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Accident

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Inhaltsverzeichnis

1

Draußen ist es stockdunkel, nass, kalt und ungemütlich. Eigentlich sollte man so einen Tag im Bett verbringen, irgendwas Heißes mit Schokolade und Zimt schlürfen, jemanden zum Kuscheln neben sich aber...wenn man sechzehn ist muß man genau jetzt raus zur Schule. Ich hasse die ganze Welt und bin schon total zu spät, weil aus dem Bett kommen so lange gedauert hat. Wieso kann die bekackte Schule nicht um zehn anfangen oder ganz ausfallen im Winter?

Ok, kein Frühstück, dafür fünf Pullover plus Mantel plus Schal plus Handschuhe, damit man keine Frostbeulen und/oder abgefrorene Gliedmaßen riskiert und hinaus in die obszöne, graue Welt. Der Hinterreifen meines Rads verliert ständig Luft, weshalb ich auch heute erstmal stundenlang pumpen darf. Die erste Stunde fängt in drei Minuten an. Mit den UNTOTEN im Ohr schwinge ich mich in den Sattel und rase los wie ein Bekloppter.

Unglücklicherweise fängt es genau jetzt an zu regnen und bald darauf sehe ich so gut wie nichts mehr. Trotzdem kann ich es mir nicht leisten langsamer zu fahren...dringender Termin mit meiner Mathelehrerin, Sie verstehen?!

Gerade schnelle ich um eine Kurve als es einen lauten Knall gibt, einen Aufprall und dann ist für Sekunden alles finster.

Benommen reibe ich meine regennassen Augen, stelle fest, dass ich auf dem kalten Asphalt sitze, mein Rad friedlich neben einem anderen liegt und gegenüber jemand ziemlich bedröppelt den Kopf hängen läßt. Ich checke erstmal, ob ich selber in Ordnung bin, beschließe ja, und rappel mich auf.

Die bedröppelte Person hebt ihren bemützten Kopf. Mir wird augenblicklich so schlecht, dass ich mein Frühstück auskotzen könnte, wenn ich eins gehabt hätte.

Der linke Ringfinger spuckt unaufhörlich Blut, ist angeschwollen, man sieht blankes Fleisch bis zum Gelenk und der Nagel...ohgottohgott...der Nagel! Der steht fast senkrecht. Wahnsinn, muß DAS weh tun!!

»Das...das sieht eklig aus, « murmelt die Person total weggetreten.

Kann man wohl sagen.

Hilflos blicke ich mich nach allen Seiten um und natürlich ist weit und breit niemand, der weiß, was zu tun ist.

Krankenhaus, denke ich. Der oder die muß ins Krankenhaus. So eine Fingernagelstellung kann nicht gesund sein und von selbst heilen. Außerdem ist ja auch überall Blut.

»Kannst du aufstehen?« frage ich und greife ungelenk nach ihm oder ihr.

Er oder sie nickt und wackelt sich auf die Beine.

»Ich...ich bringe dich ins Krankenhaus, ja?«

»Scheiße...das...AAAAAAAAAUUUU!!!«

Tut mir leid aber ich bin froh, dass das nicht mein Finger ist. Kacke, wenn der amputiert werden muß oder sowas.

Im Krankenhaus werden wir sofort in die Notfallirgendwas geschickt, die Person verschwindet mit einem Weißkittel und Schwestern hinter einer Schiebetür, ich bleibe zurück und bin ratlos. Ich muß doch warten und sehen, was mit ihm oder ihr ist, ja?! Ich meine, keine Ahnung, schließlich war es zum Teil wohl auch ein bißchen meine Schuld. Hauptsache die Person verklagt mich nicht auf Schmerzensgeld...möglicherweise hab ich grad die Karriere einer fabelhaften Konzertpianistin oder eines Organisten zerstört. Au weia... Ich nehme mal an, Schule fällt für mich heute aus!

Nach ungefähr vierzig Minuten schiebt sich endlich die silberne Tür auf und ich bekomme gleich noch einen Schreck!! Die Person ist jedenfalls männlich, jung und...schluck... bezaubernd schön. Rötlichbraunes, kinnlanges Haar, das jetzt wie Herbstlaub schimmert, große Rehaugen, eine süße Stupsnase und Lippen, die man sofort küssen möchte. Ach so...ich erwähnte wohl noch nicht, dass ich, Christopher Lindt (jaja, wie die Schokolade), nicht auf girls stehe sondern auf boys?! Meine Eltern sagen, das sei sehr wahrscheinlich nur eine Phase. Wie...mit meinen Eltern hab ich darüber gesprochen? Klar, die sind ziemlich locker. Nur eine Phase ist das bei mir aber trotzdem nicht. Wie auch immer, der Typ hat die linke Hand bandagiert und sieht noch sehr mitgenommen aus.

»Wo...wo ist mein Fahrrad?«

Ich springe auf. »Hab ich mit meinem zusammen angekettet.«

»Bist du eigentlich bescheuert? Rast wie ein Irrer durch die Straßen.«

»Entschuldige. Was...ist denn mit deinem Finger? Ist der ab?«

Plötzlich bricht er in hysterisches Gelächter aus. »Nee«, kichert er, »der ist noch dran. Ange-brochen aber noch da.«

Erleichtert atme ich auf.

»Aber ich kann mindestens vier Wochen kein Klavierspielen.«

Ach du Kacke...ich wußte es ja, Konzertpianist.

»Das tut mir leid. Hast du starke Schmerzen?«

»Soll ich dir mal den Finger brechen und den Nagel rausreißen?«

Einige unkomfortable Sekunden stehen wir uns schweigend gegenüber. Gott, ich kann gar nicht richtig denken, wenn der mich so anstarrt.

»Kannst du für mich telefonieren?« fragt er.

»Hä?«

»Jemand muß mich doch abholen...Hallo...mein Finger tut saumäßig weh.«

»Ok«, murmel ich und hab schon wieder ein schlechtes Gewissen, bin aber immer noch froh, dass meine Finger in Ordnung sind. Gott ist das ein Monsterverband!!

Ich tippe also die Nummer, die er mir sagt und halte ihm den Hörer ans Ohr, wobei ich, äh, ganz ausversehen ein bißchen seine weiche Haut mit meiner Hand berühren muß.

Übrigens könnte er sicherlich bequem den verfickten Hörer selbst halten. Hat ja schließlich nur eine Hand verbunden. Während ich noch überlege, ob das eventuell was zu bedeuten hat, faselt er schon drauf los.

»Melitta? Ja, ich bin's...Dominik. Nicht erschrecken, ich hatte einen kleinen Unfall, bin im Krankenhaus und du mußt mich abholen...nein, ist nicht so schlimm...was...nee nur ein ge-brochener Finger...ja sicher tut das weh, frag doch nicht so blöd...also, kommst du?...erzähle ich später...ja, irgendein Typ hat mich umgefahren...ach das weiß ich doch nicht...«, er dreht seinen Kopf ein wenig und sieht mich an, »wie heißt du?«

»Ich...äh...Christopher.«

»Haste gehört?« brüllt er in den Hörer. »Ok, bis gleich.«

Ich lege den Hörer auf und weiß nicht weiter.

Dominik heißt der also und Melitta ist ja dann sicher seine Freundin...so ein bescheuerter Name. Überhaupt...wieso kann der sich nicht unsterblich in mich verlieben? Ach ja...ich hab seinen Finger auf dem Gewissen und er ist nicht schwul. Schön, daß wir das geklärt haben.

»Wie sollen wir das denn mit deinem Fahrrad machen?«

»Hinfahren und in Melittas Auto packen.«

Heißt das nun, dass die mich mitnehmen??

Zehn Minuten später rauscht die Filtertüte mit total besorgtem Blick an.

»Ach du Scheiße...Nick...das sieht ja vielleicht dramatisch aus. Oh Gott, tut's sehr weh?«

Sie umarmt ihn theatralisch.

Verdammt, die sieht für ein Mädchen echt hübsch aus. Lange braune Haare und naja, hübsch eben. Was weiß ich...mich interessieren keine Mädchen.

»Laß uns bloß raus hier. Ich hasse Krankenhäuser«, sagt sie.

»Du, wir müssen noch mein Rad holen.«

»Kein Problem«, lächelt sie und wendet sich an mich. »Du bist Christopher und hast meinem Schatz das angetan?«

»Äh...«, entgegne ich und fange an zu schwitzen.

»Wir müssen ihn mitnehmen...sein Rad ist mit meinem angekettet«, erklärt Dominik.

Ok...Dominiks Rad ist verstaut und somit kann ich beruhigt meiner Wege radeln. Dennoch stehe ich blödsinnig vor ihm herum. Melitta sitzt bereits im Auto und trommelt ungeduldig mit den Fingerspitzen aufs Lenkrad.

»Also dann«, sagt er.

»Hm-hm«, nicke ich, »ich...äh...wollte mich nochmal entschuldigen. Normalerweise fahre ich niemanden einfach so über den Haufen. Tut mir leid, dass du jetzt solche Schmerzen hast und...und...äh...«

»Naja ist ja sonst nichts Schlimmes passiert und...es war auch ein bißchen meine Schuld.«

»Es tut mir trotzdem leid.«

»Das sagtest du schon«, lächelt er.

Wir lächeln uns noch ungefähr zwei Minuten an, dann streckt Melitta ihren Kopf aus der Autotür.

»Du großer Gott, Nick...jetzt gib ihm schon deine Telefonnummer und dann laß uns fahren. Ich friere mir den Arsch ab.«

Dominik wird sehr rot an den Wangen, was unbeschreiblich süß aussieht.

»Äh...«

»Ich würd dich gerne mal anrufen, um zu wissen, wie's dir geht...wegen dem Finger«, er- kläre ich schnell und werde wohl ebenfalls ein bißchen rot.

»Ok«, entgegnet er, kritzelt seine Nummer auf einen Zettel, verabschiedet sich, steigt ins Auto und...ich bin bis über beide Ohren verliebt!


Eine Woche ist rum und ich hab mich noch nicht getraut, Dominik anzurufen. Kacke...es wird leider immer schwieriger. Der denkt sicher, dass es mich einen Scheiß interessiert, was mit seinem Finger ist. Oder aber er weiß schon gar nicht mehr, wer ich überhaupt bin. Hallo, ich bin der, der deinen Fittich auf dem Gewissen hat. Freust du dich, meine Stimme zu hören?! Ich lach mich tot!!

Die ganze letzte Woche mußte ich total an Dominik denken...hab sogar Lorenz' Angebot abgelehnt, mir einen Zungenkuß zu geben. Lorenz ist nicht schwul, will aber immer wissen, wie es sich anfühlt, einen Jungen zu küssen. Lorenz SAGT, dass er nicht schwul ist aber... mal ganz unter uns...welcher sechzehnjährige Heterotyp ist schon scharf drauf, mit einen sechzehnjährigen Schwulen zu knutschen?!

Das ist mir aber momentan schnuppe. Ich stehe eh nicht auf Lorenz...zu durchtrainiert. Ich mag gerne zierliche, zarte Jungs. Ich glaube, Dominik ist zierlich. Genau sagen kann ich das aber nicht, weil der so dick angezogen war.

Verflucht, ich sollte ihn jetzt anrufen.

2

I do not cry..I do not cry.. .

Jaja, Greta hat gut singen. Ich heule nämlich doch und nicht nur, weil mein Finger so ver- flucht weh tut. Ich dachte, ich hätte endlich jemanden gefunden und jetzt...wieder nix. Sven ist so ein saublödes Arschloch. Ist mir monatelang hinterhergestiefelt, war total lieb und nett und süß. Erzählt mir noch, wie lange es gedauert hat, bis er sich von seiner Ex (ja...ein MÄDCHEN!!) lösen konnte, dass er sich in mich verliebt hat und das mit uns was ganz Festes wird. Und was muß ich dann erfahren?

Zurück gekrochen ist er zu seiner Trine und hat sich nicht einmal getraut, es mir selbst zu sagen. Miese, kleine feige Ratte. Vögeln wollte er mich, nichts weiter und selbst das hat er nicht besonders gut gemacht.

Das war's Jungs. Vielen Dank, war nett mit euch aber...ich bleibe jetzt allein für immer und ewig oder ich suche mir ein süßes Mädel. Echt, nochmal mache ich den ganzen Verliebtheits-zirkus nicht mit. ICH NICHT!! Aua, mein Finger tut weh!!!

»Hey, brauchst du irgendwas?«

Melitta hat den Kopf zur Tür reingestreckt.

»Ja, ein Leben«, zische ich böse.

»Ich meinte eher sowas wie ein Getränk oder was zu essen. Oder soll ich dein Kissen auf-schütteln?«

»Wieso...bin ich etwa krank?«

»Was macht der Finger?«

»Tickt.«

»Tickt?« fragt sie und kuckt komisch.

»Ja, wie eine verdammte Zeitbombe. Tickt, bollert und pocht zum Beklopptwerden.«

»Dann nimm das Novalgin«, entgegnet sie kühl. »Und hör um Himmelswillen fröhlichere Musik. Kein Wunder, dass du so mies drauf bist.«

»Ach ja? Es ist November, was soll ich hören? Sunshine Reggae?«

Melitta seufzt und setzt sich zu mir aufs Bett. »Ach Nick...seit dich das Arschgesicht abser- viert hat krauchst du im Depressionsstrudel rum...sei froh, dass der Penner weg ist. Der hat sowas wie dich überhaupt nicht verdient.«

»Ok, dann such mir bitte einen, der mich verdient, ja?«

Sie überlegt kurz. »Was ist denn mit diesem Fahrradheini?«

»Hä?«

»Na der, dem du deinen fast abgetrennten Finger zu verdanken hast. Der war doch süß, oder etwa nicht?«

»Keine Ahnung was du meinst.«

»Ich meine süß, im Sinne von schnucklig bis zum Irrsinn. Sowas, was man sich sofort als Kuscheltier halten will. Überleg doch mal...blaß, schwarze Haare, zierlich, hübsch angezogen und der hat die ganze Zeit im Krankenhaus auf dich gewartet.«

»Weil sein Rad mit meinem angebunden war und er nicht durch die Kälte laufen wollte. Außerdem hatte der eine total Durchschnittsvisage. Und ob der zierlich war konnte man gar nicht sehen, so dick wie der sich angezogen hat. Und überhaupt, ich interessiere mich nicht mehr für Jungs.«

Ich ernte als Antwort einen Lachanfall und will Melitta am liebsten eine Handgranate in den Rachen stopfen.

»Naja, ich muß los. Mach bloß keine Dummheiten.«

»Definiere Dummheiten.«

»Blödarsch«, säuselt sie und schlendert davon.

Gott bin ich deprimiert und mein Finger tut weh UND der saudämliche Penner, dem ich das zu verdanken habe hält es nicht für nötig, mal anzurufen, um zu fragen, wie's mir geht. Nicht, dass das irgendwas ändern würde aber...es war immerhin seine Schuld. Ich werfe die UNTOTEN aus meinem CD-Player, beschließe, dass ich nichts Fröhliches habe und entscheide mich für MUSE, als das Telefon klingelt.

»Ja?« melde ich mich unfreundlich.

»Hallo Fingerboy!«

Oh Gott...Mr.Super-Straight höchstpersönlich.

»Was gibt's?«

»Was macht der Fittich?«

»Tut schweinemäßig weh. Kann ich sonst noch was für dich tun?«

»Schon«, seufzt er, »doch das willst du ja nicht. Aber am Samstag zu mir kommen, das willst du, oder?«

»Wieso? Ist da was Besonderes?«

»Mein Geburtstag, du Trottel.«

»Heißt das, ich muß ein Geschenk mitbringen?«

»Wenn dir dein Finger lieb ist...ja«, kichert er. »Bring deine süße Schwester mit.«

»Ok, bis Samstag. Und Lorenz...versuch nicht wieder mich zu küssen, wenn du vorgibst be- soffen zu sein, mh.«

Klick...aufgelegt.

Mann, Lorenz ist vielleicht ein Herzchen. Er ist nicht schwul, will aber unbedingt wissen, wie es sich anfühlt, einen Jungen zu küssen. Ok, Lorenz SAGT, dass er nicht schwul ist aber, hey, wenn ein Heterotyp einen schwulen Jungen küssen will...das hat doch was zu bedeuten, oder?! Mir kann das aber alles egal sein, ich stehe nämlich nicht auf Lorenz. Zu muskulös. Sven dagegen war perfekt. Ganz dünn und mhhhhh...leider ist er eine Arschgeige und ich sollte nicht mehr an ihn denken. Ach du Kacke! Svens Trine ist eine Bekannte von Lorenz und sicher auch eingeladen am Samstag. Und wenn die Trine kommt...au weia!

Bin ich schon bereit, das junge Glück in zungentechnischer Action vor meiner Nase zu haben? Ich muß ihr sofort den blondierten Skalp vom Schädel reißen und für ihn laß ich mir irgendwas ganz besonders Fieses einfallen.


Zum Glück ist der super monströse Verband nun ab und ich hab nur noch den Finger verbunden. Der tut übrigens immer noch weh, falls ich es nicht erwähnt haben sollte.

Jedenfalls sagt die Chirurgin, dass der Nagel abfällt, nachwächst und nix Schlimmes zurück bleibt. Gestern beim Verband wechseln hätte ich ja beinahe gekotzt. Erstmal klebte da so ziemlich alles zusammen und als die Blut-Verband-Schmocke weg war sah der Finger dick und schmierig blaurot aus wie ein Schinken...vielleicht auch wie ein verdammter Braten. Klavierspielen ist laut Chirurgin kein Problem....wenn alles abgheheilt ist, was durch den Bruch noch ungefähr achthundert Jahre dauert.

Mein Haß auf den Typen, der mir das angetan hat, steigt ins Unermeßliche. Ich hasse ihn sogar noch mehr als Sven und das will schon was heißen. Ich an seiner Stelle hätte sicher schon so um die zwölf Mal angerufen, um mich jede Minute zu entschuldigen; kleine Geschenke gebracht und überhaupt. So ein unverschämter Blödkopp! Verklagen sollte ich den.


Melitta hat sich vielleicht aufgebrezelt, dabei gehen wir nur auf eine langweilige Geburts-tagsparty. Ich hab meine schwarze Schnallenhose angezogen, dazu ein enges, kurzes Shirt und den knielangen Mantel...Svens Lieblingsklamotten. Schließlich soll es dem Arsch leid tun, dass er mich abgeschossen hat. Ein bißchen übel ist mir trotzdem. Ich meine, ich bin durchaus realistisch und weiß, daß ich keine Chance mehr habe. Leider hänge ich noch an ihm und das nervt mich natürlich am allermeisten.

Lorenz' Party findet im Keller statt. Wer um alles in der Welt hat heutzutage noch einen PARTYKELLER, der so groß ist, daß man sich sofort verlaufen möchte?? Laute Musik, Schummerbeleuchtung und Leute, die ich kaum kenne. Was zum Geier mache ich hier? Mein Finger pocht und tickt...ich hätte zuhaus bleiben sollen.

Vielleicht kann ich ja unbemerkt wieder gehen?! Kacke, zu spät. Da kommt Lorenz, grinst und umarmt mich. Melitta küßt er auf die Wange.

Ok, Geschenk abgeben, was trinken, smalltalken, versuchen freundlich zu sein und das Avril-Lavigne-Endlostape ignorieren...alles ganz easy. Dann kommt die Trine und sie ist nicht allein.

Die nächste Stunde wirft Sven mir verstohlene Blicke zu, knutscht, sabbert und leckt seine Trine ab. Ein Wunder, dass die sich nicht hier und jetzt die Klamotten vom Leib reißen. Was sind das...Steinzeitmenschen?! Die benehmen sich echt so abartig, dass ich kotzen möchte. Sowas hätte sich Sven mit mir niemals getraut, weil ich ihm sofort in seinen dämlichen Arsch getreten hätte.

Sich küssen auf einer Party ist eine Sache, übereinander herfallen wie in einem Porno eine andere. Der scheint seiner Trine und vor allem sich selbst beweisen zu müssen, wie verliebt er ist und wie toll er sie findet. Vielleicht will er mich eifersüchtig machen, doch das ist eigentlich unlogisch, weil er ja Schluß gemacht hat. Wie auch immer...mir gehen solche Spielchen auf den Sack!

»Puh...sind die eklig, oder was?« stöhnt Melitta angewidert. »Ehrlich ey, können die das nicht zuhause machen?« Sie schüttelt sich noch mal und kippt ihre Cola runter. »Tut's sehr weh?«

»Falls du meinen Finger meinst...ja, falls du von denen sprichst...nicht die Spur«, zische ich. Melitta seufzt und geht weg.

Von hinten legt sich eine Hand auf meine Schulter, die langsam in den Ausschnitt meines Shirts wandert.

»Lust, ihn ein bißchen eifersüchtig zu machen?« flüstert es in mein Ohr. »Wir könnten intime Beziehung spielen.«

Ich drehe mich um, Lorenz leckt sich die Lippen und grinst.

»Danke aber ich glaube nicht, dass das irgendwas bringt.«

Er zuckt die Schultern. »War ja nur ein Angebot. Wenn du nicht willst...«, entgegnet er etwas eingeschnappt.

Mein Blick fällt auf Sven, der zu mir rüberstarrt...zur Hölle, wieso eigentlich nicht?! Ich lege meine Arme locker auf Lorenz' Schultern, er sieht mich fragend an.

»Habs mir anders überlegt. Willst du immer noch wissen, wie es ist, einen Jungen zu küssen, mh?«

»Ich dachte eigentlich nicht, dass wir beim eifersüchtig machen so weit gehen aber...ja, ok.«

Er legt seine Hände auf meine Hüften, zieht mich an sich und wir küssen uns. Zuerst nur sehr flüchtig, doch Mr. Ich-bin-nicht-schwul wedelt mit seiner Zunge über meine Lippen und ehe ich weiß wie mir geschieht, knutschen wir wild drauflos.

Wow...sein Unterleib drückt sich gegen meinen, ich kann seinen harten Schwanz spüren. Soviel also erstmal zu Lorenz' absolut sicherer sexueller Orientierung.

»Laß uns nach oben gehen«, stöhnt er in meinen Mund, doch ich schiebe ihn weg.

»Das ist nur ein Spiel, schon vergessen. Du wolltest einen Kuß...du hast einen bekommen.«

»Ja«, drängelt er, »aber wir können doch oben noch weiter spielen.«

»Du stehst nicht auf Jungs, oder?«

»Nee. Aber da ich momentan auch kein Mädchen habe...ist doch egal, von wem ich mir einen blasen lasse«, erklärt er grinsend. »Immerhin sind wir befreundet.«

»Nicht so befreundet«, antworte ich und krame seine Hände unter meinem Shirt hervor.

»Naja...hat es wenigstens was gebracht?« fragt er.

Ich sehe Sven und die Trine beim Speichelaustausch. »Nee, leider nicht.«

»Ok, ich werd mal deine Schwester suchen.«

»Glaubst du, dass du bei ihr landen kannst?«

»Wer weiß...«, lächelt er und zwinkert mir zu.

Mh, Lorenz ist sicher kein sehr schlechter Küsser aber...ich weiß auch nicht. Ich mag halt eigentlich doch nur küssen, wenn ich verliebt oder wenigstens ein bißchen verknallt bin.

3

Ich werd bekloppt! Mein Herz rast, ich bin kurz vorm Kollaps. Die Kinnlade ist mir auf die Schuhe gefallen.

Da steht mein Engel und küßt...LORENZ?! Was ist denn bitte jetzt kaputt? Ist das hier Gutenabend-Herr-Lindt-Willkommen-in-der-Witzshow??

Ey, die küssen nicht, die knutschen. Sind die bescheuert, oder was? Wieso küßt Dominik nicht seine Filtertütenfreundin? Oh, natürlich...ich weiß wieso Lorenz ihn küßt. Hä...wieso kennt der meinen Engel? Warum hat er mir nie von Dominik erzählt? Die Sau...will ihn bestimmt für sich selber haben.

Scheiße, wieso hab ich ihn aber auch nicht angerufen? Wenn der nun doch auf Jungs steht und sich in Lorenz verknallt...ach du Kacke!

Was soll ich denn jetzt machen? Sofort wieder gehen? Nee, dann hab ich ja schon verloren. So einfach gebe ich meinen Engel aber nicht auf. Aha, die Filtertüte unterhält sich angeregt mit Luise, der blöden Trine. Ich gehe hin und sage Hallo.

»Christopher?« fragt Melitta.

Nee, der Weihnachtsmann.

»Ihr kennt euch?«

»Flüchtig«, erkläre ich der Trine.

»Nick hat übrigens immer noch Schmerzen.«

Als ob mich das noch interessiert. Mit seiner Zunge scheint alles in bester Ordnung zu sein.

»Ich finde, du hättest ruhig mal anrufen können und...«, sie wendet sich an Luise, »bei dir hab ich mich wohl klar ausgedrückt, ja? Jetzt sei so gut und verpiß dich.«

Mann, ist die immer so nett?

»Entschuldige aber ich kann diese Kuh nicht ausstehen.«

Die sollte sich mal lieber Gedanken über ihren Freund machen. Hat die das Geknutsche nicht gesehen?

»Äh, wo ist denn dein Freund?« frage ich scheinheilig.

»Welchen meinst du?«

»Wieviele hast du denn?«

»Momentan keinen. Wieso...bist du interessiert?« grinst sie.

»Äh...nein, ich meine, äh...ich meine, was ist denn mit Dominik?«

»Der ist total enttäuscht von dir, weil du dich nach dem Unfall nicht mehr gemeldet hast.«

»Ja, tut mir ja auch leid. Ich hatte so viel Streß und...«

»Das mußt du mir nicht sagen sondern ihm. Kannst du dir vorstellen, was es für ihn heißt, wochenlang nicht Klavierspielen zu können?«

»Es war nicht nur meine Schuld«, murmle ich.

»Mann und dann auch noch die beiden vor seiner Nase«, zischt sie und deutet auf Luise und ihren Freund.

»Was ist denn mit denen?«

»Vergiß es. Nicht so wichtig. Sag mal, was tust du eigentlich hier?«

»Lorenz hat mich eingeladen.«

»Du kennst ihn?«

»Ja er ist in meiner Klasse.«

»Und wieso hat der dich die ganze Zeit versteckt?«

Ich zucke noch die Schultern als sie schon durch den ganzen Raum brüllt.

»HEY NICK! Komm her.«

N E I N ! Bitte bleib da! Ich muß tot umfallen.

»Schau mal, wer hier ist«, lächelt Melitta.

Dominik sieht mich an. »Hallo«, sagt er eisig.

»Hey. Was macht der Finger?«

»Tut weh.«

»Entschuldige.«

Es sieht aus, als wolle er gehen, doch dann dreht er sich nochmal um.

»Wieso hast'n nicht mal angerufen?«

»Ich...äh...hab's nicht geschafft.«

Super, noch blöder geht's nicht!

»Ja, was soll's. Melitta, können wir bitte fahren? Mir reichts für heute.«

»Ok, Schatz.«

Das war's. Ich hab ihn verloren. Dominik haßt mich, ist mit Melitta zusammen und küßt Lorenz. Dominik haßt mich und küßt Lorenz. Dominik haßt mich.

»Ich...ich ruf dich an«, brülle ich den beiden noch hinterher.

Mir reicht es auch. Leider kommt Lorenz mir beim gehen in die Quere.

»Oh nein, sag bloß, du willst auch schon abhauen?«

»Was soll ich noch hier? Mir scheint, du hast endlich, was du wolltest. War es so, wie du es dir vorgestellt hast, ja?«

»Hä?«

»Dominik...küssen«, helfe ich ihm auf die Sprünge.

»Wow«, grinst er, »war schon nicht übel aber...naja, ich hab ja nichts zum Vergleichen.« Ich wette, heute ist die glücklichste Nacht seines Lebens. Meine Hände greifen nach seinem Shirt, ich ziehe ihn an mich und küsse ihn auf den Mund.

»Geil«, sagt er, als wir wieder zu Atem kommen, »erst will niemand und plötzlich stehen sie Schlange. Hey, ich überleg mir das mit dem Schwulsein vielleicht doch noch mal.«

Wäre ich hetero würde ich es nach seinem Kuß auf alle Fälle bleiben. Ich meine, ja, es war schon ganz nett aber irgendwie küsse ich sonst nur, wenn ich verliebt oder wenigstens ein kleines bißchen verknallt bin. Einfach so just-for-fun...dafür bin ich halt eher nicht zu haben. Dominik küssen ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit himmlisch. Leider werde ich das niemals erfahren.

»Wieso hast du mir nie gesagt, dass du Dominik kennst?«

»Hast nie danach gefragt. Woher kennst du ihn denn?«

»Hab seinen Finger abgefahren.«

»Ach du Scheiße...du warst das?«

»Es war nicht nur meine Schuld«, verteidige ich mich schon wieder. »Weiß eigentlich seine Freundin, daß du ihn küßt?«

»Freundin?« fragt er dümmlich.

»Ja...Melitta. Hallo...die war auch eben noch da.«

Er sieht mich einen Moment an und bricht in lautstarkes Gelächter aus. Was bitte ist so komisch?

»Melitta ist Nicks Schwester«, gluckst er.

Mir fällt so ziemlich alles aus dem Gesicht. Also daran hab ich bestimmt überhaupt nicht gedacht.

»Ist dir die Ähnlichkeit nicht aufgefallen?«

»Nee, ich interessiere mich nicht für Mädchen.«

»Oh ja, ach so. Mh...interessierst du dich für Nick?«

Ich kriege rote Ohren. »Nein.«

»Wär aber lustig. Der küßt genauso süß wie du«, säuselt er und streicht mit dem Finger über meine Wange.

Haha...und der will nicht schwul sein??

»Wie schön für ihn«, entgegne ich.

»Wollen wir ein bißchen nach oben gehen, mh?«

»Um was genau zu tun?«

Anstatt zu antworten leckt er sich die Lippen und zieht eine Augenbraue hoch.

»Vergiß es.«

»Schade«, seufzt er und verschwindet.

Ich ebenfalls und zwar nach Hause.

So, liege im Bett und kann natürlich nicht schlafen. Tausend Fragen irren und wirren mir durch den Schädel. Alle haben mit Dominik zu tun und keine kann ich beantworten. Die Filtertüte ist seine Schwester, er hat einen Jungen geküßt. Er mag Jungs?? Möglich aber unwahrscheinlich. Vielleicht wollte er Lorenz nur einen Gefallen tun, weil er doch Geburts- tag hatte. Er mag Jungs und Lorenz ganz besonders?! Lorenz sagt, daß er nicht schwul ist aber bei Dominik muß einfach JEDER schwach und schwul werden. Und nun haben sich die beiden unsterblich ineinander verliebt.

Kacke, das hier bringt mich überhaupt nicht weiter. Und jammern, dass ich ihn nicht ange-rufen hab, hilft ebenfalls nicht. Jetzt gilt es zu retten, was noch zu retten ist. Wenn er mich ätzend findet muß ich ihn halt vom Gegenteil überzeugen. Jetzt gleich!!

Es dauert tausend Jahre bis jemand ans Telefon geht. Dummerweise ist es auch noch Melitta.

»Hallo hier ist Christopher.«

»Weißt du eigentlich wie spät es ist?« muffelt sie.

»Tut mir leid. Kann ich mit Dominik sprechen?«

»Nee, der schläft.«

»Gibt's du mir eure Adresse?«

»Mozartstraße vier. Gute Nacht«, faucht sie und knallt den Hörer auf. Was soll's, dass sie mich nun auch noch haßt?!


Am nächsten Tag traue ich mich selbstverständlich nicht zu Dominik. Schon allein der Ge-danke ihn zu sehen macht mich schwach und zittrig. Was soll ich denn auch sagen? Daher ist es ratsam, ein paar Infos einzuholen. Deshalb fahre ich zu Lorenz, der jedoch nicht da ist. Sicher ist das sowas wie ein Zeichen. Ich kaufe bei meinem Lieblingsbäcker ein paar Schokomuffins, grapsche im Supermarkt Apfel-Zimt-Tee und schwinge mich wieder auf mein Rad. Die Mozarststraße ist am anderen Ende der Stadt und als ich endlich ankomme bin ich halb erfroren.

Melitta öffnet die Tür.

»Wow...was für eine Überraschung.«

»Ist Dominik da?«

»Komm rein.«

Sie führt mich durch die Wohnung, deutet auf eine Tür und läßt mich einfach stehen. Ich schlucke und klopfe zaghaft. Da ich laute Musik (UNTOTEN) höre, klopfe ich erneut.

»Mann, willst du die scheiß Tür eintreten oder...ach du Kacke.«

Dominik steht in Gammelklamotten vor mir. Mir wird schwächlich im Gebein. Der ist viel süßer als ich ihn in Erinnerung hatte.

»Hallo«, krächze ich.

»Und...was willst du?«

»Ich...äh...ich hab Schokomuffins«, erkläre ich Tüte schwenkend.

»Oh wie entzückend«, flötet er, »Kaffeeklatsch.«

Irgendwie hab ich das sehr starke Gefühl, er will mich verarschen.

»Geht's deinem Finger besser?«

»Warte, ich frag ihn mal. Hey...Finger, wie geht's dir?«

»Sag mal, bist du immer so bescheuert?« So langsam platzt mir echt der Kragen.

»Nur wenn ein Idiot vor mir steht.«

»Ok paß auf, ich wollte...egal, hier.« Ich drücke ihm die Muffins in die Hand und mache, dass ich weg komme.

In meinen Innereien brodelt es. Ich bin so wütend, ich könnte Leute killen, die ich gar nicht kenne. Dominik ist ein Arschloch. Ein Schwimmbecken großes Arschloch!! Erledigt hat der sich. Da versucht man nett zu sein und wird zum Dank verarscht. Überhaupt sind Typen doch eh alle gleich. Damit will ich nichts mehr zu tun haben. ICH NICHT!! Na gut, ich versuch's nochmal bei Lorenz und hab Glück. Er ist da.

»He, mit dir hab ich heute gar nicht gerechnet.«

Ich werfe die Tür zu und knalle mich auf sein Bett.

»Was hat das denn zu bedeuten?«

»Dein blöder Freund Dominik«, bölke ich, »ich hoffe, ihm fällt der Finger ab...die ganze verfluchte Hand. So ein Drecksack. Arschgeige.«

Lorenz kichert sich tot. »Bist du bald fertig? Ok, dann sag mir, was los ist.«

»Dagewesen bin ich und der Wichser hat mich nur verarscht. Seit wann hast'n du so Arsch-lochfreunde?«

»Du darfst ihm das nicht übel nehmen, der hängt momentan halt ein bißchen durch.«

»Na und? Ist das meine Schuld, oder was?«

»Dich hat's wohl ziemlich erwischt.«

»Hat es nicht«, fauche ich, »halt bloß deine Fresse.«

»Hey...fang nicht mit mir an, ja«, warnt er, »kann ich was dafür, daß sich der Typ offensicht-lich nichts aus dir macht?«

»Wieso sollte er auch?«

»An deinem freundlichen Wesen würd's sicher nicht liegen, wenn's so wäre.«

»Entschuldige, ich bin nur so verflucht wütend.«

Er setzt sich zu mir aufs Bett. »Ach was?!«

»Ist ja auch egal. Reden wir nicht mehr drüber.«

»Genau«, grinst er, »wollen wir ein bißchen knutschen?«

»Nein danke. Mach deine Experimente doch mit ihm. Wie hast du den eigentlich dazu ge-bracht, dich so abzusabbern?«

Er zuckt die Schultern. »Ich hab so meine Methoden.«

»Aha?«

»Willst du, daß ich dir Tipps gebe, damit er dich auch mal küßt?«

»Bevor ich den küsse fresse ich lieber Dreck.«

»Du möchtest aber schon gerne wissen, ob es ihm generell gefällt, Jungs zu küssen, oder?« lächelt er.

»Mir doch egal«, brummel ich zurück, werde rot und bin total ertappt. »Und?« beginne ich vorsichtig.

»Was?«

»Naja...gefällt es ihm?«

»Frag ihn doch selbst.«

»Blödarsch«, zische ich. »Wieso bist du überhaupt plötzlich so scharf auf Jungs? Reichen dir die ganzen Mädchen etwa nicht mehr?«

Lorenz vögelt nämlich alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Er lehnt sich entspannt zurück und lächelt. »Ich finde nur, man sollte Verschiedenes aus-probieren...bevor man sich festlegt.«

Na das ist ja schön für ihn. Er soll das aber verflixt nochmal nicht mit Dominik ausprobieren.

Außerdem bin ich genauso schlau wie vorher. Lorenz ist vielleicht ein Kacker. Und jetzt?! Bloß nicht mehr an Dominik denken. An sein süßes Lächeln. Bloß nicht vorstellen, wie er seine Arme um mich legt, seine Finger mit meinen Haaren spielen und er mich ganz zart küßt. Mir wird ja sofort schwumselig.

Als ich nach Hause komme grinst mein Bruder Frederick mir entgegen. Der ist gerade frisch verliebt und hatte sicher einen schönen Tag...der mittelgroße Knutschfleck an seinem Hals läßt den Schluß zu.

»Geh weg.«

»Mann du hast ja vielleicht eine Laune«, grummelt er und grinst sofort wieder. »Dabei ist das Leben doch so wundervoll.«

Ich kicke meine Doc's von den Füßen, mache mir eine heiße Zimtschokolade mit Sahne und verziehe mich in mein Zimmer. Frederick kann mich natürlich nicht in Frieden lassen und setzt sich neben mich aufs Bett.

»Kein Wunder, daß du mies drauf bist...in so einer Gruft möchte man ja nur verrecken.«

Ok, ich sollte vielleicht mal zum Verständnis mein Zimmer beschreiben.

Schwarz gestrichen (Mom hat fast einen Herzschlag bekommen), schwarzer Teppich, zwei Matratzen unter dem Fenster; überall künstliche Spinnweben, Plastikspinnen, Fledermäuse, Gummiskelette usw. An der Wand hängt ein rechteckiger Spiegel mit Goldrahmen, um den ich eine Lichterkette drapiert habe; darunter steht ein kleiner selbstgezimmerter Sarg, der als Aufbewahrungsort für Krimskrams dient. Auf dem Sarg Kerzenhalter, Räucherstäbchen, Aschenbecher und so'n Zeug, daneben meine Anlage. Gegenüber der Matratzenfront be-findet sich ein kleiner Fernseher mit Videorekorder.

Mein ganzer Stolz ist immer noch ein waschechter Grabstein in der Ecke. Den hab ich vom Friedhof geklaut, als ich dreizehn war. Aber nicht von einem Grab (da hätte ich doch Skrupel gehabt) sondern von einem Haufen von kaputten Grabsteinen. Dieser hier ist zum Glück noch ganz, hat keine Inschrift dafür aber einen kleinen gemeißelten Engel. Wenn ich daran denke, dass ich das Teil den ganzen Weg auf meinem Fahrrad transportiert habe...

Mein anderes Zimmer, ich bewohne mit Frederick die obere Etage unseres Hauses, ist nur zum Arbeiten...Schreibtisch, Computer, eine Couch, ein kleiner Tisch und ein Schrank für meine Klamotten. Das Bad hier oben teilen wir uns. Ich finde das ganz ok so. Wir haben hier unsere Ruhe, weil Mom und Paps eigentlich nie raufkommen.

»Wenn Mom deinen Knutschfleck sieht möchte ich nicht in deiner Haut stecken, junger Mann.«

Verschämt reibt Frederick an seinem Hals. Der ist gerade mal vierzehn und treibt sich schon mit Mädchen rum. Als ich so alt war hab ich noch schön Sandy (ja, der Blondschopf von Flipper!!) im Fernsehen angeschmachtet und mir heimlich einen runtergeholt. Mit irgend-welchen Realjungs hatte ich jedenfalls noch nix. Das kam erst mit fünfzehn, als ich anfing, mich an Wochenenden nächtelang in düsteren Discospelunken rumzutreiben.

Da hab ich Martin kennengelernt und wir waren irre verknallt. Irre verknallt war Martin allerdings auch noch in ganz viele andere süße Jungs, weshalb ich mich von ihm trennte. Ich hab echt keinen Bock auf wildes Experimentieren mit hundert verschiedenen Typen. Ich will romantisch verliebt sein, meinen Freund ganz allein für mich haben. Klingt das kitschig...ich meine, in meinem Alter? Die Jungs aus meiner Klasse wollen so viele Weiber wie möglich flachlegen, ich denke nicht, dass die auch nur eines schaffen. Aber das geht mich nichts an. Frederick ist jetzt schon eine kleine Schlampe.

Jede Woche kommt der mit einem anderen Mädchen an, echt. Naja, er sieht halt ziemlich süß aus. Hey...ich darf das über meinen Bruder sagen, ja?! Ich meine, ich kann schon verstehen, dass die Mädels scharf auf ihn sind und sich reihenweise verlieben. Verstrubbelter Blondschopf, graublaue Augen, zierlich und seine Augenlider hängen ständig auf halb acht. So'n Schlafzimmerblick. Dazu noch sein Killerlächeln...bums, da fallen die Mädchen um. Und ich wette, nicht nur die.

»Und wieso bist du so mies drauf?« fragt Frederick.

»Bin ich nicht und selbst wenn würde ich nicht mit meinem kleinen Bruder darüber reden.«

»Arschloch.«

»Verpiß dich.«

»Fall tot um«, zischt er und geht.

Keine Angst...das ist unser ganz normaler Umgangston. Wir mögen uns nämlich ziemlich gerne.

Ich höre ein bißchen LONDON AFTER MIDNIGHT, schlürfe meine Schokolade, schließe die Augen und seufze vor mich hin.

Was für ein Scheißtag!

Wie kann ich Dominik bloß dazu bringen, mich zu mögen, mich zu küssen und...wow!!? Es geht nicht anders, ich werde ihm morgen nochmal einen Besuch abstatten und dann kann der sich aber verflucht warm anziehen.

4

Ey...geht's noch?

Die Party bei Lorenz war ja schon übel, Sven und seine Trine haben mir mehr zu schaffen gemacht als ich mir eingestehen wollte, dann diese blöde Knutscherei mit Lorenz und plötzlich steht Melitta da mit Christopher...meine Knie wurden total weich. Scheiße ist der süß. Blöderweise war ich aber so sauer auf alles und jeden, daß ich total unfreundlich zu ihm war.

Wollte gerade mit Melitta abhauen als ich sehe, wie er mit Lorenz knutscht. Da frag ich mich natürlich, ob Christopher vielleicht...Jungs mag? Dann frag ich mich, was zur Hölle mich das überhaupt interessiert?!

Vor einer Stunde stand er vor meiner Tür, stotterte sich einen ab und wedelte mit'ner Tüte Schokomuffins. Die hab ich alle aufgegessen und jetzt tut nicht nur mein Finger weh sondern auch noch der Magen.

Gott...ich hasse es, ich zu sein!

Erstmal schmeiße ich meinen CD-Player an. LONDON AFTER MIDNIGHT...paßt perfekt. Ich versuche mich zu entspannen, werde dabei jedoch von Svens Kackvisage gestört, die sich immer wieder in mein Hirn schleicht. In den war ich echt verliebt, so richtig. Und ich hätte nie gedacht, dass aus uns was werden würde. Melitta hat gleich gemeint, ich solle die Finger von ihm lassen, weil er sich doch eigentlich eher für Mädchen interessiert und außerdem ein kleines Aggressionsproblem hat. Ständig verprügelt er Leute...besonders, wenn er Alkohol trinkt. Ich geb's zu, das hat mich irgendwie gereizt. Ich meine, Sven ist gefährlich, man hat Angst vor ihm und ich hab's mir halt dramatisch vorgestellt, ihn nach einer Schlägerei zu verarzten. Sowas ist aber nur in Büchern romantisch. Im wirklichen Leben hat das nix zu suchen.

Mann und wie der sich immer wegen seiner Trine bei mir ausgeheult hat, weil er doch so lange von ihr verarscht wurde, sie total besitzergreifend ist und eifersüchtig, egoistisch und was weiß ich. Jetzt hat er aber angeblich doch gemerkt, dass er sie nicht vergessen kann, sie noch liebt und auch wenn für mich Gefühle da sind...er will seine Trine.

Blöder Pisser. Der ist auch nicht anders als die anderen Typen, die dich mit irgendwelchen Sprüchen einlullen, vögeln und sich danach verabschieden. Ich hab da echt keinen Bock drauf. Oder...vielleicht sollte ich von jetzt an auch nur noch an mich und meinen Spaß denken. Wär langsam mal Zeit dafür. Am Besten jedes Wochenende einen anderen pro-bieren.

HAHA...Mom dreht durch, die ist sowieso nicht so glücklich darüber, dass ich mit Mädchen nichts anfangen kann. Will über dieses Thema überhaupt nicht mit mir reden und schon gar keine Jungs hier sehen. Melitta darf selbstverständlich Typen anschleppen...das ist ja normal.

Ist das ungerecht, oder was?! Hab ich es mir vielleicht ausgesucht, schwul zu sein? Es ist nun einmal so wie es ist und damit hat sie sich verflucht noch mal abzufinden. Ich schreibe ihr auch nicht vor, wen sie zu lieben hat und wen nicht.

Paps ist das alles egal, weil der von nichts weiß, weil ich kaum Kontakt zu ihm habe. Dabei wohnt der gerade mal dreißig Minuten entfernt. So eine Drecksau. Letztens hab ich ihn zufällig in der Stadt getroffen, wo er mit meiner Halbschwester Susanna Klamotten kaufen wollte, weil sie Geburtstag hatte. Ich wurde gefragt, ob ich ein Eis haben möchte. Bin ich fünf oder wie? Wieso kriegt die alles und ich nichts? Warum verbringt er mit ihr so viel Zeit, während er Melitta und mich total links liegen läßt? Sind wir etwa nicht seine Kinder? Melitta sagt immer, ihr macht das nichts aus aber ich glaube, sie hat doch ganz schön daran zu knacken. Sven war der erste Junge, mit dem ich über all das reden konnte. Der hat mir zugehört, mich in den Arm genommen und war super lieb. Alles nur, um mich ins Bett zu kriegen? Das hätte der auch einfacher haben können, so scharf wie ich auf ihn war. Dabei hab ich mir echt fast ins Hemd gemacht, als es dann endlich so weit war. Komisch, ich wollte es und doch auch wieder nicht, weil...keine Ahnung. Mußte mir andauernd Gedanken machen, ob er mich toll genug findet, ob ich vielleicht zu häßlich bin, mich nicht gut anfühle und so eine Kacke.

Wahrscheinlich hatte der einfach keinen Bock auf so einen Psychofritzen wie mich. Ich denke eben viel nach und er überhaupt nicht. Für den gibt's nur Party, saufen, ficken und prügeln. Allerdings war er bei mir manchmal eben doch anders. Ganz schüchtern und zittrig. Naja, was bringt es, die Beziehung auseinander zu pflücken und mir Fragen zu stellen, auf die ich eh keine Antworten finde? Die Sache ist gelaufen. Ich bin allein, sehne mich nach Nähe und mein Finger tut weh.


Was für ein beschissener Kacktag. Die Schule kotzt mich an, nur Knalltüten um mich rum. Seitdem meine ehemals beste Freundin Ivana weiß, dass ich auf Jungs stehe geht sie mir konsequent aus dem Weg. Kann ich vielleicht was dafür, dass sie mehr wollte? Hab's ihr echt ganz schonend beigebracht, ihr gesagt, wie leid es mir tut und dass ich sie aber trotzdem gern habe doch sie hat einfach aufgehört, mit mir zu sprechen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie's den anderen erzählt hat aber die kucken immer so eigenartig und ein paar Typen machen mich ständig blöde an. Naja, ist schließlich nur Schule...ich muß mit den Idioten nichts zu tun haben. Und mit einigen verstehe ich mich eben so einigermaßen.

Lorenz ist ein guter Freund, wenn er mal nicht übers Knutschen und/oder Weiber redet. Leider geht der auf ein anderes Gymnasium. Mit Melitta kann ich ebenfalls über alles reden, sie ist ja nur drei Jahre älter als ich. Tja und dann gibt's da natürlich noch Keks&Krümel. Die mag ich wirklich gerne, auch wenn wir uns nicht oft sehen. Die beiden sind, keine Ahnung, zusammen, seit sie elf sind, glaub ich. Zusammen und so verliebt ineinander, dass man nur noch grün werden will vor Neid. Gott, sind die süß.

Da der Klavierunterricht momentan ausfällt und ich auch zuhaus nicht spielen kann hab ich die Nachmittage frei und weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll.

Deshalb hab ich gerade einen halben Schokoladenkuchen gegessen und nun ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil mir das öfter passiert und ich nicht fett werden will. Muß mich da echt mal wieder zusammenreißen. Wo steht eigentlich geschrieben, dass sich nur Mädchen Gedanken über Kalorien machen dürfen, hä?!

Es klopft an meiner Tür, als ich gerade Placebo höre und versuche meine Gedanken abzu- stellen.

»Du hast Besuch«, höre ich Melittas Stimme.

Gleichdarauf stürmt Christopher herein. Ich bin ehrlich überrascht, den hier nochmal zu sehen. Der hat Nerven.

»Hallo«, sagt er laut.

Mann sieht der gut aus. Doc's, Cordhose mit Silbergürtel, schwarzes Shirt mit GOTHIC-Aufdruck, halblanger schwarzer Mantel, Schal und seine süß verstrubbelten Haare. Ich würd am liebsten gleich über ihn herfallen.

»Was willst du denn schon wieder?«

»Sehen, ob du heute besserer Laune bist.«

»Bin ich nicht. Sonst noch was?«

Er zieht seinen Mantel aus und schlendert in meinem Zimmer umher.

»Wenn dein Finger wieder ok ist...spielst du mir dann mal was vor?« fragt er und deutet auf mein Billigklavier.

Ich liebe das Teil, auch wenn's uralt ist und der Klavierstimmer Dauergast bei mir. Dafür war es umsonst. Naja, wer gibt auch schon Geld aus für ein knallgrünes Klavier, das aussieht, als käm es direkt aus einem Westernsaloon? Habs weiß und Gold gestrichen, damit es zu meinem alten Vitrinenschrank paßt. Den hab ich übrigens vom Sperrmüll. Wie fast alle Möbel.

Was Leute so alles wegwerfen! Da stand dieser kotzgelbe Schrank mit Löwenfüßen und kaputtem Glas. Jetzt steht der bei mir ist weiß mit gold und sieht gnadenlos geil aus. Bin ein ausgesprochener Kitschfan. An meinen Wänden hängen Engel-und Heiligenbilder. Außer Schrank und Klavier hab ich noch einen Schreibtisch mit Computer usw, ein paar Regale auf denen sich Bücher türmen und ein weißes Nachttischchen von meiner Oma mit Kerzenhalter und Räucherstäbchen. Schlafen tu ich nebenan, da ist es so eng, dass echt nur mein Bett reinpaßt und ein Schrank für meine Klamotten.

Meine Oma, die ich sehr gern habe, weil sie in ihrem Alter immer noch eine verdammte Diva ist und wahnsinnig lustig und süß, sagte, dass ich in einem Mädchenzimmer wohne...ob mit mir alles in Ordnung sei?! Naja und als ich ihr dann erzählte, dass ich »nur« schwul bin, ist sie aus allen Wolken gefallen, hat die Hände überm Kopf zusammen geschlagen und fragte, ob ich mich in meinem Körper denn nicht wohl fühle? Dann hab ich ihr ganz genau erklärt, was mit mir los ist und sie war beruhigt, dass ich mich nicht irgendwann in eine Enkelin verwandle. Jedenfalls hat sie tausend Bücher zum Thema Homosexualität gelesen, mir gesagt, sie liebt mich und wenn sie mich akzeptiert wie ich bin, könne es meine Mutter ja wohl auch. Leider kommt das bei meiner Mutter nicht an.

»Schönes Zimmer«, bemerkt Christopher und setzt sich auf Anneliese, einen rosageblümten Polstersessel mit Fransensaum.

»Danke.«

»Und...was treibst du so?«

»Mich langweilen, kann ja mit dem Finger nicht viel machen.«

»Wie lange dauert das denn noch?«

»Vier, fünf Wochen bestimmt«, seufze ich.

»Hier«, er kramt eine Packung Apfel-Zimt-Tee aus seinem Rucksack, »den wollte ich gestern schon mit dir trinken aber...naja, lassen wir das.«

Ich verschwinde in die Küche, kümmere mich um den Tee und muß mir von Mom schon wieder irgendeine Scheiße anhören. Dass ich bloß keine Jungs anschleppen soll und wer ist das überhaupt und warum kann ich nicht normal sein.

Hallo?? ICH BIN NORMAL!!!

Dann sitzen Christopher und ich auf dem Boden, trinken Tee und reden. Er erzählt von sich, seinem Bruder Frederick, was in der Schule so läuft. Ich erzähle von mir...nichts Wichtiges, nur ganz allgemeine Sachen. Wir reden über Musik, Bücher, Filme, welche Disco ganz ok ist usw.

Mh, ich mag seine Stimme. Die ist ganz weich und angenehm leise. Seine Hände sind schön, er trägt schwarzen Nagellack. Finde ich normalerweise eher tuntig aber bei Christopher sieht es einfach nur toll aus. Er hat auch schwarzen Kajal an den Augen und sieht damit umwer-fend aus...nicht die Spur tuckig.

»Du scheinst sehr auf diesen ganzen Gothickram abzufahren«, sage ich und nippe an meinem Tee.

»Du nicht? Ich meine, deine CD's sind ja auch eher düster und sagtest du nicht, dass du ins SIL gehst? Da hängen doch nur solche Freaks rum.«

»Ich stehe halt auf die Musik aber ich trage keine Pentagramme oder umgedrehte Kreuze und in meinem Schrank hängen nicht nur schwarze Klamotten.«

Er zuckt die Schultern. »In meinem auch nicht...aber überwiegend«, grinst er.

Oh ich werd verrückt! Christopher hat eine kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen... sowas macht mich extrem an.

»Ich finde das alles schon ganz nett aber die meisten Leute sind mir zu heftig, zu blöd und zu evil.«

»Geht mir auch so. Hey...du liest Poppy?« Er deutet auf LOST SOULS.

Ach du Kacke! Jetzt weiß er sofort Bescheid. Poppy schreibt immer über schwule Jungs. Interessant, dass er sowas kennt.

»Ein paar von den Büchern gehören Melitta. Das muß eins davon sein«, rede ich mich raus und werde zum Glück nicht sehr rot.

Plötzlich latscht Mom ins Zimmer, um zu verkünden, dass wir gleich essen. Ich will ihr den Schädel abhacken. Die macht so eine Scheiße immer wenn ich Besuch habe, der keine Titten hat. Denkt die, dass ich sofort mit jedem Typen ins Bett gehe?

Das war eine rhetorische Frage!

Christopher steht auf. »Naja, ich werd dann mal los. Wenn du Lust hast, komm doch mal bei mir vorbei oder ruf an. Vielleicht können wir auch am Wochenende mal weggehen?«

Er reicht mir einen Zettel mit Adresse und Telefonnummer.

»Ja, mal sehen.«

5

Dominik geht mir nicht aus dem Kopf. Schule war heute extrem anstrengend, weil ich vom Unterricht komplett nichts mitbekommen habe. Lorenz grinst mich die ganze Zeit blöde an und pfeift dieses bescheuerte Hochzeitslied. Manchmal ist der echt schwachsinnig. Ich weiß nicht, was ich von Dominik halten soll?! Gestern war er ja ganz verträglich, sogar nett...mann und wie süß der aussah. Diese verfluchten Rehaugen mit den goldenen Pünktchen drin. Der hat so viel Wärme in seinen Augen, dass er einen Eisberg zum schmelzen bringen könnte. Ich hoffe, er ruft mich an.

HAHA...Frederick hat von Mom eine schöne Standpauke bekommen. Die hat nämlich den Knutschfleck gesehen. Der Idiot, wieso trägt der keinen Schal wie jeder normale Mensch? Jedenfalls hat er Hausarrest und wenn sich seine Noten nicht bessern (was sie ja nicht können, wenn er sich nur für Mädchen interessiert!) kriegt der auch noch Nachhilfe aufgebrummt. Richtig so, Mom! Gut, dass sie nichts von den Pornos weiß, die er (klassischer geht es nicht) unter seiner Matratze versteckt. Gut, dass ich davon weiß und ihn somit in der Hand habe.

Nach der Schule sind Kathrin und Isi da, zwei Mädels, die ich im SIL kennengelernt habe. Isi ist echt krank. Die will andauernd ihr Blut auf meinem Grabstein vergießen. Ist die irre? So eine Sauerei. Ich verbiete es ihr auch heute.

Die beiden sind ganz süß, ich denke, die stehen irgendwie drauf, einen schwulen Freund zu haben. Außerdem kriegen die jedesmal glänzende Augen, wenn die mein düsteres Zimmer betreten. Was soll's...wenigstens versorgen die mich immer mit CD's und Büchern. Und ich erfahre, welche Mädchen aus'm SIL gerne mit mir ins Bett wollen. Es scheint, dass ich sehr umschwärmt bin. Leider sind keine Jungs dabei.

Außer meiner Familie wissen nur Kathrin, Isi und Lorenz, daß ich schwul bin...ich finde, das reicht. Nicht, dass ich unbedingt ein Geheimnis daraus machen will aber ich muß es ja nicht JEDEM gleich erzählen. Geht doch nur mich was an, oder?

Kathrin ist mir ein bißchen unheimlich. Als wir vorhin so über Piercings sprachen, faselte sie was von ihrem Intimglitzerstein und fragte, ob ich ihn sehen wolle?! Ich wußte gar nicht, was ich sagen sollte. Ich mag Piercings...aber nicht an so schlüpfrigen Stellen und was zur Hölle gehen mich Kathrins durchstochenen Schamlippen an?! Sie jedenfalls ist ganz hinge- rissen von meinem Glitzerstein im Nabel. Ich frage mich, ob Dominik das auch wäre...?

Jetzt bin ich endlich wieder allein, schlürfe heiße Schokolade und träume vor mich in. Das geht allerdings nicht lange, weil es klingelt. Erwähnte ich, daß Frederick und ich sogar unsere eigenen Klingeln an der Haustür haben? Hey, nur keinen Neid, ja?!

Ich drücke also mißmutig auf den Türöffner und renne die Treppe runter. Da steht sehr durchgefroren DOMINIK!

Mein Herz rast, meine Knie werden weich und vielleicht falle ich gleich ein bißchen in Ohn-macht.

»Hey...hallo.«

»Hi, ich war grad in der Nähe«, schnieft er.

»Echt?«

»Nee, ist gelogen. Läßt du mich trotzdem rein?«

Ich nicke, wir gehen nach oben.

»Ach du Scheiße...du hast nicht gesagt, daß du in einer Geisterbahn wohnst. Sowas hab ich ja überhaupt noch nie gesehen. Kriegst du hier nachts keine Alpträume?« Er schaut sich reichlich beklommen um.

»Hält sich in Grenzen. Magst du auch eine Schokolade?«

»Ja aber bitte extra heiß«, entgegnet er zähneklappernd.

Als ich mit der Schokolade zurück komme hat er es sich auf meinem Bett bequem gemacht. »Mh, muß ja geil sein so völlig alleine vor sich hin zu wohnen. Deine Eltern lassen dich hier echt in Ruhe?«

»Meine Mutter würde sich gar nicht rein trauen«, grinse ich.

»Ich dachte, du bist nicht so gruftig.«

»Hab gelogen. Was soll's...das ist schließlich nur ein Zimmer. Nebenan sieht's normal aus.«

»Wo hast'n den Grabstein her? Schlenderst du nachts über Friedhöfe und buddelst zum Spaß Leichen aus?«

»Klar und die esse ich dann auf, nachdem ich mich sexuell an ihnen vergangen habe. Ernst-haft...ich klaue nix von Gräbern. Ich veranstalte keine schwarzen Messen und der Grabstein war schon lange ausrangiert.«

»Auf alle Fälle hast du einen ganz schönen Hau.«

»Haben wir den nicht alle?« frage ich.

»Schon aber nicht unbedingt so.«

Ok, wir vertreiben uns die Zeit mit Internetsurfen, Musik hören, reden über alles und nichts und mit jeder Sekunde wird Nick süßer und ich will ihn küssen und ausziehen.

Seine Haare hängen ihm in den Augen und wenn er sie hinters Ohr streicht will ich an seinem Ohrläppchen knabbern. Mir ist so schwindlig wie schon lange nicht mehr, es wird immer schlimmer.

Draußen regnet und stürmt es, die Kerzen werfen flackernde Schatten an die Wände...scheiß romantische Stimmung!

»Mann, wenn das nicht aufhört komme ich überhaupt nicht mehr nach Hause. Ich hab keinen Bock nass zu werden und eine Grippe zu kriegen. Kackwetter«, schimpft er vor sich hin.

»Darf ich dich was fragen?«

»Klar.«

»Auf der Party...ich hab dich mit Lorenz gesehen, Lippe an Lippe.«

»Und?«

»Wieso?«

»Kennst du Lorenz gut?«

»Ich würde sagen, er ist einer meiner engsten Freunde.«

»Dann dürftest du wissen, dass er seit Monaten Amok läuft, weil er einen Jungen küssen will. Mich jedenfalls hat er deshalb ständig genervt und damit er mich in Ruhe läßt hab ich ihn geküßt.« Er sieht mich an. »Was ist DEINE Entschuldigung?«

Scheiße...hat der das noch mitgekriegt? Ich dachte, er wär schon weg gewesen.

»Mich hat er auch genervt. Außerdem hatte er Geburtstag.«

»Und...hat es dir Spaß gemacht?«

Ich verschlucke mich vor Schreck an meinem eigenen Speichel. »Nee.«

»Schön, mir nämlich auch nicht.«

Super, da weiß ich ja nun total Bescheid. Dass Leute sich nicht mal klar ausdrücken können. Er steht auf und schaut eine Weile aus dem Fenster. Gott sieht das umwerfend aus. Ich stelle mich mit Wackelpuddingbeinen neben ihn und atme schwer.

»Nick?«

»Mh?«

»Ich weiß, dass du mir vermutlich gleich ins Gesicht schlägst aber...«, ok, nochmal tief Luft holen, »ich...ich möchte Sachen mit dir machen.«

Toll, dass ich noch derartige Beknacktheiten von mir geben kann.

»Sachen? Was denn für Sachen? Meinst du zusammen abhängen, ausgehen und so?«

Mir wird unerträglich heiß. Sicher schwitze ich. »Ja, das auch aber ich meinte eigentlich so-was, was man mit Mädchen macht...äh, was Jungs mit ihren Freundinnen machen.«

Ich will augenblicklich mein Testament machen und mich totschlagen.

Er scheint angestrengt zu überlegen und sieht mich an. »Weißt du, ich will auch...Sachen mit dir anstellen. Allerdings denke ich dabei nicht an Mädchen.«

»Äh...?«

Dominik lehnt seinen Arm an die Wand und beugt sich ein Stück vor, so dass sein Gesicht nah an meinem ist. Seine Haare duften schwach nach Mandeln, sein Atem riecht nach Zimt. Mhhhhhh...lecker. Der ist so süß wie ein verdammter Weihnachtskeks.

»Ich will das mit dir machen, was verliebte Jungs so miteinander treiben.«

Nee nee, ich hab mich sicher verhört oder er verarscht mich.

»Ich hätte das ja nicht erwähnt aber wo du damit schon angefangen hast...«

Wie jetzt?! »Soll das heißen...ich meine, was soll denn das heißen? Bist du...sind wir...äh...?« Ich schwitz mich kaputt.

»Noch nicht ganz«, flüstert er, streicht mit dem Finger über meine Wange und legt seine Hand schließlich auf meine Hüfte. Mir wird summselig und brummselig, alles kribbelt.

Er zieht mich sanft an sich und küßt mich auf den Mund. Ich spüre seine Zunge und seinen warmen Atem...er schmeckt nach Zimtschokolade.

Nach dem Kuß leckt er sich die Lippen und lächelt...in mir brodelt es. Taumelig lasse ich mich aufs Bett fallen und bleibe auf dem Rücken liegen. Sicher bin ich unbemerkt gestorben und schon längst im Himmel. »Wow.«

Dominik gesellt sich zu mir. »Hab ich dich jetzt echt so umgehauen?« grinst er.

»Allerdings«, entgegne ich total verzaubert, setze mich langsam auf und lehne meinen Rücken an die Wand. Nick kuschelt sich in meinen Arm.

Das kann doch nur ein Traum sein. Wach auf, Christopher!

»Kannst du mich bitte mal kneifen...ich glaub's grad nicht.«

»Ich weiß was Besseres«, flüstert er und knabbert an meinem Hals, bevor er einmal kurz fest zubeißt.

»AU!«

Er kichert und knabbert weiter während ich durch seine Haare wusle und seinen weichen Nacken streichle.

Sein Arm wandert über meine Brust, seine Lippen über meine Kehle, er reibt sein Gesicht an meiner Brust bis sein Kopf schließlich an meinem Bauch ruht. Das heißt, der ruht eigentlich nicht, genausowenig wie seine Hände, die an meinem Gürtel friemeln. Ich kraule weiter seinen Nacken und höre ihn...oh mein Gott...schnurrt der etwa? Klingt DAS süß!! Als er den Gürtel geöffnet hat, sein Kopf noch tiefer sinkt und er sich an den Knöpfen meiner Hose zu schaffen macht, geht mir das dann allerdings doch irgendwie arg schnell. Ich stoppe ihn. »Ist es dafür nicht noch ein bißchen früh?«

Er hebt seinen Kopf, sieht kurz zum Fenster und grinst. »Wieso? Draußen ist es schon dunkel.«

»Ich meine, wir kennen uns wie lange? Zwei Sekunden?«

»Mehr als genug, um zu wissen, dass ich grad jetzt sehr verrückt nach dir bin«, erklärt er, setzt sich rittlings auf meinen Schoß und zieht mir das Shirt aus.

Ich weiß ja gar nicht wie mir überhaupt geschieht als er seins auch noch auszieht und zwar sehr langsam. Seine rechte Hand legt sich auf meine Brust, die linke greift nach meiner Hand und legt sie auf seine Brust.

»Spürst du das? Mein Herz klopft genauso.«

Benommen lasse ich meine Hand sinken und hab keine Ahnung, was zu tun ist. Er weiß das anscheinend ziemlich genau, weil er ein bißchen auf mir rumrutscht, sich aufrichtet, die

Hose aufknöpft und meine Hände auf seine Hüften legt. Er sinkt zurück auf meinen Schoß. Mein Schwanz ist so hart, dass es mir schon fast peinlich ist.

»Faß mich an«, haucht er, bevor er mich küßt.

Ich schiebe meine Hände in seine Hose, greife an seinen Hintern, während Nick sich langsam auf und ab bewegt.

Nach einer Weile unterbricht er den Kuß, rückt von mir weg und zieht an meinen Beinen, damit ich flach auf dem Rücken liege.

»Hey...das gefällt mir«, lächelt er und streicht über den Glitzerstein in meinem Nabel.

Mir gefällt ALLES, was er macht. Allerdings...au je. Nachdem er mir die Hose ausgezogen hat schäme ich mich zu Tode. Ich meine, ich liege gerade völlig nackt vor ihm mit einer Erektion bis zum gehtnichtmehr. Wie bitteschön sieht das denn aus? Ich versuche also irgendwie meine Arme geschickt vor meinem Körper zu drapieren, doch er läßt mich nicht. Er drückt meine Handgelenke auf die Matratze und beugt sich über mich.

»Ich mag dich ansehen...du bist wahnsinnig hübsch«, flüstert er.

Hat der was an den Augen? Ich finde mich zwar nicht gerade häßlich aber sicher auch nicht wahnsinnig hübsch. Viel zu dürr, man kann meine Rippen ganz deutlich sehen und meine Hüftknochen stehen eklig hervor.

Ihn scheint das aber gar nicht zu stören, sehr zielstrebig wandern seine Lippen zu meinem Schwanz und dort müssen sie sich gar nicht großartig anstrengen...ich komme schon nach kurzer Zeit. Wow!!

Nachdem ich ihm einen geblasen habe, was nebenbei unglaublich war, zieht er sich plötzlich ratzfatz an.

Hallo? Was hat das denn zu bedeuten? Ich möchte vielleicht noch knutschen und kuscheln! Er wohl nicht. Möglicherweise steht er nicht drauf oder das alles hat ihm doch nicht gefallen.

»Willst...willst du schon gehen?« frage ich reichlich bedröppelt.

Er nickt. »Ja, es regnet grad nicht und...und morgen ist Schule. Ich muß früh raus.«

»Ok, bis...wann sehen wir uns wieder?«

»Ich ruf dich an«, sagt er und verschwindet.

Was ist DAS denn bitte für eine abgefuckte Art?

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