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Summer in Paradise - Band 2

Teil 2

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Informationen

David

Klara kommt für ein verlängertes Wochenende aus Regensburg zu Besuch. Sie ist vom ersten Moment an begeistert von den Zwillingen und besteht drauf, Tante Klara genannt zu werden. Meine kleine Schwester ist ziemlich erwachsen geworden. Und plötzlich kann ich sie mir ziemlich gut als Zahnärztin in einer eigenen Praxis vorstellen.

Weil es regnet, verbringen wir den ganzen Tag drinnen. Jordan spielt Gitarre, Klara baut ein Zeltlager im Wohnzimmer auf. Mum und ich kochen einen riesigen Topf Kartoffelsuppe und Dad liest ausgiebig Zeitung. Die Kinder lesen mit Klara im Zelt, bauen Türme aus ihren Duplo-Steinen, singen mit Jordan und sind einfach glücklich und fröhlich. Ich liebe es! So könnte es für immer weitergehen.

„Gott, ist der Kerl sexy!“, raunt mir meine Schwester zu, als Jordan „Runaway-Train“ singt.

„Wart ab, bis er seine Sinatra-Songs auspackt.“

„Mich kriegt er immer mit Pink Floyd“, kichert Mum hinter uns.

„Mum wünscht sich Pink Floyd!“, ruft Klara.

„Wish you were here?“, fragt Jordan.

„Jaaaaa“, machen wir alle drei.

„Groupies“, lacht mein Dad und vertieft sich wieder in den Sportteil.

Nach dem Song fragt Klara:

„Hast du vor, wieder auf der Bühne zu stehen, Jordan?“

„Erst mal nicht. Zu viel anderes ist grad wichtiger.“

„So eine Verschwendung. Die Welt muss dein Talent sehen“, findet meine Mum.

„Ich bin eigentlich ganz froh, dass Jordan grad keine Welttour plant“, erkläre ich grinsend. „Aber wer weiß, hm? Vielleicht zur Midlife-Crisis mit 40?“

„Nicht mehr so lange hin“, schnauft Jordan. „Sechs Jahre ...“

„So lange du weiterhin ausschaust wie 25, muss dich das ja nicht stressen“, findet Klara. „Hast du auch was von Ed Sheeran drauf?“, will sie wissen.

„Von wem?“

„Ed Sheeran. Großartiger Sänger, der grad in Großbritannien die Charts aufmischt. Der wird ganz groß, sag ich euch!“

„Noch nie gehört ...“

„Na gut, dann halt was von Metallica?“

„Krieg ich hin.“

Bevor Jordan das beweisen kann, klingelt es an der Tür. Severin.

„Hey, ihr Lieben … ich hab da eine Idee, bei der ich eure Hilfe gebrauchen könnte ...“

Jordan begrüßt ihn erst mal mit einer Umarmung.

„Okay, lass hören.“

„Es gab gestern einen Hausbrand in Seelendorf. Niemand wurde verletzt, alle waren außer Haus. Aber das komplette Mobiliar ist ein Totalschaden. Alles verraucht und verrußt. Die Entsorgungskosten allein werden wohl fünfstellig. Von der Neuanschaffung der Sachen ganz zu schweigen.“

„Scheiße.“

Ich lege meinen Arm um Jordan.

„Verrußte Möbel und plötzlich ohne Dach über dem Kopf da stehen, das haben wir leider auch erleben müssen.“

„Ja, und leider hat die Familie keine Versicherung, die das deckt. Sie haben erst mal ein Zimmer im Paradies, bis ersten Mai. Länger geht nicht. Die Gemeinde hat sich auch schon eingeschalten. Versicherungsleute und die Polizei haben alles dokumentiert. Und der Vermieter der Wohnung hat zum Glück eine Versicherung für die Schäden am Gebäude selbst. Ein Spezial-Entrümplungs-Unternehmen könnte am Montag anfangen, wenn die Finanzierung gesichert ist. So dass dann die Spezialreinigung und alle Reparaturen starten können und die Familie möglichst bald wieder in die Wohnung kann. Wir brauchen also bis Montag mindestens 10.000 Euro.“

„Das ist viel ...“, schlucke ich.

„Und wie können wir helfen?“, fragt Jordan.

„Ich denke da an ein Konzert am Sonntag, um Spenden einzutreiben.“

„Das ist sehr spontan ...“, findet Jordan.

„Ja, aber es ist hinzukriegen. Der Wetterbericht ist gut, wir könnten im Garten alles aufbauen. 200 Leute haben da sicher Platz. Und wir könnten gezielt Münchner Architekten und Anwälte einladen. Leute in unserem Alter, die Summerskin noch kennen und die dick Kohle haben … und der Chor könnte als Vorgruppe auftreten. Ein Frühlings-Open-Air am Sonntagnachmittag, für die ganze Familie. Eintritt gegen Spende.“

„Aber bei 200 Leuten müsste jeder im Durchschnitt 50 Euro geben“, werfe ich ein.

„Ja, aber ein paar Leute würden sicher mehr geben. Firmen – auch Christian … Das ist hinzubekommen.“

„Und wer kümmert sich um die ganze Vorbereitung? Genehmigungen, Soundanlage, Stühle, Verpflegung?“

„Darum kümmern wir uns im Paradies. Du musst dir nur eine Stunde Programm einfallen lassen. Besser eineinhalb.“

„Ich hab hier überhaupt kein vernünftiges Equipment, nicht mal eine Konzertgitarre ...“

„Pfarrer Fuchseder kümmert sich darum.“

„Der Pfarrer ist bei der Aktion dabei?“, fragt mein Vater.

„Ja, er hat schon die Pfarrkasse geplündert, damit die Familie sich eine Grundausstattung an Wäsche und Spielzeug kaufen kann. Und er ist bei der Orga dabei. Ich muss echt sagen, er hängt sich mächtig rein. Er wird auch im Gottesdienst am Sonntagvormittag Spenden sammeln und für das Konzert Werbung machen. Und über seinen Bruder kommt er an eine Bühne und Technik. Hast du ein vernünftiges Pressefoto? Die Zeitung bringt die Ankündigung dann am Samstag ...“

„Moment, ich hab doch noch gar nicht zugesagt.“

„Jordan, wir auf dem Dorf halten zusammen. Natürlich machst du das“, beschließe ich und meine Eltern und Klara nicken eifrig mit.

„Oh-kay, dann schätze ich, ich mache das ...“

„Ich seh dich heute Abend um fünf im Musikraum für die erste Probe. Nimm dir morgen nicht zu viel vor. Es gibt sicher viel abzusprechen.“

„Und ich dachte, das wird ein ruhiges Wochenende ...“

Von da ab ist Jordan entweder im Paradies oder oben im Zimmer um Songs zu üben. Auf jeden Fall sehen wir nicht mehr viel von ihm, bis wir am Sonntagnachmittag im Paradies ankommen. Meine Eltern werden von den Kindern gleich zum Sandkasten geführt. Klara und ich helfen beim Aufbau. Jordan ist nicht zu sehen. Aber Severin meint, er singt sich ein und kalibriert irgendwelche Instrumente oder so.

Kurz vor drei sind schon über 50 Leute da. Punkt drei – den offiziellen Beginn des Einlasses – sind es schon über 100. Viele Seelendorfer, aber auch Menschen mit großen Autos und Münchner Kennzeichen. Um viertel nach drei sind alle 200 aufgestellten Stühle besetzt und es kommen immer noch Menschen. Ein paar Bierbänke werden noch aufgebaut. Viele Leute müssen trotzdem stehen. Das scheint aber niemandem etwas auszumachen. Die Stimmung ist fröhlich und entspannt. Ich sitze mit meiner Familie und den Zwillingen auf einer Picknickdecke schräg neben der Bühne. Wir haben also den besten Blick auf Musiker und Publikum. Pünktlich um halb vier tritt Severin auf die Bühne.

„Meine lieben Freundinnen und Freunde, schön dass ihr alle da seid! Bevor es gleich losgeht, darf ich euch von Familie Al'Khaan ausrichten, wie dankbar sie für jede Unterstützung in den letzten Tagen sind. Die Eltern und die vier Kleinen haben wir heute in den Zoo geschickt. Ihnen wäre so viel Aufmerksam peinlich. Aber ihnen war es wichtig, ihre Dankbarkeit zu zeigen. Deshalb haben sie die halbe Nacht gebacken und für alle von euch traditionell persische Süßigkeiten gemacht. Ihr findet sie nachher am Buffet.“

Applaus von allen Seiten.

„So, und weil ihr ja nicht nur wegen der Süßigkeiten hier seid, darf ich jetzt zum Auftakt unseren Paradies-Chor unter der Leitung von Franzi Berger vorstellen. Die Bühne gehört euch!“

Der Chor singt zwei Lieder. Für das dritte Lied kommt Jordan dazu, in Lederjacke, zerrissenen Jeans, engem Shirt, Nietenschmuck. Mein Poster-Boy. Die Menge jubelt.

„Da ist Daddy“, flüstert mir April zu.

Er singt mit Franzi „I still haven't found what I'm looking for“ in einer Gospel-Version mit Percussion. Es hört sich wirklich total genial an und Jordans Stimme ist gigantisch. Das was er zuhause so aus dem Ärmel schüttelt, ist schon toll, aber jetzt gerade übertrifft er wirklich alles. Die Menge ist begeistert. Severin kommt wieder ans Mikrofon:

„Der Mann, auf den ihr alle gewartet habt! Begrüßt mit mir Jordan Bonanno !!!“

Ich wundere mich kurz, warum Severin diesen Namen benutzt, aber gut, ist halt sein Bühnenname. Die beiden umarmen sich, dann zieht Jordan sich einen Barhocker heran und setzt sich mit einer Western-Gitarre darauf. Franzi steht neben ihm, der restliche Chor geht von der Bühne.

„Vielen Dank, danke für den herzlichen Empfang. Ich freu mich, dass so Viele gekommen sind, um Familie Al'Khaan zu helfen. Und ihr sollt auch was dafür bekommen: Einen Frühlingsnachmittag voller Musik.“

Er streicht sich übers Gesicht, wie früher, als da noch Haare waren, die ihm in die Augen hingen.

„Mir ist heute nach Country“, grinst er und fühlt sich sichtlich wohl als Zentrum der Aufmerksamkeit. „Und mir ist heute danach, Limonade zu machen, wenn das Leben mir Zitronen gibt.“

„Well, I won't back down, no, I won't back down

You can stand me up at the gates of hell

But I won't back down

Gonna stand my ground, won't be turned around

And I'll keep this world from draggin' me down

Gonna stand my ground and I won't back down

Hey, baby, there ain't no easy way out

Hey, I will stand my ground and I won't back down

...“

Franzi und Jordan singen zweistimmig und mit einer unglaublichen Mischung aus Gefühl und Stärke. Ich bekomme Gänsehaut. Weil ich weiß, dass beide keine leichte Zeit hinter sich haben. Noah setzt sich zu uns auf die Decke.

„Sorry, voll zu spät. Darf ich?“

„Du sitzt ja jetzt schon“, grinse ich.

„Wahnsinn, die zwei, oder?“

„Psst“, macht Klara und schmachtet weiter zur Bühne.

Als der Song aus ist, muss Jordan erst mal eine Weile Applaus abwarten, bis er wieder zu Wort kommt.

„Vielen Dank, liebe Franzi, für die Begleitung und auch für die Orga. Das warst nämlich größtenteils du. Und ich würde sagen, wo du grad noch da bist und ich die Western-Gitarre in der Hand habe...“

Er spielt die ersten Töne von „Wicked Game“. Noahs und mein Blick treffen sich sofort. Er erinnert sich also auch noch an diesen Song, diesen Tanz, …

„The world was on fire and no one could save me but you

It's strange what desire will make foolish people do

I'd never dreamed that I'd meet somebody like you

And I'd never dreamed that I'd lose somebody like you

No, I don't want to fall in love …

...“

Überrascht schaue ich zu Jordan, als er diese Zeile singt und es sich absolut perfekt anhört. Dass er diese Bandbreite drauf hat, ohne Stimmtraining, hätte ich nicht gedacht. Meine Mum scheint genau so überrascht.

„Und das ohne Kopfstimme“, raunt sie mir begeistert zu.

„Und obwohl er gleichzeitig Gitarre spielt ...“, flüstert Klara.

Ich vergesse Noah und hänge an Jordans Lippen. Gleichzeitig spüre ich da auch diese Stimme in mir, die sagt: Du kannst diesen Menschen nicht für dich allein behalten. Er muss auf der Bühne stehen. Er muss Musik machen, Menschen begeistern. Das ist sein Talent, das macht ihn glücklich.

Das Lied ist viel zu schnell um. Ich hätte ihm noch lange zuhören können. Franzi verabschiedet sich von der Bühne und setzt sich zu Christian und ihren Kindern.

Jordan grinst:

„Zeit für was eigenes, oder?“

Er steht auf, lässt sich von einem Punk, der an der Seite der Bühne gestanden hat, eine E-Gitarre umhängen, stöpselt sie ein, sagt „Danke, Schröder!“ und spielt die ersten Töne von Red Snow. Offensichtlich erkennen viele im Publikum den Song sofort. Der Song, den Jordan mit und über Xander geschrieben hat … inklusive eines Gitarren-Solos bei dem sich jeder Normalsterbliche die Finger verknoten würde.

„…And so I do what’s worst for both of us,

anxious,

I move the blade so slow,

Red Snow.“

Nach dem Song trinkt Jordan was und muss kurz verschnaufen.

„Puh, so ganz allein hier oben ist das schon anstrengend“, erklärt er. „Deshalb hab ich für den nächsten Song wieder Unterstützung. Viele kennen ihn, als er vor einigen Jahren sein Glück in einer Castingshow versucht hat. Aber noch mehr kennen ihn sicher aus der Regensburger 'Höhle' wo er regelmäßig auftritt und die Punkherzen mit Popsongs zum schmelzen bringt. Komm zu mir, Ferdi Fuchseder!“

Aha, das ist also der Bruder vom Pfarrer. Ein ausgesprochen hübscher, aber auch ziemlich schnöselig angezogener Kerl. Sein Poloshirt und die Designerjeans verzeihe ich ihm aber sofort, als er die erste Zeile singt:

„And I'd give up forever to touch you

'Cause I know that you feel me somehow

You're the closest to heaven that I'll ever be

And I don't want to go home right now

And all I can taste is this moment

And all I can breathe is your life

And sooner or later it's over

I just don't wanna miss you tonight

And I don't want the world to see me

'Cause I don't think that they'd understand

When everything's meant to be broken

I just want you to know who I am

...“

Jordan spielt „nur“ Gitarre, während Ferdi den kompletten Gesang übernimmt – und Jordan dabei eigentlich in nichts nachsteht. Warum ist der Kerl nicht berühmt?!

„Ferdi Fuchseder, meine Lieben! Vielen Dank! … So, es ist jetzt über ein Jahrzehnt her, dass Summerskin diesen Song herausgebracht hat. Erinnert ihr euch an „Cold Sky beneath?“

Auch bei diesem Song hänge ich an Jordans Lippen – so wie das restliche Publikum.

„... Vielen Dank! Ich hab hier einen Musikwunsch bekommen, von Severin. Er wünscht sich 'Imagine' von John Lennon. Was meint ihr, habt ihr Lust drauf?“

Den Song singt das Publikum größtenteils mit.

„Wow … so lange wir zusammen Lieder singen, ist die Menschheit nicht verloren!“

Applaus!

„Männer und Gefühle. Auch im 21. Jahrhundert immer noch ein Thema. Immer noch Grund für Konflikte und Missverständnisse. Vielleicht sogar für Kriege. Liebe Männer, traut euch Fehler zuzugeben. Traut euch zu sagen, wenn ihr etwas nicht könnt. Traut euch auch mal schwach zu sein. Dieser Song ist für meinen Vater und für meinen Sohn. …

I would say I'm sorry

If I thought that it would change your mind

But I know that this time

I have said too much

Been too unkind

I tried to laugh about it

Cover it all up with lies

I tried to laugh about it

Hiding the tears in my eyes

'Cause boys don't cry ...“

„Könnt ihr noch?“

Die Menge kann noch.

„Der nächste Song hat Energie. Es ist voll geworden. Passt aufeinander auf.“

Ich schaue mich um. Inzwischen ist der ganze Garten voll. Das ganze Dorf scheint hier zu sein. Auch viele Jugendliche.

„Ich kenn den Song erst seit zwei Tagen, aber ich fand ihn so genial, dass ich ihn bringen muss. Und Schröder kenn ich auch erst seit zwei Tagen, aber find ihn so genial, dass er jetzt singen muss.“

Der Punk kommt mit einer E-Gitarre auf die Bühne, die er Jordan reicht. Er nimmt das Mikro und grölt:

„Seid ihr bereit für die Hosen?!“

„Yeah!!!“ Ist die Antwort der Menge. Zwei Leute stellen Hocker-Drums aus Holz auf die Bühne und setzen sich drauf.

Ich werfe einen Blick zu Mona rüber, die Jake und April gleich mal zu sich nimmt und sich mit ihnen noch weiter an den Rand stellt. Wenn jetzt echt ein Hosen-Song kommt, weiß ich nicht, was die Menge macht. Jordans E-Gitarre schnarrt los, ein bisschen dreckig, wie sich das gehört. Schröder singt flüsternd und irgendwie gefährlich:

„Whispering voices in my head

Sounds like they're calling my name

A heavy hand is shaking my bed

I'm waking up and I feel the strain

I'm feeling pushed again...“

Schröder kriecht über die Bühne, wie ein Raubtier, bis er plötzlich aufspringt und ein Großteil der Leute mit ihm, wie auf Kommando.

„I'm feeling pushed again

Why can't you just leave me alone?

Solitude is a faithful friend

Turn the lights off I'm not home

Can't you see, I don't need your help? …“

Jordan und seine E-Gitarre gehen ziemlich ab, die Leute springen auf und ab. Aber niemand flippt total aus. Keine Stühle fliegen um. Die Kinder springen fröhlich mit. Ich hätte nicht gedacht, dass das gut geht. Die beiden singen abwechselnd ins Mikro, heizen die Leute weiter an. Jordan schmeißt seine Jacke beiseite und steht im schwarzen Wife-Beater da, singt laut, kratzig und mit vollem Power und Schröder steht ihm dabei in nichts nach:

„Why can't you just leave me alone?

Solitude is a faithful friend

I'll sort my life out on my own

I just want this pressure to end

'Cause I'm sick of this pain in my head

And I'm scared I'm being pushed again ...“

Als der Song vorbei ist, ringt Jordan merklich nach Luft und schüttet sich eine Flasche Wasser über den Kopf. Schröder hüpft über die Bühne und hat offensichtlich noch eine Menge Energie übrig.

„Ich werde alt“, lacht Jordan.

Ich denke nur dran, dass er auf jeden Fall krank wird, wenn er bei 14 Grad im nassen Unterhemd rumsteht.

„Oh-mein-Gott, der Mann ist purer Sex“, raunt meine Schwester dem kichernden Noah zu.

„Hallo?!“

„Hey, wenn du nicht willst, dass ich deinen Kerl anhimmle, hättest du dir nicht mein Teeny-Idol angeln sollen“, lacht sie.

Irgendwer wirft Jordan ein Handtuch zu, in das er sich einwickelt.

„Ich weiß, ihr habt grad alle voll Bock auf laut und wild, aber ich brauch jetzt was Ruhiges. Für Mona: Pink Floyd 'Wish you were here'. Ach so, ich brauch noch meine andere Gitarre.“

Die bekommt er prompt gereicht. Die Leute setzen sich wieder. Einige packen Feuerzeuge aus, die sie schwenken. Dann kommt ein langes Gitarren-Intro zum runterkommen.

„So, so you think you can tell

Heaven from hell

Blue skies from pain

Can you tell a green field

From a cold steel rail?

A smile from a veil?

Do you think you can tell?

...“

Meine Eltern kuscheln sich aneinander und schunkeln ein bisschen. Klara verdreht die Augen, aber ich find's klasse.

„So, noch zwei Songs, dann bin ich durch“, grinst Jordan und schnauft. „Der hier war glaub ich hier in Deutschland der erfolgreichste Summerskin-Song. Also wehe ihr singt nicht mit.“

„Ink and Metal!“, schreit jemand im Publikum.

„Ganz genau“.

Tatsächlich singen viele im Publikum mit. Etwas wehmütig verkündet Jordan:

„So, wir kommen zum letzten Song. Und ich will mich gleich schon bedanken, bei allen, die heute dabei waren. Es war wirklich ein gutes Gefühl, bei euch zu sein. Und ich weiß, dass die Spendenkasse nachher klingeln wird. Wer etwas Vergleichbares mal erlebt hat, weiß, wie wichtig es ist, dass man eine Gemeinschaft hinter sich hat, die einem hilft. Vielen Dank, euch allen! Danke, dass ich für euch singen durfte. Und jetzt der letzte Song für heute. Einer meiner Lieblingssongs. Weil er ausdrückt, was Familie für mich ist. Ich möchte keine Sekunde mit meiner Familie missen. Ich brauch noch mal alle die heute dabei waren. Schröder an der Gitarre, Franzi und Ferdi, singt noch mal mit. Drums können wir auch noch mal brauchen. Lasst uns alle zusammen diesen letzten Song machen. ...

I could stay awake just to hear you breathing

Watch you smile while you are sleeping

While you're far away dreaming

I could spend my life in this sweet surrender

I could stay lost in this moment forever

Every moment spent with you is a moment I treasure

...

I don't want to fall asleep

'Cause I'd miss you baby

I don't want to miss a thing

'Cause even when I dream of you

The sweetest dream will never do

I'd still miss you baby

And I don't want to miss a thing …. Dankeschön! Vielen vielen Dank euch allen. Jetzt esst, trinkt und tut Gutes!“

Jordan legt das Mikro ab, springt von der Bühne und verschwindet erst mal. Weise Entscheidung, sonst wäre er jetzt sicher vom kompletten Publikum belagert worden. Außerdem braucht er dringend trockene Klamotten. Severin erklärt, dass das Buffet eröffnet ist und weist drauf hin, wo die Spenden-Kassen stehen. Die Leute klatschen und freuen sich und setzten sich in Bewegung – entweder zum Essen oder viele auch, um zu gehen und auf dem Weg noch ein paar Scheine dazulassen. Es ist schon ziemlich dunkel, was Jake gruselig findet. Ich bespreche mich kurz mit meinen Eltern und wir entscheiden, dass Noah und Klara zum Aufräumen bleiben und ich erst mal mit meinen Eltern heimfahre, um die Zwillinge bettfertig zu machen. Ich schnappe also nur ein paar Scheiben Brot und Eier vom Buffet, damit die Kinder im Auto Abendessen können. Dann schreibe ich Jordan den Plan und dass ich ihn großartig fand und kaum abwarten kann, bis er heute Nacht neben mir im Bett liegt.

Auf dem Weg zum Auto treffe ich Paul in einer Gruppe von Leuten – mit Rastern bis zum Po und den gleichen Leinenklamotten, wie schon immer, schaut er eigentlich aus wie früher.

„Paul!“

Meine Eltern gehen schon mal mit den Zwillingen weiter.

„David!“, freut er sich und umarmt mich. „Ich dachte mir schon, dass du hier doch irgendwo sein müsstest ...“

„Ja, ich bin aber grad auf dem Weg, die Kinder ins Bett zu bringen. Bleibst du noch eine Weile?“

„Auf jeden Fall. Das Konzert war sowas von geil und jetzt gleich gehen wir noch ans Buffet. Leute? Das ist David, mein bester Freund aus Schulzeiten. Wenn wir Glück haben, kann er uns nachher den Star des heutigen Abends vorstellen.“

„Kriegen wir auf jeden Fall hin. Ich bin spätestens in einer Stunde wieder da.“

Rieche ich da Gras? Ich rieche definitiv Gras. Ich nehme mir vor, mich mit dem zurückkommen zu beeilen, um ein Auge auf Jordan haben zu können.

Natürlich läuft es nicht so, wie ich mir das vorstelle. April verschmäht Brot und Eier und muss Zuhause noch mit Reis und Gurken versorgt werden, Jake hat keine Lust, sich umzuziehen und beide tun sich schwer, nach dem aufregenden Nachmittag einzuschlafen, so dass ich erst knapp zwei Stunden später wieder im Paradies ankomme.

Zu meiner Überraschung sind aber immer noch viele Leute im Garten. Die Bühne und die Stühle sind verschwunden, dafür leuchten Lichterketten und an einer improvisierten Bar wird Bier und Wein verkauft. Von Jordan keine Spur. Klara und Noah sind auch nicht zu sehen. Ich schau auf mein Handy. Jordan hat meine Nachricht noch nicht mal gelesen …

„David!“ Paul winkt mich rüber. „Da bist du ja wieder!“

„Ja, hat etwas länger gedauert.“

„Hier ist immer noch voll die gute Stimmung. Das Essen ist gut weggegangen, alle haben beim aufräumen geholfen und Severin Kaiser hat verkündet, dass bei der ersten Zählung schon fast 9.000 Euro gespendet wurden. Das ist jetzt sicher noch mal mehr geworden.“

„Super, das freut mich“, sage ich, renke mir aber den Hals nach Jordan aus.

„Suchst du Jordan?“

„Ja, er hat meine Nachricht noch nicht gelesen. Ich frag mich, wo er steckt ...“

„Vorhin war er da, hat ungefähr eine Million Autogramme geschrieben und für mindestens genau so viele Fotos posiert. Aber seit einer halben Stunde ist er verschwunden.“

„Okay, sei mir nicht bös, ich such ihn erst mal und komm später zum Ratschen.“

„Klar, kein Ding.“

Er ist definitiv nicht im Garten, deshalb geh ich ins Paradies und höre schon von weitem Stimmen aus dem Essensraum. Da haben Leute Spaß, lachen, reden wild durcheinander. Ich spähe durch die Tür. Tatsächlich sitzen da etwa 20 Leute um den Tisch. Mittendrin und von allen bewundert, mein lieber Jordan. Ich schau eine Weile dabei zu, wie er mit Severin scherzt, dem Freiherrn Leon was zutuschelt, irgendwas zu Klara rüber gestikuliert, die kichernd neben Noah sitzt. Auch ein paar Punks, die beim Bühnenaufbau geholfen haben, sind dabei. Und Ferdi Fuchseder. Es steht reichlich Bier und Wein am Tisch. Alle haben sichtlich Spaß. Vor allem Jordan. Irgendwas stört mich daran. Er hätte doch wenigstens mal kurz auf sein Handy schauen können. Und er müsste wirklich nicht so nah am Freiherrn drankleben.

„Nah, verrückte Meute, hm?“, fragt Christian plötzlich hinter mir.

„Du hast mich beim Spionieren erwischt.“

„Was dagegen, wenn ich Mit-Spioniere?“

„Warum spionieren wir eigentlich, statt mit am Tisch zu sitzen und Spaß zu haben?“, frage ich.

„Vermutlich, weil wir uns fühlen, als würden wir nicht dazugehören, zu den Schönen und Reichen und Künstlerischen da drinnen ...“

„Wir stehen also hier, weil wir zu spießig sind, da rein zu gehen?“

„Und weil wir uns manchmal fragen, wie wir eigentlich da hin passen … an die Seite unserer Liebsten … Und … jetzt lehn ich mich ein Stück weit aus dem Fenster, aber vielleicht auch, weil wir sehen wollen, was da eigentlich zwischen Jordan und Severin vor sich geht ...“

Überrascht drehe ich mich zu ihm:

„Machst du dir deshalb Sorgen?“

Er zuckt die Schultern: „Naja, ich fühl mich nicht so, als könnte ich mit Jordan konkurrieren ...“

„Musst du doch auch nicht. Jordan und Severin sind Freunde. Sie verstehen sich gut ...“

„Also bin ich umsonst eifersüchtig?“, fragt Christian.

„Ja. Da bin ich mir absolut sicher“, behaupte ich.

„Bin ich bescheuert, weil ich jetzt lieber über meiner Arbeit im Büro sitzen würde, statt hier zu stehen und mich selbst niederzumachen, weil ich 'bloß' ein ganz normaler Kerl bin?“

„Bin ich bescheuert, weil ich jetzt lieber meinen Kindern beim Schlafen zuschauen würde als diesen fremden Jordan Bonnano beim Star-sein?“

„Sollen wir erst Mal sehen, ob wir draußen noch was zu Essen finden? Die beiden laufen uns nicht weg ...“

„Gute Idee.“

Ich stelle Christian also Paul und den Leuten, die sich als seine Arbeitskollegen rausstellen, vor. Außerdem schleppe ich Paul zu Susa. Die zwei haben von Anfang an viele Themen und eine gute Chemie und unterhalten sich ziemlich lange. Ich unterhalte mich mit vielen verschiedenen Leuten – aus Seelendorf, aus dem Paradies, aus München, aus Regensburg. Irgendwann gegen neun, als das Buffet leergefegt ist, brechen dann doch die meisten Leute auf. Die Gruppe von drinnen kommt raus in den Garten. Sofort ist Jordan so ziemlich von allen restlichen Anwesenden belagert. Jeder will ein paar Sätze mit ihm wechseln. Er arbeitet alle nacheinander freundlich und höflich ab.

Klara und Paul begrüßen sich mit einer Umarmung. Noah verabschiedet sich. Er muss den letzten Zug nach München schaffen. Von irgendwo her zieht schon wieder Gras-Duft herüber. Ich will nach Hause … aber Jordan ist immer noch umzingelt. Plötzlich sieht er mich, unsere Blicke treffen sich. Er strahlt und drängelt sich sofort durch die Leute, um zu mir zu kommen. Sein Blick lässt mich die ganze Zeit nicht los. Er bleibt dicht vor mir stehen:

„Ich warte schon den ganzen Abend drauf, das tun zu können.“

Er küsst mich. Hinter ihm grölen und pfeifen ein paar Punks.

„Wuuuuhuuu!“

Ich spüre, dass Jordan grinsen muss:

„Solche Idioten“, lacht er und küsst mich weiter.

„Wo warst du den ganzen Abend?“, flüstert er, ohne mich loszulassen. „Ich hab dich nie gesehen ...“

„Ich hab noch die Kinder versorgt. Hat länger gedauert.“

„Alles klar bei den beiden?“

„Ja, war nur alles sehr aufregend.“

„Kannst du versuchen, mich demnächst loszueisen? Ich will heim und in deinem Arm einschlafen ...“

„Wirklich? Ich dachte, du genießt das Bad in der Menge?“

„Ich bin müde ...“

„Okay, dann noch eine Abschiedsrunde und ab nach Hause?“

„Hört sich gut an.“

Er legt seinen Arm um mich und stellt mich den ganzen Regensburger Punks vor als wäre ich eine Trophäe. Er erklärt, dass er mich jetzt dringend ins Bett bringen muss, woraufhin die Jungs „Höhöhö“ machen. Wir verabschieden uns von Leon und Basti, von Ferdi, sagen noch kurz Paul und seinen Kollegen hallo, umarmen Severin, Franzi und Susa, bekommen von Klara einen Wink, dass wir ohne sie fahren sollen, reden noch kurz mit jemandem von der Lokalzeitung, winken Christian zu und schütteln einen nervigen Kerl ab, der uns noch ein Gespräch ins Knie schrauben will. Dann sind wir endlich beim Auto. Ich halte Jordan die Beifahrertür auf.

„Das was anstrengend“, ächzt er beim Einsteigen.

„Hast du was gegessen?“

Er überlegt: „Glaub nicht.“

Ich rolle die Augen: „Wenn man dich mal alleine lässt. Ich mach dir daheim noch was.“

„Mir ist kalt ...“

„Wehe, du wirst mir krank … Im Unterhemd im März, da wäre es echt kein Wunder.“

„In dem Moment, in dem ich die Jacke weggeschmissen hab, wusste ich, dass du im Publikum sitzt und genau das denkst.“

Ich krame auf dem Rücksitz herum und finde Aprils lila Kuscheldecke, die ich Jordan grinsend reiche.

„War es für dich heute okay?“, will er wissen, als ich den Motor starte.

„Jeden Tag bräuchte ich den Stress nicht. Aber es war ja für einen guten Zweck ...“

„Jeden Tag bräuchte ich das auch nicht mehr. Ich frag mich echt, wie ich das früher ausgehalten habe.“

„Wirklich? Es sah so aus, als würdest du es genießen.“

„Ja, die Bühne schon, aber das danach … Egal, jetzt ist es ja geschafft. Und wir machen uns jetzt noch ein paar ruhige Tage, bevor es zurück in die Staaten geht.“

„Da freu ich mich drauf“, sage ich und drücke seine Hand, die auf meinem Oberschenkel liegt.

„Mit wem Klara heute wohl heim geht?“, fragt Jordan.

„Ich nehme an, mit Paul. Aber so genau will ich es gar nicht wissen. … Das war heute sicher ein ganz schöner Ego-Boost für dich, oder?“

„Was meinst du?“

„So viele schwule Männer, die alle an deinen Lippen hängen ...“

„Eifersüchtig?“, grinst er.

„Ziemlich.“

„Du bist der einzige Groupie, den ich brauche.“

„Du warst heute wirklich fantastisch, Liebling ...“

„Ja, ich war gut drauf ...“

„Willst du nicht doch wieder öfter auf die Bühne?“

„Ruhm ist so ähnlich wie Alkohol. Man fühlt sich schnell sehr gut, aber der nächste Morgen ist hart. Ich brauch das echt nicht mehr.“

„Schade um dein Talent ...“

„Äh, David, ich dachte, du bist froh, dass ich in der Richtung gerade nichts plane.“

„Bin ich auch. Gleichzeitig hast du heute wirklich sehr glücklich gewirkt, auf der Bühne. So als wäre das dein natürlicher Lebensraum, weißt du?“

„Ja, aber ich weiß auch, was hinter den Kulissen so alles abgeht. Und dafür bin ich nicht stabil genug. Vielleicht irgendwann wieder. Aber gerade sollte ich einen großen Bogen um das alles machen.“

„Um was genau? Drogen?“

„Drogen, Fremde, die Sex mit mir wollen und mich nicht als Menschen sehen, Stress, Schlafmangel, Verträge, die um jeden Preis erfüllt werden müssen. Normalerweise stellt dir nicht einfach jemand eine Bühne auf und sagt 'Sing, was du willst'.“

„Wer wollte heute mit dir Sex?“, frage ich, weil ich einen komischen Unterton höre.

„Wer nicht?“, fragt er kokett, aber so leicht lasse ich ihn nicht davonkommen.

„Wer genau?“

„Ist doch egal...“

„Der Freiherr?“

„David, ganz ehrlich, er war nicht der Einzige. Und das ist auch ganz normal, damit muss man umgehen, wenn man sich halbnackt auf eine Bühne stellt ...“

„Äh, nein! Nur weil du heiß bist, bist du doch noch lange kein Freiwild!“

„Naja, wenn ich nicht aussehen würde wie ich aussehe, wäre ich wahrscheinlich nicht so erfolgreich gewesen. Die Schattenseiten gehören da also irgendwie dazu und es wäre heuchlerisch, sich darüber aufzuregen.“

„Sehe ich völlig anders! Du bist so erfolgreich gewesen, weil du ein verdammt guter Musiker bist. Und weil du mit ein paar Worten einen ganzen Roman im Kopf entstehen lassen kannst. Wie du aussiehst, sollte dabei völlig egal sein.“

„Das ist aber naiv ...“

„Jordan! Niemand hat das Recht, dir zu nahe zu kommen, nur weil du nackte Haut zeigst.“

„Können wir zuhause weiterreden? Konzentrier dich lieber auf's Autofahren ...“

Ich biege in einen Feldweg ein und stelle den Motor ab.

„So, jetzt können wir in Ruhe reden.“

„David, du machst da eine viel zu große Sache drauß. Und es gibt auch nicht wirklich konkret was zu besprechen. Es ist einfach irgendwie gruslig, wenn alle mir einen Kuss auf die Wange drücken wollen, auf dem Foto nach meinen Armmuskeln greifen, mir total persönliche Fragen stellen … die Leute halten einfach keinen Abstand, weil sie das Gefühl haben, mich zu kennen. Ich kenn sie aber nicht ...“

„Jordan, ich hab grad echt ein komisches Gefühl. So als würdest du mir was verschweigen.“

„Nein, es ist nur … das triggert mich irgendwie … diese ungebetenen Berührungen.“

Er redet nicht weiter.

„Willie...?“, frage ich vorsichtig.

Er atmet hörbar aus. Dann nickt er:

„Manchmal, wenn mich plötzlich jemand anfasst, ist es, als wäre ich wieder dort, in der Klo-Kabine, mit meinem Gesicht gegen die Fliesen gedrückt. Ich erinnere mich wieder, wie weh es tat, als er … als er in mich ...als er ...“

Jordan kann nicht weiterreden. Ich frage:

„Als er dich vergewaltigt hat?“

Er nickt und ich würde ihn am liebsten in den Arm nehmen. Aber ich weiß, dass er gerade keinen Körperkontakt gebrauchen kann. Stattdessen schaue ich ihn an und warte, dass er weiterredet.

„Ich wollte nicht, dass jemand erfährt, was passiert ist. Ich wollte, dass alle glauben, es sei nicht so weit gekommen, weil ich es dann besser beiseite schieben konnte. Ich wollte nicht, dass ich nur noch als Opfer gesehen werde ...“

Meine Fingernägel krallen sich in meine Handfläche.

„Es muss die Hölle für dich sein, wenn du so von Fans umzingelt wirst, die alle ein Stück von dir wollen.“

Er nickt: „Ja, deshalb könnte ich mir nicht vorstellen, das wieder öfter zu machen.“

„Du weißt, was PTSD ist, oder?“

„Ja … ich werde nächste Woche in der Therapie drüber reden ...“

„Es tut mir Leid, dass ich nicht früher da war, um dich da rauszuholen. Ich hatte keine Ahnung, dass dein Abend so schlimm ist ...“

„Konntest du auch nicht haben. Ich will jetzt einfach heim und in deinen Arm, okay?“

„Okay.“

Meine Eltern sitzen im Wohnzimmer.

„Wir sind wieder da.“

„Jordan!“, freut sich meine Mutter und umarmt ihn. „Das war heute großartig. Mit dieser Stimme und dieser Bühnenpräsenz musst du unbedingt wieder ins Showgeschäft!“

„Danke“, grinst Jordan überzeugend und lässt sich auch von meinem Vater umarmen.

„Glückwunsch, Junge. Tolle Show.“

„Danke, Gert.“

„Jordan ist ziemlich müde. Wir gehen gleich hoch.“

„Soll ich euch noch was zu essen hochbringen?“, fragt meine Mutter und reicht mir das Babyphone.

Ich frage Jordan mit einem Blick. Er nickt:

„Das wäre toll, ich hab seit dem Frühstück nichts mehr gegessen ...“

Als wir bettfertig aus dem Bad kommen, stehen schon zwei Teller mit Käsebroten, Karottensticks und zwei Schokopuddings auf dem Tischchen neben dem Bett.

„Das nenn ich Service.“

„Deine Eltern sind wirklich toll.“

„Hau rein, ich brauch nur noch Pudding. Ich hab noch was vom Buffet abbekommen.“

„Muss ich jetzt nochmal Zähneputzen?“, fragt Jordan, als er aufgegessen hat, in bester Gwen-Manier.

„Na ich glaub, wir können da heute mal eine Ausnahme machen“, antworte ich gönnerhaft und lege mich hin. „Komm her.“

Jordan schmiegt sich in meinen Arm und entspannt sich merklich.

„Wahrscheinlich hast du dir eigentlich erhofft, dass Jordan Bonanno heute mit dir die Nacht verbringt. Und stattdessen bin es bloß ich, mit all meinen Dramen und Neurosen.“

„Ich liebe dich, Jordan Wieauchimmer. Mit all deinen Dramen und Neurosen.“

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