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Accident

Teil 2

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Inhaltsverzeichnis

6

Au mann...bloß schnell weg hier! Ist ja nicht die feine Art, sich einfach so zu verpissen aber ich kann nicht noch stundenlang mit ihm hier rumliegen und kuscheln. Ich kann ein- fach nicht.

Zuhause werfe ich mich sofort ins Bett, muß an Christopher denken und fühle mich sterbens-elend. Er ist hinreißend, schnucklig und es war ein phantastischer Abend. Hätte nie gedacht, dass sowas passieren würde mit ihm.

Als der so nackt vor mir lag, ich glaube das war ihm ziemlich unangenehm. Ganz verschämt hat er seinen Kopf weggedreht und versucht seinen Körper zu bedecken. Das war wohl das Süßeste, was ich bis jetzt gesehen habe.

Ich war ehrlich überrascht und zwar über mich selber. Normalerweise übernehme ich beim Sex nicht die Führung. Niemals. Ganz im Gegenteil wuseln mir ständig total bescheuerte Gedanken durch den Schädel, die mich hemmen. Bei ihm nicht.

Christopher ist...TOLL!! Und deshalb mußte ich weg. Macht das irgendwie Sinn? Nein? Finde ich auch. Trotzdem. Ich hab ihm einen geblasen, er hat mir einen geblasen - das war's.

Ich will ihn nicht wiedersehen.


Juhu!!!

Der blöde Verband ist ab. Mein Finger tut allerdings trotzdem noch weh. Die Chirurgin meinte, ich solle ihn in Kamille baden. Alle anderen sagen, dass der Finger gar nicht so schlimm aussieht. Blödärsche! Da tummeln sich Blutergüsse, er ist saumäßig geschwollen und man sieht genau, wo die Fäden waren.

Jedenfalls sitze ich jetzt schön in meinem Zimmer, halte wie bekloppt den Fittich in warmes Kamillewasser und freue mich auf den Besuch bei meiner Oma in zwei Stunden. Da muß ich dann wenigstens nicht so schrecklich viel an Christopher denken, den ich natürlich noch nicht angerufen habe. Wieso auch? Ich will ihn ja nicht mehr sehen.

Ivana lästert über mich! Diese Kuh. Was bitte hab ich der getan? Wir kennen uns seit der Grundschule, waren immer unzertrennlich und auf einmal sagt sie, dass ich ein Kotzbrocken bin. Nur weil ich nicht auf sie stehen...ich fasse es nicht. Ich glaube, die ganze Welt ist irre.

»Was ist? Können wir los?«

Melitta steht ungeduldig in der Tür.

Ich schmiere meinen Finger dick mit Salbe ein, pappe vorsichtig ein Pflaster drumrum und fahre mit ihr zu Oma.

Leider fällt das Privatkonzert heute aus. Meine Oma besitzt nämlich ein Cembalo, was sehr viel schöner klingt als mein ippeliges Klavier und sie liebt es, wenn ich spiele. Naja... Zweimal im Monat besuchen Melitta und ich sie, essen ihre selbstgemachte Schokosahnetorte und erzählen ihr, was es so Neues gibt.

Leider gibt's heute davon eher wenig und Oma ist auch sofort beunruhigt. Versucht mich trickreich auszufragen, versucht Melitta trickreich auszufragen aber Letztere weiß ja eh nix. Ich muß die ganze Zeit an einen schwarzen Strubbelschopf denken, an blaugraue Knister-augen und wahnsinnig süße Lippen. An Hände die meinen Nacken streicheln und einen glitzernden Stein im süßesten Bauchnabel der Welt. GRRRRR...jetzt bloß nicht schwach-sinnig werden.

Nach dem Oma-Besuch versuche ich erstmals seit dem Unfall ein bißchen auf'm Klavier rumzuklimpern. Es geht einigermaßen, wenn mein Finger nirgends dranstößt. Trotzdem...das spielen bringt's heut nicht. Nichts bringt heute irgendwas. Ich fühle mich...mh, ich glaub, ich fühl mich gar nicht. Komischer Zustand, sehr sehr unangenehm.

Mir fällt auf, dass ich kein Leben habe aber schrecklich gerne eins hätte. Ich gehe zur Schule,spiele Klavier, gehe manchmal am Wochenende aus aber...irgendwas fehlt. Wo ist der Spaß?

Mann, bin ich eine Jammersuse! Kein Wunder, dass alle mich hassen. Mit mir kann man es ja nicht aushalten.


Ich fasse es nicht! Sven die Arschgeige hat sich doch echt erdreistet Lorenz über mich auszufragen. Was bildet sich der Penner ein? Wichskopp, blöder. Hat gefragt, wie's mir geht und gemeint, Melitta solle sich zurückhalten und seine Freundin nicht so dämlich anmachen. Haha...als Krönung ist er sich sicher gesehen zu haben, dass ich auf der Party geheult habe. Ich muß mich sofort einpissen. Ok ok, ich hab geheult, als er Schluß gemacht hat aber in der Öffentlichkeit kann ich mich ja wohl zurück halten. Ist der vielleicht von sich eingenommen. Lorenz hat ihm jedenfalls gesagt, dass er mich selbst fragen soll, wenn er was wissen will. Die Mistsau hat von mir nichts mehr zu erwarten. Total ausgelöscht ist der für mich.

Alles andere als ausgelöscht sind meine Gedanken an die wahnsinnige Nacht mit...schluck... Christopher. Grrr...wieso spukt der mir immer noch im Schädel rum?!

Jaja, ich hab ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil ich ihn noch nicht angerufen habe. Was soll's...sicher sitzt der nicht tagtäglich am Telefon und wartet nur auf mich. Der hat doch bestimmt an jedem seiner süßen Finger zehn Typen, die für ihn sterben würden.

Hatte mit Mom mal wieder ein sehr unschönes Gespräch, weil ich beim Einkaufen einem hübschen Jungen nachschauen mußte. Wieso ich nicht und warum ich denn nur und ob ich nicht vielleicht doch mit Mädchen...blablabla. Ich kann's nicht mehr hören. Eigentlich ist Mom ganz ok nur beim Thema Jungs macht sie so einen Aufstand. Seit sie weiß, dass ich aller Voraussicht nach schwul bin hat unsere Beziehung einen ganz schönen Knacks. Ich hätte die Klappe halten sollen. Genauso wie bei Ivana. Mann, ich vermisse sie. Wieso ist aus ihr bloß so eine kleine Pestbeule geworden?! Ich mag Jungs und sie mich nicht mehr...das sagt doch viel über unsere vorherige Freundschaft aus, richtig?!

Gestern ist mir vor Geilheit beinahe schlecht geworden. Ich meine jetzt nicht wirklich Geil- heit sondern...ich war einfach nur wahnsinnig scharf drauf, jemanden zu küssen. Ich dachte echt, wenn ich nicht küssen kann muß ich sofort sterben.

Was soll ich sagen...ich lebe noch und bin unglücklich. Oh, was ganz Neues. HAHAHA!! Blöderweise muß ich immer alles Mögliche mit Schokolade essen, wenn ich deprimiert bin und auch wenn nicht. Kacke...ich werde als Dickmops enden. Hab mir heute schon wieder Schokokuchen und Milka-Cremissimo reingezogen.

Mh, bei Christopher sieht man ganz deutlich die Rippen...bei mir nur noch, wenn ich mich strecke und Hüftknochen hab ich fast gar nicht mehr. Puh aber diäten wie Melitta...Ohgott! Und wenn die Klamotten nicht mehr passen...who cares?

Da mir ausgesprochen langweilig ist beschließe ich Lorenz zu besuchen. Vielleicht hat der Neuigkeiten von der Arschgeige. Ich schwinge mich also bei Minustemperaturen aufs Rad und hoffe, dass Christopher nicht unterwegs ist, um mich erneut umzunieten.

Glück gehabt. Bin heil angekommen. Lorenz ist zwar da aber gerade im Aufbruch.

»Was hast'n vor?« frage ich.

»Ich will ins Krankenhaus.«

Ach du Scheiße, schon das Wort finde ich eklig.

»Ist wem was Schlimmes passiert?«

Er sieht mich eigenartig an. »Ich will Christopher besuchen.«

Ich hab plötzlich ein sehr komisches Gefühl im Kopf, so als wär mein Gehirn irgendwie ver-rutscht. Mir ist auch schlecht und ich hab Herzstechen.

»Christopher«, japse ich, »wieso Christopher?«

»Na, weil der im Krankenhaus liegt«, erklärt er, als sei ich spontan blöd geworden.

»Ja aber wieso? Was hat er denn? Und warum weiß ich davon nichts? Wieso zum Arsch sagt mir das keiner?« kreische ich.

Lorenz legt seine Hände auf meine Schultern. Ich rechne mit dem absolut Schlimmsten und will fast losheulen. Ich glaub, mein Herz steht still.

»Reg dich ab...er bekommt nur die Mandeln raus. Heute war die Op.«

Oh ok...mein Herz ruckt und schlägt wieder. Mandeln...das ist nicht schlimm, oder? Ich meine, dabei stirbt man nicht. Vielleicht ist der Arzt aber besoffen und macht Fehler oder der hat einen schlechten Tag und macht Fehler. Was weiß ich? Besser ich überzeuge mich selbst davon, dass es ihm gut geht.

»Ich komme mit.«

»Um sein Händchen zu halten, wenn er aufwacht?« flötet Lorenz, klimpert mit den Augen und summt dieses dämliche Hochzeitslied.

So ein Blödsack!

»Na komm schon, Schätzchen«, grinst er.

Nachdem wir uns im Krankenhaus zu Christophers Zimmer durchgefragt haben treffen wir auf dem Flur seinen Bruder Frederick. Der erzählt, dass Christophers Mandeln weg sind, er schon wieder halbwegs wach ist aber doch nicht so genau weiß, was los ist.

»Der ist noch total daneben, Mom tätschelt ihm gerade die Stirn.«

»Können wir rein?« fragt Lorenz.

»Ja, ich glaub schon«, zuckt Frederick die Schultern. »Ich fahr nach Hause. Man sieht sich.«

Leise betreten wir das Zimmer. Da liegen noch zwei andere Jungs, die mir allerdings sehr schnuppe sind. Lorenz legt der Frau an Christophers Bett eine Hand auf die Schulter.

»Hi«, sagt er leise.

»Lorenz...hallo. Er ist gerade wieder eingeschlafen. Ich muß mal eben zur Schwester.«

Sie steht auf und geht an mir vorbei. Ich glotze etwas unkomfortabel auf den Boden, stelle mich aber schließlich an sein Bett.

WOW, ist der blaß. Ich hab das dringende Bedürfnis seine Wange zu berühren, lasse es aber. Nach einigen Minuten öffnet er langsam seine Augen. Verschwommen blickt er uns an.

»Na du«, lächelt Lorenz.

Christopher hebt matt einen Arm, der sofort wieder aufs Bett sinkt. Jetzt habe ich das sehr dringende Bedürfnis seine Hand zu halten, lasse aber auch dieses.

»Schau mal, was ich dir mitgebracht hab.«

Lorenz stößt mich ans Bett, ich muß mich abstützen, damit ich nicht auf den armen kranken Christopher falle.

»Tschuldigung«, murmel ich und werde rot.

Dann macht Lorenz ein paar Scherze über gebrannte Mandeln, faselt vor sich hin, während Christopher sich schlapp aufrichtet. Er sieht mich an und ich hab plötzlich so ein übles Summen in den Ohren. Meine Knie werden etwas weich also setze ich mich auf die Bettkante.

»Wie...wie geht's dir denn?« frage ich leise.

»Mir ist schlecht«, antwortet er röchelig und sieht mich schon wieder so verträumt an.

»Mir ist...ich muß...«, hektisch deutet er auf seinen Nachttisch.

Wenn ich nur wüßte, was er will.

Eine halbe Sekunde später weiß ich es. Er würgt. Die Nierenschale! Blitzschnell halte ich sie ihm unter den Mund. Leider ist er noch ziemlich unkoordiniert und ein bißchen geht daneben...auf meine Hand.

Ich fühle mich total angeekelt aber was soll ich machen? Er sieht so elend aus, muß sich so anstrengen, dass ich mitleidig seine Stirn halte, ihm die Haare aus dem Gesicht streiche und das ausgekotzte Blut auf meiner Hand ignoriere.

Lorenz ist rausgelaufen. Weichei!!

Nachdem Christopher fertig ist stelle ich die vollgekotzte Schale weg, wische ihm mit einem Lappen durchs Gesicht und mir die Hände sauber.

»Tut mir leid«, stöhnt er.

»Schon ok.«

Lorenz kommt zurück mit einer Schwester, die an Christophers Tropf rumfriemelt. Der ist inzwischen weggedöst (Christopher, nicht der Tropf). Seine Mutter ist wieder da und schaut uns an. »Ihr geht jetzt besser. Morgen ist er sicher gesellschaftsfähiger.«

Lorenz nickt aber ich will nicht gehen. Ich will seinen Schlaf bewachen, darf allerdings wohl nicht.


»Hey.«

Christopher sitzt im Bett und löffelt Eis. Er sieht besser aus, nicht mehr ganz so blaß.

»Hallo. Setz dich...oder hast du Angst, daß ich dich nochmal vollkotze? Tut mir echt leid, ich war noch total von der Rolle. Hoffentlich hast du dich nicht zu sehr geekelt.«

»Nee«, lüge ich, rücke einen Stuhl zurecht und setze mich. Dann weiß ich nicht mehr, was ich sagen soll und schweige vor mich hin. Schaue ihm allerdings verstohlen beim Eis schlecken zu.

»Und...wo sind meine Geschenke?«

»Hä?«

Er grinst. »Naja, wenn man einen Krankenbesuch macht bringt man doch immer was mit. Blumen, Konfekt und Traubensaft.«

»Tut das nicht noch zu weh im Hals?«

»Doch aber...du darfst mir gleich noch Eis holen. Und eine Zigarette. Bin total auf Nikotin-entzug.«

Ich schüttel den Kopf. »Wie lange mußt du denn noch hier bleiben?«

»Bis Ende der Woche. Willst du dich mit mir verabreden oder warum fragst du?«

»Äh...« Ich fange an zu schwitzen.

»Schade. Ich bin ehrlich überrascht, dass du mich besuchst. Bist ja neulich ziemlich schnell weg.«

»Hm-hm.«

»Hey, ich muß mich noch schonen also wäre es schön, wenn du mir nicht die ganze Konver-sation überläßt.«

»Tut mir leid.«

»Nick, wieso bist du hier?«

»Ich...ich wollte sehen, wie es dir geht.«

»Ah.«

Mir wird irgendwie unangenehm. Umständlich stehe ich auf. »Ja, ich muß dann auch mal wieder los. Ich...ich ruf dich an, ja?«

»Klar. Wenn du's nicht vergißt.«

»B-Bis dann«, stottere ich noch.

7

Noch mehr Eis und ich kotze.

Dass aber auch alle Leute meinen, sie müßten mir Eis mitbringen. Ist ja nett aber...ich mag nicht mehr. Ich will nach Hause, gehe vor Langeweile fast ein, obwohl Isi und Kathrin mich jeden Tag besuchen, Mom sowieso und Lorenz und WOW Nick! Was der allerdings wollte weiß ich nicht so genau. Ich nehme an, er auch nicht. Was soll denn das bitte? Bläst mir einen, läßt sich von mir einen blasen, verpißt sich danach, meldet sich nie und plötzlich steht er an meinem Krankenhausbett. Macht auf besorgt, als wären wir die engsten Freunde. Verstehe ich nicht, tut mir leid.

Mann, nach der Op war mir so übel, weil ich ständig Blut schlucken mußte, ich hab gekotzt und obwohl ich ziemlich weggetreten war bemerkt, dass Nick mir die Stirn gehalten hat und die Kotzschale und dass ich ihm auf die Hand gebrochen habe. Wie peinlich, oder? Oh aber wie rührend von ihm. Ich glaub nicht, dass Isi oder Kathrin das getan hätten. Lorenz sicher nicht.

Die erste Zigarette nach der Op war Hölle. Hat geschmeckt wie ein alter, stinkender Strumpf und weh getan als hätte ich Rasierklingen gefressen. Jetzt tut der Hals zwar immer noch weh aber es ist auszuhalten und morgen darf ich nach Hause sagt der Doc.

Die beiden Jungs hier in meinem Zimmer sind echt süß, leider hängen ständig deren Freundinnen bei ihnen rum. Schade. Besonders Sascha könnte mir gefallen. Der steht auf die UNTOTEN. Jaja, er findet natürlich Greta geil, weil die immer halbnackt auf der Bühne rumhopst. Trotzdem, wir haben Telefonnummern und e-mail Adressen ausgetauscht, wollen vielleicht mal zusammen ausgehen.

Mom gluckt um mich rum als hätte ich die schlimmste Krankheit auf der Welt, was mir ein klitzekleines bißchen peinlich ist. Die zwei Jungs machen sich andauernd lustig darüber.


Ahhhhh...endlich wieder in meinem eigenen Bett schlafen!! Ich liebe mein Zimmer. Frederick hat als Überraschung eine Gummifledermaus mir rotglühenden Augen über mein Bett gehängt. Kleine Brüder sind halt doch nicht nur Nervensägen. Mom sagt, ich müsse mich aber unbedingt noch schonen...Schule fällt noch für ein paar Tage aus. Wenn sie meint. Gerade will ich mich in meine Decke kuscheln, mir »From Hell« ansehen als ich eine weitere Überraschung erlebe. Es klingelt, es kommt jemand die Treppe hochgestapft, es ist Dominik.

WOW! Ach du Scheiße...ist das Eis in seiner Hand? Mir wird schlecht.

»Hallo«, sagt er leise, »störe ich?«

»Nee aber das Eis.«

»Hä?«

»Vergiß es und komm rein.«

Mann sieht der toll aus. Zimthaare, Killerlächeln, gerötete Wangen, Ringelschal, Cordhose, schwarzes Shirt. Mhhh und wie er riecht! Ich muß mich sofort erinnern, daß ich seit mindestens soundsovielen Wochen nicht mehr geküßt habe, von anderen Dingen ganz zu schweigen, und werde augenblicklich ultranervös.

Trotzdem...der Penner. Kann der sich vielleicht erstmal entschuldigen für sein total be- hämmertes Verhalten?!

Ich lege mich unter meine Decke, er setzt sich auf den Boden. Ist der schwachsinnig?!

»Was macht der Hals?«

»In Ordnung...dein Finger?«

»Ok«, sagt er und streckt mir seinen Fittich entgegen. »Ich glaub, der Nagel wächst.«

Jaaaa...wahnsinnig interessant.

»Klavierspielen geht auch schon wieder ein bißchen.«

»Aha.« Ich gähne verstohlen.

»Bist du müde? Soll ich lieber gehen?«

»Möchtest du denn gehen?«

»Äh...wenn dir das lieber ist.«

Ach du Kacke...das hier führt ja wohl irgendwie zu gar nichts.

»Darf ich dich was fragen?«

»Sicher«, nickt er.

»Was ist eigentlich los mit dir?«

»Mit mir? Wieso?«

»Wir hatten Sex, ok. Du haust einfach ab, nicht ok. Du sagst, du rufst mich an, tust es aber nicht und jetzt bist du hier. Warum?«

Er rutscht nervös hin und her. »Ich...ich wollte anrufen aber ich hatte so viel Streß und...und... äh...tut mir echt leid.«

»Ich will einfach nur wissen, woran ich bei dir bin.«

Naja...eigentlich will ich ihn flachlegen aber das traue ich mich nicht ihm zu sagen. Eigent-lich will ich ihn auch gar nicht flachlegen...nicht nur. Er soll endlich zu mir unter die Decke kommen, damit ich mich in seine Arme kuscheln kann. Ich möchte ihm nah sein. Ganz nah.

»Ich wollte mir gerade 'From Hell' ansehen. Magst du mitkucken?«

»Äh...ja klar.«

»Ok«, seufze ich, »wenn es dir auf dem Boden da bequem genug ist...ansonsten hab ich hier noch Platz.«

Nick braucht einige Sekunden, dann kraucht er zu mir auf die Matratze. Ich drücke den Play-knopf der Fernbedienung, warte, dass er sich vielleicht doch noch an mich kuschelt, was er nicht tut und bin die nächsten zwei Stunden etwas gefrustet. Nick bewegt sich keinen ver-fluchten Millimeter. Zwar hab ich ihn in der Nähe aber längst nicht so, wie ich es gerne hätte.

Traut er sich nicht? Mag er mich nicht? Hab ich AUSSCHLAG oder was?? Beim blasen war der nicht so zurückhaltend. Und wenn es ihm nur um Sex ging, warum ist er dann jetzt hier?

»Möchtest du ein Stück Decke haben?« frage ich in der Mitte des Films.

»Hm-hm«, macht er ohne mich anzusehen.

Gott, der ist echt anstrengend. Ich wurschtel also die Decke über ihn, greife darunter nach seiner Hand, die er zum Glück schon mal nicht wegzieht. Seine Finger sind ganz weich, ich würde sie gerne küssen. Jeden einzelnen.

»Au.«

»Was?«

»Das tut noch weh...der Finger...«

»Entschuldige, hab nicht dran gedacht.«

»Schon ok«, murmelt er und bringt seine Hand in Sicherheit. Großartig!

Dann ist plötzlich der Film zuende, Nick macht Anstalten aufzustehen. Jetzt oder nie! Blitzschnell werfe ich mich in seine Arme.

»Ähem...«

»Ich will dich küssen, Nick.«

»Äh, ja ok aber...«, er windet sich, »ich muß eigentlich jetzt nach Ha...«

»Nein«, unterbreche ich ihn und lege meinen Finger auf seine Lippen, »ich will dich küssen, Nick.«

Sanft streiche ich ihm über die Wange, berühre mit meiner Nasenspitze seine, lege meine Hand in seinen Nacken und küsse ihn auf den Mund.

Tausend Sonnen explodieren soeben!!

Zuerst knabbere ich ein wenig an seiner Lippe, nuckel ein bißchen und schiebe schließlich sehr vorsichtig meine Zunge in seinen Mund. Seine Zunge scheint gelähmt zu sein, ich muß sie mehrmals leicht antippen bevor sie anfängt meine zu umschlängeln. Das macht sie dann allerdings so gut, dass ich mich wegschmeißen will vor Geilheit. Ich versuche dennoch das zu ignorieren, weil ich genau jetzt der glücklichste Mensch der Welt bin und nichts anderes brauche als seine Küsse, seinen warmen Atem, der sich mit meinem vermischt, seine Hände, die endlich endlich über meinen Rücken streichen und mich ganz fest halten.

Wir küssen, knabbern, lutschen, nuckeln; meine Lippen wandern über seinen Hals, meine Zähne spielen sanft mit der weichen Haut. Seine Hände spielen mit meinen Haaren, streicheln meinen Nacken und bescheren mir eine wahnsinnige Gänsehaut.

Ich weiß nicht wie lange wir einfach nur knutschen...sicher sind es Stunden. Meine Lippen sind jedenfalls ziemlich geschwollen, seine sehen auch nicht anders aus. Sein Kopf sinkt auf meine Brust, ich schlinge meine Arme um ihn, schließe meine Augen und lausche seinen ruhigen Atemzügen.

»Scheiße«, zischt es entfernt. Benommen strecke ich mich ein wenig, spüre einen weichen

Körper, der sich bewegt und öffne meine Augen.

»Was ist denn?« murmle ich.

»Wir sind eingepennt. Ich muß nach Hause«, entgegnet Nick hektisch.

»Du kannst hier schlafen.«

»Geht nicht...morgen ist...«

»Sonntag. Nick, wo ist das Problem?«

»Ich kann doch nicht einfach hier...ich meine, ich bin doch gar nicht darauf vorbereitet«, antwortet er etwas unglücklich.

Mann, so viel Streß direkt nach'm Aufwachen.

»Ok, ich hab im Bad eine steril verpackte Zahnbürste und saubere Klamotten kannste auch von mir haben. Jetzt horch doch mal ganz tief in dich hinein. Willst du hier mit mir kuscheln oder raus in die Kälte, mh?«

»Ich weiß nicht«, flüstert er.

»Komm mal her«, flüstere ich ebenfalls, ziehe ihn in meine Arme und halte ihn fest, damit er sich nicht mehr bewegen kann. »Ich lasse dich nicht weg, Nicki.«

»Nein?«

»Nein«, sage ich leise und küsse ihn.

Meine Hand wandert unter sein Shirt...seine Haut ist weich wie Watte...langsam umkreise ich mit dem Finger seine Brustwarze, berühre sie ganz leicht mit der Fingerspitze. Nick zieht scharf die Luft ein und streckt mir seinen Oberkörper entgegen. Nachdem ich ihm das Shirt ausgezogen habe küsse und lecke ich jeden Millimeter seiner Sahnehaut während meine Finger seine Hose öffnen, hineingleiten und sich mit seinem harten Schwanz beschäftigen.

Nick stöhnt leise, was mich total irre macht. Das klingt so unverschämt sexy. Ich muß mich an ihm reiben und bin schon fast soweit, einfach nur, weil ich ihn anfasse. Wow! Innerhalb weniger Sekunden verwandeln wir uns in zwei wilde Tiere, zerren an restlichen Kleidungsstücken, pressen uns aneinander, knutschen, grapschen, wuscheln in Haaren, knabbern, lecken und kommen so heftig, daß wir uns wahnsinnig küssen müssen, um den Geräuschpegel einigermaßen niedrig zu halten.

Nick liegt auf dem Rücken, den Arm über seinen Augen. Ich kuschel mich an ihn, reibe mein Gesicht an seinem warmen Hals und knabbere an seinem Ohrläppchen.

»Und du wolltest durch die Kälte nach Hause fahren«, grinse ich und puste ihm ins Ohr.

»Ja«, sagt er abwesend.

»Ja was?«

»Keine Ahnung.«

Na gut, da man sich anscheinend nur selten mit ihm vernünftig unterhalten kann küsse ich ihn einfach noch eine Weile. Ungefähr so lange bis wir wieder einschlafen.


»Hey...ist dein Süßer schon weg?« fragt Frederick als wir Sonntagmittag am Frühstückstisch sitzen.

»Was weißt du denn von irgendeinem Süßen?«

Mein Bruder verzieht sein Gesicht. »Mann ihr seid so laut gewesen, ich mußte mir Stöpsel in die Ohren stecken. Mom, kannst du bitte dafür sorgen, dass Christopher hier in Zimmerlaut-stärke vögelt? Ich bin schließlich jung und brauche meinen Schlaf.«

Mom ist über sein Vokabular nicht sehr erfreut und haut ihm kurz mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf.

»Erstens geht es dich gar nichts an, was dein Bruder mit wem auch immer in seinem Zimmer veranstaltet, zweitens will ich damit sowieso nichts zu tun haben und drittens hast du für die Mathearbeit morgen gelernt? Noch eine schlechte Note und du bekommst Hausarrest bis du mit deinem Abi fertig bist, Schatz.«

Frederick schluckt schwer.

»Und du, Christopher...wann stellst du uns deinen neuen Freund vor? Und warum ist er nicht zum Frühstück geblieben?«

»Er ist etwas schüchtern, glaube ich.«

»Das war er gestern aber nicht«, mischt Frederick sich ein.

Ich forme mit den Lippen das Zauberwort PORNO, was Mom und Dad nicht sehen, ihn aber dazu veranlaßt, heftig zu erröten und die Klappe zu halten.

»Wir haben nichts dagegen, dass du einen Freund hast und...äh...«, faselt Dad, »aber du weißt schon...Diskretion, ja?«

»Alles klar.«

»Ist er süß?«

»Mom.«

»Was? Das war eine ganz normale Frage. Warte mal...es ist nicht zufällig der schüchterne Junge, der dir im Krankenhaus die Brechschale gehalten hat?«

»Genau der. Danke, dass du mich an diese Peinlichkeit erinnerst.«

»Brechen nach einer Mandeloperation ist nichts wofür man sich schämen muß«, erklärt sie.

»Entschuldige Mom, ich esse gerade«, bemerkt Frederick angewidert.

Nach dem Essen überlege ich, Dominik anzurufen, entscheide mich aber dagegen. Der war heute Morgen echt unkuschelig, ist nach'm Aufwachen direkt abgehauen. Wenn das jetzt immer so weiter geht werde ich ihn wohl festbinden müssen. Überhaupt...sind wir nun zu- sammen? Kommt er nur her, wenn er Bock auf Sex hat? Kann der mir bitte mal irgendetwas Konkretes sagen??

8

Super...Mom ist total angepißt, weil ich gestern nacht nicht nach hause gekommen bin. Ob ich unsere Wohnung für ein Hotel halte und ich bin verdammt noch mal erst sechzehn und mein ständiges Rumtreiben passe ihr sowieso nicht.

HAHA...ich und rumtreiben. Das wär ja mal was.

Ich überlege kurz, ob ich ihr einfach erzähle, dass ich bei einem Mädchen war, um sie glücklich zu machen aber ich hab keine Lust, ihr was vorzulügen. Sage also, dass ich bei einem Freund übernachtet habe. Sie rauscht aus dem Zimmer und knallt die Tür zu. Toll, jetzt bin ich wieder schuld an ihrer miesen Laune. Sicher kriegt sie in der nächsten halben Stunde einen schlimmen Migräneanfall. Ich hab das echt so satt.

»Hey, was ist denn mit Mom los?« fragt Melitta und setzt sich zu mir.

»Sie würde mich gerne gegen einen Heterosohn eintauschen.«

»Ich will meinen Bruder behalten«, seufzt sie, schlingt ihre Arme um mich und legt ihr Kinn auf meine Schulter. »Wo bist du denn nun gewesen, mh?«

»Christopher«, antworte ich.

»Aha? Läuft da jetzt was?«

»Weiß nicht...ja, so irgendwie.«

»Schön, ich glaub, der ist echt lieb. Ich meine, ich kenne ihn kaum aber er sieht so aus. Bist du verknallt?«

»Nein«, entgegne ich schrill.

»Aber...«

»Wir hatten Sex, es war geil, fertig. Ich bin momentan nicht an einer Beziehung interessiert.«

»Blödsinn. Du bist dein ganzes Leben lang auf der Suche nach einer Beziehung«, wider-spricht sie.

»Jetzt nicht mehr. Wozu auch? Klappt doch eh nie. Ich will Spaß, sonst nichts.«

»Alles klar, ich glaub dir jedes Wort. Eigentlich schade...du und Christopher würdet ein süßes Paar abgeben. Hoffentlich weiß er, dass du nichts Festes willst.«

Sie gibt mir einen Kuß auf die Wange und geht. Ich esse eine Tafel Milka-Zimtsterne. Hauptsache Christopher denkt jetzt tatsächlich nicht, dass ich sein Freund bin oder so'n Scheiß.

Gefrustet schalte ich den Rechner an und checke meine mails. Zwei von Keks&Krümel, eine von Lorenz und ach du Kacke...Marco. Dass der sich überhaupt noch traut, mich zu kontaktieren. Ich sollte die mail sofort löschen, bin dann aber doch neugierig. Eigentlich hab ich ja nur darauf gewartet, dass er sich mal meldet, damit ich ihn schön fies abservieren kann. Ihm alles mitteilen, was ich in den vierzehn Monaten unserer Beziehung für mich behalten habe und zum Schluß noch sagen oder schreiben, dass sein Schwanz stinkt. Geil!!

Marco war meine erste große Liebe, wie man so schön sagt. Leider war ich für ihn einfach nur praktisch. Pädophiler Scheißkerl...er ist zehn Jahre älter als ich und hat mich verführt. Schon bei unserer ersten Begegnung bin ich ihm mit Haut und Haaren verfallen. Er hat nie ein Geheimnis draus gemacht, dass ich nicht sein einziger Freund bin. Das hat mich zwar sehr gestört und verletzt aber was sollte ich tun? Bereits nach einer Woche fingen die Streitereien an. Ich sei unherzlich, könne meine Gefühle nicht zeigen usw. HAHA...ich lach mich tot. Angehimmelt hab ich ihn, angebetet, ihm jeden bekloppten Wunsch von den Augen abgelesen, seinen blöden Schwanz gelutscht, immer wenn ER Bock drauf hatte. Was ich wollte war ihm egal. Geheult hab ich seinetwegen, so lange, bis ich keine Tränen mehr hatte, bis ich überhaupt keine Gefühle mehr hatte und selbst da hab ich ihn noch geliebt und schön brav akzeptiert, dass ich ihn nicht anrufen sollte, wenn er einen von seinen anderen Jungs bei sich hatte. Und ständig seine gemeinen Sprüche und er hat mir mehr als einmal zu verstehen gegeben, dass ich eigentlich überhaupt nicht das bin, was er haben will, dass seine anderen Jungs eh viel toller sind und ich froh sein kann, dass er sich überhaupt mit mir abgibt. Wie schwachsinnig kann man eigentlich sein??

Melitta hat mir in der ganzen Zeit echt geholfen. Immer war sie für mich da, wenn ich mich ausheulen wollte, sie hat mich davor bewahrt, mir die Pulsadern aufzuschneiden. Lorenz hätte mir beinahe die Freundschaft gekündigt, weil ich nicht von Marco loskommen wollte. Zum Glück saß ich eines Abends neben ihm und da war nichts mehr. Keine Liebe, gar nichts. Ich wollte einfach nur weg von ihm und meine Ruhe haben.

Nach unserem letzten Streit hab ich mich dann einfach nicht mehr bei ihm gemeldet. WOW...das war wahnsinnig befreiend.

Und jetzt wagt er es, mir zu schreiben? Mal sehen...

Aha...er wollte nur mal fragen, wie's mir geht, was ich so mache. Soso, Liebeskummer hat der Arme, weil sein Lieblingsjunge jetzt einen neuen Freund hat, er ihn aber nicht vergessen kann.

Ist der blöde? Was zur Hölle geht mich das an? Ich wünsche ihm echt alles Schlechte und hab dabei keinerlei Gewissensbisse. Mieser Kinderficker!! Der endet sicher mal als vier- zigjähriger, schmieriger Sack, der sich an Schulhöfen rumdrückt und kleinen Teeniejungs nachsabbert. Krümel hat er auch angesabbert doch an dem hat er sich die Zähne ausgebissen. Armer Marco...der hat echt seine gesamten Verführungskünste ausprobiert. Krümel hat ihn ganz cool abblitzen lassen.

Dann kam Sven und war so lieb...ganz ganz anders als Marco. Er hat sich für mich interessiert, für das, was ich zu sagen hatte. Naja, wohl auch nur, damit ich es ihm besorge. Mann und nun Christopher mit seinem Kuschelwahn. Der süße Schnuckel in den ich mich verlieben könnte, wenn mir das nicht zu riskant wäre. Sicher entpuppt der sich nur allzu schnell als Superarschloch.


Ich sitze am Klavier und spiele vor mich hin, als es klopft und gleich darauf Christopher rein-kommt.

»Na...ist dein Telefon kaputt?«

»Hä?«

»Du wolltest mich anrufen.«

»Und weiter? Ich entscheide, wann ich wen anrufe. Hatte viel Streß in der letzten Zeit.«

»Du scheinst andauernd Streß zu haben«, bemerkt er und setzt sich neben mich auf den schmalen Klavierhocker. »Spiel ruhig weiter«, flüstert er mir ins Ohr.

In meinem Magen beginnt es zu rumpeln und zu pumpeln. Gott...seine Stimme und er riecht schon wieder so sagenhaft gut. Nach Honigshampoo und...mhhhhh.

»Mach schon, ich will hören, was du kannst.«

Ich versuche mich zu konzentrieren, klimpere drauflos und haue fürchterlich daneben, weil er meinen Hals küßt, an meinem Nacken knabbert und seine Hand beiläufig meinen sowieso schon harten Schwanz über der Jeans drückt. Ich schnappe nach Luft, worauf er nur grinst.

»Na das war ja wohl nichts, mh?«

Bastard! Ich küsse ihn so heftig ich kann.

»Dominik...«

Mom steht fassungslos in der Tür. Hätte ich mir denken können, schließlich sitze ich hier mit einem Jungen.

Ihre Augen verengen sich, ich rücke ein Stück von Christopher weg und falle beinahe vom Hocker, er muß mich festhalten.

»Wir sprechen uns noch«, sagt sie eisig und geht.

»Hast du Streß mit deiner Mutter?« fragt Christopher.

»Nur wenn's um Jungs geht. Scheiße, jetzt kriegt sie wieder Migräne und ist stundenlang nicht ansprechbar.«

»Also weiß sie, dass du...«

»Dass ich schwul bin? Ja und genau das ist das Problem. Sie...sie findet das nicht so toll.«

»Tut mir leid. Ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen. Ich hatte einfach nur Sehn- sucht nach dir.«

Kacke, jetzt fängt der schon wieder mit seinem Gefühlsscheiß an. Ich bringe mich erstmal vor ihm in Sicherheit und setze mich in die andere Ecke des Zimmers.

»Hör mal, wenn ich gehen soll...«, beginnt er und sieht irgendwie sehr traurig aus.

»Ja, ist wohl im Augenblick besser.«

Christopher steht langsam auf. »Also dann...ich nehme mal an, dass du mich wie immer anrufst, ja?«

»Sicher«, antworte ich lahm.

Als er weg ist, wage ich einen Blick in Moms abgedunkeltes Schlafzimmer. Sie liegt auf dem Bett, eine Kühlkompresse auf der Stirn. Ich sag's ja...Migräne.

»Mom?«

»Ich will sowas nie...niemals wieder erleben. Hast du verstanden?«

»Was denn? Ich hab jemanden harmlos geküßt. Ist dir eigentlich klar, was Melitta so treibt? Wieso stürmst du nie einfach so in ihr Zimmer, wenn sie Besuch hat?«

Warum frage ich das? Ich kenne die Antwort.

»Weil deine Schwester anständig ist.«

Wenn die wüßte, dass Melitta letztens im Sil mit einem Mädel geknutscht hat. Nur aus Spaß und weil sie betrunken war aber immerhin.

»Schlimm genug, dass du so aus der Art geschlagen bist aber glaub bloß nicht, dass du hier machen kannst, was du willst. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ich euch nicht unterbrochen hätte. Und jetzt laß mich allein. Ich hab Migräne...deinetwegen.«

Ja, richtig so. Mach mir bloß ein schlechtes Gewissen. Ich fühle mich noch nicht scheiße genug.

Da ich es hier im Moment nicht aushalte besuche ich meine Oma.

»Dominik«, ruft sie überrascht, »hab ich unser Treffen vergessen oder ist was passiert?«

»Weder noch...ich hatte Streß mit Mom.«

»Schon wieder?« Sie streicht mir über die Wange. »Magst du Schokoladenkuchen? Und dann erzählst du mir, was los ist, ja?«

Mir geht es augenblicklich besser. Oma ist ein fürchterlich lieber Mensch. Ich mag gerne bei ihr sein.

»Und wegen eines Kusses regt sie sich so auf, dass sie gleich wieder Migräne bekommt?« fragt sie, nachdem ich ihr grob geschildert habe, was geschehen ist. Sie schüttelt ungläubig den Kopf, wobei ihre langen Perlohrringe rascheln. »Also von mir hat sie das nicht. Sie soll doch froh sein, wenn du verliebt bist.«

»Ja, wenn's ein Mädchen wäre.«

»Ach papperlapapp. Mädchen oder Junge spielt doch keine Rolle, solange die Gefühle echt sind und ein Kuß von Herzen kommt.«

»Ich wünschte, Mom würde das auch so sehen«, seufze ich.

»Früher oder später wird sie das. Und bis es so weit ist solltest du deinen Freund nicht mehr zuhause küssen. Du bist ein lieber Junge, Dominik und wenn ich könnte würde ich deiner Mutter ein bißchen Verstand einprügeln. Aber glaub nicht, dass sie dich nicht gern hat.«

»Ich glaube, sie schämt sich für mich.«

»Unsinn. Sie braucht halt etwas länger, um dich so akzeptieren zu können. Sie liebt dich, schließlich bist du ihr Sohn.«

»Und sie bringt mich manchmal dazu, mich für mich selbst zu schämen«, sage ich leise. »Ich möchte Mädchen toll finden aber...es geht nicht.«

»Dominik«, sagt sie streng, »sowas will ich nie wieder hören. Es gibt nichts, wofür du dich schämen mußt. Du magst Jungs aber das ist doch nur ein Teil deiner wunderbaren Person. Dich nur auf deine Sexualität zu reduzieren ist dumm, weil in dir so viel mehr steckt. Deine Mutter weiß das, sie muß nur erst wieder lernen, das zu sehen.«

»Danke, Oma«, murmel ich und umarme sie.

»Schon gut«, lächelt sie.


Ich nehme an, Christopher wird mir den Kopf abreißen. Seit einer Woche hab ich mich nicht gemeldet. Ich war oft echt kurz davor aber dann...ich weiß auch nicht. Es ist so schwierig. Ich hab Angst, mich zu verlieben, Angst, daß er mich verletzt, Angst, daß ich irgendwas falsch mache, Angst, Angst, Angst. Zu wissen, dass es ihn gibt, ich ihn anrufen könnte gibt mir so ein komisches Gefühl von Sicherheit. Ich meine, ich kann mir ganze Gespräche mit ihm ausdenken, mir vorstellen, was wir tun, ohne wirklich in seiner Nähe sein zu müssen. Dummerweise vermisse ich ihn gleichzeitig so sehr, dass ich es kaum aushalte. Hab ich einen Knall oder was?!

In einem totalen Anfall von Nicht-mehr-nachdenken fahre ich zu ihm, klingle Sturm aber er macht nicht auf. Scheiße. Ich versuche es bei Frederick.

»Ja?« fragt er überrascht.

»Hi, ich wollte eigentlich zu Christopher. Der ist wohl nicht da, oder?«

Er verdreht die Augen. »Mein verblödeter Bruder hat bestimmt die Klingel abgestellt. Das macht er manchmal, wenn er schläft oder seine Ruhe haben will. So viel ich weiß, ist der jedenfalls nicht weggegangen. Nicht bei der Kälte«, grinst Frederick. »Dieses Weichei«, fügt er hinzu.

»Äh...?«

»Geh schon rauf, sonst frierst du dir noch den Hintern ab.«

Ich steige also die Treppe hinauf und klopfe zaghaft an seine Tür. Nichts. Leise drücke ich die Klinke runter. Christophers Zimmer ist dunkel, bis auf die bunte Lichterkette an seinem Spiegel. Oh...er liegt im Bett, scheint zu schlafen.

Ich flüstere seinen Namen bekomme aber keine Antwort also schleiche ich zum Bett, knie mich vorsichtig hin und beuge mich ein wenig über ihn.

WOW...der sieht unglaublich hübsch aus, wenn er schläft. Ganz lange, dichte Wimpern hat er.

Ohne groß zu überlegen kicke ich meine Schuhe von den Füßen, schlüpfe unter die Decke und schmiege mich an seinen Rücken. Mein Arm schlingt sich um seinen wundervollen weichen Körper, ich vergrabe mein Gesicht in die warme Höhle zwischen Hals und Schulter. Christopher seufzt leise und reibt seine Wange an meinem Haar.

»Mhhhhhh...Nicki«, murmelt er.

»Woher weißt du, dass ich das bin?« frage ich leise.

Er kichert. »Du riechst nach Schokolade. Du riechst immer nach Schokolade.« Eine Weile liegen wir so aneinandergekuschelt, dann stößt er mich plötzlich weg.

»Du verfluchtes Arschloch!«

»Was?«

»Du...verfluchtes...ARSCHLOCH.«

»Hast du sie noch alle?« entgegne ich völlig verdattert.

»Ich schon. Bei dir bin ich mir da nicht so sicher. Meinst du, du kannst immer hier auf-tauchen, wenn du's grad nötig hast? Was denkst du dir eigentlich? Denkst du überhaupt?« Der spinnt doch. Wütend ziehe ich meine Schuhe an.

»Ach und jetzt willst du dich wieder verpissen, ja? Fein, geh ruhig. Du mußt nicht mit mir reden. Wozu auch? Wir hatten ja nur Sex. Was heißt das schon?«

»Stimmt«, brülle ich, »wir hatten nur Sex. Glaub bloß nicht, dass wir jetzt heiraten oder so- was.«

»Verschwinde.«

»Das mache ich auch. In diesem verfickten Gruselkabinett muß man ja irre werden.«

»RAUS! Und laß dich bloß nicht nochmal hier blicken.«

9

Dominik knallt die Tür zu und ist weg, verschwunden. Der traut sich was, einfach nach einer Woche hier aufzukreuzen und seinen versifften Körper an meinen zu kuscheln. Scheiße, ich hab die ganze Zeit nur darauf gewartet, dass er kommt aber irgendwie macht der mich so wütend, daß ich ihn killen möchte. Kramt mich vor, wenn er's braucht und ansonsten kann ich sehen wo ich bleibe. Findet der das vielleicht in Ordnung? Klar, sonst würd er sich anders verhalten. Was zur Hölle ist bloß mit diesem Typen los?? Und warum muß ich aus-gerechnet bis zum Erbrechen in ihn verliebt sein? Mann, ich träume von ihm, selbst wenn ich nicht schlafe, ich möchte so gerne mit ihm zusammen sein, ihn kennenlernen, ihn fest-halten...bloß nicht mehr darüber nachdenken sonst kriege ich sofort schlimme Depressionen.

Das Telefon klingelt...Lorenz.

»Hey Schneckchen«, begrüßt er mich fröhlich.

»Was willst du?«

»Nichts weiter. Was machst'n grad?«

»Mich ärgern.«

»Aha...jemand, den ich kenne?«

»Dein blöder Knutschpartner. Dominik ist echt das Letzte«, zische ich.

»Ups...dunkle Wolken im Paradies? Ich dachte, es läuft endlich an.«

»Dachte ich auch«, antworte ich und erzähle ihm, was los ist.

»Mh, vielleicht ist der Gute momentan einfach nur'n bißchen überfordert. Ich meine, er hat schließlich grad erst eine Beziehung hinter sich. Und davor...naja, das ist zu privat aber davor war's noch schlimmer. Ich glaube, der braucht ganz ganz viel Liebe.«

»Der braucht einen Arschtritt und zwar einen ganz ganz kräftigen«, grummel ich.

»Also biste mit ihm jetzt durch?«

»Definitiv.«

»Können wir dann...«

»Nein, können wir nicht«, unterbreche ich ihn.

»Ok, nicht. Aber...wie wär es mit ausgehen morgen?«

»Klar, meinetwegen. Ich frag mal Kathrin und Isi.«

»Bis morgen dann.«

»Warte mal, ich wollte dich noch was fragen. Frederick kackt total ab in Mathe...könntest du ihm vielleicht ein bißchen helfen? Mom dreht durch, wenn der nicht bald bessere Noten bekommt.«

Lorenz kichert. »Dein kleiner Bruder hat wohl andere Sachen im Kopf als die Schule, was? Klar kann ich ihm Nachhilfe geben.«

»In Mathe, Lorenz. Nicht darin, wie man Mädchen abschleppt. Scheiße, vielleicht ist das doch nicht so eine gute Idee. Wenn er mit dir zusammen ist, verkommt er nur noch mehr.«

»Hey, was soll denn das heißen? Ok, ich mach Mathe mit ihm, fertig.«

»Mom wird dir die Füße küssen.«

»Bis morgen.«


Ach du großer Gott! Zwei durchgeknallte Mädels wühlen sich durch meine Klamotten, um zu entscheiden, was ich anziehen soll. Wieso hab ich mich bloß darauf eingelassen?

»Hier, das Netzdings da«, höre ich Kathrin.

»Nee, das ist doch oll«, antwortet Isi. Dann kichert sie gefährlich. »Ich hab eine viel bessere Idee.«

Mir wird schlecht vor Angst. Isi ist die durchgeknalltere der beiden.

Ich sitze in Shorts und T-Shirt auf'm Bett, friere ein bißchen und freue mich eigentlich überhaupt nicht aufs Sil. Isi stolpert ins Zimmer.

»Ich hab die ultimative Garderobe für dich zusammen gestellt«, strahlt sie und deutet auf den Wust, der über ihrem Arm hängt. Ich sehe Netzstrümpfe und mache heimlich schon mal mein Testament.

Es wird noch schlimmer. Ich soll also tatsächlich zerrissene Netzstrümpfe tragen, ein sehr kurzes, sehr enges, sehr zerrissenes Shirt mit Sicherheitsnadeln und...schluck...einen schwarzen Samtmini.

Die tickt ja nicht richtig.

»Was bin ich? CINEMA STRANGE oder was?« brumme ich.

»Ach komm schon...das sieht bestimmt gaaaaanz süß aus«, lächelt sie dackelig. »Du hast ver-sprochen, dass wir dein Outfit aussuchen dürfen. Bitte bitte bitte.«

»Ja...bittebittebitte«, mischt Kathrin sich ein.

»Meinetwegen«, gebe ich mich geschlagen.

Im Sil spielt es eh keine Rolle, ob man tuckig aussieht.

Ich ziehe also die Klamotten an und muß mich plötzlich einer Meute von hungrigen Wölfen in Gestalt zweier Gothicmädchen erwehren.

»Wow...sieht das geil aus«, kreischt Isi und streicht mir über den nackten Bauch. Erwähnte ich, dass das Shirt ultrakurz und ultrazerrissen ist?!

»Und jetzt noch die Doc's und den Silbergürtel«, bestimmt Kathrin.

Mir ist schon alles egal, bekomme noch die Nägel schwarz lackiert, Eyeliner und Gloss; meine Haare werden verwuselt und mit Haarlack fixiert, dann bin ich endlich fertig.

»Oh gott«, stöhnt Isi, »alle süßen Jungs werden dich auf der Stelle vögeln wollen. Wenn ich ein Junge wär...mhhhhh...ich würd dich sofort wegschnappen und an die Leine legen.«

Ich will mich lieber ein wenig in die Luft sprengen. Naja, ich muß zugeben, so sehr unangenehm ist mir doch nicht mehr. Ich finde, ich sehe ganz gut aus. Strange aber ok.

Vorm Sil treffen wir Lorenz.

»Ach du scheiße...Christopher?«, fragt er und bekuckt mich von allen Seiten. »Laß mich raten...das war nicht deine Idee, oder?« Er wirft einen Blick auf Kathrin und Isi. »Hi Mädels. Schnucklig sieht unser Schatz aus, was? Gute Arbeit«, grinst er.

Lorenz sieht eigentlich ziemlich normal aus fürs Sil. Weder Lack und Leder noch toupierte Haare. Ich muß mich bepissen, wenn ich mir Lorenz in einer Lackhose vorstelle. Der trägt ja mehr so den Skater-Look. Fünf Nummern zu große Hosen, zwölf Nummern zu große Shirts (allerdings nicht so beschissen Hip Hop zu groß), seine Haare haben einen undefinier-baren dunkelblond/hellbraun Ton und sind weder kurz noch lang. Aber schöne, giftgrüne Augen hat er und ein wahnsinnig süßes Grübchen. Trotzdem macht er mich nicht an. Ich glaub, Isi steht ein klitzekleines bißchen auf ihn, was sie allerdings nicht zugibt. Sie, die rabenschwarze Gothicfee, mit einem Skaterboy...das geht natürlich nicht.

Mir soll's egal sein. Ich sehe aus wie ein Mädchen und habe obendrein noch heftigen Liebes-kummer. Hab sehr große Lust, mich heute zu besaufen, womit ich auch gleich anfange.

Und zwar mit diesem Tequilabier. Davon vertrage ich maximal zwei Flaschen, was günstig ist, weil ich somit nicht viel Geld ausgeben muß.

Die Musik ist ganz annehmbar, ausnahmsweise mal nicht so besonders viel »Weiberelectro« sondern Sachen wie Sex Fiend, Bauhaus, Christian Death, London After Midnight, Cinema Strange usw.

Ich fange an, mich wohl zu fühlen und bin schon ein wenig beduselt.

Im Silmarillion kann man sich sowieso immer wohl und zuhause fühlen. Das ist nicht so riesengroß und anonym wie andere Clubs sondern schön familiär (weil wir den Besitzer kennen). Eigentlich ist es eine Kneipe aber es gibt noch einen Raum mit schnuckeliger Tanzfläche und dahinter einen weiteren mit Holzbänken und Kicker.

»Hey...da ist Nick«, ruft Lorenz plötzlich.

Ich bin mit einem Schlag wieder nüchtern. Tatsächlich...der steht da an der Theke rum und hat nix besseres zu tun als gnadenlos gut auszusehen. Schwarze Schnallenhose, enges Shirt, Gürtel um die Hüften geschlungen und...mann, wie dem seine Zimthaare immer ins Gesicht fallen.

Lorenz winkt ihn zu uns rüber. »Nick, was machst du denn hier?« fragt er überrascht.

Dominik runzelt die Stirn. »Du hast mir doch am Telefon gesagt, dass ich heute unbedingt herkommen soll.«

Lorenz wird rot und kichert verschämt. »Ups...na sowas.«

Heilige Himmelsarmeen...will der etwa Amor spielen? Ha...aber nicht mit mir.

»Wenn ich gewußt hätte, dass DER da ist wär ich zuhause geblieben«, brülle ich gegen die laute Musik an.

»Und ich erst«, zischt Nick.

So ein Arsch!

»Ja aber wo wir schon mal alle da sind kannste dich auch setzen«, lächelt Lorenz und rückt einen Stuhl an unseren Tisch.

»Phhh«, mache ich, zucke die Schultern und beschließe, dass ich doch noch mehr zu trinken brauche.

Isi und Kathrin haben sich längst einen Pulk von Jungs ergattert, Lorenz hängt an der Theke und flirtet mit drei Mädchen aufeinmal, ich sitze mit meinem Bier am Tisch und versuche Dominik so gut zu ignorieren wie ich kann. Ab und zu anstarren muß ich ihn aber dann doch. Er ist einfach zu niedlich. Streicht sich andauernd Haare hinters Ohr und leckt sich die Lip-pen bevor er an seiner Zigarette zieht. Der soll sowas nicht machen, verflucht. Der soll mit mir reden, sich entschuldigen, mir sagen, dass er mich liebt...was weiß ich. Nix. Er nippt an seiner Cola und tut so, als sei ich gar nicht da. Ich hasse ihn.

»Wie lange willst'n noch die schweigsame Nummer durchziehen?« frage ich angriffslustig.

»Und wie lange willst du dich noch zukippen?«

»Das geht dich einen verfickten Dreck an, Blödarsch.«

»Kannst du mal aufhören, mich andauernd zu beleidigen?«

»Was?« kreische ich. »Mann, Junge...ich hab noch nicht mal richtig angefangen.«

Dominik drückt die Zigarette aus und steht auf.

»Wo willst'n hin? Machst du das immer so? Dich einfach verpissen, wenn's unangenehm wird, du kleiner Feigling?«

»Ich hab's nicht nötig mit Typen in Fummeln zu diskutieren«, entgegnet er vollkommen ruhig, was mich super auf die Palme bringt.

Ich springe auf, muß mich allerdings sofort am Tisch festhalten...wow...alles dreht sich.

»Das ist kein Fummel sondern ein Samtmini, du Pisskopp und falls du es noch nicht bemerkt haben solltest...ich sehe darin verdammt noch mal gut aus, ja.«

Einen Moment sieht er mich an, dann grinst er. »Bist du betrunken?«

»Und ob«, nicke ich.

»Ach und jetzt erwartest du wohl, dass ich dich nach hause bringe?«

»Absolut. Ja.«

Entschuldigung...ich weiß grad nicht mehr, was zum Teufel ich da rede. Der soll direkt in die Hölle fahren. Ich kann allein nach hause gehen. Und überhaupt...ich bin immer noch rasend vor Wut!

»Ok«, sagt er und greift nach meinem Arm.

»Faß mich bloß nicht an. Penner.«

Nick hebt abwehrend beide Hände. »In Ordnung.«

»Wieso willst du überhaupt mit zu mir? Denkst du, ich blas dir nochmal einen oder was?«

»Hey, ich hab nur gesagt, dass ich dich nach hause bringe. Nicht, dass ich bleiben will.«

»Ach ja? Bin ich vielleicht so abstoßend?«

Seine Hände legen sich auf meine Hüften. »Also ehrlich gesagt gefällt mir deine Aufmach-ung. Sieht ziemlich scharf aus«, flüstert er mir ins Ohr.

Mir wird heiß und kalt. »Du willst mich doch nur rumkriegen und danach wieder abhauen.«

»Mh...möglicherweise. Vielleicht aber auch nicht.«

»Na schön, ich bin ein bißchen betrunken, trotzdem...ich hasse solche Spielchen. Wenn du mich haben willst, zeigs mir. Wenn nicht, laß mich in Ruhe.«

»Darf ich dir das in deinem Zimmer zeigen? Hier ist mir zu viel Publikum.«

»Warte.«

Unsicher wanke ich zu Lorenz. »Hey...ich gehe nach hause.«

»Allein?« fragt er mit hochgezogener Braue.

»Nee.«

»Alles klar. Bis dann und...viel Spaß.«

Keine Ahnung, wie wir es zu mir geschafft haben aber...wir sind da. Sitzen in meinem Zim-mer auf meinem Bett.

»Hör mal«, beginne ich, »das da im Sil war lustig, ja, aber ich bin immer noch scheiß wütend Und ich bin nicht dein Sexspielzeug. Wenn du willst kannst du hier schlafen und zwar neben-an auf der Couch. Alles andere... mußt du dir erst verdienen«, säusel ich.

Au weia...das war doch pure Anmache, oder? Weiß ich eigentlich selber, was ich will? Der macht mich aber auch ganz bekloppt.

»Gut, ich werd drüber nachdenken und mir eventuell was überlegen«, sagt er und ver-schwindet.

Ich lege mich hin und schlafe SEHR gefrustet ein.

Am nächsten Morgen hab ich zwar keine Kopfschmerzen aber richtig gut geht's mir auch nicht. Hab ich Nick angeboten nebenan zu schlafen? Ich glaube; beschließe aber, dass es keine Rolle spielt, weil...so wie ich ihn kennen ist der eh schon wieder weg. Mühsam rappel ich mich auf und schleppe ins Bad, wo ich eine 1a Herzattacke bekomme.

Nick steht vorm Spiegel hat sich mein Der-Kleine-Eisbär-Handtuch um die Hüften ge-schlungen und trocknet sich die Haare. Auf seinem Rücken glitzern kleine Wassertropfen, die ich irgendwie dringend mit meiner Zunge aufsammeln will. Mir wird seltsam Puddingartig in den Beinen.

Langsam dreht er sich um. »Hey...ich hab mal dein Handtuch genommen. Ist doch ok, oder?«

»Hm-hm«, mache ich total verzückt, stelle mich neben ihn und putze mir zittrig die Zähne.

Nick hat seine Haare nicht besonders sorgfältig abgetrocknet...Wasser tropft von seinen zimtigen Haarspitzen auf seine Wangen und überall hin.

Ok...Wut und Ärger hin oder her, ich dränge mich an ihn und lege meine Hände auf seinen weichen Bauch.

»Nick...würdest du bitte mit mir ins Bett gehen?«

Er neigt seinen Kopf leicht zur Seite, nasse Haarsträhnen fallen ihm delikat ins Gesicht.

»Ich dachte, ich bin ein Pisskopp.«

»Ja, das bist du auch aber...mhhhhh...«, antworte ich und reibe mich ein bißchen an ihm, doch er schiebt mich weg.

»Tut mir leid aber ich bin nicht dein Sexspielzeug. Ich werde mich jetzt anziehen, nach hause fahren und wenn du möchtest, telefonieren wir mal.«

Damit läßt er mich stehen. Mich und...naja, lassen wir das. Ich nehme eine kalte Dusche und hasse ihn wieder leidenschaftlich.


Zwei Tage später klingelt das Telefon als ich gerade Isi und Kathrin verabschiedet habe.

»Hallo. Ich bin's...Nick.«

WOW!!!

»Du kannst also tatsächlich telefonieren, ja? Ich bin sehr beeindruckt.«

»Lassen wir die Höflichkeiten. Placebo spielen übernächste Woche hier und es gibt noch Karten. Hast du Lust hinzugehen?«

Dass Placebo spielen weiß ich längst und ich wollte eh hin. »Klar.«

»Ok, dann besorg ich die Karten und wir sehen uns.«

»In Ordnung. Gibt's sonst noch was?«

»Äh...nö.«

Der ist doch nicht mehr ganz richtig.

»Bis dann«, keife ich und knalle den Hörer auf.

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