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Love Me Tender

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Vorwort

Was haben der King und Miro Klose gemein? Sehr richtig... sie kommen beide in dieser Geschichte vor. Nicht persönlich, das wäre selbst mir eine Spur zu phantastisch. Und eigentlich, also hauptsächlich, geht es hier sowieso um ganz andere Dinge.

 

Ich muss so schrecklich viel an Jungs denken. Also... immer. Wenn Nacht ist, ich im Bett liege und eigentlich schlafen sollte, weil am nächsten Tag Schule ist, schleichen sich Phantasie-Jungs in mein Hirn. Oder in total unangebrachten Situationen... ich sitze bei irgendwelchen Verwandten am Kaffeetisch und sehe plötzlich Fabian aus meiner Schulklasse vor mir. Seine braunen Locken fallen ihm über die Augen, die er geschlossen hat, weil er grad seine Visage in die Sonne hält.

In der Schule ist es sowieso am schlimmsten. Oder sagen wir am zweitschlimmsten. Im Klassenzimmer ist man ja nie ungestört, weil man aufpassen muss, dass der Lehrer einen nix fragt. Denn wenn er das tut und man hat keine Ahnung, was die Sau will, wird die Sau aggressiv und blamiert einen vor versammelter Mannschaft. Am schlimmsten sind die Wochenenden. Da gehe ich nämlich immer mit meinem besten Freund Lila (das ist ein Spitzname... eigentlich heißt er Frank, was er beschissen findet) in diesen Club, wo nur Deathrock gespielt wird. Und da hängen eben wahnsinnig viele hübsche Jungs rum, die Klamotten tragen, dass einem ganz anders wird. Mir jedenfalls. Also in diesem Club kann man schwärmen und schmachten (heimlich natürlich) und niemand kriegt was mit, weils dunkel ist und die hübschen Jungs sich eh nur für hübsche Mädchen interessieren. Ich bin weder hübsch noch Mädchen. Das ist die schlechte Nachricht - eine gute gibt es meiner Meinung nach nicht.

„Hey, Schoko... was geht?!“

Lila bollert ungefragt ins Zimmer und wirft sich aufs Bett.

„Hab grad Hausaufgaben gemacht.“

„Ja? Bist auch ein braver Junge“, grinst er.

Schoko ist übrigens mein Spitzname. Nicht nur weil ich das Zeug gern esse, sondern weil mein Nachname Milke ist. Milke... Milka... Schokolade... Schoko, alles klar?!

„Meine Eltern bringen mich um, wenn ich die Schule vernachlässige“, verteidige ich mein Strebertum.

„Ich hab doch gar nix gesagt“, entgegnet Lila und verschränkt bequem die Arme hinterm Kopf.

„Und du könntest nicht von mir abschreiben“, zicke ich.

„Hey, es ist okay, wirklich. Was’n los mit dir? Deine Tage, oder was?“

„Fick dich, Lila.“

„Wenn ich das könnte... glaub mir, ich würds tun“, giggelt er. „Wo wir grad beim Thema sind, ich hab letzte Woche Nina gepoppt.“

„Und wie war’s?“, frage ich gelangweilt.

„Genauso langweilig wie deine Frage geklungen hat. Nina versteht es einfach nicht, einen Mann richtig scharf zu machen. Die ist kein bisschen raffiniert.“

„Du bist siebzehn, da kann von einem Mann wohl kaum schon die Rede sein.“

Lila hebt seinen Kopf und sieht mich an. „Ich hab einen Schwanz, oder?“

„Du sprichst auch Französisch und bist deshalb noch lange kein Franzose.“

„Halt die Klappe, Schoko.“

„Okay“, seufze ich und lege mich neben ihn, meinen Kopf auf seinen angewinkelten Arm.

Nicht, dass jetzt einer auf komische Ideen kommt. Lila und ich stehen uns ziemlich nah und haben deswegen auch keinerlei Berührungsängste. Wir umarmen uns, wenn es die Situation erfordert, und kuscheln uns auch schon mal freundschaftlich aneinander.

„Ich finde, es wird langsam Zeit“, behauptet er geheimnisvoll.

„Und wofür genau?“

„Dein Erstes Mal.“

Ach du Kacke... bloß nicht wieder diese Diskussion. Lila findet seit ein paar Monaten, ich müsse unbedingt mit einem Mädchen schlafen, weil ich eben noch nie Sex hatte. Aus diesem Grund stellt er mir ständig irgendwelche potentiellen Kandidatinnen vor. Er hat ja keinen Schimmer, dass ich momentan drüber nachdenke, ob ich vielleicht lieber einen Kandidaten hätte. Ich mag ihm das aber auch noch nicht sagen, weil ich nicht einschätzen kann, wie er darauf reagieren würde. Er hat eigentlich gegen fast niemanden was und noch nie böse über Homosexuelle gelästert, aber wenn der beste Freund einer ist... das ist schon was anderes, oder?!

„Nina fällt auf jeden Fall weg“, faselt er ahnungslos, „die ist selbst so unbeholfen, da würdet ihr nie in die Pötte kommen. Du brauchst was Erfahrenes. Erfahren, aber nicht verbraucht. Vielleicht Ella... die hat schon ein paar Mal und findet dich süß.“

„Ella findet mich süß?“, frage ich entgeistert, weil ich damit nun wirklich nicht gerechnet hätte. Immerhin ist sie hübsch wie eine verdammte Schönheitskönigin.

„Na ja, gesagt hat sie es nicht, aber wahrscheinlich schon, oder? Ich meine, warum sollte sie dich nicht süß finden?“

„Weil ich ne totale Durchnittsfresse hab?“, schlage ich vor.

„Mach dich nicht immer so nieder, Schoko. Du siehst gut aus.“

Na ja, was soll einem der beste Freund auch anderes sagen?! „Hast du mit Ella geschlafen?“

„Nicht so richtig. Wir waren grad ziemlich zugange, da kamen ihre Eltern zurück. Gott sei dank aber nicht in ihr Zimmer gestiefelt. Na ja, und nach der Pleite hat es sich dann irgendwie nicht mehr ergeben. Aber du kannst mir vertrauen: Ella weiß, was Männer wollen.“

„Ich glaube aber trotzdem nicht, dass sie mich will.“ Und ich glaube ebenfalls nicht, dass ich sie will.

„Wird nicht schwer sein, das rauszukriegen. Ich frag sie einfach.“

Ich springe entsetzt auf. „Was? Bist du bescheuert? Ey, wenn du das machst, hat sich unsere Freundschaft erledigt. Ist doch total peinlich.“

„Schoko... das war ein Scherz. Denkst du, ich fall da mit der Tür gleich ins Haus, oder was? Ich verhalte mich natürlich dezent.“

Das beruhigt mich leider überhaupt nicht. Lila und dezent... das passt ungefähr zusammen wie Vanillepudding und saure Gurken.

Eigentlich bin ich ja mit meinem (sexlosen) Leben durchaus zufrieden. Meine Eltern sind ganz okay... etwas streng, wenns um Schule geht, aber was soll’s... wir wohnen einigermaßen nobel, ich kenne viele nette Leute, spiele ein bisschen Gitarre, zeichne ein bisschen, stehe auf Deathrock und hab, was das betrifft, in Lila einen Verbündeten. Wir kennen uns ungefähr seit der Grundschule (wo er die dritte Klasse wiederholen musste, was dazu führte, dass er bei mir landete), und als wir aufs Gymnasium kamen, fings bei ihm an. Erst mochte er nur die Musik, dann, so mit dreizehn, färbte er seine Haare schwarz, den Pony lila (jetzt darf wild geraten werden, woher sein Spitzname kommt!) und tauschte seine Normalo-Teenie-Klamotten gegen schwarz mit Schnallen, zerrissene Netzhemden, Ringelshirts, Docs, Silberkettengürtel und so weiter. Irgendwie hat er mich damit angesteckt, obwohl ich nicht gar so extrem rumlaufe. Mit Lila kann ich Spaß haben, ausgehen, aber auch über alles Mögliche quatschen... ernste Sachen, die sonst keiner von mir weiß. Also mein Leben war in Ordnung... bis ich angefangen habe, so schrecklich viel an Jungs zu denken. Und jetzt labert Lila schon wieder von meinem ersten Mal mit einem Mädchen. Er sagt, es sei unnormal, mit sechzehn noch Jungfrau zu sein. Halte ich persönlich für Blödsinn. Nur weil er durch die Gegend poppt, muss ich das nicht genauso machen, richtig?! Es ist mir auch nicht peinlich oder sowas... irgendwann wird es schon passieren. Lila meint aber, mit der Einstellung käme ich nie zum Schuss, also müsse er mir ein wenig unter die Arme greifen. Mir wird allein bei dem Gedanken übel, es mit einem Mädchen tun zu müssen, das ich vielleicht gar nicht liebe. Logischerweise würde ich es auch nicht mit einem Kerl tun, in den ich nicht verliebt bin. Ich hab da sehr romantische Vorstellungen.

„Das erste Mal ist selten romantisch, entspannt und schön“, sagt Lila. „Um romantisch und entspannt zu sein, muss man schließlich wissen, wie es geht.“

Da könnte sogar was dran sein. Trotzdem mag ich meine Träume nicht aufgeben.


„Schoko“, lächelt Fabian sonnig und beugt sich in der Fünf-Minuten-Pause über den Tisch, „ich hab die Gitarrennoten dabei.“

„Danke“, murmle ich und werde rot wie ein Feuermelder. Neuerdings werde ich nämlich immer rot, wenn Fabian mit mir spricht. Wahrscheinlich weil ich in meiner Freizeit öfters an ihn denke.

„Wenn du Bock hast... machen wir mal was zusammen.“

Fabi spielt Schlagzeug und sucht noch einen Gitarristen für seine Band.

„So gut bin ich noch nicht.“

„Ach, Schnickischnacki. Immer nur allein vor sich hinklimpern bringts echt nicht.“ Er hat sich im Schneidersitz auf dem Tisch niedergelassen und trommelt irgendeinen Rhythmus auf die Tischplatte. Ich versuche verzweifelt, nicht auf seinen Schritt zu starren. Höher kucken geht aber auch nicht, weil sein T-Shirt so weit ausgeschnitten ist und er einen super hübschen Hals hat. Und seine Hände sind ebenfalls alles andere als neutral. Seine schlanken Finger machen mich total an.

„Nimm deinen Arsch da weg“, grummelt Lila, der grad angeschlichen kommt. Wie so oft hat er die erste Stunde verpennt.

„He, Totenrocker“, begrüßt ihn Fabi, „anstrengende Nacht gehabt?“

Lila nimmt betont langsam seine schwarze Sonnenbrille ab. „Wüsste nicht, was dich das angeht.“

Fabi zuckt die Schultern und hopst elegant vom Tisch. „Ruf mich an, wenn du meinst, dass du gut genug bist“, sagt er zu mir und setzt sich auf seinen Platz.

„Ich kann diesen Typen nicht ab“, faucht Lila.

„Doch nur, weil er dich auf Pias Party untern Tisch gesoffen hat.“

„Halt die Klappe, Schoko.“

Das Thema ist ihm immer noch unangenehm, obwohl es bereits zwei Monate her ist. Lila war so breit, dass er kaum noch stehen konnte und zum Ende hin ins Blumenbeet gekotzt hat. Seitdem hat er bei Pias Eltern total verschissen.

Die zweite Stunde Englisch verläuft ganz locker. Da in einer Woche die Sommerferien anfangen, wird im Unterricht nicht mehr viel gemacht. In der großen Pause stehe ich allerdings kurz vorm Kollaps. Ella steuert direkt auf mich zu.

„Hi, Schoko.“

Mir bleibt vor Entsetzen die Milchschnitte im Hals stecken. Ella spricht mich eigentlich nie an, denn sie ist ein Jahr älter und eine Stufe über mir. Ich bin überrascht, dass sie meinen Namen kennt.

„Hallo“, röchele ich.

„Ganz schön heiß heute, mh?“, bemerkt sie, hebt ihre langen, blonden Haare an und fächelt sich Luft in den Nacken. „Also... Lila meinte, du... würdest gerne mal mit mir ausgehen?“

Danke, Lila, sehr dezent! „Ähem... ich... Na ja... “

„Ich mag so Verkupplungsversuche nicht, aber... ich bin am Freitag im Starlight, vielleicht trifft man sich ja zufällig. Dann sehen wir weiter.“ Sie schnappt sich meine angegessene Milchschnitte, zwinkert mir zu und schwebt davon.

WOW!! Ich werde Lila erwürgen!

„Ich möchte also mit Ella ausgehen?“, zische ich vor Deutsch.

„Wie bitte?“, fragt Lila genervt.

„Ella hat gesagt, du hättest gesagt, dass ich mit ihr ausgehen möchte.“

„Brauchst mir nicht zu danken, hab ich gern gemacht.“

Ich geh kaputt!


Mal ehrlich, den Abend im Starlight hätte ich mir getrost sparen können. Ich weiß schon genau, warum ich niemals in so normale Dissen gehe. Die Musik war voll zum Kotzen und Ella... die hat mich arm gesoffen. Sie dachte wohl, auch wenn wir uns bloß zufällig getroffen haben, müsse ich gentlemanlike all ihre Drinks bezahlen. Als sie endlich genug hatte, bekam ich einen Kuss auf den Mund und die Aussicht auf ein zweites Date. Das werde ich mir nur kaum leisten können.

„Was denkst du denn? Dass die einen kleinen Bubi wie dich gleich am ersten Abend mit ins Bett nimmt?“, fragt Lila gelassen.

„Der kleine Bubi sagt dir jetzt mal was: Verschon mich in Zukunft mit deinen Weibern.“

„Nix da, so schnell wird nicht aufgegeben. Wenn Ella sich noch mal mit dir treffen will, dann hat das gefälligst bei ihr stattzufinden... und zwar, wenn ihre Eltern nicht da sind. Das solltest du ihr klarmachen.“

Hat der was mit den Ohren?? „Ich versuche grad, dir klarzumachen, dass ich deine Hilfe nicht brauche, okay?!“

Lila knallt sein angebissenes Stück Pizza in die Schachtel zurück. „Das ist also der Dank, ja? Ich werde angeschrieen. Wenn ich auf sowas Bock habe, kann ich zuhause bleiben.“

Oh Mann, ist doch nicht meine Schuld, dass es bei Lila immer Zoff mit seinem Stiefvater gibt. Der Typ ist ein Arschloch, total streng, und motzt wegen jeder Kleinigkeit rum. Dann flüchtet sich Lila hierher. Allerdings pennt er lieber in unserem Gartenhaus. Ich denke, es ist ihm peinlich oder sowas, weil meine Eltern doch so locker sind. Streng sein und bestrafen können die aber auch. Als Lila mein Ohrläppchen durchgestochen und mir die Haare geschnitten hat. Da waren wir vierzehn und meine Eltern auf der Palme. Als sich mein Ohr entzündete und aussah wie eine dicke Kartoffel hatten Mama und Papa kein Mitleid, ich allerdings zwei Wochen Zeit, allein in meinem Zimmer über mein Verhalten nachzudenken. Wirklich schrecklich an der Sache war, dass Lila mich in der Zeit nicht besuchen durfte. Nicht einmal anrufen. Ich hab ihn echt ganz schön vermisst, obwohl wir uns jeden Tag in der Schule gesehen haben.

„Tut mir Leid“, murmle ich zerknirscht und schlinge meine Arme um ihn.

„Fass mich nicht an.“

Er will mich wegstoßen, aber ich halte ihn fest. „Ehrlich... es tut mir Leid. Das Thema geht mir halt auf die Nerven.“

„Ich hab’s nur gut gemeint.“

„Weiß ich doch. Und jetzt... iss deine Pizza.“

Lila knabbert nachdenklich an der Kruste rum. „Wenn du keinen Bock auf Ella hast, such ich dir eben ein anderes Mädel.“

ARGH!!


Komischerweise hat die Sache mit den Jungs nicht angefangen, als Lila auf die grandiose Idee kam, zusammen zu wichsen. Das war weder geil, noch sexy noch sonst irgendwas. Obwohl er dabei schon ziemlich... mh, hübsch aussah. Logisch, Lila sieht immer hübsch aus, das ist ja das Gemeine. Er ist der Schöne und ich bin das Biest! Jedenfalls haben wir uns im Gartenhaus einen runtergeholt (nicht gegenseitig, sondern jeder für sich) und das war’s. Nee, angefangen hat es, als Fabian in unsere Klasse kam. Ich war sofort begeistert, weil er lustig ist und freakig und immer gute Laune hat. Ein absoluter Sonnenschein. Lila interessierte sich zu der Zeit für Mädchen und ich... nicht. Ich hab Jungs angehimmelt. Das hatte gar nicht mal was mit Sex zu tun. Ich wollte halt auch so cool und lässig sein wie Fabian beispielsweise. Der ist selbstsicher und wird niemals rot, wenn ihm was Peinliches passiert. Das mit dem Sex kam erst später. Hat sich irgendwie eingeschlichen. Und jetzt geht’s nicht mehr weg. Seit Monaten rede ich mir ein, dass ich noch nicht sicher bin, aber ich fürchte, das ist gelogen. Ich will Jungs küssen. Und anfassen. Und mich verlieben. Mädchen sind okay, lassen mich aber völlig kalt. Ich meine, das ist doch offensichtlich. Als Ella mich geküsst hat... das war kein bisschen aufregend. Wenn Fabian mich aber bloß anlächelt, kriege ich schon weiche Knie. Sehen wir den Tatsachen ins Auge: ich bin schwul und muss es Lila sagen. Der wird sich kaputtlachen. Bestenfalls. Quatsch, der wird glauben, dass ich auf ihn stehe, eingebildet wie er ist. Ich gebe zu... ja, ich hab mal kurz drüber nachgedacht. Schließlich ist er ein Junge. Allerdings mein bester Freund und da macht man sowas nicht. Niemals. Für Lila schwärme ich höchstens, weil er eben auch so cool und lässig ist. Und weil er manchmal ganz anders sein kann. Wenn er mal wieder Stress mit seinem Stiefvater hat und total durcheinander fragt, ob er im Gartenhaus schlafen darf. Dann ist er verletzlich, scheu wie ein kleines Tierchen. Man muss ihn in den Arm nehmen und... das hat aber keine romantischen Gründe, wirklich nicht! An Lila denke ich nie, wenn ich nachts im Bett liege und von Jungs träume. Das wäre mir irgendwie zu strange. Ich stelle mir lieber Jungs vor, die ich tagsüber gesehen habe. Und weil grad Sommer ist, bekommt man allerhand zu sehen. Gebräunte Arme, gebräunte Beine, nackte Oberkörper... und Fabian! Erwähnte ich, dass Fabi nicht nur Schlagzeug spielt, sondern auch Fußball?! Ich hasse Fußball, aber ein Haufen Jungs, die sich gegenseitig betatschen, umarmen und über die Bäuche streicheln... Wow! Kann mir mal jemand sagen, warum sich Fußballer IMMER gegenseitig über die Bäuche streicheln?! Das ist doch nicht normal. Ich bin es wahrscheinlich auch nicht, wenn mich eine solch harmlose Geste scharf macht wie Hulle. Lila hat bestimmt Recht. Ich sollte endlich Sex haben! Am liebsten mit Fabian. Fuck, ich wette, der hängt die nächsten vier Wochen vorm Fernseher. Oder nee, der ist ja sehr gesellig, also wird er sicher die WM auf irgendeinem öffentlichen Platz anschauen. Ich kann nur hoffen, er trägt keinen Deutschlandhut mit Glöckchen dran. Oder eins von diesen dämlichen Schwarz-Rot-Gold-Iro-Teilen auf dem Schädel. Sowas geht echt überhaupt nicht!! Er darf sich allerhöchstens eine kleine Deutschlandfahne ins Gesicht malen... ich glaube, das würde bei ihm süß aussehen. Bevor ich in hemmungsloses Schwärmen verfalle, rauche ich lieber eine Entspannungszigarette und schmiere mir ein wenig dunklen Lidschatten an die Augen. Angezogen bin ich bereits. Schwarze Jeans, Netzhemd, Silberkettengürtel. Lila erwartet, dass ich mit ihm ausgehe. Selbstverständlich wird er wieder versuchen, mich mit irgendeiner Tussi zu verkuppeln, die er schon längst hatte. Darauf freue ich mich wie auf einen Kropf!

Wie üblich ist im Sputnik um elf nicht viel los. Alles noch sehr überschaubar. Zwei Personen auf der Tanzfläche, die anderen zehn Leute haben sich im Raum verteilt. In einer Stunde wird man froh sein, wenn man überhaupt noch ein klitzekleines Stückchen Tanzfläche erobern kann. Lila geht kurz an die Theke und kommt mit Flaschenbier und einem Mädchen, das wie ’n Manga aussieht, zurück. Die kilometerlangen bunten Zöpfe sind mit Sicherheit nicht echt. Die Visage ist phantasievoll bemalt. Sie trägt eine Art Dienstmädchen-Outfit. Kurz und schwarz mit weißen Rüschen. Eigentlich ganz hübsch. Leider ist sie durch ihre gigantischen Absätze ungefähr einen Kopf größer als ich.

„Das ist Conny“, raunt Lila mir ins Ohr, „ihren Spitznamen kann ich mir nicht merken, das ist so ’n japanischer Scheiß.“

Na ja, was sonst?!

„Sie ist n bisschen abgedreht. Labert die ganze Zeit nur von ihren schwuchteligen Manga-Bands. Total anstrengend. Ich musste ihr echt ununterbrochen meine Zunge in den Hals stecken, um sie zum Schweigen zu bringen. Ich glaub, ich hab mit noch keiner Schnecke so lange geknutscht. Aber... sie bläst ganz gut.“

Danke für die Info! Ich hab allerdings nicht vor, derart intim mit ihr zu werden. Dummerweise lässt mein bester Freund mich hier grad stehen, um zu tanzen. Conny lächelt mich aufmunternd an.

„Hi“, sage ich blöde.

„Hey. Stehst du auf Eve of Destiny?“

Au weia, die kenne ich... die sind scheiße. „Mehr als auf alles andere.“

„Aha“, antwortet sie geheimnisvoll und legt auch schon los.

Ich habe bereits nach drei Minuten die Orientierung verloren und aber bestimmt zwanzigmal den Namen Mana gehört. Who the fuck is Mana??? Und... wen interessierts?! Vielleicht ist genau das ihre Masche, um geküsst zu werden. Hätte sie nicht nötig. Hetero-Jungs reißen sich wahrscheinlich Arme und Beine aus, um mit ihren Lippen in Kontakt zu kommen. Großer Gott, wann hält die denn endlich mal ihre Fresse?

„Sorry, ich rede zu viel, oder?“

„Nö“, lüge ich.

Conny schüttelt den Kopf, dann lacht sie. „Scheiße, das passiert mir immer. Hoffentlich hab ich dich jetzt nicht vergrault. Hey... ich kann auch normal sein.“

Kann sie wirklich. Die nächsten zehn Minuten unterhalten wir uns so, dass ich auch zu Wort komme. Was danach kommt, bringt mich total ins Schwitzen. Fabian steht plötzlich vor mir.

Ich werd bekloppt. Was macht der denn hier?

„Was machstn du hier?“

Fabi blickt sich um. „Musik hören, tanzen, Leute kennen lernen... dich treffen. Dein Busenfreund nicht da?“

Ich deute Richtung Tanzfläche, wo Lila grad mit zwei fremden Mädchen flirtet. Fabi setzt sich neben mich. Sehr dicht. Unsere Arme berühren sich. Die Beine auch. Mir wird heiß und kribblig.

„Ich... ähem... ich hab’s mir überlegt.“

„Was?“, brüllt er.

„Das mit der Musik“, brülle ich zurück, „ich würde da gerne mal was machen.“

„Okay“, strahlt er, „wann immer du willst. Die nächsten Wochen wird’s allerdings ziemlich eng.“

Hab ich’s nicht gesagt?! „Was glaubst’n wer gewinnt?“

„Ganz ehrlich? Ich tippe auf Deutschland. Auch wenn Klinsi von allen verteufelt und ausgelacht wird. Der hat’s total drauf. Weiß schon genau, was er tut. Seit wann interessierst du dich eigentlich für Fußball?“

„Na ja, WM ist doch spannend“, lüge ich schon wieder. Shit, wer war noch mal Klinsi??

„Ich sage, England gewinnt“, brabbelt Conny ungefragt dazwischen.

Fabi lacht sich kaputt. „Klar, vor allem beim Elfmeterschießen.“

„Beckham ist toll.“

„Logisch“, kichert er.

„Du denkst wohl, Mädchen können keine Ahnung von Fußball haben, was?“, fragt sie angriffslustig.

„Auf gar keinen Fall.“

„Ich finde, Klinsi hat die richtige Entscheidung getroffen, Lehmann ins Tor zu stellen.“

„Warum?“

„Der sieht besser aus als Kahn“, grinst sie und streckt ihm die Zunge raus.

Ich muss schleunigst herausbekommen, wer diese ganzen Leute sind. Und ich muss Connys Flirterei mit Fabi unterbinden. Das ist ja direkt ekelhaft. Leider ist mein Hirn Brei, seitdem er neben mir sitzt. Mhhhhh... und der riecht so gut. Nach Sommer und Fruchtshampoo.

Lila hat sich übrigens längst mit irgendeinem Aufriss nach wer weiß wo verpisst. So läuft das immer. Wir gehen zusammen aus und er verschwindet. Heute ist mir das verdammt egal. Heute berühren Fabis Lippen hauchzart mein Ohr, wenn er mit mir spricht. Ich muss jedes Mal fast kollabieren. Connys Anmache prallt erstaunlicherweise an ihm ab. Er ist charmant, scheint aber nicht auf Manga-Mädchen zu stehen. Als auch ihr das endlich klar wird, ist sie jedoch nicht sauer, sondern entpuppt sich als sehr nette, lustige Person. Gegen halb zwei taucht Lila wieder auf. Ein bisschen verstrubbelt und irgendwie durcheinander.

„Was machtn der hier?“, fragt er auf Fabi deutend. „Ist doch gar nicht seine Location. Na, egal. Ich bin müde... äh... brauchst du das Gartenhaus für dich?“

„Wieso sollte ich?“

„Conny?“, schlägt er genervt vor. „Sag jetzt nicht, du konntest bei ihr nicht landen... die ist mega-scharf.“

„Lass uns das etwas privater besprechen, ja?“

„Also kommst du mit nach Hause?“

Fabi ist bereits dabei, sich von Conny zu verabschieden.

„Wir gehen jetzt auch“, erkläre ich.

Fabian dreht sich um. „Rufst du mich an? Wegen Musik und treffen und... überhaupt?“

„Mach ich.“

„Okay, dann... schlaf schön“, lächelt er und streicht mir freundschaftlich über den Rücken, dass mir beinahe die Beine wegsacken.

„Du... ähem... du auch“, stottere ich mit feuerrotem Schädel.

Lila und ich pennen heut zusammen im Gartenhaus. Als wir unter der Decke liegen will er natürlich wissen, warum ich Conny nicht klargemacht habe. Schließlich würde sie es mit jedem halbwegs hübschen Typen treiben.

„Dann bin ich wohl zu hässlich. Sie hat nicht ein einziges Mal mit mir geflirtet.“

„Schwachsinn“, schnauft Lila, „du warst bestimmt wieder zu blöd, um das zu merken. Was soll ich bloß mit dir machen, Schoko?“

„Ehrlich, die hat sich die ganze Zeit an Fabian rangeschmissen. Die wird eher mit ihm ins Bett gehen als mit mir.“

„Das glaube ich kaum. Und wenn, wird da sexuell ungefähr genauso viel laufen wie bei Barbie und Ken.“

„Hä?“

„Du weißt es nicht?“, fragt er amüsiert.

„Was denn?“

„Fabian ist ne Schwuppe.“

Ich würde jetzt gerne mein Gesicht sehen! Ich meine... WAS?????? „Du spinnst doch. Woher willstn das wissen? Auf Fabi stehen alle Weiber.“

„Na und? Hast du ihn jemals mit einer Tussi gesehen? Nein. Hat er eine Freundin? Nein. Redet er über Titten und Mu... “

„Bitte nicht aussprechen“, kreische ich angeekelt. Ich kann solche Wörter nicht ab.

„Muschis? Nein.“

Uaahhhhh!!

„Ich hab auch keine Freundin und... “, halte erschrocken die Klappe. Immerhin stimmt es bei mir, was Lila jetzt grad aber noch nicht erfahren muss. Allerdings würde ich gern erfahren, was er nun tatsächlich von Schwulen hält. „Und wenn schon, ist doch nicht schlimm, wenn Fabian lieber Jungs mag... oder?“

„Is mir doch scheißegal, was der fickt. Solange er seinen schwulen Fittiche nicht nach mir ausstreckt.“

„Hast du ein Problem mit Schwulen?“

Lila knautscht sein Kopfkissen. „Nein, was soll die Frage? Hältst du mich für ein Arschgesicht? Dass ich Fabian nicht ausstehen kann, hat nix mit seiner Vorliebe für knackige Männerärsche zu tun.“

„Sondern?“

„Sein Ich-bin-das-Universum-und-weiß-dass-ich-alles-und-jeden-haben-kann-Getue ist mir zuwider.“

„Komisch, wo du dieses Getue doch mindestens genauso perfekt drauf hast.“

„Eben. Es ist einfach kein Platz für noch einen Egozentriker“, grinst er. „Außerdem kann ich niemanden akzeptieren, der den King ablehnt.“

Natürlich nicht. Seit sein Vater mit der Familie im Urlaub nach Graceland pilgerte, ist Lila Elvis-Fan. Weil sein Vater Elvis-Fan war und weil sein Vater ein halbes Jahr später bei einem Autounfall ums Leben kam. Da war Lila grad sechs Jahre alt. Und Fabi hat den King mal als fette, aufgedunsene Witzfgur tituliert. Das war, glaube ich, ein bisschen so, als hätte er direkt Lilas Vater beschimpft.

„Wieso reden wir eigentlich grad seit Stunden über Fabian, mh? Bist du vielleicht heimlich scharf auf ihn, Schoko-Mäuschen?“, grinst Lila blöde.

Ich weiß, dass es ein Scherz war. Rot werde ich trotzdem. Schwitzen tue ich auch. Und was das Schlimmste ist: mir fällt keine Antwort ein, weil ich mich halt doch ertappt fühle!

„Kriegst du es deshalb mit keinem Girl auf die Reihe? Weil du dich für einen schnuckeligen Boy aufsparst?“

„Halt die Fresse“, bölke ich schrill und hab mich damit endgültig verraten.

Lila setzt sich schwungvoll auf. „Schau mich an, Schoko“, sagt er ernst und legt mir seinen Zeigefinger unters Kinn.

Mein Kopf ist so heiß, dass ich Angst habe, er explodiert gleich. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen.

„Ich hab Recht, oder? Ach du Scheiße... “

„Das... äh... “

„Oh Mann, warum hast du mir das nicht schon eher gesagt, du Vollidiot? Dann hätte ich mir Ella und Konsorten sparen können.“ Er lässt sich schnaufend aufs Kissen zurückfallen und zieht mich gleich mit.

„Ich wusste nicht, wie... “

„Fuck, da muss ich ja total umdisponieren“, behauptet er und wuschelt durch meine Haare, „also für den Fall, dass es mit Fabian nicht klappt. Ich kenne doch nicht so viele schwule Jungs. Sag mal... fandst du’s denn geil als wir das eine Mal zusammen gewichst haben? Das war doch sicher unglaublich für dich.“

„Nicht direkt“, antworte ich vorsichtig.

„Das verstehe ich nicht... umwerfend wie ich bin.“

Großer Gott! „Du bist so voll von dir selbst, du solltest aufpassen, dass du nicht eines schönen Tages platzt.“

„Whatever. Zurück zum Thema.“ Er verzieht ein wenig das Gesicht. „Du möchtest wirklich... äh... was würdest du sagen, bist du eher aktiv oder passiv?“

„Woher zum Teufel soll ich das wissen? Hatte ich vielleicht schon Sex?“, zische ich.

„Du wirst doch mal drüber nachgedacht haben. Also Fabian scheint mir nicht der Typ zu sein, der gern unten liegt.“

„Lila... macht es dir echt nichts aus? Und warum bist du kein bisschen überrascht?“

„Nein. Und überrascht bin ich schon, irgendwie. Aber jetzt macht natürlich alles Sinn.“

„Was?“

„Na, dass du dich bei den Weibern so blöd angestellt hast... und das komische Glitzern in deinen Augen, wenn du Fabian siehst oder über ihn sprichst.“

Ich erschieß mich!!

„Keine Panik, das hat sicher niemand außer mir gemerkt. Für solche Sachen muss man nämlich sehr sensibel sein.“

„Lila... du bist ungefähr so sensibel wie eine tote Schweinehälfte in der Schlachtfabrik.“

„Halt die Klappe, Schoko.“


Nachdem ich mich bei meinem besten Freund geoutet habe (so nennt man das wohl), befinde ich mich keineswegs in einer besseren Lage. Die Mädchenfrage ist zwar geklärt, bzw. vom Tisch, aber jetzt will Lila natürlich unbedingt einen Typen besorgen, der es mir besorgt. Warum kann der mich nicht einfach selber machen lassen? Und warum ist Sex so ungemein wichtig? Wieso zum Arsch ist es für Lila so wichtig, dass ich Sex habe?? Der hat doch überhaupt keine Ahnung, was sich in mir abspielt. Glaubt, dass das alles so leicht ist. Grad eben habe ich mir eingestanden, dass ich schwul bin und nun soll ich mich schon flachlegen lassen von einem, den er mir aussucht. Ich fürchte, Lila ist nicht ganz dicht! Der denkt, dass jedermanns Lebenssinn darin besteht, durch die Gegend zu vögeln. Ich hab doch noch nicht mal einen Jungen geküsst, verfluchte Scheiße! Ehrlich, Teenager zu sein, der versucht, mit seiner Homosexualität klar zu kommen, ist schon anstrengend genug. Wenn man dabei noch einen Lila an der Backe hat... ich bin fix und fertig. Und zu allem Unglück muss ich mich jetzt auch noch für Fußball interessieren, um bei Fabi zu punkten. By the way, Klinsi ist Trainer der Nationalmannschaft. 1990 wurde er Weltmeister in Italien... da hat er noch selber gespielt. Als relativ junger Trainer musste er eine ganze Menge Kritik einstecken, weil er Torwart Kahn auf die Bank gesetzt und total neue Trainingsmethoden eingeführt hat. Und England hat noch niemals ein Elfmeterschießen gewonnen, Deutschland dafür noch keines verloren. Bin ich gut?! Hab sogar ein paar Spielernamen auswendig gelernt. Podolski (sieht aus wie’n Prolet), Schweinsteiger (sieht aus wie’n Dorftrottel), Lehmann (steht im Tor) und Ballack (den kannte ich schon). Oh... ich hab Miro vergessen. Der ist achtundzwanzig, verheiratet, zwei Kinder, spielt bei Werder Bremen, hat die Nummer elf, ist der einzige, der in Shorts, weißen Strümpfen und Hemd-in-die-Buxe-gestopft gnadenlos sexy aussieht und... äh... des Weiteren übte ich mich heimlich im Fußball-Kucken. Deutschland gegen Polen. War das langweilig. Hunderttausend Minuten gar nix und irgendwann kurz vor Schluss fiel ein Tor. Bin noch nicht gänzlich dahinter gestiegen, was daran toll sein soll?!

„Warts ab“, sagt Lila, der bekanntlich auf alles eine Antwort hat, „ab dem Achtelfinale wird’s spannend. Da geht’s dann schließlich um was. Erwarte aber nicht, dass ich dir Bier und Schnittchen reiche, während du vor der Glotze hängst und ‚Deutschland, Deutschland!’ brüllst.“

Nee, der wird sich die letzten paar Gehirnzellen wegvögeln. Möglicherweise mit Manga-Conny.

„Ernsthaft, Schoko... meinst du nicht, du übertreibst es ein bisschen?“

„Nein“, sage ich und schreibe feinsäuberlich die neuesten Ergebnisse in mein WM-Heftchen. In Wahrheit finde ich allerdings doch, dass ich übertreibe. Was soll’s?! Was ich mache, mache ich eben richtig. Außerdem hält es Lila und mich davon ab, über Sex zu reden.

„Willst du nicht mal Fabian anrufen und dich mit ihm verabreden? Was haste von dem ganzen Scheiß, wenn du bei ihm nicht damit angeben kannst, mh?“

Ich hasse es, wenn Lila Recht hat!

„Stell dir vor... wie romantisch, Deutschland schießt ein Tor und ihr fallt euch jubelnd in die Arme. Da kriegste doch sofort nen Ständer“, grinst er, lehnt sich zurück und spreizt unanständig die Beine. „Und wenn der Typ klug ist, langt er zu.“

„Du alte Pottsau“, entgegne ich und lege mein WM-Heftchen beiseite.

„Willst du ihm einen blasen?“

„Bitte was?“

„Blasen“, wiederholt er und schnalzt mit seinem Kaugummi, „Oralsex... ihm den Schwanz lutschen.“

„Musst du nicht bald nach Hause?“

„Lenk nicht ab.“

„Hast du vielleicht Connys Muschi geleckt?“, frage ich genervt.

Lila zuckt die Schultern. „Ja, hab ich.“

„Schön für dich.“

„Schoko, ich will dir helfen, okay?! Man kann da eine Menge falsch machen.“

„Und wem hast du in letzter Zeit einen geblasen, dass du dich so gut auskennst?“

„Niemandem. Aber ich weiß, wie es sich anfühlen muss. Und ich weiß, wie es sich anfühlen kann, wenn ein Amateur am Werk ist. Du willst doch, dass Fabian sich gut fühlt, oder?“, säuselt er weich.

Hat der Probleme mit seiner Stimme?

„Fein, dann sag mir, wies geht.“

Lilas Fuß wandert langsam mein Bein hinauf. „Warum probierst du’s nicht einfach bei mir?“

Jaaaaaaaa, na klar! „Du spinnst wohl. Such dir eine Tussi, wenn du geil bist. Und sollte dein Fuß aus versehen in meinen Schritt gelangen, bist du tot.“

„Glaub ich nicht, Schoko“, lächelt er ekelhaft selbstsicher.

„Du wirst es erleben“, zische ich und trete nach ihm.

Seufzend erhebt er sich. „Du musst noch viel lernen, Kleiner. Wir sehen uns morgen.“

Was zur Hölle hat das wieder zu bedeuten? Ich meine, Lila und ich stehen uns nah, keine Frage, aber doch nicht SO nah. Ist der plötzlich irre geworden? Mir anzubieten... ist doch voll krass. Und wenn ich ja gesagt hätte? Nicht, dass ich es auch nur eine Sekunde in Erwägung gezogen hätte. Mann, der wollte mich doch bloß verarschen und ich hab’s nicht gemerkt. Lila macht das manchmal. Und hinterher lacht er sich kaputt, der Penner. Ich bin echt froh, dass er mein Schwulsein so locker nimmt, aber wenn der jetzt mit dieser bescheuerten Witz-Flirterei anfängt, hau ich ihm eine rein!


Okay, heute ist Deutschland-Schweden und ich bin mit Fabian verabredet. Das ging relativ einfach. Hab ihn angerufen, blöde herumgestottert, mich kaputt geschwitzt und ehe ich noch wusste, wie mir geschieht, hatte ich plötzlich ein Date. Na ja, kein richtiges Date. Wir werden draußen stehen und mit tausend anderen Leuten auf eine riesige Leinwand starren. Au weia... ich hoffe, es fällt kein Tor. Also Deutschland kann von mir aus gerne gewinnen, aber ich will nicht, dass ein Tor geschossen wird. Dafür habe ich gute Gründe. Es fällt mir nämlich ausgesprochen schwer, mich gesellig zu freuen. Ich weiß nie, wie ich mich verhalten soll.

Jubeln? Brüllen? In die Hände klatschen? Kann ich nicht. Ich freue mich lieber still. Richtig mitfiebern werde ich ebenfalls nicht können, weil ich erstens kaum Ahnung von Fußball habe, zweitens ist es mir egal und drittens... ich bin auch eher ein stiller Mitfieberer. Das alles sind doch total gute Voraussetzungen, nicht wahr?! Fabian wird mich niemals toll finden. Was ich anziehe, muss ich mir noch überlegen. Ist ziemlich heiß heute und auf dem Marktplatz wird wohl kaum Schatten sein. Ich Trottel hätte ja auch einen Biergarten vorschlagen können. Die haben doch seit WM-Start überall Fernseher. Man könnte sich schön hinsetzen, was trinken und heimlich Fabi anschmachten. Neunzig Minuten dicht gedrängt in der prallen Sonne zu stehen erscheint mir unsinnig und ekelhaft. Ich werde sicher ohnmächtig. Hitzekollaps oder sowas. Vielleicht hab ich Glück und Fabian fängt mich auf.

So, der Marktplatz ist erwartungsgemäß ein Meer aus schwarz, rot, gold. Fabi trägt keinen Hut und hat sich nix in die Visage gemalt. Ein labberiges Bärenmarke-Shirt hat er an, abgeschnittene Jeans und Chucks. Ich würde ihn jetzt gerne küssen. Ein paar Freunde hat er mitgebracht. War ihm wohl zu blöd mit mir allein. Kaum hat das Spiel begonnen, rasten die Menschenmassen völlig aus. Ein ohrenbetäubendes Grölen erfüllt den Platz. Eins zu null für Deutschland. Geil, ich hab das Tor nicht mal gesehen! Fabi lacht sich über die Schweden kaputt und stupst seinen Bierbecher gegen meinen. Ich tue, als würde ich mich aufs Spiel konzentrieren. Nach ungefähr zehn Minuten brüllen wieder alle, einschließlich Fabi. Er springt mit seinen Kumpanen auf und ab, dreht sich schwungvoll zu mir um und... umarmt mich kurz. Grelle Blitze jagen durch meinen Körper. Lange genießen kann ich Fabis Berührung allerdings nicht. Irgendeine Arschgeige schwappt mich von hinten mit Bier an. Die ganze Scheiße rinnt mir den Nacken hinunter. Meine Laune ist im Keller. Fabians Hand macht sich an meinem nassen Shirt zu schaffen und... äh... streichelt der etwa grad meinen Nacken?! Oh, wow, seine Finger sind super weich. Die befürchtete Ohnmacht kündigt sich an.

„Alles okay?“, fragt er besorgt.

Ich nicke schwächlich.

„Du siehst aus, als würdest du gleich umkippen... wart mal.“ Er verschwindet einen Moment und kommt mit einem Becher Cola zurück. „Für den Kreislauf“, lächelt er süß.

„Ich vertrage die geballte Sonne nicht so“, entschuldige ich mich.

„Wenn du umfallen willst... halt dich einfach an mir fest.“

Mir ist tatsächlich ziemlich blümerant, aber das liegt sicher nicht an der Sonne. Fabi hat nämlich soeben seinen Arm um mich gelegt und drückt meinen Kopf bequem an seine Schulter. In der Position verharre ich bis zum Ende des Spiels, weil Fabian mich einfach nicht mehr los lässt. Nicht einmal als der blöde Schwede den Elfmeter verschießt.

„Und weiter?“, fragt Lila... in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen einen angegessenen Blaubeermuffin.

„Dann ist er mit seinen Freunden feiern gegangen“, schließe ich meinen Bericht.

„Was fürn Arsch. Wieso hat der nicht mit dir gefeiert? Ich hätte mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.“

„Vielleicht ist er gar nicht schwul. Und wenn doch... steht der bestimmt nicht auf mich.“

Lila lehnt sich zurück und setzt ein ernstes Gesicht auf. „Sieh mal... du gehst schon völlig falsch an die Sache heran. Wenn er noch nicht auf dich steht, dann bring ihn halt dazu. Du musst ihn anmachen, Schoko.“

„Danke für den Tip, Klugscheißer.“

„Oder versuch, ihn zu überrumpeln.“

„Hä?“

„Ja... sag ihm einfach, dass du mit ihm ins Bett willst. Das funktioniert öfter als man denkt.“

„Erstens kann ich sowas nicht und zweitens... die Gefahr, einen Korb zu kriegen, ist viel zu groß.“

„Feigling“, grinst Lila. „Du hast doch in Wirklichkeit bloß Angst davor, dass er ja sagen könnte.“

Ich schlage lässig meine Beine übereinander und probiere, cool auszusehen. „Son Scheiß.“

„Weil er doch auf jeden Fall merken würde, dass er grad ne Jungfrau vögelt. Möglicherweise törnt ihn das volle Kanne ab. Ich denke ja nicht, dass er so besonders einfühlsam wäre“, erklärt er und glotzt angestrengt auf seine schwarz lackierten Fingernägel.

„Einfühlsamer als du mit Sicherheit“, zische ich.

„Woher willstn das wissen? Du hattest weder mit ihm noch mit mir jemals sexuellen Kontakt... vom Wichsen mal abgesehen, aber das zählt nicht. Schoko, ich will, dass dein Erstes Mal schön wird. Vielleicht sollte ich ihn vorher testen, was meinst du?“

„Das Erste Mal ist selten romantisch und schön... das waren deine Worte. Und seit wann gehst du mit Jungs ins Bett?“

Er zuckt die Schultern. „Wie war denn das Spiel?“

Blöde Arschgeige... jetzt wechselt er natürlich das Thema! „Hab das erste Tor nicht gesehen und das zweite verpasst. Außerdem wusste der gesamte Marktplatz immer schon vor dem Pfiff, wenn Abseits war.“

„Du bist echt süß“, lacht er. „Wenn ich schwul wäre, würde ich mich sofort in dich verlieben.“

„Das kannst du doch gar nicht“, entgegne ich. „Du würdest mich vögeln und danach nie wieder anrufen.“

„Hey... ich hab noch zu der Hälfte meiner Mädchen Kontakt. Und alle haben gewusst, worauf sie sich einlassen. Nicht jeder ist so romantisch veranlagt wie du.“

„Denkst du wirklich, dass Fabian nicht vorsichtig wäre?“

„Fuck“, stöhnt Lila, „woher soll ich das wissen? Aber sollte er dir wehtun, hau ich ihm die Fresse ein.“

„Danke, bist ein wahrer Freund.“

Lila schläft zur Abwechslung bei sich zu Hause. Ich hänge vor der Glotze und ziehe mir irgendeine lustige WM-Sendung mit Oliver Pocher rein, weil mir so viel im Kopf rumschwirrt und ich unmöglich pennen kann. Lila hat mich total verunsichert. Ich meine, Fabi hat sich so rührend um mich gekümmert. Wie er mich im Arm gehalten hat und ich meinen Kopf an seine Schulter lehnen durfte. Jemand der so liebe Sachen macht, ist doch beim Sex kein rücksichtsloser Egoist, oder? Aber wenn es ihn nun tatsächlich abtörnt, dass ich keine Erfahrung habe... vorausgesetzt es käme zwischen uns bis dahin, wovon ich allerdings nicht ausgehe. Und warum muss man gleich miteinander ins Bett? Ein bisschen knutschen und anfassen würde mir schon reichen. Aber Lila drängelt natürlich wie eine Arschgeige. Es müsse unbedingt noch mit sechzehn passieren. Als ob mir eine Woche später der Schwanz abfallen würde oder ich in ein Ghetto für Siebzehnjährige, die noch keinen Sex hatten, käme. In knapp zwei Wochen ist mein Geburtstag... ich packe schon mal meine Tasche und verabschiede mich von meinen Genitalien!

Am nächsten Tag telefoniere ich aber erstmal mit Fabian.

„Was machstn morgen?“, fragt er irgendwann.

„Mh... Deutschland-Argentinien kucken.“

„Alleine?“

„Bis jetzt“, antworte ich hoffnungsvoll. Nun frag mich schon, verdammte Scheiße!

„Fein, dann kann ich mich ja mit dir verabreden. Ich meine, ich fands das letzte Mal echt klasse.“

Mir wird heiß. Und kalt. Ich schwebe... und lehne mich sehr weit aus dem Fenster. „Fand ich auch.“

„Also bis morgen, Schoko. Wir treffen uns am Markt.“

Ich stürze ab. Klar, was hab ich mir auch eingebildet? Dass er romantisch zu zweit Fußball kucken will?! Schoko, du bist ein Vollidiot! Mir doch egal, ich freue mich trotzdem!!


Letzte Nacht hatte ich einen Traum. Ich war eins von diesen blöden WM-Rotzgören, die Hand in Hand mit den Spielern auf den Platz laufen. Allerdings war ich ein sechzehnjähriges Rotzgör und ich ging nicht auf den Platz sondern in die Kabine. Hand in Hand mit... Miro Klose. Der war grad von Klinsmann ausgewechselt worden, total sauer darüber, ein bisschen verschwitzt und irgendwie scharf. Ich stellte für ihn die Dusche an, er grinste unverschämt, zog mich unter den Wasserstrahl und knutschte so heftig mit mir, dass ich Sterne sah. Während wir uns wild befummelten, fragte ich ihn noch, warum sich Fußballer immer gegenseitig die Bäuche tätscheln. Leider bekam ich keine Antwort, dafür aber einen 1-a-Orgasmus. Jetzt bin ich wach, vollkommen durcheinander und ich muss mein Bett neu beziehen! Was mache ich denn bloß gleich, wenn ich mit Fabi zusammen bin und Miro auf der Leinwand erscheint? Rot werden und mich schämen... was sonst?! Na ja, zum Glück weiß ja niemand, dass ich neuerdings erotische Fußballträume habe.

Auf dem Weg zum Marktplatz renne ich erstmal Ella und ihrer Mädchenclique in die Arme.

Auch das noch!

„Warum hast du mich nicht angerufen?“, fragt sie ohne Umschweife.

„Ich... ähem... also... “

„Hör zu, ich lasse mich nicht gerne verarschen, ja?! Wenn du auf bemalte Pseudo-Japanerinnen abfährst, ist das deine Sache. Aber dann schicke bitte nicht deinen total verblödeten Freund vor, um mich aufzureißen, du kleiner Schlappschwanz.“

Woher weiß die, dass ich... ey, ich hab mich mit Conny doch bloß unterhalten!! Bevor ich ihr sagen kann, wie unhöflich ich es fand, dass sie sich auf meine Kosten besoffen hat, ist sie schon davongerauscht. Keine drei Sekunden später kommt Fabian angelaufen.

„Hey“, lächelt er.

„Hi“, entgegne ich... immer noch etwas verdattert.

„Ist irgendwas?“

„Bin mir nicht sicher.“ Hat diese Bitch mich gerade Schlappschwanz genannt... vor ihren Freundinnen??

„Stress mit Ella?“

„Lass uns kucken, wie Deutschland Argentinien rauskickt“, wechsle ich das Thema.

„Genau“, strahlt er und legt seinen Arm um mich.

Während wir also nebeneinander stehen, Bier trinken und auf die riesige Leinwand starren, fällt mir etwas auf. Etwas total Entsetzliches. Das Spiel ist ekelhaft spannend! Nicht, dass Deutschland so wahnsinnig viele Torchancen hätte. Dafür stehen die Argentinier viel zu dicht und lassen einfach nichts zu. Ehrlich, das sieht aus als würden die mit der doppelten Anzahl an Spielern aufm Platz stehen. Konnte man sich ja schon denken, dass es ein Kampf werden würde, aber... ey ich krieg die Pimpanellen!

FUCK!!! Diesmal hab ich das Tor genau gesehen. Eins zu null für Argentinien. Der gesamte Marktplatz ist geschockt. Fabian rauft sich die Haare und macht ein Gesicht, als wollte er „Ohhhhhhhhhh Gott“ sagen, aber er bringt keinen Ton heraus. Ich dagegen weiß, dass Deutschland gewinnt.

„Der Rückstand ist gar nicht mal schlecht“, höre ich mich sagen. „Das spornt die Jungs an, weil sie jetzt nix mehr zu verlieren haben. Die zeigen es den Pennern.“

Ich ernte Kopfnicken sowie brummelnde Zustimmung von fremden Leuten und bin mir selber unheimlich.

„Mann, die können doch nach Hause fahren“, zischt Fabi mehrfach.

Aber plötzlich... alle Hälse strecken sich... „Der is drin“, bölkt irgendeiner, dann bricht die Hölle los. Jubelschreie, gestandene Kerle liegen sich fast heulend in den Armen, schwarz-rot-goldene Fahnen werden geschwenkt, Fabi drückt mich an sich und schmatzt mir einen Kuss auf die Wange! Und wer hat das Tor geschossen? Richtig... der schnucklige Miro, mit dem ich letzte Nacht noch geduscht habe! Keine Ahnung, worüber ich mich mehr freue... das Tor oder Fabians Kuss. Ich hab mich jedenfalls längst von der Euphorie anstecken lassen und brülle begeistert mit. Scheiße... wenn das Lila wüsste. Nach der Verlängerung sind sich alle einig: Deutschland gewinnt! Logisch, beim Elfmeterschießen macht uns keiner was vor. Trotzdem ist die Anspannung hier deutlich zu spüren.

Der erste geht rein. Das gibt Hoffnung.

Leider schießt der Argentinier auch nicht daneben.

Ballack trifft. Die Meute tobt... vorsichtig. Bloß nicht zu früh freuen.

„Verkackt!“, ruft Fabian und wuschelt aufgeregt durch meine Haare. „Geil gehalten.“

Proleten-Poldi verwandelt. Jetzt wird gebrüllt, als wären wir bereits Weltmeister.

Argentinien trifft.

Und wieder einer drin.

Und wieder einen gehalten. Deutschland ist im Halbfinale, ich bin morgen heiser und taub und Lehmann ist der große Held. Klar, er hat zwei Elfmeter gehalten, aber... wer hat ihm denn überhaupt die Möglichkeit dazu geliefert? Richtig, mein Miro! Ohne ihn könnte sein Team jetzt nach Hause fahren. Er hat DAS entscheidende Tor geschossen, verdammt, und die Ärsche hier jubeln alle nur wegen Lehmann. Ist das vielleicht gerecht? Fabian ist übrigens dermaßen außer sich, dass er mich schon wieder küsst. Allerdings nicht auf die Wange sondern auf den Mund! Das ist meine Chance. Jetzt muss ich mich trauen oder für immer als Feigling durch die Gegend laufen. Ich schlinge meine Arme um ihn und fahre mit der Zungenspitze über seine Lippen. Einen kurzen Moment zögert er, doch dann öffnet er seinen Mund und... alles um mich herum verschwimmt. Mein erster Kuss mit einem Jungen, mit Fabian. Es ist unglaublich.

Nach einer halben Ewigkeit schiebt er mich weg. Ich lächele verträumt.

„Shit“, murmelt er und wirkt irgendwie verlegen.

„Entschuldige“, sage ich reflexartig.

„Ich wusste nicht, dass du... fuck, warum hast du mir das nicht gesagt?“

Ist sein Ton leicht aggressiv, oder bilde ich mir das nur ein? Verdammt, Fabian hat was gegen Schwule und poliert mir gleich die Fresse.

„Ich... äh... wollte... also... “, ein lustiges Liedchen unterbricht mein Gestotter.

Fabi kramt sein Handy aus der Hosentasche. „Hey... was? Du, das ist so laut... ja, hab ich gesehen... lass uns... okay, bis nachher... ich dich auch.“

Nach dem Telefonat sehen wir uns schweigend an. Wie soll ich einem Schwulenhasser erklären, dass ich mich in ihn verliebt habe?! An allem ist doch nur Lila schuld, weil er mir diesen Mist eingeredet hat. Und wer zum Arsch war das am Telefon? Sicher seine Freundin. Klang doch total nach Liebesgeflüster... dieses blöde ich dich auch... zum Kotzen!

Fabian zieht mich aus dem immer noch andauernden Trubel auf eine Bank. Vielleicht will er keine Zeugen für den Mord an mich.

„Du kannst mir gerne eine reinhauen, das ändert nichts an meinen Gefühlen“, erkläre ich und frage mich noch, woher auf einmal der Mut kommt.

Fabi schüttelt den Kopf. „So’n Schwachsinn. Der Kuss war total schön, ehrlich.“

Ich glaub, die lauten Tröten haben mein Gehör schlimm geschädigt.

„Schoko, du bist süß und ich hab dich echt gern... “

Aber ich bin keine Schwuchtel. Sprich es aus und gut is!

„... aber ich wollte doch nicht, dass du dir irgendwie Hoffnungen machst. Ich hab einen Freund.“

Ich hab immer noch seinen Geschmack auf den Lippen und er faselt sich einen dranlang, dass sein Freund Markus als Sani beim DRK arbeitet... ehrenamtlich oder so’n Kack... und er ihn ziemlich doll liebt... blablabla. Mir ist schlecht, die Welt zusammengebrochen. Ich will nur noch nach Hause in mein Bett.

„Wir können doch... “

Freunde bleiben, was?!

„Ruf mich an, wenn du magst.“

Ich nicke schwächlich und schleiche nach Hause. Die ganze Nacht flenne ich wie bekloppt. Jedes Mal, wenn ich denke, jetzt ist es genug, schießt mir zwanghaft dieser eine Satz von ihm durchs Hirn... ich hab einen Freund! ...und die Heulerei geht von vorne los.

„Hey, Schoko... was geht?“

Ich öffne langsam meine verquollenen Augen, habe aber nicht die Kraft, meinen Kopf vom Kissen zu heben.

„Fuck, was ist passiert?“, fragt Lila panisch.

„Er hat einen Freund“, erkläre ich weinerlich.

„Fabian? Die alte Lusche“, grummelt er und legt sich neben mich. „Hör auf zu heulen, hast eh was Besseres verdient als den Penner. Ich sag dir, der bringt’s im Bett überhaupt nicht.“

Ich bin fassungslos. „Es dreht sich nicht immer alles nur um Sex, verdammt noch mal. Ich bin verliebt, du total beknackte Idiotenarschgeige, auch wenn du so was für blöde Gefühlsduselei hältst. Also warum verpisst du dich nicht einfach und lässt mich in Ruhe, Frank?“, kreische ich.

Lila ist im ersten Moment sehr irritiert. Dann zieht er mich in seine Arme und ich kann mich an die Visage des Kings schmiegen. Er muss gute Laune haben, wenn er mir erlaubt, sein heißgeliebtes Elvis-Shirt voll zu flennen.

„Sorry, Schoko... bin eben ein Trampel. Und diese Verliebtheitsscheiße begreife ich auch nicht. Am Anfang ist man ein totales Wrack, weil man nur noch an den anderen denken kann, und am Ende ist man ein totales Wrack, weil man den anderen nicht vergessen kann. Das ist doch bescheuert.“

„Dass du mir deine Meinung zu dem Thema zum tausendsten Mal erzählst hilft mir nicht.“

„Soll ich dir vielleicht einen Tee kochen?“

Lila meint das ernst... kaum zu glauben, oder? „Nein, danke.“

„Dann lass uns ausgehen. Du brauchst Ablenkung und Action. Möglicherweise kommt ein hübscher Boy des Weges geschlendert und du vergisst Fabian auf der Stelle.“

„Ich will nicht.“

„Schoko“, seufzt er, „ich hab keine Ahnung, was man gegen Liebeskummer macht.“

„Woher auch. Das Schlimme ist, dass er mich geküsst hat... ich meine, bevor er mir seinen Freund gebeichtet hat.“

„Wow, dein erster Kuss. Wie war’s denn? Äh... Fabian bescheißt seinen Typen? Was ist das denn für eine Sau?!“

„Eigentlich hab ich ihn zuerst geküsst. Also, ich hab jedenfalls zuerst meine Zunge reingesteckt. Fabian konnte praktisch gar nichts dafür. Und er hat mir das mit seinem Freund ja dann auch sofort gesagt. Aber der Kuss war so toll, dass es jetzt noch mehr weh tut, verstehst du?“

„Klar, bin doch nicht blöd. Allerdings glaube ich nicht, dass Fabian so wahnsinnig gut küssen kann. Du hast eben keine Vergleichsmöglichkeiten. Logisch, dass dich da der erste Kuss von irgendeinem dahergelaufenen Typen bereits umhaut.“

Ich möchte jetzt wirklich nicht mehr mit ihm sprechen. Deswegen antworte ich nicht, sondern lasse mir lieber den Nacken kraulen. Es ist leider folgendermaßen: Lila hat eine schwere Störung, er ist emotional irgendwie... unterentwickelt. Sobald es um Gefühle geht, kriegt er Panik, weil er damit nicht umzugehen weiß. Das ist manchmal echt anstrengend, weil er mich zwar tröstend in den Arm nehmen und einfach da sein kann, aber darüber reden ist nicht drin. Deshalb ist es ja auch so logisch, dass er seine Tussis vögelt und danach abschießt. Lila steht nicht auf Liebe, er steht auf Ficken, weil alles andere eben nicht geht. Keine Ahnung, woher das kommt. Vielleicht hat er bloß Angst, verletzt und allein gelassen zu werden? Sein Papa hat ihn vergöttert... bis zu seinem Tod. Seine Mama hat ihn vergöttert... bis der Stiefvater auftauchte. Ich meine, seine Mutter liebt ihn immer noch, aber jetzt ist halt noch jemand anders da, der wichtig für sie ist. Lila hat jedoch den Tick, auf alle Fälle im Mittelpunkt stehen zu müssen. Ich frage mich, ob es was damit zu tun hat, dass er ein paar Wochen zu früh auf die Welt gekommen ist und es anfangs nicht danach aussah, als würde er überleben. Möglicherweise sind ihm der Brutkasten und die ganzen Schläuche, die an ihm dran waren, aufs Hirn geschlagen. Jedenfalls war die zu frühe Geburt der Grund für allerhand Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte und hat. Zum Beispiel wird er super schnell krank, ist gegen tausend Sachen allergisch und für sein Alter relativ schmächtig. Nicht, dass ich figurmäßig nun so besonders üppig bin oder total bemuskelt, aber Lila wirkt halt fast magersüchtig, obwohl er eigentlich ständig isst. Es fällt ihm auch wahnsinnig schwer, sich zu konzentrieren. In den ersten Schuljahren litt er an Lese- und Rechtschreibschwäche. Deswegen wurde er oft gehänselt, weil unsere Schulkameraden ihn natürlich für doof gehalten haben. Lila ist auf seine Art damit fertig geworden... er hat die Blagen verkloppt, wenn seine große Fresse nicht ausreichte. Er kannte echt die heftigsten Schimpfwörter!

„Hey“, beginnt er nach einer Weile, „der Stefan ist schwul.“

„Wer?“

„Der Stefan, der ab und zu im Sputnik auflegt.“

„Und weiter?“, frage ich, obwohl es mich nicht interessiert.

„Gefällt dir der nicht? Ich könnte doch mal rauskriegen, ob er vielleicht auf dich abfährt und... “

„Halt die Klappe, Lila.“

„Okay.“


Deutschland ist raus! Ich kann’s nicht fassen. Zwei Minuten vor Ende der Verlängerung schießen die Italiener ein Tor. Und gleich danach noch eins... weils so schön war. Scheiße, ey, seitdem Fabi einen Freund hat geht alles den Bach runter. Lila ist ziemlich süß. Wuselt ständig um mich rum, will mich von meinem Liebeskummer ablenken und er hat sogar mit mir Fußball gekuckt. Außerdem macht er etwas super Tolles für meinen Geburtstag... sagt er. Ich will irgendwie gar nicht wissen, was es ist, denn Lila hat immer nur bekloppte Ideen. Vielleicht engagiert er einen Elvis-Imitator oder kauft mir einen Stricher, wo doch jetzt klar ist, dass mit Fabian nichts laufen wird und er ja angeblich keine schwulen Jungs kennt. Eigentlich hatte ich ja eine Party geplant. Wollte natürlich Fabi einladen... aber aus gegebenem Anlass ist mir nicht nach feiern. Was hätte ich auch zu bejubeln? Fabian mit seinem Rettungs-Markus?! Die Tatsache, dass ich schwul bin?! Oder die Tatsache, dass ich zu feige bin, es meinen Eltern zu sagen? Ich hab wirklich lange überlegt, ob ichs denen jetzt schon sagen soll, und bin zu dem Ergebnis gekommen: Nein! Das geht die nämlich gar nichts an, finde ich. Nur weils meine Eltern sind, muss ich denen doch nicht mitteilen, mit wem ich ins Bett gehe... wenn ich mal mit wem ins Bett gehe. Ich hab irgendwo gelesen, dass Eltern sowieso schon irgendwie ahnen, wenn der Sohn schwul ist. Vielleicht sprechen die mich ja morgen drauf an, wenn ich meine siebzehn Kerzen auf der Geburtstagstorte ausgepustet habe. Für sehr wahrscheinlich halte ich das allerdings nicht.

„Okay, du kannst jetzt kommen“, bestimmt Lila durchs Handy.

Der hängt schon seit Stunden im Gartenhaus rum. Weiß der Teufel, wieso?!

„Wenns sein muss“, grummele ich zurück und hoffe, bete inständig, dass er keine blöde

Überraschungsparty organisiert hat. Zuzutrauen wär’s ihm, weil er weiß, dass ich sowas hasse. Man muss überrascht tun und sich auf Kommando freuen... ekelhaft. Mir ist also äußerst mulmig, als ich langsam die Türklinke runterdrücke, die Tür aufmache und... ACH DU HEIMATLAND!! Was geht denn hier ab?!

Tausend Kerzen, verstreute Rosenblütenblätter, auf einem silbernen Tablett stehen zwei Sektgläser, nebenan eine Schale mit Pralinen, rot-durchsichtiger Flatterstoff liegt und hängt dekorativ herum, Räucherstäbchen glimmern vor sich hin und im Hintergrund singt der King „Love me tender“. Ich bin völlig erschlagen... bis irgendwas PLOPP macht. Und zwar die Champagnerflasche, die Lila grad öffnet.

„Ähem... was hat das alles zu bedeuten?“

Er gießt den Champagner ein und reicht mir ein Glas. „Ich hab dir ein romantisches Erstes Mal versprochen, oder?“

Mir wird seltsam übel. Ob sich ein wildfremder schwuler Typ irgendwo versteckt hat? Nackt, bloß mit einer roten Schleife an sich dran? Verstohlen schaue ich mich um. Mh, scheint außer uns niemand da zu sein. Ach du meine Güte... Lila wird doch nicht...?! Verdammt, der trägt sein Aufreißer-Outfit. Extrem tief sitzende, schwarze Jeans, zerrissenes Netzhemd, Silberkettengürtel, schwarze Bandage am Ellenbogen (auf sowas fährt eine bestimmte Sorte von Mädels total ab und ich fürchte, ich gehöre dazu). Seine Augen sind rauchig geschminkt, die Lippen schimmern feucht. Oh Gott, das ist doch sicher bloß ein Witz.

„Lila“, krächze ich, weil mein Hals plötzlich unglaublich trocken ist, „was immer du vor hast... es ist eine Schnapsidee.“

„Auf eine unvergessliche Nacht“, grinst er und hält mir sein Glas an die Lippen.

Ich spüre den Champagner prickelnd auf meiner Zunge und Lilas Hand, die über meinen Bauch streicht.

„Das ist doch total verrückt. Ich meine, von all deinen verrückten Ideen ist das hier die mit Abstand verrückteste.“

„Findest du?“ Er schiebt eine Hand in meine Hose und zieht mich an sich. „Ich denke, es ist die beste Idee, die ich je hatte.“

„Du bist doch nicht mal schwul.“

„Vielleicht nicht, aber ich verstehe was vom Ficken. Und ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass ich verdammt vorsichtig und einfühlsam sein kann. Genau das, was du brauchst.“

Shit... das ist definitiv KEIN Scherz. Was mache ich denn jetzt? „Hör zu, Lila“, beginne ich,

„ich bin dir wirklich dankbar und... du hast dir auch echt viel Mühe gemacht, aber ich kann das nicht. Du bist schließlich mein bester Freund.“

Er wirft aufreizend den Kopf zurück. „Heute nicht, Schoko. Betrachte mich einfach als deinen... Liebessklaven. Du darfst alles mit mir machen, alles von mir verlangen und dir von mir wünschen, was du möchtest. Na ja, abgesehen von irgendwelchen ekligen Sachen wie... dich auf mein Gesicht setzen, mich anpinkeln und so.“

Oh, lieber Gott, hilf mir!! Die Tatsache, dass Lila im Kerzenlicht umwerfend schön aussieht, trägt nicht gerade dazu bei, einen klaren Kopf zu bewahren. Der Gedanke, mit ihm was auch immer zu tun, ist widerwärtig verlockend. Um es mir besonders schwer zu machen, zieht er sein Netzhemd aus und friemelt dabei ein bisschen an sich rum. Seine schwarzen Haarspitzen berühren fast milchweiße Schultern. Meine Körpertemperatur ist bis auf kurz-vorm-Fiebertod gestiegen, mein Puls praktisch nicht mehr messbar. Verdammt, reiß dich zusammen, Schoko!

„Wir... wir sollten vernünf... “, Lilas Mund, der sich auf meinen drückt, unterbricht mich.

Zuerst will ich ihn reflexartig wegschieben, doch dann... wow, kann der küssen! Wir knutschen ungefähr minutenlang, wobei seine Hände über meine Hüften wandern, über meinen Hintern, unter mein Shirt... irgendwie sind seine Hände überall. Als wir für einen Augenblick voneinander ablassen, leckt er sich über die Lippen.

„Mhhh... gar nicht mal so übel. Möchtest du mich jetzt anfassen?“

Ich möchte mich sogar auf ihn stürzen, bin allerdings viel zu verlegen.

„Du willst sicher meinen Schwanz sehen, was?“, giggelt er, ist aber gleich wieder ernst.

„Sorry, wir wolltens ja romantisch machen. Also... “ Er zieht mir das Shirt aus, schubst mich auf die Matratze und beugt sich über mich. Die nächsten Stunden ist er damit beschäftigt, jeden Millimeter meiner nackten Haut zu küssen, mich zärtlich zu beißen, mit seiner Zunge meine Brustwarzen zu umkreisen und ich... ich bin völlig hinüber, winde mich unter ihm und zittere unkontrolliert. Jede noch so zarte Berührung entzündet ein kleines Feuerwerk in meinem Körper. Keine Ahnung, wie lange ich das noch aushalte. Lilas Finger öffnen meine Jeans, gleiten hinein und stellen sich wahnsinnig geschickt an. Ich bin schon so kurz davor.

„Noch nicht“, flüstert er, befreit mich von den letzten Kleidungstücken und fängt an, mir einen zu blasen. Ich sehe Sterne, sehr helle, sehr bunte, und komme dermaßen heftig, dass ich fast besinnungslos werde. Es dauert ein wenig bis ich wieder in der Welt bin. Lila liegt bequem auf der Seite, den Kopf auf seine Hand gestützt.

„Gut, hä?“, grinst er zufrieden. Sein Daumen streicht über meinen Mund „Darf ich dich jetzt ficken? Ich bin echt scharf auf dich, Schoko.“

„Ehrlich?“, frage ich überrascht.

„Oh Mann,“ stöhnt er und lässt sich auf mich fallen, „was denkst du denn? Dass es mich kalt lässt, wenn du so abgehst?“

Ich möchte ja schon gerne, mache mir allerdings ziemlich ins Hemd... vorausgesetzt ich hätte eins an.

„Hey, vertrau mir, ich weiß genau, was ich tue. Ich hab... na, wo isses denn... “, er kramt neben sich und hält mir irgendeine Tube vor die Nase, „ein Extremo-Flutschi-Gel besorgt und sogar Kondome mit Fruchtgeschmack. Obwohl... die Geschmacksrichtung ist ja eigentlich egal für das, was wir vorhaben. Mh, hätte ich vorhin gebrauchen können. So schwul, dass ich gefallen am Spermaschlucken finde, werde ich sicher niemals. Ich meine, es war nicht schlimm oder zum Kotzen ekelhaft, aber... lecker is was anderes.“

Während Lila beim Hose und Unterhose ausziehen vor sich hin plappert wird mir klar: der ist mindestens genauso nervös wie ich. Es ist so eine Angewohnheit von ihm, sich mit fast nervtötendem Gefasel zu beruhigen, wenn er unsicher ist. Ich küsse ihn, damit er endlich die Klappe hält. Eigenartigerweise begreife ich erst jetzt, was passiert. Dass ein wunderschöner nackter Junge in meinen Armen liegt... zum allerallerersten Mal... dass ich seinen Körper ganz dicht an meinem spüre, seinen warmen Atem, der sich mit meinem vermischt. Fabians Kuss war schon sagenhaft toll... das hier ist noch tausendmal besser. Und Lila scheint meine Berührungen sehr zu genießen. Dass er mein bester Freund ist und ich keinen Schimmer habe, was los ist, wenn wir das alles hier hinter uns haben, verdränge ich lieber. Langsam setze ich mich auf seine Schenkel und streiche mit den Fingern über die Innenseiten seiner Arme. Lila hat die Augen geschlossen und atmet geräuschvoll, während ich seinen Bauch küsse. Es fühlt sich eigenartig aufregend an, dass er mir so ausgeliefert ist. Und es ist unglaublich zu wissen, dass ich ihn derart anmachen kann. Leider nicht so unglaublich, dass ich nicht doch ein klitzekeines bisschen Unsicherheit verspüre, als ich ihm, wahrscheinlich sehr amateurhaft, einen blase. Ich hätte nicht gedacht... ähem, also, sein Schwanz ist... riesig. Also nicht wirklich riesig, eigentlich eher normal, aber... vielleicht ist mein Mundraum zu klein? Ich weiß nicht. Lila hat mir mal einen Porno gezeigt, da haben die Frauen die Schwänze geradezu verschlungen. Und niemand musste würgen. Und niemand wurde an den Haaren gezogen. Verdammt, will der mir in seiner offensichtlichen Ekstase den Skalp vom Schädel reißen?! Das hier ist echt Schwerstarbeit und... Sperma schmeckt tatsächlich nicht so besonders. Total fertig aber durchaus zufrieden wische ich mir über den Mund und betrachte Lila. Der sieht aus als würde er immer noch kommen, obwohl er längst abgespritzt hat. Er streckt seinen Arm aus, umfasst meinen Nacken und zieht mich mit einem Ruck auf sich.

„Du bläst besser als jedes Mädchen, das ich bis jetzt hatte, und irgendwie... “ er küsst mich lange, „ich weiß nicht, Schoko, irgendwie küsst du auch besser.“

„Vielleicht liegt es an dem Spermageschmack?“, versuche ich witzig zu sein.

Er streicht mir lächelnd über die Wange. „Vielleicht liegt es... “

„Was?“

„Egal“, schüttelt er den Kopf.

Es ist wirklich strange, so nackt neben Lila zu liegen. Wenn ich daran denke, was wir gerade getan haben, erscheint es mir völlig in Ordnung. Aber wenn ich daran denke, was wir verdammt noch mal gerade getan haben... au weia!! Hat er mir wirklich eben gesagt, dass ich

gut blase?! Ich muss zugeben, das kickt ein bisschen.

Nachdem wir eine Weile vor uns hin gedöst und gegenseitig mit Pralinen gefüttert haben, beginnt Lila, meinen Rücken zu streicheln.

„Wir sollten langsam ans Eingemachte gehen.“

„Wie... ans Eingemachte?“

„Ficken, Schoko... äh... miteinander schlafen.“

Ich drehe mich um. „Schön, aber... wieso bedeutet miteinander schlafen zwangsläufig, dass du mir deinen Schwanz in den Hintern steckst?“

Lila blinzelt irritiert. „Wo soll ich den denn sonst reinstecken?“

„Du weißt genau, was ich meine.“

„Willst du etwa jetzt anfangen rumzuzicken?“

„Willst du mir jetzt noch mehr Arschlochsprüche reinwürgen?“

Er zuckt die Schultern. „Du machst mit deinem Gerede die ganze Romantik kaputt. Ehrlich, Schoko, wieso entspannst du dich nicht einfach und überlässt den Rest mir?“

Ja, wieso eigentlich nicht?! „Okay.“

„Okay?“

„Okay“, nicke ich.

Lila wird schon wieder hektisch. Der ist sicher davon ausgegangen, dass ich kneife.

„Okay, also... du sagst aber sofort Bescheid, wenn... wenns irgendwie unangenehm wird, ja?“

„Ich denke, du bist so einfühlsam.“

„Halt die Klappe, Schoko.“

Natürlich bin ich gar nicht so selbstsicher wie ich tue. Mein Herz schlägt in einem Tempo, das normalerweise auf der Intensivstation behandelt werden müsste. Außerdem überträgt sich Lilas Unruhe total auf mich. Fuck, wenn doch bloß schon alles vorbei wäre. Leider haben wir noch nicht einmal angefangen, weil Lila erst noch eine neue Elvis-CD einlegen muss und sich anschließend nicht entscheiden kann, welche Positionen wir beide einzunehmen haben. Er meint, dass es sicher nett ist, wenn wir uns dabei anschauen und küssen können. Ich dagegen finde, dass ich nicht gelenkig genug bin, um stundenlang meine Beine auf seinen Schultern zu lagern. Wir probieren also was anderes. Ich lege mich auf den Bauch und strecke meinen Hintern etwas in die Luft. Lila... gackert sich in den sicheren Schwachsinn.

„Wasn?“

„Nichts“, gluckst er.

„Das hier war deine Idee.“

„Stimmt. Aber in der Phantasie hat das nicht so bescheuert ausgesehen. Soll ich dich jetzt wie ein Köter bespringen?“

„Du kannst mich mal“, zische ich.

„Würd ich ja gerne, aber so wird das nix... komm her.“ Er zieht mich in seine Arme. Wir knutschen ein bisschen und fassen uns an. Seine Haut ist so weich... ich kann gar nicht genug kriegen. Oh Mann, und er küsst so verdammt gut!

„Okay?“, fragt er irgendwann.

Ich nicke.

Lila ist sehr vorsichtig... und sehr geduldig. Irgendwie tut es nämlich doch weh am Anfang.

Will sagen, es dauert etwas, bis wir soweit sind, dass es uns beiden gefällt.

Während ich Stunden später noch glücklich vor mich hin grinse, schnappt sich Lila die beiden Champagnergläser, drückt mir meins in die Hand und stößt mit seinem kurz dagegen.

„Auftrag ausgeführt... Happy Birthday, Schoko!“

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