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Projekt Jonas

Weihnachtschallenge 2008

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"Das war's. Ich bin weg!"

Die Tür knallt zu, die Treppe wird hinunter gestampft, die Haustür schnappt ins Schloss.

Ja, in der Tat … das war's. Ich habe seit eben keinen Freund mehr. Okay, Roman war gar nicht mein richtiger Freund. Eher so was wie … ein Bettgenosse, Sexkumpan, Fick-Bekanntschaft. Obwohl, befreundet waren wir schon auch, irgendwie. Hatten bloß keine feste Beziehung. Jeder konnte tun und lassen, was er wollte. Das funktionierte total gut. Bis wir uns bei diesem Typen in die Quere kamen. Roman war scharf auf ihn, aber ich hatte den Süßen zuerst gesehen, also machte ich ihn klar. Keine große Sache, weiß gar nicht, warum mein frischgebackener Ex sich darüber dermaßen aufgeregt hat. Deshalb sofort Schluss zu machen, halte ich jedenfalls für stark übertrieben. Sicher steht er spätestens übermorgen wieder auf der Matte und bettelt, dass ich ihn zurücknehme.


Mh, die Sache mit Roman ist jetzt über eine Woche her. Die blöde Sau scheint ernst zu machen. Gestern im 'Eishaus' hat er mich völlig links liegen gelassen, obwohl ich versucht habe, mit ihm so etwas wie eine Unterhaltung zu führen. Hat sich einfach umgedreht, an seinem Drink genuckelt und getan, als sei ich nicht da. Dabei hatte ich ihm seine Schlussmacherei eigentlich schon fast verziehen und wäre möglicherweise sogar mit ihm ins Bett gegangen. Na ja, ich hab's nicht nötig, jemandem hinterher zu laufen. Wenn er meint … von mir aus.

Jedenfalls checkte ich die Jungs und musste feststellen: alles nur Pfeifen! Ein paar waren obenrum nackt und ließen im flackernden Discolicht ihre Muskeln spielen. Das verursachte bei mir keinerlei Entzücken. Auf Muskeln stehe ich überhaupt nicht. Im Gegensatz zu Roman. Der ist nicht sehr wählerisch. Der nimmt alles, was er kriegen kann. Er zog dann auch später mit irgendeinem Grottenolm ab, während ich mir die Kante gab. Die Jungs wurden im Suff leider auch nicht schöner, also ging ich gefrustet und unbefriedigt nach Hause.

Die Quittung für die vielen Drinks gestern spüre ich immer noch sehr deutlich. In meinem Schädel sind klitzekleine Bauarbeiter mit Pressluftgerätschaften zugange. Es bollert und pocht und rumpelt. Wenigstens hab ich mich aber seit mehreren Stunden nicht mehr übergeben.

"Hallo Sonnenschein.", brüllt Jan, stampft durch mein Zimmer und zieht die Vorhänge auf.

Das Licht bringt mich fast um. "Hier stinkt's wie in 'ner Kneipe."

"Verpiss dich.", zische ich vorsichtig, "Aber bitte leise."

Mein vierundzwanzigjähriger Arschloch-Bruder denkt natürlich gar nicht dran, mich in Frieden zu lassen. Mit einem Ruck zieht er mir die Bettdecke weg und ich liege völlig im Freien.

"Ups.", kichert er, "seit wann schläfst'n du nackig?"

"Ich hab auf mein Schlafshirt gebrochen.", murmele ich weinerlich und versuche Mitleid zu erwecken.

Jan wirft naserümpfend die Decke über mich. "Bloß keine Details. Was besäufst du dich denn so?"

"Machst du mir 'nen Tee?"

"Auf keinen Fall, Schluckspecht.", lacht er sich kaputt.

"Dann verschwinde … ich schlaf noch 'ne Runde."

"Tut mir leid, Kleiner. Du weißt, dass heute das Geburtstagsessen stattfindet und Sophie hat mir aufgetragen, dafür zu sorgen, dass du auf jeden Fall dabei bist. Weiß der Teufel, warum ihr das dermaßen wichtig ist."

"Soll ich vielleicht über die festlich gedeckte Tafel kotzen? Mir ist schlecht, verdammte Scheiße."

"Und ich will keinen Stress mit der Mutter meiner zukünftigen Kinder riskieren. Wenn du in fünf Minuten nicht auf bist, kippe ich dir einen Eimer Wasser über den Kopf."

Au weia … Jan ist alles zuzutrauen. Mühsam schleppe ich mich aus dem Bett, dusche zwei Sekunden und ziehe mir Klamotten an, die günstigerweise grad so rumliegen.

Geburtstagsessen … mir kommt's schon hoch, wenn ich nur dran denke. Warum muss man überhaupt Geburtstag feiern? Und warum zum Teufel will die Freundin meines sackartig dämlichen Bruders, dass ich dabei bin? Ich raff das einfach nicht. Wenn's jetzt eine coole Party wäre, okay! Aber das Essen ist für Familie und Verwandte. Und davon hat Sophie eine ganze Menge. So viele, dass ich noch nicht einmal alle kenne. Dabei sind Jan und Sophie schon vier Jahre zusammen … es gab also bereits etliche Familienfeste. Heute soll's aber nur der kleine Kreis sein. Das ist fast noch schlimmer, weil man da so furchtbar belauert wird und nicht einfach in der Masse untergehen kann. Ich möchte wetten, Sophie lädt mich aus lauter Gehässigkeit immer wieder ein. Sie weiß ganz genau, dass ich's zum Kotzen finde.

"Adrian … ah, ich freue mich so, dass du da bist.", lächelt meine zukünftige Schwägerin fies.

"Alles Gute zum Geburtstag.", sage ich artig und umarme sie. "Ich hasse dich.", flüstere ich ihr dabei ins Ohr.

"Ich dich auch.", giggelt sie und schmatzt mir einen Kuss auf die Wange.

Nach Sophie werde ich gezwungen, ihre Eltern zu begrüßen. Und die Oma. Und Tante Evelyn plus Ehemann. Die Kinder der Beiden sind zum Glück nicht mitgekommen. Meine eigenen Eltern sind vor zweieinhalb Jahren nach Madeira ausgewandert und haben sich somit schön aus der Affäre gezogen. Ich beneide sie momentan sehr. Ansonsten bin ich aber durchaus zufrieden mit der Situation. Anfangs gab's natürlich heftige Diskussionen, weil ich hier bleiben wollte, aber unbedingt mit auswandern sollte. Na ja, ich kann sehr hartnäckig sein, wenn ich was will oder nicht will und meine Eltern waren dann irgendwie der Meinung, ich sei bei meinem sieben Jahre älteren Bruder gut aufgehoben … die armen Irren. Jan hat mir nicht nur gezeigt, wie man anständige Partys feiert, er hat mir auch das Saufen beigebracht. Das Kiffen ebenfalls, obwohl ich eigentlich nicht besonders für Drogen zu begeistern bin. Bloß wie Sex geht, wusste ich von alleine. Da hätte Jan mir auch kaum helfen können … wo er doch auf Frauen steht.

So, also der Tisch ist gedeckt und ich werde (Vielen Dank, Schwägerin!!) neben die Oma gesetzt.

"Raphael, setz dich doch da vorne hin.", drängelt Sophies Mama.

Da vorne bedeutet links von mir. Und der Typ heißt nicht nur wie ein Engel, der sieht auch aus wie einer. Blonde, halblange Locken und eine Visage zum Abschlecken. Wer zum Arsch ist das und wieso hab ich den noch nie gesehen? Er scheint ja wohl verwandt zu sein. Leider kann ich ihn erstmal nicht fragen, weil die Oma mich in ein Gespräch verwickelt und dann wird auch schon die Vorspeise hereingetragen. Es ist … ein Käsesüppchen!! Na, fabelhaft. Mir dreht sich mehrere Male der Magen um. Ich hasse Suppen und ich hasse Käse. Außer auf Pizza, Lasagne oder anderen überbackenen Gerichten. Weil ich jedoch außerordentlich gut erzogen bin, nehme ich todesmutig drei Löffel und spüle sie mit reichlich Mineralwasser runter. Der Engel nebenan scheint auch nicht viel mit Käsesuppe am Hut zu haben. Der hat bereits nach einem Löffel dezent aufgegeben. Ich warte ängstlich auf den nächsten Gang. Wenn Sophies Eltern Essen ausrichten, braucht man starke Nerven und einen Pferdemagen. Ich habe beides nicht, allerdings jetzt eine Roulade mit Knödeln, Soße und Rotkohl vor mir stehen. Ach du meine Güte!

"In meiner Roulade ist ein Würstchen.", flüstert es betroffen in mein linkes Ohr.

Ich untersuche mein zusammengerolltes Stück Fleisch. "In meiner auch.", flüstere ich betroffen zurück.

Die Oma macht das einzig Richtige. Sie fischt das Würstchen heraus und legt es an den Rand des Tellers. Nun kann sie relativ gefahrlos essen.

"Neumodischer Kram.", zischt sie. "Ich habe meiner Tochter eigenhändig beigebracht, dass in eine gescheite Roulade Hackfleisch gehört. Sicher hat sie das hier …", sie deutet mit dem Messer auf die Wurst, "… in einer von diesen Kochsendungen gesehen."

"Was tust du eigentlich hier?", frage ich Raphael.

"Mir den Magen verderben."

"Ich meine … so überhaupt."

"Ich bin Sophies Cousin.", behauptet er.

"Und warum hab ich dich dann noch nie gesehen?" So eine Schönheit wäre mir doch aufgefallen.

"Weil ich mich bis jetzt sehr erfolgreich drücken konnte."

"Vier Jahre lang?"

"Bewundernswert, nicht wahr.", grinst er.

Wohl eher beneidenswert! Schaudernd denke ich an all die Schweinebraten, Eisbeine, Suppen, Ekelhaftigkeitsgerichte, die ich über mich ergehen lassen musste. "In der Tat.", nicke ich.

"Zum Nachtisch gibt's Vanillemousse auf einem Himbeerspiegel. Also was ganz Harmloses. Ich heiße übrigens Raphael.", strahlt er, dass mir ganz schummrig wird.

"Hab ich eben mitbekommen. Adrian."

"Dann bist du Jans Bruder.", beschließt er.

Nach dem Dessert hat Raphael es plötzlich sehr eilig. Und weil Sophies Vater mir grad eine konfuse Geschichte über eine Leiche mit abgetrenntem Kopf erzählt, kann ich mich weder vernünftig von ihm verabschieden, noch fragen, ob man sich vielleicht mal trifft. Scheiße, verdammte!

"Sag mal … der Raphael … was is'n das für Einer?", frage ich beiläufig am nächsten Tag beim Frühstück.

Mein schwachmatischer Bruder tunkt sein Schokobrötchen in den Milchkaffee.

"Mh?"

"Sophies Cousin.", helfe ich ihm auf die Sprünge.

"Ach so. Hä? Wie, was soll'n das für Einer sein? Versteh ich nicht."

Ich hasse Jan. Der versteht ganz genau, der alte Kacker. "Na ja, wieso weiß ich zum Beispiel nicht, dass deine Frau einen Cousin hat?"

Jan fischt sein labberiges Stück Brötchen aus der Tasse. "Seit wann interessierst du dich für Sophies Familie?"

Ich nehme an, das hier macht ihm sehr großen Spaß. Mir reißt allerdings gleich der Geduldsfaden.

"Ahhh … weil er hübsch ist, oder? Haste dich verknallt?"

"Ich kenne den drei Sekunden."

"Bei Sophie und mir war es auch Liebe auf den ersten Blick.", erklärt er und bekommt diesen ekelhaft verträumten Ausdruck.

"Ich hab sie gesehen … sie hat mich gesehen und WUMM!"

"Ja, okay … können wir zu den wichtigen Dingen zurückkommen?"

"Wenn du wissen willst, ob er schwul ist … keine Ahnung. Und frag bloß nicht Sophie. Die wird's dir sicher nicht sagen, wenn's so sein sollte. Sophie ist keine Tratschtante und bei solchen Sachen schon überhaupt nicht."

"Ich will doch einfach nur wissen, was er so macht.", japse ich verzweifelt.

"Zur Schule geht er halt, was sonst?! Ich glaube, er malt. Sophie erwähnte das mal."

"Er malt? Was denn?"

Jan glotzt mich an, als sei ich blöde. "Bilder?", schlägt er vor.

"Und sonst? Geht er gerne aus, oder was?"

"Also darüber rede ich mit Sophie nun wirklich nicht."

Wenn er noch ein einziges Mal den Namen Sophie ausspricht, werde ich zum Elch!

"Aber …", lächelt er überheblich, "… ich könnte mir vorstellen, dass Raphael nicht unbedingt so ein Partytier ist wie du. Ich könnte mir weiterhin vorstellen, dass er gerne ins Museum geht … wo er doch malt. Und dass er möglicherweise eher still und zurückhaltend ist. Jemand, der nicht bloß saufen und ficken im Kopf hat, sondern auf intelligente Gespräche steht. Somit hättet ihr keinerlei Gemeinsamkeiten … also vergiss ihn."

Will der mir etwa damit sagen, dass ich … ey, das ist ja wohl total unverschämt! Ich bin doch kein oberflächliches Arschloch. "Hast du zufällig seine Telefonnummer?"

Er schüttelt den Kopf und verlässt die Küche. Phh … frag ich eben Sophie.


Ich war das letzte Mal in der sechsten Klasse im Museum. Das war fast so langweilig wie heute. Ich meine, überall hängen hässliche Bilder, die irgendwas aussagen sollen. Was genau ist mir schleierhaft, weil ich bloß Farbgekleckse erkennen kann. Abstrakter Scheiß … ich find's zum Kotzen. Vor einem Jahr war ich mit Roman in Paris im Louvre, da hab sogar ich Banause ehrfürchtig einige Sachen bestaunt. Aber nicht die ippelige Mona Lisa. Weiß gar nicht, warum alle Welt so'n Hype darum macht. Ich bin jedenfalls erstmal total dran vorbeigelatscht, weil das verfickte Bild eben so verflucht klein ist. Die Tatsache, dass es in einem Glaskasten hängt, damit man es überhaupt bemerkt, sagt ja wohl alles.

"Adrian?"

Ahhh … ein Engel betritt den Raum!

"Hi."

"Was machst du denn hier?"

"Bilder angucken.", erkläre ich, als würde ich nie was anderes tun.

"Du interessierst dich für Kunst?"

"Klar, ich liebe Kunst.", lüge ich.

"Das da?", fragt er auf ein Bild deutend, das auch gut von einem durchgeknallten Schimpansen stammen könnte.

"Ja, das ist doch sehr … äh … intensiv. Und die … ähem … Farbkomposition ist total ungewöhnlich.", stammele ich komplett ahnungslos.

Raphael legt einen Finger an die Lippen. "Findest du? Mh, also ich sehe da bloß Rumgeschmiere. Intensiv ist bei mir nur das Gefühl, brechen zu müssen, wenn ich noch länger da drauf gucke. Hast du Lust, mit mir einen Kakao zu trinken?"

"Gerne.", schnaufe ich dankbar.

Hier im Museum gibt's netterweise ein Restaurant. Leider ist der Kakao viel zu teuer und viel zu stark. Trinkbar ist der lediglich mit haufenweise Zucker und Kaffeesahne. Raphael hat sich übrigens vorsichtshalber einen Tee bestellt und ist somit auf der sicheren Seite, während ich kurz vorm Zuckerschock stehe.

"Und …", grinst er, "… hat sich dein Magen inzwischen erholt?"

"Wohl kaum.", murmele ich und schiebe angewidert mein Gesöff zur Seite.

"Ist schon eigenartig, oder? Ich meine, dass wir uns zufällig hier treffen."

"Na ja, so ganz zufällig ist das nicht.", gebe ich zu. "Ja,n hat mir den Tipp gegeben, weil … ich wollte dich halt wiedersehen."

"Ach ja? Wieso denn?"

"Du gefällst mir." Warum nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, richtig?!

"Oh … .", lächelt er schüchtern. "Bist du immer so … forsch?"

"Wenn ich was haben will … schon, ja."

Seine Wangen verfärben sich leicht. "Mh, und es macht dir anscheinend nichts aus, mich in Verlegenheit zu bringen."

"Sorry. Soll ich lieber einen Gang runter schalten?"

"Ich weiß was Besseres.", erklärt er und steht auf. "Ich hol mir Kuchen. Willst du auch?"

"Nein danke, ich bin bereits überzuckert."

Raphael kommt mit einem bemerkenswert beladenen Teller zurück und beginnt glücklich, das sahnige Zeug in sich hineinzuschaufeln. Meine Güte … kann der essen!!

"Hast du keine Angst, dass dir das Zeugs aus den Ohren quillt, wenn du so weitermachst?"

"Nee.", mampft er. "Da drin …", er deutet auf seinen Bauch, "… ist eine Menge Platz."

Oh Mann, ich könnte ihn augenblicklich mit der Sahne einschmieren und von Kopf bis Fuß abschlecken.

"Na, das gäb ja eine feine Sauerei.", giggelt er.

Teufel noch eins … ich werde das eben doch wohl nicht aus Versehen laut gesagt haben?! Bin ich des Wahnsinns?? "Entschuldigung.", entschuldige ich mich mit glühend heißen Wangen und schwitzigen Fußsohlen.

"Kein Problem.", winkt er ab. "Und … was haben wir gleich noch vor?"

"Wir?"

"Logisch. Bist doch extra wegen mir hergekommen, ja? Also musst du etwas geplant haben."

"Muss ich?"

"Allerdings.", nickt er. "Wenn ich dir gefalle, hast du dir sicher eine tolle Strategie zurecht gelegt, wie du mich am besten verführen kannst."

Ich glaube, ich schaue ziemlich entgeistert aus der Wäsche.

"Zumal das alles ist, was dich für gewöhnlich interessiert."

HÄ????

Raphael grinst leicht. "Ich muss dir was gestehen, Adrian. Ich hab meine Cousine ein bisschen nach dir ausgefragt. Und sie sagte … na ja, dass du halt nichts anbrennen lässt. Daraus und aus dem, was du gesagt hast, habe ich geschlossen, dass ich für dich wahrscheinlich nur ein Abenteuer wäre und dafür bin ich mir zu schade." Er steht auf, zieht seine Jacke an und rückt seinen Stuhl an den Tisch. "Wollen wir los?"

"Äh? Wieso wir?"

"Es könnte ja sein, dass ich mich geirrt habe und du tatsächlich an meiner Person interessiert bist, anstatt bloß an meinem süßen Hintern."

Ich stehe auf und ziehe ebenfalls meine Jacke an. "Wie kommst'n darauf, dass du einen süßen Hintern hast?", frage ich lächelnd.

"Etwa nicht?"


Bin die letzten Tage viel mit Raphael rumgezogen. Hab ihn sogar ins 'Eishaus' geschleppt, obwohl er solche Tanz- und Bumslokalitäten nicht ausstehen kann. Roman, der alte Penner, hat gleich versucht, sich an meinen Engel ranzuschleichen, als ich mal kurz nicht hingesehen hab, aber Raphael hat ihn abblitzen lassen. Mich leider auch. Er gehört zu jenen seltsamen Menschen, die nur Sex haben, wenn sie verliebt sind. Verlieben geht allerdings seiner Meinung nach nicht von jetzt auf gleich, deshalb bin ich logischerweise stark gefrustet. Ansonsten verstehen wir uns wirklich prima, mögen ganz ähnliche Dinge, finden dieselben Sachen lustig und … na ja, ist ja auch mal ganz okay, einfach nur einen guten Freund zu haben.

Dass dieser Freund extrem heiß aussieht, ist natürlich extrem ungünstig. Und dass er ständig durch meine Haare wuselt, mir das Knie tätschelt und so, macht's auch irgendwie verdammt schwierig. Dann will ich ihn nämlich küssen und ausziehen.

"Sag mal, Engelchen.", beginne ich und stupse Raphael mit dem Fuß an, "Könntest du dich in mich verlieben?"

Er scheint kurz zu überlegen. "Wäre schon denkbar. Aber was würde mir das bringen? Wahrscheinlich tollen Sex und danach ein gebrochenes Herz, wenn du mit dem nächsten Typen in die Kiste springst."

Wenigstens geht er davon aus, dass der Sex mit mir toll ist. "Mensch, so kommen wir doch nicht weiter."

"Und wieso muss immer irgendwas weitergehen? Warum nicht einfach bloß Freunde sein? Ist das für dich so was Zweitrangiges?"

"Nee, überhaupt nicht. Aber ich find dich eben geil. Was soll ich machen.", grinse ich.

"Fahr deinen Trieb wieder runter, bevor dir auf meinem Bett ein Missgeschick passiert.", entgegnet er leicht genervt.

"Engelchen … du bist 'ne Zicke.", seufze ich.

"Passiert dir wohl nicht oft, dass jemand nein sagt, oder?"

"Vielleicht solltest du öfter mal ja sagen, dann wärst du nicht so dermaßen gefrustet."

"Dass ich auf den Richtigen warte, heißt nicht, dass ich gefrustet bin, sondern nur … dass ich auf den Richtigen warte, Schwachkopf."

"Kein Grund ausfallend zu werden."

"Weißt du, Adrian … ich bin der Meinung, du solltest dir eine sinnvolle Beschäftigung suchen, die dich von deinem Sexwahn ablenkt."

"Soll ich anfangen zu malen und in Museen rumhängen?"

"Würdest doch eh nur nackte Jungs malen.", kichert er. "Nein, ich meine, du solltest dich sozial engagieren."

"Du klingst wie meine Mutter. Ihr soziales Engagement besteht allerdings darin, einmal im Jahr irgendwelche Dritte-Welt-Projekte finanziell zu unterstützen. Soll ich Afrika mein Taschengeld schicken?"

"Ich hab dir nicht erzählt, dass ich zwei Tage pro Woche nach der Schule in einer Einrichtung bin, wo Kinder Mittagessen bekommen, Hausaufgaben machen und spielen können, oder? Jedenfalls wird da immer jemand gebraucht, der mithilft."

"Wow … das ist natürlich sehr lobenswert. Und eine gute Sache sowieso. Leider hasse ich Kinder."

"Da kommen auch Jugendliche hin.", erklärt er augenverdrehend, "Und wenn du mit den Kindern nix zu tun haben willst, kannst du ja in der Küche helfen. Oder hasst du Nahrung ebenfalls?"

Meine Arme schlingen sich von hinten um seinen Körper. "Würde es dir leichter fallen, dich in mich zu verlieben, wenn ich da helfe?", frage ich und reibe meine Nase an seiner Wange.

Raphael tätschelt meine Hände. "Auf alle Fälle würde es meine Meinung über dich erheblich ändern."

"Wie ist denn deine Meinung über mich?"

"Ich halte dich für einen egoistischen Luxusbengel, der nur an sein Vergnügen denkt."

"Warum willst du dann mit mir befreundet sein?"

Er dreht seinen Kopf, sodass er mich ansehen kann. "Ich habe nicht die geringste Ahnung.", lächelt er und küsst mich kurz auf den Mund.

Ja, so was macht das Engelchen immer mit mir. Beim ersten Kuss dachte ich noch … ahhh, er will mich doch. Jetzt weiß ich es besser. Raphael steht auf Nähe und ist total herzlich. Wenn er sich freut oder so, dann umarmt er einen spontan. Und wenn ihm grad danach ist, bekommt man halt auch mal einen Kuss.

"Also … wenn ich Essen an Bedürftige verteile, gehst du dann mit mir ins Bett?"

Fragen kann man ja mal, oder?!

"Auf keinen Fall.", schüttelt er den Kopf. "Helfen bedeutet, dass man etwas für Andere tut, ohne eine Gegenleistung zu erwarten."

Ich hatte befürchtet, er würde so etwas sagen.

"Du brauchst deinen Heiligenschein nicht noch zu polieren, Engelchen, man sieht ihn auch so ganz gut."


Na, da hab ich mir ja was eingebrockt. Jan denkt, ich hätte schlimme Drogen genommen, weil ich meine Freizeit damit verbringe, mich sozial zu engagieren. Ausgelacht hat er mich. Daraufhin erklärte ich, dass es ihm sicher auch nicht schaden würde, mal etwas mehr zu tun, als dem Penner an der Straßenecke einen Euro in seinen Pappbecher zu schmeißen. Jan hat noch mehr gelacht und fand, ich hätte es ganz schön nötig, wenn ich so was machen würde, bloß um an Raphael ranzukommen. Insgeheim finde ich das auch. Aber jetzt hab ich dem Typen, dem Leiter der Einrichtung, schon zugesagt, dass ich zwei Tage die Woche helfen will. Der war dermaßen glücklich und gerührt … den kann ich nicht enttäuschen, da hätte ich ein total schlechtes Gewissen. Immerhin musste grad eine Stelle gestrichen werden, weil die Stadt das Projekt nicht mehr unterstützt und somit Geld fehlt. Und wer weiß, wenn Raphael sieht, dass es mir ernst ist mit der Helferei, mag er vielleicht doch noch mit mir schlafen?! Leider werde ich ihn kaum zu Gesicht kriegen, weil er in der Kinderbetreuung ist und ich an der Essensausgabe rumhängen soll. Letzteres schien mir am … Ungefährlichsten. Ein bisschen Fraß auf Teller zu klatschen, ist ja nicht besonders schwierig. Sich mit irgendwelchen Plagen zu beschäftigen, ist da schon ein ganz anderes Kaliber.

Bewaffnet mit Bottichen, Kellen und Löffeln warte ich also auf den großen Ansturm. Heute gibt's Kartoffelbrei, ein Stückchen Fleisch mit Soße und Gemüse. Sieht sogar relativ essbar aus das Zeug. Und die Leute sehen gar nicht so bedürftig aus, wie ich's mir vorgestellt habe. Keine zerlumpten Gestalten mit kaputtgefaulten Zähnen und dreckigen Fingern. Hauptsächlich Kinder aller Altersklassen. Aber … es sind echt viele!

"Das ist hier jeden Tag so.", erklärt Anke, eine ehrenamtliche Mitarbeiterin. "Auch wenn die Medien bloß in der Weihnachtszeit darüber berichten … Armut in Deutschland gibt's das ganze Jahr."

Ich fühle mich ertappt. Hab mir nämlich solche Reportagen auch öfter angesehen und nicht weiter drüber nachgedacht. Anke hat Recht. Das läuft immer gerne kurz vor Weihnachten. Genau wie die ganzen nervigen Spendenaktionen. Als hätten die Menschen im Frühling, Sommer und Herbst keinen Hunger.

Mittlerweile sitzen fast alle an den Tischen. Bloß noch zwei Rotzgören und … mh, scheint eine Familie zu sein, die stehen da irgendwie so zusammengerottet. Papa und fünf (!) Kinder. Die Mama ist wahrscheinlich in 'ner Entziehungskur. Ganz dicht können die Eltern jedenfalls nicht sein … was müssen die fünf Plagen in die Welt setzen, wenn sie die gar nicht ernähren können? Ein Sohn scheint ungefähr in meinem Alter zu sein. Da kann man schon mal etwas genauer hingucken. Na ja, der Typ ist keine auffallende Schönheit, wie beispielsweise mein Engelchen. Eher Durchschnitt. Oder etwas darunter. Langweilige Null-Acht-Fünfzehn-Frisur, kackbraun, der Pony hängt ihm in den Augen. Die Klamotten sind auch nicht so der Bringer.

"Ähem … .", macht er plötzlich.

Als ich einen Blick auf seinen Teller werfe, weiß ich auch, warum. Der Kartoffelbreiberg, den ich ihm aufgetürmt habe, ist wirklich gewaltig.

"Schätze, das reicht, oder?", kichere ich blödsinnig.

"Es reichte bereits vor drei Löffeln.", antwortet er und setzt sich zu seiner Familie.

Super! Gleich am ersten Tag zum Idioten gemacht. Ach, was soll's?! Ist ja nicht so, als würde es seiner dürren Figur schaden, wenn er etwas mehr zu essen bekommt.

Nachdem alle Bäuche gefüllt sind, darf ich den Rest meiner Zeit mit Saubermachen und Geschirr wegräumen verbringen. Dann verabschiede ich mich bis übermorgen.

Am frühen Abend hocke ich auf Raphaels Bett und darf ihm beim Haaretrocknen zusehen. Das wäre noch nichts Weltbewegendes … aber er ist obenrum nackt, untenrum mit einer Jeans bekleidet und barfüßig. Mjammi!!

"Hör auf, mich anzustarren, Adrian. Du kriegst nichts davon."

"Meine Fresse.", schnaufe ich, "Lass mich doch wenigstens ein bisschen träumen."

"Besser nicht.", schüttelt er den Kopf und zieht ein Shirt über. "Und … wie hat dir die Arbeit gefallen?"

"Ich kann mir nichts Tolleres vorstellen.", brumme ich. "Nicht einmal Sex mit dir könnte befriedigender sein, als Essen zu verteilen."

"Ich finde es jedenfalls großartig, dass du trotzdem weitermachen willst."

"Ja, ich krieg gleich 'nen Abgang."

Kopfschüttelnd reicht er mir zwei Papiertaschentücher.

"Sehr witzig."

"Ist dir schon mal aufgefallen, dass ungefähr jeder zweite Satz, der aus deinem Mund kommt, etwas mit Sex zu tun hat?"

"Und.", zucke ich die Schultern und schnäuze ins Taschentuch.

"Ich hätte heute eigentlich was anderes erwartet."

"Du meinst, ich müsste betroffen sein. Weil so viele Kinder nichts zu essen haben? Und dass mir beim Kartoffelbrei die große Erleuchtung kam und ich nun eine zweite Mutter Teresa werden will, ja?"

"Sich darüber lustig zu machen, ist natürlich viel besser."

"Hey, die armen Kinder tun mir volle Kanne leid. Aber es ist doch nicht meine Schuld, dass die arm sind. Ich opfere zwei Nachmittage, mehr kannste von mir nicht erwarten."

Raphael tätschelt meinen Schädel. "Na ja, es ist immerhin ein Anfang."

"Wie lange muss ich das übrigens machen?"

"Was soll das denn heißen? Ich zwinge dich doch nicht. Wenn du keine Lust hast, lass es."

"Dann denkst du aber wieder, dass ich mich nicht genügend für meine Mitmenschen interessiere." Und außerdem kriege ich ihn dann wahrscheinlich nie rum.

"Adrian, das denke ich sowieso.", seufzt er, "Denn anscheinend lebst du in der phantastischen Annahme, dass du mich dadurch irgendwann rumkriegen wirst."

"Okay, warum sagst du mir nicht einfach, wie man dich rumkriegt?"

"Hör auf, es wird langsam lästig."

"Wer hat dich bloß so verletzt, dass du Angst davor hast, dich auf jemanden einzulassen?", frage ich leise.

Raphael … lacht sich kaputt. "Netter Versuch. Hast du das irgendwo gelesen?"

"Dafür hab ich keine Zeit. Ich ziehe es vor, auszugehen und jeden halbwegs fickbaren Kerl flachzulegen.", entgegne ich beleidigt.

"Ach komm schon, das eben war wirklich lustig.", kichert er, klappt seinen Laptop auf und fängt an zu tippen.

"Siehst du, deshalb bin ich lieber oberflächlich. Wenn man ernste Fragen stellt, wird man ausgelacht.", behaupte ich und glotze über seine Schulter. "Wer zum Arsch ist LostSoul19?"

"Ein Grund weswegen ich nicht mit dir ins Bett gehe.", antwortet Raphael.

"Wie jetzt?"

In aller Ruhe tippt er seine Nachricht fertig, klappt den Laptop wieder zu und sieht mich an.

"Ich bin in einen Anderen verliebt."

"Aha.", schnaufe ich eifersüchtig. "Warum erfahre ich das erst jetzt?"

"Na ja, Tom ist weit weg. In Minnesota."

"Eine Internetliebe?"

"Nicht direkt. Er wohnt normalerweise in Deutschland, nur zur Zeit eben nicht. Er macht so'ne Auslandsgeschichte für ein Jahr. Kennengelernt haben wir uns drei Wochen bevor er weg musste. Und wenn er in sechs Monaten zurück kommt … "

"Wollt ihr heiraten, oder was.", unterbreche ich ihn genervt.

"Nee, aber fest zusammen sein."

"Du kennst den Typen drei Wochen."

"Wir schreiben uns jeden Tag. Wir vermissen uns und man kann sich auch verlieben, wenn man sich nicht ständig sieht."

"Und wenn er dahinten irgendwelche Typen fickt?"

Raphael schüttelt den Kopf. "So etwas macht er nicht."

"Woher willst du das wissen?"

"Ich vertraue ihm."

"Nach drei Wochen?"

"Wie gesagt, wir schreiben uns jeden Tag."

Na schön, hat mein Engel halt einen Freund … und weiter? Der Kerl wohnt auf einem anderen Kontinent und ich hab noch sechs Monate Zeit, um Raphael rumzukriegen. Also kein Grund zur Panik.


Seit drei Wochen hänge ich Dienstags und Donnerstags an der Essensausgabe rum und bin bei Raphael noch keinen Schritt weiter. Möglicherweise engagiere ich mich nicht genug. Allerdings finde ich, er könnte ruhig mal anerkennen, was ich auf mich nehme. Ich meine, diese armen Leute ziehen mich echt runter. Ernsthaft, ich fange schon an, mich zu fragen, was die Kiddies für ein Leben haben. Wohl kein sehr schönes. Die Mama alkoholabhängig, der Vater ein Ex-Knacki oder Ex-Junkie, arbeitslos, vielleicht verprügelt er seine Plagen, Messie-Wohnung, in der Ungeziefer umherkrabbelt, und sicher besuchen die Kinder alle die Sonderschule … wenn überhaupt. Wahrscheinlich lungern die Jungs in schlimmen Gangs rum, saufen, kiffen, pöbeln und irgendwann schaltet man den Fernseher ein und kann ihnen dabei zuschauen, wie sie im Teenies-außer-Kontrolle-Camp sechs Wochen im Steinkreis hocken. Die Mädchen werden logischerweise mit Vierzehn schwanger und züchten somit die nächste Generation von Hartz IV-Empfängern heran. Die Wahrheit ist ja nicht, dass die Deutschen weniger Kinder kriegen, wie gerne behauptet wird, sondern dass sich hauptsächlich in der Unterschicht vermehrt wird, wo Bildung ein Fremdwort ist. Und was ist die Folge? Deutschland verdummt! Was soll denn auch aus so einem Unterschicht-Kind werden? Topmanager, Herzspezialist, Atomphysiker? Wie denn, wenn die Eltern zu besoffen sind, um dafür zu sorgen, dass das Kind regelmäßig zur Schule geht und gescheit lernt?

"Hallo, Herr Kaiser.", poltert es plötzlich gefährlich nah an meinem Ohr, "Würden Sie uns bitte an Ihren verträumten Gedanken teilhaben lassen?"

Ich hasse meinen Nachnamen. Und ich hasse meinen Deutschlehrer. Leider klingelt es zur Pause, als ich grad meine Gedanken lautstark heraus posaunen will.

"Glück gehabt, Herr Kaiser. Nächste Stunde bitte etwas mehr Konzentration."

Im allgemeinen Schülergetümmel rempelt mich jemand heftig an und gerät ins Straucheln.

"Hoppla, Herzchen, fall nicht.", schlage ich vor und verhelfe dem Typen zu einem relativ sicheren Stand.

"Sorry.", murmelt er.

"Nix passiert.", zucke ich die Schultern und überlege, warum der mir so bekannt vorkommt.

Er sieht mich an, ich sehe ihn an … dann weiß ich es. Er lässt sich jeden Dienstag und Donnerstag von mir Essen aufschaufeln. An meinem ersten Tag war es ein riesiger Berg Kartoffelbrei. Er scheint mich ebenfalls zu erkennen, was ihm offenbar peinlich ist, denn er wird furchtbar rot und hektisch.

"Tut mir leid, ich … äh … ich muss … .", stammelt er und verschwindet blitzschnell.

Wow … auf meiner Schule gibt es Leute, die zu Hause kein Mittagessen kriegen. Himmel, das hätte ich nicht gedacht. Aber Augen hat der, mein lieber Scholli! Braune Rehaugen. Wieso ist der mir bis jetzt eigentlich nicht aufgefallen? Komische Sache. Na ja. Schließlich versuche ich immer noch bei meinem Engelchen zu landen und neben dem verblassen halt auch die tollsten braunen Augen der Welt.

Als ich nach Hause komme, glotzt mich Jan irritiert an. Vielleicht auch ein bisschen spöttisch.

"Bist du heute nicht unterwegs, um die Welt zu retten?"

"Dienstags und Donnerstags. Arschloch."

"Nur nicht unhöflich werden, Kleiner. Ich find's cool, was du machst. Obwohl deine Beweggründe recht fragwürdig sind."

"Ach ja?"

"Ja,.", nickt er.

"Kannst deine Meinung gerne für dich behalten."

"Schon mal in Erwägung gezogen, dich zu verlieben, anstatt bloß hirnlos rumzuvögeln?"

"Nein. Außerdem bin ich in Raphael verliebt."

Ich ernte ein lautes Lachen. "Du bist scharf auf ihn, weil er dich nicht ran lässt. Er hat aus Versehen deinen Jagdtrieb geweckt. Das ist keine Liebe, Kleiner, sondern die Beute zur Strecke bringen wollen."

"Du und Sophie … wollt ihr später mal Kinder haben?"

"Irgendwann schon."

"Dann sorge dafür, dass sie niemals hungern müssen."

"Hältst du dich etwa für eine Art Experte, weil du zweimal in der Woche Essen verteilst?"

"Das ist mehr als das, was du tust."

"Stimmt. Aber ich muss auch niemandem imponieren."

"Dass ich mich in erster Linie für mich selber interessiere, ist nicht meine Schuld.", erkläre ich beleidigt, "Sondern liegt an der Erziehung. Ich kann nur das leben, was man mir vorgelebt hat."

"Mama und Papa sind nicht so, das weißt du ganz genau. Sonst hätten sie dich nämlich gegen deinen Willen nach Madeira geschleppt. Oder an der Autobahn ausgesetzt, um ihre selbstsüchtigen Pläne durchzuziehen."

"Sehr witzig."

"Und du findest es doch ganz gut, deine Weihnachtsferien im Warmen verbringen zu können, oder?"

"Geh weg, ich will nicht mehr mit dir reden.", zische ich.

"Ich hab dich auch lieb, Kleiner.", lächelt Jan und strubbelt meine Haare.

Am Donnerstag gibt's Spaghetti Bolognese und zum Nachtisch eine Quarkspeise mit Mandarinen. Der Rehäugige kommt heute reichlich spät … seine Geschwister toben schon irgendwo im Haus herum.

"Hi.", sage ich, weil man sich doch jetzt kennt.

"Danke, das reicht.", nuschelt er mit gesenktem Kopf und schlurft mit seinem Teller davon.

"Ey, du hast deine Quarkspeise vergessen.", rufe ich ihm hinterher. Da er nicht antwortet, trage ich das Schälchen an seinen Tisch. "Du hast deine Quarkspeise vergessen.", wiederhole ich freundlich.

"Würdest du das bitte für dich behalten?"

"Ist doch nicht schlimm.", erkläre ich und stelle das Schälchen vor seine Nase.

"Ich meine, dass wir … dass ich hierher … "

"Ach das.", unterbreche ich ihn und setze mich, worauf er sofort seinen Teller wegschiebt und irgendwie schüchtern die Hände unterm Tisch versteckt. "Was'n? Schmeckt's heute nicht?"

Der Rehäugige zieht bedröppelt die Schultern hoch. Ich schnappe mir die Gabel und schlabbere ein paar Nudeln von seinem Teller.

"Doch, kann man essen. Ich bin übrigens Adrian."

Er schweigt.

"Und wie heißt du?"

"Jonas."

Man, gesprächig ist was anderes. "Kommst du öfters her?", frage ich und muss über meine eigene Blödheit lachen. "Entschuldige, war nicht so gemeint."

"Ich muss meine Geschwister abholen … die machen hier gleich zu.", entgegnet er.

"Dann bis Dienstag oder … vielleicht sieht man sich in der … " Schule, wollte ich noch sagen, aber Jonas ist bereits weg. Was soll's?! Hab ja auch noch ein bisschen zu tun. Das Geschirr räumt sich nicht von selber in die Spülmaschine.

Nachmittags besuche ich mein Engelchen, das vor seinem Laptop hockt.

"Wusstest du, dass Minnesota wahnsinnig kalte Winter hat?", frage ich und mache es mir auf seinem Bett bequem. "Man muss schon wirklich blöde sein, da freiwillig zu wohnen."

"Hast du die Hoffnung, dass Tom erfriert und nicht zurückkommt?", lächelt er.

"Nein.", sage ich gedehnt. "Erfrieren soll er nicht." Dann erzähle ich ihm von Jonas.

"Du bist echt … ", er schüttelt den Kopf, "… schon mal drüber nachgedacht, dass er sich vielleicht schämt, weil seine Eltern kein Geld haben?"

"Ja, das leuchtet sogar mir ein."

"Und du fragst auch noch, ob er öfter da ist."

"Ist mir so raus gerutscht.", verteidige ich mich. "Ich war halt irritiert. Und schämen braucht er sich vor mir auch nicht. Ich kenne den doch kaum."

"Wäre dir so was nicht unangenehm?"

"Engelchen … ich hab's kapiert, okay?"

"Sei in Zukunft einfach ein bisschen sensibler."

So sensibel wie er vermutlich … wenn er mir stundenlang von seinem Freund erzählt!


Buahahaha … Roman, der alte Fickfrosch, rief mich gestern an. Er hätte unseren Streit längst abgehakt und irgendwie Lust, mich zu sehen. Tz … nötig hatte er es, weil er wahrscheinlich bei allen anderen Kerlen abgeblitzt ist. Erklärte ihm höflich, dass er es meinetwegen am Bahnhof versuchen könnte, ich sei jedenfalls nicht mehr dazu bereit, seinen blöden Schwanz zu lutschen. Das tat mir hinterher leid, weil er mir sicher auch einen geblasen hätte und eigentlich kann er das ganz gut. Aber der soll mal lieber nicht denken, dass ich ihm immer zur Verfügung stehe. Außerdem will ich Raphael. Deswegen hab ich mir überlegt, mich ein wenig um Jonas zu kümmern … damit mein Engelchen sieht, dass ich es durchaus wert bin, sein fester Freund zu sein. Wie das alles aussehen soll, weiß ich noch nicht genau, aber ich bin ja schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Erstmal muss ich mir einen Überblick über Jonas' Situation verschaffen. Was da abläuft liegt ja noch völlig im Dunkeln. Sollten seine Eltern Alkis sein, die ihre Kinder verwahrlosen lassen, schalte ich natürlich das Jugendamt ein. Dann bin ich der Held, weil ich nicht einfach weggeschaut habe. Gleich morgen in der Schule wird das "Projekt Jonas" gestartet. Sehr sensibel, versteht sich!

Am nächsten Tag reihe ich mich in der Pause eigenhändig in die Schlange vorm Kiosk ein. Hoffentlich bin ich nicht erst dran, wenn die Pause vorbei ist. Nee, es geht schneller als erwartet. Ich kaufe zwei Schokobrötchen, zwei Flaschen Kakao und suche Jonas. Der hockt alleine auf einer Bank und liest.

"Hey, du.", begrüße ich ihn.

Erschrocken schaut er hoch. "Hallo." Und vertieft sich sofort wieder in seine Lektüre.

Schätze, das wird eine schwierige Nummer! Ich setze mich, packe ein Brötchen aus und fange an zu essen.

"Was liest'n?"

Er hält mir wortlos das Buch hin, sodass ich den Titel erkennen kann. A Density Of Souls.

Einigermaßen schlau scheint er zu sein … wenn er in der Lage ist, ein ganzes Buch auf englisch zu lesen. Zugegeben, ich bin etwas beeindruckt.

"Ist das gut?"

"Okay."

"Worum geht's denn?"

"Kann man schlecht erklären."

"Ähem … magst du'n Brötchen, oder so? Hab zu viel gekauft."

"Nein, danke."

"Kakao?"

"Hab keinen Durst."

"Vielleicht später?"

Schwungvoll klappt er sein Buch zu. "Hör mal, du musst hier nicht den Nikolaus spielen, bloß weil du weißt, dass ich mittags nicht zu Hause esse."

"Und du musst nicht gleich so einen Arschloch-Ton anschlagen, bloß weil ich einen Kakao mit dir trinken wollte."

"Wieso?", fragt er.

Ich lege ihm die Brötchentüte auf den Schoß. "Ich esse nicht gern allein."

Endlich holt er das Schokobrötchen heraus und beißt hinein. "Zufrieden?"

"Schlückchen Kakao dazu.", grinse ich.

"Meinetwegen.", seufzt er. "Ich leihe dir das Buch übrigens gerne aus, wenn ich's durch hab."

"Supi.", lüge ich. Obwohl es natürlich nicht schaden kann zu wissen, was er so liest.

Dann ist die Pause auch schon vorbei und ich muss mich mit Mathe rumärgern.

In der nächsten Pause geselle ich mich erneut zu Jonas.

"Äh … ich hab das Buch noch nicht durch.", behauptet er.

"Was machst'n am Wochenende?"

"Wie am Wochenende?"

"Freitag und Samstag … abends.", helfe ich ihm auf die Sprünge.

"Gar nichts.", entgegnet er ein wenig finster.

"Hast du Lust, mal mit mir wegzugehen?"

"Wohin denn?"

Oh Mann, ist das hier ein Frage-Gegenfrage-Spiel?!

"Keine Ahnung, in irgendeinen Club."

"Nee, da stehe ich nicht drauf."

"Okay, wie wäre es mit Kino.", versuche ich es weiter.

"Ich denke nicht."

"Rumhängen … bei mir? Wir könnten Pizza bestellen, uns DVDs reinziehen oder … "

"Sag mal … was zum Teufel willst du eigentlich von mir.", unterbricht er mich.

"Dich kennenlernen."

"Wozu?"

Wow … also darauf fällt mir spontan keine vernünftige Antwort ein.

"Einfach so."

"Ich hab keine Zeit.", schüttelt er den Kopf.

"Um jemanden kennenzulernen?"

"Um überhaupt etwas zu machen. Ich muss auf meine Geschwister aufpassen."

"Immer?"

"Meistens."

"Okay, also … ich werde dich so lange fragen, bis du ja sagst.", drohe ich.

"Viel Vergnügen.", wünscht er und verschwindet ins Schulgebäude.

Geil, der kleine Sozialfall hat mich grad 1a abblitzen lassen! Ich geh kaputt. Sollte der nicht froh sein, dass irgendeiner was mit ihm zu tun haben will?! Egal, so schnell gebe ich nicht auf.


Langsam zweifle ich an meinem Charme. Mal ehrlich, ich hab normalerweise keinerlei Probleme, Typen rumzukriegen und jetzt sind es schon Zwei, an denen ich mir die Zähne ausbeiße. Was ist an Raphael so phantastisch, dass ich mich auch noch mit Jonas rumschlage?

Letzteren frage ich mich seit einer Woche jeden Tag … ohne Erfolg. Dafür weiß ich jetzt aber, wo er wohnt. Hab ihn nämlich heimlich beschattet. Das war fast schon gefährlich, weil die Gegend, in der er wohnt, nicht unbedingt die sicherste ist. So'ne fiese Hochhaussiedlung. Alles dreckig, eng und kaputt. Und überall lungerten blöde Arschgeigen herum, die aus Spaß mit Bierflaschen um sich warfen und einfach jeden beschimpften. Ich bekam jedenfalls verschiedentlich Prügel angedroht und hätte mich mit einer Knarre in der Tasche erheblich wohler gefühlt. In dem Sandkasten vorm Haus von Jonas würde ich meine Kinder keineswegs spielen lassen. Da lagen Glasscherben friedlich neben Hundekackehaufen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn irgendwo ein paar brennende Mülltonnen herumgestanden hätten, an denen sich zerlumpte Penner die schorfigen Fittiche wärmten.

Jan sagte übrigens, ich sollte mir unbedingt ein paar Hobbys zulegen. Es könnte doch nicht angehen, dass ich nichts weiter als Jungs flachlegen im Kopf hätte. Erklärte ihm freundlich, er sei doch bloß sauer, weil er wegen Sophie nicht mehr durch die Gegend vögeln dürfe. Die würde ihn nämlich sofort einen Kopf kürzer machen und ihm den Laufpass geben. Jan war ein totaler Aufreißer, bevor er Sophie kennenlernte, also kann der mal schön die Fresse halten. Außerdem hab ich Hobbys. Zum Beispiel lese ich Bücher … und zwar nicht nur über schwule Jungs. Welcher Jugendliche liest heutzutage überhaupt noch, hä? Die hocken alle nur vor Computer, Playstation oder weiß der Fuchs was. Oder glotzen sich blöde Actionfilme an. Ich mag's anspruchsvoll, wo man vielleicht auch mal ein bisschen nachdenken muss, und gerne auch abgefahren … David Lynch macht coole Filme und Twin Peaks ist die beste Serie aller Zeiten.

Am Freitag in der großen Pause gehe ich zu Jonas, der wie immer alleine auf einer Bank sitzt.

"Hey."

"Hallo. Du kannst das Buch haben, ich hab's durch.", faselt er und wedelt mit dem Schmöker vor meiner Nase herum.

"Vergiss das Buch und geh am Wochenende mit mir weg."

"Gott.", stöhnt er, "Du bist echt hartnäckig."

"Allerdings."

"Und ich weiß immer noch nicht, was das alles soll."

"Ja, siehst du …", beginne ich und setze mich neben ihn, "… mein Bruder meint, ich … äh … hätte keine Freunde, was irgendwie auch ein bisschen stimmt, weil ich halt diesbezüglich sehr wählerisch bin und mir die meisten Leute auf die Nerven gehen. Du nicht. Außerdem scheinst du auch nicht so schrecklich viele soziale Kontakte zu haben."

"Und das machst du woran fest? An der Tatsache, dass ich in den Pausen allein hier hocke, oder was?"

"Na ja … äh … ja."

"Adrian, du kannst dir denken, dass meine Familie … ich meine … wir gehen zum Essen in eine soziale Einrichtung.", zischelt er und wirkt verschämt und wütend zugleich.

"Und?"

Seine Augen blitzen gefährlich. "Glaubst du, ich hätte die Kohle so locker, dass ich mir Clubs und Kino am Wochenende leisten könnte?"

"Ich lad dich ein.", antworte ich schulterzuckend.

"Vergiss es. So was mache ich nicht."

Jeder andere Typ hätte sofort ja geschrien, aber der kleine Sozialfall ist natürlich zu stolz dafür. Das nervt. Ich will großzügig sein und der lässt mich nicht.

"Okay, dann komm einfach zu mir."

"Du gibst nicht auf, oder?"

"Nein."

"Also gut, meinetwegen."

YES!!

"Dann bis nachher … so gegen Acht.", verabschiede ich mich, nachdem ich ihm meine Adresse aufgeschrieben hab.

So gegen Acht erscheint Jonas tatsächlich. Er trägt noch die gleichen Klamotten wie in der Schule, deswegen bin ich ganz froh, dass wir nicht ausgehen. Ich meine, so wie der aussieht, kann man den echt nirgendwo mit hin nehmen. Nicht, dass seine Sachen besonders ärmlich wirken, aber cool ist halt was anderes.

Ich zeige Jonas kurz die wichtigen Zimmer der Wohnung … also Bad und Küche … bevor wir es uns in meinem Zimmer bequem machen. Das heißt, ich mache mir es bequem, Jonas hockt total steif auf der Sofakante.

"Sind deine Eltern nicht da?"

"Nee, die sind ausgewandert."

"Heute oder generell?"

"Generell. Nach Madeira."

"Wow.", findet er, "Klingt ja super exotisch. Wo liegt'n das?"

"Im Atlantik … irgendwo zwischen Portugal und der Küste Afrikas."

"Ach du Schande, das klingt noch viel exotischer und sehr weit weg."

"Geht so. Mit dem Flieger sind's grad mal acht oder neun Stunden."

"Besuchst du sie oft?"

"In den Ferien halt. Drei Wochen im Sommer und an Weihnachten."

"Mh, Weihnachten bei dreißig Grad im Schatten am Strand liegen und Schirmchendrinks schlürfen … "

"Dreißig Grad im Dezember gibt's vielleicht im Indischen Ozean oder auf Kuba. Madeira ist nicht ganz so heiß. Aber warm genug, dass wir eigentlich immer am Strand feiern können."

"Ich mag's doch lieber traditionell mit geschmücktem Tannenbaum, Geschenken darunter und so."

Ich bin total versucht, ihn zu fragen, ob die sich das überhaupt finanziell leisten können, kann mich jedoch grad noch beherrschen.

"Und deine Eltern haben dich einfach so hier gelassen?"

"Einfach nicht. Aber mein Bruder ist ja da, der passt auf mich auf.", grinse ich.

"Kommt mir bekannt vor."

"Na ja, so sehr auch wieder nicht. Bin ja schließlich nicht so klein wie deine Geschwister … ähem … das sind doch alles deine Geschwister, oder?"

"Ja, alle Vier. Heutzutage gilt es wohl als … weiß nicht … asozial, wenn man viele Kinder hat."

"Keine Ahnung.", entgegne ich vorsichtig. Eigentlich finde ich die Gegend, in der er wohnt, viel asozialer als die Anzahl seiner Geschwister. "Magst du was trinken? Oder essen?"

"Danke, nein."

"Hast du 'ne Freundin?", frage ich und weiß irgendwie so gar nicht, warum.

"Nee. Du?"

Okay, ich könnte mich jetzt raus reden, weil ich ihn nicht kenne und er eventuell was gegen Schwule hat. Allerdings halte ich nichts davon, mich zu verleugnen und sollte er ein Problem damit haben, kann er sich gleich verpissen.

"Ich stehe nicht auf Mädchen."

Einen Augenblick sieht er mich irritiert an. "Oh … ach so."

Fuck und wenn er jetzt denkt, dass ich auf ihn … "Deswegen bist du heute aber nicht hier."

"Okay?"

"Also … ich bespringe nicht jeden Typen, bloß weil ich schwul bin."

"Das hab ich auch nicht angenommen."

"Hetero-Kerle denken das gerne mal."

"Kann sein."

Es entsteht eine unangenehme Pause. Ich muss kurz flüchten und hole alibihalber eine Flasche Cola und zwei Gläser. Meins ist schnell leer, danach entfährt mir ein deutlich hörbarer Rülpser. Was'n heute mit mir los?

"Entschuldigung.", entschuldige ich mich.

Jonas zuckt die Schultern.

Da das Gespräch offensichtlich sehr ins Stocken geraten ist, schlage ich eine DVD vor und darf entzückt feststellen, dass Jonas meine Lieblingsserie nicht nur kennt, sondern mindestens ebenso genial findet wie ich. Wer hätte das gedacht?!

"Tarantino wird als Kult-Regisseur total überschätzt.", sagt er, "Der kann irgendwie bloß Splatter und Kill Bill und so. David Lynch dagegen … "

"Finde ich auch.", unterbreche ich ihn. "Hast du Wild At Heart gesehen?"

"Logisch. Da war Nicholas Cage als Sailor ausnahmsweise mal super geil."

Aha? Ich hätte jetzt eher erwartet, dass er von Lula schwärmt. Na ja, kommen wir zurück zu Twin Peaks.

"Laura Palmer ist jedenfalls die schönste Leiche der Filmgeschichte."

"Absolut.", nickt er. "Maddy ist nicht so schön, oder? Obwohl die ja auch von Sheryl Lee gespielt wird."

Sehr richtig. Der Junge hat Ahnung … ich bin begeistert.

"Ich bin vor einer Weile zufällig auf so'n Twin-Peaks-Forum gestoßen, ey, ich sag dir … die Leute da haben alle einen Schlag schräg. Die haben völlig irre Theorien aufgestellt, was alles mögliche in der Serie zu bedeuten haben könnte. Also beispielsweise, dass Harold sich nicht selbst umgebracht hat, sondern von Bob gekillt wurde. Und dass die Zeit in der Black Lodge nicht rückwärts läuft, sondern gespiegelt und der Mann von der Log Lady wohnt in ihrem Holzscheit und so. Die haben offensichtlich vergessen, dass es sich lediglich um eine Fernsehserie handelt, die sich zwei talentierte Durchgeknallte ausgedacht haben. Die sind ein bisschen so wie Leute, die an Illuminaten glauben. Das ist wirklich unheimlich."

"Unheimlicher als die Szene, in der Donna mit Lauras Grabstein spricht.", grinst er.

"Ja, und auch noch unheimlicher als die gesamten Szenen mit Leland.", grinse ich zurück.

"Und ich nehme mal an, noch unheimlicher als der singende James."

"Das nicht.", gebe ich zu. "Just-You-And-I-James ist so ziemlich das Unheimlichste, was ich je gesehen und gehört habe."

"Na ja, Dieter Bohlen hätte ihn vermutlich gefragt, warum er vorm Casting so viel Helium inhaliert hat.", kichert Jonas.

Oh Mann, es tut so gut, sich mit jemanden über Twin Peaks unterhalten zu können. Raphael findet den Kram von David Lynch nämlich absolut krank. Und Roman kennt den überhaupt nicht.

"Lass uns mal langsam anfangen.", schlägt er vor.


"Weit sind wir nicht gekommen, weil er um Zwölf zu Hause sein musste.", schließe ich meinen Bericht und klaube meinen dritten Donut aus der Tüte.

"Adrian …", beginnt Raphael nachdenklich, "… was willst du eigentlich von diesem Jungen?"

Oha … hörte ich da etwa einen eifersüchtigen Unterton? Geil!!

"Weiß nicht. Ein bisschen Freude in sein Leben bringen, vielleicht."

"Indem du ihn zwingst, diesen kranken Scheiß anzugucken?"

"Hey, Jonas steht auf den kranken Scheiß. Der kann dir eine Stunde lang Zitate daraus aufsagen … absolut genial."

"Dir sollte bloß klar sein, was du tust.", erklärt er. "Ich meine … okay, der Typ hat keine Freunde, aber du gibst dich aus Mitleid mit ihm ab. Findest du das in Ordnung?"

Irgendwie geht mir mein Engelchen heute extrem auf die Eier. Wenn er eifersüchtig ist, soll er es verdammt noch mal sagen. Andererseits hat er natürlich gar kein Recht, eifersüchtig zu sein. Der soll lieber mal drüber nachdenken, was er tut.

"Ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass ich Jonas eventuell mögen könnte?"

"Ich wäre sehr beruhigt, wenn du ihn tatsächlich mögen würdest."

"Meinst du etwa, ich sag das einfach so?", frage ich angepisst.

"Möglicherweise … also … kann es sein, dass du … mich irgendwie eifersüchtig machen willst?"

Was?? Ich glotze sehr wahrscheinlich ziemlich belämmert drein. Der ist ja von sich eingenommen … unglaublich.

"Engelchen, du bist zwar toll, aber so etwas hab ich echt nicht nötig. Du willst nicht mich, sondern deinen Minnesota-Boy. Das ist schade, allerdings springe ich deswegen noch lange nicht aus dem Fenster."

"Es ist ja nicht so, dass ich meine Vermutung total aus der Luft gegriffen habe. Überleg mal bitte, warum du Essen verteilst."

"Ja, und dabei hab ich eben jemanden kennengelernt, mit dem mich etwas verbindet. Das ist alles. Übrigens werde ich ihn fragen, ob er am Wochenende mit mir weggeht. Lust mitzukommen?"

Raphael blickt leicht irritiert. "Wieso?"

"Erstens muss Jonas andauernd auf seine Geschwister aufpassen und ist sicher froh, wenn er mal was anderes sieht. Und zweitens kannst du dich persönlich davon überzeugen, dass er nett und lustig ist. Dann musst du mich drittens nicht mehr fragen, weshalb ich mich mit ihm abgebe. Ruf mich an, wenn du es dir überlegt hast."


Wow … Jonas hat doch glatt ja gesagt. Ich brauchte nicht einmal zu betteln. Hab ihn gefragt und er war einverstanden. Allerdings unter der Voraussetzung, dass seine Eltern ihm erlauben auszugehen. Seit meine Eltern nicht mehr da sind, vergesse ich immer fast, dass nicht jeder solche Freiheiten genießt wie ich. Egal. Ich muss mal überlegen, wie ich es anstelle, Jonas dezent aufzupolieren. Klamotten kriegt er von mir, irgendwas wird ihm schon passen. Die Haare … na ja, wozu hab ich vor nicht allzu langer Zeit mal mit einem Friseur-Azubi gevögelt?! Shit, wo hab ich bloß seine Telefonnummer? Und … wie hieß der Typ noch gleich? Rainer oder Heiner … Hannes, ja, ich glaub, das war's. Seine Nummer liegt

tatsächlich unter einem Stapel Chaos auf meinem Schreibtisch. Was bin ich für ein kleiner Glückspilz! Das Glück scheint zu schwinden, als ich Hannes anrufe und er sich erstmal nicht an mich erinnert. Hä?? Wie kann man jemanden wie mich denn bitteschön vergessen?! Also den Idioten ficke ich nie wieder, das steht fest. Wie dem auch sei, nach einer Viertelstunde hab ich ihn dazu gebracht, mich übermorgen mit seinem Schneidewerkzeug zu besuchen.

Am nächsten Tag druckst Jonas in der Pause ein bisschen verlegen herum.

"Was'n?"

"Ich … ähem … sieht so aus, als ob's Samstag vielleicht doch nicht geht."

"Soll das ein Witz sein?"

"Nee. Meine Eltern … also ich weiß noch nicht genau, ob ich bei meinen Geschwistern bleiben muss."

"Aha.", zische ich finster, "Wann weißt du's denn genau?"

"Keine Ahnung."

Großartig! Ich reiß mir den Arsch auf, damit er einen vernünftigen Haarschnitt kriegt und er lässt mich hängen. "Ey, ich hab total mit dir gerechnet und deinetwegen extra Verschiedenes abgesagt.", lüge ich.

"Tut mir leid.", wispert er und guckt wie ein Dackel. Ein sehr kleiner, eingeschüchterter.

"Außerdem hab ich mich drauf gefreut.", lüge ich weiter.

Seine eh schon großen Rehaugen werden noch eine Ecke größer. "Wirklich?"

Und plötzlich wird mir klar: Der ist mindestens genauso schwul wie ich! Interessant. Warum hat er sich nicht letztes Wochenende geoutet, als er die Möglichkeit hatte? Angst vor meiner Reaktion brauchte er ja wohl nicht zu haben. Ach du Scheiße … ob er heimlich in mich verliebt ist? Und wenn er jetzt denkt, dass ich auch in ihn … Himmel, nein!!

"Klar, ich wollte dir nämlich Raphael vorstellen."

"Raphael?", fragt er und sieht wieder nach Dackel aus.

"Freund von mir. Ziemlich guter, wenn du verstehst."

"Ach so."

"Versuch mal bis morgen zu wissen, ob du kannst, ja.", schlage ich vor und gehe rein, weil es eben geklingelt hat.

Samstag, am späten Nachmittag, steht zuerst Jonas auf der Matte.

"Wer ist da.", brüllt Jan aus dem Bad.

"Sophie mit ihrem neuen Stecher.", brülle ich zurück.

"Sehr witzig, Kleiner.", faucht mein Bruder beleidigt und erscheint halb nackt im Flur.

"Hi.", lächelt er einnehmend, "Ich bin Jan. Und du?"

"Das ist Sophies neuer Stecher.", lächele ich horrorartig.

"J-Jonas.", stottert Jonas, sehr rot im Gesicht.

"Weiß Raphael schon, dass er nicht mehr aktuell ist?"

"Halt doch einfach dein Maul.", säusele ich zuckersüß.

Als Jan wieder ins Bad verschwindet, weiß ich hundert pro, dass Jonas auf Kerle steht. Der stiert meinem Bruder auf den Arsch, das ist nicht mehr feierlich.

Wir gehen in mein Zimmer, ich serviere ihm ein Glas Cola und … hoppala … da schwappt mir aus Versehen das Glas über und seine Klamotten sind hin.

"Oh … Scheiße.", tue ich entsetzt.

Jonas wischt hektisch über Pulli und Hose. "Hast du einen Lappen und etwas Wasser?"

"Lass mal … du kannst was von mir anziehen.", entgegne ich und öffne meinen Kleiderschrank.

Er versucht zu protestieren, aber ich hab bereits eine Jeans, mein Pustefix-Shirt und eine Kapuzenjacke rausgesucht.

"Wenn Jan noch im Bad ist, schmeiß ihn einfach raus.", grinse ich.

Gerade als Jonas umgezogen durch den Flur stiefelt, klingelt's an der Tür. Perfekt.

"Adrian.", begrüßt mich gehetzt ein auf Boyband gestylter Typ. Wow, den hab ich gevögelt?! Na ja. Hätte schlimmer sein können.

"Du siehst nicht aus, als bräuchtest du so dringend einen Haar … "

"Hannes.", krakeele ich und umarme den Verdutzten, "Das trifft sich ja gut."

"Äh … .", macht er verständnislos.

"Das ist Jonas. Jonas, das ist Hannes."

"Verstehe.", behauptet der Friseur. "Können wir das schnell erledigen? Hab nämlich eher nicht so viel Zeit.", faselt er und wuselt dem armen Jonas durch die kackbraunen Haare.

"Da ist ja gar kein Schnitt drin.", seufzt er. "Und die Farbe, grottenschlecht."

"Adrian … was … .", stammelt Jonas unglücklich.

"Ist okay.", beruhige ich ihn. "Hannes weiß, was er tut."

Schwupps wird Jonas in der Küche auf einen Stuhl verfrachtet, bekommt einen Umhang über sich gebreitet und Hannes macht sich mit Wasserspritze, Kamm und Schere ans Werk.

Fünfundzwanzig Minuten später steht Jonas vorm Spiegel.

"Danke, das sieht toll aus, aber … "

"Ich würd dir noch 'ne Farbe machen, Strähnen und so, aber ich hab echt keine Zeit mehr.", erklärt Hannes und zuppelt noch ein paar Ponysträhnen zurecht.

Ich stehe hinter Jonas und kann mich kaum von seinem Anblick losreißen. Der wüste Haarschopf ist einer trendigen, Manga-angehauchten Frisur mit etwas längerem Pony gewichen. Der Nacken ist kurz geschnitten und beinahe hätte ich meine Hand ausgestreckt, um da herumzukraulen. Fühlt sich bestimmt super weich an. Stattdessen bringe ich Hannes zur Tür und drücke ihm ein wenig Geld in die Hand.

"Ich hoffe, das reicht. Danke, Hannes."

"Schon gut.", grinst er. "Der hatte es dringend nötig. Oder sagen wir … er hat es … in jeder Hinsicht."

Muss ich das jetzt verstehen?

Na gut, als ich Jonas mit neuen Haaren und in meinen Klamotten eingehender betrachte, fällt mir auf, dass er plötzlich echt süß ist und dass ich es wirklich dringend nötig hat. Wenn Jonas mir so in einem Club über den Weg gelaufen wäre, hätte ich ihn vernascht. Was hält mich davon ab, es einfach zu tun? Ah, die Türklingel. Mein Engel ist da.

Abends hängen wir dann zu Dritt im 'Eishaus', wo ich das Gefühl habe, unsichtbar zu sein. Dass sich mindestens die Hälfte aller Typen nach Raphael die Lippen schlecken, ist logisch. Leider schleicht die andere Hälfte um Jonas herum. Ich bin vollkommen abgemeldet, was meine Laune auf den Tiefpunkt bringt.

"Was trinken.", bölke ich.

Raphael nickt, Jonas schüttelt den Kopf und sieht schon wieder bedröppelt aus.

"Die Runde geht auf mich.", behauptet mein Engelchen und reicht mir einen Geldschein.

Von mir aus. Beim Warten an der Theke werde ich von einem hübschen Blondschopf angeflirtet. Meine Laune wird besser. Blondie könnte ich sicher überreden, mich kurz aufs Klo zu begleiten. Allerdings ist Klosex eigentlich nicht mein Ding. Es darf ruhig mal schnell zur Sache gehen, aber ich würde mich doch tausendmal lieber in einer dreckigen, dunklen Gasse befummeln lassen, als es neben Kondomautomat und Pissbecken zu treiben. Außerdem krieg ich grad meine bestellten Getränke.

"Wo ist denn Jonas?", frage ich.

Raphael deutet auf die Tanzfläche. "Der macht da ein paar Jungs verrückt."

In der Tat. Der kleine Sozialfall ist überhaupt nicht so schüchtern, wie er bei mir immer tut. Im Gegenteil. Geradezu ekelhaft aufreizend bewegt er sich zur Musik. Mir ist irgendwie kotzig.

"Die nächste Runde bezahlst du …", fordert Raphael, "… und danach verschwinden wir."

"Wieso 'n das?"

"Weil Jonas offensichtlich kein Geld hat, du Vollpfosten."

"Hat er das gesagt?"

"Nein, natürlich nicht. Aber sein Blick vorhin sprach ja wohl Bände."

Was soll's?! Hab eh keine Lust mehr auf all das hier. Die Hauptsache ist ja, dass sich Jonas zwei, drei Stunden amüsiert und vergisst, wo er herkommt. Und er amüsiert sich prächtig, so viel ist sicher!

Gegen halb Zwei ist der Abend zu Ende, ich gehe nach Hause und bin erleichtert, dass Jonas mein Angebot, bei mir zu übernachten, nicht annimmt. Ich hatte sowieso nur aus Höflichkeit gefragt.

Montags in der Schule knallt Jonas mir eine Tüte vor den Latz. Darin befinden sich meine Jeans, das Pustefix-Shirt und die Kapuzenjacke. Scheinbar frisch gewaschen.

"Warum behältst du die Sachen nicht? Ich trag die eh kaum noch."

"Hör mal, Adrian, ich brauche diese komische Nummer, die du abziehst, nicht, okay? Ich hab meine eigenen Klamotten und wenn die dir zu uncool oder zu billig sind, dann leck mich."

"Wovon redest du?"

"Du willst mit mir ausgehen, meinst allerdings, mich vorher neu einkleiden zu müssen. Und der Haarschnitt … was sollte das? Na toll, kann ich's mir halt nicht leisten, zum Friseur zu gehen, weil meine Eltern zusehen, dass das Geld bis zum Monatsende für Lebensmittel reicht. Du bist zu mir gekommen, ja? Wenn ich zu arm bin, um mit dir befreundet zu sein, wenn du dich schämst, mit mir gesehen zu werden … auf so was kann ich verzichten. Wie viel Geld hast du Hannes gegeben?"

"Ich hab ihm kein Geld gegeben."

"Wie viel?"

"Zwanzig Euro."

"Du kriegst es so schnell wie möglich zurück."

"Das ist doch total bescheuert."

"Und dann will ich nichts mehr mit dir zu tun haben.", zischt er und stampft ins Schulgebäude.

Den hat wohl jemand zu heiß gebadet.

In der Pause setze ich mich zu ihm auf die Bank.

"Es tut mir leid.", murmele ich zerknirscht. "War anscheinend nicht die coolste Aktion."

Jonas schaut nicht mal von seinem Buch auf.

"Hey, mir ist wirklich latte, wie du rumläufst."

"Wie schön für mich."

"Komm schon, Jonas, ich hab mich entschuldigt. Lass uns das vergessen … bitte."

"Meinetwegen.", zuckt er die Schultern.

Er ist immer noch sauer. Scheiße! Ich mag nicht, wenn Leute sauer auf mich sind. Abgesehen von Roman, das ist mir kackegal.


Mein Projekt entwickelt sich völlig anders als erwartet … als geplant. Das macht mich kribblig. Auf eine angenehme und eine unangenehme Weise. Das ergibt leider keinen Sinn, weswegen ich ein bisschen Angst davor habe, irre zu werden.

Also der Plan war ja ziemlich klar … mich um Jonas kümmern, um bei Raphael zu landen.

Er beinhaltete nicht, Jonas nett zu finden, Zeit mit ihm verbringen zu wollen und überhaupt klingt mein Plan im Nachhinein ganz schön seltsam. Hab ich etwa mal wieder nicht richtig nachgedacht in meiner grenzenlosen Geilheit?! Verdammt, hatte Jan vielleicht sogar Recht? Besteht mein gesamtes Leben darin, Jungs flachzulegen? Das grenzt ja fast ans Ekelhafte.

Andererseits hatte ich verflucht viel Spaß bisher. Aber möglicherweise ist jetzt der Zeitpunkt, an dem man etwas … weiß nicht … sucht. Etwas Echtes. Etwas … Tiefes.

Meine Gedanken sind grad total für den Arsch. Ehrlich, ich verstehe mich selber am wenigsten. Gestern hab ich mit Mom telefoniert und gefragt, ob in unserer Familie Geisteskrankheiten aufgetreten sind. Kann doch sein, dass mir ein entfernter Onkel, Opa, Schwippschwager den Wahnsinn vererbt hat. Nein, behauptete meine Mutter, wir wären eine sehr gesunde Familie. Immer schon. Daraufhin fragte ich vorsichtshalber, ob ich adoptiert sei, worauf Mom fragte, ob ich mich nicht wohl fühle. Dann erklärte sie mir, dass ich schon während der Schwangerschaft alles andere als einfach gewesen sei. Ständig hätte ich um mich getreten und ihre Abneigung gegen Milch ginge auf mein Konto und als ich endlich da war … du großer Gott. Keine Nacht hätte ich sie durchschlafen lassen, sodass sie schon überlegte, mich zur Adoption freizugeben.

"Du warst eine kleine Pestbeule, Adrian, aber leider so süß, bezaubernd und hinreißend, dass man dich lieb haben musste … da haben wir dich eben behalten.", waren ihre Worte.

Jan war natürlich absolut pflegeleicht und hat nie Stress gemacht. Ich hasse meinen Bruder!

Und ich hasse Jonas, weil der all meine Pläne über den Haufen wirft und ich nichts dagegen tun kann. Ja, nicht einmal was dagegen tun will.

Seit zwei Wochen hängen wir so oft es geht zusammen herum. Meistens sind seine beiden Geschwister dabei, weil die halt nicht auf sich selber aufpassen können. Lasse und Lena sind Zwillinge und besuchen grad mal die erste Klasse der Grundschule. Alexander ist Vierzehn, der hat seine eigenen Freunde, und Karina ist Zwölf, also noch zu jung zum Babysitten, aber alt genug, dass sie nicht andauernd beaufsichtigt werden muss.

Jonas hat ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert. Logischerweise tat er das nicht freiwillig, aber ich hab nicht locker gelassen. Seine Eltern sind keineswegs immer arm gewesen. Das begann vor knapp vier Jahren, als der Vater seinen Job verlor (die Firma ging wohl pleite oder so) und irgendwann die Miete für die Wohnung nicht mehr bezahlen konnte.

Jetzt wird der Familie eine Billig-Bude im Ghetto finanziert, man lebt von Hartz-IV und den drei Putzstellen der Mutter. Der Vater ist frustriert, weil er in einer beknackten Maßnahme mit unmotivierten Langzeitarbeitslosen zusammenhocken muss, die ihm nicht das Geringste bringt. Und das Geld, das Mama Jonas verdient, wird zum größten Teil auch noch auf die paar Kröten vom Amt angerechnet. Die Kohle reicht also hinten und vorne nicht. Ich wollte von Jonas wissen, woher das Geld für den Club-Abend kam … er sagte, er hätte eine Weile Prospekte verteilt. Das würde er normalerweise machen, wenn's gegen Ende des Monats zu knapp wird.

Und was mache ich? Verballere mein Taschengeld für Süßigkeiten, Filzstifte und kleine Spielsachen, die ich den Geschwistern schenke. Und warum? Weil ich ein schlechtes Gewissen habe, mich schäme und … weil Jonas sich freut, wenn die Geschwister sich freuen. Er selbst nimmt ja nichts von mir. Nur das Pustefix-Shirt und die blaue Kapuzenjacke hab ich ihm aufgedrängt und mich strikt geweigert, die Klamotten zurückzunehmen. Sie stehen ihm eh viel besser als mir. Er hat einen Spitznamen von mir bekommen: Schlumpf. Weil er immer die Kapuze meiner Jacke auf dem Schädel hat. Jonas meint, seit seine Haare so kurz sind, würde er an den Ohren frieren. Ist das nicht süß?! Ich ertappe mich häufiger dabei, dass ich mit Adjektiven wie süß und niedlich hantiere, wenn ich über Jonas nachdenke. Und ein oder zweimal hab ich mich auch schon gefragt, wie er wohl küsst. Ach du Scheiße, kann ich da nur sagen!

Raphael ist aufgefallen, dass wir uns kaum noch sehen. Seltsam, dass er mich erst darauf aufmerksam machen muss. Oder vielleicht auch nicht. Ich glaube, ich verliebe mich gerade in Jonas. Kein Wunder also, dass mein Engelchen ein bisschen ins Abseits geraten ist. Immerhin habe ich jetzt einen Schlumpf. Das heißt, natürlich hab ich ihn nicht … jedenfalls nicht richtig.

Übrigens schimmern seine Haare rötlich, wenn die Sonne drauf scheint, was mich irgendwie an Herbst erinnert. An Kastanien und raschelndes Laub und so. Wollte ich bloß mal erwähnen. Oh, und seine Hände sind wahnsinnig schön … also es sieht unwahrscheinlich toll aus, wenn er irgendwas festhält oder nach etwas greift. Er hat eine süße kleine Stupsnase und einen verdammt geilen Arsch. Du lieber Himmel, was hab ich mir da eingebrockt?!

Da er heute, aus welchen Gründen auch immer, mit den Geschwistern lieber zu Hause ist, als bei mir, wage ich mich in die fiese Siedlung, um ihn spontan zu besuchen. Natürlich weiß ich offiziell nicht, wo er wohnt, aber da rede ich mich dann schon irgendwie heraus. Hab eine olle Kuchenbackmischung gekauft … macht den Kiddies sicher Spaß … mh, die werden ja wohl Küchengeräte haben, oder? Wenn nicht, schlecken wir den Teig einfach roh. Dass man davon Bauchweh kriegt ist ein Irrtum. Etwas, das Eltern ihren Kindern erzählen, um sie vom Naschen abzuhalten.

Des Weiteren trage ich ein Springmesser, dessen Besitz sehr wahrscheinlich illegal ist, in meiner Jackentasche. Unbewaffnet gehe ich nicht noch mal in diese Gegend. Sollte mich jemand bedrohen, ramme ich ihm das Messer ins Bein … will ja keinen abmurksen, sondern meinen Angreifer bloß kampfunfähig machen.

Um ein Stück Weg abzukürzen gehe ich über den Spielplatz, der genauso dreckig und asozial wirkt, wie die ganze Siedlung. Kinder spielen vermutlich hier nicht mehr. Aus den Gebüschen ringsum strömt ein unappetitlicher Pissegeruch und wenn man nicht aufpasst, latscht man in Hundescheiße. Nebenan gibt's noch einen Aschenplatz für Ballsportarten, der allerdings ebenfalls leer ist.

Als ich grad an der Rutsche mit morschem Holzgerüst vorbei bin, bleibe ich kurz stehen. Und zwar wie angewurzelt. Ein bisschen entfernt lehnt eine Gestalt an der vollgesprühten Häuserwand und nimmt etwas von einem Kerl entgegen. Ich erkenne meine blaue Kapuzenjacke. Jonas hat wie immer die Kapuze auf dem Kopf, dreht sich hektisch nach allen Seiten um, worauf ich näher an die Rutsche schleiche, um nicht entdeckt zu werden.

Dann folgt Jonas dem Kerl zwischen die Büsche.

Okay, es dürfte allen Beteiligten völlig klar sein, was da abgeht, oder? Ich meine, dafür gibt es nur eine einzige, verdammte ekelhafte Erklärung. Mir ist, als hätte jemand einen schweren Gegenstand auf meinem Schädel zertrümmert. Mein Herz rast wie bekloppt und schlecht ist mir auch. Kotzschlecht. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, was ich jetzt tun soll. Jonas, mein kleiner Schlumpf, treibt's für Geld mit Kerlen. Von wegen Prospekte verteilen!

Nach zehn Minuten taucht Jonas wieder auf, flitzt zu den Hochhäusern rüber und verschwindet irgendwo. Der Kerl (bestimmt um die Fünfzig) schlendert Zigarette rauchend davon.

Es dauert eine Weile, bis ich mich soweit gesammelt habe, dass ich bei Jonas klingeln kann.

Er ist nicht besonders erfreut, als ich auf der Matte stehe. Dafür bemerke ich, dass seine Jeans an den Knien schmutzig ist.

"Was willst du denn hier?", fragt er schroff.

"Dich besuchen. Darf ich rein?"

"Woher hast du meine Adresse?"

Ich finde, das ist momentan unser geringstes Problem und zucke die Schultern.

Zögerlich lässt er mich dann endlich in die Wohnung. Sie ist klaustrophobisch klein und billig eingerichtet. Jonas teilt sich ein Zimmer mit seinen beiden Brüdern. Die Schwestern schlafen eine Tür weiter.

Eigentlich will ich ihn sofort mit meinem Wissen konfrontieren, hab allerdings keine Ahnung, wie ich anfangen soll. Deshalb wird erstmal mit den Kiddies in der Mini-Küche Kuchen gebacken. Als der im Ofen ist und die Kiddies spielend im Wohnzimmer hocken, ist die Gelegenheit zwar nicht günstig, aber egal.

"Sag mal, Schlumpf … der alte Knacker, mit dem du vorhin … .", es ist echt zu widerwärtig.

Jonas hat mich dennoch verstanden. Sein Blick ist eine Mischung aus Scham und Wut.

"Das geht dich nichts an, kapiert.", faucht er.

"Es geht mich sehr wohl was an, wenn du dich von irgendwelchen Männern hinterm Spielplatz befummeln lässt."

"Ich lass mich nicht befummeln."

"Ach nein? Warum bist du sonst mit dem Knacker durchs Gebüsch gekrochen?"

"Du verstehst das nicht.", murmelt er weinerlich.

"Wie lange machst'n das schon?"

"Es … es war nur ein paar Mal … wenn ich ganz dringend … "

"Wieso kommst du Vollidiot nicht zu mir, hä.", brülle ich.

"Nicht so laut.", fleht er und deutet Richtung Wohnzimmer.

"Ich hab dich was gefragt, Blödmann. Ist es so schwer, mich um etwas zu bitten?"

"Allerdings."

"Schwerer, als vor einem fremden Kerl auf die Knie zu gehen und seinen Schwanz zu lutschen, ja? Ich hoffe, er hat dich ordentlich bezahlt."

Au je … Jonas bricht in Tränen aus. "Denkst du vielleicht, mir macht das Spaß.", schluchzt er.

Vorsichtig ziehe ich ihn in meine Arme. "Versprich mir, dass du so was nie, nie wieder tust, okay? Und wenn du irgendwas brauchst … wir sind doch Freunde, das muss dir nicht peinlich sein.", flüstere ich.

Kaum haben wir uns voneinander gelöst, poltern die Kiddies rein und wollen Kuchen essen.


Die Sache mit Jonas liegt mir immer noch ekelhaft im Magen. Hey, ich bin kein Moralapostel, wenn einer es für Geld machen will, soll er doch. Wenn es aber jemand aus Verzweiflung machen muss … das ist wirklich übel. Besonders wenn man in diesen Jemand bis über beide Ohren verschossen ist. Die Vorstellung, dass Jonas … nee, ich krieg total die Krise. Er hat mir gebeichtet, dass er den Kerlen immer nur einen runter geholt hat. Außer das eine Mal, als ich ihn quasi erwischt habe. Natürlich hat er versprochen, das zukünftig bleiben zu lassen. Da ich ihm nicht gänzlich über den Weg traue, drückte ich ihm vorgestern zwei Tüten mit Lebensmitteln in die Hände, die er zuerst nicht annehmen wollte … blablabla.

Es ist echt nicht zu fassen. Jonas und seine Eltern sind tatsächlich zu stolz, um sich drei Straßen weiter für ein oder zwei Euro mit Fressalien einzudecken. Es gibt nämlich eine Anlaufstelle, Tafel genannt, wo arme Leute von Supermärkten gestiftete Nahrungsmittel bekommen. Ich kann das sogar verstehen. Wer da in der Schlange steht, weiß, dass er ganz unten ist. Und wer will das schon?

Jan hat entgeistert gefragt, warum der Kühlschrank halbleer ist, er hätte doch eingekauft. Als ich ihm sagte, wo die Sachen hin sind, hat er allerdings die Fresse gehalten.

Heute Nachmittag hat Jonas ausnahmsweise mal frei, weil die Zwillinge einen Schulausflug machen. Deswegen sitzt er in meinem Zimmer auf der Couch. Ich fläze gegenüber auf dem Bett und bewundere ihn heimlich.

"Sollen wir mit Twin Peaks weitermachen?", fragt er.

Keine schlechte Idee. Mein Fernseher steht so günstig, dass sich Jonas zu mir aufs Bett setzen muss. Super schlechte Idee! Mir wird total heiß und in meinem Magen fängt es an zu kribbeln, als er so nah bei mir ist.

"Hast du Hunger? Ich könnte Pizza bestellen.", fasele ich, um die Nervosität zu überspielen.

"Klar, ich ziehe mir hier Pizza rein, während meine Familie auf Spenden angewiesen ist."

"Kannst ja die Reste einpacken und für deine Familie mitnehmen.", antworte ich und schlage mir eine halbe Sekunde später entsetzt die Hand vor den Mund. "Entschuldige … ich hab das nicht so gemeint."

Verdammt, sein Getue nervt aber auch. Einerseits ist es ihm peinlich, andererseits erinnert er ständig daran, dass er arm ist. Als würde er alle, die mehr Geld haben, verabscheuen und für seine Situation verantwortlich machen. Das ist so anstrengend. Und unfair.

Na ja, die Stimmung ist im Eimer, Jonas beleidigt. Seine Augen blitzen gefährlich.

"Du bist echt das Letzte. Wedelst mit deiner Kohle und ich soll vor Dankbarkeit auf die Knie fallen, oder was? Ich bin nicht dein persönlicher Sozialfall, dem du hilfst, damit du nachts besser schlafen kannst."

Man, was redet der da??

"Das ganze Zeug für meine Geschwister, die Klamotten … wieso musst du ständig zeigen, dass du Geld hast? Ist das irgendwie zwanghaft?"

"Nein, ich … ich mag einfach, wenn du dich freust.", entgegne ich mit gesenktem Kopf.

"Hä?"

"Ich find's schön, wenn du lachst."

Jonas schaut sehr irritiert drein. "Adrian, das ist wahnsinnig süß … also nett von dir, aber … "

"Süß.", unterbreche ich ihn.

"Nett."

"Du hast süß gesagt."

"Ich meinte nett."

"Aber gesagt hast du süß.", grinse ich und rücke ein Stück an ihn heran.

"Was ich meinte … "

Seine Lippen sind zu nah. Jetzt oder nie! "Darf ich dich bitte küssen.", wispere ich und küsse ihn blitzschnell auf den Mund. Mein Hirn explodiert und vor meinen geschlossenen Augen tanzen bunte Sternchen. So sehr hat mich noch kein Kuss aus den Socken gehauen! Und der war noch nicht einmal mit Zunge!!

"Du hast meine Antwort gar nicht abgewartet.", lächelt Jonas schüchtern.

"Tut mir leid."

"Ist okay.", sagt er leise, "meine Antwort wäre 'Ja' gewesen."

"Dann … äh … können wir … "

"Noch mal.", seufzt er und küsst mich.

Wir knutschen eine ganze Weile … ich bin total süchtig. Endlich kann ich auch seinen Nacken streicheln, der tatsächlich super weich ist. Mir ist ebenfalls weich, in den Beinen, im Kopf, alles wabbert und schlabbert und kribbelt auf eine seltsame, aufregende Weise. Wenn das Verliebtsein ist … gute Nacht! Ich meine, wie soll man das denn bitte auf die Dauer aushalten, ohne schlimme Schäden davonzutragen, ohne komplett den Verstand zu verlieren?

"Du, Adrian …", beginnt er, "… ich hatte bis jetzt erst einen Freund und mit dem ist außer Knutschen nichts gelaufen. Und das mit den Männern … na ja, das war nicht gerade so, wie ich mir erste sexuelle Erfahrungen vorstelle."

"Wieso erzählst du mir das?", frage ich und schaue verträumt in sein hübsches Gesicht.

"Weil du bestimmt irgendwann … oder vielleicht ja auch nicht, also … ich … möchte schon, dass du … dass wir … .", faselt er und wird rot, was bezaubernd aussieht.

"Okay, Schlumpf, wir werden auf jeden Fall … auf jeden, jeden Fall irgendwann miteinander schlafen, alles klar? Aber wann, entscheidest du."

"Ehrlich? Du bist nicht enttäuscht, wenn wir damit warten?"

Heimatland! Hat sich mein Ruf als sexbesessener Irrer bis zu ihm rumgesprochen, oder was?

"Jonas.", seufze ich und schmiege mich an ihn, "Ich … bin doch so verliebt in dich."

"Und was ist mit Raphael?", fragt er plötzlich.

"Was soll mit ihm sein?"

"Ich dachte, dass du mit ihm … "

"Mit Raphael wollte ich bloß mal vögeln. Ich mag ihn. Nichts weiter."

"Hast du denn schon mit vielen Jungs geschlafen?"

Ich könnte jetzt lügen, allerdings wäre das keine gute Basis für eine Beziehung. "Sagen wir, ich hatte viel Sex mit vielen Typen, die mir alle so gut wie nichts bedeutet haben. Wenn ich einen geil fand, hab ich ihn mir halt geschnappt. Bei dir ist das anders. Dich musste ich schnappen, weil ich mich verliebt habe und nicht riskieren wollte, dass dich ein Anderer wegschnappt. Aber geil finde ich dich natürlich auch.", grinse ich. "Und zwar extrem."

"D-Danke.", stottert er verlegen.

Ich muss ihn schon wieder küssen und dabei meine Hand unter sein Shirt schieben. Keine Ahnung, wie weit man am ersten Tag einer Beziehung gehen darf, Jonas scheint sich nicht unwohl dabei zu fühlen. Trotzdem, ich beschließe, oberhalb der Gürtellinie zu bleiben. Man kann ja auch mal alles langsam angehen lassen. Dass ich seit Wochen keinen Sex hatte und Jonas mich echt scharf macht, versuche ich auszublenden.


Eigentlich hatte ich mir überlegt, meinen Job an der Essensausgabe an den Nagel zu hängen. Weil ich meinem Engelchen jetzt nichts mehr beweisen muss, richtig? Falsch! Ich dachte, dass es für Jonas, so wie die Dinge zwischen uns stehen, vielleicht irgendwie blöd ist. Aber er fand, ich sollte weitermachen, weil's doch prinzipiell eine gute Sache ist zu helfen. Finde ich inzwischen sogar auch, außerdem hab ich mich eh dran gewöhnt und die Arbeit macht einen ja auch nicht kaputt.

Nach der etwas längeren Funkstille zwischen Raphael und mir, besuche ich ihn mal wieder. Schließlich hab ich wichtige Neuigkeiten zu verbreiten.

"Hey.", begrüßt er mich eisig, "Ich dachte schon, du wärst zu deinen Eltern ausgewandert."

"Nee.", strahle ich, "Hatte bloß viel zu tun. Geht's gut?"

"Sehr. Hab mit Tom Schluss gemacht … Lust, mich zu ficken?"

Ich bin erstmal kurz sprachlos. "Was ist denn passiert?"

"Keine Ahnung. Er hat die letzte Zeit schon so komisch geschrieben und plötzlich meinte er, es wäre vielleicht gut, wenn wir uns doch mal mit anderen Jungs treffen würden. Da hab ich halt gedacht, wenn er das schon vorschlägt, bevor es bei uns richtig losgegangen ist, kann ich's auch gleich komplett beenden. Also … ich stehe zur Verfügung. Hast du Lust oder nicht?"

Okay, da muss ich nicht lange nachdenken. Ich nehme sein Gesicht in beide Hände und küsse ihn auf den Mund. "Tut mir leid, Engelchen, ich bin vom Markt."

"Hä?"

"Jonas und ich … wir sind verliebt."

"Seit wann?"

"Ein paar Tage. Aber selbst wenn nicht … du würdest nur aus Rache mit mir ins Bett gehen, oder?"

"Du willst mir ernsthaft erzählen, dass du dich verliebt hast?", fragt er spöttisch. "Ausgerechnet du … verliebt … wer soll dir das denn glauben?"

"Es ist mir vollkommen egal, was du glaubst. Ich weiß genau, was ich fühle und das ist die Hauptsache."

"Ich geb dir eine Woche … dann hängst du im 'Eishaus' und betrügst Jonas mit dem ersten hübschen Kerl, der dir über den Weg läuft."

Na gut, er ist momentan leicht verbittert und mies drauf. Verständlich. Trotzdem braucht er das nicht an mir auszulassen.

"Du denkst nicht, dass ich mich ändern kann, oder?"

"Sagen wir so … ich würde es für wahrscheinlicher halten, dass Papst Ratzinger beim nächsten CSD als Supertranse mitmarschiert."

Wow, so böse kenne ich mein Engelchen gar nicht. Diese Seite an ihm ist echt erschreckend.

Geschieht das zwangsläufig mit einem, wenn eine Beziehung in die Brüche geht? Allerdings war das mit Tom keine richtige Beziehung, oder? Vielleicht kann man sich übers Internet irgendwie kennenlernen, sich eine Menge erzählen … aber was hat man davon, wenn man sich nie spürt? Körperliche Nähe ist verdammt wichtig und ich rede jetzt nicht vom Ficken. Jonas im Arm zu halten, ihn stundenlang zu streicheln, zu küssen, ihn anzuschauen … das macht mich ehrlich schwach. Das hätte ich mir vor ein paar Wochen nicht träumen lassen und wahrscheinlich würde ich mir an Raphaels Stelle auch nicht glauben.

"Ich … ähem … geh dann mal besser. Wenn irgendwas ist … wenn du reden willst oder so, ruf mich an, ja?"

Als Antwort bekomme ich lediglich einen finsteren Blick.

Jonas dagegen schenkt mir abends ein süßes Lächeln und einen noch süßeren Kuss. Ich bin hin und weg. Dass es dieser kleine Schlumpf dermaßen versteht, mir die kitschigsten Gefühle zu entlocken, ist wirklich erstaunlich. Und peinlich, weil ich immerzu debil herumgrinse, wenn Jonas bei mir ist oder ich an ihn denke. Leider haben wir auch heute wieder viel zu wenig Zeit, weil er in der Woche um Zehn zu Hause sein muss, da sind seine Eltern total streng. Das ist nachvollziehbar … wenn man bedenkt, in welchem Umfeld die Kinder groß werden. Selbst meine Eltern würden mich in so einer Gegend nicht bis in die Puppen draußen rumrennen lassen. Alexander ist eh schon dabei, sich öfters mit den falschen Leuten zu treffen. Die Schule geschwänzt hat er wohl auch gelegentlich. Wenn ich zaubern könnte, würde ich dem Papa einen neuen Job und der Familie eine neue Wohnung besorgen. Hab bereits Jan gefragt, ob er sich nicht mal umhören könnte, schließlich hat der doch tausend Kontakte … aber da ist halt kein Bauunternehmen drunter.

Na ja, Jonas ist da und ich mache ein bisschen gemütliche Stimmung. Kerzenlicht und Julee Cruise. Normalerweise stehe ich nicht auf romantisches Kerzengedöns, aber die phantastische Julee kann man nicht im Hellen oder gar bei elektrischem Licht hören.

Jonas liegt still auf der Seite und lässt sich von mir den Nacken kraulen und küssen.

"Mein Vater kriegt vielleicht einen Job.", sagt er plötzlich.

"Hey, ist doch toll."

"Wahrscheinlich wird das eh wieder nichts. Wieso sollte es jetzt auf einmal klappen … nach vier Jahren?"

"Schon mal mit positivem Denken versucht?"

"Hab ich. Aber hat es was gebracht? Nein. Wir hocken immer noch im Ghetto."

Langsam drehe ich ihn zu mir um. "Es wird bestimmt bald besser. Dein Vater bekommt den Job, ihr könnt endlich umziehen und alles ist gut."

"Bei mir passiert nix Gutes.", murmelt er bedröppelt.

Jetzt bin ich bedröppelt. "Dann ist das zwischen uns wohl auch nichts Gutes, mh?"

Lächelnd streicht er mir eine Haarsträhne hinters Ohr. "Das Beste, was bis jetzt passiert ist. Und unglaublich dazu. Ich hätte nie gedacht, dass du dich in mich verlieben könntest. So, wie du mich anfangs behandelt hast … ich dachte halt, du wolltest bloß aus Mitleid mit mir befreundet sein."

Tolles Stichwort. "Ich muss dir mal was erklären."

"Okay."

"Küss mich zuerst."

"Ist es so schlimm?"

"Schlimm genug, dass du mich hinterher wahrscheinlich nie wieder küssen wirst."

"Warum behältst du's dann nicht einfach für dich?"

Ein verlockendes Angebot. Hätte ich vor Wochen noch ohne zu zögern angenommen.

"Weil ich will, dass du mich kennst und genau weißt, auf was für einen Menschen du dich einlässt."

"Verstehe. Du willst deinen Arsch retten, für den Fall, dass es mit uns schief geht, was.", grinst er.

Klar, warum ich in Jonas verschossen bin, oder?! Und gerade deshalb erzähle ich es ihm. Ungeschönt und wahrheitsgetreu. Dass ich alles nur gemacht habe, um an Raphael ranzukommen. Dass er nichts weiter als ein Projekt war, das ich gestartet habe, um einen Typen rumzukriegen. Dass es um nichts anderes ging, als einen Fick. Bis ich mich verliebt habe.

Jonas schweigt eine Weile. Mir ist schlecht vor Anspannung.

"Du bist echt kaputt, Adrian. Ich hab an Mitleid gedacht, aber das ist wirklich … wow … hat es wenigstens geklappt? Hast du deinen Fick bekommen?"

"Hätte ich … aber ich wollte nicht mehr."

"Geil, da hast du dich ganz schön kräftig selber verarscht.", giggelt er.

Wieso giggelt er, anstatt mir in die Fresse zu hauen?

"Man, das ist so absurd, dass ich's unmöglich ernst nehmen kann.", schüttelt er den Kopf.

"Es stimmt leider. Ich hab dich benutzt. Total fies und berechnend."

"Und jetzt soll ich dir über den Kopf streicheln und sagen, dass ich dir vergebe? Sorry, aber mit deinem schlechten Gewissen musst du allein fertig werden."

"Du machst also Schluss.", stelle ich fest.

Jonas schlingt seine Arme um mich. "Sieht das so aus.", wispert er und küsst mich.

"Was … äh … du machst nicht Schluss?"

"Natürlich finde ich's nicht toll, dass ich offensichtlich mein Herz an einen sexbesessenen, egoistischen, durchtriebenen, völlig fertigen Deppen verloren hab … aber wenigstens bist du jetzt ehrlich."

"Es tut mir leid.", murmele ich unglücklich.

"Ich hab für Geld alten Kerlen einen runter geholt. Auch nicht unbedingt ein Empfehlungsschreiben, oder?"

"Du hattest keine Wahl. Ich schon."

"Man hat immer eine Wahl. Ich hätte sicher andere Möglichkeiten gehabt, um an Geld zu kommen. Nachhilfe geben, Zeitungen austragen … was weiß ich. Die Kerle waren halt bequem. Es ging schnell und ich konnte bestimmen, was ich mache und was nicht. Logisch war es widerlich, aber ich hab dadurch nicht gerade einen seelischen Knacks gekriegt oder so was. Nur als du es rausgefunden hast, da hab ich mich wahnsinnig geschämt, weil ich nicht wollte, dass du schlecht über mich denkst oder dich vor mir ekelst. Ich war nämlich von Anfang an in dich verknallt."

"Während ich total auf der Leitung stand.", entgegne ich grimmig.

"Was ich durchaus verstehe … Raphael sieht ziemlich gut aus und scheint sehr nett zu sein."

Wenn ich ihm jetzt erkläre, dass er ihn meinen Augen natürlich viel hübscher ist als irgendjemand, klingt das total lahm, deswegen küsse ich ihn lieber und hoffe, er versteht, was ich damit sagen will.


Freitagabend bin ich im 'Eishaus'. Das ist unbedingt nötig, weil ich seit Wochen nicht mehr raus gekommen bin und einfach mal wieder laute Musik und viele Leute um mich herum brauche. Nachdem ich eine halbe Stunde auf der Tanzfläche rumgehopst bin, warte ich an der Theke auf mein Getränk.

"Hey … na, wenn das nicht mein süßer Ex ist.", grinst Roman neben mir. "Lange nicht gesehen. Was treibst'n so?"

"Gar nichts. Und mit dir sowieso nicht."

"Du warst schon immer viel zu überzeugt von dir, Adrian."

"Lass uns das Ganze abkürzen … sag mir einfach, was du willst."

"Bloß hallo sagen.", zuckt er die Schultern.

"Hallo.", krakeelt es betrunken-fröhlich in mein Ohr.

"Engelchen? Was machst du denn hier?", frage ich entgeistert.

"Mich amüsieren.", antwortet er, hebt sein Glas und nimmt einen üppigen Schluck.

Als Roman den Engel sieht, bin ich augenblicklich abgemeldet. Die Zwei verschwinden auf die Tanzfläche und ziehen eine Show ab, die kaum noch als jugendfrei zu bezeichnen ist.

Au je!! Eigentlich hatte ich vor, einen entspannten Abend zu verbringen, aber ich hab das dringende Gefühl, dass ich das vergessen kann. Es gibt wahrscheinlich verschiedene Arten der Liebeskummerbewältigung … apathisch in der Ecke hocken, wütend sein Zimmer demolieren, heulen und so weiter. Raphael hat offensichtlich saufen-bis-zum-Umfallen gewählt. Oder es kommt noch schlimmer. Mein Engelchen und der blöde Fickfrosch haben sich nämlich soeben klammheimlich verpisst und ich brauche nicht einmal zu raten, wo die jetzt grad sind. Der Weg zum Klo besteht aus einem düsteren Gang, der geradezu einlädt, sich auf die Schnelle zu vergnügen. Ich selbst habe mich bereits mehrfach dort … äh … na ja, die Zeiten sind vorbei. Ich stolpere an ein paar Knutschenden entlang und finde Raphael, der von Roman heftig befummelt wird. Mein Ex ist eine dumme Sau, wenn er es nötig hat, dass seine Aufrisse besoffen sind und kaum noch was mitkriegen. Raphael muss schon an der Wand lehnen, damit er nicht umfällt. Unsanft schubse ich Roman ein Stück zur Seite.

"Ey.", ruft er böse, "Was soll'n der Scheiß?"

"Lass deine Griffel von ihm.", fauche ich.

"Du spinnst wohl, eifersüchtige Zicke."

Roman zu erklären, dass es nicht um Eifersucht geht, wäre völlig sinnlos, weil er das eh nicht raffen würde. Deshalb kümmere ich mich um meinen Engel, obwohl er sich dagegen sträubt.

Unkoordiniert wedelt er mit den Armen und Roman muss ich auch noch abwehren.

"Wenn deine Visage so hübsch bleiben soll, dann verpiss dich.", drohe ich finster, "Du merkst doch wohl, dass er total hinüber ist."

"Ich merke nur, dass du es mal wieder nicht haben kannst, wenn … "

Geistesgegenwärtig mache ich einen Schritt nach links.

"Verdammte Scheiße, ist der hacke.", schnauzt Roman und versucht, Raphaels Kotzeschwall auszuweichen. Er ist nicht gänzlich erfolgreich, ein bisschen was landet auf seinen Schuhen.

"Sorry.", gurgelt Raphael und übergibt sich in aller Ruhe weiter.

"Bitte, er gehört dir.", behauptet Roman angewidert, bevor er sich aus dem Staub macht.

Vorsichtig schleppe ich mein Engelchen aufs Klo, wo er sich mit meiner Hilfe Kotze vom Kinn wäscht.

"Mir ist … soooo übel … alles dreht sich.", wimmert er.

"Ich bring dich nach Hause."

An der frischen Luft geht es Raphael etwas besser, trotzdem muss ich ihn stützen. Aber irgendwann hab ich ihn sicher in sein Bett verfrachtet.

"Geh nicht weg, Adrian.", bettelt er.

Na schön, lege ich mich eben zu ihm, halte ihn die ganze Nacht im Arm und lausche seinem versoffenen, liebeskranken Gefasel. Man, dafür schuldet der mir was!!

Am nächsten Morgen bin ich wie gerädert. Hab null gepennt, allerdings einen eingeschlafenen Arm, den ich kaum noch spüre, weil ein Engel drauf liegt. Letzterer regt sich träge.

"Gott … mir brummt vielleicht der Schädel.", murmelt er rau. "Kommt der Gestank etwa aus meinem Mund … ist ja ekelhaft."

Mit der wachen Hand angele ich meine Jacke vom Boden und krame eine Rolle Pfefferminzdrops heraus.

"Hier, versuch's einstweilen damit."

"Ich hätte dieses verdammte Zeug nicht literweise trinken sollen.", überlegt er. "Sag mal, hab ich dich aus Versehen angekotzt?"

"Nee, das waren Romans Schuhe."

"Echt? Ich hab deinem Ex auf die Schuhe gekotzt.", kichert er.

"Zum Glück bevor er dich gevögelt hat."

"Danke, Adrian.", sagt er leise.

"Na ja, mit wildfremden Typen zu vögeln, um dich von deinem Liebeskummer abzulenken, ist sicher keine gute Strategie. Du würdest dich heute noch schlechter fühlen und wärst quasi doppelt gefickt."

"Mh … ich weiß noch, dass ich Roman aus einem bestimmten Grund ausgesucht habe … "

"Aha?"

"Ich glaub, ich war sauer auf dich und wollte, dass du eifersüchtig wirst."

Du großer Gott! "Wieso das denn?"

"Wegen Jonas. In ihn hast du dich verliebt, mich wolltest du bloß ficken. Wenn ich nur ein kleines bisschen gespürt hätte, dass du mich gern hast … also, ich meine, nicht freundschaftlich, sondern … du weißt, was ich meine … "

Au weia!! Hä? Heißt das, ich hätte ihn haben können … zu jeder Zeit??

"Egal. Du hast Jonas, ich hab keinen Tom mehr, dafür aber einen Brummschädel.

Wenigstens hast du mich vor einer riesigen Dummheit bewahrt. Wenn auch nicht aus Eifersucht. Bist auf einem guten Weg.", lächelt er. "Aber es muss dir doch schwer fallen, keine Typen mehr aufzureißen."

"Eigentlich nicht."

"Das ist echt erstaunlich … wenn man dich kennt."

"Ich hab nie behauptet, dass ich feste Beziehungen und Treue Scheiße finde.", entgegne ich. "Und ich hab auch nie gesagt, dass ich mich nicht verlieben könnte oder wollte. Es hat sich halt bis Jonas auftauchte nicht ergeben. Das ist alles."

"Ja, streu noch Salz rein, Adrian."

"Sorry, Engelchen."

Raphael schweigt eine Weile.

"Warum gerade er?", fragt er sehr leise.

"Keine Ahnung. Irgendwann war eben dieses Gefühl da … ich kann das nicht erklären."

Nach einem ausgedehnten Frühstück für mich und zwei Paracetamol für Raphael gehe ich nach Hause und haue mich noch ein paar Stunden ins Bett.

Ich wache auf, weil mir jemand sanft ins Ohr pustet und meine Wange küsst.

"Mhhh … wie spät ist es?"

"Kurz nach Vier. Wieso pennst du noch?"

"Hab die Nacht über nicht viel Schlaf bekommen."

"Twin-Peaks-Marathon.", mutmaßt Jonas und schlingt seinen Arm um mich.

"Ich war im 'Eishaus'."

Der Arm wird langsam zurückgezogen. Ich drehe meinen Kopf, sodass ich ihn ansehen kann.

"Nicht, um rumzuficken.", erkläre ich und küsse ihn auf den Mund. "Jedenfalls … Raphael hat sich ziemlich abgeschädelt, ich musste ihn nach Hause bringen und … "

"Du warst die Nacht bei ihm?"

"Weil er so fertig war. Er hat mit Tom Schluss gemacht und brauchte jemanden zum Ausheulen."

"Verstehe."

"Ich hab Mist gebaut, Schlumpf.", seufze ich und schmiege mich an ihn. "Wenn man einen Freund hat, geht man nicht alleine aus. Das kommt nie wieder vor, versprochen."

"Nur weil wir zusammen sind, müssen wir nicht alles gemeinsam machen. Allerdings weiß ich noch nicht so genau, ob ich es gut finde, wenn du ausgerechnet mit Raphael kuschelig im Bett liegst."

"So kuschelig war das nicht. Mein Arm ist eingeschlafen, sehr unangenehm. Und dann sein besoffenes Gelaber … "

"Trotzdem.", beharrt er, "Du wolltest mal was von ihm. Und er hat es dir angeboten."

"Und ich habe es abgelehnt. Du musst mir schon ein bisschen vertrauen, sonst funktioniert das mit uns nicht."

"Ja, das muss ich wohl.", wispert er und streichelt meine nackte Brust, dass ich fast irre werde. Gleichzeitig küsst er meinen Hals und wandert mit der Hand zu meinem Bauch hinunter.

"Was hast du vor?"

"Ich probiere grad, wie verführen geht."

Oh, wow, ist der süß. Ich weiß gar nicht, ob ich geil werden, oder Jonas wie ein Vanilleeis wegschlecken soll. Erstmal halte ich seine Hand fest, die sich in meine Boxershorts schlängen wollte.

"Nicht."

"Warum?", fragt er enttäuscht.

"Das … das ist einfach kein guter Zeitpunkt.", höre ich mich reden und kann es selbst kaum fassen.

"Bist du nicht scharf auf mich?"

"Doch, total. Aber ich hab das Gefühl, du tust das nur, weil du meinst, mit Raphael konkurrieren zu müssen … oder du dir irgendwas beweisen willst."

Jonas' Blick zeigt mir deutlich, dass ich verdammt nah dran bin. Bedröppelt nagt er an seiner Unterlippe. Lächelnd streiche ich mit dem Finger darüber.

"Hey, die wird noch gebraucht."

"Wozu denn.", murmelt er unglücklich.

"Küssen. Das ist nämlich erlaubt."

"Küssen ist erlaubt?"

"Absolut.", nicke ich.

"Umarmen?"

"Das versteht sich von selbst."

"Darf ich deinen Nacken streicheln?"

"Unbedingt."

"Cool.", strahlt er und küsst mich.


An einem kalten Novembernachmittag stehe ich in einer Mini-Küche im Ghetto und rolle Plätzchenteig aus. Jonas hab ich vom Tisch verbannt, weil der andauernd genascht hat, was mich nervte. Lasse und Lena dagegen stechen vorschriftsmäßig Engel, Nikoläuse, Weihnachtsbäume, Glocken und Herzchen aus.

Das ist also neuerdings mein Leben. Guten Tag, ich heiße Adrian Kaiser und backe Plätzchen. Seltsamerweise macht das aus Gründen, die ich mir nicht erklären kann, Spaß … obwohl Plagen anwesend sind.

"Kann ich bitte wieder mithelfen.", bettelt Jonas.

"Nein. Du kannst nachher Zuckerguss draufschmieren.", bestimme ich und schiebe das beladene Blech in den Ofen.

Wie man Zuckerguss herstellt, weiß ich aus'm Internet. Und damit die Kekse nicht so langweilig aussehen, hab ich Lebensmittelfarbe, bunte Streusel und Zuckerschrift gekauft.

Lena stibitzt ein wenig Teig und teilt ihn mit ihrem Zwillingsbruder. Ich finde, die Beiden sind Kinder und dürfen das.

Übrigens hab ich heute Jonas' Mutter kennengelernt, die wahnsinnig nett ist und wahnsinnig froh war, dass ich mich zu der Aktion hier bereit erklärte. Die Frau hat ja kaum Zeit für ihre Familie, weil sie fremden Leuten den Dreck wegräumen muss. Offiziell bin ich bloß ein Freund von Jonas. Die Eltern haben keine Ahnung, dass er schwul ist und Jonas macht sich ziemlich ins Hemd deswegen.

Nachdem alle Plätzchen gebacken und verziert sind, verschwinden die Zwillinge in Lenas Zimmer. Jonas und ich sitzen händchenhaltend auf seinem Bett.

"Das war echt super lieb von dir.", lächelt er, dass die Schmetterlinge in meinem Bauch nur so umherflattern.

"Schätze, mein Ruf als Arschloch ist damit endgültig ruiniert, mh?"

"Wie man's nimmt. Musstest du unbedingt Schweinereien auf die Kekse malen?"

"Ein mit Zuckerschrift gezeichneter Penis ist keine Schweinerei, sondern Kunst.", erkläre ich.

"Es sah aber aus, wie das, was normalerweise an Schulklowänden gemalt ist."

"Der Keks hat dir doch trotzdem geschmeckt."

"Den hab ich nur gegessen, damit Lasse und Lena ihn nicht sehen."

"Du solltest es deinen Eltern bald sagen."

"Dass du gerne obszöne Pornokekse herstellst?", fragt er blöde.

"Dass du auf Jungs stehst … auf mich."

"Ja, später. Irgendwann. Wie haben denn deine Eltern reagiert?"

"Denen war das egal. Also … nicht egal, aber es ist okay. Sie haben ja noch Jan und Sophie, die ihnen Enkelkinder schenken können, wofür die sicher fleißig üben.", grinse ich. "Mein blöder Bruder macht seiner Flamme an Heiligabend einen Heiratsantrag. So richtig mit Ring und Rosen und Champagner. Hoffentlich rennt Sophie bei so viel Romantik nicht vor Entsetzen davon … oder lacht sich den Arsch ab, wenn Jan mit roter Visage nervös herumstottert."

"Du stehst wohl überhaupt nicht auf Romantik, oder?"

"Weiß nicht … ich käme mir lächerlich vor, wenn ich so was planen würde wie Jan. Was, wenn ich mich in dem Moment, wo es drauf ankommt, gar nicht romantisch fühle? Ich bin da lieber spontan. Außerdem hab ich eine andere Vorstellung von Romantik."

"Die da wäre?"

"Na ja, zum Beispiel mit meinem Freund kuschelig im Bett liegen und Twin Peaks anschauen. Anstatt Champagner trinken wir verdammt guten Kaffee und anstelle eines komplizierten Drei-Gänge-Menüs gibt es Donuts und Cherry Pie."

"Das meinst du nicht ernst.", schüttelt er verzweifelt den Kopf.

"Äh … doch."

"Vielleicht solltest du mal Unterricht bei deinem Bruder nehmen.", schlägt er vor, "Der scheint mehr Ahnung zu haben."

"Oder du heiratest gleich Jan."

"Der ist doch schon vergeben.", seufzt er übertrieben.

"Tja, ich fürchte, dann musst du dich weiterhin mit mir begnügen."

"Gibt Schlimmeres."

So ein kleiner Penner! Aus Rache starte ich eine Kitzelattacke, die damit endet, dass Jonas auf dem Rücken liegt, ich auf seinen Schenkeln sitze und seine Handgelenke festhalte. Ganz langsam beuge ich mich zu ihm runter und beginne, ihn zu küssen … seine Lippen, seinen Hals. Er hat die Augen geschlossen und atmet heftig, meine Hände schieben sich unter sein Shirt, streicheln eine Weile seine nackte Haut und öffnen schließlich seine Jeans.

"Adrian … bist du verrückt?"

"Nach dir, Schlumpf."

"Du kannst mich doch nicht hier flachlegen.", japst er.

"Das hab ich auch nicht vor.", grinse ich. "Es gibt noch andere nette Dinge, die man miteinander machen kann."

"Lasse und Lena sind nebenan … "

"Mit ihren Keksen beschäftigt."

"Trotzdem.", wehrt er sich, "Wir sind … in meinem Kinderzimmer. Das ist … "

Es geht ziemlich schnell. Kaum hab ich angefangen ist er auch schon fertig. Na ja. Wenigstens ist er jetzt entspannt. Ich lege mich neben ihn, schmatze einen Kuss auf seine heiße Wange und hoffe, er verschafft mir ebenfalls ein wenig Entspannung … brauchen würde ich es … dringend. Jonas wartet nicht lange. Und was der so mit mir anstellt … sagenhaft. Ich vergesse fast, dass ich nicht so laut sein darf, weil die Zwillinge in der Wohnung herumschwirren.

"Wow … du solltest Geld dafür nehmen.", röchele ich, total überwältigt.

"Ich hab versprochen, das nicht mehr zu machen.", antwortet er eisig, was mich in die Realität zurückbringt.

"Scheiße, Jonas … ich … nachdenken, Adrian.", zische ich und haue mir mit der Hand an die Stirn, "Nachdenken, bevor du redest, Vollidiot."

"Meine Eltern kommen bald nach Hause. Du solltest jetzt gehen.", erklärt er.

Das hab ich ja mal wieder toll hingekriegt!

Jonas bringt mich zur Tür, vergewissert sich, dass die Geschwister uns nicht sehen und umarmt mich.

"Ich weiß, du hast das nicht so gemeint, Adrian. Bis morgen.", lächelt er und küsst mich zum Abschied kurz auf den Mund.


Raphaels Liebeskummer ist verflogen. Das hat einen Grund: Toms völlig überstürzte Rückkehr aus Amerika in Raphaels Leben. So ganz hab ich nicht verstanden, ob's wirklich nur um mein Engelchen ging, oder Tom eh vor hatte, nicht bis zum Ende durchzuziehen. Ist ja auch egal. Er ist jedenfalls wieder da, hat rührselig rumgejammert und jetzt sind die Beiden ultra verliebt. Manchmal gleicht das Leben halt doch einer schnulzigen Hollywood-Romanze!

Jonas muss wohl noch etwas auf ein Happy End warten. Sein Papa hat zwar den Job bekommen, aber mit einer Wohnung sieht's eher mies aus. Die beschissene Ironie an der Sache ist ja, dass Jonas' Vater beruflich ständig auf Baustellen rumläuft, wo Häuser entstehen, er aber selber keine vernünftige Wohnung kriegt. Vermieter stehen wohl nicht sonderlich auf Kinder … besonders, wenn's so viele sind.

Ich finde, die Familie kann sich trotzdem freuen, weil endlich wieder mehr Geld da ist, denn schließlich steht Weihnachten praktisch vor der Tür. Die gesamte Innenstadt ist zugemüllt mit Tannengirlanden, Lichterketten, Leuchtsternen und an einigen Häuserfassaden krauchen Plastiknikoläuse zu den Fenstern empor. Mich gruselt es beim Hinsehen. Überhaupt kann ich wenig mit dem Weihnachtstrubel anfangen. Jonas steht da total drauf. Die letzten Jahre war bei ihm das Fest der Liebe allerdings … na ja, sehr mager. Dieses Jahr wird es, dank Papas neuer Arbeitsstelle, besser. Und für Jonas hab ich sowieso eine Überraschung, die sich gewaschen hat. Klar, er wird sie nicht annehmen wollen, weil: erstens zu viel und zweitens ist es ihm wichtig, Weihnachten bei seiner Familie zu sein. Das möchte ich auch und weil ich die paar Tage unmöglich auf ihn verzichten kann und er sowieso was Schönes verdient, muss er halt mit nach Madeira. Ich bereite mich auf ein hartes Stück Arbeit vor, ihn davon zu überzeugen.

"Gehen wir morgen mal über den Weihnachtsmarkt?", fragt er, als wir kuschelig auf meinem Bett liegen.

"Willst du mir den Todesstoß versetzen?"

"Komm schon, Adrian, niemand kann was gegen Weihnachten haben. Gegen Glühwein, Lebkuchen und Zimtduft."

"Nee, aber gegen Menschenmassen, die mich mit ihren Grippeviren belästigen und gegen stundenlang in der Kälte stehen, um irgendeinen völlig überteuerten Fusel zu saufen."

"Die haben an der Kirche sogar eine Eisbahn aufgebaut."

Ich verdrehe genervt die Augen.

"Na ja, gehe ich eben mit Lasse und Lena allein."

"Wieso musst du denn schon wieder auf die Beiden aufpassen?"

"Meine Eltern machen Weihnachtseinkäufe.", erklärt er und strahlt übers ganze Gesicht. "Auch wenn wir noch keine Wohnung gefunden haben … dieses Jahr wird Weihnachten trotzdem schön. Nicht wegen der Geschenke, sondern weil meine Eltern viel entspannter sind und sich nicht mehr so'n Kopf um alles machen müssen. Ich kann immer noch nicht fassen, dass mein Vater endlich wieder Arbeit hat."

"Ja, das ist wirklich toll.", seufze ich.

"Du … ähem … wir sehen uns in den Ferien nicht, oder?"

Okay, es ist soweit! "Das liegt bei dir."

"Hä?"

"Ich hab ein Geschenk für dich … versprich mir, dass du es annimmst."

"Au je, das klingt übel.", lächelt er unsicher. "Was ist es denn?"

"Ein Flugticket."

"Auf keinen Fall."

"Doch, auf jeden Fall.", versichere ich ihm.

"Verdammt, ich dachte, du willst mir eine CD oder so was schenken. Adrian … ich kann das nicht annehmen, das ist zu viel."

Na bitte!

"Ich hab meinen Eltern aber schon gesagt, dass du mitkommst. Die wollen ihren zukünftigen Schwiegersohn doch kennenlernen."

"Wieso musst du immer gleich übertreiben?"

"Ich hab gehofft, du würdest dich freuen.", murmele ich enttäuscht.

"Das tue ich ja, aber … ich kann mir nicht mal ansatzweise etwas Gleichwertiges für dich leisten."

"Darum geht's doch auch gar nicht. Übrigens schenkst du mir eh irgendwann was viel Besseres, Schlumpf."

"Ach ja?"

"Ja, und das ist unbezahlbar."

"Warum warten?"

"Weil unser erstes Mal was Besonderes ist, das macht man nicht mal eben so."

"Ich denke, du planst nicht gerne, sondern bist lieber spontan.", grinst er sexy und lässt seine Finger aufreizend über meinen Hosenbund spazieren.

"Aber … ich hab mir das anders vorgestellt. Außerdem wolltest du, dass wir uns Zeit lassen damit."

"Kommt nicht immer alles anders, als man es erwartet?"

Wenn der weiter so an mir rumfummelt, komme ich … und zwar augenblicklich!

Mal im Vertrauen, ich hatte mit vielen Jungs Sex. Jungs, die genauso wie ich wussten, wo es lang geht und was man zu tun hat, um sich und seinem Partner einen geilen Orgasmus zu verschaffen. Technisch perfekt, abgeklärt, vorhersehbar. Dagegen ist Sex mit Jonas unglaublich aufregend, weil man von tausend Gefühlen überwältigt wird, die man vorher nicht hatte. Gefühle, von denen man keine Ahnung hatte, dass sie überhaupt existieren. Es geht nicht um Geilheit und schnelle Befriedigung, wo man möglichst das Hirn ausgeschaltet hat … sondern darum, den Körper zu erforschen, ganz langsam und bewusst, Millimeter für Millimeter und herauszufinden, was den Anderen verrückt macht, was einen selbst verrückt macht. Es ist fast wie auf einem Trip, bei dem man jede Berührung, jedes sanfte Zucken, jede Muskelspannung, Duft und Beschaffenheit der Haut viel intensiver wahrnimmt. Das ist wirklich schwer zu beschreiben. Vielleicht ist es immer so, wenn man Sex und Liebe kombiniert.

"Verdammt.", schnauft Jonas, "Jetzt muss ich dir doch noch ein Geschenk kaufen."

"Ist das alles, was du nach diesem Hammer-Erlebnis zu sagen hast?"

"Momentan schon.", lächelt er und kuschelt sich in meine Arme, "Für das gerade sind noch keine Wörter erfunden, glaube ich."

Gott sei dank ist er genauso hingerissen!

"Ich möchte, dass du mit mir nach Madeira kommst."

"Meine Eltern werden nicht erlauben, dass du mir so was Teures schenkst. Nie im Leben."

"Aber wenn ich's mir doch leisten kann. Meine Familie war finanziell immer schon gut dabei. Uns gehört das Haus, in dem wir wohnen, das Haus auf Madeira auch und meine Eltern haben da noch ein Restaurant, ziemlich nobler Schuppen, denen tut es nicht weh, zwei Flüge zu bezahlen. Und außerdem … es ist bloß Geld. Ich will dir kein lebenswichtiges Organ spenden oder so was in der Art."

"Man, ich hatte ja keinen Schimmer, dass du so reich bist.", brummelt er.

"Meine Eltern.", verbessere ich. "Und wenn es dir total gegen den Strich geht, kannst du das Flugticket in Raten zurückzahlen."

"Haha … wie lange soll ich denn da dran sitzen? Hundert Jahre?"

"Kannst es meinetwegen auch bei mir abarbeiten.", grinse ich und will mich zwei Sekunden später mal wieder ordentlich köpfen. "Das sollte jetzt keine blöde Anspielung sein, sondern eine schlüpfrige Bemerkung, in Bezug auf uns Beide."

"Ich bin doch kein Idiot, Adrian. Du brauchst nicht andauernd zu erklären, wie du irgendwas gemeint hast. Wie viele Male müsste ich denn mit dir schlafen, um nach Madeira zu kommen, mh?"

"Sehr viele … unglaublich viele Male, weil ich dann nämlich den teuersten Flug der Welt buchen würde."

"Mir hat's auch gefallen.", zwinkert er und küsst mich. "Übrigens möchte ich, dass du morgen mit mir über den Weihnachtsmarkt schlenderst. Ohne Finsterblick und schlechte Laune."

"Das kostet dich mindestens noch mehr Sex."

"Willst du jetzt tatsächlich für jeden kleinen Gefallen, um den ich dich bitte, Geschlechtsverkehr?"

"Weiß nicht … würdest du dich darauf einlassen?"

"Natürlich …", seine Hand streichelt meinen Bauch, gleitet langsam tiefer und stoppt plötzlich, "… nur in deinen Träumen."


Eingehüllt wie ein Eskimo, latsche ich Samstagnachmittag mit Jonas und den Zwillingen durch die Kälte und wundere mich über das strahlende Gesicht meines Freundes. Es ist nicht zu fassen, mir friert alles ab und er ist total glücklich. Verstohlen greife ich nach seiner Hand, die er jedoch sofort wegzieht. Klar, Lasse und Lena könnten ja was mitkriegen und den Eltern erzählen. Langsam geht's mir auf den Geist. Als die Geschwister dann aber auf der Eisbahn ihren Spaß haben, ist Jonas wesentlich entspannter. Ich darf ihm beispielsweise gebrannte Mandeln in den Mund stecken und mich immer noch ein bisschen fragen, was an Weihnachten nun so wahnsinnig toll ist.

"Weißt du …", beginnt Jonas, "… letztes Jahr war wirklich schlimm. Nicht mal einen Baum konnten wir uns kaufen. Es war einfach kein Geld da. Erklär das mal fünfjährigen Kindern."

Jau, das stelle ich mir nicht unbedingt einfach vor. Oh je, ich sollte ihm lieber verschweigen, dass er dieses Jahr auch keinen Baum kriegt … für den Fall, dass er mit nach Madeira fliegt. Obwohl da auch Weihnachten gefeiert wird. Aber meine Eltern sind halt nicht so die Dekorationsfreaks. Die Geschenkübergabe läuft bei uns inzwischen ziemlich unkitschig ab, denn ich glaube seit geraumer Zeit nicht mehr an den Nikolaus oder das Christkind. Na ja, wenn Kinder im Spiel sind, darf man wahrscheinlich alles heimlichtuerisch herrichten und anschließend verkünden: der Weihnachtsmann war da!

"Für Alex und Karina war's auch nicht leicht zu hören, was ihre Freunde alles bekommen haben. Aber meine Eltern hatten die Wahl … entweder Geschenke oder die Stromrechnung bezahlen. Mein Vater war total fertig deswegen, ich hab gesehen, wie er sich zusammenreißen musste, um nicht loszuheulen."

Ich bleibe einen Moment stehen und werde das Gefühl nicht los, den ältesten Sechzehnjährigen der Welt neben mir zu haben. Oder sagen wir, einen unwahrscheinlich erwachsenen. Der denkst echt nur daran, wie sehr die gesamte Familie unter der finanziellen Situation zu leiden hat. Dass es ihm selbst auch schlecht geht, steht bei ihm an letzter Stelle.

"Nervt es dich, wenn ich dir den ganzen Scheiß erzähle?", fragt er. "Ich meine … das sind ja nicht grad Sachen, die Leute hören wollen."

"Du kannst mir alles sagen, Schlumpf. Ich bin nicht wie die Leute … nicht mehr.", antworte ich und umarme ihn. Am liebsten würde ich Jonas überhaupt nie wieder loslassen.

"Würdest du mich bitte zu einem heißen Kakao einladen.", wispert er. "Mir ist arschkalt."

"Na, dann kram erstmal deinen Bruder und deine Schwester zusammen. Die mögen sicher auch was Heißes."

"Das war nur Spaß, Adrian. Ich hab ein bisschen Geld, also zahl ich heute. Keine Widerrede."

Die kleinen Geschwister sind von Kopf bis Fuß durchnässt, weil sie sicher tausendmal auf dem Eis hingeknallt sind. Nach dem Kakao ist deshalb der Weihnachtsmarktbesuch vorbei.

"Fragst du deine Eltern, ob du mit mir Urlaub machen darfst? Oder soll ich?"

"Ich ruf dich nachher an.", verspricht er zum Abschied.


Gott, war das ein Hin und Her! Zuerst waren Jonas' Eltern total dagegen und Jonas fand sowieso die Vorstellung fies, dass er fröhlich in der Sonne liegt, während seine Familie im Ghetto hocken muss. Er hätte die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen, wenn er mitkäme, sagte er. Dann wollten mich seine Eltern kennenlernen und allerhand wissen. Wer ich bin, was meine Eltern machen, warum ich Jonas einladen will, wieso ich mir das überhaupt leisten kann … blablabla. Ich glaube, die hatten die Befürchtung, meine Eltern könnten einem schlimmen Kinderpornoring angehören, der den armen Jonas nach sonst wohin verscherbeln würde. Also bat ich meine Eltern, mit Jonas' Eltern zu telefonieren, daraufhin waren Jonas' Eltern zwar beruhigt, aber trotzdem noch der Meinung, ihr Sohn könne das Ticket nicht annehmen, weil viel zu teuer. Paps hat zum Glück schnell geschaltet und behauptet, die Fluglinie hätte grad in dem Zeitraum ein paar günstige Angebote und da es kein Direktflug sei, wäre es noch mal etwas preiswerter.

Übrigens wissen Jonas' Eltern, dass wir verknallt sind. Man, war ich geschockt, als sie damit raus rückten! Geahnt hätten sie schon was, weil Jonas halt nie über Mädchen reden würde und auch bis jetzt noch keine Freundin hatte, mich würde er aber so eigenartig ansehen. Und ich würde ihn genauso ansehen. Ich bekam eine unglaublich rote Rübe und stammelte blöde vor mich hin. Jonas war kreidebleich und nicht einmal in der Lage zu stammeln. Allerdings fand ich nach einigen Minuten meine Selbstsicherheit wieder und fragte, ob sie ein Problem damit hätten, meine Eltern nämlich nicht. Jonas' Vater war wohl ein bisschen überrascht, dass sich seine Vermutung als richtig herausgestellt hatte. Ich denke, er braucht einige Zeit, bis er wirklich damit klar kommt. Immerhin umarmte er seinen Sohn und signalisierte: Ich hab dich lieb, auch wenn du eine Schwuchtel bist!

Mir tätschelte er die Wange und signalisierte: Wenn du meinem Sohn weh tust, tue ich dir weh … und zwar nicht zu knapp!

Jaaaaaaa und momentan sitze ich im Auto und der kleine Schlumpf neben mir drückt sich die süße Nase an der Fensterscheibe platt. Klar, als ich das alles zum ersten Mal gesehen habe, war ich auch vollkommen fertig. Madeira zu beschreiben ist schwierig. Es ist eigentlich so, wie man sich Urlaub auf einer Insel im Atlantik vorstellt, nur in Wirklichkeit noch hundertmal … urlaubiger. Ich könnte mich jetzt darüber auslassen, wie blau das Meer ist und wie exotisch bunt die vielen Blumen sind, wie schön der Hafen ist, dass es hier super tolle Strände gibt, viele ruhige Ecken, aber auch trendige Läden, Nobelboutiquen, teure Restaurants und kleine Clubs, in die man gehen kann … man muss das alles halt selbst erleben.

"Es ist total warm.", bemerkt Jonas.

"Das macht der Golfstrom.", erkläre ich oberschlau, "Der sorgt für ein durchgehend mildes Klima. Hier ist es nie heißer als dreiunddreißig Grad und nie kälter als neunzehn Grad. Was glaubst du wohl, warum Kaiserin Elisabeth zum Auskurieren ihrer Lungenkrankheit hierher geschickt wurde?"

"Kaiser Adrian hat sich heimlich informiert.", grinst Paps. "Hat er dir auch schon die genaue geographische Lage erklärt und die ganzen Spezialitäten aufgezählt?"

"Bis jetzt nicht.", antwortet Jonas.

"Adrian, du enttäuschst mich. Du erzählst doch sonst Jedem, dass Madeira und Casablanca auf dem gleichen Breitengrad liegen, und wie man eine richtige Poncha macht."

Ich hasse meinen Vater!

"Was ist Poncha?"

Jonas hasse ich auch!

"Das Nationalgetränk auf Madeira.", faselt Paps, "Zitrone, Honig und Zuckerrohrschnaps. Die richtige Mischung kennen angeblich nur die Einheimischen … und Adrian.", lacht er.

"Hast du vielleicht heute schon ein paar Gläser davon gehabt.", zische ich.

"Das klingt lecker, aber gefährlich.", behauptet Jonas.

"Ist es.", entgegnet Paps, "Man bekommt schon beim Trinken Kopfschmerzen. Und ihr lasst in eurem Alter sowieso die Finger von alkoholischen Sachen."

Natürlich, Papa, natürlich … buahahahaha!!

"Wir sind da.", verkündet er fröhlich. "Taschen raus, Mama begrüßen, eine Kleinigkeit essen und dann will Jonas sich bestimmt ausruhen. War doch sicher alles etwas anstrengend, oder?"

"Jonas hatte Panik, dass wir abstürzen. Den gesamten Flug über musste ich seine schwitzige Hand halten."

"Du warst beim ersten Mal auch ziemlich ruhig.", meint Paps mich erinnern zu müssen.

"Woher willst'n du das wissen.", rutscht mir aus Versehen heraus.

Jonas starrt mich an, ich starre Jonas an und … wir kichern uns dumm und dämlich.

"Ich möchte bitte nicht wissen, woran ihr gerade denkt.", schüttelt Paps den Kopf und wedelt gespielt hektisch mit der Hand. "Geht … geht rein und sagt eurer Mutter Guten Tag."

"Hey, du gehörst schon zur Familie.", wispere ich und schmatze Jonas einen Kuss auf die Wange.

Zwei Sekunden später schmatzt unsere Mutter mir hundertmillionen Küsse auf beide Wangen. Ich werde fast zu Tode geknuddelt und geherzt. Jonas ist da besser dran. Er bekommt ein Küsschen links, ein Küssen rechts, wird kurz gedrückt und Mom versichert ihm, wie sehr sie sich freut, ihn kennenzulernen.

"Da ich nicht wusste … ", beginnt sie, "äh … also ich hab ein Zimmer für Jonas hergerichtet, aber ihr wollt wahrscheinlich zusammen … das ist auch in Ordnung."

Ist es nicht lustig, dass Eltern, egal, wie locker sie sonst drauf sind, immer peinlich berührt rumstottern, sobald der Sohn/die Tochter eventuell Sex haben könnte?!

"Wir brauchen bloß ein Zimmer. Ich zeig Jonas das Haus."

Nach dem Essen ruhen wir uns ein wenig aus. Jonas liegt in meinen Armen.

"Es ist wirklich schön hier."

"Aber?"

"Ich vermisse Weihnachten.", seufzt er.

Nicht mehr lange, denke ich und kichere in mich hinein. Schließlich kenne ich Madeira.

"Morgen ist Heiligabend. Wie läuft denn das bei euch?"

"Ziemlich unspektakulär. Geschenke gibt's am ersten Weihnachtstag. Aber du und ich … wir machen morgen Bescherung. Allein."

Drei Minuten später ist er eingeschlafen.


Den nächsten Tag verbringen Jonas und ich hauptsächlich im Garten. Toben im Swimmingpool (den er minutenlang beinahe ehrfürchtig anstarrte, weswegen ich ihn kurzerhand hineinschubste), schlürfen Cocktails ohne Alkohol und knutschen wie die Irren.

Ehrlich, so viel Spaß, wie mit meinem Schlumpf, hatte ich hier noch nie. Wenn ich drüber nachdenke, hatte ich eigentlich überhaupt noch nie so viel Spaß wie mit Jonas. Gott, ist der süß, man möchte spontan den Verstand verlieren!

Nach dem Abendessen ist es soweit. Es dämmert langsam … perfekt.

"Jetzt zeige ich dir mal was von der Stadt.", beschließe ich.

"Ausgerechnet jetzt.", mault er. "Ich dachte … "

"Nicht denken, mitkommen."

Hand in Hand laufen wir durch die Straßen und Gassen, die über und über mit Lämpchen, Leuchtsternen und Girlanden geschmückt sind. Jonas ist überrascht, entzückt und was weiß ich.

"Weihnachtlich genug?", frage ich grinsend.

"Krass. Das ist mir gestern gar nicht aufgefallen."

"Da war es ja auch noch hell, du Blödi."

Wir machen einen kurzen Abstecher ins Restaurant meiner Eltern, wo mir Nuno, der portugiesische Koch, eine Flasche überreicht.

Bevor wir zum Strand gehen, klettern wir ein paar Felsen hoch und genießen den Blick auf die üppig beleuchtete Stadt.

"Hab ich schon erwähnt, wie schön das hier ist?", fragt Jonas.

"Kann sein. Aber sag's ruhig noch mal. Stört mich nicht."

"Blödmann. Für dich ist das alles ja nichts Neues. Ich dagegen hab bis jetzt im Ghetto gelebt und komme mir langsam vor, wie in einer Fernsehshow, wo arme Leute überrascht werden."

"So arm seid ihr jetzt auch nicht mehr. Außerdem hab ich dich aus einem total egoistischen Grund mitgenommen."

"Und der wäre? Um mich flachzulegen sicher nicht. Das hast du bereits."

"Das war kein Flachlegen.", entgegne ich etwas beleidigt.

"Sondern?"

"Weiß nicht … Liebe machen?"

"Du alter Romantiker.", lacht er. "Nenn es lieber ficken, das passt besser zu dir."

"Hattest du das Gefühl, dass ich dich nur ficke?"

Jonas schlingt von hinten seine Arme um meinen Körper und stützt sein Kinn auf meine Schulter. "Nee. Es war genauso, wie das Erste Mal sein sollte."

"Dann hab ich wenigstens eine Sache in meinem Leben richtig gemacht.", seufze ich.

"Au je … kommt jetzt so ein 'Ich-bereue-alles-was-ich-jemals-getan-hab' Mist?"

"Eigentlich nicht. Ich wollte bloß mal was Dramatisches sagen.", erkläre ich grinsend. "Es ist gar nicht so übel, eine Zeit lang ein ignorantes, egoistisches Dreckstück zu sein, das ausschließlich an sein eigenen Vergnügen denkt. Aber wenn plötzlich ein kleiner Schlumpf daher gehopst kommt, merkt man, dass es auch anders geht."

"Na klar, ich bin an allem Schuld."

"Wer sonst? Bevor du aufgetaucht bist, war ich noch nie ernsthaft verliebt."

"Es war deine Geilheit, die uns zusammen gebracht hat. Wärst du nicht so geil gewesen, hättest du dich niemals mit mir abgegeben. Zu dumm, dass ich gar nicht Derjenige war, den du haben wolltest."

"Auf die Geilheit.", behaupte ich, hebe kurz die Flasche, die ich aus meinem Rucksack gekramt habe, und nehme einen Schluck.

"Verdammt guter Trinkspruch.", schüttelt Jonas den Kopf. "Ist das dieses komische Ponchazeugs?" Skeptisch beäugt er die Flasche, schnüffelt ausgiebig daran und wagt schließlich einen kleinen Probeschluck. Danach einen etwas größeren. "Mh, lecker."

"Sei trotzdem vorsichtig damit.", warne ich ihn.

"Okay, möchtest du jetzt dein Geschenk haben?"

"Du reichst mir völlig."

"Egal, du wirst es toll finden, versprochen."

Vorsichtig kraxeln wir die Felsen herunter zum Strand und setzen uns ans Wasser. Jonas zaubert aus seiner Tasche ein verpacktes Irgendwas hervor.

"Fröhliche Weihnachten.", strahlt er, dass mir schon wieder reichlich warm überall wird.

"Warte, da fehlt noch was."

"Hä?"

"Der hier.", kichere ich, drücke auf den kleinen Knopf über'm Nikolaushintern und stelle ihn in den Sand. Der Weihnachtsmann beginnt augenblicklich, wild mit den Hüften zu wackeln und drischt auf die Plastikgitarre ein, die er umgeschnallt hat. Aus dem Inneren des Dickbäuchigen tönt eine sehr rockige Version von "Santa Claus is coming to town".

"Das ist das Bekloppteste, was ich je gesehen habe.", lacht sich Jonas kaputt.

Zufrieden entferne ich das Papier von meinem Geschenk. Zum Vorschein kommt eine aus Holz gefertigte … Kokosnuss?! Oh Mann, ich ahne, was sich darin befindet. Langsam klappe ich den Deckel hoch.

YEAH!!

Eine Kette mit einem goldenen Herzanhänger. Jonas nimmt sie heraus, bricht das Herz in der Mitte durch und überreicht mir die eine Hälfte.

"Das ist un-fucking-believable!"

Nicht nur ein original echt aussehendes Laura-Palmer-Herz zu finden, nein, er hat auch noch diese dämliche Kokosnuss aufgetrieben. Wahnsinn, wo kann man denn so was kaufen?!

"Jetzt gehört mein Herz nur dir.", wispert er.

Leider wird die romantische Stimmung vom singenden Gitarrenweihnachtsmann unterbrochen, weshalb ich ihn ausschalte. Danach friemele ich mir sofort die Kette um den Hals. Jonas hat seine Herzhälfte Twin-Peaks-like an einem Lederband befestigt, das er sich um den Hals schlingt.

Langsam fange ich an, Weihnachten doch ein bisschen zu mögen!

Und Jonas mag offensichtlich Poncha. Wenn ich nicht aufpasse, säuft er noch die ganze Flasche. Er wird es bitter bereuen. Weil es inzwischen reichlich duster geworden ist, stelle ich ein paar Kerzen in windgeschützten Glasbehältern auf. Jonas räkelt sich derweil im Sand. Seine Hose hängt auf halb acht, sein Shirt ist hochgerutscht. Au weia!!

"Warst du schon mit vielen Jungs hier?"

"Du bist der Erste."

"Verarsch mich nicht."

"Du bist der Erste.", wiederhole ich.

"Kein hübscher Portugiese, der es dir besorgt hat?", fragt er, worauf ich ihm erstmal die Flasche wegnehme. Ich denke, er hat genug.

"Nein, und selbst wenn, würde ich dir nichts davon erzählen. Vor meinem Freund brüste ich mich nicht mit vergangenen Aufrissen."

"Brüste.", kichert Jonas.

"Du bist betrunken."

Verdutzt schaut er mich an. "Quatsch. Ich bin total nüchtern." Um mir das zu beweisen hievt er sich aus dem Sand, versucht aufzustehen, verliert jedoch das Gleichgewicht und landet halb auf mir. "Ups."

Seine Lippen drücken sich ungeschickt auf meinen Mund und seine Hände schieben sich grapschend unter mein Shirt.


Sonnenstrahlen kitzeln mein Gesicht. Vorsichtig öffne ich die Augen und blinzele ins Licht.

Neben mir bewegt sich Jonas, legt seinen Arm über meinen Oberkörper, kraucht mit der Hand höher und spielt mit dem Herzanhänger.

"Wie bin ich hierher gekommen?", fragt er.

"Auf deinen Füßen, oder dachtest du, ich hätte dich getragen?"

"Keine Ahnung. Ich weiß nur noch, dass wir am Strand lagen und … dann?"

"Sind wir irgendwann nach Hause gegangen. Nachdem du gejammert hast, dass sich der halbe Strand in deiner Hose befindet."

"Sex im Sand ist gar nicht so romantisch, wie immer alle behaupten."

"Wir hatten keinen Sex."

"Nee? Stimmt. Daran würde ich mich sicher erinnern."

"War ganz schön schwierig, dich auf Abstand zu halten."

Jonas' Wangen verfärben sich leicht. "Ach du meine Güte … war ich sehr aufdringlich?"

"Allerdings. Aber besoffen rumvögeln gehört der Vergangenheit an. Mit dir will ich so was nicht."

"Weil?"

Ich muss lächeln. "Du willst es immer wieder hören, richtig?"

"Was?"

"Dass das zwischen uns was Besonderes ist.", seufze ich.

"Warum sagst'n das so gequält?"

"Das war nicht gequält, sondern … verklärt. Vielleicht sogar verträumt."

"Ich hab dich lieb, Adrian.", wispert er und küsst mein Ohrläppchen.

"Logisch, immerhin gehört dein Herz nur mir."

"Nicht nur mein Herz. Siehst du diesen Körper.", grinst er und streicht an sich herum.

"Sehr hübsch.", nicke ich, "Und sehr verlockend. Leider erwarten uns meine Eltern zum Frühstück."

"Jetzt sofort?"

"Mehr als ein Kuss ist nicht mehr drin."

Beim Frühstück löchern Mama und Papa meinen Freund mit tausend Fragen. Wie ihm die Insel gefällt, ob er seine Familie vermisst, was wir noch so vorhaben … Elterngefasel halt.

Danach bekomme ich einen Laptop, mit dem ich nicht wirklich gerechnet habe, weil ich mir ja hauptsächlich Jonas' Flug gewünscht hatte. Wahrscheinlich sind meine Eltern so großzügig, weil sie ihren Teenagersohn in Deutschland zurückgelassen haben, um tausende von Kilometern weit weg ein neues Leben anzufangen.

"Wir haben eine Kleinigkeit für dich, Jonas.", behauptet meine Mutter lächelnd.

"Aber … aber das ist doch nicht nötig.", murmelt mein armer Schlumpf verschämt.

"Na ja, es ist nicht nur für dich.", fährt sie geheimnisvoll fort.

Also, da bin ich jetzt aber auch gespannt.

"Es ist so, dass Bekannte aus Deutschland ein Haus besitzen … nichts Großes und renoviert werden müsste auch noch einiges, aber es ist in einer netten Gegend … vor ein paar Monaten sind die Mieter einfach verschwunden, nachdem unsere Bekannten geklagt hatten. Das war vielleicht ein Theater und ein Chaos müssen die hinterlassen haben, schrecklich. Jedenfalls suchen sie jetzt vernünftige Leute und wir haben schon mit deinen Eltern gesprochen, die sollen unsere Bekannten anrufen und einen Besichtigungstermin ausmachen."

Jonas kann gar nichts sagen.

"Was'n für Bekannte.", will ich wissen.

"Sophies Verwandtschaft.", entgegnet Mom.

"Cool."

"Man, wenn das klappen würde." Jonas hat seine Sprache wieder gefunden. "Wenn wir uns das leisten könnten."

Ich glaube, meinen Eltern finden es grad eigenartig, dass sich ein Sechzehnjähriger darüber Gedanken macht.

"Mach dir darüber mal keine Gedanken.", rät Paps. "Das besprechen deine Eltern mit den Bekannten."

Da hat Paps ausnahmsweise mal Recht. Jonas fühlt sich immer so verantwortlich für alles … als wäre er das Oberhaupt seiner Familie. Das muss langsam aufhören. Ihm das abzugewöhnen, wird natürlich schwierig, weil er es sich vier Jahre lang antrainiert hat. Allerdings bin ich jetzt da und hab dafür zu sorgen, dass er sich entspannt und einfach nur glücklich ist. Denn wenn Jonas glücklich ist, macht mich das glücklich. Gott, klingt das kitschig. Aber wenn man verliebt ist, darf man kitschig sein!

ENDE

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