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Summer in Paradise 3

Teil 5

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Max

Ein paar Minuten später sind wir wieder zurück an unserem Platz, wickeln uns in die Handtücher ein und essen Obst, das Carlos mitgebracht hat. Inzwischen sind ein paar mehr Leute am Weiher. Wir sind nicht mehr alleine. Ich platziere meine Hand so zwischen uns, dass er sie jederzeit nehmen kann, wenn er möchte. Aber vermutlich will er das nicht, in der Öffentlichkeit.

“Max?”

“Hm?”

“Hast du überhaupt … Interesse an mir?”

Ohne zu zögern, nicke ich:

“Ja, ich fühle mich sehr wohl, wenn wir zusammen sind. Und du bist ziemlich heiß.”

“Und du bist out, oder? Das heißt, ich könnte auch in der Öffentlichkeit deine Hand halten, wenn ich das will?”

“Ja. Ich richte mich da 100 % nach dir.”

“Erzählst du mir, wie es bei dir damals war? Dein Outing und … das alles?”

Ich schaue in den Himmel und fange an zu erzählen. Lange und ausführlich. Er hört aufmerksam zu. Danach weiß er so ziemlich alle wichtigen Details über mein Liebesleben vor, mit und nach David. Er weiß, wie meine Eltern reagiert haben, dass ich zum Großteil meiner Familie keinen Kontakt mehr habe, dass ich es trotzdem nicht bereue. Er legt sich in meinen Arm, wir betrachten gemeinsam die Wolken.

“Mir macht das alles ziemliche Angst, Max …”

“Was genau?”

“Nicht mehr nur zu träumen, sondern zu handeln. Und irgendwann auch nicht mehr drum rum zu kommen, meiner Familie die Wahrheit zu sagen. Und die Vorstellung, mich auf jemanden einzulassen. Mich so abhängig von jemandem zu machen.”

“Ich kann dir versprechen, dass ich dich zu nichts drängen werde. Auch wenn ich dich jetzt wirklich gerne küssen würde.”

Er dreht sich zu mir. Was wird er tun? Ich kann es bis zur letzten Sekunde nicht sicher sagen. Er küsst mich nicht. Aber er zieht mich in eine Umarmung. Eine lange Umarmung. Danach lächelt er mich glücklich an. Das war besser als ein Kuss. Mein Bauch kribbelt und meine Wangen sind verspannt vom Grinsen.

Kurz vor Ende der Besuchszeit kommen wir wieder am Krankenhaus an. Wir sagen meiner Mutter noch kurz gute Nacht, dann stehen wir vor meinem Auto.

“Danke für diesen Tag, Carlos …”

“Ich fand es schön zu sehen, wie du abschalten konntest.”

“Ja, ich hab wirklich kaum ans Krankenhaus und gar nicht an die Arbeit gedacht.”

“Wir sehen uns morgen Abend bei deiner Mutter wieder, oder?”

“Eigentlich … muss ich die restliche Woche ziemlich lange arbeiten. Ich wollte am Morgen vorbeischauen …”

“Da kann ich mir nicht freinehmen …”

“Ich weiß, das tut mir Leid. Donnerstag könnte ich vielleicht gegen halb sieben Schluss machen. Möchtest du mit mir essen gehen?”

“Wie ein Date?”

“Wie du möchtest. Es muss von außen nicht romantisch aussehen …”

“Willst du zu mir kommen? Meine Wohnung ist nicht groß, aber ich könnte uns was kochen.”

“Klingt sehr gut”, finde ich.

“Okay, ich schicke dir die Adresse.”

“Okay …”

“Ich wünsche dir noch einen schönen Abend, Max.”

“Ich dir auch, Carlos …”

Er gibt mir eine kurze Umarmung, dann geht er zu seinem Auto. Na das kann ja noch interessant werden …

Jordan

Es hilft nichts, ich habe es jetzt lange genug vor mir hergeschoben. Ich schreibe Xander / Sina und bitte um ein Treffen. Es dauert zwei Tage, bis eine Antwort kommt:

“Na gut, aber bitte nutze nicht meinen Deadname. Und keine Diskussionen über meine Transformation, okay?”

“Okay.”

Sina betritt das Restaurant und es ist nicht so, dass ich sie nicht erkenne. Ich weiß sofort, dass sie es ist. Aber ihr Aussehen erschreckt mich. Nicht nur, weil sie komplett weiblich aussieht. Sondern, weil sie dünn ist. Definitiv viel zu dünn. Sie geht sehr langsam. Vielleicht will sie anmutig erscheinen. Vielleicht kann sie auch einfach nicht mehr schneller gehen.

Als sie bei meinem Tisch steht, sagt sie in einer sehr weiblichen, leisen Stimme:

“Hey Jordan.”

Ich stehe auf und küsse sie auf die Wange. Sie riecht genau wie früher.

“Hallo Sina.”

Ich ziehe ihren Stuhl heraus und sie setzt sich, ich nehme ihr gegenüber auf der Bank Platz.

“Gut siehst du aus”, findet sie.

“Danke. Du … bist dünn, Sina.”

“Ich bin deshalb in Behandlung. Wird schon.”

“Das finde ich gut. Wie geht’s dir? Wie geht’s Gaby und dem Kleinen?”

“Bailey hat inzwischen einen kleinen Bruder.”

“Wirklich, er ist noch nicht ganz zwei, oder?”

“Stimmt, aber uns war klar, jetzt oder nie. Nach meiner OP hätte es nicht mehr funktioniert.”

“Du bist also schon operiert? Entschuldige, darf ich das fragen?”

“Nicht Viele dürften mich das fragen. Aber du darfst”, lächelt sie. “Nach der Hormonbehandlung habe ich schon drei OPs gehabt. Eine kosmetische an Kinn und Hals, eine Brustvergrößerung und die erste von zweien auf dem Weg zu meiner Vagina.”

“Wow, da musstest du einiges aushalten.”

“Es hat sich gelohnt. Ich hab mich noch nie so wohl in meinem Körper gefühlt wie jetzt.”

“Das freut mich, ehrlich. Ich hoffe, dass du jetzt gesund und glücklich bleiben kannst.”

Sie greift nach meiner Hand:

“Wie geht es dir, Jordan? Es tut mir so Leid, was du erleben musstest. Es tut mir Leid, dass du Dylan verloren hast.”

Ich weiß selbst nicht, woher es so plötzlich kommt, aber meine Augen füllen sich mit Tränen.

“Oh Jordan …”

Sie setzt sich neben mich und nimmt mich in den Arm.

“Tut mir Leid. Das passiert manchmal einfach …”

“Natürlich, es ist ja noch nicht lange her. Du trauerst noch.”

“Wir waren schon vor Dylans Tod seit einem Jahr nicht mehr zusammen. Ich hatte mit unserer Beziehung abgeschlossen. Aber nicht damit, ihn nie wieder zu sehen und die Kinder komplett ohne ihn großziehen zu müssen. Und dich - dein altes ich - den Mann, den ich geliebt habe, werde ich auch nie mehr wieder sehen. Tut mir Leid, ich will dir kein schlechtes Gewissen machen, ich fühle mich nur, als ob …”

“Als ob Xander auch gestorben wäre?”, fragt sie.

Ich nicke.

“Das ist er auch, Jordan. So empfindest das nicht nur du. Auch meine Eltern haben einen Sohn verloren. Aber ihr bekommt mich stattdessen. Und im Kern bin ich auch immer noch ich. Wir haben immer noch so viele gemeinsame Erinnerungen, die wir teilen. Und eine wahnsinnig komplizierte Beziehungsgeschichte. Und wir können immer noch dran arbeiten, Freunde zu werden.”

“Das wäre schön. Danke übrigens, dass du mich zu Vince geschickt hast. Es ging ihm wirklich sehr schlecht…”

“Das letzte halbe Jahr zwischen ihm und Rio war wirklich ein einziges Chaos.”

“Rio ist also …”

“Mario ist sein Name, aber er mag die Abkürzung. So wurde er als Kind schon genannt.”

“Wie geht es ihm?”

“Ganz gut. Er arbeitet seit einer Weile für Andy. Ich glaube, er ist sehr zufrieden mit allem, wie es gerade ist.”

“Was machen die O-Scars?”

“Wir haben ein neues Management. Die Auftritte häufen sich nicht mehr so. Aber das schadet nicht, so kann ich mehr Zeit mit den Kindern verbringen.”

“Wie ist die Elternschaft für dich so?”

“Ich liebe es. Und ich profitiere sehr davon, dass ich bei dir und Gwen so viel gelernt habe. Ich denke oft an sie. Ich kann nicht fassen, dass sie inzwischen neun ist.”

Ich zeige ihr ein paar Fotos von Gwen, Marie, Josh und den Zwillingen. Dabei scrolle ich auch über ein Selfie von David und mir.

“Moment, mach mal zurück. War das David?”

Ich gehe zurück auf das Foto, auf dem ich ihm einen Kuss auf die Wange drücke.

“Japp.”

“Das sieht aus als … als wärt ihr zusammen.”

“Natürlich, wusstest du das nicht? Schon beinahe ein Jahr.”

“Waaaas?”, macht sie erstaunt. “Warum wusste ich das nicht?!”

“Keine Ahnung. Vince wusste es im Wesentlichen vom ersten Tag an. Ich dachte, das hat sich rumgesprochen.”

“Nein, null. Ich meine, dass er weiter bei dir gewohnt hat und mitgeholfen hat, sich um die Kinder zu kümmern, während es dir schlecht ging, klar, das wusste ich. Aber nicht, dass ihr zusammen seid.”

“Moment, weißt du dann etwa auch nicht, dass wir in zwei Monaten zusammen in die Nähe von München ziehen?”

“Waaaaas?! Du ziehst auf einen anderen Kontinent?!”

“Wir bauen ein Haus zusammen und eröffnen eine Gaststätte.”

“Okay, wir haben uns definitiv viel zu lange nicht gesehen. Erzähl mir ALLES!”

Sina ist absolut begeistert vom Paradies-Konzept und der Idee, dort einen Veranstaltungssaal mit unterzubringen.

“Das ist genau das Richtige für dich!”

“Ja, ich glaube auch …”

“Aber David … hätte ich jetzt nicht in dein Beuteschema gesteckt. Er ist so …”

“Normal?”, grinse ich.

“Ja, das trifft es. Versteh mich nicht falsch. Ich find ihn super sympathisch. Und ich bin sicher, er ist toll mit den Kids. Aber fehlt dir nicht irgendwie … die Künstler-Seele?”

“Naja, die hatten Sean und Scott und Dylan auch nicht.”

“Stimmt. Eigentlich hattest du schon immer ein Faible für Spießer.”

“Gegensätze ziehen sich an”, grinse ich. “Aber nein, ernsthaft: David ist nicht nur gut mit den Kids und verlässlich und das alles. Er war jahrelang mein bester Freund und er kennt mich wirklich ziemlich gut. Plus: In der Kiste ist er fantastisch.”

“Das ist ja dann eine gute Basis für die Zukunft”, lacht Sina.

“Ja, ich heirate ihn besser, bevor es wer anders macht.”

“Heiraten, wirklich?”

“Ja, dringend. Ich will ihm den schönsten Tag seines Lebens bereiten. Scheiße, klingt das kitschig!”

“Wow.”

“Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich nochmal heiraten werde, dann hätte ich den für verrückt erklärt. Aber jetzt freu ich mich richtig. Ich könnte mir sogar vorstellen, noch ein Baby zu bekommen …”

“Babies sind auch das Beste, das es gibt”, lächelt Sina.

“Ich bin froh, dass wir uns getroffen haben”, sage ich, als die Nachspeise aufgegessen ist.

“Ja, es war schön, dich wiederzusehen. Auch wenn ich etwas Angst davor hatte.”

“Tut mir Leid, dass ich so ein Idiot war, als du mir erzählt hast, dass du trans bist.”

“Du hast die Kurve ja noch mal bekommen.”

“Ich glaube, ich hatte einfach Angst davor, ihn zu verlieren …”

“Du kannst Xander sagen, wenn du über ihn sprichst. Ich will nur nicht, dass du mich so ansprichst.”

“Okay. Mir hat die Vorstellung Angst gemacht, dass ich Xander nie wieder sehe.”

“Ich verstehe. Mir macht die Vorstellung auch Angst, dass du wegziehst und ich dich nie wieder sehe …”

“Dann darf das halt einfach nicht passieren. Ihr müsst uns besuchen kommen. Und ich werde auch ab und an in den Staaten sein …”

“Okay, versprochen. Wir verlieren uns nicht wieder so lange aus den Augen, wie in den letzten Jahren.”

Max

Die Adresse, zu der ich am Donnerstag Abend fahre, liegt am Ortsrand von Kleinding. Ein großes Mehrfamilienhaus mit zwölf Klingelschildern. Carlos Marino steht ganz oben. Seine Wohnung ist direkt unterm Dach. Er erwartet mich schon vor der Wohnungstür. Ich jogge also schnell zu ihm hoch. Er sieht verdammt gut aus, in einem engen Shirt und perfekt sitzenden Jeans.Seine lockigen Haare sind nicht wie sonst zu einem Pferdeschwanz zurückgekämmt, sondern offen und wuschlig.

“Hey”, sage ich.

“Hey”, sagt er und ich habe das Gefühl, außerhalb der Wohnung war das die innigste Begrüßung, zu der er sich durchringen konnte.

Ich übergebe ihm eine Flasche Rotwein.

“Danke. Komm rein …”

Kaum ist die Wohnungstüre zu, umarmt er mich.

“Tut mir Leid, dir kommt das sicher albern vor …”

“Nein, ich kann mich schon noch gut erinnern, wie es war, nicht out zu sein.”

“Ich bin froh, dass du da bist. Schau dich ruhig um, ich hab noch was in der Küche zu tun.”

Die Wohnung ist klein, recht leer, aber mit gemütlichem Licht und Teppichen wirkt es wohnlich. Eine große Pflanze nimmt ziemlich viel Raum ein. Trainingsgeräte liegen herum und ein Fahrrad hängt an der Wand. Die Couch ist gemütlich. Es gibt also nichts zu meckern.

“Willst du schon mal was trinken?”, fragt er aus der Küche.

“Ich würde ein Glas Wein nehmen.”

“Kommt sofort!”

Kurz darauf kommt er mit zwei Gläsern Rotwein ins Zimmer und setzt sich neben mich auf’s Sofa.

“Cheers.”

“Cheers.”

“Kann ich in der Küche noch was helfen?”

“Danke, aber ich bin gleich fertig.”

Er serviert rote Linsennudeln mit Gemüsesauce und Salat.

“Mega-lecker und total gesund!”, finde ich nach dem Essen.

“Freut mich, wenn es dir geschmeckt hat.”

Er räumt die Teller ab. Ich setze mich auf die Couch. Als er zurückkommt und das sieht, bleibt er im Türrahmen stehen.

“Alles klar?”

“Ja, ich … ich frage mich nur gerade, ob es eine gute Idee war, sich hier zu treffen.”

“Warum?”

“Vielleicht hat das bei dir falsche Erwartungen geweckt …”

Ich hab keine Ahnung, was er meint:

“Hä?”

“Du und ich, allein in der Wohnung, gedimmtes Licht, ein Schlafsofa …”

Ich kann nicht anders, als loszulachen:

“Carlos, ich hab mich nur gemütlich hingesetzt. Ich hab nicht erwartet, dass heute was läuft.”

“Echt nicht?”, fragt er und ich meine, ein klein wenig Enttäuschung in seinen Augen zu sehen.

“Nicht, dass ich es mir nicht wünschen würde”, füge ich hinzu. “Aber ich weiß, dass du noch Zeit brauchst. Und ich will das Ganze in deinem Tempo angehen.”

“Das war die perfekte Antwort”, lächelt er und setzt sich neben mich. “Wie war es heute Morgen bei deiner Mutter?”, fragt er und die nächste halbe Stunde vergeht damit, dass wir planen, wie wir ihre Pflege sicherstellen, wenn sie wieder im Paradies ist.

Dann fragt er mich nach meinem Vater, wie er so war und ob ich ihm ähnlich sehe. Denn Ähnlichkeit mit meiner Mutter kann er nicht feststellen.

“Ich seh keinem der beiden ähnlich. Ich wurde adoptiert.”

Natürlich will er daraufhin ganz genau wissen, wie ich davon erfahren habe und ob ich meine leiblichen Eltern kenne. Am Ende meiner Erzählungen fragt er:

“Du stammst also eigentlich aus einer Familie, die weder Geld noch Wurzeln hat. Das hätten wir dann wohl gemeinsam …”

“Ja, und die Frauen in meiner Familie fühlen sich wohl sehr zu Männern hingezogen, die es nicht so mit der Sesshaftigkeit haben. Der Freund meiner Mutter und beide Väter der Kinder meiner Schwester kommen aus einem Zigeunerclan. Die waren dann leider schnell wieder weg und sie sitzt jetzt mit drei Kindern irgendwo in Spanien. Hätte sie eigentlich wissen können, dass das nicht funktioniert.”

Sein Gesicht ist wie versteinert.

“Hab ich was falsches gesagt?”, frage ich schnell.

Er sieht wirklich gekränkt aus, aber ich habe keine Ahnung, warum.

“Carlos?”, frage ich panisch.

Er schüttelt den Kopf:

“Das hier wird nicht funktionieren. Du solltest jetzt gehen.”

“Aber warum? Was hab ich denn gesagt?”

“Max, geh bitte.”

Er steht auf und geht Richtung Wohnungstür. Ich bin so irritiert, dass ich reflexartig aufstehe und ihm nachgehe.

“Carlos, jetzt erklär doch wenigstens, was ich gemacht habe.”

“Ich möchte, dass du jetzt gehst.”

Sein Ton ist nicht mehr freundlich, sondern bestimmt. Ich gehe.

David

Der Seelendorfer Kindergarten macht das Angebot, dass ich mit den Kids einen Schnupper-Vormittag in ihrer zukünftigen Gruppe verbringen darf. Das Angebot nehme ich natürlich gern an. In den vier Stunden lernen wir den Tagesablauf in der Gruppe kennen, erfahren die Brotzeitregeln, spielen im Garten und die Kinder schließen erste Freundschaften. April ist sofort mit ein paar anderen Kindern in der Puppenecke zu Gange und braucht mich die meiste Zeit gar nicht. Jake taut wie immer erst nach einer Weile auf. Die Holzeisenbahn hilft ihm sehr dabei, mit anderen Kindern ins Spiel zu kommen. Beim Gehen um 12 möchten beide gar nicht mehr weg. Weil die meisten Kinder gerade ebenfalls abgeholt werden, komme ich mit ein paar anderen Eltern ins Gespräch. Als ich erwähne, dass wir ins Paradies ziehen werden, merke ich zwar eine gewisse Reserviertheit, aber die Neugier überwiegt. Und so hat April am nächsten Nachmittag ihr erstes Spieldate mit einem Mädchen aus der Gruppe. Und in eine Eltern-WhatsApp-Gruppe werde ich auch sofort eingeladen. Einen Nachmittag die Woche gehen alle, die Lust haben, zusammen ins Freibad. Ich nehme mir vor, mich mit den Kids da öfter mal anzuschließen, damit ihr Kindergartenstart im September möglichst gut gelingt und sie schon viele Freunde haben. Es geht gut voran mit der Bauplanung und dem Ankommen in Seelendorf. Der Einzige, der fehlt, ist Jordan. Wir vermissen ihn schrecklich.

Jordan

Der Verkauf des Grundstücks über einen Markler und der Wohnung an Janet und Tobey geht erstaunlich schnell über die Bühne. Meine Doktorarbeit verteidige ich recht erfolgreich, gehe danach mit Mum, Klaus und den Mädels Essen und verbringe den restlichen Abend mit Marie in ihrem Zimmer. Ich habe ihr ein paar Playlists für verschiedene Stimmungen kopiert, in die wir reinhören. In meiner “Depri- aber irgendwie hoffnungsvoll-Liste” entdeckt sie “The Origin of Love” von Hedwig and the Angry Inch und ist restlos begeistert.

“Wow, was für ein krass guter Song.”

“Das ist aus einem Musical. Und Musical-Songs wirst du nicht viele in meinen Listen finden. Also muss er gut sein.”

“Kennst du ‘Little Shop of Horrors?’, will sie wissen.

“Logo. Ich hab den Film gesehen und hab mal in einer Schulaufführung mitgemacht.”

“Echt? Wen hast du gespielt?”, fragt sie begeistert.

“Die Pflanze. Ich war also nur die Stimme aus dem Off.”

“Unsere Schule führt das nächste Woche auf. Ich spiele Seymour.”

Das ist die männliche Hauptrolle.

“Seymour, wirklich?”, frage ich erstaunt.

Marie rollt die Augen:

“Sei nicht so Gender-normativ, Dad! Warum sollten nur Cis-Jungs Seymour spielen können?”

“Klar, nein, das … und … Audrey?”

“Schau ich für dich wie eine Audrey aus?”, fragt sie und wuschelt durch ihren kurzen Iro. “Und überhaupt ist die Rolle schon besetzt. Meine Freundin spielt sie.”

“Deine Freundin im Sinne von ….”

“Meine Freundin im Sinne von wir knutschen den ganzen Tag und können nicht genug voneinander bekommen.”

“Oh, du hast also eine Freundin. Ich freu mich für dich. Wann lern ich sie kennen?”

Sie rollt wieder die Augen:

“Ich werde sie nicht allen meinen Eltern vorführen. Keine Chance.”

“Na schön, aber spätestens bei der Aufführung dann, oder?”

“Ja, das lässt sich wohl nicht vermeiden. Bis dahin müssen wir aber noch viel proben.”

“Willst du Hilfe dabei? Gesangstechnisch …”

“... gesangstechnisch hilft meine Musiklehrerin mir. Danke Dad, aber ich mach das lieber alleine.”

“Okay …”

“Bist du jetzt sauer?”

“Nein, ich hab mir nur schon oft gewünscht, mit einem meiner Kinder zu singen, so wie ich früher mit meiner Großmutter. Aber du lebst nicht um…”

“... deine Erwartungen zu erfüllen, ich weiß. Das sagst du mir oft genug. Aber trotzdem, wenn es dir wichtig ist, dann können wir schon zusammen singen. Nur nicht das Zeug aus dem Musical. Da will ich mich lieber selbst in die Rolle einfinden, okay?”

“Sicher. Wie es für dich am besten passt. Ist schon krass, in deinem Alter schon eine Hauptrolle … wie geht es dir mit dem Text? Sitzt der schon?”

“Die Texte übe ich mit Xenia.”

“Ist das …?”

“Meine Audrey, ja.”

“Cool.”

“Grins nicht so, Dad.”

“Meine Tochter hat ihre erste Freundin, da werd ich doch noch grinsen dürfen!”

“Siehst du, das ist der Grund, warum ich sie dir nicht vorstellen will”, rollt sie die Augen.

“Wieso hast du eigentlich nie erwähnt, dass du in einem Musical spielst?”

“Keine Ahnung. Ich war mir erst mal nicht sicher, ob ich es hinbekomme und wollte das erst mal für mich behalten.”

“Aber Mum weiß es, oder?”

“Ja, aber sie dachte bis vor ein paar Tagen, dass ich nur eine kleine Nebenrolle spiele …”

“Mit 13 eine Hauptrolle ist wirklich krass. Die hätten dir die Rolle nicht gegeben, wenn sie es dir nicht zutrauen würden.”

“Ja, das Casting war eigentlich erst ab 14. Aber sie fanden mich echt gut …”

“Wann war das?”

“Letzten Dezember. Seitdem proben wir. Ich wollte eigentlich ins Orchester, aber es hat sich dann so ergeben …”

“Das ist mit Live-Musik? Wer spielt da?

“Das Schulorchester und einige von den Musiklehrern …”

“Wann ist Premiere?”

“Nächsten Mittwoch. Wir haben insgesamt vier Vorstellungen.”

“Darf ich bitte zu allen vieren kommen?!”, frage ich begeistert.

“Nur wenn du nichts Peinliches machst. Mich anfeuern, pfeifen und überhaupt alles, das Aufmerksamkeit auf mich zieht.”

“Hey, du spielst die Hauptrolle! Du wirst der Star des Abends sein!”

“Oh Gott, worauf hab ich mich da bloß eingelassen?!”

Immerhin erlaubt sie mir, ihr ein paar Tipps gegen Lampenfieber zu geben, wenn ich schon nicht mit ihr singen darf. Ich kann es kaum erwarten bis Premierentag ist!

Max

Ich schlafe schlecht und fahre am nächsten Tag nicht nur morgens, sondern auch abends zu meiner Mutter, in der Hoffnung, Carlos dort zu treffen. Aber der war nur in seiner Mittagspause kurz da. Am Montag wird es für meine Mutter zwei Wochen auf Reha ins Alpenvorland gehen. Dort werde ich sie nicht besuchen können - und Carlos auch nicht. Im schlimmsten Fall sehen wir uns also jetzt über zwei Wochen nicht und können nicht klären, was schiefgelaufen ist. Der Gedanke macht mich ganz wütend. Ich will jetzt sofort wissen, was zum Teufel eigentlich los ist. Aber Carlos geht nicht ans Handy und reagiert nicht auf Nachrichten. Ein scheiß Gefühl, so machtlos zu sein. Eigentlich sollte ich den Kerl einfach vergessen. Aber das kann ich nicht. Das will ich nicht. Ich will ihn wiedersehen. Jetzt. Um kurz nach sieben Uhr abends klingele ich an seiner Tür. In der Gegensprechanlage höre ich seine Stimme:

“Ja?”

“Amazon-Paket”, sage ich spontan, weil ich Angst habe, dass er mich nicht reinlässt.

Tatsächlich surrt der Türöfffner. Ich jogge die Treppe hinauf, genau wie am Abend zuvor. Doch dieses Mal begrüßt Carlos mich nicht breit lächelnd. Im Gegenteil:

“Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?!”

“Es tut mir Leid, aber ich musste dich sprechen.”

“Ey, das ist Hausfriedensbruch!”

“Und was du mit mir machst, ist seelische Grausamkeit! Du musst mir sagen, was ich falsch gemacht habe. Sonst werde ich verrückt!”

“Ach Scheiße, Max …” , ruft er resigniert und wirft seine Hände in die Luft. “Dann komm halt rein.”

Ich knalle mich ohne zu fragen auf das Sofa:

“Erzähl”, fordere ich.

“Max, ich … es ist kompliziert. Meine Herkunft … ist kompliziert. Und was du gestern gesagt hast, über die Männer, auf die deine Schwester steht … Das hat mich getroffen. Weil ich mein ganzes Leben zwischen zwei Welten verbracht habe. Es gab immer die Welt, die mich abgelehnt hat, wegen meiner Familie. Und die Familie, die mich abgelehnt hat, weil ich zu weltoffen bin. …. Meine Familie gehört zu den Roma.”

Da wird es mir klar:

“Und ich Idiot hab nicht nur Zigeuner gesagt, sondern auch noch ein Klischee bedient, indem ich so getan hab, als wären alle Sinti und Roma gleich und von vornherein unzuverlässig. Dabei hat meine Schwester einfach nur einen schlechten Männergeschmack …”

“Scheinbar habt ihr einen ähnlichen Männergeschmack”, grinst er schief.

“Naja, abgesehen von der ethnischen Herkunft seh ich keine Gemeinsamkeiten. Ich weiß, dass man sich auf dich verlassen kann. So gut kenne ich dich inzwischen. Es tut mir Leid, dass ich dich beleidigt habe.”

Er setzt sich neben mich:

“Es tut mir Leid, dass ich gleich so krass reagiert habe. Ich musste schon viel Hass und Hetze deswegen einstecken. Mir wurde nichts geschenkt.”

“Du weißt, wie es ist, diskriminiert zu werden. Das erklärt auch, warum du so viele Sorgen davor hast, offen schwul zu leben.”

Er nickt:

“Ja, ich weiß, was da auf einen zukommen kann…”

“Carlos, ich versteh schon, warum du reagiert hast, wie du reagiert hast. Aber … du kannst das nicht nochmal machen. Dich einfach so vor mir zurückziehen. Das halte ich nicht aus.”

Er nimmt meine Hand:

“Es tut mir ehrlich Leid, Max. Ich hab dir ja gesagt, was Beziehungen betrifft, hab ich noch viel zu lernen.”

“Also haben wir eine Beziehung?”

“Wenn du das auch willst?”

“Ja, das will ich auch”, nicke ich.

“Willst du … also … wenn du willst, kannst du mich küssen …”

Da lasse ich mich nicht zweimal bitten. Der Kuss erinnert mich sehr an meinen ersten Kuss mit einem Jungen. Damals war ich genau so unsicher und zittrig wie Carlos gerade. Und damals habe ich genau so schnell gemerkt, wie schön es ist. Erst ist er zögerlich und dann plötzlich voller Selbstbewusstsein, wir finden unser gemeinsames Tempo und mein Gehirn schaltet sich ab. Ich gehe einfach vollkommen in diesem wunderbaren Kuss auf.

“Oh mein Gott, warum hab ich das nicht schon viel früher gemacht?”, flüstert Carlos irgendwann.

“Ich bin froh, dass ich der bin, der das miterleben darf”, flüstere ich zurück.

“Gott, Max, was machst du nur mit mir?”, fragt er und küsst mich weiter.

Weil meine Mutter auf Reha ist, habe ich viel Zeit, um nach Feierabend mit Carlos am Weiher zu liegen. Er will viel über meinen Job wissen und ich merke, dass er eigentlich gerne noch länger zur Schule gegangen wäre. Ich muss ihm zwar viele grundlegende Dinge aus der Physik und Chemie erklären, damit er versteht, was ich tue. Aber er begreift alles sehr schnell und saugt das Wissen auf wie ein Schwamm. Außerdem mag er es nicht, wenn ich Fragen über seine Familie stelle. Deshalb stellt er lieber mir Fragen. Aber eines Abends, auf unserer Insel, erzählt er plötzlich. Von seiner Kindheit in Italien, an die er sich kaum noch erinnern kann. Dann der Umzug zur Familie seiner Mutter nach Bulgarien.

“Man kann sich hier nicht vorstellen, wie die Menschen dort leben. Mit Häusern ohne Bodenplatten, wo die Tiere einfach so ein und ausgehen. Die Ziegen und Hunde genauso wie Mäuse und Ratten. Das Wasser konnten wir nur trinken, wenn wir es vorher abgekocht haben. Die Schule bestand aus ein paar Holzwänden und einem undichten Dach. Manchmal sind Kinder tagelang verschwunden und dann einfach wieder aufgetaucht. Es gab jeden Tag Prügeleien zwischen Erwachsenen. Oft mit richtig schweren Verletzungen. Wir haben auf den Feldern der umliegenden Bauern Mais und Kartoffeln gestohlen, um satt zu werden. Die Behörden haben uns nie geholfen. Sie wollten uns am liebsten einzäunen und wegsperren. Die meisten Männer waren von März bis September nicht zuhause. Sie haben in Deutschland als Erntehelfer gearbeitet. Die Frauen und Kinder waren auf sich allein gestellt. Wir sind drei Jahre geblieben. Dann hat mein Vater uns nach Deutschland geholt. Meine Mutter blieb, um Großmutter weiter zu pflegen, noch zwei Jahre lang, bis Großmutter starb. Die zwei Jahre ohne sie hier in Deutschland waren fast noch schlimmer als die Zeit in Bulgarien. Zu sehen, dass die Leute so im Überfluss leben und es gar nicht zu schätzen wissen … und dass es hier trotzdem so viel Armut gibt, obwohl genug für alle da wäre, das hat mich als Kind schon total fertig gemacht.”

Ich merke, dass er gerade wirklich traurig ist und ihn die Erinnerungen immer noch mitnehmen.

“Okay, Carlos, bevor du jetzt weiter erzählst, muss ich dich bitte in den Arm nehmen.”

Er legt sich in meinen Arm und macht es sich gemütlich.

“Manchmal mache ich die Augen zu und stelle mir vor, was aus mir geworden wäre, wenn mein Vater uns nicht hier her geholt hätte. Was aus meinen Geschwistern geworden wäre …”

“Und dann kommt ihr hier an und werdet mit Vorurteilen überhäuft und beschimpft …”

“Immerhin hatten wir immer genug zu essen und waren relativ sicher. Auch die medizinische Versorgung hier ist Luxus. Eine meiner Schwestern ist Diabetikerin. Vermutlich hätte sie in Bulgarien nicht überlebt.”

“Ich hab dich schon mal gefragt und du bist ausgewichen, aber ich frage nochmal: Wie viele Geschwister hast du?”

“Du weißt, wie es bei den Katholiken ist mit der Verhütung, … Ich habe zwei Brüder und sechs Schwestern.”

“Wow”, mache ich. “Neun Kinder …”

“Ich hab mich dafür immer geschämt. Es ist einfach so ein Klischee …”

“Und dein Vater war mit euch allen alleine, zwei Jahre lang?”

“Meine jüngsten beiden Schwestern sind bei meiner Mutter geblieben. Die waren damals fast noch Babies. Meine Brüder waren 17 und 16, als wir nach Deutschland kamen. Und meine 14-jährige Schwester hat plötzlich irgendwie die Mutterrolle einnehmen müssen.”

“Also bist du eines der mittleren Kinder?

“Meine beiden Brüder sind älter als ich und drei meiner Schwestern. Die anderen drei Schwestern sind jünger.”

“Ganz schöner Mädchen-Überschuss.”

“Ja, das war für das Familienunternehmen nicht gut …”

“Wirst du mir irgendwann verraten, was das für ein Familienunternehmen ist?”

“Irgendwann vielleicht. Wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt.”

“Du weißt, dass nichts, was du über deine Familie erzählst, irgendwie mein Bild von dir trüben kann, oder?”

“Genug geredet. Jetzt Küssen.”

Na schön, er weiß, wie er unangenehmen Fragen geschickt ausweichen kann …

Jordan

Mittwoch Abend, 19 Uhr, die Schlange vor der Schulturnhalle ist lang. Die Premieren-Karten sind restlos ausverkauft. Marie hat für Klaus, Mum, Laura und mich Plätze in der dritten Reihe reserviert. Als wir in die Halle kommen, bezieht das Schulorchester gerade Position. 30 Leute mit Blechblasinstrumenten, Klavier, Drums, Bass und mehreren Gitarren. Mum und ich lächeln uns nervös an.

“Ich glaube, ich bin aufgeregter als vor meinen eigenen Auftritten”, grinse ich und schaue mich in der immer voller werdenden Halle um.

Punkt 19:30 betritt die Schulleiterin die Bühne und begrüßt die Gäste. Sie ist mir sofort sympathisch. Der Vorhang öffnet sich, das Bühnenbild ist fantastisch. Detailreich, künstlerisch, fast schon professionell. L.A. halt. Vermutlich gehört die Hälfte der Kids zu jemandem aus dem Showbiz. Dann kommen die drei Mädels, die im ganzen Musical immer wieder Backround singen werden, auf die Bühne. Ich merke sofort, das Level hier ist hoch. Die drei singen krass gut den Intro-Song “Little Shop of Horrors”. Mr. Mushnik und “mein Seymour” betreten unter Beifall die Bühne. Marie trägt eine alte Cordhose mit Hosenträgern und eine braune Schirmmütze. Sie bewegt sich - wie die Rolle es verlangt - ungeschickt durch den Blumenladen. Als sie anfängt zu singen, schaue ich meine Mutter fassungslos an. Sie nickt nur:

“Ich weiß. Sie ist richtig gut. Sie hat auch in jeder freien Sekunde geübt. Nicht nur die Songs, sie hat auch Stimmtraining gemacht.”

“Warum hast du mir das nie erzählt?”

“Weil sie es nicht wollte. Sie hört sich übrigens an wie du vor dem Stimmbruch.”

“Ich glaub, so gut hab ich nie gesungen …”

Das Publikum ist fast genauso begeistert wie ich. Und die Aufregung ist Marie null anzumerken! Ich platze vor Stolz.

“Xenia macht ihren Job als Audrey auch nicht schlecht”, tuschle ich meiner Mutter zu.

“Ja, sie war schon öfter zum Proben bei uns zuhause. Ein sehr höfliches Mädel, aber halt auch schon zwei Jahre älter als Marie …”

“Machst du dir deshalb Sorgen?”

“Nicht so viele, wie ich mir machen würde, wenn sie ein Junge wäre …”

“Jetzt hast du schon zwei queere Kinder. Wie ist das so für dich?”

“Völlig irrelevant. Hauptsache glücklich und gesund.”

Ich umarme sie dafür.

Bei der Todesszene küssen die beiden sich auf der Bühne. Etwas, das in meinen Schulen damals völlig undenkbar gewesen wäre. In den letzten zwanzig Jahren hat sich einiges verändert. Und ich freue mich für diese Generation, dass sie es nicht mehr ganz so schwer hat. Nach der Vorstellung kommen Marie und Xenia händchenhaltend und vor Freude strahlend zu uns. Wir lernen Xenias Familie kennen, stoßen zusammen auf unsere großartigen Mädels an und freuen uns gemeinsam, dass die Premiere so gut gelaufen ist. Auch die Schulleiterin und die Musiklehrerin kommen zu uns. Meine generelle Aversion gegen Lehrkräfte scheint sich mit dem Alter zu legen, denn ich unterhalte mich echt gut mit den beiden. Sie sind ursprünglich beide wegen einer Karriere im Showbiz in die Stadt gekommen und brennen für’s Theater. Hach, ich werde L.A. vermissen.

Am nächsten Abend begleiten mich Nikki und mein Vater zur Aufführung. Es ist wieder genauso grandios wie am Vorabend. Nikki und Marie unterhalten sich nach der Vorstellung noch länger, während ich mit meinem Dad draußen eine rauche.

“Sie hat so gestrahlt vor Glück”, sagt er unvermittelt.

“Marie? Wann?”

“Als sie ihre Freundin auf der Bühne geküsst hat.”

“Ja, die zwei sind echt total verknallt.”

“Ja, aber das meine ich nicht. Ich meine, dass sie so frei einfach sie selbst sein kann. Und ihre Eltern applaudieren aus dem Publikum. Ich … Jordan, ich bereue wirklich sehr, dass ich es für dich und deinen Bruder so schwer gemacht habe, ihr selbst zu sein. Ich wünschte, ich wäre dir mit 13 ein halb so guter Vater gewesen, wie du für Marie bist.”

“Ach Dad, das waren andere Zeiten …”

“Definitiv. Ich muss dir noch was sagen.”

“Hm?”

“Ich habe eine neue Beziehung. Seit ein paar Monaten.”

“Wirklich? Wann lerne ich sie kennen? Oder ihn…?”

Er knufft mich in die Schulter:

“Ich weiß, man sagt, wir sind alle auf einer Skala. Und keiner ist absolut 100% irgendwas. Aber ich bin definitiv 100% hetero.”

“Das toleriere ich. Sei einfach du selbst”, grinse ich.

“Jedenfalls ist Kelly jünger als ich. Anfang 40, um genau zu sein. Und … es war nicht geplant, aber ich freue mich. Ich werde noch mal Vater.”

“Fuck, echt jetzt”, entfährt es mir. “In deinem Alter?!”

“Naja, 49 ist jetzt noch nicht so unfassbar alt, um Vater zu werden … Natürlich, der Altersunterschied zwischen dir und deiner Schwester wird dann riesig sein. Aber ich hab ja auch früh angefangen …”

“Ein Mädchen? Du bekommst endlich eine Tochter?”

“Wurde Zeit, nach vier Jungs, oder?”

“Wow. Ich freu mich, wenn du dich freust. Ich fühle mich nur selbst irgendwie schon fast zu alt für Babies. Und du bist noch mal 15 Jahre älter …”

“Ja, es wird sicher anders als mit Anfang 20 damals bei deinen Brüdern. Aber wir werden das hinbekommen.”

“Glückwunsch, Dad”, sage ich und umarme ihn. “Töchter haben, kann ich sehr empfehlen.”

“Ja, du hast da drei sehr gute Exemplare hinbekommen”, grinst er.

Nach vier Vorstellungen kann ich das Musical quasi auswendig, hätte aber trotzdem nicht eine der Shows missen mögen. Und nach der letzten Vorstellung, als der Großteil der Leute schon gegangen ist, das Orchester und das Ensemble aber noch bleiben, um zu feiern, will ich mich eigentlich schon verabschieden.

“Warte, du kannst noch nicht gehen”, sagt Marie.

“Okay …?”

“Wir haben noch nicht zusammen gesungen.”

“Echt, willst du?”, freue ich mich.

“Ja. Willst du meine Audrey sein, bei ‘Suddenly Seymour’?”

“Aber natürlich!”

“Schaffst du die Orginal-Tonart?”

“Na mal schauen, was ich mit den hohen Tönen mache. Aber das kriegen wir schon hin.”

“Cool, ich red schnell mit dem Orchester. Vielleicht haben die ja noch Lust. Die Tontechnik hab ich schon gefragt, die Mikros da drüben sollten funktionieren. Und ich sag noch den Lehrerinnen Bescheid.”

Ich freue mich total, dass sie so aufgeregt ist, klettere auf die Bühne und schnappe mir die Mikros. Ein paar Momente später kommt Marie mit der Schulleiterin auf die Bühne, die uns ansagt:

“Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle die noch hier geblieben sind. Bitte nehmen Sie noch mal kurz Ihre Plätze ein für eine ganz besondere Zugabe. Unser Star heute Abend, Marie Kamsky, im Duett mit ihrem Vater. Einigen von Ihnen ist er sicher ein Begriff. Wir heißen ihn herzlich willkommen: Bekannt geworden mit seiner Band Summerskin: Jordan Bonanno!”

“Vielen Dank. Meine grandiose Tochter hat mich gebeten, sie bei Suddenly Seymour zu begleiten. Und das mach ich natürlich gern. Legt los”, nicke ich zum Orchester.

“Lift up your head

Wash off your mascara

Here, take my Kleenex, wipe that lipstick away

Show me your face, clean as the morning

I know things were bad, but now they're okay

Suddenly, Seymour is standing beside you

You don't need no makeup, don't have to pretend

Suddenly, Seymour is here to provide you

Sweet understanding, Seymour's your friend”

Marie ist die perfekte Partnerin! Sie harmonisiert aus dem Bauch raus zu meiner Stimme, hat sichtlich Spaß und bleibt total in der Rolle. Als der Song vorbei ist, fallen wir uns in die Arme.

“Ich liebe dich, Kind”, flüstere ich.

“Ich liebe dich auch, Dad.”

Maries Musiklehrerin lacht:

“Alles klar, daher hat Marie ihr Talent. Das war wirklich großartig.”

“Vielen Dank.”

Immer noch vor Stolz grinsend, fahre ich in dieser Nacht nach Hause. Es wird meine letzte Nacht in der Wohnung sein. Die meisten Möbel sind schon verschifft oder verkauft. Nur mein Bett muss ich morgen früh noch abbauen und an Josh vererben. Die Matratzen in Deutschland haben andere Maße, es macht also keinen Sinn, es mitzunehmen. Ab morgen übernachten der Kater und ich dann bei Nikki und Oliver, die ebenfalls gerade dabei sind, alle Zelte abzubrechen. Josh und Kate kommen für zwei Tage dazu, um sich zu verabschieden. Danach ist irgendwie nicht mehr viel für mich zu tun und ich will Oliver und Nikki auch nicht weiter belagern. Deshalb beschließe ich, mal nach Flügen zu suchen. Und tatsächlich sind für den übernächsten Tag noch Plätze frei. Warum nicht? Auf die Art kann ich David und die Kids überraschen und zögere den Abschied hier nicht unnötig hinaus …

David

Nachdem das Spieldate ganz gut gelaufen ist, traue ich mich, mit einigen Eltern - durchwegs Mütter - ins Freibad zu gehen. Die Zwillinge sind Dank Omas Kaufrausch ausgestattet mit UV-Badekleidung, Sonnenhüten und Schwimmflügeln. Außerdem haben sie zusammenpassende Sonnenbrillen, Wasserspielzeug und einen aufblasbaren Schwan bekommen. Bepackt wie ein Muli mache ich mich also auf den Weg. Dabei liegt mir etwas im Magen: Bisher hat mich noch niemand darauf angesprochen, wo denn der zweite Elternteil der Zwillinge ist. Niemand hat mich nach einer Frau gefragt. Und ich habe auch nicht - wie sonst - in die Gespräche mit einfließen lassen, dass ich mit einem Mann zusammen bin. Weil es in diesem Fall nicht nur mich trifft, wenn die Leute damit ein Problem haben, sondern das auf die Kinder zurückfällt. Und ich will wirklich, dass die Zwillinge einen guten Start im Kindergarten haben. Deshalb will ich erst mal, dass die Leute sich mit uns anfreunden und dann vielleicht nicht mehr abweisend reagieren. Gleichzeitig weiß ich, dass Jordan das ganz anders sehen würde und vermutlich verletzt wäre, wenn er wüsste, dass ich ihn vorerst bewusst verschweige …

Drei Mütter sitzen schon auf Picknick-Decken neben dem Kleinkinder-Becken und winken mir zu.

“David! Hier sind wir!”, ruft Jutta.

“Schön, dass ihr da seid!”, freut sich Kerstin.

Ich lege erst mal das Gepäck ab und verpasse April ihre Schwimmflügel, damit sie zu den anderen sausen kann. Dann breite ich unsere Handtücher aus und setze mich, damit Jake sich auf meinen Schoß kuscheln und erst mal ankommen kann.

“Korbinian war in dem Alter auch etwas schüchtern, das hat sich aber im letzten Jahr verwachsen”, meint Anne.

Und schon sind wir mittendrin in Gesprächen über das Leben mit Kindern. Da gehen die Themen nicht so schnell aus. Außerdem frage ich, was die Mütter gemacht haben, bevor sie Kinder bekommen haben. Alle drei hatten Bürojobs und sind froh, dass sie nicht mehr arbeiten müssen. Sie könnten sich aber alle vorstellen, einen Second-Hand-Laden im Ort zu eröffnen. Das klingt spannend. Außerdem wird ein bisschen über die Ehemänner gelästert. Aber immer noch fragt mich niemand nach einer besseren Hälfte. Es kommen noch Sandra und Steffi mit ihren Kindern dazu. Inzwischen machen also neun Kinder das Babybecken unsicher. Jake ist zumindest am Rand mit dabei.

Ich finde die Runde echt total cool, sehr sympathisch und ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass jemand ernsthaft Probleme machen würde wegen Jordan und mir. Hoffe ich. Denn die fünf sind ein eingeschworenes Team. Wenn eine ein Problem hat, dann ziehen mit Sicherheit alle nach.

Kerstin und ich stehen gerade am Beckenrand und sie erzählt mir von einem Kurs, den sie mit ihrer Tochter gemacht hat, als ich plötzlich von hinten umarmt werde. Der Geruch des Aftershaves ist eindeutig, aber das kann nicht sein …

“Jordan?!”

“Überraschung!”, grinst er.

Ich halte ihn fest und habe tausend Schmetterlinge im Bauch.

“Ich hab dich so vermisst”, flüstert er.

Ich küsse ihn, wohl wissend, dass alle Augen in dem kleinen Freibad vermutlich gerade auf uns gerichtet sind. Aber ich kann gar nicht anders. Jordan ist endlich da. Jetzt sind wir in Bayern angekommen. Für immer.

Jake hat ihn jetzt auch bemerkt und kreischt:

“Daddy!!”

Jordan wirbelt den Kleinen herum und drückt ihn fest an sich. April ist auch sofort dabei und will gewirbelt werden. Ich liebe es, die drei endlich wieder zusammen zu sehen. Als die Kids ihn genug gekuschelt haben, setzen wir uns zu den anderen.

“Jordan, das sind Jutta, Kerstin, Sandra, Steffi und Anne. Alles Kindergartenmamas.”

“Hi zusammen”, lächelt er charmant.

“Hi Jordan. Wir sind große Fans deiner Musik”, lächelt Kerstin.

“Und deines Mannes”, grinst Jutta und klopft mir auf die Schulter.

“Ach du …”, lächle ich verlegen.

“Nicht so ein großer Fan wie ich”, grinst Jordan und drückt mir einen kurzen Kuss auf die Wange.

“Wo kommst du so plötzlich her?”, frage ich.

“Komplott mit deinen Eltern. Ich bin vor zwei Stunden gelandet. Dein Dad hat mich abgeholt, mir Badekleidung mitgegeben und mich hier abgesetzt.”

“Moment, ist das etwa die Badehose meines Vaters? Die hätte ich an dir nicht erkannt”, lache ich.

“Ich hoffe, du hast genug Handtücher dabei. Meines liegt im Auto deines Vaters.”

“Schussel”, lache ich. “Du hast also nichts dabei? Keine Klamotten, keine Schuhe, nur die Badehose, die du anhast?”

“Mehr brauch ich im Schwimmbad doch nicht”, schnurrt er.

Ich rolle die Augen und schaue Kerstin an.

“Wie mein Mann. Wenn sein Kopf nicht festgewachsen wäre, würde er den auch noch vergessen”, grinst sie.

“Wir waren schon sehr gespannt auf dich, seit dem Artikel in der Zeitung”, erklärt Sandra, die ziemlich gradlinig ist.

“Gott, dieser dumme Artikel …”, setzt Jordan an.

“Moment, ihr wusstet die ganze Zeit, dass ich mit Jordan zusammen bin?”, frage ich.

“Natürlich, stand doch in der Zeitung”, nicken die fünf.

“Und das ist für euch okay?”, frage ich.

Jutta grinst: “Naja etwas eifersüchtig sind wir schon. Aber er sei dir vergönnt.”

Ich bin so erleichtert darüber, dass ich kräftig schlucken muss.

“Danke, ernsthaft Mädels.”

Kerstin umarmt mich:

“Wir freuen uns echt, dass ihr da seid. Alle vier.”

Dann erzählen sie, dass sie damals alle gemeinsam auf einem Summerskin-Konzert in München waren, als sie noch keine Kinder hatten. Jordan zeigt uns Fotos von der leeren Bude, seiner Doktorarbeits-Feier und dem Auftritt mit Marie nach ihrem Musical. Die Kids spielen glücklich und zufrieden alle zusammen mit dem Aufblas-Schwan und den Wasserspielsachen von Oma Mona. Und ich habe Jordan im Arm und bin einfach nur glücklich, da zu sein.

Christian

Dieser verdammte Großauftrag. Ich hätte ihn nicht annehmen sollen. Bei dem Projekt geht alles schief. Dabei würde ich viel lieber endlich beim Gaststättenbau starten und Zeit mit den Kindern verbringen. Stattdessen ärgere ich mich mit Zimmerei-Firmen und dem Denkmalschutz herum. Mein Rücken bringt mich um und ich trinke zu viel. Alles zurück auf die Zeit vor Severin. Dabei wollte ich dahin doch wirklich nicht mehr zurück. Ich ernähre mich ungesund, weil keiner mehr für mich kocht. Ich schlafe zu wenig, weil am Ende des Tages nie alles Dringende erledigt ist. Und ich bin einsam. Franzis Freunde haben seit der Trennung natürlich kein Interesse mehr an mir. Severins Freunde sowieso nicht. Die Männer aus dem Gemeinderat sind seltsam zu mir, seit ich mich geoutet habe. Ich habe niemanden. Um diese Leere nicht ganz so stark zu spüren, arbeite ich noch ein kleines bisschen mehr, ich habe ja eh nichts Besseres zu tun. Franzi will ich mit meinen Problemen nicht belasten. Ich muss ihr ohnehin dankbar sein, dass sie die Kinder die ganze Woche versorgt und nicht darauf besteht, dass ich sie wie vereinbart jeden Mittwoch Nachmittag nehme. Und ich muss ihr dankbar sein, dass sie weiterhin einmal pro Woche meine Mutter im Pflegeheim besucht.

Weil meine Leute es mal wieder nicht hinbekommen, stehe ich selbst auf dem Gerüst, bei 28 Grad im Schatten, und vermesse, ob die Fenster genau nach Bauplan gesetzt wurden. Bis ich plötzlich aus dem Nichts die schlimmsten Schmerzen meines Lebens spüre. Meine komplette untere Körperhälfte brennt wie Feuer. Es tut so weh, dass ich Flecken sehe und zusammenklappe.

Jemand beugt sich über mich. Eine Frau in Weiß. Ich kann mich nicht bewegen.

“Herr Berger. bleiben Sie ganz ruhig liegen. Sie hatten einen Unfall. Sie sind gestürzt. Wir bringen Sie ins Krankenhaus.”

“Mein Rücken …”

“Haben Sie Schmerzen?”

“Überall.”

“Das Schmerzmittel wird gleich wirken. Bleiben Sie einfach ruhig liegen.”

“Was ist passiert?”

“Sie sind vom Gerüst gestürzt.”

“Aber … ich hatte davor schon Schmerzen.”

“War das der Grund für den Sturz? Wo hatten Sie Schmerzen? In der Brust?”

“Nein, Rücken und Beine. Brennen.”

“Im Krankenhaus finden wir sicher raus, was passiert ist. Jetzt einfach ruhig liegen bleiben. Sollen wir jemanden für Sie anrufen?”

“Ich … weiß nicht. Nein … vielleicht im Paradies …”

“In Seelendorf?”

“Ja, …”

Danach wird alles irgendwie verschwommen. Ich erinnere mich erst wieder an die Morgensonne. An Kopfschmerzen und Übelkeit und taube Beine. Ich suche nach irgendwas Bekanntem, aber das Zimmer ist mir fremd. Das Bild an der Wand, die Uhr, das habe ich alles noch nie gesehen. Ich drehe meinen Kopf und sehe ihn, der mir so bekannt ist. Er sitzt in einem Stuhl neben mir und hat die Augen geschlossen.

“Severin”, versuche ich zu sagen, aber heraus kommt nur ein Flüstern.

Das reicht, dass er die Augen aufschlägt:

“Christian, du bist wach …”

“Wo bin ich …?”

“Im Krankenhaus. Du hattest einen Unfall.”

“Das Gerüst.”

“Ja, du bist in die Thujenhecke gefallen. Du hattest großes Glück. Es hätte ganz anders ausgehen können.”

“Mein Rücken …”

“Du hattest einen kompletten Bandscheibenvorfall. Du wurdest sofort operiert. Es ist alles gut gegangen.”

“Mein Kopf …”

“Hast du Schmerzen? Du hast eine Gehirnerschütterung. Brauchst du mehr Schmerzmittel?”

“Es geht. Tut mir Leid.”

“Was tut dir Leid?”

“Dass ich dich erschreckt habe.”

“Es war nicht deine Schuld.”

“Ich hätte nicht so viel arbeiten sollen. Und die Schmerzen nicht so lange ignorieren …”

“Christian, du musst wirklich etwas ändern. Du musst besser auf dich aufpassen.”

“Ich weiß …”

“Ich hatte wirklich große Angst um dich …”

“Ich brauche Hilfe. Ich trinke wieder. Und ich weiß nicht mehr, wie ich weitermachen soll.”

Er nimmt meine Hand.

“Wir suchen dir Hilfe. Alles wird wieder gut.”

Ich glaube ihm nicht, aber es tut trotzdem gut, das zu hören.

Max

Meine Mutter kommt wieder aus der Reha zurück. Bis auf die Magensonde hat sich an ihrem Zustand vor dem Krankenhaus nichts verändert. Das heißt, es kann sehr schnell wieder Routine einkehren. Carlos oder eine seiner Kolleginnen kommen morgens und abends vorbei. Ich versuche, täglich vor der Arbeit hinzufahren. Die Abende gehören Carlos und mir. Ich bin fast jeden Tag bei ihm. Wir essen und reden und knutschen und reden noch mehr. Ich fühle mich so krass mit ihm verbunden, das habe ich noch nie erlebt. Am liebsten würde ich jede freie Minute mit ihm verbringen. Ich merke sehr schnell, dass ich mich in ihn verliebt habe, so richtig. Aber ich weiß, dass er Zeit braucht. Deshalb versuche ich, entspannt zu bleiben und ihn nicht zu bedrängen, noch mehr Zeit mit mir zu verbringen.

Eines Tages ist Carlos da, als ich zu meiner Mutter komme. Er räumt gerade die Waschsachen weg.

“Morgen”, sage ich überrascht, weil er normalerweise immer schon weg war, als ich kam. “Bist du heute etwas spät dran?”

“Ich musste ein paar andere Patientinnen vorziehen, weil sie Arzttermine haben. Ich bin also ein bisschen Zickzack gefahren.”

“Verstehe”, sage ich, und gebe meiner Mutter ein Begrüßungsküsschen auf die Wange.

Wir haben nicht konkret darüber gesprochen, wie wir uns verhalten, wenn wir uns vor anderen begegnen. Aber ich weiß, dass Carlos sicher nicht einfach so mit der Tür ins Haus fallen will. Deshalb halte ich Abstand. Als er geht, erfinde ich eine Ausrede, um ihm zu folgen. Ich hole ihn am Parkplatz ein.

“Carlos?”

“Hey …”

“Hey, ich … ich wollte fragen …”

“Ob du es deiner Mutter sagen kannst?”, errät er richtig.

Mich beschleicht das Gefühl, dass er Gedanken lesen kann. Sowas passiert nämlich nicht zum ersten Mal.

“Ja. Ich glaube nicht, dass sie Probleme machen würde … und weitersagen kann sie es ohnehin nicht”, versuche ich zu grinsen.

“Aber wenn meine Kolleginnen und mein Chef das mitbekommen… Vielleicht versteht sie gar nicht, dass sie es geheim halten muss. Oder sie ist wütend, weil sie findet, ich bin unter deiner Würde, oder …”

“Halt? Warte? Was?”

“Vielleicht ist ihr Problem nicht, dass ich ein Mann bin. Sondern dass ich ein ungebildeter Ausländer bin …”

“Carlos! Was redest du denn da?! Meine Mutter mag dich! Sie ist dir unendlich dankbar, dass du für sie sorgst. Und du hast ihr Leben gerettet, in Gottes Namen!”

“Max, wenn du es ihr einmal gesagt hast, dann kannst du es nicht mehr zurücknehmen. Und das macht mir Angst.”

“Ich verstehe. Aber ich weiß nicht, wie viel Zeit ich noch mit meiner Mutter habe und ich will nicht, dass sie stirbt, ohne zu wissen, dass ich glücklich und verliebt bin.”

“Mann, Max, ich versteh das ja. Aber das hier ist mein Job. Ohne den bin ich aufgeschmissen. Das überfordert mich jetzt gerade, ich kann das jetzt nicht entscheiden …”

“Kann ich heute Abend zu dir kommen? Gegen neun? Damit wir reden können …?”

“Okay.”

“Und, ehm …”

“Was?”, fragt er gereizt.

“Könnte ich vielleicht bei dir … übernachten?”

Er schaut mich so schockiert an, dass ich lachen muss.

“Entspann dich, Carlos. Ich kann auch auf dem Teppich schlafen. Es geht mir bloß drum, dass ich nicht immer unnötig durch die Gegend fahre. Ich muss morgen früh eh wieder zu meiner Mutter. Wenn ich also nachts nach München fahre und morgens wieder hier her, dann ist das irgendwie Schwachsinn …”

“Es wird nichts laufen.”

“Das ist mir klar. Versprochen.”

“Okay.”

“Ja, wirklich? Ich darf morgen früh neben dir aufwachen und du wirst das Erste sein, was ich sehe?”

“Morgens sehen meine Haare aus, als hätte ein Tier drin übernachtet, nur damit du gewarnt bist”, grinst er.

Ich lache los: “Ich bin sicher, du siehst morgens ganz bezaubernd-verwuschelt aus. Und überhaupt, ich lieb dich, egal mit welcher Frisur.”

Seine Augen treten kurz aus den Höhlen und ich weiß im ersten Moment nicht, wieso. Dann schnalle ich es. Ich hab ihm gesagt, dass ich ihn liebe. Sofort bekomme ich Angst. Ich setze ihn zu sehr unter Druck. Er wird sich zurückziehen. Ich vertreibe ihn.

“Tut mir Leid”, stammle ich. “Ich weiß, ich hab dir versprochen, dass ich dir Zeit gebe. Ich bin so ein Idiot.”

Er steht immer noch da wie vom Donner gerührt, wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

“Ich fahre heute Abend nachhause und meiner Mutter sage ich natürlich nichts von dir. Es tut mir Leid, Carlos …”

Er schaut sich in alle Richtungen um. Dann zieht er mich zu sich und küsst mich.

“Ich liebe dich auch, du Idiot.”

“Wirklich?”, frage ich überrascht.

Er nickt und küsst mich noch mal kurz. Dann steigt er abrupt in sein Auto und fährt weg.

“Fuck”, sage ich halblaut. “Ich liebe den Kerl.”

Meine Mutter lächelt mich an, als ich wiederkomme.

“Na, soll ich dir die Zeitung vorlesen?”, frage ich.

Sie schüttelt den Kopf.

“Nein? Was dann?”

Sie bedeutet, dass sie reden will.

“Okay … worüber?”

Sie formt ein C mit ihrer Hand. Oh-oh.

“C wie …. Carlos?”

Sie nickt.

“Was ist mit ihm?”

Sie schaut mich mit einem Blick an, der mir sagt, dass ich sie nicht für blöd verkaufen soll.

“Du weißt es?”

Sie nickt.

“Woher?”

Sie zuckt die Schulter.

“Mütterliche Intuition?”, mutmaße ich.

Sie grinst.

“Ist das okay für dich?”, frage ich.

Sie nickt energisch.

“Das freut mich. Es ist nur so, Carlos ist nicht geoutet. Er möchte nicht, dass jemand etwas davon erfährt. Also bitte sag es nicht weiter.”

Sie deutet auf mich, dann auf ihr Herz, dann auf die Tür.

“Ob ich in ihn verliebt bin?”

Sie nickt.

“Ja, bin ich. Wir kennen uns ja erst ein paar Wochen. Aber ich mag ihn wirklich sehr.”

Sie lächelt und bedeutet mir, dass sie mich jetzt umarmen will. Ich bin sehr froh, dass meine Mutter so gut reagiert. Kein Vergleich zu damals, als sie von David erfahren hat. Trotzdem liegt mir etwas im Magen: Ich muss heute Abend Carlos erklären, warum ich es meiner Mutter nun doch gesagt habe.

Den ganzen Arbeitstag lang bin ich nervös. Eine Kollegin fragt mich bei einer kleinen Kaffee-Runde am Nachmittag, ob es mir nicht gut geht, weil ich so still bin.

“Beziehungszeug”, erkläre ich.

Sofort habe ich die Aufmerksamkeit aller Kolleginnen und Kollegen am Tisch des Coffee-Shops.

“Du hast eine Beziehung?”, fragt Sandra, die immer sehr direkt und neugierig ist. “Wann hast du denn dafür Zeit? Du bist doch den ganzen Tag hier.”

“Wir sind noch nicht lange zusammen. Aber wir finden schon Zeit.”

“Willst du drüber reden, was los ist?”, fragt eine andere Kollegin.

Da ist er also wieder. Der Moment, in dem man sich vor Kolleginnen und Kollegen outet. Es ist immer wieder eine Überwindung:

“Mein Freund ist nicht out. Und ich will ihn auch gar nicht drängen. Aber ich möchte wenigstens den Leuten, die mir sehr nahestehen, sagen können, dass ich mit ihm zusammen bin. Ihr wisst ja, meine Mutter ist sehr krank. Ich will keine so wichtigen Geheimnisse vor ihr haben. Wer weiß, wie lange sie noch lebt. Aber er kann sich das nicht vorstellen …”

Bei einigen sieht man, wie es in ihrem Kopf rattert und sie versuchen, irgendwie politisch korrekt mit der Situation umzugehen. Aber Sandra ist mal wieder einfach direkt:

“Ach, ich wusste noch gar nicht, dass du schwul bist. Das bringt natürlich noch mal andere Schwierigkeiten mit sich. Aus dem Bauch raus würde ich sagen, du hast das Recht, deiner Mutter zu sagen, was in deinem Leben vor sich geht, wenn sie Geheimhaltung verspricht.”

“Ja, so hab ich es heute Morgen mit ihr ausgemacht.”

“Du hast es ihr gesagt, obwohl dein Freund dagegen war?”, fragt ein Kollege.

“Nicht direkt. Sie hat es erraten und ich hab es bestätigt. Und das muss ich meinem Freund heute Abend irgendwie beibringen …”

“Autsch, das wird kein guter Abend für dich, heute”, grinst der Kollege.

“Das befürchte ich auch.”

“Deine Mutter ist doch im Paradies, oder? Kennst du David und Jordan?”, fragt Sandra.

“Ja, die zwei kenn ich gut.”

“Ihre Zwillinge sind ab September in der Kindergartengruppe meines Sohnes.”

“Stimmt, ich hatte ganz vergessen, dass du aus Seelendorf kommst. Ich war knapp vier Jahre mit David zusammen. Wir waren verlobt.”

“Wirklich? Warum hast du dir den denn durch die Lappen gehen lassen?”

“Pure Dummheit meinerseits.”

“Tja, er hat das Beste draus gemacht. Ich meine, Jordan ist echt mal ein ganz schöner Fang.”

Ich schnaufe:

“Ja-ha, ich weiß.”

Mit einem sehr mulmigen Gefühl komme ich abends nach dem letzten Video-Call bei Carlos an. Er empfängt mich - nachdem die Wohnungstür zu ist - mit einem innigen Kuss und gutem Essen. Ich liebe es, bei ihm in seiner Wohnung zu sein. Er ist dort ganz anders als in der Öffentlichkeit. Entspannt und kuschelig und redselig. Wir räumen den Tisch ab, machen den Abwasch zusammen und setzen uns auf die Couch.

“Knutschen oder Reden?”, fragt er grinsend.

“Ich befürchte, wir müssen erstmal reden …”

“Ich hab schon befürchtet, dass du das sagst. Okay, also … du möchtest es gern deiner Mutter sagen?”

“Eigentlich … eigentlich hat sie es schon rausgefunden. Sie hat mir heute zu verstehen gegeben, dass sie weiß, dass wir zusammen sind und dass sie das gut findet.”

“Was?! Wann ist das denn passiert?”

“Gleich nachdem du weg warst. Ich hab ihr gesagt, dass sie es nicht weitersagen darf.”

“Aber was, wenn sie sich morgen nicht mehr erinnert, was ihr vereinbart habt? Was wenn sie es meinen Kolleginnen erzählt? Max, dann bin ich meinen Job los.”

“Schwul sein ist kein Kündigungsgrund.”

“Nein, aber ich hab ja nur Zeitverträge. Mich ist man schnell los. Der Chef ist total konservativ. Und er kennt meine Eltern …”

“Carlos, wenn meine Mutter sich erinnern kann, dass wir zusammen sind, dann wird sie sich auch erinnern können, dass das ein Geheimnis ist. Wir können es ohnehin nicht mehr ändern …”

“Du redest dich leicht, du hast doch keine Ahnung, wie es ist von Harz IV zu leben! Da will ich nie wieder hin zurück.”

“Carlos, meine Mutter wird nichts sagen. Und vielleicht ist es ohnehin Zeit, nach einem Job zu suchen, bei dem du nicht so einem Idioten ausgeliefert bist? Pflegekräfte werden doch überall gesucht.”

“Aber nicht wirklich zu besseren Bedingungen. Der Job ist überall ein Knochenjob mit krassem Stellenschlüssel und überall hat man Chefs …”

“Wie wäre es, wenn du überlegst, noch mal zur Schule zu gehen und vielleicht die Mittlere Reife zu machen oder sowas?”

“Max, wovon sollte ich denn dann leben? Ich hab null Rücklagen. Außerdem kann ich Deutsch zwar inzwischen gut sprechen, beim Schreiben sieht es aber noch mal ganz anders aus. Glaubst du nicht, ich hab über das alles auch schon nachgedacht?”

“Ich könnte dir was leihen, um die Zeit zu überbrücken …”

“Niemals. Auf gar keinen Fall. Sieh es ein: Ich werde in der Pflege bleiben, so lange ich das körperlich irgendwie schaffe. Und dann sieht es ohnehin düster aus.”

“Aber das ist doch keine vernünftige Zukunftsperspektive.”

“Tja, wir können eben nicht alle von reichen Leuten adoptiert werden …”

“Wow, das war jetzt echt unnötig, Carlos.”

“Entschuldige. Aber Max, du kannst es scheinbar wirklich einfach nicht nachvollziehen. Ich hab keine weiteren Aufstiegschancen. Genauso wenig wie Millionen andere Menschen in diesem Land. Aber ich habe mich selbst unabhängig von meiner Familie gemacht. Und darauf bin ich ziemlich stolz.”

“Ich verstehe. Aber trotzdem möchte ich mehr für dich. Ein besseres Leben …”

“Tja, das Leben ist kein Wunschkonzert.”

“Vielleicht sollten wir jetzt einfach knutschen?”, schlage ich vor.

“Gute Idee”, säuselt er und küsst mich einen Ticken aggressiver als sonst.

Ich weiß nicht genau, wie es passiert, aber irgendwann finde ich mich in der Horizontalen wieder, Carlos halb auf mir. Das Gewicht seines Oberkörpers drückt mich in die weichen Sofakissen. Seine Hände zerknüllen fahrig mein Hemd.

“Darf ich dir das ausziehen?”, fragt er.

“Mach mit mir, was du willst”, hauche ich völlig von der Rolle.

Er setzt sich auf, während ich liegen bleibe, und knöpft mein Hemd langsam auf. Als seine Hände über meine nackte Haut fahren, stöhne ich auf.

“Kannst du versuchen, still liegen zu bleiben? Ich möchte deinen Körper erkunden.”

Ich nicke und stecke meine Hände unter meinen Rücken.

“Perfekt”, grinst er.

Das Hemd schiebt er mir von den Schultern und fängt an, mit den Fingerspitzen erst mein Schlüsselbein zu streicheln, dann über die Brust und den Bauch hoch und runter zu fahren. Ich bekomme Gänsehaut.

“Wo magst du es besonders gern?”, fragt er.

“Nippel.”

Er beugt sich über mich und küsst meine Brust. Dann saugt er kurz meine Brustwarze ein und ich kann einen tiefen Seufzer nicht zurückhalten. Meine Anzughose spannt sich. Carlos küsst meinen Bauch und seine offenen Haare streicheln mich dabei. Dann nimmt er sich wieder meine Brustwarzen vor. Er küsst, nuckelt und saugt, bis ich mich vor Lust unter ihm winde.

“Dreh dich um”, haucht er mir ins Ohr.

Ich drehe mich schnell auf den Bauch, ziehe das Hemd ganz aus und lege mich wieder auf meine Hände. Ich spüre sein Haar über meinen Rücken streicheln und kurz darauf seine Lippen. Er wandert bis hinunter zum Bund meiner Hose. Ich dränge mich in die Kissen der Couch, völlig hart. Ich wünsche mir in dem Moment nichts mehr, als dass er meinen Schwanz in den Mund nimmt. Er legt sich auf mich, immer noch vollständig angezogen, sein Oberkörper auf meinen Rücken gedrückt. Ich spüre ihn hart zwischen meinen Beinen und stöhne auf. Scheinbar zieht er sein Shirt aus, denn plötzlich fühle ich Haut auf Haut. Nichts ist mehr zwischen mir und seinem Waschbrettbauch. Dann setzt er sich kurz hin:

“Dreh dich wieder um.”

Ich lege mich auf den Rücken und schaue ihn an. Wie gerne würde ich jetzt die Konturen seiner Brustmuskeln nachziehen. Aber meine Hände schiebt er sofort wieder unter meinen Rücken. Er sitzt zwischen meinen Beinen und scheint kurz Mut zu sammeln. Dann legt er sich auf mich, küsst mich. Ich stelle meine Beine auf und kippe die Hüfte, spüre seinen harten Schwanz an meinem und fange an, mein Becken rhythmisch zu bewegen. Er stöhnt auf, drängt sich noch ein bisschen fester gegen mich, bewegt sich im gleichen Rhythmus mit.

“Du musst jetzt sofort aufhören oder ich komme in meiner Hose”, flüstere ich nach einer Weile verzweifelt.

“Ich will nicht aufhören”, stöhnt er und bewegt sich schneller.

Dann zieht er sich plötzlich zurück und steht auf. Ich bleibe liegen, unfähig, mich zu bewegen.

“Ich will sehen, wie du kommst. Kannst du es dir selbst machen?”, fragt er.

Ich mache meine Hose auf und ziehe meine Boxershorts nach unten.

“Ist das okay?”, frage ich ihn, während er in sicherem Abstand am Fußende der Couch steht.

“Ja, nimm ihn in die Hand.”

Ich mache es mir selbst, während Carlos zuschaut.

“Kannst du meine Brustwarzen küssen? Oder willst du lieber auf Abstand bleiben?”, frage ich atemlos.

“Was ich am liebsten machen würde, ist, deinen Schwanz in den Mund nehmen. Aber ich trau mich noch nicht.”

“Das ist okay”, stöhne ich, während ich meine Hand immer schneller bewege.

Er kniet sich seitlich neben die Couch und küsst meine Brustwarzen, fährt mit der Hand über meinen Bauch.

“Wohin soll ich kommen?”, frage ich drängend.

“Komm auf mir”, sagt er schnell und legt sich auf den Boden.

Ich rutsche vom Sofa, gehe in den Vierfüßlerstand über ihn und spritze auf seinen Bauch und seine Brust. Er schaut begeistert auf die weißen Spuren auf seinem Oberkörper.

“Das hab ich mir schon so lange vorgestellt.”

Ich sacke über ihm zusammen, völlig außer Atem, und küsse ihn, verteile das Sperma zwischen uns. Ich spüre ihn immer noch hart in seiner Hose.

“Willst du kommen? Und wenn ja, wie?”

Er zieht seine Hose nach unten, trägt keine Unterwäsche. Sein langer, harter Schwanz klappt heraus.

“Mmmmh”, mache ich.

Er grinst:

“Was würdest du jetzt am liebsten machen?”

“Ich will deinen Schwanz in den Mund nehmen und dich um den Verstand bringen.”

“Dann mach.”

Ich mache nicht sofort, sondern komme mit dem Gesicht noch mal ganz nah an seines.

“Sicher?”

“Ja, ich will das.”

Ich nicke, küsse ihn kurz und küsse dann meinen Weg nach unten. Dabei schmecke ich mich kurz selbst und lecke an der Stelle noch ein bisschen nach. Dann nehme ich ihn tief in den Mund.

“Dio mio”, macht er und der Rest ist Stöhnen, Lachen, noch mehr Stöhnen und ein lauter Orgasmus, der seinen kompletten Körper zum Zittern bringt.

Ich nehme einen großen Schluck Wein aus dem Glas am Couchtisch, während Carlos sich vom Boden auf das Sofa legt. Ich kuschle mich in seinen Arm und warte auf Feedback.

“Das war … das war anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte nicht gedacht, dass ein Blowjob sich so nach vollwertigem Sex anfühlen kann.”

“War das dein erster?”

“Als Teeny hat ein Mädchen es mal versucht. Aber das war draußen, im Stehen, in der Kälte. Das war nicht vergleichbar. Das gerade eben, das war lebensverändernd. Ich glaube, ich bin süchtig danach. Ich will, dass du meinen Schwanz den ganzen Tag im Mund hast.”

“Immer gerne”, grinse ich.

“Ich liebe dich, Max. Ich liebe dich wirklich.”

Ich küsse ihn dafür, und zwar nicht auf den Mund. Er wird sofort wieder hart und dieses Mal lasse ich mir viel Zeit. Ich lecke und küsse und sauge eine halbe Stunde lang an ihm und lerne alle Stellen kennen, an denen er es besonders mag. Er liegt komplett nackt und wunderschön vor mir und ich kann nicht genug davon bekommen, ihn anzuschauen, anzufassen, ihn überall zu küssen. Nach einiger Zeit wird er wieder drängender, fordernder. Ich erhöhe den Rhythmus. Dann kommt er noch einmal, mit einem tiefen, kehligen Seufzer. Er ist jetzt komplett weich und schlapp und friert. Ich stehe kurz auf, um die Lichter zu löschen, ziehe eine Wolldecke über uns und wir schlafen eng aneinander gekuschelt ein.

Der Wecker weckt uns um kurz nach sechs. Carlos liegt immer noch in meinem Arm. Er lächelt schon, bevor er die Augen öffnet. Dann sagt er:

“Okay, das ist gestern etwas eskaliert.”

“Auf eine gute Art? Oder ging es dir zu schnell?”

“Beides, irgendwie. Aber ich bereue es nicht. Das war wirklich der Wahnsinn. Und ich glaube, ich kann dich ab sofort nicht mehr anschauen, ohne an diesen Blowjob zu denken und hart zu werden.”

“Haben wir noch Zeit?”, grinse ich.

“Ein bisschen …”

Ich tauche ab und bringe ihn in Rekordzeit zum Kommen. Dann verschwindet er unter der Dusche, während ich ein bisschen Frühstück vorbereite und nach ihm ebenfalls dusche. Dann fahren wir gemeinsam los. Er beginnt seine Runde, ich fahre direkt zu meiner Mutter.

Als Carlos dort nach einer halben Stunde dazukommt, geht er geradewegs auf mich zu und gibt mir einen Kuss auf den Mund. Dann sagt er:

“Guten Morgen, Frau Weller.”

Sie formt mit den Lippen ihren Namen:

“Isa.”

“Ich darf Sie Isa nennen? Dankeschön.”

Sie tätschelt seine Wange lächelnd.

Alles ist unfassbar perfekt. Ich verbringe fast jede Nacht bei Carlos, erzähle ihm von meinem Tag und er mir von seinem, ich gebe ihm Blowjobs, bis er nach Luft japst und wache jeden Morgen lächelnd neben ihm auf.

Eine Woche später liege ich ausnahmsweise früh morgens in meinem eigenen Bett, als ich einen Anruf aus dem Paradies bekomme. Severin ist dran.

“Max, es tut mir sehr Leid. Deine Mutter ist heute Morgen nicht mehr aufgewacht. Sie ist im Schlaf gestorben.”

“Okay”, sage ich. “Ich bin gleich da.”

“Soll ich dich abholen?”

“Nein, ich kann fahren.”

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