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DSDMB

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Aaaalso ... das hier ist der erste Teil einer gemeinsamen Geschichte von Veri (ID) und mir! Die Aufteilung ist ganz einfach: Veri schreibt den Ferdi und ich den Schröder. Und jetzt ... viel Spaß bei DSDMB :-)

Ferdi

Perfekt. Alles ist perfekt. Der Text sitzt, das Outfit ist edel aber nicht protzig, ich habe gut geschlafen und bin früh dran. Mein Fahrrad parke ich mal lieber an einer schwer einsehbaren Stelle. Man weiß ja nie, was hier so rum kreucht und fleucht. So ein Schloss ist schnell durchgeschnitten mit dem richtigen Werkzeug. Darüber will ich mir nicht auch noch den Kopf zerbrechen müssen. Ich atme noch mal tief durch und tupfe mir die kleinen Schweißperlen von der Stirn. Ich HASSE es, zu schwitzen. Am liebsten würde ich sofort noch mal duschen, aber ich werde wohl mit einer Katzenwäsche auskommen müssen. Hoffentlich sind noch nicht zu viele Leute da.

Tatsächlich ist die Empfangshalle des Messegebäudes noch ziemlich leer, bis auf ein paar Bedienstete, die Schilder aufstellen, Stände aufbauen und Knabberzeug auf Bistrotischen verteilen. DSDMB. Da steht es, in großen Lettern an der Stirnwand der Halle. Deutschland sucht die Mega-Band. Wie oft habe ich mir die Sendung zu Hause angesehen und mich über die Idioten mokiert, die sich zum Affen gemacht haben? Und wie oft habe ich leise vor mich hingemurmelt, dass ich das auf alle Fälle besser könnte? Jetzt habe ich endlich die Gelegenheit, mich zu beweisen. Und ich brenne darauf, B!‘s dummes Gesicht zu sehen, wenn er an einem Kandidaten ausnahmsweise mal nicht rumnörgeln kann. Ob der Kerl wirklich so fies drauf ist, wie das Fernsehen einem weis machen will? Davor werden die anderen Castingteilnehmer wohl am meisten Angst haben. Aber nicht ich! Ich brauche ihn nicht zu fürchten, denn ich werde perfekt sein!

Zunächst mal suche ich allerdings ein Badezimmer, um mich frischzumachen und umzuziehen. Auch die hierfür nützlichen Schilder werden gerade aufgestellt und ich folge dem Pfeil in einen Seitengang.

Eine halbe Stunde später lasse ich die Schwingtür der Herrentoilette hinter mir zufallen. Der Lärmpegel ist merklich gestiegen. In der Halle warten inzwischen dutzende Kandidaten, vor allem Frauen, und die meisten von ihnen haben hysterisch wirkende Freunde und Angehörige im Schlepptau. Was für ein Kindergarten! Schließlich können sie Mami auch nicht mit auf Tour nehmen, falls sie es je in die Band schaffen sollten.

„Anmeldung“ steht an einem langen Klapptisch. Ich stelle mich hinter ein knapp bekleidetes Mädchen in eine Reihe aus genau vierzehn Leuten. Zwölf davon Frauen. Nicht viel männliche Konkurrenz. Das kann für mich nur von Vorteil sein, nicht dass ich mich nicht auch gegen 5000 Männer durchsetzen könnte. Meine Personalien werden erfasst, ich muss einen kurzen, etwas aufpolierten Lebenslauf von mir schreiben und meine Songauswahl begründen. Außerdem ist noch Platz für „Besonderheiten“. Ich behaupte, auf einem Schiff geboren zu sein, was auch fast wahr ist. Sowas kommt immer gut. Einer der Menschen in DSDMB-Shirts klebt mir eine Nummer auf die Brust.

„Wenn die 0516 auf der Anzeigentafel erscheint, melde dich bei dem Kerl der das Gruppenschild hochhält. Wenn du es verpennst, bist du draußen. Zweite Chancen gibt es nicht.“

Der Raum füllt sich Zusehens schneller mit Menschen. Hier auf Anhieb aus der Masse zu stechen, ist so gut wie unmöglich, aber viele versuchen es dennoch. Meist mit greller Kleidung, papageienartigen Frisuren oder lautem Gesang, durchwegs schief. Mir ist ganz recht, dass ein Crewmitglied in gereiztem Tonfall erklärt, dass Einsingen nur in Zimmerlautstärke erlaubt sei, um die anderen Kandidaten nicht zu stören.

Hier drinnen schwitzen mir definitiv zu viele Leute, doch das erste Kamerateam ist schon unterwegs und nimmt wahllos Statements auf. Rausgehen ist also nicht mehr drin. Im Kopf denke ich den Text noch mal durch und stelle mir die Melodie dazu vor. Ich habe alles im Griff. Kein Grund, nervös zu werden. Ich bin perfekt vorbereitet.

Ziemlich unvermittelt höre ich die eingängige DSDMB-Titelmelodie in voller Lautstärke und auf einer Videoleinwand, die mir vorher gar nicht aufgefallen war, erscheint ein Einspieler. Überall um mich herum legen sich Köpfe in den Nacken und Frauen jauchzen entzückt auf. B! winkt uns in Überlebensgröße entgegen und verkündet, dass er und seine Jurykollegen nun bereit wären, die erste Kandidatengruppe zu empfangen und dass sie sich sehr auf das Casting hier in München freuen. So schnell wie er begonnen hat, ist der Spuk auch wieder vorbei und die gebündelte Aufmerksamkeit wird auf eine Nummernanzeigentafel gerichtet, wie man sie aus Behördenwartesälen kennt.

„0516, 0516, 0516“, bete ich vor mich hin.

Aber ich bin nicht dabei. Obwohl da bestimmt hundert Nummern stehen. Und nach welchem System wurden die eigentlich ausgewählt? Die 4504 steht gleich unter der 2464. Total willkürlich! Ich finde, wer als erster da war, sollte auch als erster vor die Jury dürfen! Irgendwer rempelt mich an.

Schröder

„Mann, was hast du dir dabei bloß gedacht?“, murmele ich vor mich hin. Ich meine… es dürfte doch wohl allen Beteiligten klar sein, dass ich nicht mal den Hauch eines Hauchs einer Chance haben werde. Eigentlich finde ich so was ja völlig zum Kotzen, deshalb hab ich’s auch allen verheimlicht. Meine Freunde würden mich in eine Zwangsjacke stecken, wenn die wüssten, wo ich mich gerade befinde und was ich zu tun gedenke. Auslachen würden die mich. Fragen, ob ich schlechtes Zeug geraucht habe. Und dann das Lied…das geht mal gar nicht. Aber auf lautes Punkgegröle stehen die da mit Sicherheit nicht. Wollen schließlich sehen, ob man was kann. Und wenn man nichts kann, kriegt man vielleicht irgendeinen Bonus oder so. Es gibt schließlich immer einen Quoten-Dicken, einen Quoten-Schwulen, eine Quoten-Witzfigur und einen Quoten-Freak. Letzteres bin dann eben ich. Und schwul obendrein. Na, wenn das nicht mein Freifahrtsschein direkt in die große Samstagabendshow ist… haha… da passe ich dann ungefähr genauso gut rein wie das Schwein aufs Sofa!

Nach München zu trampen war relativ leicht, wenn auch etwas nervig. Bin bei so einem Angeber-Schnösel im Mercedes mitgefahren. Bei dem lief eine Chris de Burgh-CD und er roch ganz penetrant nach Rasierwasser. Und weil ich stundenlang in seiner Karre hocken musste, rieche ich jetzt wahrscheinlich genauso. Großartig!

Erstmal knalle ich mein Zeug in ein Bahnhofsschließfach, weil ich beim Casting der Retortenfressen nicht mit all meinen Habseligkeiten auftauchen will. Würd ja aussehen als hätte ich kein Zuhause. Dann mache ich mich mit meiner Gitarre auf den Weg zum Messegelände, muss mich tausendmal durchfragen und bin irgendwann tatsächlich da. Gut, dass ich mein Zeug nicht mitgenommen habe, bei dem langen Weg hätte ich jetzt Affenarme.

Apropos Affenarme… hier lungern die reinsten Affenärsche rum. Hauptsächlich fesche Girlies in knapper Bekleidung. Tja, B!, du hast leider nicht den besten Ruf, oder? Wenn die Tussi unter ihrem dünnen Fähnchen keinen BH trägt, kommt sie automatisch in den Recall. Die paar Jungs sehen übrigens auch nicht besser aus. Gestylte Vollspacken mit viel zu weiten Hosen und viel zu engen Shirts. Dass ich da total aus der Masse hervorsteche, versteht sich von selbst.

So, also auf zur Anmeldung und einen kurzen Lebenslauf schreiben. Songwahl begründen… was soll’n der Scheiß? Robbie Williams ist mein Idol, kritzele ich mir einen dranlang. Besonderheiten? Mh, ich kann Gitarre und Blockflöte spielen… ist das was Besonderes?

Ich schreibe einfach noch dazu, dass ich von Zigeunern abstamme und meine Oma die Kunst des Voodoo beherrscht.

Als ich den Wisch abgegeben habe, kriege ich eine Nummer angepappt und soll mich bei irgendwem melden, wenn die angezeigt wird. Sollte ich das nicht hinkriegen hätte ich eben Pech gehabt. Ähem… sehe ich vielleicht aus als wäre ich nicht in der Lage, Zahlen zu lesen?!

Okay, zugegeben, ein bisschen nervös bin ich ja doch. Besonders wenn ich höre, dass sich die Leute einsingen, was übrigens nicht immer schön klingt. Und weil es von überallher zwitschert und tiriliert, vergesse ich fast meine Melodie. Fuck, und wie ging noch gleich der Text?? Argh… ich fürchte, das wird die totale Katastrophe!

Ruhig, Schröder, nur nicht ausflippen! Ich hocke mich auf den Boden, packe meine uralte Akustikgitarre aus und versuche zu stimmen, was sich durch den andauernden Lärmpegel eher schwierig gestaltet. Außerdem schnarrt die d-Saite so fürchterlich, dass einem davon schlecht wird.

Jetzt wird mir auch noch eine Kamera vor die Nase gehalten und ich werde aufgefordert, kurz was über mich zu erzählen.

„Ich heiße Schröder, bin neunzehn Jahre alt und will Popstar werden.“

Der Mikrofonträger kuckt komisch.

„Äh… ich meine natürlich Megaband. Also ich will in die Megaband.“

„Und du glaubst, du hast das Zeug dazu?“

„Klar, du etwa nicht?“

„Viel Glück“, wünscht der Mikrofonträger miesepetrig und zieht mit seinem Kameramann ab.

Offensichtlich bin ich nicht fernsehtauglich, denn ich eigne mich weder zum Sympathieträger, noch zu einem, der sich veräppeln lässt und es nicht merkt. Dafür habe ich aber inzwischen meinen Text komplett vergessen. Und genau in diesem Augenblick erscheint meine Nummer auf der Anzeigetafel und ich muss mich bei einem Kerl mit ’nem Schild melden.

Auf dem Weg dahin rempele ich mit einem Typen zusammen. Und als das geschieht, schlägt aus mir unbegreiflichen Gründen der Blitz ein. Er fährt quasi durch meinen gesamten Körper, wirbelt mein Hirn durcheinander und ich… ich hab noch nie so grüne Augen gesehen!

Ferdi

Auch das noch. Ein heruntergekommener Punk mit verfilzten Haaren und fettiger Lederjacke stellt sich als derjenige heraus, der mich angerempelt hat. Und dann starrt er mich auch noch völlig belämmert an! Wahrscheinlich ist er besoffen oder schlimmeres. Ich wage es, kurz Luft zu holen, aber statt einer Alkoholfahne, weht mir Hugo Boss entgegen. Seltsamer Kerl. Endlich scheint ihm einzufallen, dass man Gesichtsmuskeln auch bewegen kann, und die neue Miene soll wohl entschuldigend wirken oder sowas. Er schüttelt das sumpfgrüne Gefilz aus seinem Blickfeld.

„Hals und Beinbruch … äh, das sagt man doch so, oder?“, stammelt er, geht rückwärts weg und rammt mit seiner Gitarre gleich mal irgendwen anders.

Naja, der versucht sich wohl als Quotenfreak.

Die Leute, die eine passende Nummer vorweisen können, werden durch eine zweiflüglige Tür geschleust, der gutriechende Freak ist auch dabei. Die Anmeldung wird soeben geschlossen. Ein paar Zuspätkommer diskutieren noch rum. Typisch, unter anderem hat sich eine Gruppe Punks um den Klapptisch versammelt. Wahrscheinlich die Kumpels vom Herrn mit der sumpfgrünen Mähne. Warum brauchen solche Leute immer eine Extrawurst? Naja, nicht mein Problem. Von denen hat hier sowieso niemand ernsthaft Chancen. Die schaffen es höchstens in die Top Ten der peinlichsten Kandidaten.

Um nicht doch noch nervös zu werden, verziehe ich mich in eine ruhige Ecke und singe noch ein bisschen vor mich hin. Die Halle ist inzwischen brechend voll, aber man kann schlecht abschätzen, wie viele davon Kandidaten sind, und wie viele nur Angehörige. Die höchste Nummer, die ich bis jetzt auf einer Brust gesehen habe, war die 4988, glaube ich.

Neben mir wird eine ältere Frau mit Pippi Langstrumpf-Zöpfen und neongelber Bluse interviewt. Natürlich, solche Gestalten sind unterhaltsam und gehören zum Format Castingshow. Aber meine Zeit wird schon noch kommen, spätestens wenn ich von der Jury in den höchsten Tönen gelobt worden bin. Es dauert nicht mal eine halbe Stunde, dann kommen neunzig Prozent der ersten Gruppe wieder durch die zweiflüglige Tür in die Halle zurück. Viele Tränen fließen und die anderen Kandidaten versuchen aus ihnen rauszubekommen, was passiert ist. Schnell verbreiten sich Gerüchte. Nur zehn der hundert Leute seien überhaupt zur Jury durchgelassen worden. Die anderen seien gleich von Crewmitgliedern aussortiert worden, nach nur einer gesungenen Zeile! Na gut, verständlich, dass die Jury keine fünftausend Leute an einem Tag anschauen kann. Was mich allerdings beunruhigt, ist, was eine in Tränen aufgelöste Mutter einer anderen erzählt.

„Und mein Ninchen hat gesagt, dass von den zehn Leuten, die überhaupt durchgekommen sind, acht irgendwelche Kasper waren! Die machen hier eine Freakshow draus, sagt sie!“ Der Hugo-Boss-Freak kam jedenfalls nicht mit zurück, wie mir auffällt. Na gut, dann bleiben immer noch zwei Kandidaten, die durchgelassen wurden, weil sie wirklich was konnten. Zwei aus hundert. Ich spüre ein unangenehmes Kribbeln im Bauch. Und welche Zeile soll ich singen? Die erste? Den Refrain? Nein, das ist zu einfallslos. Bei „So when I’m lying in my bed“ sollte ich anfangen und hoffen, dass sie mich die vier Zeilen bis zum Refrain singen lassen. Ja, so mache ich es.

Die nächsten Nummern werden angezeigt. 0516!

Schröder

Grün! Ich sehe nur noch grün. Und das nicht, weil ich meine Haare im Spiegel ankucke. Der Kerl hatte Chartreuse-Augen. Wobei ich eigentlich keine Ahnung habe, wie Chartreuse aussieht oder schmeckt. Is ja auch egal. Grünauge hat mich angestiert als wäre ich ein ekelhaftes Viech mit sechs oder acht Beinen… und ich wünsche dem auch noch Hals- und Beinbruch. Unglaublich.

Ein Schwung Kandidaten darf jetzt singen. Und zwar genau eine Textzeile und auch noch nicht mal vor der richtigen Jury. Das hier ist anscheinend eine Art Selektion. Die Untalentierten, Hässlichen und Uninteressanten werden gleich weggeschickt.

I saw you standing at the gates…

„Okay, du mit den grünen Haaren nach links, du bist weiter“, behauptet ein DSDMB-Mitarbeiter. „Alle anderen… vielen Dank, hat leider nicht gereicht.“

Neben mir stehen fünf Girlies, drei Spacken und ein Mann mit Vollbart. Letzterer ist vermutlich als Witzfigur gedacht, denn er trägt nicht nur Bart, sondern auch einen schwarzen Hut und erinnert somit gefährlich an Vadder Abraham. Ich suche unauffällig nach ein paar Schlümpfen, kann jedoch keine entdecken.

„So, hört mal zu, Leute“, verschafft sich der DSDMB-Wichtigtuer Gehör, „ihr werdet gleich schön nacheinander durch die Tür da vorne gehen, da sitzt die Jury. Ihr stellt euch in die Mitte und macht einfach, was der B! euch sagt. Verstanden?“

Eine der Tussis öffnet schnell noch zwei weitere Knöpfe ihrer Bluse und rückt ihre blondierte Mähne zurecht. Der Mann mit Hut summt leise vor sich hin.

„Ob der B! in echt wirklich so aussieht wie im Fernsehen?“, wispert die Blondierte in die Runde.

„Den Arsch mach isch platt, wenn der misch nisch weiterlässt, ey“, antwortet ein Prollkopp mit einrasiertem Muster in der Augenbraue und schwarzer Sonnenbrille auf dem gegelten Löckchen-Schädel.

„La la la la la… ni ni ni ni ni… tjalalanini…“, übt ein anderes Mädchen die Tonleiter.

Nach ungefähr fünf Minuten kommt das erste Mädchen heulend zurück. Schätze, das ist nicht so toll gelaufen.

Jetzt ist die Lalatussi dran. Die kommt sicher weiter, weil ich von der nicht einen einzigen schiefen Ton gehört habe.

Inzwischen füllt sich übrigens der Wartebereich und ich halte ein bisschen Ausschau nach dem Grünauge. Die Lalatussi kommt mit einem Zettel wieder, den sie fröhlich schwenkt, und wird augenblicklich von der Kamera eingefangen.

Eine Viertelstunde (!) später tritt der Prollkopp vor die Kamera.

„Der B! is ein Hühnerficker, Alter. Kein Plan, aber voll am Scheiße labern. Voll die Runzeln in der Fresse, ey, alter Wichser.“

Offensichtlich ist er durchgefallen.

Ich bin der Nächste!

Okay, noch mal tief durchatmen, die Klinke runterdrücken und rein.

Der Raum ist riesig. Überall Kameras. Vor einer Fensterfront sitzt aufgereiht die Jury: B!, der Plattenfirmafuzzi, dessen Namen ich vergessen habe, und die hippe Cosima von Auersperg, ausrangierte VIVA-Moderatorin.

Lässig zurre ich mir einen Barhocker, der da günstigerweise herumsteht, auf das unübersehbare DSDMB-Logo auf dem Boden, und nehme mit meiner Gitarre Platz.

„Guten Tag“, grüße ich höflich.

B! zieht ein Gesicht als hätte er schlimme Darmkoliken. Cosima lächelt ihr Moderatorinnen-Lächeln. Der Plattenfirmafuzzi kuckt relativ neutral.

„Ich… äh… ich heiße Schröder“, sage ich, weil sonst niemand was sagt.

„Mit Vornamen?“, fragt Cosima.

„Nee, aber meinen Vornamen möchte ich im Fernsehen nicht nennen.“

„Du bist doch eine Knalltüte“, meldet sich B! zu Wort, „das erkenne ich auf den ersten Blick. Ehrlich, wenn ich dich sehe, du, da hab ich schon keine Lust mehr, was von dir zu hören, weil das eh nix wird.“

Schön, dass wir gleich am Anfang geklärt haben, dass er mich nicht mag. Mir ist der Typ auch zuwider.

„Spielst du Gitarre?“, möchte der Plattenfuzzi wissen.

Nee, das ist bloß eine Attrappe.

„Ja, so’n bisschen. Ich kann auch Blockflöte… allerdings nicht gleichzeitig“, versuche ich witzig zu sein.

„Und woher kommst du?“

„Aus einem kleinen Kaff, das sowieso niemand von euch kennt.“

„Was willst du denn singen?“

„Robbie Williams… Advertising Space.“

„Ach du Scheiße“, murmelt B!. „Wieso gerade das? Hätte jetzt eher was von den Toten Hosen oder so erwartet.“

Der B! ist nicht nur blöd, der hat auch keine Ahnung von Musikszenen. Die Hosen sind sicher die einzigen „Punks“, die er kennt.

„Dann leg mal los“, ermuntert mich Cosima.

Die Gitarre klingt beschissen, ich muss noch mal nachstimmen. B! gähnt demonstrativ.

„Entschuldigung“, entschuldige ich mich, „die d-Saite schnarrt etwas.“ Und meine Stimme klingt bei der ersten, etwas gekürzten, Strophe wie Arsch. Zum Glück kriege ich den Refrain ziemlich super hin.

Gespannt erwarte ich das Jury-Urteil.

„Scheiße gespielt“, beginnt B!, „scheiße gesungen und scheiß Frisur. Die Töne waren total versemmelt… ich würde mir lieber eine Stunde lang nur die schnarrende Saite anhören, als drei Sekunden deinen unterirdischen Gesang.“

„Also ich fand’s ganz gut“, zuckt Cosima die Schultern. „Die Strophe war natürlich daneben, hast du selber gemerkt, oder? Aber beim Refrain hast du richtig gerockt.“

„Da hat die schnarrende Saite dein Trommelfell beschädigt“, ätzt der B!.

„Ich finde auch, deine Stimme hat was“, nickt der Fuzzi.

„Currywurst hat auch was, trotzdem singt die nicht in der Band… aber wenn ihr euch einig seid… zweimal Ja, einmal Nein… damit kommt man hier weiter.“

Als ich mir den Recallzettel abhole, zwinkert mir der Fuzzi zu.

„Kleiner Tipp am Rande… wasch dir mal die Haare, mh? Und zieh neue Saiten auf.“

„Klar, mach ich. Danke“, entgegne ich.

Buahahahahaha… ich bin im Recall!!

Als ich durch die Tür in den Wartebereich komme, freue ich mich fürs Fernsehen. Ich hüpfe auf und ab, stemme die Gitarre in die Luft und kreische, dass ich’s geschafft habe.

Ferdi

Alles läuft genau so ab, wie diese weinerliche Mutter erzählt hat. Von Juroren keine Spur, wir werden im Pulk in eine kleinere Halle geführt und wahllos von Menschen in DSDMB-Shirts aufgeteilt. Teilweise singen sogar zwei Leute gleichzeitig verschiedene Songs. Als eine wirklich talentierte junge Frau ein Nein von einer gelangweilt wirkenden Mitarbeiterin bekommt, die aussieht als wäre sie nicht viel älter als ich, denke ich kurz darüber nach, sie nach ihren Qualifikationen zu fragen. Bevor ich allerdings dazu komme, deutet ein kleiner Asiat mit Headset auf mich.

„Lass mal was hören, mein Süßer.“

Für einen Moment bringt mich der Spruch aus dem Konzept, aber ich fange mich rechtzeitig wieder und gebe zwei Zeilen zum Besten.

„Das sollte reichen. Durch die Tür weiter, bitte.“

Und damit wendet er sich schon wieder jemand anders zu. Okay, ich darf vor die Jury! Das war der erste Streich, und der zweite … muss wohl noch etwas warten, denn auch im nächsten Raum herrscht Trubel. Interviews werden geführt, Angehörige trösten, enttäuschte Kandidaten spulen Hasstiraden ab und vor einer Tür auf der in fetten Lettern „Jury“ steht, warten noch ein halbes Dutzend andere Kandidaten auf ihre Chance. Zum ersten Mal wird auch ein Kamerateam auf mich aufmerksam. Jetzt wird es ernst.

„Nummer 0516, was haben wir über dich?“

Der Mann mit dem Mikro tippt in seinem elektronischen Notizbuch herum.

„Ferdi, zwanzig Jahre … blablabla. Hier steht du bist auf einem Schiff geboren. Wie kam’s?“

Gerade als ich den Mund öffne, um zu antworten, öffnet sich auch die Jury-Tür. Ich traue meinen Augen nicht! Heraus springt der Kerl mit den Sumpfhaaren. Und er wedelt mit einem gelben Recall-Zettel herum. Sofort schwenkt die Kamera auf ihn und ich kann nur noch blöde hinterher glotzen. Ich kann diesen Typen nicht ausstehen und jetzt werde ich mich auch noch im Recall mit ihm herumplagen müssen!

Er liefert eine authentische Show ab, wie er sich so freut, das muss man ihm lassen. Und er scheint sogar vernünftig sprechen zu können, zumindest ist der Interviewer nach ein paar Minuten zufrieden mit dem Material. Vor mir warten inzwischen nur noch drei Frauen. Ich muss den Song dringend noch mal im Kopf durchgehen. Ein heulendes Mädchen kommt aus dem Jury-Raum. Fast tut sie mir leid, denn sie ist keine von diesen Drama-Queens sondern scheint tatsächlich am Boden zerstört zu sein. Jemand tippt mir auf die Schulter. Ein Mitarbeiter.

„Du bist dran.“

„Ich?! Aber die drei …“

„Die Jury braucht ne Pause von den Weibern. Mach schon.“

Und ehe ich noch weiter widersprechen kann, stehe ich auch schon in der offenen Tür und stelle fest, dass ein Dutzend Augenpaare auf mich gerichtet sind und mich der Scheinwerfer einer Kamera blendet. Ich versuche, so selbstsicher wie möglich auf meine Markierung zu treten und die Kameras zu ignorieren. Reinwinken ist peinlich, aber es fällt mir trotzdem schwer, den Reflex zu unterdrücken.

„Na das ist doch mal was“, erklärt B!, noch bevor ich überhaupt einen Ton von mir gegeben habe. „Kannst du singen?“

„Ja natürlich“, entgegne ich überrascht.

„Was habt ihr über 0516?“, fragt er scheinbar an niemand speziellen gerichtet, aber plötzlich dröhnt eine Stimme aus einem Lausprecher neben der Jury.

„Könnte einer sein. Aber etwas langweilig, offensichtlich.“

Ich schaue wohl etwas irritiert drein. Cosima ist so freundlich und bemerkt mein Bedürfnis nach Aufklärung.

„Da du ein potentieller Liveauftritte-Kandidat bist, müssen wir uns überlegen, wie wir deinen Charakter einführen.“

„Was machst du? Studieren?“, fragt mich Markus Liebherr, der neben dem Showbiz-Urgestein B! und der jungen Moderatorin das dritte Jurymitglied ist.

„Ja …“

„Jura?“

„Also eigentlich …“

„Das war keine Frage.“

„Äh … oh … okay, Jura, von mir aus.“

„Wie sieht es mit Instrumenten aus?“

„Klavier …“

„Perfekt! Was singst du?“

„Robbie Will…“

„Vergiss es. Du brauchst was mit mehr Ecken und Kanten.“

„Ich hab noch was von Bon Jovi vorbereitet …“

Er lacht sich fast kaputt.

„Genau so machen wir’s. Komm noch mal rein und spiel einfach die Rolle. Das garantiert dir deinen Platz in den Top Vierzig.“

„Noch mal raus und einfach wieder rein?“, frage ich nun vollends verwirrt.

„Japp, und lass dich verkabeln.“

Eine Tontechnikerin tritt auf mich zu und gibt mir einen leichten Schubs Richtung Tür. Draußen fummelt sie an meinem Hemd rum. Geschickt klemmt sie mir ein drahtloses Mikro an den Kragen und verschwindet wieder nach drinnen. Ich schaue mich kurz um. Der Sumpfkopf steht ein Stück weiter wie bestellt und nicht abgeholt. Er sieht mich und fordert mich mit einer Geste auf, meine Hände zu zeigen. Weil ich so verwirrt bin, mache ich das und sein Blick wird plötzlich ziemlich mitleidig. Achso! Er denkt ich sei nicht weiter. So ein überheblicher Idiot! Ich drehe mich wieder zur Tür, hole tief Luft und gehe - diesmal tatsächlich recht selbstbewusst - wieder rein.

Die Jury begrüßt mich ganz natürlich und selbstverständlich, als wäre ich nicht eben schon mal da gewesen. Ich stelle mich kurz als zwanzigjähriger Jurastudent aus München vor und fange an zu singen.

„I sit and wait, does an angel contem…“

„Halt! Stopp!”, fährt Markus mir dazwischen. „Wenn ich jetzt noch ein Mal was von Williams hören muss, geh ich kotzen! Was hast du noch für uns?“

„Ich hab noch was von Bon Jovi vorbereitet“, antworte ich wie besprochen und versuche, verunsichert zu wirken.

„Vergiss es! Du bist zu langweilig. Von mir bekommst du ein klares Nein.“

„Aber der Kerl kann singen!“, mischt B! sich ein, in einem Tonfall, als würde er Markus für sein Nein am liebsten in die Klapse stecken.

„Also ich fand’s jetzt auch eher fad“, erklärt Cosima, woraufhin eine Kamera meinen verzweifelten Gesichtsausdruck einfängt. „Obwohl … ganz schnucklig bist du ja schon, aber das allein reicht halt nicht …“

„Wenn ihr den gehen lasst, dann seid ihr entweder komplett übergeschnappt oder taub! Schaut euch den Ferdi mal an! Der bringt das ganze Paket.“

„Aber er ist LANG-WEI-LIG, Kollege“, erklärt Markus scheinbar langsam genervt.

„Ferdi, wenn ich meinen Joker für dich ziehe, zeigst du uns dann heute Nachmittag im Recall deine rockige Seite?“

„Klar! Ich tu alles für diese Chance!“

„Na gut, dann …“ B! kramt etwas unter dem Jurytisch hervor, das aussieht wie eine überdimensionierte Spielkarte „dann ziehe ich hiermit meinen Joker für unseren langweiligen Juristen aus München!“

Ich juble los und jogge zur Jury, um B! die Hand zu schütteln und den anderen Beiden zu versichern, dass ich ihnen zeigen werde, wer hier langweilig ist.

Dann ist der Spuk vorerst auch wieder vorbei. Das Dauergrinsen verschwindet aus den Gesichtern und Markus Liebherr erklärt mir, während B! kurz für kleine Königstiger geht, wie er sagt, dass ich das sehr professionell gemacht habe und wir uns um sechzehn Uhr zum Recall sehen.

Eine Kamera folgt mir nach draußen, der Kerl der das Handmikro trägt, nimmt mir das Miniding an meinem Kragen ab und fragt:

„Wo sind deine Leute?“

„Ich bin allein hier.“

„Oh, das ist schlecht. Na gut, dann suchen wir wenigstens ein paar Kandidaten zusammen, die dich freudestrahlend empfangen können. Warte bei der Tür auf mein Kommando.“

Schröder

Kaum angefangen, schon gibt es hier Klassenunterschiede, oder wie? Das Grünauge darf gleich zweimal zur Jury und kriegt beim zweiten Mal sogar eins von diesen kleinen Mikros zum Anstecken an seine Spießerklamotten getackert. Dabei war ich schon fast geneigt, ihn tröstend in die Arme zu nehmen, als er ohne Zettel rauskam.

Sofort schnappe ich mir einen DSDMB-Shirt-Träger.

„Entschuldigung, wie läuft’n das hier eigentlich? Wird vorher ausgelost, wer mit Mikro singen darf und wer nicht?“

Offensichtlich genervt starrt er auf meinen Recallzettel. „Du bist noch dabei. Freu dich.“ Dann ist er bereits wieder mit wichtigen Dingen beschäftigt… mit eiligem Hin-und-Her-Laufen beispielsweise.

Ey, sind das hier alles Ärsche!! Ich wette, mit dem Grünauge hätte er sich drei Stunden lang unterhalten und geduldig Fragen beantwortet. Klar, der sieht ja auch aus wie einer Boyband entsprungen, während ich nur ein ranziger Freak bin.

Ein DSDMB-Mitarbeiter trommelt einige Kandidaten zusammen, was meine Aufmerksamkeit erregt. Vielleicht gibt’s da was umsonst. Eine Flasche Schnaps wäre nicht schlecht, aber wahrscheinlich ist Alkohol trinken hier verboten. Rauchen übrigens ganz sicher. Dabei könnte ich jetzt grad etwas Nikotin gebrauchen.

Jedenfalls stelle ich mich unauffällig in den Kandidatenpulk direkt vor der Jury-Tür, obwohl ich gar nicht ausgesucht wurde.

„Und wenn der Typ gleich rauskommt, macht ihr einfach ein bisschen Stimmung, okay? Kriegt ihr hin, ja?“, animiert der Mitarbeiter und fuchtelt verdeutlichend mit den Armen in der Luft herum.

Stimmung machen kann ich. Stimmung ist sozusagen mein zweiter Vorname! Hoffentlich kommt nicht der nachgemachte Vadder Abraham heraus… den zu bejubeln wäre selbst mir irgendwie unangenehm. Besonders wenn das dann später im Fernsehen läuft.

Die Tür geht auf, die Kandidaten jubeln auf ein Zeichen hin und das Grünauge schenkt der Kamera sein schönstes Zahnpastawerbespot-Lachen und tut so, als seien die fremden Leute seine besten Freunde. Na warte, du kleine Grinsekatze!

Ich drängele mich nach vorne.

„Yeah, gib mir Fünf, Alter“, rufe ich und halte ihm meine Hand hin.

Mit einem zombieartigen Blick klatscht er gezwungenermaßen seine Hand kurz gegen meine und würde mich vermutlich gerne verprügeln, weil ich seine drei Minuten Berühmtheit gerade ruiniere. Allerdings ist die Kamera auf uns gerichtet und er wirkt insgesamt eh nicht so, als hätte er sich schon mal gescheit geprügelt, also lege ich auch noch freundschaftlich meinen Arm um seine Schulter. Haha… jetzt sind wir schön zusammen im Bild und er kann nichts dagegen tun!

„Verschwinde, Sumpfkopf“, wispert er zuckersüß.

„Sehr charmant, Grinsefresse“, wispere ich zurück und lasse ihm großzügig seinen kurzen Ruhm. Bin eh nicht besonders scharf drauf, mit so einem gesehen zu werden. Das zerstört ja meinen guten Ruf! Außerdem muss ich mir überlegen, was ich im Recall singen soll. Noch mal Robbie Williams ist kacke. Um ein wenig Ruhe zu haben, hocke ich mich einfach in eine Ecke und treffe dort zufällig die Lalatussi.

„Na, auch geschafft?“, lächelt sie freundlich.

„Kann man so sagen.“

„Wie viele Jas?“

„Zwei. Von B! gab’s ein Nein. Der findet mich scheiße.“

„Ich hab eine gute Stimme, bin aber etwas unscheinbar. Super, oder? Was soll ich denn machen? Mir die Haare grün färben?“, grinst sie.

„Ich bin Schröder“, stelle ich mich vor.

„Sophie.“

„Hast du eine Ahnung, wie das im Recall so läuft?“

„Nicht wirklich. Die sind hier sehr sparsam mit Informationen. Weißt du, ich glaube sowieso, dass so ziemlich alles davon abhängt, ob man nach Meinung der Jury bei den Zuschauern gut ankommen könnte.“

Ich denke an das Grünauge und nicke.

„Mir hat vorhin ein Mädel erzählt, dass sie genau gesagt bekam, wie sie sich da drinnen verhalten soll. Hat dir das auch einer gesagt?“

„Nee.“

„Mir auch nicht. Deswegen schätze ich mal, dass wir nicht sehr weit kommen werden. Na ja, du vielleicht weiter als ich… immerhin fällst du auf. Dich würden die Leute doch wieder erkennen. Ich bin eher so die Durchschnittsfresse, die man sofort vergisst.“

„Weiß nicht, ich hab dich auch wieder erkannt“, zucke ich die Schultern.

„Bestimmt weil ich dir beim Warten ins Ohr geträllert habe.“

„Genau.“

„Tut mir leid, ich war so nervös.“

„Hey, das klang hundertmal schöner als das Gesumme von Vadder Abraham.“

„Den hab ich vor einer Weile weggehen sehen. Ist also rausgeflogen.“

„War der Jury wahrscheinlich ein bisschen zu skurril.“

„Ehrlich gesagt… mir auch. Ich werd mal sehen, ob ich meinen Freund hier im Gedränge finde. Der wollte kurz was essen. Viel Glück, mh?“

„Dir auch.“

Sieh mal an, Castingteilnehmer sind gar nicht alle blöd.

Um sechzehn Uhr geht der Recall los. Das heißt, man hat wieder zu warten, bis man an der Reihe ist. Weiter hinten steht das Grünauge. Kuckt mittlerweile auch recht unentspannt.

Sind immer noch ganz schön viele Leute, bin mal gespannt, wer heute übrig bleibt und ob ich dabei bin.

Die ersten paar Mädchen kommen bereits raus und faseln heulend, dass sie den Text vergessen hätten und so was ja noch nie passiert sei. Und es gab nicht einmal eine zweite Chance, die Jury sei total streng. Ein Aussetzer und schon ist die Sache gelaufen. Tja, das ist eben was anderes als die Auftritte mit meiner Exband vor zwanzig besoffenen Punks in der tiefsten Provinz. Wenn ich da hackedicht meinen Text nicht mehr konnte, war das immer ein Highlight des Abends.

„Du, Grünhaariger, komm her! Du bist gleich dran“, bölkt mir ein Mitarbeiter ins Ohr.

„Ich möchte bitte ein Mikro haben, sonst verstehen die mich nicht, wenn ich singe, und komme deshalb vielleicht nicht weiter“, sage ich.

Der Mitarbeiter verdreht die Augen und wedelt mit der Hand Richtung Tür.

Phh…werde mich zu gegebener Zeit über den Penner beschweren!

Okay, also tief durchatmen, Klinke runterdrücken und rein.

„Guten Tag“, grüße ich zum zweiten Mal höflich.

„Ach, der kleene Punker“, freut sich der Plattenfuzzi. „Lass mal hör’n.“

„Nepomuk Schröder, neunzehn, spielt Gitarre und Blockflöte, stammt von Zigeunern ab und hier steht noch irgendwas über Voodoo“, antwortet eine Stimme aus dem Off.

„Ich hab keinen Bock, mich veräppeln zu lassen“, faucht der B!. „Jetzt mal ehrlich, könnt ihr euch den in der Band vorstellen? Ich nicht.“

„Denk mal an Tokio Hotel“, entgegnet Cosima, „die Kids stehen auf einen außergewöhnlichen Style, den sie ein bisschen nachmachen können.“

„Richtig“, mischt sich der Plattenfuzzi ein, „Boybandeinheitsbrei gibt’s genug. Und langweilt schnell. Der Typ ist doch total authentisch, so was mögen Teenies. Das solltest du eigentlich wissen, bist ja lange genug im Business.“

„Punk ist doch kein außergewöhnlicher Style“, findet B!, „Haare verfilzen lassen und speckige Klamotten tragen kann schließlich jeder Dorfdepp.“

Mir ist kotzschlecht. Hoffentlich wird das später rausgeschnitten, sonst kennt demnächst jeder Hans und Franz meinen Vornamen! Und für den Fall, dass die aus mir so eine Art Tokio-Billyboy-Kaulitz machen wollen… Arschlecken, MIT MIR NICHT!!

Übrigens geht das Geplauder über mich noch eine Weile hin und her, während ich auf dem Barhocker sitze und mir reichlich überflüssig vorkomme. Cosima labert gerade über den hohen Wiedererkennungswert.

„Entschuldigung“, räuspere ich, „ich will ja nicht stören, aber… äh… kann ich jetzt singen oder soll ich noch mal reinkommen?“

„Lass laufen, das kann man hinterher schneiden oder wir packen’s in den Block mit den anderen“, erklärt der Plattenfuzzi einer offenbar unsichtbaren Person. „Der braucht keine Anweisung. Aber ein Mikro.“

Augenblicklich erscheint eine Schnepfe und ich kriege ein Mikro an mein LURKERS-Shirt getackert. Dann packe ich meine Gitarre aus. „Die Saite schnarrt leider immer noch, aber ich werd versuchen, sie nicht so doll anzuschlagen.“

„Moment“, stoppt mich der Fuzzi, „erzähl doch mal was über dich.“

„Was’n?“

„Wie bist du auf die Idee gekommen, dich bei DSDMB zu bewerben?“

„Hab eine Wette verloren“, phantasiere ich mir zusammen.

„Von wegen der braucht keine Anweisung“, grummelt B!.

„Okay, das war ein Scherz“, gebe ich zu. „In Wahrheit lebe ich auf der Straße und das hier ist meine Chance, endlich was auf die Beine zu stellen. Ich möchte den Leuten da draußen zeigen, dass ich was drauf habe, und ich wünsche mir nichts mehr, als in die Band zu kommen.“

Der Fuzzi nickt zufrieden. „Welches Lied hast du denn für uns?“

„Billie Jean.“

B! täuscht einen Hustenanfall vor. „Willst du, dass Michael Jackson sich im Grab rumdreht?“

Soeben habe ich beschlossen, mit dem Arsch nicht mehr zu reden. „Ich fang jetzt an, ja?“

Mann, ich singe mir echt die Seele aus dem Leib und so grandios jazzig hab ich’s noch nie hinbekommen. Doch, ich bin super zufrieden.

„Hat mich nicht überzeugt“, schüttelt B! den Kopf. „Und wenn man ihm seine Gitarre wegnimmt, ist der aufgeschmissen.“

„Ich kann auch ohne.“

„Mir reicht’s.“

„Mir auch“, behauptet der Fuzzi. „Ich finde deine Stimme geil. Die hat so was… Rotziges, das gefällt mir.“

„Vor allem“, beginnt Cosima, „war das mal was anderes. Du hast nicht einfach nur nachgesungen, sondern deine ganz eigene, groovige Version draus gemacht. Ich fand’s klasse.“

„Danke. Heißt das, ich bin weiter?“

Cosima und der Fuzzi starren B! an.

„Na ja, es war schon eine minimale Steigerung zu erkennen. Außerdem hattest du keine Textaussetzer. Und ich hab heute gute Laune, also von mir aus. Bist weiter.“

„Cool“, grinse ich und empfehle mich.

Ferdi

Kaum bin ich aus dem Rampenlicht, steckt mir ein Crew-Mitglied einen Zettel zu.

„Von B!. Such dir was davon aus.“

Fünf Songtitel, einer rockiger als der andere. Ich entscheide mich für „Rock around the Clock“, weil ich mir gut vorstellen kann, dass man den auch ohne Instrumente gut rocken kann und ich den Text auswendig kenne, weil ich das zu Schulzeiten mal mit der Big Band performt habe. Habe ich den nicht sogar noch auf meinem iPod? Ich werde fündig und fange in einer Nische an zu üben. Die Zeit verfliegt geradezu, aber ich kann sogar noch eine einfache Choreo ausarbeiten und bin alles in allem ganz zufrieden. Kurz nach drei. Perfekt. Ich schlendere mal wieder rüber zum Wartebereich vor der Jury, um vielleicht noch ein Interview zu geben oder neue Anweisungen zu erhalten.

Zum Glück ist der aufdringliche Punk nirgends zu sehen, der wäre so ziemlich der einzige, der meine Laune noch trüben könnte. Ein Kamerateam will noch einen kurzen Kommentar, wie es mir denn ginge. Ich erzähle, dass ich ziemlich nervös sei und hoffe, der Text bleibt in meinem Kopf. Aber insgeheim mache ich mir überhaupt keine Sorgen mehr. Top 40 wurde mir garantiert. Das Recall und das Re-Recall sind nur noch Formalitäten. Wo wohl die nationale Entscheidung stattfinden wird? Hoffentlich in Berlin, da wollte ich schon immer gern mal hin. Und wo wohl das anschließende Trainingslager sein wird? Im sonnigen Süden hoffe ich doch. Bald hält hier der Herbst Einzug, das muss ich nicht unbedingt mitbekommen.

Mein Handy vibriert. Warum habe ich das eigentlich noch an? Ich schaue auf die Nummer. Oh nein. Martin Handy. Und jetzt? Ich kann nicht einfach nicht dran gehen. Ich habe versprochen, dass ich für ihn da bin.

„Ja hallo?“

„Ferdinand du altes Land jetzt halt doch endlich mal den Rand! Ich bin nämlich schon soooo gespannt, wie du dich machst im Wüstensand“, grölt es mir entgegen.

„Es ist mitten am Nachmittag und du bist schon besoffen?“, frage ich ärgerlich und könnte mir keinen ungünstigeren Moment für so eine Aktion vorstellen.

„Hab ich extra für dich gedichtet.“

„Wo bist du?“

„Äääääääh, weiß ich nicht. Ähhhh, Bayern.“

„Na das ist schon mal gut zu wissen. Wer ist bei dir?“

„Entschuldigung? Wie heißen Sie bitte?“

„Hände weg!“, höre ich eine Frauenstimme.

„Maaaah, warte, da kommt noch wer. Tschuldigung?“, lallt er. „Wer sind’n Sie?“

„Geh erst mal deinen Rausch ausschlafen, Junge“, erklärt ein Mann.

„Frag wo du bist“, empfehle ich ihm.

„Der Ferdi will wissen, wo ich bin.“

„Gib mir mal dein Handy. … Hallo?“

„Entschuldigen Sie … ehm“, stottere ich. „Könnten Sie mir vielleicht ihren Aufenthaltsort nennen, damit ich meinen Freund da abholen kann?“

„Wir sind am Stachus. Und dein Freund tanzt grad auf dem Brunnenrand …“

„In München?!“, frage ich überrascht, weil Martin eigentlich in meinem Heimatort zur Schule geht.

„Ja, oh …“

„Was?“

„Ein paar Polizisten sind gerade auf ihn aufmerksam geworden.

„Shit!“

„Jetzt sprechen sie ihn an … ich geh mal rüber.“

„Danke.“

Ich höre Gemurmel und Diskussionen, dann:

„Guten Tag. Hier spricht Polizeimeisterin Schmidt. Wir haben den Minderjährigen Herrn Martin Kolber hier. Gehören Sie zur Familie?

„Ja, ich bin sein Bruder“, lüge ich.

„Wir müssen den jungen Mann leider mit auf die Wache nehmen und seine Eltern verständigen.“

Mist verdammter!! Toll gemacht, Martin!

„Ich … ich bin für ihn verantwortlich, unsere Eltern sind verreist. Können Sie nicht vielleicht … also wissen Sie, in der Familie gibt es gerade einige Schwierigkeiten. Könnten Sie vielleicht eine Ausnahme machen und ihn zur Bahnhofsmission bringen? Ich hole ihn dann da ab, spätestens in einer Stunde.“

„Und Ihr Name lautet?“, fragt sie skeptisch.

„Michael Kolber.“

„Herr Kolber? Heißt Ihr Bruder Michael?“

„Ja! Woher wissen Sie das? Kennen Sie ihn?“, lallt Martin.

„Ich bespreche mich kurz mit meinem Kollegen.“

Wieder höre ich nur Gemurmel und Getuschel. Nach ein paar Sekunden dann:

„Also schön, aber wir nehmen seine Personalien auf und schreiben einen Bericht. Wenn er noch mal alkoholisiert in der Öffentlichkeit aufgegriffen wird …“

„Kommt nie wieder vor, dafür sorge ich höchst persönlich! Danke Frau Polizeimeisterin.“

Die Verbindung wird getrennt.

Okay. Ruhig bleiben. Es ist kurz vor vier. Ich kann also jeden Moment drankommen. Und dann mache ich mich sofort auf den Weg zum Hauptbahnhof. Am besten mit der U-Bahn, das geht am schnellsten. Alles kein Problem, versuche ich mir einzureden.

Als einer der ersten darf der Sumpfkopf vor die Jury. Ich glaub es nicht! Er scheint weiter zu sein, andernfalls hat sich noch nie jemand so drüber gefreut, ausgeschieden zu sein, aber diesem Kerl traue ich alles zu. Ich schaue noch mal auf die Uhr. Schon Viertel nach vier.

„0516? Dein Typ wird verlangt“, grinst der kleine Asiat vom Vormittag.

Gott sei Dank! Ich denke gerade noch dran, meinen Hemdskragen elvismäßig hochzuklappen und schon sind wieder drei Kameras und drei Paar Juryaugen auf mich gerichtet. Diesmal spiele ich meine Rolle gleich von Anfang an, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden und lege mit lange einstudiertem Hüftschwung los.

Die Juroren jubeln mir zu.

„Na das war doch mal was!“, erklärt B! und auch Markus Liebherr muss eingestehen, dass das nicht mehr langweilig war.

Sie halten es kurz und bündig:

„Weiter.“

„Weiter.“

„Und weiter!“, grinst Cosima.

Ich hüpfe jubelnd in die Luft und hoffe, dass man mir die Halbherzigkeit nicht anmerkt.

„Wir sehen uns morgen Vormittag.“

Und damit zische ich ab, ein Crew-Mitglied weist mich noch darauf hin, dass für die nächste Runde sechs Songs zur Auswahl stehen. Ich nehme mir einen der Zettel vom Stapel und jogge Richtung U-Bahn. Mit der U2 ist man in einer viertel Stunde am Hauptbahnhof, alles im Griff.

Doch auf dem Bahnsteig drängeln sich schon ungewöhnlich viele Leute und die Anzeigentafel gibt Aufschluss darüber, warum. Ein Notarzteinsatz am Kolumbusplatz. Eine genervte Stimme aus dem Lautsprecher bittet darum, vom Sicherheitsstreifen zurückzutreten und lässt die Menge wissen, dass in wenigen Minuten eine Bahn kommen wird, um uns zumindest nach Giesing zu transportieren, von wo aus man dann mit der S-Bahn ins Stadtzentrum gelangt. Warum müssen sich diese ganzen Idioten immer vor Züge werfen?! Können die sich nicht einfach von einer Brücke stürzen oder sich im Wald erhängen oder so? Irgendwas, das keine mehrstündigen Aufräumarbeiten nötig macht, die die halbe Stadt lahmlegen. Ist das zu viel verlangt?! Ich suche mein Handy, um mich zu versichern, dass Martin in der Bahnhofsmission angekommen ist, aber natürlich habe ich hier unten keinen Empfang. Verdammt! Heute klappt aber auch gar nichts! Gut … ich bin im Re-Recall, das ist schon mal was, versuche ich mich zu trösten.

Nach beinahe zehn Minuten kommt eine U-Bahn. Die Massen drängeln und schubsen. Ich schaffe es, mich an einer alten Frau vorbeizuschieben und als einer der Letzten einen Stehplatz nahe der Tür zu bekommen.

„Bitte zurückbleiben“, dröhnt eine überforderte Stimme aus dem Lautsprecher. „Wir sind voll. Der nächste Zug kommt in wenigen Minuten. Bittschön machen’s die Türe frei, in Gottes Namen!“

Ein paar letzte Idioten drängen sich noch dazu und blockieren die Lichtschranke.

„Wart halt auf den nächsten, mein Gott!“, blöke ich einen Minigangsterrapper an.

„Halt’s Maul, Schleimfresse“, mault er zurück und schiebt sich weiter rein.

Die Türe geht pfeifend zu.

„Der ist mir sympathisch“, höre ich hinter mir.

Die Stimme kenn ich. Meine schlimmsten Befürchtungen werden wahr. Als ich mich umdrehe, sehe ich sumpfgrüne Haare.

Schröder

Re-Recall… die haben hier doch alle einen an der Klatsche! Ich dachte, jetzt würd’s endlich richtig losgehen. Dass die Kandidaten jetzt irgendwohin geflogen werden, wo sie bungeejump-mäßig in der Luft baumelnd herumträllern oder ein hartes Fitnesstraining am Strand einer exotischen Insel absolvieren müssen. Anscheinend sind es für solche Sachen aber immer noch zu viele. Und ich hab leider mein gesamtes Pulver verschossen. Ich meine, Billie Jean war mein Ass im Ärmel. Hab zwar mit der Exband haufenweise Coverversionen gespielt, aber die waren eher… na ja, nix womit man beim B! punkten könnte. Allerdings mag der mich eh nicht, also ist’s vermutlich egal, was ich im verfickten Re-Recall, der natürlich erst morgen stattfindet, mache. So, mein Plan ist jedenfalls aufgebraucht. Hätte doch nie damit gerechnet, hier was zu reißen. Also, wo bleibe ich heute Nacht? Für’n kuscheliges Hotel hab ich keine Kohle. Und Leute, bei denen ich eine Nacht unterkommen könnte, kenne ich in dieser Stadt auch nicht. Vielleicht gibt’s eine lauschige Brücke oder einen Hauseingang, wo ich mich mit meinem Schlafsack hinhauen kann.

Erstmal geht’s ja wohl zum Bahnhof, der, wie ich vom Hinweg weiß, achthundert Millionen Kilometer weit weg ist. Mh, ob ich mir ausnahmsweise mal eine Fahrt mit der U-Bahn leiste? Hab echt keinen Bock auf zu Fuß.

Du großer Gott! Mir bleibt heute nun wirklich nix erspart. Der B! war schon ätzend, die völlig überfüllte Bahn setzt noch mal einen drauf.

„Halt’s Maul, Schleimfresse“, krakeelt einer, der auf Gangsterrapper macht, weswegen ich ihm eins in die Fresse geben möchte. Ich hasse solche Typen. Wie die Pest! Total auf Krawall gebürstet schaue ich umher, wen der Pisser gemeint hat, und kriege fast Herzrasen. Im Gedränge steht das Grünauge und… Schleimfresse passt leider irgendwie.

„Der ist mir sympathisch“, grinse ich und remple absichtlich gegen den Rapper.

„Probleme?“, faucht der.

„Yo, Homie“, lache ich ihn aus.

„Punkerschwein, ich bring dich um!“

Darüber muss sogar das Grünauge lachen. Der Rapper ist ungefähr einen Kopf kleiner als ich und bestimmt grad mal vierzehn oder fünfzehn.

„Verpiss dich“, rate ich ihm.

„Nicht ganz einfach, sich hier zu verpissen“, murmelt das Grünauge genervt.

„Willst du mir in den Rücken fallen? Nachdem ich dich verteidigt habe?“, frage ich entgeistert.

„Seid ihr schwul?“, will der Minigangster wissen und versucht, böse zu kucken. „Arschficker, hä?“

„Süß, der Kleine, oder? Möchte man glatt adoptieren.“

„Viel Spaß dabei“, wünscht das Grünauge.

„Kack-Schwuchteln… wenn ich euch erwische… Straßenfucker…“, brabbelt der Rapper und kämpft sich durch die Menschenmenge nach draußen.

Hat der eben Straßenfucker gesagt? Was für ein geiles Wort, muss ich mir unbedingt

merken!

Grünauge hat mir übrigens demonstrativ den Rücken zugedreht und ich frage mich ernsthaft, wie er das geschafft hat. Er steht eingepfercht wie eine Sardine in der Büchse. Da ich ebenfalls nicht den meisten Platz habe, wird es ihn sicher nicht stören, wenn ich mal kurz ein Stückchen näher… au, der riecht gut. Nach dem ganzen verdammten Casting-Stresstag riecht der immer noch sauber und frisch gewaschen. Gott, wie peinlich. Da schnüffele ich mitten in der U-Bahn an einem fremden Kerl herum. Schröder, du bist nicht mehr ganz dicht!

Langsam bewegt sich sein Gesicht in meine Richtung. „Würde es dir etwas ausmachen, woanders hin zu atmen?“

„Entschuldigung, dass ich geboren wurde“, entgegne ich.

Er zuckt die Schultern und ignoriert mich den Rest der Fahrt über.

Nach gefühlten zwanzig Stunden und einmal umsteigen sind wir am Bahnhof und ich verliere die Schleimfresse im allgemeinen Gedrängel aus den Augen. Na ja, möglicherweise werden wir uns morgen wieder sehen… wenn der im Re-Recall ist. Fuck, hätte ihn fragen sollen. Wahrscheinlich hätte er’s mir eh nicht gesagt. Scheint auch nicht so auf Punks zu stehen. Ey, und ich bin grad dabei, mich unsterblich zu verknallen!

Ich sollte so was wirklich lassen. Andauernd verknalle ich mich in Typen, die ich nicht haben kann. Und die, die ich haben kann, interessieren mich nicht mehr, wenn ich sie erst hatte.

Egal.

Auf dem Weg zu den Schließfächern komme ich bei der Bahnhofsmission vorbei. Vielleicht haben die einen Tipp, wo man für möglichst kein Geld übernachten kann. Einen Versuch ist es wert, überlege ich und gehe rein.

Vor dem Schreibtisch der Missionarin steht die Schleimfresse. Die erkenne ich auch von hinten.

„Ferdinand, Ferdiland…“, kichert ein stark alkoholisierter Jugendlicher vor sich hin.

„Sie sind Herr Michael Kolber?“, fragt die Missionarin.

„Ja, ich nehme meinen Bruder jetzt mit. Danke, dass Sie sich um ihn gekümmert haben.“

Michael heißt der also. Blöder Name.

„Brauchst du Hilfe?“

„Wasssss…?“, zischt er.

„Dein Bruder sieht nicht so aus, als könnte er gehen. Oder stehen. Oder überhaupt irgendwas.“

„Kümmer dich um deinen Kram.“

Ich zucke die Schultern und trage der freundlichen Missionarin mein Anliegen vor, während Michael seinen besoffenen Bruder wegschleppt.

„Hier sind einige Adressen von Obdachlosenheimen. Mehr kann ich leider nicht für Sie tun.“

Dankend nehme ich den Zettel und werfe ihn in die nächste Mülltonne. Obdachlosenheim… das heißt, eine Horde stinkender Penner schnarcht einem die ganze Nacht die Ohren voll, um morgens in ihrer eigenen Pisse oder Kotze aufzuwachen. Nee, da ziehe ich eine einsame Brücke vor.

Nachdem ich meine Klamotten aus dem Schließfach geholt habe und aus’m Bahnhof raus bin, laufe ich schon wieder Michael und seinem Bruder in die Arme. Beziehungsweise… Michael versucht, ihn zum Gehen zu überreden, aber der kleine Schluckspecht weigert sich aus irgendwelchen Gründen.

Ich hatte heute schon so viel Glück, wieso nicht einen kleinen Dämpfer kassieren, richtig?!

„Hey, sagt mal… wohnt ihr zufällig in der Nähe und habt ein Bett frei oder so?“

„Der auch noch“, stöhnt Michael. „Sehen wir aus wie ein Hotel?“

„Kennst du den?“, fragt der Schluckspecht.

„Nein, und jetzt komm endlich!“

Er schüttelt den Kopf. „Erst will ich’s wissen.“

„Darauf kannst du lange warten.“

Schwankend hockt er sich auf einen Blumenkübel und verschränkt unkoordiniert die Arme vor der Brust. „Ich hab dings… Zeit.“

„Und ich hatte einen anstrengenden Tag, also bitte!“

„Der da würd’s mir sagen“, behauptet der kleine Schluckspecht und meint offensichtlich mich.

„Ja, dann frag doch ihn.“

„Wie käme ich dazu? Wir kennen den doch gar nicht.“

Die Logik von Besoffenen ist echt unglaublich.

Ferdi

Der kleine Bruder, den ich nie hatte und nie wollte übergibt sich in das bepflanzte Ding, auf dessen Rand er sitzt.

„Ach verdammte Scheiße!“, fluche ich und ernte vom Sumpfkopf dafür ein anerkennendes Kopfnicken.

Martin findet seine eigene Kotze scheinbar sehr faszinierend. Er sieht sehr genau hin und ich kann ihn gerade noch davon abhalten, mit den Fingern drin rumzufuhrwerken.

„Wir gehen jetzt zu mir“, verkünde ich möglichst autoritär.

„Nicht bevor du … was wollt ich wissen?“

Mann, verdammt, heute bleibt mir aber auch gar nichts erspart, oder?! Da kommen ein paar freundliche Herren von der S-Bahn-Wache auf uns zu. Der Sumpfkopf hat sie scheinbar auch bemerkt. Vermutlich hat er dafür ein eingebautes Radar oder sowas. Polizeifrühwarnsystem. Aber statt sich schnellstmöglich zu verpissen, geht er auf die Rotmützen zu und gibt mir einen Wink, Martin wegzuschaffen. Ich schlinge mir seinen Arm um die Schultern und schleppe ihn zur nächsten Tramhaltestelle.

Erst als ich Martin auf die Wartebank setzen kann, habe ich Zeit, mich nach unserem Anarchie-Helden umzusehen. Er ist verschwunden. Die S-Bahn-Wachen stehen auf dem Bürgersteig und blicken sich ebenfalls suchend um. Da kommt auch schon die Siebzehner-Tram.

„Komm schon, Martin. Das ist unsere.“

„Wo is‘n dein Freund?“

„Keine Ahnung, der wird schon auf sich aufpassen können. Vermutlich nicht das erste Mal, dass er sich der Staatsgewalt entzogen hat.“

„Und auch sicher nicht das letzte Mal“, höre ich plötzlich hinter mir. „Ich hoffe, bei dir gibt’s was Ordentliches zu Futtern.“

Schröder

Grünauge sieht nicht erfreut aus als ich nach ihm die Bahn besteige. Aber das liegt bestimmt am kleinen Schluckspecht, den er an der Hacke hat. Kleine Schluckspechte sind nun mal nervig.

„Du kannst nicht mit“, erklärt er, „meine Eltern würden dich gar nicht ins Haus lassen.“

„Aber ich bin stubenrein. Und Flöhe hab ich auch nicht. Außerdem hab ich dir jetzt schon zum zweiten Mal geholfen, könntest dich also ruhig revanchieren.“

„Echt, Ferdi… wo sind deine Manieren, hä?“, plärrt Grünauges Anhängsel und rülpst gefährlich.

Mann, bitte nicht noch mehr Kotze! Und wieso überhaupt…

„Wer is Ferdi?“

„Where is Ferdi… there is Ferdi“, lallt der Schluckspecht und deutet auf seinen Bruder.

„Ich denke, du heißt Michael.“

„Ja, heiße ich aber nicht.“

Okay, ich kann meinen Namen auch nicht ab und Ferdi klingt nun alles andere als cool. Klar, dass er sich anders nennt. Genauso klar ist es, dass ich an der nächsten Haltestelle aussteige. Ich muss mich nicht einer blöden Schleimfresse aufdrängen, die null Dankbarkeit zeigt. Hab schließlich auch meinen Stolz! Und die blöde Schleimfresse ist eh ein Straßenfucker!

Verdammt, ich weiß nicht, wo ich hier bin. So langsam geht mir der Tag tierisch auf den Sack. Meinen Krempel auf den Rücken geschnallt laufe ich eine Weile durch die Straßen und glaube plötzlich, ich spinne.

„Sophie?“

„Schröder“, lächelt sie und scheint ebenso überrascht zu sein wie ich.

„Was für ein Zufall.“

„Allerdings.“

Nächster Versuch! „Ähem… du hast nicht… äh… weißt du vielleicht, wo… also ich komme doch nicht von hier und…“

Sie wirft einen mitleidigen Blick auf meinen Weltreiserucksack. „Ich hab eine recht bequeme Couch… und einen Freund, mit dem ich zusammen wohne und der dir den Arsch aufreißt, wenn du dich nicht benimmst.“

„Cool, danke“, schnaufe ich erleichtert.

„Na ja, wir DSDMB-Außenseiter müssen doch zusammen halten, oder?“

„Wie lief’s denn?“

„Bin im Re-Recall. Grad eben so.“

„Herzlichen Glückwunsch.“

„Und? Können wir da morgen gemeinsam hin?“

„Können wir.“

Sophies Wohnung ist klein und spießig-gemütlich eingerichtet. Der Freund steht in der Küche und sieht figurmäßig total so aus, als könnte er Sophie sehr gut beschützen. Es riecht nach Mittagessen. Mein Magen fängt an zu grummeln.

„Leon, das ist Schröder, er übernachtet heute bei uns. Schröder, das ist Leon, mein Freund“, stellt sie uns vor.

„Äh, wie bitte?“, fragt Leon entgeistert.

„Wir haben uns beim Casting kennen gelernt und er weiß nicht, wo er hin soll.“

„Schatz, wir können doch nicht jeden dahergelaufenen…“, er stoppt, weil Sophie ihn sehr böse anstarrt, „willst du was mitessen?“, grinst er schief.

„Logisch.“

Nach einer monströsen Portion Spaghetti Bolognese und ein wenig Plauderei mit Sophie und Leon (der eigentlich doch ziemlich nett ist) nehme ich eine Dusche und haue mich auf die Couch. Jetzt merke ich erst, wie müde ich bin. Der Tag war heftiger als jedes Punk-Konzert! Bevor ich endgültig einschlafe, geistert mir noch mal kurz der blöde Ferdi durch den Schädel. Aber wirklich nur ganz kurz.

Ferdi

Zum Glück scheint der Dumpfkopf die Geschichte mit den Eltern zu schlucken und macht sich vom Acker. Martin kann kaum noch die Augen offen halten und ich mache drei Kreuze als ich ihn endlich in meine Wohnung geschafft habe. Jetzt muss ich nur noch seine Mutter anrufen, während er friedlich auf der Couch schnarcht.

„Kolber.“

„Hallo, hier ist Ferdi.“

„Ach du. Ich dachte schon es wäre Martin.“

„Der ist hier bei mir.“

„Wie bitte?! Wie ist er denn da hin gekommen?“

„Mit der Bahn. Er wollte Michael besuchen.“

Ein paar bedrohliche Sekunden lang herrscht Stille in der Leitung. Dann höre ich sie tief durchatmen.

„Das musste ja irgendwann kommen …“

„Ich hab ihm angeboten, morgen mit ihm hinzugehen …“

„Ich will darüber nichts wissen, Ferdinand. Das weißt du doch.“

„Ja. Können Sie vielleicht in der Schule Bescheid sagen, dass er morgen fehlen wird?“

„Ich erwarte ihn morgen Abend zuhause. Und ich will keine Diskussionen.“

„Ja, ich rede mit ihm.“

„Pass mir gut auf meinen Sohn auf.“

„Werde ich“, verspreche ich und frage mich, wie ich das morgen alles hinbekommen soll.

Aber erst mal muss ich mir die Songs für’s Re-Recall anschauen. Sechs Lieder stehen auf der Liste zur Auswahl. Ich entscheide mich relativ schnell für zwei Songs. Bitch als Backup und Ring of Fire als erste Wahl. Ich bin ja echt froh, dass neben den aktuellsten Chartnummer auch was Klassischeres zur Auswahl steht.

Martin wird schon kurz vor sieben munter und beklagt sich über Kopfschmerzen. Mein Mitleid bekommt er nicht.

„Willst du später deinen Bruder besuchen?“

„Nein!“, macht er angeekelt, womit er sich jegliche Geduld, die ich vielleicht noch für ihn hätte aufbringen können, verscherzt.

Ich schicke ihn duschen und kläre ihn auf, dass ich los muss und erst am Nachmittag zurück sein werde. So kommt er zwar gar nicht dazu, mich weiter zu löchern, aber ich bin zwei Stunden zu früh an der Messehalle, schaue kurz nach ob mein Rad noch da ist und gehe rein.

Emsige Crewmitglieder treffen Vorbereitungen oder geben sich wenigstens alle Mühe, beschäftigt zu wirken. Ich ziehe mich in den Toilettenflügel zurück, um noch etwas zu üben. Allerdings bin ich da nicht ganz ungestört. Eine andere Kandidatin summt auf dem Boden sitzend vor sich hin. Und sie kommt mir irgendwie sehr bekannt vor.

„Hey“, grüßt sie höflich und schaut mich erwartungsvoll an.

„Hallo“, mache ich unverbindlich, aber dann fällt mir wieder ein, woher ich sie kenne.

„Du bist …“

„Sophie“, stellt sie sich vor.

„Du arbeitest bei Michi.“

„Genau“, nickt sie und merkt wohl, dass mir das Thema unangenehm ist, darum fragt sie:

„Und du? Auch im Re-Recall?“

Ich ziehe meine Jacke aus und gebe den Blick auf den Nummernaufkleber frei, den ich von meinem gestrigen Hemd auf dieses umgeklebt habe.

„Was singst du?“

Ring of Fire. Und du?“

„Black Horse and the Cherry Tree. Wir haben die ganze Nacht geübt.”

„Wir?“, frage ich und bemerke die Gitarre, die neben Sophie an der Wand lehnt.

„Ich hab mich mit einem anderen Kandidaten zusammengetan. Soll ja schließlich was Besonderes werden, im Re-Recall.“

„Ich hab den Song gar nicht auf der Liste gesehen.“

„Liste?“, fragt sie überrascht und ich denke, sie will mich verarschen.

„Die Songliste mit den Titeln aus denen wir was für heute aussuchen sollten …“

Ihre Augen treten aus den Höhlen hervor.

„Was?!“

Ich krame den Zettel aus meiner Hosentasche und gebe ihn ihr, woraufhin sie Flüche loslässt, wie ich sie noch nie aus einem weiblichen Mund vernommen habe.

„Ganz ruhig. Du hast ja noch zwei Stunden.“

„Das ist gar nichts! Gut dass ich drauf bestanden habe, so früh hier aufzutauchen! Du bist echt mein Retter. Bring mir Ring of Fire bei, bitte bitte!“

„Aber das ist doch voll das Männerlied. Ich hab als Backup Bitch vorbereitet, das könnten wir mal zusammen versuchen. Ich hab mir sogar den Text ausgedruckt, der ist hier irgendwo …“

Während ich mich wieder bücke, um im Rucksack zu kramen, springt sie mir auf den Rücken und schreit hysterisch rum, dass ich ein Engel sein muss, oder ein Alien vom Planeten Krypton, gekommen um die Welt zu retten.

„Na das wird dem Leon aber nicht gefallen, dass du hier fremde Kerle bespringst“, tönt es hinter uns.

Schröder

Meine Güte, die Sophie hat echt ’n Rad ab. Mitten in der Nacht, mitten in schönsten Träumen rüttelte sie mich plötzlich wach und meinte, ich müsste unbedingt mit ihr ein Lied üben. Das hat dann ungefähr so lange gedauert, bis wir fast aufstehen mussten, weil ich das Kacklied überhaupt nicht kannte. Na ja, ablehnen konnte ich wohl schlecht, wo ich doch als völlig fremder Mensch bei ihr übernachten durfte. Dementsprechend unausgeschlafen bin ich also und sollte mir heute irgendjemand quer kommen, kann ich für nichts garantieren. Ein erster Kandidat ist bereits in Sicht.

„Na, das wird dem Leon aber gar nicht gefallen, dass du hier fremde Kerle bespringst“, behaupte ich lahm und fänd es ganz gut, wenn der Leon jetzt auftauchen und der blöden Schleimfresse eins auf die Nuss geben würde.

„Der Ferdi hat eine Liste bekommen“, erklärt Sophie, „eine Liste mit Songs. Von der Jury. Glaubst du immer noch, dass hier spontan entschieden wird, wer weiter kommt und wer nicht, du kleiner Naivling?“

„Das hab ich von Anfang an nicht geglaubt“, lüge ich. „Allerdings werde ich es nicht nötig haben, Lieder zu singen, die die Jury aussucht. Ich verlasse mich lieber auf mich selber und singe, was mir passt. Im Gegensatz zu anderen Leuten.“

„Gegen wen geht’n das?“, will Ferdi wissen und versucht, eine gewisse Bedrohlichkeit in seine Stimme zu legen.

Irgendwie schon fast süß!

„Wenn du dir den Schuh anziehen willst… gegen dich.“

„Jungs“, meldet sich Sophie zu Wort, „wir sind noch nicht mal in der nationalen Entscheidung und ihr zickt euch schon an?“

„Sag das Mr. Großkotz hier“, regt Ferdi sich auf.

„Ich finde, dein Bruder hätte die Bezeichnung eher verdient.“

Demonstrativ widmet er sich Sophie und irgendeinem Song, den sie leise trällert. Ich setze mich etwas abseits auf den Boden und spiele ein bisschen Gitarre.

Nach ungefähr hundert Jahren ist es dann endlich soweit. Die Jury ist da. Sind bestimmt super ausgeschlafen, die drei Arschgeigen. Sicher im teuersten Hotel der Stadt abgestiegen und den Morgen erstmal mit einem wahnsinnigen Frühstück begonnen. Vielleicht haben die auch schon bequatscht, wen sie heute in die Wüste schicken, mit Lob überschütten oder völlig zur Schnecke machen. Da hier Talent alleine nicht ausreicht, kann ich echt nicht abschätzen, was mir gleicht blühen wird. Na ja, vom B! darf ich mir wieder ätzende Kommentare reinziehen, so viel steht fest. Ich frage mich gerade ernsthaft, ob es das wert ist? Und ob ich tatsächlich eines Tages mit einer Casting-Band im Fernsehen auftreten will? Das geht doch echt gegen alles, woran ich glaube. Ich hasse Kommerzscheiße und massenkompatibles Rumgesinge.

Langsam wird es voller. Alle warten auf ihre große Chance und die meisten Jungs und Mädels haben Anhang dabei. Wenn ich meine Freunde im Schlepptau hätte… haha… wir würden den Laden komplett aufmischen. Das gäb eine fette Schlagzeile.

Sophie und Ferdi hängen immer noch zusammen. Scheint so als hätte sie einen neuen Partner gefunden. Was soll’s?! Bin eh mehr der Einzelkämpfer.

„Du, Grüner, los geht’s“, kommandiert ein DSDMB-Mitarbeiter.

„Mein Name ist Schröder, nicht Grüner“, grummele ich, während mir ein Mikro angepappt wird. Das ist ein gutes Zeichen, oder? Die Langweiler, die nicht weiter kommen, kriegen das vermutlich nicht.

Völlig selbstbewusst latsche ich in den Jury-Raum.

Hab ich’s doch gewusst! Die drei Arschgeigen wirken frisch und ausgeruht. B!’s Grinsevisage wird jedoch sofort zu Eis als er mich sieht.

„Sagt mal, haben wir den echt weiter gelassen?“

Die beiden Kollegen nicken.

„Na, dann müssen wir wohl jetzt da durch. Aber bitte schnell.“

„Lass dich von B! nicht irritieren“, rät der freundliche Fuzzi.

„Nee“, antworte ich, „bin schon mit ganz anderen Leuten fertig geworden.“

„Klopf hier keine Sprüche, sing dein Liedchen“, fordert B!.

„Genau“, findet Cosima. „Was singst du?“

„When I’m sixty-four.“

„NEIN“, kreischt B! und schlägt angedeutet auf den Tisch ein. „Jetzt vergreift der sich auch noch an den Beatles. Junge, dir ist wohl gar nichts heilig.“

Ich zucke die Schultern und lege los.

„Das war ein paar Nummern zu groß für dich“, lautet B!’s Urteil. „Deine Masche, aus sowieso schon tollen Songs eine Art Punkversion zu machen, war anfangs vielleicht noch neu und amüsant, aber langsam nervt’s.“

„Wenn das eine Punkversion gewesen wäre, hätte ich zum Schluss meine Gitarre zerschlagen und euch mit Bier angeschüttet“, entgegne ich, worauf sich der Fuzzi kaputt lacht.

„Ich würd dich gern bei der Entscheidung in Berlin sehen.“

„Da kann ich mich nur anschließen“, nickt Cosima.

B! schüttelt den Kopf. „Tja, sieht aus, als hättest du dich wieder durchgemogelt.“

„Bis in Berlin“, grinse ich und kann’s selber überhaupt nicht fassen.

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