinder versteckten, als das Feuer das Paar vollständig einhüllte und verschlang.

Stumme Tränen rannen über das Gesicht des Jungen. Fest drückte er das kleine Mädchen an sich, wiegte sie und wisperte ihr beruhigende Worte ins Ohr. Sie schluchzte laut auf – und erstarrte, als der Kommandant sich umdrehte und in ihre Richtung starrte. Ein diabolisches Lächeln umspielte seinen Mund. „Da! Bringt mir die Bastardbrut, los! Ihr werdet doch wohl noch fähig sein, zwei Kinder einzufangen!“

Der Junge überlegte fieberhaft. Er musste seine Schwester beschützen und es blieb kaum noch Zeit. Ein letztes Mal zog er sie in seine Arme, drückte und herzte sie. „Bleib hier, beweg Dich nicht und sei still, meine Kleine. Ich werde sie von hier wegführen, weg von Dir. Sobald sie weg sind, lauf! Lauf in den Wald und suche dort Schutz.“ Sie wimmerte. „Geh nicht weg!“ Er küsste sie sanft auf die Stirn. „Es muss sein, kleine Dayanarani, hab keine Angst, wir werden uns wieder sehen!“ Mit diesen Worten sprang er auf, kämpfte sich aus dem Dickicht, und rannte, möglichst viel Lärm veranstaltend davon. Sein silbernes Haar leuchtete im Licht der Sonnenstrahlen, lenkte die Aufmerksamkeit der Soldaten auf sich. Er rannte, rannte wie noch nie zuvor in seinem Leben. Weg von der Heimat, weg von seiner Schwester, der letzten lebenden Verwandten, die ihm noch geblieben war.

Als der Magier sich in Richtung der beiden Kinder umdrehte, zog Yashi scharf die Luft ein. Er kannte dieses Gesicht! Erschüttert wandte er sich an seine Gefährten. Sein Blick streifte Felix und Tapani, die mit fest ineinander verschlungenen Fingern und vor ungeweinten Tränen brennenden Augen da standen. Manju trat neben den Grünling. Bleich, gefasst. „Warum sind wir hier, Yashi? Warum erleben wir Geschehnisse aus der Zeit des großen Krieges mit?“

Yashi schüttelte den Kopf. „Du irrst Dich, Manju. Das ist nicht während des großen Krieges geschehen. Sieh Dir den Magier an. Auch wenn Du damals noch nicht geboren warst, jeder in Akshar kennt dieses Gesicht.“ Der Elb musterte den silberhaarigen Elben und… „Zadok!“ rief er und fuhr sich ungläubig über sein Gesicht. Es gab keinen Zweifel. Vor ihnen auf der Lichtung, im Bunde mit den Soldaten Akshars, die im Dienste der regierenden Ja’neisa standen, stand Zadok, als Magier, Folterknecht.

„Dies ist vor dem großen Krieg geschehen, Manju. Hier stand Zadok noch im Dienste der Regierung. Dank seinem Ja’neisa-Blut war er in der Lage, in die Gedanken abtrünniger Ja’neisa einzudringen. Er hat jene Arbeit für sie erledigt, an der sie sich selbst die Hände nicht schmutzig machen wollten.“ Der Grünling seufzte. Wahrlich, Yagoda hatte angedeutet, dass in der Zeit vor dem großen Krieg große Missstände in Akshar herrschten. Missstände, die schlussendlich dazu führten, dass es zum offenen Krieg kam. Aber dass man bereits vor dem Krieg die Mischlinge derart verfolgt hatte, war ein wohlgehütetes Geheimnis geblieben.

„Aber“, stammelte Manju. „Die Bastarde hatten sich Zadoks Rebellion angeschlossen und sich gegen die Elben gewandt, darum wurden sie gejagt, um zu verhindern, dass Zadok noch mehr Unterstützung bekommt.“

„Es sieht eher so aus, als ob sie bereits vorher gejagt wurden. Ich frage mich, ob wirklich nur die Dunkelelben an diesem Krieg die Schuld tragen.“ In Felix’ Stimme schwang eine tiefe Trauer mit. Er hatte es gespürt, hatte den Hass und die Verblendung gefühlt, mit der die Soldaten die Dorfbewohner regelrecht niedergemetzelt hatten. Ihm war übel.

Sie bewegte sich nicht, presste die kleine, geballte Faust gegen ihren Mund, um keinen Laut von sich zu geben. Heiß rannen ihr die Tränen über die Wangen. Tief brannten sich die Bilder des heutigen Tages in ihre Seele ein. Nie würde sie die Gesichter des Magiers und der Soldaten vergessen. Auf ewig würde ihr im Gedächtnis haften bleiben, mit welchem Ausdruck des Triumphes sie sich an den lodernden Flammen ergötzt hatten. Sie wollte ihren Eltern folgen, wollte wieder mit ihnen vereint sein. Doch sie musste stark bleiben. Sie hatte es ihrem großen Bruder versprochen. So blieb sie, tief ins Dickicht gekauert sitzen, bis die Nacht hereinbrach. Erst dann kroch sie hervor und floh tief in den Wald hinein.

„Verstehst Du es immer noch nicht?“, fragte Felix den Elben. „Hast Du nicht erkannt, weswegen wir hier sind? Schau Dir doch das Mädchen genau an.“ Felix’ Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Nichts hatte ihn auf das hier vorbereitet. Dayaris Erinnerungen mit ihr zu teilen war nichts im Vergleich dazu, diese nun hautnah zu erleben, zu erfahren, wie schrecklich diese Erlebnisse gewesen waren.

Manju zwang sich, das kleine Kind zu mustern, welches zwischen den Bäumen verschwand. Sah das lange, schwarze Haar, in dem feine, silberweiße Strähnen funkelten, wenn die blassen Mondstrahlen auf die kleine Gestalt fielen. Er keuchte. „Die Waldhexe!“ In dem Augenblick sah er, wie die Welt um ihn und seine Freunde herum verschwamm, Lichter umwirbelten sie. Geblendet schlossen sie die Augen.

Als sie die Augen wieder öffneten fanden sie sich inmitten eines Elbendorfes wieder. Es musste Markttag sein. Überall waren Stände aufgebaut, an denen Händler ihre Waren feilboten. Der Geruch frisch gebackenen Brotes und anderer Köstlichkeiten lag in der Luft. Manjus Magen knurrte, was ihm einen amüsierten Seitenblick von Yashi einbrachte. Doch warum waren sie noch immer nicht zurückgekehrt und was würden sie an diesem Ort erleben? „Seht!“ Tapani deutete auf eine magere Gestalt.

Ein etwa zehnjähriges Mädchen in alten, abgetragenen Kleidern bettelte um Essen. Sie zog ihren Umhang fester um sich, achtete darauf, dass die Kapuze ihre Haare verbarg. Ihre Augen leuchteten auf, als eine Elbin sich zu ihr hinabbeugte und ihr ein Stück Brot und einen Apfel reichte. „Hier nimm, meine Kleine“. Sie blickte zu ihrem Mann auf. „Sicher wieder ein Kind aus den Grenzgebieten. Hoffentlich enden diese Scharmützel endlich, bevor sie auch zu uns übergreifen!“ Er nickte zustimmend. Sie alle fürchteten, dass die Kämpfe sich ausweiten würden, doch heute war Markttag. Die Ernten waren eingebracht und bald würde die Feier zu Ehren Kaporas beginnen, die sie dieses Jahr erneut mit reicher Ernte beschenkt hatte. Wenigstens heute sollten Sorgen keinen Platz in ihrem Leben haben. Der schrille Schrei seiner Frau riss ihn aus seinen Gedanken. Er folgte den Blicken seiner Frau und instinktiv umschlossen seine Finger den Griff seines Dolches.

Ein Windstoß hatte die Kapuze des Mädchens zurückgeweht und dichtes, schwarzsilbernes Haar wurde für alle Augen sichtbar. Die Kleine wich zurück, während seine Frau immer noch die Dorfbevölkerung zusammenschrie. „Bastardbrut! Elende Spione!“ Immer mehr Dörfler stimmten in die Schmähungen der Frau mit ein. Sie spuckten in ihre Richtung und scheuchten die Kleine vor sich her. Das Mädchen rannte, wich zurück. Doch sie waren überall. Sie hatten sie umkreist. Verzweifelt glitt ihr Blick hin und her. Ein scharfer Schmerz durchzuckte sie und Blut tropfte zu Boden, als ein geworfener Dolch ihr Gesicht streifte. Sie ließ das Brot fallen, wirbelte herum und rannte, zwängte sich zwischen den Beinen der Dorfbewohner hindurch. Verfolgt von wüsten Beschimpfungen und fliegenden Steinen, rannte sie wieder in den Wald hinein.

Erneut verschwamm die Welt um sie herum. Sie fanden sich an den verschiedensten Orten wieder, doch eines hatten diese alle gemein. Immer wieder wurden sie Zeugen, wie die heranwachsende Dayari um ihr Leben rennen musste, wie Gewalt ihr Leben bestimmte. Sie sahen die feinen Narben, die Steine und andere Waffen auf ihrem Körper hinterlassen hatten. Sahen, wie sich Verbitterung und Gram in die jungen Züge gruben, und wie ihr Misstrauen gegen Ba’nei und Elben wuchs. Unerbittlich trug der Zauber sie durch Dayaris Vergangenheit. Zeigte ihnen, was es für ein Mädchen mit ihrer Abstammung bedeutete, alleine auf sich gestellt überleben zu müssen. Sie blickten einander nicht an, sprachen nicht. Zu stark waren die Eindrücke, die auf jeden von ihnen einstürmten. Bang fragten sie sich, wie lange der Zauber sie noch durch die Zeit tragen würde, ehe er sie wieder in ihre eigene Zeit zurückbrachte.

Doch was sie als Nächstes miterlebten, damit hätte keiner von ihnen gerechnet.

“Au“, mit schmerzverzerrtem Gesicht humpelte sie in ihre Höhle. Mit müden Bewegungen zog sie ihre Heiltasche aus der Ecke hervor und ließ sich auf ihr Mooslager sinken. Als sie ihre Röcke hochzog, sah man eine lange, tiefe Wunde, die sich über ihre Wade zog. Fluchend schickte sie sich an, die Wunde zu reinigen und zu verarzten. Dieses Mal hätten sie sie fast erwischt. „Verfluchte Halbstarke“, murmelte sie vor sich hin. Die heranwachsenden Krieger aus den nahen Dörfern hatten es sich zur Aufgabe gemacht, immer wieder in den Wald vorzustoßen und nach ihr zu jagen. Alleine die Gerüchte ihrer Anwesenheit reichten aus, um die Blutgier in ihnen zu wecken. Auch jetzt noch, nach Ende des Krieges, war sie nirgendwo sicher. Bedauernd blickte sie sich um. Sobald ihr Bein es zuließ würde sie wieder fliehen müssen. Hier konnte sie nicht länger bleiben. Zu nahe an ihrer Höhle hatten sie sie heute überrascht und sie mit ihren Kurzschwertern und Bögen durch den Wald gehetzt. Müde strich sie sich das hüftlange Haar aus dem Gesicht und flocht es zu einem praktischen Zopf, ehe sie sich zurücklegte, eine dünne, zerschlissene Decke über sich zog und die Augen schloss.

“Dayari, kleine Schwester. Dayanarani, wach auf!“ wisperte eine Stimme aus dem Nichts. Sie erwachte, blickte sich nervös um. Ihr Herz schlug hart gegen ihre Rippen, ihr Atem flog. Die Jahre auf der Flucht hatten sie wachsam werden lassen. Doch welcher Angreifer würde sie mit ihrem Namen ansprechen, bevor er versuchte, ihr sein Schwert in den Körper zu stoßen? „Sa luminari“ wisperte sie den alten Lichtzauber, den ihr Vater ihr in langen Winternächten beigebracht hatte, während er sie auf seinen Knien geschaukelt hatte. Ein kleiner, heller Lichtball flammte auf und tauchte die Höhle in ein warm schimmerndes Licht. Eine schlanke, hochgewachsene, von matt glühendem Licht umhüllte Gestalt stand im Höhleneingang und trat ein.

Es war ein junger Mann mit silbernem Haar. Dayaris Augen weiteten sich ungläubig, während sich ihr der Unbekannte immer weiter näherte – doch es war kein Fremder. Aufschluchzend sprang sie auf, rannte auf den Mann zu und fiel ihm um den Hals. Mit festem Griff umklammerten ihre Arme seinen schlanken Körper, gerade so, als ob sie ihn nie wieder gehen lassen wollten. „Daranju, oh mein geliebter Bruder! Wie sehr habe ich Dich vermisst. Nie hätte ich geglaubt, dass wir uns in dieser Welt noch einmal begegnen werden. Ach, Daranju, Bruder…“ Sie verstummte, als er sich sachte aus ihren Armen löste, mit der Hand sanft ihr Kinn umfasste und ihren Kopf hob, bis sich ihre Blicke kreuzten. Ihrer verwirrt, seiner ruhig und prüfend. Er seufzte und ein Anflug von Bedauern blitzte in seinen dunklen Augen auf.

Es bleibt uns nicht viel Zeit, meine kleine Dayanarani. Die Götter wissen, wie sehr ich es mir wünschte, Dich einfach in die Arme zu schließen und all Deine Sorgen und Nöte von Deinen Schultern zu nehmen… doch es ist uns nicht vergönnt. Noch nicht. Erst müssen wir die Aufgabe, zu der ich mich verpflichtet habe, erfüllen… wenn Du willens bist, mir hierbei zu helfen, meine kleine Schwester.“

Dayari blickte ihn besorgt an, sah sein fahles Gesicht. Dies war nicht mehr der unbeschwerte Junge, der sie als Kind an den Zöpfen gezogen und mit dem sie Fangen gespielt hatte. Dies war auch nicht mehr der Daranju, der an jenem schrecklichen Tag sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um sie vor den Schergen Zadoks zu beschützen. Sie spürte, dass etwas schwer auf ihm lastete. Doch egal was es war, gleichgültig, um was er sie nun bitten würde, sie würde ihm helfen, die Last gemeinsam zu tragen. Langsam und bedächtig nickte sie. „Ich werde Dir helfen, mein Bruder.“

Daranju griff unter seinen Umhang und zog einen schweren, samtenen Beutel hervor. Er griff hinein, holte einen faustgroßen Rubin heraus und reichte ihr den Stein mit feierlicher Miene. „Hier, Schwesterchen, gelobe mir, dass Du diesen Stein für mich bewahren wirst. Nutze seine Kraft, nutze seine Magie. Doch behüte ihn, als ob es ein Teil von mir selbst wäre. Hüte ihn, bis eines Tages der Erwählte kommen wird, um Dich von Deinem Versprechen zu entbinden. Einzig ihm darfst Du die Macht, die in dem Rubin innewohnt überlassen. Mag dieser Splitter auch nur ein Teil des Ganzen sein, reicht auch nur ein der Finsternis anheim gefallenes Stück, um alles ins Unglück zu stürzen. Ich weiß, es ist viel, was ich von Dir verlange, aber bist Du bereit, diese Last auf Dich zu nehmen?“

Dayari blickte gebannt auf den Rubin in ihren Händen. Sie spürte, wie Magie ihn durchströmte, spürte ein Pulsieren, gleich einem Herzschlag. Sie ließ sich fallen, verband ihren Geist mit dem Stein. Sie fühlte, dass sie nicht allein war. Dies war nicht der einzige Splitter. Sie spürte das schwache Nachhallen der anderen, als ob der Rubin nach seinen Brüdern rufen würde, um mit ihnen wieder ein Ganzes zu bilden. „Ich bin bereit, Daranju. Ich werde mit Dir zusammen…“ Sie verstummte, als er ihr den Finger sachte auf die Lippen legte.

„Ich werde nicht mehr hier sein, Schwesterchen. Du wirst die Last alleine tragen müssen.“

„Nein!“ Dayari griff verzweifelt nach seinem Arm. „Bitte, verlass mich nicht! Daranju, bleib bei mir!“ Tränen strömten über ihr Gesicht, Trauer schnürte ihre Kehle zu. Es durfte nicht sein. Wie konnten die Götter so grausam sein und ihr den geliebten Bruder zurückbringen, nur um ihn ihr dann wieder zu entreißen?

Daranju lächelte sie schwach an. „Bei Illari, wie gerne würde ich an Deiner Seite bleiben… doch es ist mir nicht mehr vergönnt, kleine Schwester. Nur um die Splitter zu schützen, ließ man mich noch einmal gehen.“ Dayaris Augen weiteten sich bestürzt. Der Umhang ihres Bruders hatte sich geöffnet und gab den Blick auf seine Brust frei. Sie sah die klaffende Wunde über seinem Herzen, sah die unnatürliche Blässe seines Gesichtes. Ein waidwundes Wimmern entrang sich ihrer Kehle, als sie die Hand ihres Bruders losließ, um seinen Geist an jenen Ort zurückkehren zu lassen, an dem er seine letzte Ruhe finden sollte. „Bis wir uns eines Tages wieder sehen, mein geliebter Daranju“ wisperte sie, als sich sein Abbild allmählich auflöste.

Nun war sie endgültig alleine. Bedrückt und voller Trauer sank Dayari auf ihr Lager, kauerte sich in die Ecke des Bettes und umschloss den Rubin fest mit den Händen. Es war sein Pulsieren, sein Kontakt zu ihrem Geist, der sie davor bewahrte, sich gänzlich ihrer Trauer hinzugeben. Er war ihr Schicksal. Doch wie sollte sie ihn vor der Welt beschützen, wenn sie nicht einmal wusste, wie sie sich selbst wirksam vor der Gewalt ihrer Verfolger schützen konnte? Weinend fiel sie schließlich, den Rubin die ganze Zeit fest umklammert, in einen unruhigen Schlaf, von wirren Träumen heimgesucht. Im Morgengrauen schlug sie die Augen auf. „Ich habe die Botschaft verstanden, Illari“, wisperte sie und blickte auf den Rubin in ihren Händen. “Coeru“.

XLV

Eben noch hatten sie bestürzt das Geschehen in Dayaris Höhle verfolgt, als der Zauber sie erneut mit sich riss, sie in einem Lichterwirbel davontrug und mit einem grellen Blitz endete. Verwirrt, zweifelnd und verstört blickten sie sich um und sahen, wie Drago, Kion und Rubion auf sie zuliefen. Sie waren wieder in ihrer Zeit angelangt.

„Wo seid ihr gewesen? Die Götter wissen, welchen Schreck ihr uns eingejagt habt“, schimpfte Kion los. Erst streitet ihr und dann werdet ihr in den Reif reingesogen.“ Manju schüttelte blass den Kopf und stürmte davon in den Wald. Verwirrt wandte sich Kion an den Grünling.

„Reingesogen?“ Yashi wollte es genauer wissen. Noch immer stürmten die Eindrücke, die Dayari ihnen gezeigt hatte, ungemindert auf ihn ein, gaben Antworten und warfen doch auch noch so viele neue Fragen auf. Doch er musste wissen, wie es ihr möglich gewesen war, sie mit in ihre Vergangenheit zu ziehen. Bisher wusste der Grünling von keinem Magier, dem so etwas je gelungen war.

„Ja, reingesogen“, erwiderte Kion stirnrunzelnd Yashis Frage. „Es sah beinahe so aus, als ob ihr euch auflösen würdet. Ich sah nur noch silberweißes, grünes, goldenes und rotes Licht, welches in den Reif hinein gesogen wurde.“

Während Yashi mit den beiden Hörnchen weitersprach und sie mit Fragen löcherte, kümmerten sich Felix und Tapani um die bewusstlose Dayari. Der Ba’nei bettete sie sanft und unter den wachsamen Augen Dragos in eine bequeme Lage ins weiche Moos. Der große Drachenbär legte sich neben seine Freundin und wachte über sie.

Tapani blieb stehen, drückte Felix an sich. „Ich…“

Felix nickte und kuschelte sich enger an seinen Geliebten. „Es geht mir genau so, Tapani. Auch wenn sie mir alles bereits offenbart hatte, so war es schrecklicher, selbst mitanzusehen, als nur davon zu hören. Nur eines weiß ich jetzt mit noch größerer Gewissheit, als ohnehin schon. Zadok darf nicht gewinnen!“ Der Ba’nei blickte auf und sah, dass Yashi ihn zu sich winkte. Sanft löste er sich von seinem Liebsten und kehrte zu Yashi zurück, um sich an seiner Stelle um die immer noch leicht verstörten Suchhörnchen zu kümmern, während sich der Grünling zu Felix gesellte, um sich ein Bild von Dayaris Zustand zu machen. Tapani sorgte sich. Er wusste, dass jeder Magier auch zu viel Magie freisetzen konnte und unter Umständen dann wochenlang schlief, doch die Zeit lief ihnen davon, denn die Bedrohung durch Zadok wuchs mit jedem Tag, der verging.

Dayari lag ohnmächtig an Dragos Seite. Den anderen ihre Vergangenheit zu zeigen hatte ihr sehr viel Kraft abverlangt, obwohl sie den Reif als Verstärker ihrer Kräfte genutzt hatte. Yashi hob seine Hände über sie und schickte seine Magie aus. Zufrieden wandte er sich an Felix. „Sie wird sicherlich noch mehrere Stunden tief schlafen, aber die Reise sollte ihr keine ernsthaften Schäden zugefügt haben. Eigentlich erstaunlich. Sie hat sich Kräften bedient, vor deren Anwendung so mancher große Magier zurückgeschreckt wäre. Wir müssen uns, so schmerzhaft dies auch ist, mit den unerfreulichen Geschehnissen aus Dayaris Leben auseinandersetzen, um Antworten zu erhalten.“

Sie wandten sich ab und ließen sich etwas entfernt im Gras der Lichtung nieder, um den Schlaf der Erschöpften nicht weiter zu stören. Yashi runzelte die Stirn und wandte sich erneut an Felix. „Felix, ich weiß, dass Du das sicher nicht gerne hören willst. Aber es muss sein. Kannst Du mir sagen, warum Tapani ebenfalls alles miterlebt hat?“

Felix blickte den Grünling fragend an. „Warum hätte sie ihn nicht mit uns anderen zusammen in ihre Vergangenheit ziehen sollen?“

„Weil uns Dayari durch unsere Magie mit sich gerissen hat. Erinnerst Du Dich, was Kion uns erzählt hat? Er hat gesehen, wie wir als ‚Lichter’ in den Farben unserer Magie in den Reif gezogen wurden. Doch Tapani ist ein Ba’nei. Seine Rasse verfügt über keinerlei magische Kräfte.“

Felix brauste auf. Er spürte, wie in Yashi wieder das alte Misstrauen gegen Tapani aufflackerte, doch er wollte davon nichts hören. „Es reicht, Yashi. Tapani steht loyal zu uns und ist kein Verräter. Alleine die Götter mögen wissen, warum er ebenfalls anwesend war. Viel wichtiger erscheint mir jetzt, dass wir zusammen als Gruppe weiterziehen können, um gegen Zadok zu siegen und uns nicht weiter gegenseitig bekämpfen.“ Mit den Worten ließ Felix den Grünling stehen und stapfte wütend davon.

Er wollte nichts mehr davon hören. Vielmehr beschäftigte ihn die Frage, wie er seiner Rolle in diesem Spiel gerecht werden konnte. Wie sollte es ihm je möglich sein, die Macht des Reifes derart zu entfesseln, wie es Dayari gelungen war. Sie hatte ihn bei ihrer ersten Begegnung ‚Son coeru’ - ‚Sohn des Herzens’ genannt. Obwohl er damals mit ihrem Geist verschmolzen war, wurde ihm erst jetzt bewusst, wie wahr ihre Worte waren und welche Opfer sie auf sich genommen hatte, um auf ihn zu warten… auf ihr Schicksal.


Manju blieb stehen und ließ sich auf einen moosbewachsenen Stein sinken. Nein, weiter in den Wald rennen würde das Grauen, welches er gesehen hatte, nicht mindern. Völlig erschüttert ließ er noch einmal jede Szene, jeden einzelnen Augenblick vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Zum zweiten Mal in seinem Leben musste er die historischen Überlieferungen hinterfragen, welche die Rolle der Ja’Neisa, seiner Rasse, in der Geschichte Kalanja’neius dokumentierten. Er dachte zurück an seine erste Begegnung mit Konjaru. Ja, bereits damals hatte er all sein Wissen über die Begebenheiten des Drachenkrieges über Bord werfen, und sich eingestehen müssen, dass es den Ja’neisa meisterhaft geglückt war, nach Außen weiterhin ihr Bild von den vollkommenen Elben aufrecht zu erhalten… doch dazu hatten sie kein Recht. Noch immer sträubte sich jede Faser seines Körpers dagegen, jemanden mit derart gemischtem Blut, jemanden wie Dayari zu akzeptieren. Doch der brennende Hass war gewichen und hatte einem Gefühl der Scham Platz gemacht. Noch lange blieb er so sitzen. Erst als der Mond hoch am Himmel stand, gesellte er sich wieder zu seinen Gefährten.


Am nächsten Tag setzten sie ihre Reise fort. Dayari, die noch immer sehr schwach war, ritt meist auf Dragos Rücken. Als Felix und die anderen ihr angeboten hatten, noch einen Tag zu warten, wollte sie nichts davon wissen. Sie bestand darauf, dass die Reise fortgesetzt wurde. So hoppelten die Hörnchen wieder neben ihnen her und mussten ihr Gepäck selber tragen. Rubion seufzte, schulterte seine Sachen und dachte mit großem Bedauern an die beiden Lastponys. Zu gerne hätte er seinen Beutel mit auf ihren Rücken gepackt, doch unter Tapanis wachsamen Blicken verwarf er diese Idee wieder, obwohl der Weg allmählich steiler und anstrengender wurde.

Felix blickte lächelnd zu Dayari und wandte sich dann wieder aufmerksam auf den vor ihnen liegenden Weg. Die Lage zwischen Manju und ihr hatte sich merklich entspannt. Zwar wich ihr der Elb aus, doch wenigstens vor seinen Sticheleien und offenen Beleidigungen war sie nun sicher.

Yashi schwebte neben Felix. „Junge, ich weiß, dass Du nicht über die Geschehnisse vor unserer Abreise aus Akshareen reden willst oder kannst. Aber solltest Du, aus welchen Gründen auch immer, wissen, wie es um das Leben Konjarus steht, dann sag es bitte Manju. Ich weiß, sein Benehmen und auch das meinige war nicht das Beste, aber wenn er sich zu sehr selbst zerfleischt und die Schuld der gesamten Ja’Neisa-Rasse auf seine Schultern nimmt, kann er nicht mehr klar denken. Und ohne seinen Verstand ist auch seine Magie im Notfall für uns verloren.“

Felix nickte und ließ sich zu Manju zurückfallen. Er musste einen Weg finden, Manju sein Wissen mitzuteilen, ohne seinen Eid zu brechen. Er sah das blasse Gesicht des Elben und wie sein Blick immer wieder an Dayari hängen blieb. Ein bitterer Zug lag um Manjus Mund. Ja, Dayari war wahrlich ein lebendes Mahnmal für die Verbrechen, die vor und nach dem großen Krieg begangen worden waren. „Manju“, setzte Felix zum Sprechen an.

„Bitte lass mich, Felix. Ich muss nachdenken“, fiel ihm der Elb ins Wort.

Felix legte ihm die Hand leicht auf den Unterarm. „Ich lasse Dich gleich wieder alleine. Doch eines wollte ich Dir sagen, Manju. Welche Gedanken Dir auch immer durch den Kopf jagen und Sorgen bereiten. Sie brauchen sich nicht mehr um Konjaru zu drehen.“

Manju blieb steif stehen und packte Felix mit festem Griff am Handgelenk. „Junge, wenn dies ein schlechter Scherz sein soll…“

Felix löste sich sachte aus Manjus Griff und lächelte dem Elben aufmunternd zu. „Dies ist es nicht, Manju. Du kannst mir glauben. Doch nun lass ich Dich wieder alleine. Mehr darf und kann ich Dir nicht sagen.“ Mit diesen Worten schritt er eilig wieder an die Spitze ihrer kleinen Gruppe und ließ einen Elben zurück, dessen Herz vor Erleichterung und Freude über die wenigen Worte Felix’ überquoll.


„Verfluchte Illari!“ Zadok tobte und durchschritt zornig seine Gemächer. Es hatte ihn wie einen Schwerthieb getroffen, als er die Macht des erwachenden Herzens erneut gespürt hatte. Doch noch einmal durften die Götter nicht gewinnen. Bayuna richtete sich mit stark schmerzenden Gliedern auf und zog die Decke über ihren nackten Körper. Stumm ertrug sie Zadoks Wutausbruch und hoffte, noch lebend wieder hier herauszukommen. Sie wusste, dass auch ihr momentaner Status als seine Geliebte und Führerin seiner Streitkräfte sie nicht vor seinem Zorn feite. So blickte sie ihn nur fragend an, als er sich mit vor Zorn lodernden Augen zu ihr umdrehte. Bestürzt sah sie, dass sich sein Zorn mit Begierde mischte, als er sich über sie beugte und ihren Körper mit dem seinen bedeckte. Sie wusste, dass er in dieser Stimmung grob und alles andere als zärtlich mit ihrem Körper umgehen würde. Doch Bayuna sah dies nur als kleines Opfer für ihren Weg zur Macht.


Sie näherten sich unaufhaltsam den Drachenbergen. In der Ferne waren zwischen den Baumwipfeln hindurch die ersten massiven Felsen und Berge zu sehen. Manjus Herz schlug schneller. Bald, ja, sehr bald würde er wieder mit seinem Liebsten vereint sein. Ein lautes Grollen riss ihn aus seinen Gedanken. Drago, der sonst meist friedliche Drachenbär hatte sich vor die Spitze der kleinen Gruppe gestellt und brüllte zornig. Dayari eilte an seine Seite, legte ihre Hand auf seinen Kopf und wandte sich dann mit zorniger Miene an ihre Gefährten. „Vor uns waren Fremde. Drago wittert noch ihre Spuren und etwas anderes, das er nicht einordnen kann. Wir sollten nachsehen. Es ist mehr als ungewöhnlich, so weit im Waldesinneren noch Spuren zu finden.“

Felix blickte seine Freunde kurz an und nickte dann. Stumm griff Manju nach seinem Bogen und zog einen Pfeil aus seinem Köcher, während Tapani nach seinem Dolch griff. Doch ihre Vorsicht war unnötig, die Lichtung lag verlassen vor ihnen. Ein erloschenes Feuer, dessen Asche noch warm war, achtlos liegen gelassene Essensreste, ein Hirschkadaver und ein großes Bündel aus Decken zeugten davon, wie eilig die Fremden aufgebrochen waren. Etwas musste sie aufgeschreckt und veranlasst haben, schnellstmöglich das Weite zu suchen. Ob das gewaltige Brüllen des Bären sie verjagt hatte? Selbst Manju musste zugeben, dass das Brüllen eines ausgewachsenen Drachenbären einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Auf einmal hielt er inne und sog prüfend die Luft ein. Ein schwacher Hauch nur, doch es reichte, um seine Instinkte zu wecken. „Dayari“, wandte er sich das erste Mal direkt an die ‚Hexe’, „spürst Du ihre Anwesenheit auch?“ Dayari umfasste ihren Rubin und schickte ihren Geist aus. Sie nickte. „Es waren Seltlinge und Dunkelelben hier.“ Misstrauisch blickte sie sich um. „Etwas hat sie erschreckt und davon gejagt. Doch ich habe das Gefühl, dass sie zurückkommen könnten. Lasst uns sehen, was sie uns zurückgelassen haben.“

Dayari, Manju, Yashi, Felix und Tapani durchforsteten das Lager und den umliegenden Wald nach weiteren Spuren, während sich die Suchhörnchen auf der Suche nach frischem Proviant davongetrollt hatten und Drago den erlegten Hirsch an den Rand der Lichtung geschleppt hatte, und sich nun genüsslich den Bauch vollschlug.

„Seht! So etwas habe ich ja noch nie gesehen.“ Dayari rief aufgeregt nach den anderen und deutete auf das große Deckenbündel, welches sie soeben vorsichtig geöffnet hatte. Ihre Gefährten kamen eilig angerannt und blickten gebannt auf die Decken. Ein großes, silberblau gesprenkeltes Ei lag zu ihren Füßen, warm und sicher in die Decken eingewickelt. Doch was… Yashis laute Flüche ließen sie herumfahren. Der Grünling hatte erkannt, worum es sich hier handelte. Obwohl er nur die Abbildungen von Wandmosaiken und aus Büchern kannte, war er sich sicher, dass hier ein Drachenei vor ihnen lag, in dem ein kleiner Drache auf den Zeitpunkt wartete, an dem er schlüpfen würde. Als er seinen Verdacht mitteilte, runzelte Manju die Stirn. „Aber Yashi, wie sollten sie an ein Drachenei gekommen sein? Dazu hätten sie die Grenzen überschreiten müssen und Du weißt doch selbst am Besten, dass diese durch machtvolle Magie geschützt sind.“

„Ich weiss, Manju. Doch es kann sich nur um ein Drachenei handeln. Vielmehr Sorgen macht mir, dass keine Drachenmutter ihr Ei im Stich lassen würde. Sie legen ihre Eier immer in Abgeschiedenheit. Entweder im eigenen Hort oder an einer abgelegenen Stelle im Gebirge. Erst wenn ihr Junges geschlüpft ist und einen Mond alt ist, kehren sie wieder zu den anderen zurück. Sie müssen das Ei aus einem Hort gestohlen haben oder die Mutter ist bereits tot… wer weiß, ob diese Bastarde sie nicht erlegt haben.“ Yashis Stimme bebte vor Zorn. Durch die Jahrhunderte, in denen er im Drachenreich gelebt hatte, fühlte er sich mit diesen edlen Echsen tief verbunden und der Gedanke an einen feigen Mord an einer von ihnen erzürnte ihn über alle Maßen. „Die magische Grenze ist für Drachen nicht bindend, Manju. Es kann gut sein, dass die Mutter zum ersten Mal ein Ei gelegt hat. Vielleicht wurde sie davon überrascht und hat sich außerhalb des Reiches einen geschützten Platz gesucht, um ihr Ei zu legen. Kommt, lasst es uns wieder warm einpacken und mitnehmen. Rubinkralle wird wissen, was damit geschehen soll.“ Vorsichtig taten sie, was Yashi ihnen aufgetragen hatte, und beluden eines der Packpferde mit der kostbaren Fracht. Ohne Worte hatten sie beschlossen, dass sie nicht an diesem Ort lagern würden. Sie zogen los und ließen den noch fressenden Drago zurück. Er würde die Hörnchen, welche noch auf Futtersuche waren, wieder sicher zu ihnen bringen.

Gegen Abend fanden sie eine kleine, mit dichtem Gras bewachsene Lichtung zwischen den allmählich weniger dicht wachsenden Bäumen. Das Lagerfeuer brannte bereits, als die Suchhörnchen und Drago wieder zu ihnen stießen. Yashi jauchzte, als die beiden vor ihnen frische Kräuter, Zu’paki Wurzelknollen, Elbenkraut und viele frische Beeren ausbreiteten. Bald schon zogen leckere Essensdüfte durch die Luft und dieses Mal waren es nicht nur Rubion und Manju, die Kion mit seinem Kochlöffel in die Flucht schlagen musste, um seine Ruhe am Feuer zu haben. Doch als sie später alle mit vollem Magen rund um das Lagerfeuer lagen und satt und zufrieden blickten, war das Suchhörnchen glücklich. Auch wenn er gerne in der Küche rumgrummelte, so liebte er es, wenn seinen Freunden sein Mahl mundete. Allmählich stieg der Mond höher und sie knobelten aus, wer die erste Nachtschicht übernehmen musste. Während Tapani sich am Lagerrand aufstellte, wickelten sich die anderen in ihre Decken und schliefen ein.

Rubion, der von Manju murrend geweckt worden war, blickte grummelnd hin und her. Er hasste es, wenn es ihn erwischte, und er mitten aus dem Schlaf gerissen wurde, um seine Schicht anzutreten. Außerdem knurrte sein Magen. Immerhin hatte er seit dem Abendessen nichts mehr zu sich genommen und so eine Nachtschicht, auch wenn der Morgen schon allmählich nahte, war anstrengend. Leise schlich er sich zum Feuer und blickte in den kleinen kupfernen Kessel, der daneben lag. Doch dieser war leer. Schade, vom Abendessen war nichts übrig geblieben. Suchend blickte er sich nach den Satteltaschen der Packpferde um. Doch das Glück war ihm alles andere als hold. Ausgerechnet Drago hatte sich vor ihnen niedergelassen und auch wenn der Bär ihm nur das eine Mal ans Fell gegangen war, als er zusammen mit Kion dessen Vorräte gestohlen hatte, so wollte Rubion sein Glück doch nicht unnötig herausfordern. Missmutig blickte das Suchhörnchen sich um. Er wollte jetzt etwas essen und nicht erst noch lange nach seinem Futter suchen und buddeln müssen. Sein Blick fiel auf das in dicke Decken gehüllte Ei. Er hatte die mahnende Stimme Yashis noch im Ohr, der ihm und Kion am Vorabend noch erklärt hatte, dass dieses Ei nicht gegessen, sondern den Drachen überbracht werden sollte, doch weshalb genau, das wusste er nicht. Rubions Magen knurrte erneut. In dem Augenblick beschloss Rubion, dass nicht die Drachen dieses wunderbare große Ei verputzen würden sondern er selbst.

Sachte wickelte er das Ei aus den Decken und schleppte es ächzend zum Feuer. Das Ei reichte ihm bis auf Bauchhöhe und war schwerer, als er zuerst gedacht hatte. Er hievte es über die um die Feuerstelle angelegten Steine und legte das Ei in die schwelende Glut. So würde es auch bald durch sein. Er hatte keine Bratpfanne, doch zur Not musste es eben auch ohne gehen.

Während Rubion nun vor dem Feuer saß und darauf wartete, dass das Ei durch war, fing dieses plötzlich an, zu hüpfen! Immer wilder ruckelte es hin und er. Rubion wich erschrocken zurück, stolperte dabei über Manju und weckte damit seine Gefährten auf. Der Blick des Elben fiel auf die Feuerstelle und er sprang schreiend auf. Während er auf den verschüchterten Rubion einschrie und Kion sich noch verschlafen die Augen rieb, versuchten Tapani und Felix, das heisse Ei aus dem Feuer zu rollen, ohne sich dabei die Hände zu verbrennen. Dayari nahm Rubion in Schutz. „Wir hätten ihm eben sagen sollen, warum er die Pfoten davon lassen muss, Manju. Er kann nun mal nicht aus seinem Fell. Er konnte nicht wissen, dass dies nicht einfach ein überdimensioniertes Frühstücksei ist. Und Du“, sie wandte sich mit strengem Blick an Rubion. „Du solltest Deinen Appetit ein kleines bisschen besser beherrschen.“

„Achtung!“, schrie Tapani in diesem Augenblick und sie sprangen zur Seite, als das Ei aus dem Feuer hüpfte, über den Boden rollte und genau vor Rubions Pfoten liegen blieb. Gebannt starrten alle auf das Ei, als erste kleine Risse in der Schale sichtbar wurden. Sie bildeten einen kleinen Kreis rund um das Ei und Rubion. Es knackte immer lauter, während sich die Risse vergrößerten und die Schale schließlich sprang. Ein schuppiger Schwanz wurde sichtbar, entrollte sich und gab den Blick auf einen kleinen, grünblauen Drachen mit silbernem Rückenkamm frei. Gerührt traten sie einen Schritt näher und bewunderten die kleine Echse. „Wie süß“, murmelte Dayari und hätte das Drachenbaby am liebsten fest in die Arme geschlossen. Es sah aber auch zu niedlich aus, wie es zwischen den Schalenresten lag und sich allmählich streckte und reckte, bevor es seine Augen öffnete und sie aus großen, saphirblauen Augen anstarrte. Unsicher blickte es sie an und stand mit wackeligen Beinen auf. Nach einigen Schrittchen richtete es sich halb auf, grub seine Vorderkrallen fest in Rubions Bauchpelz und zog sich an ihm hoch. Das Suchhörnchen verzog das Gesicht. Die kleinen Krallen waren sehr scharf und das dicke Fell schützte nur ungenügend. Der Babydrachen drückte unterdes seine Schnauze in Rubions Fell, schnupperte, kuschelte sich fest hinein und ließ eine lange Reihe von hellen Glucks- und Pfeiflauten hören. Verzweifelt blickte Rubion in Yashis Richtung. „Yaaashi! Was will es von mir?“

Der Grünling, der völlig überrascht auf den kleinen Drachen starrte und Rubions Hilferuf erst gar nicht wahrgenommen hatte, erholte sich wieder, räusperte sich. Mit leicht zuckendem Mundwinkel wandte er sich an Rubion und meinte trocken: „So wie ich es gerade verstanden habe, hat dich das Drachenmädchen eben Mama genannt, oder auch Papa. Ich habe schon Jahrhunderte nicht mehr mit derart jungen Drachen gesprochen, so dass meine Kenntnisse der kleinkindlichen Lautsprache der Drachen leider ein wenig eingerostet sind. Von daher wären wohl Glückwünsche angebracht, ihr beiden.“ Er blickte von Rubion zu Kion. „Ach ja, und gebt der Kleinen keinen Namen. Sie wird sich selbst einen aussuchen, wenn die Zeit dafür da ist.“

Völlig entsetzt kreuzten sich Kions und Rubions Blicke über dem Drachenbaby, das sich weiter an Rubions Fell hochgezogen hatte und sich nun, gestützt durch die Pfote des Suchhörnchens, zufrieden an dessen Brust kuschelte. Entgeistert quiekten die beiden im Chor: „Mama oder Papa?!?“

Dayari gelang es gerade noch, Rubion und das Drachenbaby aufzufangen, doch Kion kippte vor Schreck ohnmächtig um.

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