zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Lucien

Teil 8

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

Inhaltsverzeichnis

Luc: München - Die ersten Tage

Ich schaute auf meine Uhr und stellte fest, es wurde Zeit zum Aufstehen. Kurz nach neun. Um elf sollten wir bei Karl zum Brunch sein. Stef lag noch im Tiefschlaf neben mir im Bett. Ich streichelte ihm über sein Gesicht und gab ihm einen Kuss. Erste Reaktionen zeigten mir, er wurde wach. Er reckte sich und plötzlich umarmte er mich ganz fest, so dass ich nicht mehr entkommen konnte. Darüber war ich sehr überrascht. Stef hingegen lachte und küsste mich. Ganz schnell lag er auf mir und es entstand eine Szene, die ich nicht näher beschreiben möchte. Jedenfalls verfehlten die Liebkosungen bei uns beiden nicht ihre Wirkung und somit verzögerte sich unser Aufstehen noch etwas. Ein paar Minuten später standen wir beide dann gutgelaunt unter der Dusche. Mario saß bereits im Wohnzimmer und wartete darauf, dass wir fertig würden.

Er hatte sogar schon meine Tasche ins Auto gepackt und etwas ungeduldig rief er uns zu:

„Macht keine Schweinereien mehr. Wir müssen langsam los. Karl mag es überhaupt nicht, wenn wir zu spät kommen.“

In diesem Moment kamen wir aber lachend aus dem Bad und Mario war erstaunt, dass sein Bruder schon am frühen Morgen so gut gelaunt war.

„Mensch Luc, was hast du mit meinem Bruder gemacht. Seit wann ist er morgens schon so gut gelaunt.“

„Seitdem Luc bei mir schläft und mich davon abhält, böse Träume zu haben.“

Dieses Lachen von Stef, es haute mich immer wieder um. Was für eine Veränderung zu der Zeit, wo wir uns hier in München kennengelernt hatten. Es fiel Mario ebenfalls auf. Marios Blick ließ mich erahnen, was er gerade dachte. Schnell machten wir uns fertig. Ich hatte mir eine kleine Überraschung für Karl und Barbara ausgedacht. Ich wusste, dass sie beide begeisterte Weintrinker sind. Also hatte ich Papa gebeten, einen schönen Karton mit Wein zusammenzustellen. Den hatte ich bereits vorsorglich vorausgeschickt. Mario hatte ihn schon auf dem Flur platziert.

Wir drei waren abfahrbereit und verließen gemeinsam Marios und jetzt auch wieder Stefs Wohnung. Es war für mich ein komisches Gefühl, denn mir wurde bewusst, jetzt hatte ein neues Kapitel tatsächlich begonnen. Insbesondere für Stef und Mario.

Ein wenig Nervosität machte sich bei mir bemerkbar. Ich freute mich auf die Geigers und ich war sehr gespannt, wie mir diese sechs Wochen arbeiten gefallen würden. Wenn ich tatsächlich eine Ausbildung statt des Abiturs machen wollte, dann sollte die Entscheidung in diesen Ferien fallen.

Als Mario den Jeep vor dem Anwesen von Karl und Barbara abstellte, herrschte eine gespannte Atmosphäre. Keine Ahnung, warum. Es war einfach so. Stef und ich gingen voraus und Mario folgte uns mit meiner Tasche. Ich hatte ja den Karton in der einen Hand und in der anderen die Hand von Stef. Bevor ich klingeln konnte, gab er mir noch einen schnellen Kuss. Just in diesem Moment aber öffnete Barbara bereits die Tür.

„Ach wie süß. Da sind aber zwei noch so richtig verliebt. Herzlich willkommen in München. Kommt herein.“

Das war jetzt peinlich, aber irgendwie auch typisch für Barbara. Ich war nur sehr erstaunt, wie locker Stef damit umgehen konnte.

„Hallo Barbara, deine Beobachtungsgabe ist wieder einmal überzeugend. Es stimmt, wir sind immer noch richtig verliebt.“

Barbara stutzte, schaute Mario und mich an und fing an zu lachen.

„Wow, ist das der Stefan, der uns hier vor einigen Monaten verlassen hat. Los kommt ins Wohnzimmer, Karl will euch auch begrüßen.“

Wir betraten das große Wohnzimmer, in dem Karl bereits auf uns wartete. Wir umarmten uns herzlich zur Begrüßung und Karl freute sich, uns wiederzusehen.

„Hallo ihr beiden Krieger. Habt ihr Hunger mitgebracht? Ja? Sehr gut, dann lasst uns in das Esszimmer gehen. Es ist alles vorbereitet.“

Ich hatte den Karton auf dem Boden abgestellt und Mario hatte meine Tasche im Flur gelassen. Ich hob den Karton vom Boden auf und ging hinter Karl her ins Esszimmer. Als ich hereinkam, stellte ich den Karton auf dem Tisch ab.

„So, ich habe euch beiden eine Kleinigkeit als Gastgeschenk mitgebracht. Papa und ich haben es gemeinsam ausgesucht und wir möchten uns damit zumindest ein wenig dafür bedanken, dass ihr uns immer unterstützt habt und auch weiterhin unterstützen wollt. Ich bin froh und glücklich, wieder bei euch in München zu sein. Vielen Dank euch beiden. Dieser Karton ist von uns allen für euch.“

Ich gab Karl den Karton und er schaute mich fast schon strafend an. Nahm den Karton und stellte ihn in der Küche ab.

„Darum kümmern wir uns gleich, jetzt wird gegessen. Sonst wird das alles kalt und das wäre schade.“

Damit gab er das Signal, uns zu setzen. Stef und ich saßen natürlich nebeneinander und erstaunlicherweise fing Stef an zu erzählen. Mit einem Selbstbewusstsein, welches selbst bei mir Erstaunen auslöste. Er brachte Karl und Barbara komplett auf den neuesten Stand.

„Mensch Jungs, ich staune einfach nur, wie toll sich Stefan entwickelt hat. Ich muss sagen, die Schweizer Luft ist dir sehr gut bekommen.“

„Es war nicht nur die Schweizer Luft, Karl, sondern auch die Freundschaft, die mir alle dort entgegenbringen. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Es ist toll, wenn man weiß, da sind Freunde, die dir helfen.“

Ich spürte jetzt, dass Stef doch mehr Emotionen hatte, als er selbst erwartet hatte. Ich nahm seine Hand und legte meine auf seine Schulter. Schnell beruhigte er sich wieder, und nachdem wir fertig mit Essen waren, stand Karl auf und ging in die Küche. Er kam mit dem Karton zurück und begann die Flaschen auszupacken.

„Mensch Jungs, das sind ja richtige Raritäten und ganz tolle Weine. Woher habt ihr das gewusst, dass wir begeisterte Weintrinker sind?“

Ich grinste und erwiderte:

„Nun, deine Frau hat es mal erwähnt und dann bin ich mit Marc halt mal losgezogen und habe das zusammengestellt. Also es gefällt euch?“

„Ja, auf jeden Fall, vielen herzlichen Dank. Ich denke, wir werden eine passende Gelegenheit finden, damit mal anzustoßen.“

Barbara stellte die Flaschen an die Seite und jetzt standen die Planungen an, wie es weitergehen würde. Karl schien bereits klare Vorstellungen zu haben.

„So, Luc. Ich habe Folgendes geplant. Wir werden gleich in die Firma fahren und du kannst dir den Camaro ansehen. Es sind schon einige Teile angekommen und unter anderem hat Marc auch Motor und Getriebe geschickt. Du wirst ab morgen mit Mario sehr eng zusammenarbeiten. Ihr seid ja schon ein gutes Gespann gewesen. Stefan soll sich hier die ersten Tage erst einmal einleben. In der kommenden Woche wird noch ein Gespräch mit deinem neuen Klassenlehrer stattfinden. Das hat Mario organisiert. Hier gibt es ja erst am Ende der kommenden Woche Sommerferien.“

Stef schien sich sogar darüber zu freuen. Er machte einen zufriedenen Eindruck. Mir ging der Gedanke durch den Kopf, was war mit seinen Eltern? Konnten die ihm wieder gefährlich werden? Das wollte ich aber nicht im Beisein von Stef besprechen.

„Hört sich doch gut an. Ich bin auch schon sehr gespannt, wie das Auto jetzt aussieht und was alles noch gemacht werden muss.“

Barbara schien noch etwas eingefallen zu sein, denn sie begann plötzlich sich einzubringen.

„Ich habe da auch noch etwas, habt ihr euch eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass Luc in den Ferien seinen 16. Geburtstag hat.“

Woher sie das nur wieder gewusst hat? Ich wollte es eigentlich gar nicht groß erwähnen.

„Ähm, nein. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, weil das ein Donnerstag ist. Ich werde da wohl arbeiten.“

„Na, das werden wir ja noch sehen“, sagte Karl nur dazu.

Damit wusste ich sofort, ich konnte mich darauf einstellen, dass das kein normaler Donnerstag werden würde.

Stef war mittlerweile mit Barbara in die Küche gegangen, um ihr dort zu helfen. Für mich eine günstige Gelegenheit, Mario mal nach dem Stand der Dinge mit seinen Eltern zu fragen.

Ich spürte sofort, dass es Unbehagen bei ihm auslöste.

„Musstest du das jetzt fragen? Gut, du hast ja Recht, aber ich bin über jeden Tag froh, an dem ich nicht an sie denken muss.“

„Das verstehe ich, aber wir müssen ja wissen, wo wir aufpassen müssen oder wo Stef auf gar keinen Fall alleine sein sollte.“

„Also gut, Papa ist nach wie vor hinter Stef her. Wenn er herausbekommt, dass er wieder in München ist, wird er sicher versuchen, sich an ihn heranzumachen. Mama ist da mittlerweile anders. Sie hat sich von Papa getrennt und sich in eine Therapie begeben. Vielleicht kommen wir sogar wieder zusammen. Ich weiß es nicht, aber Stef soll sich damit nicht beschäftigen.“

„Kann ich verstehen, aber wenn eure Mutter sich getrennt hat und sie begriffen hat, dass ihr ihre Kinder doch etwas bedeuten, besteht ja Hoffnung. Weißt du, wo sich dein Vater aufhält?“

„Ich weiß nur, dass er nicht mehr in München wohnt. Er ist vor einigen Wochen hier weggezogen. Hat aber immer wieder versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen. Obwohl ich es ihm verboten hatte und auch das Gericht jeden Kontakt zu Stef verboten hatte.“

Karl und ich hatten ihm zugehört, aber jetzt spürte ich etwas Unruhe bei Karl. Karl war eh kein Typ, der lange stillsitzen konnte.

„Das ist gut zu wissen. Sollte er meine Firma betreten, bekommt er ein Problem. Ich habe ihm nämlich bereits damals schon ein Hausverbot erteilt. Solange ihr beiden auf meinem Grundstück, sowohl in der Firma, als auch zu Hause seid, kann er euch also nichts tun.“

„Echt, du hast damals schon ein Hausverbot erteilt. Cool. Das wusste ich noch gar nicht.“

„Musstest du ja auch nicht, Stef weiß das aber, ich habe es ihm bei einem eurer letzten Besuch gesagt.“

Damit war das auch geklärt und wir machten uns nach einer gemeinsamen Runde durch den Garten auf den Weg in die Firma. Die Fahrt nahm ich als Gelegenheit, zu Hause anzurufen. Ich gab eine kurze Lagemeldung ab und dass bei uns alles in Ordnung ist. Papa war zufrieden und ich war froh, dass ich Mama nicht alles im Detail erzählen musste. Sie konnte in diesen Dingen sehr nervig sein.

Stef und ich saßen in Karls Hummer hinten, und als ich mit dem Telefonat fertig war, schaute Stef still aus dem Fenster. Er drehte seinen Kopf zu mir.

„Und? Zu Hause alles in Ordnung?“

„Ja, sie lassen dich alle grüßen. Und bei dir? Bei dir alles in Ordnung?“

„Ja, es geht ganz gut. Weißt du, eben, als wir aus dem Haus kamen, hatte ich Erinnerungen an die ersten Begegnungen. Wie ich in dem Park übernachtet hatte. Das war doch heftiger, als ich gedacht ...“

An dieser Stelle versagte seine Stimme. Ich nahm seine Hand und zog ihn an mich heran. Seinen Kopf legte ich auf meine Schulter. Wir sprachen nicht weiter. Auch Mario schaute nur schweigend zu uns. Einige Augenblicke später hatte sich Stef wieder gefangen.

„Es tut mir leid, es hat mich einfach so überrollt. Die Erinnerungen kamen einfach hoch.“

Jetzt mischte sich Karl von vorn ein.

„Stef, dafür entschuldigst du dich bitte nicht. Im Gegenteil, es ist richtig, wenn du diese Gefühle zulässt. Luc kann dir helfen, sie zu verarbeiten. Du wirst in München immer wieder mit Erinnerungen konfrontiert werden. Du hast hier deine Kindheit verbracht. Wir können dir nur helfen, wenn du uns mitteilst, was dich bewegt. Also nicht entschuldigen, sondern nach vorne schauen, ohne die Vergangenheit zu verdrängen.“

Es herrschte im Auto für einen Moment absolute Stille. Nur das Brummen des Motors war zu vernehmen. Ich war Karl sehr dankbar für diese Worte. Wortlos saßen wir nebeneinander und Stef beruhigte sich wieder. Mario schien beunruhigt zu sein. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass Stef so heftig reagieren würde.

Die Fahrt zur Firma dauerte nicht mehr lange und ich freute mich auf die Werkstatt und mein Auto wiederzusehen. Meine Erinnerungen an das Praktikum waren durchweg positiv. Vor allem hatte ich ja meinen Freund dort kennengelernt, wenn auch unter sehr traurigen Umständen.

Karl stellte den Hummer hinter dem Gebäude ab und wir stiegen aus. Karl führte uns direkt durch den Hintereingang in das Hauptgebäude. Er schaltete das Licht ein und ich konnte sofort wieder die Atmosphäre spüren, die hier herrschte. Ich freute mich auf die Arbeit mit den Mitarbeitern. Hier wurde viel erwartet, aber wer sich einbrachte, bekam auch von allen Seiten Unterstützung.

Mario sprach leise mit Barbara und Karl winkte uns zu sich. Ich ging mit Stef zu ihm und er führte uns in die kleine Halle, wo mein Camaro stand. Wir zogen die Plane vom Fahrzeug und ich staunte nicht schlecht. Die Lackierung war wirklich perfekt und die großen Holzkisten mit dem Motor und dem Getriebe standen an der Wand. Weitere Kartons lagen ebenfalls dort. Was mit auffiel, an dem Wagen waren keinerlei Chromteile mehr. Karl erklärte mir den Stand der Arbeiten und was als Nächstes anstand.

„Aber Karl, ich werde doch bestimmt nicht hier sein, um nur an meinem Auto zu arbeiten. Ich soll doch auch bei dir in der Werkstatt arbeiten, oder nicht?“

Jetzt drehte er sich zu uns um und grinste.

„Lass das mal meine Aufgabe sein. Ich habe einen Plan und dir wird sicher nicht langweilig werden.“

Also gut, damit war klar, ich würde heute keine weiteren Informationen bekommen. Heute war eben noch Sonntag. Das war auch ein Prinzip von ihm.

Durch den Rundgang war ich aber wieder voll orientiert und ich hatte das Gefühl, genau das war auch Karls Plan gewesen. Ich fühlte mich wieder sicher und wusste mich zu orientieren. Karl zeigte mir noch ein paar Neuerungen in der Werkstatt und natürlich durften wir uns auch die vielen Neuwagen in der Ausstellung ansehen.

Bald kam auch Barbara wieder zu uns und sie hatte für mich einen Stapel „Dienstkleidung“ dabei. Was mich wunderte, dabei waren nicht nur Werkstattsachen, sondern auch ein weißes Hemd und Weste mit dem Firmenlogo und meinem Namen.

„Hier, das ist für dich. Damit du immer passend gekleidet bist. Da du auch nicht nur in der Werkstatt bist, habe ich dir auch andere Sachen besorgt. Das erklärt dir Karl dann morgen.“

Ich bedankte mich für die Sachen und Stef staunte über diese professionelle Ausrüstung.

„Boah, Luc, ich stell mir dich gerade im Jackett und Hose vor. Sieht bestimmt cool aus. Du als Verkäufer, das wäre doch mal was. Deine Mutter bekommt einen neuen Cadillac und du machst den Verkauf.“

Jetzt mussten wir alle lachen. Karl gefiel der Gedanke natürlich sofort. Er bedankte sich bei Stef für diese gute Idee. Bestens gelaunt verließen wir die große Halle und gingen nach oben in die Büroetage. Karl zeigte mir noch die neue Abteilung für Design und Entwicklung. Das war für mich absolut neu.

„Seit wann hast du denn diese Abteilung? Die gab es damals noch nicht, oder?“

„Das ist richtig, aber Michael hat mich darauf gebracht. Die Kunden wollen immer mehr Fahrzeuge, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Ich musste jede Entwicklung als Auftrag vergeben. Jetzt habe ich zwei eigene Ingenieure und Michael als Designer, die alles in eigener Regie entwickeln können. Dadurch sind wir viel effizienter und schneller.“

Das interessierte mich sehr, ich würde wohl hier mit Michael einiges zu besprechen haben.

Die Zeit verrann und ich staunte nicht schlecht, als Barbara schließlich sagte:

„So, wie sieht es bei den Herren mit einem schönen Cafébesuch aus?“

Ein Stichwort, denn Barbara war dafür bekannt, wenn sie irgendwas machte, dann richtig. Also wusste ich, jetzt würde es besonderen Kuchen oder Torte geben. Es wäre jetzt auch falsch gewesen, ihren Vorschlag abzulehnen. Also ließ ich Stef erst gar nicht zu Wort kommen und erwiderte selbst:

„Mit dir immer und sofort. Das lasse ich mir nicht entgehen.“

Karl grinste sofort und auch Mario musste lachen.

„Siehst du, Schatz“, meldete sich Karl, „Luc hat schon verstanden, wie das hier läuft.“

Barbara grinste und somit machten wir uns zu Fuß auf den Weg zu ihrem Lieblingscafé. Dort ging sie auch mit Kunden hin, wenn es etwas länger dauerte.

Wir fünf setzten uns an einen Tisch, den Barbara zielstrebig angesteuert hatte. Es dauerte nicht lange und eine nette Servicekraft kam an unseren Tisch und fragte nach den Wünschen. Wir bestellten uns etwas zu trinken und wir bekamen eine spezielle Karte für die auszuwählenden Torten. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Eine eigene Karte nur für die Torten. Stef schaute genauso erstaunt und Barbara meinte dazu:

„Deshalb gehe ich hier so gerne hin. Es gibt für jeden Tag eine eigene Torten-Karte. Ihr könnt euch aussuchen, was ihr möchtet.“

Nach wenigen Minuten hatten wir alle unsere Wahl getroffen und die Bestellung abgegeben. Karl erzählte von seinen neuesten Projekten und ich von den Dingen aus der Schweiz. So waren wir alle recht bald auf einem aktuellen Stand. Ich hatte irgendwie das Gefühl, Karl und Barbara hatten uns in ihre Familie aufgenommen. Stef hörte oft nur zu, wenn wir uns unterhielten, aber Karl bezog Stef immer wieder sehr geschickt in unsere Gespräche mit ein. So taute Stef immer mehr auf und auch Mario entspannte sich zusehends. Irgendwann wurde es richtig lustig. Die Zeit verging und ich staunte nicht schlecht, als ich feststellte, es war bereits fünf Uhr. Karl ließ sich die Rechnung bringen und bezahlte für uns alle.

„Vielen Dank für die Einladung Herr Geiger“, kam dann von Mario.

Barbara schaute ihren Mann an und was dann geschah, war schon etwas Besonderes.

„Karl, wann willst du den Jungen endlich erlösen? Ich finde es an der Zeit, dass er genau wie seine beiden Freunde zur Familie gehört.“

Wir schauten uns alle fragend an, Mario wurde sogar ein wenig rot. Karl bekam sein für ihn typisches Grinsen.

„Ist ja gut. Ich werde wohl alt. Also, Mario, du hast die Chefin gehört. Ich möchte auch dir ab heute das Du anbieten. Ich denke, es macht Sinn, da wir doch in Zukunft häufiger auch privat zu tun haben werden. Sollte deine bislang tadellose Arbeit darunter leiden, werde ich allerdings die Chefin auf dich hetzen. Das wird dann sehr unangenehm werden. Ich hoffe, du bist damit einverstanden?“

Mario war sichtlich ergriffen, aber er bekam ein Leuchten in die Augen und somit war es amtlich. Mario war ebenfalls in die Geigerfamilie aufgenommen. Wir fuhren zum Haus der Geigers zurück und jetzt war der Moment gekommen, wo ich mich für heute von meinem Freund verabschieden musste.

Wir umarmten uns nur kurz und vereinbarten, später zu schreiben oder zu telefonieren. Stef traute sich nicht, mich dort in der Öffentlichkeit zu küssen. Ich ließ mir das nicht nehmen. Für Stef war es zuerst ungewohnt, aber er entspannte sich schnell. Als wir uns trennten, flüsterte er mir noch ein leises „Danke“ ins Ohr. Ich musste lächeln. Da war noch einmal der unsichere Stef hervorgekommen.

Als Mario und Stef aus der Straße gefahren waren, ging ich ebenfalls wieder herein. Barbara hatte auf mich im Flur gewartet.

„Stefan traut sich wohl noch nicht, dich in der Öffentlichkeit zu küssen, oder?“

Ich zuckte mit den Schultern, denn es war mir ein wenig unangenehm, so direkt darüber sprechen zu müssen.

„Luc, sag ihm bitte und das gilt auch für dich, ihr könnt euch hier genauso frei und ungezwungen benehmen, wie bei euch zu Hause. Wir finden es toll, was du aus diesem scheuen und verletzten Jungen gemacht hast. Also genießt diese Zeit.“

Ich nickte ergriffen. Ich hatte nicht gedacht, dass die Geigers so offen damit umgehen würden. Also, es fühlte sich toll an und ich versprach ihr, das mit Stef zu besprechen. Damit war das Thema hier für die Zukunft erledigt.

Am Abend hatte ich mich auf meinem Zimmer eingerichtet. Ich wollte es mir ein wenig gemütlich machen für die nächsten Wochen. Als ich damit fertig war, alle Sachen auszupacken und passend hinzustellen, war es bereits halb neun. Ich hatte seit dem Kuchen nichts mehr gegessen und nun ein leichtes Hungergefühl. Ich verließ mein Zimmer und betrat das Wohnzimmer, in dem Barbara allein saß.

„Nanu, Karl nicht da?“

Sie lächelte:

„Nein, er ist noch im Büro. Ein paar Dinge für morgen vorbereiten und was ist mit dir? Möchtest du noch etwas essen?“

„Ja, ich habe mich jetzt etwas gemütlich eingerichtet und habe ein wenig Hunger bekommen, darf ich mir in der Küche etwas machen?“

„Natürlich, du kannst dich hier wie zu Hause fühlen. Soll ich dir noch etwas machen?“

„Danke, sehr nett von dir, aber ich mache mir grad schnell etwas. Wenn du mir nur vielleicht die Küche noch einmal erklären könntest.“

Sie stand lachend auf und wir gingen gemeinsam in die Küche. Dort zeigte sie mir alles und ich fand mich schnell zurecht. So dauerte es auch nicht lange, bis ich mir ein paar Spiegeleier gebraten hatte.

Barbara war zwischenzeitlich wieder ins Wohnzimmer zurückgegangen.

Ich hatte mir fest vorgenommen, hier einmal mit Stef gemeinsam ein richtiges Menü zu kochen. Ich saß am Tisch und sinnierte so vor mich hin. Plötzlich meldete sich mein Handy. Ich stellte mein Glas an die Seite und nahm das Gespräch an.

„Hi Stef, was liegt an?“

„Luc, du fehlst mir. Auch wenn es erst ein paar Stunden sind, aber ich vermisse dich. Es ist hier so still ohne dich.“

„Ja, ich kann dich verstehen. Geht mir auch so, aber sieh es doch positiv. Morgen sehen wir uns wieder und nach der Arbeit machen wir was Schönes zusammen. Du kennst doch München gut, überleg dir mal was, wo wir hingehen könnten.“

Er lachte und das freute mich. Stef war immer noch so leicht wieder aufzumuntern.

„Du und dein Optimismus. Schlechte Tage gibt es wohl für dich nicht.“

Wir alberten noch einen Moment gemeinsam herum und dann verabschiedeten wir uns und wünschten uns noch eine gute Nacht. Als ich das Handy auf den Tisch legte, bemerkte ich, dass Karl schon eine ganze Zeit in der Tür stand. Er schaute mich nachdenklich an.

„Darf ich mich zu dir setzen?“

„Klar, was liegt an?“

Dass er mich fragen würde, ob er sich zu mir setzen darf, hätte ich nicht erwartet.

„Du bist richtig in Stefan verliebt, oder?“

Ich musste einmal tief durchatmen. Aber es half ja nichts, er hatte halt recht.

„Leugnen ist eh bei dir zwecklos. Ja, ich denke schon, dass ich verliebt bin. Und zwar richtig.“

Jetzt musste er lachen.

„Na, Stefan scheint es aber genauso zu gehen. Ihr seid ein tolles Paar geworden. Weißt du, Luc, ich freue mich richtig, dass Stefan dich als Freund gefunden hat. So hat er eine Zukunft und du hast einen sehr lieben Freund. Ich wollte dir noch etwas sagen.“

Es trat für einen Moment eine gespannte Stille ein. Was würde jetzt kommen. Das war sonst überhaupt nicht Karls Art.

„Dass du dich so um Stefan gekümmert hast und nie die Prominenz deines Vaters ausgenutzt hast, hat uns hier ganz stark imponiert. Du hast immer nur versucht, die beste Hilfe für deinen Freund zu finden. Ohne auf dich Rücksicht zu nehmen. Das beeindruckt sowohl Barbara als auch mich. Ich möchte, dass du weißt, Stefan ist genauso für uns zu einem Freund geworden wie du. Er ist hier immer willkommen und du kannst dich jederzeit mit ihm hier treffen. Wenn du es mit der Arbeit hinbekommst, kann er hier auch mal übernachten.“

Dabei zwinkerte er mir grinsend zu. Karl war ein toller Mensch. Ich musste erneut feststellen, dass er im Inneren ein absoluter Familienmensch war. Es tat ihm sicher weh, dass seine Kinder für sein Lebenswerk nicht so viel übrig und sich für eine andere Karriere entschieden hatten.

„Danke Karl, es tut gut, dies zu hören. Ich habe manchmal wirklich gezweifelt, ob alles richtig ist, was ich tue. Umso schöner ist es zu spüren, dass ich nicht allein bin und auch hier Freunde habe, die auf mich aufpassen. Ein wirklich gutes Gefühl.“

Er nickte verständnisvoll.

„Wie sieht das mit deinen Plänen für eure Freizeit aus? Wenn du mal Ideen brauchst, kannst du immer zu uns kommen. Ich soll dir noch von Michael ausrichten, dass du morgen mal bei ihm vorbei kommen sollst.“

„Danke dir, werde ich machen. Wenn du mir die Zeit dafür gibst.“

Jetzt lachte er laut auf und fing an, mich zu kitzeln. Wir alberten noch eine ganze Weile herum und ich hatte das Gefühl, er wäre mein Großvater, den ich nie wirklich kennengelernt hatte. Nach einigen Minuten hatten wir uns wieder beruhigt und Karl verabschiedete sich wieder ins Wohnzimmer. Ich räumte noch die Küche auf und ging dann in mein Zimmer. Dort traf ich noch einige Vorbereitungen für den nächsten Morgen. Zum Schluss schrieb ich Stef noch eine Message für die Nacht und dann legte ich mich auch hin. Morgen würde es früh losgehen.

Ich schlief relativ unruhig. Es war kein Albtraum, aber mir fehlte mein Freund an meiner Seite. Als um halb sieben der Wecker klingelte, war ich doch noch recht müde. Es half aber nichts. Also aufstehen und unter die Dusche. Als ich die Küche betrat, staunte ich nicht schlecht. Das Frühstück stand perfekt vorbereitet auf dem Tisch. Ein kleiner Zettel lag vor meinem Platz.

Guten Morgen Luc,

wir haben dir heute mal das Frühstück vorbereitet. Der erste Tag soll für dich schön beginnen. Wir sind schon in die Firma gefahren und warten dort auf dich. Wir wünschen dir einen guten Start hier in München.

Karl und Barbara

Wow, das war toll. Ich fand das wirklich echt klasse. Damit machte der Start in die Woche gleich doppelt so viel Spaß. Ich frühstückte und machte mir noch zwei Kleinigkeiten zum Mitnehmen und räumte zum Schluss die Küche wieder auf. Dann nahm ich meinen Rucksack und verließ das Haus in Richtung Haltestelle. Ich stieg in die Bahn ein und wenige Haltestellen später musste ich schon wieder aussteigen. Den Weg kannte ich noch und somit war ich pünktlich in der Firma. Wie früher, meldete ich mich zuerst am Empfang an. Heute war Barbara nicht dort und ich wurde freundlich von einer jungen Kollegin empfangen. Sie ließ mir ausrichten, dass ich mich beim Dieter, dem Werkstattleiter melden sollte. Also machte ich mich dorthin auf den Weg. Zuvor zog ich mich noch schnell um. Die Sachen passten alle sehr gut und somit stand dem ersten Arbeitstag nichts mehr im Wege.

„Guten Morgen, Dieter.“

Ich stand vor der Auftragsannahme und Dieter schaute von seinen Unterlagen auf.

„Lucien, guten Morgen. Schön, dass du wieder bei uns bist.“

Er gab mir die Hand und wir unterhielten uns kurz über mich. Was ich so gemacht hatte und wie lange ich bleiben würde. Nachdem das alles geklärt war, schickte mich Dieter zu Mario an die Bühne 5 und wünschte mir viel Spaß.

Auf dem Weg durch die Werkstatt zur Bühne 5 musste ich viele Mitarbeiter begrüßen. Ich staunte wirklich, dass sich fast alle noch an mich erinnern konnten. Ich war zwar zwischendurch häufiger in München, aber da waren an den Wochenenden nicht viele Mitarbeiter in der Firma.

An Bühne 4 fiel mir ein Junge auf. Den hatte ich hier noch nie gesehen. Er war in etwa so alt wie ich. Leider hatte ich keine Zeit, mich groß mit ihm zu beschäftigen, denn Mario hatte mich bereits gesehen und kam mir entgegen.

„Hi Luc, schön, dass du da bist. Ich hoffe, dein Montag war bislang ok.“

„Moin Mario, ja, für einen Montag war es ok.“

Wir mussten beide lachen. Er gab mir einen kurzen Überblick, was zu tun war. Mario hatte sich bei Karl zum Oldtimerexperten entwickelt. Er war auch schon auf einigen Fortbildungen speziell für die alten amerikanischen Autos.

Jetzt stand ein alter T-bird aus dem Jahr 1957 auf der Bühne. Dort sollte ein großer Service gemacht werden, inklusive Getriebeölwechsel.

Wir besprachen, in welcher Reihenfolge wir vorgehen würden und was ich bereits allein machen sollte. Es dauerte auch nicht lange und ich war wieder voll in der Arbeit gelandet. Es machte mir einfach Spaß zu schrauben. Nebenbei hatten wir immer auch Gelegenheit, ein paar Sätze zu sprechen. Er erzählte mir, dass Stef sehr unruhig geschlafen hatte.

„Hat er dir denn einen Grund sagen können, warum er so unruhig war? Hatte er schlecht geträumt?“

„Nein, Luc. Er wusste nicht einmal, ob er überhaupt etwas geträumt hatte. Irgendwann habe ich ihn dann in mein Bett geholt und dann ging es.“

„Hoffentlich wird das nicht zu einem Problem.“

„Glaube ich nicht, wir warten einfach mal ein paar Tage ab. Außerdem hat er heute ja auch den ersten Termin in seiner Schule. Er war sehr aufgeregt.“

„Ich dachte, er würde erst am Mittwoch in die Schule fahren. Was liegt da heute an?“

„Es ist nur ein Gespräch mit dem Rektor zum Kennenlernen. Nichts Wildes. Ich vermute, dass er sogar schon gegen elf wieder zu Hause ist. Er wollte sein Zimmer noch ein wenig umräumen.“

Nebenbei waren wir mit dem T-bird beschäftigt. Ich hatte das Öl bereits vom Motor und Getriebe abgelassen und Mario hatte auch schon einiges an Servicearbeiten erledigt. Jetzt mussten wir noch klären, was für ein Getriebeöl wir einfüllen mussten.

„Luc, gehst du mal an den Computer und schaust nach, was für ein Getriebeöl wir nehmen müssen.“

Ich ging an den Monitor und gab das Modell ein. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob es sich um ein Modell 56 oder 57 handelte. Unglücklicherweise hatte es da einen Modellwechsel gegeben. Mario konnte es auch nicht genau sagen.

„Luc, schau doch mal in den Papieren nach, was für eine Fahrgestellnummer der hat.“

Ich nahm mir also den KFZ-Schein und gab die Fahrgestellnummer ein. Danach war es ein 57er und ich wusste nun, welches Öl ich brauchte.

„Brauchen wir noch mehr aus dem Lager oder nur das Getriebeöl?“, fragte ich Mario.

„Nein, alles andere habe ich schon hier, aber du kannst schon mal beim Dieter den neuen Auftrag holen und dafür alles mitbringen. Dann kannst du dir einen Weg sparen.“

Ich gab zu verstehen, dass ich ihn verstanden hatte und machte mich zuerst auf den Weg zu Dieter. Der gab mir einen neuen Auftrag und die Schlüssel für das Fahrzeug auch gleich mit. Es war eine neue Corvette Stingray. Sie sollte die erste kleine Durchsicht bekommen. Dafür wurde nur ein neuer Ölfilter und Öl benötigt. Ich nahm also alles mit und ging weiter Richtung Lager.

Auf dem Weg dorthin musste ich einmal quer durch die Werkstatt. Überall wurde ich freundlich begrüßt und musste immer wieder ein paar Sätze mit den Mitarbeitern sprechen. Es gab mir das Gefühl, wirklich dazuzugehören.

Im Lager bekam ich die nötigen Materialien und natürlich noch ein kleines Gespräch dazu.

„Hi Lucien, schön, dich wiederzusehen. Was kann ich für dich und Mario denn tun?“

„Hi, Andy, wir haben einen ´57 er T-bird, der neues Getriebeöl braucht und wir brauchen für die neue Stingray einen Ölfilter und Öl.“

Innerhalb weniger Augenblicke stellte er mir die Sachen auf den Tresen. Ich staunte, denn für einen so alten T-bird das Öl gleich griffbereit zu haben, fand ich verwunderlich.

„Und, wie gefällt es dir, wieder bei uns zu sein?“

„Also bislang einfach toll. Ich freue mich wirklich, dass die meisten Mitarbeiter mich noch kennen und alle sehr freundlich mit mir umgehen. Ein gutes Gefühl für mich.“

„Na hör mal, so einen netten Jungen wie dich vergisst man doch nicht so schnell. Außerdem hast du ja schließlich den Wagen vom Chef entworfen. Damit wird jedem ins Gedächtnis gerufen, wer du bist. Dieses Auto macht immer noch überall richtig Eindruck.“

Dabei grinste er mich frech an. Mir war das ein wenig unangenehm. Andy gab mir aber das Gefühl, dass es in Ordnung ist. Ich nahm meine Sachen, bedankte mich bei ihm und marschierte wieder zurück. Auf dem Rückweg lief mir der andere Junge über den Weg, den ich noch nicht kannte. Wir grüßten uns kurz, aber er schien sehr zurückhaltend zu sein.

Ich nahm mir vor, Mario beim Mittagessen mal nach ihm zu fragen.

Ich legte die Sachen und den neuen Auftragszettel auf die Werkbank.

„Hast du alles bekommen?“, fragte mich Mario.

„Klar, liegt alles bereit. Wie machen wir es jetzt? Was muss zuerst eingefüllt werden?“

„Ich mache alle Dichtungen neu und mit den Schrauben dicht. Du füllst dann von oben ein, wenn ich dir das ok gebe.“

„Alles klar.“

Wir hatten innerhalb weniger Minuten den T-bird neu befüllt und damit abgeschlossen. Mario startete den Motor und machte noch einen letzten Check. Er hatte schließlich die Verantwortung für unsere Arbeit. Mir war schon bewusst, dass ich als ungelernte Kraft hier sehr viel selbst machen durfte.

Als er den Motor wieder abstellte, schauten wir noch einmal beide nach, ob auch wirklich alles dicht war. Dann fuhr ich die Bühne herunter und Mario schaute mich an.

„So Luc, fährst du den T-Bird zur Übergabe? Ich hole in der Zeit die neue Stingray. Aber fahr bitte vorsichtig. Wenn es länger dauert, kein Problem, nur eine Beule sollte nicht sein.“

Ich stutzte, hatte er vergessen, dass ich noch keinen Führerschein hatte?

Mario schaute mich an und als ich zögerte, sagte er:

„Was ist? Los, mach hin. Du kannst das doch. Ich habe von Karl extra die Erlaubnis bekommen, dass du hier alle Autos auf dem Gelände bewegen darfst.“

Ich wusste es doch, Karl hatte immer noch eine Überraschung im Köcher. Also stieg ich in den T-bird, legte den Wählhebel am Lenkrad in die richtige Position und rollte langsam aus der Werkstatt nach draußen auf den Parkplatz.

Ich war überrascht, wie schnell ich wieder in die Arbeitsprozesse hineinkam. Bis zur Mittagspause hatten wir noch zwei weitere Aufträge erledigt. Jetzt saßen wir, wie schon früher, beim Griechen und hatten uns einen Gyrosteller bestellt. Stef hatte mir eine Nachricht geschickt, dass er wieder zu Hause sei und mir einiges zu erzählen hatte. Ich wurde ein wenig unruhig, als ich das las. Ich zeigte die Nachricht Mario, der mir den Rat gab, Stef anzurufen.

Das tat ich mit einer leichten Nervosität.

„Luc, bist du nicht bei der Arbeit? Warum rufst du an?“

„Du bist gut, ich mach mir Sorgen, weil du mir geschrieben hast, dass du einiges zu erzählen hast.“

Er fing an zu lachen und ich wurde ein wenig ärgerlich.

„Schatz, es ist alles gut. Tut mir leid, wenn ich dir Angst gemacht habe, aber ich war einfach nur überrascht, wie freundlich mich alle aufgenommen haben. Ich erzähle dir das später. Mach also nicht so lange heute.“

Dann gab er mir einen Kuss durchs Telefon und beendete das Gespräch.

Kopfschüttelnd legte ich das Handy auf den Tisch und Mario schien zu ahnen, was Stef berichtet hatte. Ich informierte ihn kurz und dann konnten wir uns erleichtert wieder dem Essen widmen.

Die Pause war leider viel zu schnell vorüber und ich hatte gleich einen Termin bei Michael im Büro. Er wollte mich unbedingt gleich heute sprechen. Also machten wir uns auf den Weg zurück zur Firma und dort trennten wir uns. Mario ging in die Werkstatt und ich in den Bereich, wo die Entwicklung untergebracht war. Ich wollte durch die Tür gehen, um in den Bereich zu gelangen, aber sie war verschlossen. Das wunderte mich dann doch etwas. Deshalb ging ich zurück zum Empfang und fragte nach. Mittlerweile saß Barbara dort und sie musste lachen, als ich ihr mein Erlebnis berichtete.

„Na, da hat Karl doch glatt vergessen, dir zu sagen, dass wir diesen Bereich mit einem Code gesichert haben, damit dort nicht einfach Kunden rein laufen können. Schließlich werden da ja neue Sachen entwickelt, die noch niemand sehen soll.“

„Und wie komme ich da jetzt rein. Michael wollte mich schon vor fünf Minuten sehen.“

Barbara nahm das Telefon, sagte Michael Bescheid und gab mir den passenden Code.

„Und geh auf dem Rückweg bei Karl vorbei und schimpf mal ordentlich mit ihm, dass du seinetwegen zu spät gekommen bist.“

Sie grinste und zwinkerte mir zu. Ich machte mich schnellstmöglich wieder auf den Weg. Bei Michael angekommen, entschuldigte ich mich für die Verzögerung. Er sah das aber recht entspannt.

„Ist doch nicht deine Schuld, wenn der Chef das vergessen hat. Schön, dass du wieder da bist. Wie war der erste Tag bislang?“

„Danke, bislang sehr gut. Ich habe fast das Gefühl, eigentlich gar nicht weg gewesen zu sein. Alle haben mich hier sehr freundlich aufgenommen.“

Wir redeten noch einen kleinen Moment und dann kam er zu seinem eigentlichen Grund, weshalb er mich sprechen wollte.

„Lucien, wir haben hier ja einen neuen Bereich eingeführt und du hast schon einige tolle Ideen gehabt. Ich würde dich gerne hier in der Entwicklung einsetzen und nicht mehr nur in der Werkstatt. Du hast immer kreative Ideen gehabt und bist sehr geschickt. Könntest du dir vorstellen, hier eine Ausbildung und dann ein Studium zu machen, um danach hier als Ingenieur einzusteigen? Und bevor du antwortest, ich habe das mit Karl bereits besprochen und er würde das sehr gerne so sehen. Aber du musst hier natürlich nichts entscheiden. Lass es dir in Ruhe durch den Kopf gehen. Sprich mit deinen Eltern darüber. Du hast ja sechs Wochen Zeit, dir das zu überlegen.“

Ein wenig überrascht und auch vielleicht ein bisschen überfahren fühlte ich mich schon gerade. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich bedankte mich für das Vertrauen und stellte noch eine Frage, die ich im Kopf hatte:

„Kann ich denn in den sechs Wochen hier auch mal arbeiten? Dann kann ich mir ein genaues Bild davon machen, was du hier genau zu tun hast. Du bist ja vermutlich nicht mehr nur Designer.“

„Klar, du wirst hier sicher noch genug Gelegenheit haben, dir alles anzuschauen. Du darfst hier nur keine Fotos machen, ohne uns vorher zu fragen.“

Wir schauten uns an und mussten beide lächeln. Er wusste ganz genau, dass diese Bemerkung eigentlich überflüssig war.

Der Nachmittag war dann wieder normale Werkstattarbeit. Wobei ich immer wieder staunte, wie viel ich bereits allein an Arbeiten machen durfte. Gegen vier am Nachmittag kam Karl zu uns. Wir waren gerade dabei, den letzten Auftrag für heute abzuarbeiten.

„Hallo ihr beiden, wie läuft denn so euer Pensum?“

„Hallo Herr G… äh Karl“, Mario wurde richtig rot im Gesicht.

„Dieses Mal hast du noch Schonzeit Mario, bei jedem weiteren „Herr Geiger“ musst du einen Kaffee oder ein Eis ausgeben.“

Mario verdrehte ein wenig die Augen, ich musste lachen.

„Ok, Karl, aber ich muss mich wirklich erst noch daran gewöhnen. Wir sind fast fertig mit dem Wagen und wollten danach Feierabend machen.“

„Und Luc, wie ist es für dich gelaufen?“

„Klasse, ich bin schnell wieder in die Arbeitsprozesse gekommen und hoffe mal, dass ich Mario mit meiner Leistung zufriedengestellt habe.“

Mario bestätigte schnell diesen Sachverhalt und Karl schien zufrieden zu sein.

„Hört mal ihr beiden, ich habe eine Bitte an euch. Könnt ihr gleich nach Feierabend noch ein Auto von einem Kunden abholen? Er bekommt ein Umbau-Paket und von uns und für die Zeit einen Firmenwagen. Ihr fahrt also hin, tauscht die Wagen und kommt damit zurück. Die Zeit wird natürlich als Arbeitszeit angerechnet.“

Mario überlegte nicht lange und erwiderte:

„Also meinetwegen kein Problem, aber Luc muss doch nicht extra dafür länger machen.“

„Doch, Mario, ich möchte, dass er mit dir mitfährt. Er soll das richtig kennenlernen und außerdem glaube ich, kann er dem Kunden ein paar Tipps geben. Du wirst das verstehen, wenn ihr vor Ort seid. Und Luc, keine Hemmungen, dein Wissen über das Auto anzubringen.“

Dabei grinste er mich an und ich hatte keinen Schimmer, was er meinte. Egal, abwarten. Mittlerweile hatte ich verstanden, dass es manchmal besser war, Karl einfach zu vertrauen.

Wir machten den letzten Auftrag fertig, Mario brachte den Wagen zur Übergabe und ich brachte die Papiere zu Dieter. Dort meldete ich uns für heute ab und er gab mir den Schlüssel für einen neuen Mustang. Das war ein Vorführfahrzeug, das der Kunde gleich bekommen sollte. Anschließend gingen wir beide uns umziehen und Mario schien erfreut zu sein, den neuen Mustang fahren zu dürfen.

„Na, Mario, freust du dich schon auf den Mustang?“

„Klar, das ist ja kein normaler Mustang. Das ist ein Shelby Mustang. Der stärkste Mustang, der je gebaut wurde. Das ist etwas ganz Besonderes.“

In gespannter Erwartung gingen wir auf den Parkplatz, hatten uns vorher aber noch abgemeldet. Dort stand ein schwarzes, bulliges Auto. Mit den für einen Shelby typischen Streifen. Respekt, dachte ich. Das Gerät hat sicher ordentlich Leistung.

Mario öffnete die Fahrertür und ich stieg auf der Beifahrerseite ein. Mir wurde klar, wenn ein Kunde so ein Fahrzeug leihweise bekam, hatte dieser auch ein besonderes Auto, was umgebaut werden sollte. Mario schaute auf die Adresse, die auf dem Auftrag stand. Er stutzte, weil er vermutlich nicht genau wusste, wo das in München war. Er bat mich, die Adresse in das Navi einzugeben. Es dauerte nicht lange und wir waren im Münchener Stadtverkehr unterwegs. Das Navi lotste uns in einen Randbezirk von München. Die Häuser wurden immer nobler und ich ahnte, dass wir gleich einen Kunden besuchen würden, der zu den wohlhabenden Leuten zählen würde.

„Hier scheint es ja nur solche Villen zu geben.“

Mario deutete mit seiner Hand auf die uns umgebenden Häuser, als die Stimme des Navi meldete:

In einhundert Metern rechts abbiegen, dann haben Sie ihr Ziel erreicht.

Mario stellte den Mustang vor einem wirklich sehr modernen und teuren Einfamilienhaus ab. Ich schaute noch einmal auf den Namen des Kunden und überlegte, woher ich diesen Namen kannte. Es fiel mir einfach nicht ein. Aber ich wusste, dieser Kunde war prominent.

Wir standen vor der Haustür und ich drückte die Klingel. Einen Moment später hörte ich eine Stimme fragen:

„Ja, wer ist da?“

Ich meldete mich:

„Einen schönen guten Tag. Firma Geiger, wir möchten Ihr Auto abholen.“

„Oh, das ist schön. Einen Augenblick bitte. Ich bin sofort da.“

Anstatt, dass uns die Tür geöffnet wurde, öffnete sich die Garage. Das dann folgende Motorengeräusch kam mir bekannt vor. Als ich das Heck des Autos erkannte, wusste ich auch woher. Ein Ford GT kam zum Vorschein. Der Fahrer stellte den Wagen in der Einfahrt ab, und als er ausstieg, wusste ich auch, woher ich diesen Namen kannte. Es war ein Spieler des FC Bayern.

Mario wurde sichtlich nervös, während ich recht gelassen blieb. Ich wusste ja von Papa, dass es immer am besten war, so normal mit Promis umzugehen, wie es geht. Er kam auf uns zu, wir stellten uns kurz vor und er bot uns sofort das „Du“ an.

„Das ist das gute Stück, ich habe mit Herrn Geiger vereinbart, dass er ein bisschen besser gemacht werden soll.“

„Was stört dich denn an dem Auto?“, fragte ich ihn.

Mario schien vor Ehrfurcht erstarrt zu sein. Er schwieg jedenfalls wie ein Stein. Mir war das ein wenig peinlich, dass ich als junger Spund hier mit einem der besten Fußballprofis der Bundesliga über sein Auto redete.

„Es ist mir zu schwammig und eigentlich könnte der Motor noch mehr Bums haben. Er ist mir ein wenig zu brav.“

Ich musste lachen. Das brachte mir von Mario einen ganz bösen Blick ein. Ich glaubte, in diesem Moment hätte er mir am liebsten den Mund zu geklebt.

David fragte mich etwas erstaunt:

„Warum lachst du? Kennst du denn das Auto, du hast doch sicher noch gar keinen Führerschein.“

„Sorry, ich musste lachen, weil mein Vater hat auch so ein UFO in seiner Sammlung und hat genau das gleiche damals gesagt. So habe ich Karl Geiger überhaupt kennengelernt. Dieses Auto ist sozusagen schuld daran, dass ich hier bin.“

Jetzt wurde David neugierig und meinte:

„Cool, und was hat dein Vater damit dann gemacht?“

„Er hat sich von Karl einen kompletten Umbau machen lassen, Fahrwerk, Motor, Getriebe und Bremsanlage. Heute ist er total zufrieden damit. Er fährt sogar damit hin und wieder über die Nordschleife.“

„Also er hat das große Paket genommen. Ich dachte eigentlich daran, nur den Motor etwas bearbeiten zu lassen.“

Ich erklärte ihm, dass ich das nicht empfehlen würde, weil das das serienmäßige Fahrwerk überfordern würde. Er fragte mich immer wieder nach Details und nach einer halben Stunde angeregter Diskussion, stellte er mir die Frage:

„Kann ich denn jetzt noch so kurzfristig das große Paket bestellen? Ich meine, dafür müsst ihr doch bestimmt mehr vorbereiten.“

Jetzt meldete sich Mario zu Wort:

„Eigentlich sollte dafür alles vorhanden sein. Sicherlich ist der GT kein Fahrzeug, was jeden Tag bei uns auftaucht, aber ich denke, die Teile sind alle vorhanden. Allerdings wird das auch entsprechend aufwendig und auch recht kostspielig.“

David lächelte freundlich, aber bestimmt sagte er zu uns:

„Wenn es wirklich gut ist, und so, wie sich Lucien anhört, scheint es gut zu sein, sollte das Geld nicht so das Problem werden. Wie lange würde es denn dauern, bis alles fertig wäre?“

Ich schaute Mario an, der schüttelte auch nur den Kopf. Da fiel mir etwas ein. Ich könnte doch einfach Karl anrufen und fragen.

„David, ich kann es dir nicht sagen, aber ich rufe mal eben Karl an und frage ihn.“

Ich wählte die Nummer von Karls Handy direkt. Nach einmaligem Klingeln war er dran.

„Luc, was gibt’s denn? Alles in Ordnung bei euch?“

„Hallo Karl, ja soweit alles in Ordnung, nur wir haben hier ein Problem. Der Kunde möchte jetzt doch das komplette Paket haben und fragt, wie lange das dauern wird.“

Karl begann sofort zu lachen.

„Wie geil ist das denn? Also Luc, ich habe mich nicht getäuscht in dir. Der Umbau dauert drei Tage ohne Lackierung. Wenn er auch eine andere Lackierung möchte, dann ungefähr zehn Tage.“

Ich war irritiert. Wie hatte er das gemeint? Egal, das war jetzt nicht das Thema.

„Und er kann den Mustang dann auch so lange behalten?“

„Klar, aber du hast ihm schon gesagt, dass das recht kostspielig wird?“

„Ja habe ich, aber wäre es nicht sinnvoll, wenn du mit ihm selbst einmal sprichst. Die Zahlen hast du doch sicher viel besser im Kopf als ich.“

Karl gab mir recht und ich gab das Handy an David weiter. Sie sprachen ein paar Sätze miteinander und dann gab mir David mein Handy zurück. Das Gespräch war bereits beendet. David schaute mich fragend an.

„Sag mal Lucien, wer ist dein Vater? Herr Geiger machte eben eine Andeutung. Ich glaube, er ist auch nicht so unbekannt, oder?“

Mir war das ein wenig unangenehm, Mario spürte das und half mir aus dieser Situation. Dafür war ich ihm dankbar.

„Ja, kann man so sagen. Ich weiß nicht ob dir der Name „Marc Steevens“ etwas sagt?“

David bekam große Augen und reagierte spontan.

„Cool, ich werde das gleiche Paket bekommen, wie der beste Rennfahrer der letzten Jahrzehnte.“

Er gab uns die Autoschlüssel und Mario bat ihn, ihn zum Mustang zu begleiten. Dort erklärte er David das Auto. Dann verabschiedeten wir uns von ihm und Mario bugsierte den GT aus der Einfahrt. Ich stand draußen und wies ihn ein. Als das Auto auf der Straße stand, stieg ich auch ein und wir fuhren zurück in die Firma. Mario gab den Schlüssel und die Papiere ab und Barbara hatte noch eine Bitte an mich:

„Luc, bevor du nach Hause fährst, kannst du bitte noch bei Karl im Büro vorbei gehen. Er wollte dich noch etwas fragen.“

„Klar, kein Problem.“

Mario blieb noch einen Moment stehen und ich ging zu ihm.

„Soll ich auf dich warten und dich nach Hause bringen?“

„Nein, ist nicht nötig. Sagst du Stef bitte, ich komme heute erst später nach Hause. Ich rufe ihn an, sobald ich zu Hause bin. Wir sehen uns dann morgen.“

Wir verabschiedeten uns und ich ging zu Karl in den ersten Stock. Mario winkte noch einmal kurz und verließ das Gebäude.

Ich klopfte an die Tür und Karl bat mich herein. Ich sollte kurz vor dem Schreibtisch Platz nehmen. Das tat ich auch und er schaute mich zufrieden lächelnd an.

„Na, was habe ich gesagt. Du warst genau der richtige für diesen Auftrag. Ich glaube, du bist der geborene Nachfolger für mich.“

Ich wurde vermutlich so rot wie eine Tomate.

„Du spinnst, Karl. Ich habe doch nur die Erfahrungen weitergegeben, die Papa gemacht hat. Dafür braucht man keine besonderen Fähigkeiten.“

„Luc, du hast sofort erfasst, worauf es dort ankam. Du hast schnell begriffen, wie man dem Kunden helfen könnte und hast nicht lange gezögert. Erst als du dir nicht sicher warst, hast du mich angerufen. Ebenfalls eine richtige Entscheidung. Das war für mich ein kleiner Test. Du hast ihn mit Bravour bestanden. Ich weiß jetzt, dass ich mich absolut auf dich verlassen kann. Ich bin einfach begeistert, auch wenn dir das jetzt nicht passt. Ich bin stolz auf dich. Du hast das besondere Gen für diese Arbeit. Du hast das Auto Gen.“

Jetzt mussten wir beide lachen.

„Bis morgen machst du dir mal Gedanken über ein neues Auto für Mario. Er fährt immer noch diesen alten Jeep. Er arbeitet hier als Geselle und bekommt ein gutes Gehalt. Ich möchte, dass er sich ein sichereres Auto zulegt. Kannst du das nicht mal in Angriff nehmen? Er fährt euch oft durch die Gegend, insbesondere natürlich deinen Freund. Der Jeep ist schon über zwanzig Jahre alt und ich habe Sorge, dass etwas passiert.“

Das war auch so typisch für ihn. Er hatte gespürt, dass Mario sich niemals an ihn wenden würde, um ihn um Hilfe zu bitten. Karl war ein Chef, der sich für seine Mitarbeiter verantwortlich fühlte. Wir verabschiedeten uns bis heute Abend. Ich ging sehr nachdenklich aus dem Gebäude zur Straßenbahn. Auf dem Heimweg gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Was für ein erster Arbeitstag. Zu Hause sprang ich zuerst unter die Dusche und rief bei Stef an. Ich hatte Sehnsucht nach meinem Freund. Ihm schien es genauso zu gehen, denn wir sprachen über eine halbe Stunde miteinander und er wäre gern noch zu mir gekommen. Das war heute aber nicht möglich. Wir vereinbarten, dass ich morgen nach der Arbeit mit Mario zu ihnen fahren würde.

Abends habe ich dann mit Karl noch einmal kurz gesprochen, bin aber schon um halb zehn ins Bett. Ich war richtig kaputt.

Stefan: Ein überraschendes Treffen

Nachdem ich den ersten Tag in meiner alten Schule war und dort einiges mit der Schulleitung geklärt hatte, war ich doch noch auf Anraten des Rektors in meine alte und gleichzeitig neue Klasse gegangen. Erst war ich sehr nervös, als ich vor der Klasse stand. Als es zur großen Pause klingelte und alle nach draußen liefen, schauten mich einige sehr verwundert an. Erst der Lehrer hatte mich erkannt und sich mit mir unterhalten. Er war sehr interessiert an dem, was ich in den letzten Monaten erlebt hatte. Ich erzählte nur ganz kurz, was alles passiert war. Als die Pause zu Ende war, standen wir immer noch in der Klasse und unterhielten uns. Die ersten Klassenkameraden kehrten aus der Pause zurück. Einige erkannten mich dann und waren sehr neugierig. Ich war überrascht, wie freundlich mich alle aufnahmen. Wir konnten zwar nicht lange miteinander reden, aber als ich sagte, dass ich am Mittwoch für einen Tag in den Unterricht kommen und nach den Ferien wieder hier zur Schule gehen würde, war die Freude in der Klasse groß. Das verwirrte mich sehr, denn meine Erinnerungen an meine alte Klasse waren nicht sonderlich positiv. Was war hier passiert? Noch konnte ich das nicht klären.

Jedenfalls fuhr ich, zwar noch immer etwas irritiert, aber mit der Hoffnung, hier einen guten Start haben zu können, nach Hause. Ich schrieb Luc eine Nachricht und kaum hatte ich sie abgeschickt, klingelte mein Handy, Luc war sichtlich aufgeregt. Er hatte meine Nachricht falsch verstanden und machte sich Sorgen. Diese Reaktion machte mich einerseits froh, aber auch nachdenklich. Mein Freund machte sich sofort Gedanken, dass es mir vielleicht nicht gut gehen würde. Das war immer noch schwer zu begreifen für mich. Genau wie in der Schule. Die Mitschüler machten sich plötzlich Gedanken über mich und meine Vergangenheit.

Am Abend kam Mario von der Arbeit und berichtete mir von dem tollen Arbeitstag mit Luc. Er war richtig euphorisch und freute sich sehr, dass Luc so einen guten Start hatte. Was Mario aber nicht wusste, Karl hatte mich bereits angerufen und mich gebeten, morgen Mittag in die Firma zu kommen. Mario hatte einen Termin außerhalb und Luc und ich sollten für ihn einen Spezialauftrag machen, von dem Mario allerdings nichts wissen sollte. Mehr wollte er mir aber nicht verraten. Ich informierte Mario aber darüber, dass ich am Nachmittag Luc in der Firma besuchen wollte.

Am Abend kochten wir zusammen ein paar Nudeln mit Tomatensoße und sprachen noch über die nächsten Tage. Geplant war, dass ich den nächsten Abend bei Luc und den Geigers sein würde. Ich bat meinen Bruder, mich abends dort abzuholen. Nachdem wir das noch geklärt hatten, ging ich müde zu Bett.

Ich schlief zwar schnell ein, aber die Nacht war wieder sehr unruhig. Mir fehlte mein Freund neben mir. Ich hatte mich schon so an Luc gewöhnt und dann immer wieder das Gefühl, allein zu sein. Es war rational gesehen unsinnig, aber es fühlte sich so an. Hoffentlich würde ich mich schnell daran gewöhnen, dass wir nicht mehr so oft zusammen sein konnten. Wenigstens konnte ich ausschlafen.

Mario war schon lange zur Arbeit, als ich gegen zehn aufwachte. Er hatte mir eine Nachricht hingelegt, in der er mich bat, ein paar Einkäufe zu machen. Ich nahm eine Dusche und fühlte mich danach gleich viel besser. Allerdings stieg auch meine Sehnsucht nach meinem Freund. Ich frühstückte in Ruhe und Mario hatte mir die Tageszeitung auf den Tisch gelegt. Früher hätte mich das nicht interessiert. Heute las ich mir alles sehr ausführlich durch und insbesondere den Lokalteil. Komisch, mir wurden diese Veränderungen immer mehr bewusst.

Ich freute mich auf den Tag, auf die neuen Dinge, die ich erleben würde. Das war früher vollkommen anders. Mir wurde heute zum ersten Mal richtig bewusst, dass ich mich stark verändert hatte. Ich war zwar dieselbe Person, aber nicht mehr derselbe Mensch. Ich war nicht mehr so negativ und selbstzerstörerisch. Heute wollte ich den Tag erleben und etwas für mich tun.

Also erledigte ich die Einkäufe und machte auf dem Rückweg ein paar Erkundungen, was sich im Stadtteil verändert hatte. Ich orientierte mich und wusste, wo ich mit Luc mal hingehen konnte, um ein Eis zu essen. So war der Vormittag recht schnell vorbei und ich machte mich mit der Straßenbahn auf den Weg zu meinem Freund in die Firma. Karl meinte, ich sollte passend zur Mittagspause kommen, dann könnte ich mit Luc gemeinsam essen gehen.

Langsam wurde ich doch ein wenig nervös. Ich war ja noch nicht so oft in der Firma, wenn dort normal gearbeitet wurde. Als ich die großen Räume mit den riesigen Glasflächen betrat, überkam mich ein tolles Gefühl. Ich fühlte mich plötzlich frei. Warum? Keine Ahnung, es war einfach so. Ich schaute mich einen Moment zu lange um, denn bevor ich zum Empfang gelangen konnte, sprach mich ein junger Verkäufer in Jeans und Hemd an.

„Entschuldigung, kann ich dir helfen?“

Ich konnte auf seinem Schild seinen Namen lesen und antwortete:

„Herr Ahrens, ich habe einen Termin bei Herrn Geiger.“

Daraufhin bat er mich, mich am Empfang zu melden. Das tat ich dann auch.

Worüber ich mich wunderte, denn vor einem halben Jahr wäre ich vor Angst und Nervosität gestorben. Heute ging ich gut gelaunt und vollkommen entspannt zum Empfang, wo mich Frau Queck begrüßte. Ich stellte mich vor und sie nahm das Telefon in die Hand und sprach ein paar Sätze mit Karl.

„Stefan, setz dich bitte einen Moment in die Lounge. Der Chef kommt gleich, aber wenn du magst, kannst du auch in die Werkstatt zu Lucien gehen. Er arbeitet mit dem Meister noch an einem Auto an der Bühne eins.“

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Sofort marschierte ich in die Richtung und freute mich, meinen Freund wieder zu sehen.

Als ich die Halle betrat, wurde ich freundlich begrüßt. Komisch, es schien so, als ob einige Mitarbeiter mich bereits kannten. Ich stand jetzt an der Bühne eins und Luc hatte gerade ein neues Rad an einem Wagen montiert. Er legte den Schlagschrauber an die Seite und drehte sich zu mir. Erst in diesem Moment erkannte er mich.

„Stef, das ist ja eine Überraschung. Ist es schon so spät?“

„Hallo Luc, ja es ist schon Mittagszeit. Und ich freue mich, dich wiederzusehen.“

Wir umarmten uns, aber ich traute mich nicht, ihn zu küssen. Ich wusste nicht, ob es so klug sein würde und ob die Mitarbeiter Bescheid wussten. Auch Luc machte keine Anstalten, mich zu küssen. Ich beließ es daher bei einer Umarmung.

„Du, wir machen das Auto hier noch fertig und dann können wir bei Karl vorbei gehen. Hast du dich schon vorne angemeldet?“

„Natürlich, meinst du ich laufe hier einfach so herein?“

Jetzt mussten wir alle drei lachen. Auch dem Meister schien meine Antwort gut gefallen zu haben. Es dauerte allerdings nicht lange und Karl stand überraschenderweise bei uns.

„So, Dieter, wie sieht das aus? Seid ihr soweit, dass ich die beiden Jungs mitnehmen kann?“

„Klar Chef, ich mache den Rest auch allein fertig. Das meiste ist gemacht.“

Karl nahm mich in den Arm und sagte:

„Gut. Los Jungs, machen wir uns auf den Weg. Mario ist schon weg und somit haben wir unsere Ruhe. Luc, du gehst dich mal umziehen. Heute brauchst du nicht mehr in die Werkstatt zurück. Wie haben genug anderes zu tun.“

Ich schaute meinen Freund an und er schien genauso überrascht zu sein wie ich. Allerdings war uns beiden klar, wenn Karl etwas geplant hatte, war es besser, seinen Anweisungen zu folgen. Luc ging sich umziehen und ich ging mit Karl zum Empfang.

„Stefan, ihr beide geht jetzt erst einmal Mittagessen. Wenn ihr fertig seid, kommt ihr bitte hoch in mein Büro.“

„Ok, Karl. Ich werde Luc das ausrichten. Wann sollen wir bei dir sein?“

Er schaute zur Uhr und meinte:

„Es wäre gut, wenn ihr um halb zwei bei mir im Büro seid.“

Damit hatten wir auf jeden Fall genug Zeit zum Essen. Luc kam auch schon zum Empfang und somit machten wir uns auf den Weg. Er wollte mit mir zu dem Griechen in der Nähe. Allerdings war mein erstes Bedürfnis, als wir ein paar Meter von der Firma weg waren, ihm einen Kuss zu geben. Wir umarmten uns, und ich spürte, er hatte mich genauso vermisst, wie ich ihn. Ein tolles Gefühl durchströmte meinen Körper.

„So, jetzt geht’s mir wieder besser“, sagte Luc und wir mussten beide lachen.

„Ja, mir geht es genauso. Ich habe mich nicht getraut, dich in der Firma zu küssen.“

„Das war auch gut so. Ich weiß nicht, ob es alle dort bereits wissen und ich möchte da auch keinen Stress deswegen bekommen.“

Mittlerweile saßen wir beim Griechen und hatten unser Essen auf dem Tisch. Luc hatte sich einen großen Teller mit Gyros, Reis und Salat bestellt. Ich hatte nicht so riesigen Appetit und mir nur eine Pizza bestellt. Luc schien das Essen zu genießen und ich genoss, mit ihm zusammen sein zu können.

„Weißt du, was Karl vorhat? Es geht um Marios Auto. Mehr weiß ich nicht.“

„Nein, Schatz. Mehr hat er mir auch nicht verraten, aber ist denn Marios Auto wirklich so unsicher? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit einem unsicheren Auto fährt, wenn er dich oder mich damit mitnimmt.“

„Naja, Luc, manchmal hat er schon gesagt, dass dieses oder jenes mal gemacht werden müsste. Er hat das aber immer wieder verschoben, weil er mein Zimmer besser einrichten wollte.“

„Sag mal, er verdient doch jetzt als ausgelernter Mechatroniker ein volles Gehalt. Wo geht das ganze Geld denn hin? Weißt du, ob er vielleicht noch Schulden hat? Oder ob da noch etwas anderes ist?“

Das jagte mir doch einen großen Schrecken ein. Ich wusste gar nicht, was ich darauf sagen sollte. Luc bemerkte meine Reaktion und er schien sich zu ärgern, dass er es so gesagt hatte.

„Stef, bitte rege dich nicht auf, ich habe einfach meine Gedanken geäußert. Ich glaube, dass Mario niemals etwas tun würde, was dir schaden könnte. Also lass uns das vergessen und lieber zu Karl gehen und hören, was er uns zu sagen hat.“

Luc stand auf, nahm unsere beiden Teller und bezahlte einfach beide Essen. Beim Hinausgehen legte er mir seinen Arm um meine Hüfte und gab mir einen Kuss. Ich beruhigte mich wieder und war jetzt gespannt, was Karl uns mitzuteilen hatte. Der Weg zurück wurde recht lustig. Immer wieder blödelte Luc mit mir herum. Ich bemerkte überhaupt nicht, dass wir schon wieder bei Karl in der Firma waren. Gut gelaunt standen wir beim Empfang und Barbara hatte dort Frau Queck abgelöst.

„Na, ihr beiden, so fröhlich heute? Habt ihr gut gegessen?“

„Ja, ich bin total satt. Das Gyros ist hier wirklich gut. Wir haben einen Termin bei Karl. Ist er in seinem Büro?“

Nachdem Luc das gesagt hatte, wollte er schon losgehen. Barbara hingegen hielt uns zurück. Sie meinte, wir sollten in die Werkstatt gehen, weil Karl dort auf uns wartete.

Wir schauten uns ein wenig verwundert an, aber machten uns direkt auf den Weg in die Halle. Wir schauten einen Moment, als Luc plötzlich sagte:

„Schau mal, das ist doch der Jeep von Mario auf Bühne fünf. Oder irre ich mich da?“

Ich musste ihm zustimmen, verstand das aber überhaupt nicht, weil Mario doch gar nicht anwesend war. Wir gingen auf den Jeep zu und Karl erwartete uns dort bereits.

„Da seid ihr ja schon. Hat das Essen geschmeckt? So wie ihr ausseht, würde ich eher sagen, ihr habt euch gegenseitig geschmeckt.“

Dabei grinste er über sein gesamtes Gesicht. Luc wurde rot und ich wollte das jetzt nicht, dass es Luc peinlich würde, also machte ich einen coolen Spruch dazu.

„Das stimmt und Luc schmeckt immer noch richtig gut. Ich kann gar nicht genug davon bekommen.“

Karl lachte laut los und Luc musste erst einen Moment nachdenken, lachte dann aber genauso herzlich. Er nahm mich in den Arm und schaute mir in die Augen. Mehr passierte aber nicht. Ich wusste auch so, was er tun wollte.

Luc fing sich als Erster wieder und fragte Karl direkt:

„Warum sollte Stef eigentlich herkommen? Was hast du dir überlegt?“

Karl beruhigte sich einen Augenblick später und legte dann los.

„Also ihr beiden, vorab, egal was hier herauskommt, dieses Gespräch hat nicht stattgefunden. Mario soll davon nichts erfahren.“

„War uns eigentlich schon klar, sonst wäre er ja dabei.“

„Luc, du bist ein kluges Kerlchen. Habe ich dir das schon mal gesagt?“

Wieder großes Gelächter.

„So, also gut. Jetzt lasse ich mal die Katze aus dem Sack. Kommt mal mit unter Marios Auto. Ich will euch etwas zeigen.“

Wir stellten uns zu ihm unter den Jeep und er leuchtete mit einer Lampe verschiedene Stellen an und erklärte dabei, was er sah. Und was er uns zeigte, sah gar nicht gut aus. Dieser Jeep war komplett verrostet.

Luc: Marios Rostlaube

Ich war erschrocken über den Zustand des Autos. Damit durfte Mario eigentlich nicht mehr weiter über die Straßen fahren.

„Woher hast du gewusst, dass der Jeep so aussieht? Du hast doch nicht die Zeit, auch noch danach zu schauen.“

„Das stimmt, Luc. Dieter hatte mich angesprochen, weil Mario ihn einmal um Rat gefragt hatte und er sich diesen Rosthaufen dann angesehen hatte.“

Stef stand neben mir und ich konnte seine Angst spüren. Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter und ich war mir ganz sicher, Karl hatte sich etwas überlegt, sonst würde er nicht mit uns hier stehen. Ich versuchte, Stef das Gefühl zu vermitteln, dass er sich nicht zu sehr Sorgen machen sollte.

Karl zeigte uns noch weitere Schwachstellen und Mängel. Diese ganzen Sachen waren zwar zu beheben, aber mit einem enormen Aufwand und Geld verbunden. Deshalb sagte er uns nach weiteren gezeigten Mängeln.

„Jungs, dieses Auto ist lebensgefährlich. Ich kann das nicht zulassen, dass Mario euch damit durch die Gegend fährt. Dieses Auto wird stillgelegt.“

Stef zuckte zusammen und wurde unruhig. Mir wurde gerade bewusst, dass Mario auf ein Fahrzeug angewiesen war, um zur Arbeit zu fahren. Außerdem liebte er seinen Jeep. Mir war aber auch klar, Karl hatte Recht. Dieses Auto war nicht mehr verkehrstauglich.

„Karl, wie soll es jetzt weitergehen. Die beiden brauchen ein Auto. Ich habe mich vorhin schon gefragt, warum Mario noch keine Reparaturen gemacht hat. Er müsste doch jetzt genug Geld verdienen, um sich ein anderes Auto leisten zu können.“

„Da hast du schon Recht, aber du darfst auch nicht vergessen, dass Mario ja noch das Geld für die Wohnung zurückzahlt. Und ich weiß auch, dass er Geld an seine Mutter zahlen muss. Was das ist, kann ich nicht sagen. Das soll deine Aufgabe sein, Luc. Versuche doch mal herauszufinden, was das für Zahlungen sind.“

Ich wurde richtig ärgerlich, er zahlte an seine Mutter Geld. Das konnte doch nicht wahr sein.

„Das kläre ich mit ihm. Wir finden das heraus und dann schauen wir mal, wie wir helfen können. Karl, ich habe einen Verdacht, aber das muss hier noch unter uns bleiben. Also Stef, du hältst bitte auch den Mund.“

Dabei schaute ich meinem Freund ganz ernst in die Augen. Er nickte, Stef hatte verstanden, dass mir das ernst war.

„Ich glaube, dass er sich dafür wieder einmal schämt und deshalb nichts sagt. Lieber bezahlt er für etwas, was er nicht muss, bevor er sich Hilfe holt. Das ist eine Aufgabe für uns. Das werde ich mit Papa klären. Dann sehen wir weiter.“

„Luc, genauso habe ich das von dir erwartet. Klasse! Kommen wir zu meiner Idee, er braucht ja jetzt ein anderes Auto. Ich habe auch das passende Gefährt hier auf dem Hof stehen, aber ich glaube, das wird er nicht akzeptieren. Kommt mal mit.“

Wir folgten ihm in einen hinteren Teil der Ausstellung. Dort standen entweder Fahrzeuge, die schon verkauft oder reserviert waren. Wir kamen auf einen Hummer H3 in Orange-Rot. Eine auffällige Lackierung und mit großen 20 Zoll Reifen. Der Wagen hatte einen ganz leichten Heckschaden hinten links. Aber nichts Gravierendes. Das wäre recht leicht zu beheben. Der große Vorteil war, dieses Auto hatte eine LPG-Gas Anlage bereits eingebaut. Das Baujahr war 2008 und war 80 000 km gelaufen. Was auch nicht so viel war. Ich fand dieses Auto eigentlich richtig gut für Mario. Es hatte deutlich mehr Platz und war im Unterhalt auch viel günstiger als der jetzige Jeep.

Allerdings war mir sofort klar, dieses Auto lag in einer anderen Preisklasse. Ich schätzte so auf 15 000 Euro. Das war für Mario jetzt nicht zu machen. Dazu kam noch die Reparatur. Aber gut, das konnten wir selbst machen.

„Was haltet ihr von diesem Stück? Ich denke, es wäre für Mario genau das passende Auto.“

„Klar, Karl, aber meinst du nicht, das ist für Mario nicht zu bezahlen? Der liegt doch bestimmt immer noch bei 15 000 Euro, oder nicht?“

Karl nickte anerkennend.

„Gut geschätzt, ja so in etwa liegen wir dort. Aber das muss er ja nicht sofort auf einmal bezahlen. Da finden wir sicher eine Lösung. Aber ich möchte wissen, wo geht sein Gehalt momentan hin, außer die Rückzahlung an uns. Wenn das geklärt ist, kümmern wir uns um dieses Objekt. Bis das aber geklärt ist, bekommt er einen Firmenwagen von uns. Mit dem Jeep fährt er keinen Meter mehr. Das werde ich ihm nachher sagen. Das ist nicht euer Job. Ihr müsst ihn vermutlich dann eher etwas aufbauen und trösten.“

Dabei zwinkerte er vor allem Stef zu. Der Nachmittag verlief dann ein wenig wild. Stef blieb in der Firma und ich bekam Zeit, mich ein wenig um die Vorbereitungen für die Arbeit an meinem Camaro zu kümmern. Dabei schaffte es Stef immer wieder, mich aufzuhalten. Dennoch hatten wir sehr viel Spaß. Als ich Feierabend hatte und mit Stef in der Sonne auf dem Hof der Firma saß, kam Mario zurück. Er begrüßte uns fröhlich. Sein Lehrgang schien interessant gewesen zu sein. Er hatte sogar drei Eis in der Hand. Also setzte er sich zu uns und gab jedem ein Eis, das wir gemeinsam schleckten. Bis zu dem Moment, als Karl hinzukam.

„Hallo Mario, so lässt es sich aushalten. Oder Jungs?“

Ich musste lachen und Mario grinste auch.

„Mario, kommst du gleich mal bitte in mein Büro. Wir müssen etwas besprechen.“

„Klar, ich esse das Eis noch auf und komme dann. Ich möchte ja keine Flecken machen.“

„Eine gute Idee. Also bis gleich dann.“

Es dauerte auch nur noch ein oder zwei Minuten, dann machte sich Mario auf den Weg zu Karl. Wir hätten jetzt eigentlich nach Hause fahren können, aber wir wussten ja, was Karl mit Mario zu besprechen hatte. Nach einer Viertelstunde kam ein sichtlich geknickter Mario wieder zu uns nach draußen. Er setzte sich wortlos zu uns.

„Hey, was ist denn mit dir los? Hat Karl dir die gute Laune geklaut?“

„Ach, Luc, Karl hat mir gerade mitgeteilt, dass er mich mit meinem Jeep nicht mehr weiterfahren lassen kann. Er hat zu viele Mängel. Was soll ich denn jetzt machen. Wie soll ich ein neues Auto bezahlen?“

Stef spielte jetzt gut mit und machte einen ängstlichen und empörten Eindruck.

„Und womit kommst du jetzt nach Hause? Und warum kann er das einfach so machen?“

„Naja, kleiner Bruder. Ich wusste schon, dass der Jeep nicht mehr in einem Top Zustand war, aber so schlimm hatte ich auch nicht gedacht. Und er hat ja Recht, wenn es gefährlich wird, darf man keine Experimente machen.“

„Müssen wir jetzt immer mit der Straßenbahn fahren?“

„Nein, fürs Erste hat mir Karl den Pick-up gegeben. Wir müssen uns aber etwas überlegen. Ich kann den ja nicht für immer behalten.“

Ok, morgen würde ich mit Mario in Ruhe reden können. Jetzt hieß es erst einmal Aufbauarbeit zu leisten. Das machten wir damit, indem wir gemeinsam die Sachen aus dem Jeep in den Pick-up räumten und mal vorsichtig vorfühlten, was für ein Auto Mario sich denn vorstellen könnte. Das Ergebnis war eindeutig. Wir würden mit dem H3 sicher einen Volltreffer landen. Also ging ich noch einmal hinein unter dem Vorwand mit Barbara noch etwas besprechen zu wollen, während Stef und Mario draußen warteten. Ich ging zurück an den Empfang, wo auch Karl bei seiner Frau stand.

„Mensch Luc, du bist ja immer noch hier. Sieh zu, dass du nach Hause kommst.“

„Gleich Karl. Ich glaube nämlich, mit dem H3 haben wir genau das richtige Objekt. Aber ich werde morgen dann mit Mario mal in Ruhe reden. Heute wollte ich nur wissen, wann kommt ihr nach Hause? Stef und ich wollen heute Abend kochen. Da müssten wir aber wissen, wann ihr kommt.“

Karl schaute Barbara fragend, aber auch bewundernd an und schnell waren sie sich einig, dass sie dann heute nicht so spät kommen würden. Also verabredeten wir uns auf halb neun zum Essen. Ich verabschiedete mich von den beiden und draußen wurde ich schon erwartet. Mario brachte uns zu den Geigers und Stef sollte heute bei mir schlafen. Er brauchte morgen ja nicht in die Schule, also war das kein Problem und Mario musste ihn nicht noch spät wieder abholen.

„Mario, kannst du uns im Supermarkt absetzen? Wir müssen noch ein paar Kleinigkeiten einkaufen für heute Abend.“

„Ich komme mit und bringe euch dann zu den Geigers. Dann geht’s für euch schneller.“

Somit waren wir einiges früher zu Hause. Ich sprang schnell unter die Dusche und Stef begann schon in der Küche mit den Vorbereitungen. Ich beeilte mich und war bereits nach rekordverdächtigen zehn Minuten wieder in der Küche.

Ein drei Gänge Menü wollte ich heute für uns zaubern. Als Vorspeise eine italienische Tomatensuppe mit Sahnehaube, als Hauptgang gegrillten Lachs mit Berner Rösti und Leipziger Allerlei, als Nachtisch sollte es eine Vanille Creme geben.

Als ich die Küche betrat, hatte Stef schon die Vanille Creme so gut wie fertig angerührt und ich schmeckte sie noch ein wenig ab, bevor Stef sie in den Tiefkühler stellte. Um die Kartoffeln kümmerte sich Stef, während ich den Lachs und das Gemüse vorbereitete. Wir hatten unheimlich viel Spaß bei der Aktion. Allerdings, je mehr wir uns halb neun näherten, desto nervöser wurde Stef. Irgendwann brach ein wenig Panik bei ihm aus, weil er die Tomaten nicht schnell genug schneiden konnte. Ich beruhigte ihn und somit war alles soweit vorbereitet, bis auf den Tisch. Das hatten wir in dem Trubel völlig vergessen. Es war zwanzig nach Acht, als wir den Tisch gedeckt hatten und ich musste nur noch den Lachs fertig grillen. Ich hatte ihn bereits zum garen bei 80 Grad in den Ofen gelegt. Die Haut war schön kross geworden.

Zur Belohnung hatte ich uns ein paar Flaschen Fassbrause kalt gestellt, von denen ich zwei aus dem Kühlschrank nahm und öffnete. Ich gab eine davon meinem Freund und wir prosteten uns auf das gelungene Kochen zu.

Das nahm ich auch als Gelegenheit, Stef zärtlich zu umarmen und ihm einen Kuss zu geben. Allerdings hatte das zur Folge, dass wir abgelenkt waren und nicht bemerkten, dass Karl und Barbara plötzlich in der Küche standen und sich köstlich amüsierten.

„Hey, lasst euch nicht stören, aber wir haben Hunger und es duftet hier so verführerisch, da wären wir euch dankbar, wenn ihr eure Zuneigung füreinander auf später verschieben könntet.“

Wer, außer Karl könnte das so schön sagen. Wir fuhren auseinander und schauten etwas dumm aus der Wäsche.

„Sorry, wir haben euch nicht bemerkt“, versuchte Stef die Situation zu retten. Ich fand es überhaupt nicht schlimm, denn ich fand, wenn man verliebt ist, soll man es dem Partner zeigen.

Also füllten wir jetzt die Suppe in die Teller und schickten Karl und Barbara ins Esszimmer. Gang für Gang arbeiteten wir uns durch das Menü, und als auch die Vanille Creme verarbeitet war, saßen wir vier für einen Moment schweigend am Tisch. Barbara war die Erste, die das Schweigen brach.

„Jungs, das war allererste Sahne. Großen Respekt! Ich bin begeistert. So gut habe ich hier schon ganz lange nicht mehr gegessen.“

Stef und ich wurden bestimmt ein wenig rot durch dieses Kompliment. Karl hatte natürlich auch noch einen Spruch auf Lager.

„Schatz, ich schlage vor, die beiden stellen wir als Küchenpersonal ein und nicht als Mechaniker oder Designer. Wow, euer Menü ist echt toll geworden.“

Dieser Tag nahm ein sehr gemütliches Ende. Erst gegen elf wurde ich richtig müde. Barbara entließ uns beide und wir machten es uns in meinem Bett gemütlich. Allerdings blieb es bei einer kurzen Unterhaltung, bevor ich müde in Stefs Armen einschlief.

Der nächste Morgen war allerdings sehr hart. Ich musste leider schon viel zu früh meinen Freund wieder verlassen, um zur Arbeit zu fahren. Es gelang mir, ohne Stef zu wecken, das Bett zu verlassen. Die anderen Tätigkeiten waren wie jeden Morgen und so war ich einige Zeit später ohne Zwischenfälle in der Firma angekommen.

Karl schickte mich heute direkt zu Michael in die Entwicklung. Dort sollte ich mit ihm an einem Entwurf für ein Design arbeiten. Eigentlich wollte ich ja mit Mario auch über die Geldgeschichte sprechen. Naja, das würde mir sicher nicht weglaufen und Karl hatte sich sicher etwas dabei gedacht. Er wusste ja, was unser Plan war.

Bei Michael verging die Zeit wie im Flug. Wir waren sehr kreativ und das Ergebnis konnte sich auch noch sehen lassen, wie wir meinten. Karl war sehr zufrieden und bat mich dann, mal bei Mario vorbeizugehen. Er wollte uns zu unserem Mittagessenplatz mitnehmen und dann gleich zu einem Kunden weiterfahren. Ich stand bei Mario an der Bühne und wir sprachen über den gestrigen Abend. Er war ein wenig neidisch, denn er wäre gern dabei gewesen, wie sein kleiner Bruder ein Menü gekocht hat.

„Wie lange brauchst du hier noch?“, fragte ich Mario.

„Bin gleich soweit, nur noch die letzten Schrauben anziehen.“

Er legte sein Werkzeug an die Seite und ging sich die Hände waschen. Wir hatten jetzt Mittagspause und ich wollte mit Mario mal über die Sache mit dem Geld und dem Auto sprechen. Karl nahm uns ein Stück mit und wir stiegen vor dem Griechen aus.

Nachdem wir uns unser Essen bestellt hatten, setzten wir uns an einen Tisch und unterhielten uns zuerst nur über die heutige Arbeit. Ich berichtete ihm, was ich bei Michael gemacht hatte. Er erzählte, was er schon gemacht hatte und als wir das Essen bekamen, begann ich darüber nachzudenken, warum er wohl Geld an seine Mutter zahlte.

„Mario, ich habe eine Frage, nein, eigentlich habe ich ein Problem.“

Er schaute von seinem Teller hoch und legte seinen Kopf zur Seite.

„Was ist los, Luc? Du bist doch sonst nicht so schüchtern. Schieß los, was hast du für ein Problem.“

„Es geht um dein Auto, nein eigentlich geht es um deine Finanzen. Warum hast du deinen Jeep so lange nicht mehr instandgesetzt? Du verdienst doch jetzt als Geselle ein normales Gehalt.“

Er zögerte einen Moment und ich spürte sofort eine gewisse Abwehrhaltung.

„Das schon, aber ich muss ja auch die Raten an Karl zurückzahlen und für Stef habe ich einiges für sein Zimmer angeschafft.“

„Das heißt, du kannst jetzt schon Geld ausgeben für ein anderes Auto?“

„Naja, so viel Geld bleibt im Monat nicht übrig.“

„Warum? Du hast keinerlei sonstige Verpflichtungen und Karls Geld ist doch bald zurückgezahlt, außerdem würde er bestimmt auch etwas länger warten, damit du ein verkehrssicheres Auto hast. Warum redest du nicht mit ihm darüber?“

„Ich will nicht immer seine Hilfe in Anspruch nehmen. Ich will eigenständig sein.“

Seine Stimme wurde eine Nuance aggressiver und ich fühlte seine innere Erregung. Ich musste jetzt vorsichtig sein.

„Ja, das kann ich verstehen, aber manchmal klappt das noch nicht so, wie man möchte. Außerdem kennst du Karl schon lange genug. Er würde dir jederzeit helfen, wenn du ihm erzählst, worum es geht.“

Er schaute mich genau an, ich hatte das Gefühl, er hatte verstanden, dass ich schon mehr wusste. Er sackte in sich zusammen und holte tief Luft.

„Also gut, du sollst die Wahrheit erfahren, aber du musst mir etwas versprechen.“

Ich nickte nur.

„Stef darf den wahren Grund nicht erfahren. Ich will nicht, dass er sich wieder mit unseren Eltern beschäftigen muss.“

„Komm Mario, erzähl mir, was ist da los?“

„Es ist so, seit Mama sich von Papa getrennt hat, schicke ich ihr monatlich Geld. Sie behauptet, ich sei verpflichtet, ihr monatlich Geld zu geben. Ich verdiene ja jetzt und wenn ich das nicht tun würde, würde sie mich auf Unterhalt verklagen.“

Jetzt, wo es raus war, schien eine Last von seinen Schultern zu weichen. Ich war geschockt, allerdings war ich mir nicht sicher, wie in dieser Sache die Rechtslage war. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es so einfach war. Ich fühlte nur, dass dies nicht Marios alleinige Verantwortung sein durfte.

„Warum hast du dich nicht mal von einem Anwalt oder einem anderen Experten beraten lassen?“

„Weißt du, was ein Anwalt kostet? Ich … Ach, Luc. Das ist so schwer zu erklären.“

„Ist schon ok. Aber wenn du es uns, deinen Freunden nicht erklärst, wem denn dann? Ich möchte, dass wir uns damit befassen. Gemeinsam. Stef und mir zuliebe.“

Sein Gesicht schien sich zu entspannen. Ich wollte das Thema dort im Imbiss aber nicht fortführen.

„Mario, du wirst diese Sache heute Nachmittag mit Karl besprechen und ich werde mit meinem Papa telefonieren und ihn fragen, was er dazu weiß. Dann sehen wir weiter. Versprichst du mir das? Ich werde mit Stef erst einmal nicht darüber reden.“

„Also gut, versprochen. Luc, ich wollte einfach bei Stef nicht wieder alte Wunden aufreißen, er ist gerade so gut drauf.“

„Ist schon gut, aber jetzt müssen wir wieder los. Du gehst zuerst zu Karl und redest mit ihm. Ich bereite schon mal alles in der Werkstatt vor.“

Damit bezahlten wir und verließen das Lokal. Nach wenigen Minuten waren wir wieder in der Firma und ich zog mir meine Arbeitssachen an. Mario ging bei Barbara vorbei, um zu schauen, ob Karl schon zurück war.

Ich hatte schon alles fertig vorbereitet und begonnen, die Räder des Kundenfahrzeugs zu demontieren. In diesem Moment kam Mario zurück. Er schien sehr erleichtert zu sein.

Gut gelaunt machten wir uns an die Arbeit und der Nachmittag hatte nur eine besondere Sache. Mario erklärte mir, was er mit Karl vereinbart hatte. Damit konnte ich sehr gut leben. Karl hatte ihm die Ratenzahlungen für eine gewisse Zeit ausgesetzt, bis das Thema Auto geklärt war. Es schien so, als ob Karl noch nicht von dem H3 gesprochen hatte. Dafür hatte Mario ihm versprochen, sich fachlichen Rat zu holen, ob er tatsächlich Unterhalt an die Mutter zahlen musste. Das würde wiederum ich mit Papa heute Abend besprechen.

Der Nachmittag war mit Arbeit vollgepackt und wir merkten gar nicht, dass eigentlich schon Feierabend war. Das letzte Auto brachte ich zur Übergabe. Dabei konnte ich mit Dieter ein paar Sätze sprechen. Er schien sehr zufrieden mit meiner Arbeit.

Den Heimweg nutzte ich noch, mit Papa zu telefonieren. Es war herrliches Wetter. Eigentlich viel zu schade um den Abend im Haus zu verbringen. Allerdings war ich doch sehr geschafft. Papa versprach mir, sich um die Sache mit Marios Mutter zu kümmern und sich zu erkundigen. Ich überlegte, ob ich vielleicht mit Stef am Abend noch in die Stadt bummeln wollte.

Zuerst ging ich aber nach Hause und gönnte mir eine schöne frische Dusche. Gut gelaunt nahm ich dann das Handy und rief Stef an.

Das Gespräch dauerte nicht lange und es war schnell klar, dass wir noch ein wenig in die Stadt gehen würden. Wir machten einen Treffpunkt aus und ich schrieb Barbara eine Nachricht.

Dieser Abend wurde richtig toll, Stef führte mich durch einen kleinen Park und wir kauften uns in einer Eisdiele ein Eis. Damit setzten wir uns auf eine Bank. Ich genoss diese Zeit mit meinem Freund. Wir mussten nicht viel reden und machten uns bewusst, es war einfach nur schön, die Anwesenheit des anderen zu genießen.

Die weiteren Abende der Woche verbrachten wir immer gemeinsam, ohne groß etwas zu unternehmen. Wir waren einfach zusammen. Das tat gut. Am Mittwoch war Stef den ganzen Tag in der Schule und abends berichtete er mir von seinen Erlebnissen. Ich hatte das Gefühl, seine Klasse hatte viel dazugelernt und sich mit seiner Situation auseinandergesetzt. Seine Angst war spürbar geringer geworden. Er erzählte mir sogar, dass er darüber nachgedacht hatte, sich in der Klasse zu outen. Wir einigten uns aber darauf, das noch ein wenig abzuwarten. Vielleicht ergab sich in den Ferien noch eine Gelegenheit dazu. Stef hatte sich von einigen die Adresse und Telefonnummer geben lassen. Das gefiel mir richtig gut.

Das erste Wochenende stand jetzt an. Karl hatte mit Mario noch einige Dinge geregelt und Papa hatte sich erkundigt, dass Mario sehr wahrscheinlich nicht unterhaltspflichtig ist. Also hatte die Mutter zu Unrecht Geld von ihm erhalten.

Der einzige Punkt, der mich doch ein wenig störte, war, die Nächte ohne meinen Freund verbringen zu müssen. Aber ab dem Wochenende waren auch hier Sommerferien und Stef konnte auch in der Woche häufiger bei mir schlafen. Marios Wohnung war einfach zu eng, so dass Stef zu mir und den Geigers kommen musste. Allerdings war Stef dort immer gern gesehen. Auch wenn Karl und Barbara relativ wenig Zeit hatten, die Zeit aber, die sie hatten, nahmen sie sich für uns. Für mich waren sie zu Großeltern geworden.

Die Telefonate mit meinen Eltern wurden irgendwie auch immer kürzer und seltener. Ich rief nicht mehr jeden Abend an, Mama fand das zwar schade, aber ich fühlte mich freier und es ging mir gut. Papa hatte Verständnis dafür und ich wusste auch, dass ich jederzeit anrufen konnte, wenn es mir ein Bedürfnis war. Auch mit Mick und Lukas hatte ich schon länger telefoniert. Sie freuten sich, dass es mir hier so gut gefiel. Am nächsten Wochenende wollten uns Tommy und Nico besuchen und in der Woche darauf fand das große Rennen auf der Nordschleife statt. Das hieß dann, schon Donnerstag aufzubrechen.

Stef: Ein Wochenende mit einigen Überraschungen

Für uns stand das erste Wochenende an. Es waren jetzt auch hier Ferien und das Wetter schien es mit uns besonders gut zu meinen. Außerdem hatte sich Besuch angekündigt. Nico und Tommy wollten nach München kommen. Das war schon vor einiger Zeit abgemacht, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie das wirklich machen würden. Sie wollten ein paar Tage auf einem Campingplatz in der Nähe zelten. Luc war das gar nicht recht, aber es war bisher auch noch nicht Thema bei uns gewesen. Ich wollte das nicht mit ihm diskutieren ohne die beiden.

Es war Freitagabend und ich war auf dem Weg, meinen Freund in der Firma abzuholen. Karl wusste schon Bescheid, dass wir Besuch bekommen würden und Mario sollte mit uns die beiden vom Bahnhof abholen, damit sie mit dem Zelt nicht so viel zu schleppen hatten.

Bei Geiger Cars angekommen meldete ich mich am Empfang an. Frau Queck kannte mich mittlerweile schon und somit winkte sie mich gleich in die Werkstatt durch. Dort standen Karl und Luc bereits um den H3 herum und begutachteten den leichten Heckschaden.

„Hi Schatz, schön, dass du schon da bist“, begrüßte mich Luc.

Ich umarmte ihn und schaute mich um, Mario war nicht zu sehen.

„Hi Luc, wo ist denn Mario? Sollte er uns nicht zum Bahnhof bringen?“

„Mario ist schon nach Hause. Er musste früher Schluss machen, weil er mit seinem Vermieter etwas zu regeln hatte. Karl wird uns bringen und da haben wir die Gelegenheit genutzt, den H3 mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Karl will wissen, was alles repariert werden muss.“

Ich begrüßte natürlich auch Karl. Er umarmte mich genauso herzlich. Es war für mich immer ein besonderes Gefühl, bei den Geigers zu sein. Sie waren wie Großeltern für mich geworden.

„So, damit haben wir alle Teile notiert. Luc, ab Montag fangt ihr an, den H3 zu reparieren. Was ist mit dir Stefan, hast du auch Lust zu helfen?“

„Klar, aber einer muss sich doch auch um Nico und Tommy kümmern. Vielleicht klären wir das, wenn die beiden da sind.“

„Das ist ein gutes Stichwort, wenn wir nicht zu spät kommen wollen, sollten wir uns auf den Weg machen. Nicht das die Jungs denken, wir hätten sie vergessen.“

Was mich jetzt allerdings wunderte, Karl machte keine Anstalten den H3 wieder in die andere Halle zu fahren, sondern schloss das Auto ab und wir gingen bestens gelaunt in Richtung Parkplatz.

Plötzlich blieb Karl stehen und sagte zu uns:

„Wartet bitte hier einen Moment, ich muss noch einmal in die Firma und etwas holen.“

Ich schaute auf die Uhr und sah, dass die Zeit langsam knapp wurde.

„Karl, es wird Zeit, ich möchte nicht zu spät am Bahnhof sein.“

Er winkte nur ab und lächelte. Luc schüttelte den Kopf und meinte:

„Er selbst hasst es, wenn andere unpünktlich sind. Naja, wir wollen nicht meckern, denn eigentlich sollte ja Mario fahren.“

Ich nickte zustimmend und versuchte ruhig zu bleiben. Wir warteten schon drei Minuten und nichts tat sich und ich wollte schon reingehen und nach ihm suchen, als die Hummer Stretch-Limousine neben uns anhielt. Das Fenster surrte herunter und Herr Rügamer ließ uns wissen:

„Jungs, einsteigen, der Chef meinte, es wäre doch viel schöner, wenn ihr eure Freunde hiermit abholen würdet.“

Ich schaute Luc völlig konsterniert an und mein Freund musste lachen.

„Ich hätte es mir doch auch denken können. Karl ist immer für eine Überraschung gut. Los, Schatz, steig ein. Damit kommen wir noch pünktlich an.“

Wir saßen auf dem Sofa und genossen die Fahrt. Unterwegs rief uns Karl an und erklärte uns lachend, dass wir uns dann später zu Hause treffen würden. Ja, so war Karl. Ein wenig verrückt, aber lustig dabei.

„Du, Luc, wie sieht das eigentlich aus, zwei Jungs in kurzen Hosen steigen am Bahnhof aus so einem Raumschiff und holen zwei andere Jungs ab. Die Leute müssen doch denken, wir haben einen Sonnenstich.“

Luc schaute mich an und bekam einen Lachanfall. Er wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Erst nach einigen Minuten hatte er sich wieder beruhigt. Kurz bevor wir vor dem Bahnhof anhielten und Herr Rügamer uns die Tür öffnete. Es war einfach unfassbar, was für eine Show Karl hier ablaufen ließ. Und das auch noch, ohne selbst anwesend zu sein. Wie wir das nur Nico und Tommy erklären sollten. Naja, egal. Jetzt war es eh nicht mehr zu ändern und Luc machte mir klar, dass wir das Ganze auch genießen sollten.

Also stiegen wir aus dem Hummer aus und marschierten direkt in den Bahnhof hinein. Ich schaute auf die Anzeigetafel, während Luc schon ein paar Meter vorgegangen war. Er drehte sich um und rief:

„Komm Stef, ich weiß schon auf welches Gleis wir müssen.“

„Jaja, ist gut. Ich komme ja schon.“

Er nahm kurz meine Hand und dann liefen wir zusammen los. Wir waren sehr spät dran und kaum waren wir oben an dem Gleis angekommen, lief der Zug auch schon ein. Ich schaute in die eine Richtung und Luc in die andere. Plötzlich rief Luc völlig irritiert:

„Das gibt es doch nicht. Sind die denn völlig verrückt?“

Ich drehte mich um und sah, was er meinte. Dort kamen vier Jungs mit großen Rucksäcken und Sonnenbrillen auf uns zu. Wieso vier? Ich hatte es immer noch nicht klar realisiert. Neben Tommy und Nico kamen auch Jens und Heiko lachend auf uns zu. Sie schienen sich einen Spaß aus dieser Überraschung zu machen.

Als sie vor uns standen, stellten sie ihre Rucksäcke ab und wir umarmten uns alle. Ich freute mich tierisch über diese Überraschung.

„Sagt mal, was wird das denn hier? Ich glaub es ja nicht. Dass ihr beiden auch mitgekommen seid, ist ja geil. Wie lange dürft ihr bleiben?“

Jens strahlte mich an und antwortete:

„Wir dürfen bis Mittwoch nächster Woche bleiben. Danach fahren wir mit meinen Großeltern wieder auf den Campingplatz.“

Das passte ja prima, denn Donnerstag ging es für uns zum Nürburgring.

Luc: Überraschung gelungen

Das war wieder so typisch für Nico. Er hatte einfach mal so entschieden, die beiden mitzunehmen.

„Los, lasst uns hier keine Wurzeln schlagen, unser Auto steht vor dem Bahnhof und darf da nicht so lange stehen. Wir fahren erst einmal zu mir. Dann schauen wir, wie es weiter geht.“

Tommy schien das nicht so wirklich recht zu sein. Er machte einige zweifelnde Geräusche und entgegnete dann:

„Es wäre eigentlich besser, wir fahren zuerst auf den Campingplatz. Dort sollen wir uns nämlich bis um halb sieben angemeldet haben.“

Ich drehte mich um und widersprach.

„Nein, wir fahren erst zu mir und jetzt kommt. Sonst müssen wir noch ein Ticket bezahlen. Das regeln wir dann.“

Also marschierten wir zu sechst durch die Bahnhofshalle, und als wir aus der Tür auf den Vorplatz kamen, erkannten die Vier den Hummer. Heiko und Jens waren vollkommen fasziniert. So etwas hatten sie noch nie gesehen und dachten aber im Traum nicht daran, dass das unser Fortbewegungsmittel sein könnte.

„Krasse Kiste, so etwas gibt es bei uns nicht. Man merkt, dass man in einer Großstadt ist.“

Ich musste schmunzeln, denn Herr Rügamer hatte uns bereits gesehen und war ausgestiegen und öffnete den Kofferraum, um die Rucksäcke der Jungs einzuladen. Jetzt erst realisierten die Vier, was hier passierte. Wortlos und staunend setzten wir uns in die angenehm temperierte Limousine. Auf dem Weg zu den Geigers klingelte das Autotelefon. Herr Rügamer nahm das Gespräch an und legte es nach hinten auf den anderen Apparat. Ich nahm ab und Barbara meldete sich.

„Hi Luc, hat das geklappt mit deinen beiden Freunden?“

„Hallo Barbara, ja und nein. Also ja, weil Nico und Tommy sitzen hier bei uns im Auto, aber Jens und Heiko sind auch überraschend mitgekommen.“

„Oh, das musst du mir dann später erklären, wer das ist. Das ist aber kein Problem, im Garten ist ja genug Platz. Ich möchte, dass deine Freunde bei uns im Garten zelten. Sie sollen nicht allein auf den Campingplatz. Seid ihr schon unterwegs?“

„Ja, wir sind gerade am Bahnhof losgefahren. Das mit dem Zelten finde ich eine gute Idee, weil die beiden anderen sind erst zwölf und dreizehn.“

„Dann erst recht, also wir sehen uns dann nachher. Ich komme heute früher nach Hause.“

„Alles klar, ich sage es meinen Freunden. Und danke, Barbara.“

„Schon gut, Luc. Ich finde es toll, wenn deine Freunde extra aus der Schweiz kommen.“

Während des Telefonats konnte ich die fragenden Gesichter von Nico und Tommy bemerken. Heiko und Jens waren nur mit dem Auto beschäftigt. Sie konnten es noch immer nicht glauben, in so einem Auto zu fahren. Stef erklärte ihnen die Sachen und gab ihnen eine kalte Cola aus dem Kühlschrank. Als ich aufgelegt hatte, schaute ich zu Stef. Er hatte gerade den beiden Jungs die Fernbedienung für das TV-Gerät erklärt.

„Also wir fahren zu uns und ihr bleibt auch bei uns für die Tage. Anweisung von der Chefin.“

Ich gab diese Anweisung an Herrn Rügamer weiter, der das bereits mitbekommen hatte und schon auf dem Weg zum Haus von Karl und Barbara war. Wenige Minuten später kamen wir dort an. Wir stiegen aus der kühlen Luft in die Hitze des Sommers. Ich bedankte mich bei Herrn Rügamer und ging voraus zum Haus. Die Jungs staunten alle über das tolle Anwesen.

Heiko fand als erster die Sprache wieder.

„Man, das ist echt ein tolles Anwesen. Da wohnst du, Luc?“

Ich sagte ihnen, dass ich es später alles genau erklären würde und bat darum, schnell in das kühle Haus zu kommen. Mir war nämlich heiß. Als wir die Eingangstür wieder geschlossen hatten, wollte ich die Vier erst einmal richtig begrüßen. Die Rucksäcke stellten wir auf dem Flur ab. Ich bat darum, die Lebensmittel aus dem Rucksack in den Kühlschrank zu legen. Sie würden sie vermutlich nicht brauchen. Zumindest nicht im Zelt. Wir gingen in mein Zimmer und da es etwas eng war zu sechst, entschloss ich mich, doch ins Wohnzimmer zu gehen. Die Jungs erzählten mir dann, wie es gekommen war, dass Heiko und Jens auch mitgekommen waren. Stef und ich freuten uns über den überraschenden Besuch. Allerdings hatte ich immer noch nicht richtig verstanden, warum sich Jens Großeltern immer um ihn kümmerten. Das wollte ich in diesen Tagen noch klären. Einige Zeit später beschlossen wir, einen guten Platz im Garten zu suchen, wo die Zelte aufgebaut werden sollten.

Wir einigten uns auf einen schattigen Platz unter der großen Kastanie. Dort war der Rasen auch sehr weich und somit waren die Zelte schnell aufgebaut und verankert. Außer den Schlafsäcken und den Isomatten blieb alles im Haus. Dort war es viel kühler.

Stef und ich waren, während die anderen ihre Zelte aufbauten, bereits in der Küche dabei, eine kurze Lagebesprechung abzuhalten. Das Programm für das Wochenende war schnell im Groben geplant. Tommy war der Erste, der zu uns in die Küche kam. Nach und nach kamen die anderen hinzu und somit erklärte ich ihnen unsere Ideen. Es gab allgemeine Zustimmung, nur in einem Punkt gab es eine Bitte. Jens meldete sich.

„Luc, können wir nicht auch einmal deine Arbeit sehen? Ich würde zu gern einmal bei Geigers im Laden sein. Das muss ein total geiles Autohaus sein.“

Stef und ich grinsten. Allerdings musste ich das mit Karl erst klären. Er legte Wert darauf, bei solchen Dingen vorher gefragt zu werden. Dann war es in der Regel kein Problem.

„Das musst du Karl nachher fragen. Aber wenn du nett fragst, sollte das zu machen sein. Ihr werdet sehen, die Geigers sind tolle Leute.“

Nach einem kalten Begrüßungsgetränk schlug ich erst einmal eine Dusche für die Vier vor. Das stieß auf Zustimmung. Stef zeigte ihnen das Bad und somit hatten wir einen Moment Ruhe.

„Wie findest du das denn, dass Heiko und Jens einfach mitgekommen sind?“, fragte mich Stef.

Ich musste lachen, denn ich mochte sie beide. Also diese spontane Aktion war für mich cool. Ich hätte mir das vor zwei Jahren niemals getraut.

„Eigentlich finde ich das total cool, ich hätte mir das vor zwei Jahren nicht getraut, aber meine Mutter hätte das auch nie erlaubt. Umso schöner, dass sie hier sind.“

Stef gab mir einen Kuss und damit war klar, dass er mir zustimmte. Wir überlegten, ob wir uns in die Küche stellen sollten oder mit den vier einen Weg durch die Umgebung zu machen. Wir entschieden uns für den Weg. Wir gaben ihnen eine Orientierung, damit sie sich besser zurechtfinden konnten. Schließlich war ich ja ab Montag tagsüber wieder arbeiten.

Als wir zurückkamen, hatten wir ihnen die wichtigsten Dinge gezeigt. Barbara war auch schon zu Hause und ich stellte ihr meine Freunde vor.

„Sagt mal, habt ihr schon etwas gegessen?“

Tommy verneinte und auch Heiko ließ vernehmen, dass er schon etwas Hunger hätte. Also überlegten wir einen Moment.

„Wann kommt Karl nach Hause, Barbara?“

„Oh, das kann heute spät werden. Nehmt darauf keine Rücksicht. Wollt ihr vielleicht im Garten den Grill anwerfen? Ich mache euch schnell einen Salat dazu. Und Stefan kann beim Fleischer noch das Grillgut holen.“

Ich war sehr erfreut über ihren Vorschlag und so wurde es auch gemacht. Stef nahm Heiko mit und ich begann mit den anderen drei den Grill anzufeuern. Es war natürlich kein Standardgrill, sondern ein selbst geschweißter Kamingrill aus Edelstahl. Er zog ganz hervorragend und somit war die Glut schnell durch. Jens stand deutlich abseits von mir. Tommy war bei mir und Nico unterhielt sich mit Jens.

„Warum stehen die beiden so weit abseits?“

„Das liegt daran, dass Jens nicht so nah an die Hitze darf. Es würde schmerzhaft werden, wegen der Narben.“

„Oh, das hätte er doch auch sagen können, dann hätten wir nicht gegrillt. Aber ich dachte, das würde am meisten Spaß machen. Vor allem haben wir hier in der Nachbarschaft einen ganz tollen Fleischer.“

In diesem Moment kam Stef mit Heiko zurück und stellte die große Tüte neben den Grill. Barbara kam auch zu uns in den Garten und teilte uns mit, dass sie auf der Terrasse den Tisch gedeckt hätte.

Stef stellte sich ganz eng neben mich an den Grill und kuschelte sich an mich. Heiko kam zu uns und fragte, ob er mich einmal ablösen kann. Das nahm ich natürlich gerne an, denn so konnte ich endlich auch mal mit Jens sprechen.

Stef und ich gingen zu Nico und Jens. Ich fragte Jens, wie es ihm ging und wie er sich gerade fühlen würde. Das war eine Frage, mit der er nicht gerechnet hatte. Ich spürte seine Unsicherheit und Verlegenheit. Er schien es nicht gewohnt zu sein, dass sich jemand für sein Befinden interessierte.

Nachdem ich mich bei Heiko vergewissert hatte, dass er alles im Griff hatte, ging ich zu Jens zurück.

„Hast du Lust, mit mir mal einen kleinen Rundgang zu machen. Dann können wir uns auch mal in Ruhe unterhalten.“

„Geht das denn? Die anderen einfach nicht mitnehmen. Wird dein Freund dann nicht sauer?“

Ich musste lachen.

„Klar geht das und Stef wird bestimmt nicht sauer, weil er mich genau kennt. Wir vertrauen uns. Komm lass uns gehen.“

Wir sagten noch kurz bei den anderen Bescheid und hatten jetzt eine halbe Stunde Zeit, uns zu unterhalten. Dann wollten wir gemeinsam essen. Ich beschloss, ihm den Park zu zeigen, wo ich Stef das erste Mal getroffen hatte. Diese Situation, als ich ihm das erklärte, war schon sehr berührend. Er ging die ganze Zeit schweigend neben mir. Als wir auf der Bank Platz genommen hatten, wo ich Stef aufgefunden hatte, schien er sich etwas durch den Kopf gehen zu lassen.

„Was denkst du gerade? Du bist sehr nachdenklich.“

„Ja, Luc, du hast Recht. Ich denke über die Situation nach. Ich bewundere dich und Stef. Vor allem Stefan, was er alles schon erlebt hatte. Heute ist er ein toller Freund für uns geworden und er hat mich nie nach dem warum und wieso gefragt? Wenn ich etwas nicht mitmachen konnte, hat er sich einfach angepasst und mich dennoch teilhaben lassen. Manchmal hat er mich sogar motiviert. Genau wie Heiko, nur dass ich Heiko seit dem Kindergarten kenne. Heiko weiß alles von mir.“

„Ja, Stef ist ein besonderer Mensch für mich. Er ist nicht nur mein Freund und Partner, sondern er führt mir immer wieder vor Augen, wie gut es mir geht. Ich habe einen anderen Blick für das Leben bekommen. Ich habe so viel Glück gehabt in meinem Leben. Selbst die Leukämie habe ich überstanden. Dann habe ich eine neue Familie bekommen. Eine unglaublich tolle neue Familie. Diese Familie bedeutet mir alles. Dafür würde ich alles geben, dass es ihr gut geht. Selbst Leif ist mir sehr wichtig geworden.“

Bei diesen Sätzen spürte ich eine starke innere Verkrampfung bei Jens. Ich legte ihm meinen Arm um die Schulter und schwieg.

Nach einigen Minuten des Schweigens sah ich, wie eine einzelne Träne über sein Gesicht rollte. Ich ließ es einfach geschehen und hielt ihn fest. Er versuchte zwar, mir etwas zu erklären, aber seine Stimme war noch nicht wieder bereit. Ich beruhigte ihn und ließ ihm Zeit.

„Danke Luc. Ich bin froh, dass wir uns kennengelernt haben. Ich möchte dir aber auch sagen, dass es mir nicht leicht fällt, dir das jetzt zu sagen. Gib mir noch einen Moment Zeit.“

„Lass dir Zeit, du musst mir auch nichts erzählen. Ich spüre nur, du hast ein besonderes Verhältnis zu deinen Großeltern. Ich vermisse deine Eltern ein wenig in deiner Geschichte.

Aber lass dir Zeit, ich glaube, du hast noch mehr erlebt, als deine schwere Verletzung.“

Jetzt konnte er sich nicht länger zurückhalten, die Tränen liefen und er nickte wortlos. Ich hielt ihn fest und streichelte ihm über den Kopf. Er wollte mir etwas erzählen, aber es ging nicht. Deshalb bat ich ihn, sich zu beruhigen. Wir standen von der Bank auf und ich wechselte das Thema.

„Sag mal, hast du nicht Lust, uns zu Hause in der Schweiz mal zu besuchen? Du und Heiko. Dann lernst du auch meine verrückte Familie kennen.“

„Klar, wenn deine Eltern nichts dagegen haben. Am Wochenende habe ich eigentlich immer mal Zeit. Außerdem sind meine Großeltern sicher auch froh, wenn sie mal ein freies Wochenende haben, so wie jetzt gerade.“

Ich ließ es so stehen und wir waren bereits auf dem Rückweg, als Jens erneut versuchen wollte, mir seine Familiensituation zu erklären.

„Luc, danke, dass du nicht weiter gefragt hast. Ich würde dir so gerne noch mehr erzählen, aber es tut einfach noch zu weh. Gib mir noch etwas mehr Zeit.“

„Es ist alles in Ordnung. Du musst dich nicht entschuldigen. Ich möchte nur, dass du weißt, du kannst immer mit uns reden. Egal was es ist. Freunde sind dann da, wenn sie gebraucht werden.“

Er schaut mich an und ich konnte in seinen Augen erkennen, wie sehr es in ihm arbeitete. Ich legte meinen Arm um ihn und wir gingen wortlos zurück. Bevor wir wieder in den Garten gingen, schickte ich ihn erst ins Bad. Er sollte sich frisch machen. Ich kam also allein in den Garten und auf der Terrasse saßen Barbara und die anderen Jungs. Das Fleisch war bereits fertig und es schien so, dass alle auf uns gewartet hatten. Stef hatte mir einen Platz neben sich freigehalten und Heiko neben sich einen für Jens. Heiko schien zu ahnen, was vorgefallen war. Er war ein wenig unsicher, aber als Jens auch zu uns kam, lächelte Heiko ihn an und die Stimmung löste sich schnell. Es wurde ein lustiges Essen, anschließend holte Tommy seine Frisbee aus der Wohnung und wir spielten noch lange im Garten. Als es gegen halb elf dunkel wurde, kam sogar Karl noch für eine halbe Stunde in den Garten. Wir besprachen das Programm für den nächsten Tag.

Karl meinte, ich sollte am nächsten Tag Mario fragen, ob er uns vielleicht in das Freibad begleiten möchte. Wenn er keine Zeit hätte, würden wir mit der Straßenbahn fahren. Dauerte etwas länger, aber wir wären unabhängig. Karl und Barbara wären in der Firma.

Gegen halb zwölf, Karl und Barbara waren bereits schlafen gegangen, machten auch wir Feierabend für diesen Tag. Wir räumten noch ein wenig auf und dann wünschten wir uns gegenseitig eine gute Nacht.

Stef und ich räumten die Sachen, die kühl gelagert werden mussten, in den Kühlschrank und dann schickte ich Stef zuerst ins Bad. Ich stand noch für einen Moment auf der Terrasse und schaute in den Nachthimmel. Plötzlich stand Heiko neben mir.

„Nanu, kannst du noch nicht schlafen?“, fragte ich ihn.

„Doch, aber ich wollte noch mit dir sprechen. Es geht um Jens. Er ist sehr aufgewühlt. Was habt ihr vorhin gemacht?“

Ich erklärte ihm, was vorgefallen war und er schien zu wissen, was sein Freund jetzt durchmachte, aber er schwieg.

„Luc, du hast vorhin ohne es zu wissen, eine Schwelle überschritten. Bislang hatte er noch nie über dieses Thema gesprochen. Ich bin der Einzige, der weiß, was wirklich passiert ist. Du kannst dir sicher sein, Jens vertraut dir und er wird dir auch alles erzählen, aber lass ihm Zeit.“

„Du kannst sicher sein, ich gebe ihm von meiner Seite aus alle Zeit, die er braucht, aber er muss auch lernen, seinen Freunden zu vertrauen.“

„Das tut er, sonst hätte er sich vorhin nicht so verhalten. Glaub mir, er wird auf dich zukommen. Vielleicht schon morgen, aber vielleicht auch erst später. Lass uns abwarten.“

Ich nickte und damit verabschiedeten wir uns in die Nacht. Er ging zurück ins Zelt und ich unter die Dusche. Ich war stehend k.o. und somit kuschelten wir noch ein wenig und dann schliefen wir schnell ein.

Am nächsten Morgen telefonierte ich zuerst mit meinen Eltern. Ich erzählte, dass wir nun auch noch Jens und Heiko zu Besuch hatten. Papa fand das lustig, während Mama nicht so wirklich begeistert war. Sie war der Meinung, das wäre für die Geigers doch unnötig mehr Arbeit. Als ich ihr aber erklärte, dass es Barbaras Idee war, im Garten zu zelten, war sie ruhig.

Am Samstagvormittag war ich bereits recht früh mit Karl in die Firma gefahren. Wir wollten mit Mario an meinem Camaro arbeiten. Heute sollte der Motor und das Getriebe eingebaut werden. Stef war mit den anderen zu Hause geblieben, um ihnen ein wenig die Stadt zu zeigen. Wir hatten uns für 15 Uhr verabredetet, um gemeinsam ins Freibad zu gehen. Das Wetter war weiterhin traumhaft warm und sonnig.

Wir hatten bereits alle Vorbereitungen getroffen und jetzt hing der Motor mitsamt Getriebe am Kran. Karl leitete diese Aktion selbst. Mario bediente den Kran und ich schaute, dass der Lack nicht beschädigt wurde. Nach 45 Minuten hatten wir alles drin. Jetzt hieß es noch verschrauben und alle Leitungen anschließen. Das zog sich doch noch bis zum frühen Nachmittag hin. Zwischendurch hatte Karl für uns Pizza bestellt. Starten konnten wir den Motor noch nicht, dafür fehlten noch einige Dinge. Insbesondere der Tank war noch nicht wieder eingebaut. Also beendeten wir um 14 Uhr unsere Arbeit für heute. Ich war vollkommen durchgeschwitzt, aber Mario und Karl sahen auch nicht besser aus. Allerdings war ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Jetzt wollte ich aber den restlichen Tag mit meinen Freunden verbringen. Wir hatten verabredet, uns in der Stadt zu treffen. Das war praktischer, weil sie ja schon dort waren. Mario hatte sich etwas anderes vorgenommen und somit fuhr ich mit Karl nach Hause zum Duschen und frisch machen.

Eine Stunde später, also nicht ganz pünktlich, traf ich mich mit den anderen am vereinbarten Treffpunkt.

„Hi Luc, hast du es endlich geschafft?“, begrüßte mich Stef.

Stefan: Ein schöner Nachmittag im Freibad

„Hallo Schatz“, begrüßte mich Luc und gab mir einen Kuss.

Für Jens und Heiko schien das immer noch eine nicht ganz selbstverständliche Situation zu sein, denn auch am Vormittag in der Stadt hatten sie fast immer weggesehen, wenn sich Nico und Tommy mal geküsst hatten. Allerdings sagten sie immer wieder, dass sie damit keine Probleme hätten. Ich denke, es war einfach ihre Unsicherheit.

Es dauerte nicht lange, bis wir auf der Liegewiese im Freibad unsere Sachen abgelegt hatten und dann im Wasser herumtobten. Wir tauchten uns gegenseitig ab, gingen gemeinsam zur Rutsche und alberten herum. Irgendwann ruhten wir uns auch ein wenig auf der Wiese im Schatten aus. Jens und Heiko lagen neben mir und Tommy und Nico waren für alle Eis holen gegangen, als Luc mir mitteilte:

„Du Stef, ich habe übrigens mit Papa noch einmal telefoniert wegen der Unterhaltsgeschichte. Mario muss natürlich keinen Unterhalt zahlen.“

„Das ist ja klasse, aber wie kann sich Mario da absichern? Einen Anwalt kann er sich nicht leisten.“

„Darum kümmert sich Papas Anwalt. Er wird für Mario einen Brief aufsetzen, den Mario nur unterschreiben muss. Damit sollte das für Mario erledigt sein.“

Es war einfach nur toll. Ich hatte das Gefühl, ich wäre ein Mitglied der Familie Steevens. Auch wenn Marc das immer wieder erwähnte, erst jetzt begriff ich langsam, dass es wirklich so war.

Heiko hatte einen Teil des Gespräches mitbekommen und er fragte deshalb noch mal nach. Ich erklärte ihm die Lage und es machte ihn betroffen.

„Du hast auch echt die Arschkarte mit deinen Eltern gezogen. Ich finde es umso cooler, wie du damit heute umgehst.“

Er schaute jetzt zu Jens hinüber. Der schien tief zu schlafen.

„Wisst ihr, Jens hat es auch nicht immer einfach zu Hause. Er hatte euch von diesem Unfall erzählt, von dem er die Narben hat, oder?“

Wir nickten.

„Wisst ihr auch, was damals genau passiert ist?“

„Nein“, sagte Luc, „er hat nur davon gesprochen, dass es ein Unfall war und mehr nicht. Warum fragst du?“

Heiko holte Luft und wollte uns etwas erzählen, aber Luc unterbrach ihn.

„Heiko, meinst du nicht, es wäre besser, Jens würde es uns erzählen oder zumindest sollte er dabei sein.“

„Ich weiß nicht, ob er es jemals erzählen wird. Momentan habe ich das Gefühl, er zerbricht daran.“

„Das mag sein, aber es sollte doch seine Entscheidung sein, oder denkst du eher, dass wir ihm helfen können?“

„Genau, Stefan. Das denke ich nämlich. Du hast doch auch eine Therapie gemacht und sie hat dir geholfen. Ich denke, Jens sollte sich auch helfen lassen. Nur, solange er niemandem davon erzählt, kann ihm auch keiner helfen. Ich habe es immer wieder versucht, aber er glaubt mir nicht.“

Mir wurde klar, Jens musste etwas Traumatisches erlebt haben.

„Hm, da kommen Nico und Tommy mit dem Eis. Wir sollten das verschieben.“

Die beiden waren einverstanden und Heiko weckte Jens, damit er mit uns das Eis essen konnte. Tommy hatte sich selbst übertroffen, denn er brachte für jeden einen schönen Becher Eis mit, den wir genüsslich vertilgten.

Wir verbrachten einen tollen Nachmittag im Freibad und erst gegen halb sieben brachen wir unser Lager dort ab und machten uns auf den Heimweg. Bei den Geigers angekommen, erwartete uns eine Überraschung kulinarischer Art. Barbara hatte für uns eine reichhaltige kalte Platte vorbereitet. Wir ließen nicht ein belegtes Brot über und ich bedankte mich bei ihr für diese Überraschung. Damit hatte ich absolut nicht gerechnet.

„Ist schon gut, Jungs. Ich weiß ja, dass Schwimmen hungrig macht. Außerdem müsst ihr ja noch groß und stark werden.“

Luc und ich schauten uns an und mussten laut lachen. Innerhalb kürzester Zeit lachten sechs Jungs und zwei Erwachsene über diesen Spruch.

Am Abend blieben wir bei den Geigers und es wurde noch sehr lustig. Karl erzählte aus seiner Anfangszeit in München und für Heiko und Jens war das natürlich ein Highlight. Wobei ich ebenfalls viele Dinge noch nicht wusste. Luc schien das Meiste schon zu wissen, zumindest hatte er vieles bereits darüber gelesen.

Jens und Heiko waren irgendwann fast am Tisch eingeschlafen und Luc war der Meinung, wir sollten für heute Schluss machen. Gegen elf lösten wir unsere Runde auf und unsere Gäste verschwanden in ihre Zelte, nachdem sie im Haus duschen waren.

Luc und ich blieben noch für einen Moment im Garten sitzen. Es war sternenklarer Himmel und wir wollten noch für einen Moment allein den Anblick genießen. Es kehrte bald Ruhe ein und nur noch ein leichtes Rauschen der Blätter vom Wind war zu hören. Ich saß mit Luc auf der Terrasse und wir hielten unsere Hände. Wir brauchten nicht zu sprechen. Es war ein wunderbares Gefühl mit Luc einfach dort zu sitzen und seine Nähe zu spüren. Irgendwann wurde ich allerdings ebenfalls müde und wir machten uns auf, ins Bett zu gehen.

Luc: Jens, ein Junge auf neuen Wegen

Der Sonntag begann mit einem herrlichen Frühstück im Garten. Die Luft war wunderbar weich und angenehm, während ich mit Stef bereits dabei war, den Tisch zu decken. Barbara und Karl hatten heute einen anderen Termin und waren bereits sehr früh aufgebrochen. Zuerst kamen Nico und Tommy aus dem Zelt gekrabbelt.

„Guten Morgen“, rief ich ihnen zu.

Tommy schien noch nicht richtig wach zu sein, während Nico schon lebendig zurück grüßte. Beide kamen auf die Terrasse und verschwanden im Haus in Richtung Bad. Von Heiko und Jens war noch nichts zu sehen. Es war gestern spät geworden und ich nahm an, dass sie das sonst nicht so gewohnt waren.

Als wir bereits am Tisch saßen, hörten wir Geräusche aus dem Zelt der beiden Jungs und

Tommy ließ uns wissen:

„Ich glaube, die beiden erwachen gerade von den Toten. Die haben heute Nacht aber noch sehr lange miteinander geredet.“

„Na, dann ist das ja kein Wunder, dass sie heute nicht aus den Federn kommen.“

„Ach Luc, ist doch in Ordnung. Sonst dürfen sie vermutlich nicht so lange auf sein“, kam sofort von Stef. Ich schaute meinen Freund an und wir mussten lachen. Ich hatte den gleichen Gedanken gehabt.

Das Zelt öffnete sich und die beiden kamen nur in Boxershorts und T-Shirt heraus gekrabbelt. Heiko streckte sich und Jens schaute erstaunt zu uns.

„Boah, Heiko, die sind schon alle wach und sitzen am Tisch. Ich glaube, wir haben verpennt.“

Wir mussten wieder lachen. Das kam so gut rüber. Ich beruhigte die beiden erst einmal.

„Nein, es sind doch Ferien und da ist das schon ok, ihr habt außerdem noch nichts verpasst. Wenn ihr euch beeilt, warten wir noch auf euch mit dem Frühstück.“

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen und bewegten sich zügig ins Haus. Wenige Minuten später saßen wir zu sechst am Tisch und genossen unser Frühstück.

Stef wollte wissen, was wir heute geplant hatten. Ich gab zur Antwort, dass ich bislang noch gar nichts geplant hatte. Mich interessierte mehr, was sie tun wollten, während ich die nächsten Tage arbeiten musste. Deshalb kam eine lebhafte Diskussion zustande. Das Ergebnis war, Stef würde mit den Vier in die Bavaria Studios gehen, ins deutsche Museum und einen gemütlichen Stadtbummel machen. Damit war das Programm für ihre nächsten Tage gesichert und ich konnte beruhigt bei Karl arbeiten.

Für den heutigen Sonntag waren wir uns allerdings noch nicht einig. Jedenfalls nutzte ich die Gelegenheit, um den Tisch abzuräumen und die Küche in Ordnung zu bringen. Jens wollte mir helfen und die anderen waren noch dabei auszudiskutieren, was sie heute zu tun gedachten. Während ich die Spülmaschine einräumte, holte Jens die Sachen von draußen und stellte sie auf dem Küchentisch ab. Als er die letzten Sachen in die Küche gebracht hatte, blieb er bei mir in der Küche.

„Kann ich dir noch etwas helfen?“

„Danke, das ist nicht nötig, ich bin auch gleich fertig“, antwortete ich ihm, allerdings ohne ihn dabei anzusehen. Ich hörte nur, wie er schwer Luft holte und es schien so, als ob er mit sich kämpfen würde. Ich drehte mich zu ihm um.

„Jens, ist alles in Ordnung mit dir?“

Er schüttelte wortlos den Kopf, sagte aber nichts.

Ich bemerkte aber, dass er mit seinen Gefühlen kämpfte. Ich fühlte mich an die ersten Begegnungen mit Stef erinnert, diesmal wollte ich abwarten. Er sollte selbst entscheiden, ob er mir etwas erzählen wollte oder noch nicht.

„Luc, ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein Gefühl sagt mir, dass ich dir vertrauen kann und Heiko hat mir auch geraten, mit dir zu reden, andererseits habe ich Angst, dass wieder alles hochkommt.“

„Hm, was soll ich dir jetzt darauf sagen. Nur, dass ich dir zuhören werde und du sicher sein kannst, dass ich dir helfen werde, wenn ich kann. Und das gilt für alle meine Freunde.“

Er zögerte. Ich konnte spüren, dass er hin und hergerissen war. Dann gab er sich einen Ruck.

„Luc, wäre es denn möglich, dass ich es nur dir erst einmal allein erzähle?“

„Selbstverständlich, warum sollte das nicht gehen?“

„Wird Stefan dann nicht sauer sein? Er ist doch dein Freund und möchte die Zeit hier mit dir verbringen.“

Ich schmunzelte. Gut, er konnte nicht wissen, dass Stef dafür am meisten Verständnis hatte. Also bot ich ihm an, ich würde mit den anderen sprechen, damit wir uns ungestört unterhalten konnten. Er blieb in der Küche und ich ging nach draußen zu den anderen. Die hatten bereits ihre Rucksäcke geholt und schienen in Aufbruchstimmung zu sein. Tommy bemerkte mich als Erster.

„Da bist du ja endlich, wir haben uns geeinigt, auf die Kartbahn zu fahren. Stefan meinte, dass es hier in der Nähe eine Bahn geben würde.“

„Ok, dann macht das. Ich bleibe mit Jens hier.“

Die anderen hatten meine Aussage auch gehört und alle Augen schauten zu mir. Stef schien begriffen zu haben, was der Grund dafür sein würde. Er blieb ruhig und bestimmt.

„Ok, kommt ihr noch nach, wenn ihr fertig seid?“

„Kann ich noch nicht sagen, ich weiß nicht, wie lange das hier dauern wird.“

Stef kam auf mich zu, gab mir einen Kuss und flüsterte mir ins Ohr:

„Du machst das sicher richtig, Schatz. Ich glaube, Jens wird es gut tun und wir werden mit Heiko bestimmt Spaß haben. Wäre aber schön, wenn ihr auch noch kommen würdet.“

Ich versprach anzurufen, sobald wir fertig waren. Dann könnte man besprechen, ob es sich noch lohnen würde, zu kommen. So brachen meine Freunde ohne Jens und mich auf und ich ging zurück in die Küche, wo Jens mich erwartungsvoll anschaute.

„Was machen die anderen?“, fragte er mich schüchtern.

„Wir werden gleich unsere Ruhe habe. Sie wollen auf die Kartbahn fahren.“

„Echt, und du willst nicht mit? Meinetwegen?“

„Jetzt pass mal gut auf, du bist mir wichtig, wie alle meine Freunde. Wenn einer meiner Freunde Probleme hat, werde ich für ihn da sein. Meine Freunde waren damals auch für mich da, als ich sie brauchte. Also, du machst dir bitte keine Gedanken darüber, außerdem können wir ja später noch nachkommen.“

Ich lächelte ihn dabei an, und als ich hörte, dass die anderen sich auf den Weg gemacht hatten, gab ich Jens ein Zeichen, er sollte mir in den Garten folgen. Dort setzten wir uns zu ihren Zelten unter die große Kastanie.

„Jens, ich möchte, dass du mir mal erzählst, was dich so bedrückt. Du hast vorhin gesagt, dass du Angst hast, dass alles wieder hochkommt. Was genau ist damals bei dem Unfall passiert? Ich glaube nämlich, dass du uns einige Dinge bislang nicht erzählt hast.“

Sein Gesicht wurde jetzt sehr traurig. Er schien das nicht richtig verstanden zu haben. Denn seine Antwort kam mit schwacher Stimme:

„Es tut mir leid, ich wollte das nicht verheimlichen, aber …“

„Stopp, Jens. So war das nicht gemeint. Ich wollte dir keine böse Absicht unterstellen oder dass du uns nicht vertraust. Ich wollte nur ausdrücken, dass du mehr mit dir herumträgst, als du bislang erzählt hast.“

Jetzt hellte sich sein Gesicht wieder etwas auf und er nickte leicht.

„Heißt das, du bist mir nicht böse, dass ich bislang nicht die ganze Geschichte erzählt habe?“

„Nein, absolut nicht. Du wirst schon Gründe haben, warum du nur Heiko alles erzählt hast.“

„Er hat mit euch darüber geredet?“, kam fast panisch.

„Nein, er hat klar gesagt, dass wir dich das erzählen lassen sollen. Er möchte das nicht ohne deine Erlaubnis tun.“

Das war zwar nicht ganz die Wahrheit, aber Heiko wollte ihm ja helfen, also hatte ich das so gesagt.

„Ah, ok. Also gut. Aber es ist keine schöne Geschichte. Willst du sie wirklich hören?“

„Ja, aber nur, wenn du sie mir erzählen möchtest. Ich respektiere es, wenn du es nicht möchtest.“

Er hatte es sich wohl sehr lange überlegt und die Entscheidung schien längst gefallen zu sein, denn er begann zu erzählen.

„Also gut. Es hat alles mit diesem Unfall zu tun. Wie du ja schon bemerkt hast, kümmern sich meine Oma und mein Opa viel um mich. Das Verhältnis zu meiner Mutter ist nicht so toll. Ich habe immer das Gefühl, sie glaubt, dass ich schuld an diesem Unfall habe.“

Seine Augen waren sehr traurig und ich konnte seine Enttäuschung und auch seinen Schmerz fühlen. Er machte für einen Moment eine Pause. Ich blieb stumm sitzen. Allerdings nahm ich die Gelegenheit wahr, etwas ganz anderes zu fragen:

„Sag mal, soll ich uns etwas Kaltes zu trinken holen?“

„Wenn es keine Umstände macht, gern.“

Ich stand auf und ging in die Küche. Holte aus dem Kühlschrank eine große Flasche Cola und nahm zwei Gläser mit nach draußen. Mittlerweile war es richtig warm geworden und die kalte Cola würde uns sicher gut tun.

Als ich zurück in den Garten ging, lag Jens auf dem Rücken und schaute in den Himmel. Es war zu erkennen, dass eine Träne aus seinen Augen lief. Er setzte sich auf und ich mich jetzt neben ihn. Gab ihm sein Glas und schenkte uns ein. Für ihn war das eine gute Gelegenheit, sich neu zu sammeln.

„Danke, das tut jetzt richtig gut“, meinte Jens.

„Ja, ich finde auch, das haben wir uns jetzt verdient.“

Ich lächelte ihn an und fragte:

„Warum solltest du Schuld an deinem Unfall haben? Du warst doch noch sehr klein?“

„Nun, sie hat das auch nie gesagt, aber sie lässt es mich spüren. Außerdem hat sie eigentlich nie Zeit für mich. Sie ist den ganzen Tag arbeiten und manchmal auch das Wochenende weg. Heute komme ich damit klar, aber als ich noch kleiner war, fand ich das sehr schlimm.“

Mir kam der Gedanke, was ist mit seinem Vater. Er kam noch gar nicht in seiner Familie vor. Ich beschloss aber, ihn jetzt nicht zu fragen.

„Deshalb bist du viel auf dem Campingplatz bei deinen Großeltern?“

Er nickte und fuhr fort.

„Ja, sie haben mich immer unterstützt und sind mit mir zum Arzt gefahren, haben mit mir die Reha Maßnahmen gemacht. Mama hatte ja nie Zeit dafür.“

Bei dem letzten Satz konnte ich seine Enttäuschung fühlen. Es tat ihm weh.

„Sie hatte nicht mal dafür Zeit?“, fragte ich fassungslos.

Leider war das zu viel für Jens. Er verlor für einen Moment die Kontrolle. Er schüttelte resigniert und zutiefst traurig seinen Kopf und Tränen kullerten über sein Gesicht. Ich wusste mir nicht anders zu helfen und legte meinen Arm um ihn, um ihn zu trösten. Für einen Moment schien er sich zu verkrampfen, entspannte sich dann aber schnell und legte sein Kopf auf meine Schulter.

Es herrschte für einen Moment Schweigen. Er wollte weiter erzählen, aber es ging noch nicht.

„Lass dir Zeit. Du musst dich nicht so quälen. Beruhige dich erst ein wenig.“

Er nickte stumm. Nach wenigen Augenblicken fuhr er aber doch fort.

„Nein, sie hatte immer nur gesagt, dass sie ja jetzt für mich alleine sorgen müsste und sie Geld verdienen muss. Ich wäre aber auch glücklich gewesen, wenn wir uns nicht mehr so viel hätten leisten können. Wenn sie dafür mehr Zeit gehabt hätte.“

„Das kann ich gut verstehen.“

„Weißt du, ich beneide dich total. Manchmal frage ich mich, warum nimmst du dir so viel Zeit für mich. Ich meine, wir kennen uns noch nicht so lange, dennoch nimmst du dir Zeit, ohne Fragen zu stellen.“

„Es ist mir wichtig. Meine Freunde sind mir sehr wichtig. Genau wie meine Familie. Du hast meine Eltern ja noch nicht kennengelernt, aber ich verspreche dir, du wirst mich dann verstehen. Aber darf ich dir eine Frage stellen?“

„Klar, aber ich glaube schon zu wissen, welche Frage du stellen willst.“

„So?“

„Wo ist mein Vater geblieben?“

Was nun passierte, war einfach schlimm mit ansehen zu müssen. Tränen liefen aus seinen Augen und er schüttelte immer wieder den Kopf. Ich drückte ihn ganz fest an mich und wusste schon, dass etwas ganz Furchtbares bei seinem Unfall passiert sein musste. Ich ließ ihm alle Zeit, sich zu beruhigen.

„Er starb bei diesem Unfall. Er hatte mich aus dem Feuer gerettet und ist dabei selbst umgekommen. Er starb an einer Rauchvergiftung.“

Stille, vollkommene Stille. Mein Kopf war leer, obwohl ich so etwas schon geahnt hatte. Dann erzählte er mir die ganze Geschichte. Mir war nun klar, er hatte überhaupt keine Schuld an diesem Unfall und seine Mutter hatte den Verlust ihres Mannes noch überhaupt nicht verarbeitet. Sie warf Jens vor, seinetwegen hätte sich der Vater geopfert. Dabei hatte er nur sein Kind retten wollen. Wie alle Väter das wohl in so einer Situation tun würden.

Nachdem ich über den ganzen traurigen und tragischen Sachverhalt Bescheid wusste, musste ich einen Moment aufstehen und mich neu sammeln. Ich zog Jens an der Hand hoch und wir standen einen Augenblick still im Garten.

„Wer kennt diese ganze Geschichte?“

„Nur meine Mutter, meine Großeltern und Heiko.“

Mir war jetzt bewusst, dass hier professionelle Hilfe gefordert war.

„Kannst du eigentlich heute wieder einigermaßen schlafen? Träumst du oft davon?“

„Beides. Es gibt Tage, da habe ich abends Angst einzuschlafen. Dann gibt es Phasen, da belastet es mich nicht. Vor allem, wenn ich bei Oma und Opa bin.“

„Sind das eigentlich die Eltern von deiner Mutter oder von deinem Vater?“

„Von Papa.“

Respekt, dachte ich mir. Sie verloren ihren Sohn bei diesem Unglück und dennoch standen sie voll hinter dem Enkel. Mit diesen Großeltern würde sicher zu rechnen sein, wenn es um Hilfemaßnahmen ging.

„Ich finde das toll, was sie tun. Sie sind immer für dich da. Ich möchte dir einen Vorschlag machen. Wenn du am Mittwoch zurück in die Schweiz fährst, sprichst du mit deinen Großeltern und ihr überlegt, ob es eine Möglichkeit gibt, eine Therapie zu machen. Du brauchst Unterstützung, genauso deine Mutter.“

„Sie will aber nicht. Sie will auch nicht, dass ich eine Therapie mache und wieder alles hochkommt.“

„Gut, dann lass uns gemeinsam mal überlegen. Ich möchte dich etwas fragen.“

„Klar, schieß los.“

„Würdest du mir erlauben, mit Stef und auch mit meinen Eltern darüber zu sprechen. Ich möchte mich mit ihnen beraten, wie wir dir helfen können.“

Er zögerte, es war ihm peinlich, das konnte ich fühlen.

„Ihr habt doch genug andere Sachen zu machen. Ich möchte dich und deine Familie damit nicht belasten.“

„Tust du nicht. Aber ich möchte sicher sein, alles für dich als meinen Freund, getan zu haben. Also darf ich mit ihnen darüber reden?“

„Ja, aber du musst das nicht tun.“

Ich umarmte ihn und um das für jetzt zu beenden, antwortete ich ihm:

„Nein, muss ich nicht, aber ich will. Und jetzt rufe ich Stef an und frage mal, ob wir noch kommen sollen. Jens, danke, dass du mir alles erzählt hast.“

Ich ließ ihn für einen Moment allein und telefonierte mit Stef. Sie meinten, wir sollten auf jeden Fall noch kommen, was wir dann auch taten. Jens und ich fuhren noch zur Kartbahn und kamen etwa zwanzig Minuten später dort an. Unterwegs sprachen wir nicht mehr über seine Familie. Er sollte wieder mit uns Spaß haben.

Entsprechend hatte ich Stef vorinformiert und somit war das auch kein Thema mehr. Wir hatten noch sehr viel Spaß und der Tag war ein voller Erfolg. Die Bahn war wirklich toll angelegt und ich beschloss, dort würden wir sicher noch öfter hinfahren. Mal sehen, was in den nächsten Wochen noch so passieren würde.

Auf dem Rückweg beschlossen Stef und ich, unsere Freunde bei Mäcces einzuladen. Das kam besonders bei Heiko und Tommy extrem gut an. Die Stimmung war gut und entspannt. Wir gingen abends recht früh schlafen. Ich musste ja am nächsten Morgen wieder zur Arbeit. Bevor Stef nach Hause fuhr, berichtete ich ihm noch von dem Gespräch mit Jens. Er war sehr betroffen, aber er sagte mir sofort seine volle Unterstützung zu. Ich hatte auch nichts anderes erwartet. Dass ich allein einschlafen musste, war mir allerdings genauso wenig recht, wie ihm.

Luc: Eine neue Woche in München beginnt

Es stand die Entscheidung für Marios Auto an. Karl hatte den Jeep bereits stillgelegt, als ich am Montagmorgen in die Firma kam. Der H3 stand schon in der Werkstatt. Mario war noch nicht da und ich stand mit Karl und Barbara in der Werkstatt vor dem H3.

„Und Luc, habt ihr gestern noch viel Spaß gehabt?“, fragte mich Barbara.

Ich berichtete von der Aktion Kartbahn und Karl lachte, als er davon hörte.

„Da hätte ich auch mal drauf kommen können. Gute Idee von Stefan. Was anderes, Luc, hat dein Vater mit Mario gesprochen? Ist das mit den Finanzen geklärt?“

„Soweit ich weiß, ja. Papa wollte noch von unserem Anwalt ein Schreiben aufsetzen lassen, welches Mario unterschreiben muss, danach sollte das kein Thema mehr sein.“

„Das ist gut. Ich wusste doch, dass Marc das nicht so stehen lassen würde. Ich habe ja die Idee, ihr repariert den H3 heute am Morgen offiziell, um den für den Verkauf an einen Kunden fertig zu machen.“

Ich schmunzelte, denn Mario hatte ja noch keine wirkliche Ahnung, dass das sein neues Auto werden würde.

„Hast du ihm denn immer noch nichts gesagt?“

„Nein, ich habe nur mit ihm vereinbart, dass ich nach einem passenden Auto für ihn suchen werde und er so lange den Pick-up nutzen kann. Er hat mir gesagt, was er monatlich für ein Auto ausgeben kann und damit bin ich zufrieden. Ich habe schon alles vorbereitet, so dass er den H3 dann heute mitnehmen kann.“

„Karl, du bist echt klasse. Darüber wird er sich sicher freuen, denn es bedrückt ihn sehr, dass er schon wieder auf deine Hilfe angewiesen ist.“

„Er wird sich daran gewöhnen müssen, dass er jetzt eine Familie hat, auf die er immer zurückgreifen kann und die ihm den Rücken frei hält.“

Wow, das war eine Aussage, die ich so nicht erwartet hatte. Damit hatte Karl auch Mario quasi in die Familie aufgenommen.

Es war kurz vor halb acht und Mario kam in die Werkstatt. Wir begrüßten uns und Karl gab Mario den Werkstattauftrag. Damit verabschiedete sich auch Karl wieder und wir waren allein.

Mario und ich schauten uns den Auftrag an und Mario meinte dann: „Also, wenn das Auto verkauft ist, dann sollten wir es auch richtig vorbereiten. Zuerst brauchen wir die neuen Teile. Luc, machst du dich auf den Weg ins Lager. Ich fange hier schon einmal an, die kaputten Teile abzubauen.“

Ich wollte schon losgehen, da meinte er noch:

„Und frag mal bei Karl nach, ob wir den Kotflügel nur polieren oder ob der lackiert werden soll.“

Ich drehte mich um und ging noch einmal zurück zum Wagen. Dort stand Mario vor dem Kotflügel und schaute sich die Kratzer an.

„Denkst du, das bekommen wir ohne Lackierung hin?“

Er überlegte, dann kam aber von ihm:

„Ich bin mir echt nicht sicher, deshalb frag lieber mal bei Karl nach.“

Auf dem Weg ins Lager lief mir Karl über den Weg.

„Karl, ich habe da eine Frage zum H3.“

Karl blieb stehen und schaute mich verwundert an.

„Warum, wir hatten doch alles besprochen, aber schieß los, was hast du für ein Problem.“

„Der hintere Kotflügel. Denkst du, dass polieren noch geht, oder soll er lackiert werden?“

„Also Luc, wenn es ein Fahrzeug für einen Kunden wäre, würde ich ihn lackieren lassen. Aber ich denke, wenn ihr den gut poliert, dann fällt es kaum auf. Ich meine, dass es für Mario auch ohne lackieren geht. Versteh das nicht falsch, aber lackieren kostet ein paar hundert Euro.“

„Ist schon richtig. Finde ich auch so ok. Ich gebe mir Mühe, es so gut wie möglich zu machen.“

Karl musste lachen, zwinkerte mir zu und ich setzte meinen Weg ins Lager fort. Dort bekam ich schnell alle benötigten Teile und als ich mit dem großen Einkaufswagen zurückkam, hatte Mario schon die Stoßstange und den hinteren linken Reifen abmontiert. Er hatte die Fahrwerksmessanlage bereits montiert und war dabei, das Fahrwerk auf Beschädigungen zu vermessen.

„Na, wie sieht das aus? Ist die Aufhängung verbogen oder alles noch im grünen Bereich?“

Mario tippte ein paar Daten in den Computer und kurz darauf kam eine neue Grafik mit überall grün unterlegten Werten.

„Nein, es sieht gut aus. Wir müssen nur optische Sachen machen. Hast du alles bekommen?“

„Klar, alles da. Wir können loslegen.“

Innerhalb kurzer Zeit waren wir wieder ein gutes Team und wir arbeiteten jeden Punkt auf der Liste ab. Zum Schluss zeigte mir Mario noch, wie man richtig den Lack poliert, ohne ihn zu beschädigen. Als wir vor der Mittagspause fertig waren, sah der Wagen wirklich toll aus. Ich war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Mario hatte seinem Meister Bescheid gesagt, dass der H3 fertig wäre und er nur noch zur Gasprüfung musste. Das konnten wir nicht machen, weil man dafür eine spezielle Ausbildung haben musste. Mario gab mir den Schlüssel in die Hand und sagte:

„Fahr den H3 in die andere Halle zum Basti. Der soll die Anlage prüfen und dann sind wir mit dem Auto fertig. Ich sage Dieter Bescheid, dass er dann dem Kunden sagen kann, der Wagen ist fertig.“

Ich stieg in den H3 und rollte ganz vorsichtig aus der Halle. Es war für mich immer noch etwas Besonderes, hier mit den Fahrzeugen selbst rangieren zu dürfen. Ich stellte den H3 ab und erklärte Basti, was zu tun sei. Anschließend ging ich zurück. Dabei gingen meine Gedanken für einen Moment zu meinen Freunden. Sie waren heute in den Bavaria Filmstudios und Stef hatte mir schon einige Bilder geschickt. Sie hatten anscheinend viel Spaß dort. Mittlerweile hatten wir Mittagspause und entsprechend hungrig saßen wir in unserem Stammlokal. Mario und ich besprachen uns, was am Nachmittag anstand. Ich zeigte ihm die Bilder von den anderen Jungs aus den Filmstudios und wir hatten unseren Spaß damit.

Der Nachmittag verlief ohne besondere Ereignisse. Erst gegen Feierabend wurde es noch einmal interessant, denn Karl musste ja Mario noch den H3 übergeben. Ich war sehr gespannt, wie er sich das gedacht hatte.

Ich lag gerade in einer Corvette und räumte unser Werkzeug zusammen, als Karl zu uns kam. Mario begrüßte seinen Chef und Karl schaute einmal in den Innenraum und nickte zufrieden.

„Schaut gut aus. Jungs, wir haben heute noch eine Sache zu machen, danach ist für euch Feierabend.“

Mario schien nicht begeistert zu sein, denn meistens hieß das nämlich länger arbeiten. Karl realisierte das sofort und grinste uns an.

„Also deine Freunde scheinen heute ja auch den ganzen Tag unterwegs und gut beschäftigt zu sein. Von daher werdet ihr ja noch nicht erwartet.“

Ein fieses Grinsen ging dabei über sein Gesicht. Mario stöhnte leicht auf.

„Was hast du noch, Karl. Mach es doch nicht so spannend.“

„Ihr habt ja heute Morgen den H3 bearbeitet und für den Verkauf vorbereitet. Da muss noch etwas gemacht werden. Mario, gehst du den mal vom Basti holen.“

Mario machte sich sofort auf den Weg und Karl nutzte die Situation, um mit mir die Übergabe zu besprechen. Er gab mir die Kennzeichen und das sollte die letzte Tat für heute sein. Das Anbringen der Kennzeichen.

Mario kam mit dem brabbelnden Achtzylinder wieder in die Halle gerollt und stieg aus.

„So, was ist noch zu tun? Und wann kommt denn der Kunde?“

Karl grinste und antwortete:

„Der Kunde ist schon da und ihr müsstet noch das hier anbringen.“

Dabei zeigte er auf die Kennzeichen, die ich bereits in der Hand hatte. Ich zeigte sie ihm und erst jetzt stutzte er.

„Hey, der Kunde scheint ja dieselben Initialen zu haben wie ich.“

„Und fällt dir noch etwas auf?“, fragte ich.

Jetzt schaute er erst zu mir und dann zu Karl. Er schien es zu ahnen, denn sein Gesicht wurde deutlich rot. Karl gab ihm die Papiere und damit war die Katze aus dem Sack. Mario schaute ungläubig zu Karl. Der hingegen lächelte.

„Damit du in Zukunft sicher mit deinem Bruder und wem auch immer unterwegs bist. Ich möchte nicht, dass Lucs Mutter mich erschießen kommt, weil ich zugelassen habe, dass ihr Sohn mit einer Rostlaube herumfährt und sich dabei wehgetan hat.“

Dabei gab er Mario die Schlüssel in die Hand und Mario fiel nichts anderes ein, als Karl zu umarmen. Das war eine tolle Geste, denn wir waren ja noch mitten in der Werkstatt. Alle anderen noch anwesenden Mitarbeiter bekamen das mit.

Nachdem sich Mario wieder etwas beruhigt hatte und Karl ihm alles erklärt hatte, wurden wir in den Feierabend entlassen. Zur Feier des Tages brachte mich Mario nach Hause.

Vor einer Ampel stehend meinte er dann:

„Sag mal, du hast es doch schon gewusst oder?“

„Was?“

„Tu nicht so unschuldig, du wusstest doch Bescheid mit dem Auto, oder etwa nicht?“

„Hm, ja, tut mir leid. Ich wusste natürlich Bescheid. Ich habe das ja auch mit Papa besprochen, wegen der Sache mit deiner Mutter. Also klar, ich wusste von Anfang an Bescheid.“

Mario lachte und freute sich wie ein kleines Kind. Er lieferte mich bei den Geigers zu Hause ab und ich sprang direkt unter die Dusche.

Es folgte ein sehr langes Telefonat mit Papa. Er berichtete mir von den neuesten Entwicklungen zu Hause. Leif hatte mittlerweile Chrissie als seine Freundin vorgestellt und eine Wette gestartet. Papa hatte behauptet, dass er keine drei Wochen ohne Alkohol auskommen würde. Leif hat dagegen gehalten und sie haben darum gewettet, dass der Verlierer einen Monat lang im Haus die Fenster putzen muss. Ich war sehr gespannt, denn ich wusste von beiden, dass Fensterputzen nicht ihre Lieblingsbeschäftigung war. Ich erzählte Papa von der Autoübergabe an Mario und er freute sich, dass das geklappt hatte. Er erklärte mir dann noch den Ablauf der Woche ab Donnerstag. Wir mussten am Donnerstag morgens bereits am Nürburgring sein, zur technischen Abnahme. D.h. ich konnte Donnerstag bereits nicht mehr arbeiten, sondern musste schon am Mittwoch aus München abreisen. Papa wollte das mit Karl klären. Mario sollte ja auch mitkommen als Mechaniker. Die Planung sah ebenfalls vor, dass alle anderen direkt anreisen würden. Also Lukas und Mick würden aus Nürnberg kommen und aus der Schweiz würde der Rest anreisen. Manuel kam auch direkt aus Deutschland. Papa hingegen hatte die Idee, bereits morgen mit seinem GT nach München zu kommen. Es musste eine große Inspektion gemacht werden. Von hier würden wir dann gemeinsam am Mittwoch fliegen. Also stand eine recht aufregende Woche an.

Irgendwann tauchten dann auch meine Freunde wieder bei uns auf. Stef freute sich sehr, dass ich bereits zu Hause war. Es gab eine liebevolle Begrüßung und wir machten uns direkt daran das Abendessen vorzubereiten. Dabei erzählten sie mir von den Dingen, die sie in den Filmstudios erlebt hatten. Ich konnte deutlich sehen, dass sie viel Spaß gehabt hatten. Als wir am Tisch saßen und Nahrung aufnahmen, fragte mich Stef dann:

„Und Schatz, jetzt weißt du, was wir gemacht haben, aber wie war denn dein Tag?“

Ich lachte.

„Also so aufregend wie euer Tag war es sicher nicht. Allerdings hat Mario sein neues Auto bekommen und ich habe vor wenigen Minuten erfahren, dass Papa morgen hier ankommt.“

Jetzt schauten mich insbesondere Heiko und Jens erschrocken an. Nico fing an zu lachen, Tommy grinste. Stef meinte nur:

„Hey, das ist ja toll, und wir fliegen dann wann zum Nürburgring?“

„Wie ursprünglich geplant am Mittwochabend.“

Heiko meinte dazu:

„Dann sollten wir wohl morgen schon zurückfahren. Ich möchte nicht, dass ihr unseretwegen Stress habt.“

Ich wurde sauer, denn sie sollten ja Papa kennenlernen.

„Nichts da, ihr bleibt schön hier. Ich möchte, dass ihr meinen Papa auch kennenlernt. Es werden bestimmt zwei lustige Tage hier. Ihr müsst keine Angst haben, nur weil er vielleicht etwas bekannter ist als andere Väter.“

Jetzt mussten Nico, Tommy und Stef laut lachen. Sie kriegten sich kaum wieder ein. Das war so überzeugend, dass auch Heiko noch einen Kommentar abließ:

„Etwas bekannter ist gut, er ist eine lebende Legende, aber wenn du meinst, bleiben wir noch.“

Dabei grinste er übers ganze Gesicht. Der Abend wurde noch sehr lustig und als Ergebnis blieb, dass Stef bei mir schlafen durfte, weil sie ja am nächsten Tag wieder gemeinsam etwas unternehmen wollten, während ich arbeiten musste. Am Abend würde Papa ja schon hier sein.

Ich erzählte Stef noch die neuesten Entwicklungen zu Hause und gegen elf Uhr war dann Nachtruhe für uns. Karl und Barbara wussten bereits Bescheid, weil Papa mit ihnen schon telefoniert hatte. Karl hatte schon wieder ein Grinsen im Gesicht und ich wusste, dass er etwas ausgeheckt hatte für den nächsten Tag. Die Nacht allerdings genossen Stef und ich für uns allein.

Leider war die Nacht viel zu schnell zu Ende und der Wecker holte mich aus allen Träumen. Was mich sehr freute, Stef stand mit mir gemeinsam auf und frühstückte auch mit mir, bevor ich zur Arbeit fuhr.

„Sag mal, was macht ihr heute, bevor Papa kommt?“

Stef lächelte mich an und antwortete:

„Wir wollen ins deutsche Museum. Heiko und Jens sind auch so Technikfreaks wie Nico. Da werden sie bestimmt viel Spaß haben.“

„Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich das ganz toll finde, wie du dich um die Vier kümmerst. Es tut mir ja leid, dass ich kaum Zeit für euch habe.“

„Unsinn, du musst halt arbeiten. Das wussten wir ja vorher. Außerdem, wenn du siehst, wie sich Jens und Heiko freuen, dann lohnt sich das auf jeden Fall.“

Danach gab er mir einen liebevollen Kuss und ich musste mich leider zur Arbeit verabschieden.

In der Firma angekommen, war heute das Programm etwas anders. Karl hatte mich zu Michael in die Entwicklung geschickt. Dort blieb ich den ganzen Tag und erst, als es gegen Feierabend ging, wurde ich ein wenig nervös. Denn Papa wollte gegen Abend hier ankommen. Ich hatte aber noch keine Nachricht von ihm bekommen. Mario hatte ich heute auch nur beim Mittagessen gesprochen. Er hatte mit dem GT von dem Münchner Fußballspieler zu tun. Der Wagen sollte morgen zurückgegeben werden. Entsprechend war der Druck für Mario und Dieter.

Für mich war es ein sehr spannender Tag, denn ich konnte dabei sein, wie am Computer neue Teile entwickelt wurden. So hatte ich das noch nie mitbekommen. Auch wenn ich körperlich nicht viel zu tun hatte, war ich am späten Nachmittag müde. Den ganzen Tag am Computer sitzen war anstrengender, als ich gedacht habe. Gegen fünf wurde ich dann doch ein wenig unruhiger. Ich hatte immer noch nichts von Papa gehört, dafür wusste ich von meinen Freunden, dass sie noch ein wenig unterwegs und erst gegen neun zurück sein würden. Stef hatte sie überredet, noch ins Kino zu gehen.

Michael machte Schluss für heute und ich ging zu Mario in die Werkstatt. Er war immer noch mit dem GT beschäftigt, allerdings sah das Auto schon wieder nach einem Auto aus. Mario war gerade dabei, einige Diagnosestecker anzuschließen, als er mich bemerkte.

„Hi Luc, schön, dass du noch vorbei kommst. Ich will gleich den Motor starten und die Werte auslesen. Hast du noch Lust mir dabei zu helfen?“

„Klar, was soll ich machen?“

„Einfach reinsetzen und das machen, was ich dir gleich sage.“

Er legte noch die restlichen Kabel an und dann sollte ich den Motor starten. Also drehte ich den Schlüssel und drückte den Startknopf. Der Anlasser zog durch und der Motor sprang sofort an und lief rund im Leerlauf.

„Einmal Gas geben und die Drehzahl bei 3000 halten!“

Ich bestätigte mit dem Daumen und machte es so, wie Mario gefordert hatte. Der Lärm wurde deutlich stärker. Es war ein kraftvolles Dröhnen des Achtzylinders. Es dauerte noch einige Minuten, bis wir alle Dinge abgearbeitet hatten und mir Mario das Zeichen gab, den Motor abzustellen.

„Sieht gut aus, aber die letzte Gewissheit muss zuerst der Prüfstand geben und dann die Probefahrt. Sagst du Karl bitte Bescheid, dass ich so weit bin.“

„Klar, mache ich. Bis gleich.“

Ich stieg aus dem GT aus und machte mich auf den Weg zu Karls Büro. Ich klopfte an die Tür und Karl öffnete sie. Ich war etwas überrascht, er schien gerade das Büro verlassen zu wollen.

„Luc, was gibt es denn? Ich dachte, du hast schon Feierabend.“

„Schon, aber ich habe mit Mario noch ein wenig am GT von David geschraubt und jetzt sind wir so weit, dass wir auf den Prüfstand können und du eine Probefahrt machen kannst.“

„Das ist klasse, dann können wir ja morgen das Auto zurückgeben, wenn alles gut klappt.“

Damit drehte er mich um und wir gingen gemeinsam zurück. Mario hatte den GT bereits auf den Prüfstand gefahren und wir setzten uns den Gehörschutz auf. Karl nahm im Auto hinter dem Steuer Platz. Er startete den Motor und spulte das Programm komplett ohne Probleme ab. Er stellte den Motor ab und stieg aus. Erwartungsvoll standen wir drei nun vor dem Monitor, wo die Daten gleich auftauchen mussten. Die ersten Werte erschienen und Karl begann zu lächeln. In diesem Moment hörten wir einen ähnlichen Sound vor der Halle. Ich schaute Mario an und wusste, das konnte nur Papa sein. Ich lief sofort nach draußen und sah, wie Papa bereits ausstieg. Ich konnte nicht anders und lief ihm in die Arme. Er hielt mich fest und es wurde eine tolle Begrüßung.

„Hallo Luc, schön, dass du dich freust, mich zu sehen. Ich freue mich auch. Geht es dir gut?“

„Hallo Papa, ja, es geht mir sehr gut. War die Fahrt sehr anstrengend?“

„Es geht, der GT ist hervorragend gelaufen. Wo ist Karl? Ist er noch da?“

In diesem Moment kamen Karl und Mario aus der Halle auf den Hof und es wurde eine herzliche Begrüßung, vor allem mit Mario. Papa umarmte ihn und Mario freute sich sichtlich, meinen Vater wiederzusehen. Karl bat uns wieder in die Halle zu kommen und erklärte Papa, was wir gemacht hatten.

Papa hörte sich das interessiert an und stellte eine für ihn typische Frage:

„Und wie fährt sich der GT nun? Ist das genauso gut geworden, wie bei mir?“

„Na hör mal, Marc. Mario weiß sicherlich, was er tut und außerdem hat dein Sohn bei der Abstimmung geholfen. Eigentlich müsste er sogar besser sein als deiner, denn wir haben mit deinen Erfahrungen das Fahrwerk weiterentwickelt. Außerdem war Luc derjenige, der den Kunden überzeugt hatte, das komplette Paket zu nehmen.“

Mir war das etwas unangenehm, denn die Hauptarbeit hatte Mario erledigt. Papa schien das zu merken, denn er sagte:

„Karl, hast du schon eine Probefahrt gemacht? Ich möchte gern wissen, wie sich das neue Fahrwerk anfühlt. Ob es tatsächlich besser als meines ist.“

„Nein, aber wir könnten direkt los, wenn du möchtest. Die Jungs können Feierabend machen.“

„Nein, ich habe eine andere Idee. Wir beide fahren den Neuen und Mario fährt mit meinem GT und Luc hinter uns her. Ich denke, wir fahren auf den kleinen Flughafen, oder?“

Mario stutzte und Karl lachte. Ich fand diese Idee gut und so wurde es auch gemacht. Mario stieg sichtlich nervös in Papas GT und fuhr hinter ihnen her.

„Man, Luc, ich bin echt aufgeregt. Hoffentlich passiert jetzt nichts. Immerhin ist das Auto ein Vermögen wert.“

„Mario, wenn Papa auch nur einen Moment zweifeln würde, hätte er dir das Gerät nicht gegeben. Also bleib ganz ruhig und fahr einfach hinter ihnen her.“

Eine halbe Stunde später standen zwei GTs nebeneinander auf dem kleinen Flugplatz und vier Personen unterhielten sich über die Eindrücke des neuen Umbaus. Nein, eigentlich nur zwei Personen und zwei hörten zu. Karl meinte dann:

„Marc, ich schlage vor, du machst ein paar schnelle Runden mit deinem und dann ein paar mit dem neuen Modell. Dann wissen wir, ob es besser ist oder nicht.“

„Klar, gern. Möchte jemand mitfahren?“, fragte Papa mit einem Grinsen im Gesicht.

Ich zeigte auf Mario und der wurde rot. Papa fackelte nicht lange und steckte Mario auf den Beifahrersitz und stieg ein. Mit unserem GT legte Papa ein paar Zeiten vor und das sah schon richtig zügig aus, manchmal kam er sogar im Drift aus den Ecken heraus. Als Papa wieder bei uns anhielt, stiegen zwei unterschiedlich aussehende Personen aus. Papa lachte, während Mario etwas blass war. Sofort wechselte Papa das Fahrzeug und gab Mario zu verstehen wieder einzusteigen. Allerdings meinte Papa noch zuvor:

„Und du Karl, fährst mit meinem und Luc auch ein paar Runden. Aber Luc fährt!“

Ich dachte, ich hörte nicht richtig. Ich sollte fahren? Bevor ich weiter nachdenken konnte, schob mich Karl zu unserem GT und setzte mich auf den Fahrersitz. Ich ließ Papa erst einmal abfahren, bevor ich mich ganz langsam in Bewegung setzte. Allerdings fühlte ich mich schon viel sicherer, als beim ersten Versuch damals mit Karls Corvette. Ich wurde immer mutiger und bekam richtig Spaß bei der Sache. Auf den Geraden war ich sogar richtig schnell unterwegs. In den Kurven ließ ich es doch deutlich vorsichtiger angehen, aber es machte richtig Spaß und auch Karl hatte wohl keine Angst, mit mir zu fahren, denn er gab mir immer wieder Tipps und somit trafen wir uns nach einer Viertelstunde wieder am Ausgangspunkt. Papa stieg grinsend aus dem GT und verkündete:

„Will ich auch haben. Also bitte mit der Inspektion umrüsten. Das Fahrwerk ist noch besser. Respekt!“

Karl lachte und war ein wenig stolz über dieses Lob von meinem Papa.

„Gern, aber nur, wenn du deinen Sohn daran arbeiten lässt. Er hat nämlich dafür gesorgt, dass wir diesen GT umbauen konnten.“

„Deal, dann weiß ich wenigstens, wer es bei uns reparieren kann.“

Karl lachte wieder und mir war das etwas unangenehm. Kaum hatten sich beide etwas beruhigt, schlug Karl vor, den GT am nächsten Morgen zurückzugeben. Papa schien einen Moment zu überlegen.

„Sag mal Karl, Luc hatte mir berichtet, dass der GT einem jungen Bayern-Spieler gehört. Was hältst du von meiner Idee, dem jungen Mann hier ein kleines Fahrertraining zu verpassen? Ich würde also morgen mit meinem GT und dem GT von David zu ihm fahren und anschließend gibt es hier dann ein Training.“

Karl zögerte keine Sekunde, allerdings gab es ein kleines Problem. Der Spieler hatte am Vormittag noch ein Training. Also hatte Karl die Übergabe am Trainingsgelände an der Säbenerstraße vereinbart. Also sollte dort die Rückgabe stattfinden. Mario und ich sollten dabei sein.

Der Abend sollte für Heiko und Jens dann ein Highlight werden. Ich hatte ihnen nicht gesagt, dass mein Papa abends zum Essen kommen würde. Die fünf Jungs waren noch nicht zurück, als Papa bei den Geigers ankam. Er parkte den GT in der Einfahrt und wir stiegen gemeinsam aus. Barbara hatte etwas zu Essen vorbereitet. Gegen neun wollten die anderen aus dem Kino zurück sein.

Wir saßen im Garten und Papa berichtete von den Vorbereitungen für das 24-Stunden-Rennen. Wie sich das anhörte, lief alles nach Plan. Das Auto schien perfekt vorbereitet zu sein. Das war allerdings auch keine Überraschung. Das Team von Nicholas Todt war fast ein Ferrari Werksteam. Am Donnerstag sollten wir auch mit Tom zusammentreffen. Leider schien es wieder so zu sein, dass meine Mama nicht kommen würde. Sie hatte zwar akzeptiert, dass Papa mit Mick und Lukas fahren würde, aber sich das vor Ort anzusehen, das war dann doch zu viel. Sehr schade.

Gegen neun hörten wir dann die Jungs zurückkommen. Die hellen Stimmen von Heiko und Jens waren deutlich zu hören. Es schien ihnen gut gefallen zu haben, denn sie waren bester Laune, als sie in den Garten kamen. Stef, Nico und Tommy kamen sofort auf Papa zu und begrüßten ihn. Heiko und Jens blieben ein wenig abseits stehen. Stef ging zu ihnen und forderte sie ebenfalls auf, meinen Papa zu begrüßen.

„Guten Abend, Herr Steevens“, kam schüchtern von Heiko, Jens gab Papa nur schweigend die Hand. Er war zu beeindruckt.

„Hallo Jungs“, begrüßte Papa alle noch mal zusammen. „Nehmt doch bei uns Platz. Ein paar Stühle sind sicher schnell geholt. Luc, kümmerst du dich bitte darum.“

Einen Moment später saßen wir alle auf der Terrasse um den Tisch. Jens und Heiko waren sehr still. Erst als Papa sie bat, ein wenig von sich zu erzählen, wurde es besser. Leider mussten Mario und Stef dann bald auch nach Hause. Schließlich mussten wir wieder arbeiten. Den Jungs gefiel das weniger, aber auch Papa war müde von der Fahrt. Er hatte sich in München ein Hotelzimmer genommen. Somit wurde unsere Runde um halb zwölf aufgelöst. Als Papa, Mario und Stef gefahren waren, kam Heiko noch einmal zu mir.

„Man, Luc. Du hättest uns ja ruhig mal sagen können, dass dein Vater auch hierher kommt. Jens war so nervös, er hat kaum sprechen können.“

„Hahaha, ich lach mich tot. Dabei ist Papa doch echt locker oder nicht?“

„Ja, es war echt lustig und unheimlich spannend. Danke für den tollen Abend.“

„Passt schon, wenn ich wieder zu Hause bin, lade ich euch zu mir ein. Dann lernt ihr auch den Rest meiner Familie kennen.“

Damit war der Tag endgültig zu Ende und ich fiel todmüde in mein Bett.

Am nächsten Morgen hatte es sich in der Firma bereits herumgesprochen, dass Papa zu Besuch in München war. Stef hatte mir noch am Abend geschrieben, dass sie heute am Mittag alle zur Firma kommen würden. Sie wollten sich das nicht entgehen lassen, wenn Papa mit David den GT testet. Karl hatte den Transport organisiert und somit war das möglich. Ich war sehr froh, dass Karl so viel Verständnis für meine Freunde hatte. Morgen würden wir schon am Nürburgring sein. Also hieß es heute von Tommy, Nico, Heiko und Jens auch Abschied zu nehmen. Sie würden am Abend zurückfahren.

Mario erwartete mich in der Werkstatt. Wir sollten den GT noch einmal checken und anschließend durften wir den restlichen Vormittag an meinem Camaro schrauben. Damit es für Karl auch einen kleinen Effekt hatte, kam einer der neuen Azubis dazu. Er sollte etwas über alte Technik lernen. Mathias war so alt wie ich und im ersten Ausbildungsjahr. Er kam zu uns, als Mario den GT zurückbrachte. Wir begrüßten uns kurz und ich nahm ihn dann mit hinüber in die andere Halle, wo mein Camaro stand.

„Das ist dein Auto?“, fragte er mich ein wenig überrascht.

„Jep. Sieht noch nicht so toll aus, aber wenn er fertig ist, dann wird er eine Schönheit sein.“

„Du machst Witze. Ich finde, er sieht jetzt schon geil aus. Die Lackierung ist wirklich toll geworden. Also es stimmt, was die anderen so erzählen. Du hast wirklich einen Camaro bekommen. Ich finde das so geil. Schade, dass er noch nicht fahrbereit ist.“

Ich musste lachen. Dann machten wir uns an die Arbeit. Heute sollte das neue Fahrwerk vorne eingebaut werden. Wir hatten nicht viel Zeit und entsprechend klare Anweisungen kamen von Mario. Er trieb uns regelrecht an. Allerdings war das Resultat auch nicht verkehrt. Als wir nämlich am Mittag aufhörten, war die alte und verrostete Aufhängung ausgebaut und die neue eingebaut. Nur zum Einstellen und Vermessen fehlte uns die Zeit. Das wäre dann in der nächsten Woche dran.

Völlig verschwitzt gingen wir uns ein wenig frisch machen, bevor gleich nach dem Essen Papa mit dem GT kommen würde. Es würde keinen guten Eindruck machen, in so einem Zustand beim Kunden aufzutauchen.

Wir saßen beim Griechen und hatten jeder ein Gyros vor uns auf dem Teller liegen.

„Bist du eigentlich nervös vor dem Rennen?“, fragte mich Mario.

„Naja, ein wenig schon. Ich habe immer ein bisschen Sorge, dass etwas passieren kann. Aber ich weiß auch, dass es relativ sicher ist. Ein Restrisiko besteht natürlich immer. Dennoch werde ich es genießen, dort dabei zu sein. Es wird für mich das erste Mal sein. Als Papa damals mit Mick und Lukas gefahren war, durfte ich nicht mit. Mama war strikt dagegen.“

„Und wie ist das heute? Hat sie es eingesehen, dass du alt genug bist, selbst zu entscheiden.“

„Nicht wirklich, aber sie hat eingesehen, dass es uns sehr viel Spaß macht und sie es eh nicht verhindern kann. Außerdem hat Papa ihr versprochen, dass es das einzige richtige Rennen ist, das er noch einmal fahren möchte. Er will einmal das Ziel erreichen. Dann hat er bei allen wichtigen Rennen der Welt das Ziel erreicht oder gewonnen.“

„Cool, ich bin mal gespannt, wie das dort wirklich sein wird. Im Fernsehen war das schon immer gigantisch. Die vielen Zuschauer und ich hatte immer das Gefühl, dass dort auch die Konkurrenten sich helfen, wenn nötig.“

„Ja, das stimmt. Du wirst sehen, das ist das größte Rennen der Welt. Jetzt aber was anderes. Wir müssen immerhin gleich beim FC Bayern ein Auto abgeben. Da sollte uns kein Fehler unterlaufen.“

„Ach, alles halb so wild. Ich denke David wird total überrascht sein und sich freuen, dass er heute einen so berühmten Fahrlehrer hat.“

Jetzt mussten wir beide lachen. Die Zeit war gekommen und wir bezahlten unser Essen. Auf dem Rückweg in die Firma gingen mir einige Gedanken durch den Kopf. Es war schon außergewöhnlich, was ich hier erleben durfte. Ich hatte eine perfekte Familie, nette Freunde und hier die Möglichkeiten, mit meinem Freund auch noch etwas zu lernen. Stef und ich waren sehr glücklich. Das war etwas, was ich mir vor wenigen Monaten noch nicht vorstellen konnte.

Auf dem Parkplatz stand bereits der GT von Papa. Wir gingen in die Firma und ich begrüßte meinen Papa. Karl hatte bereits die Papiere für den anderen GT bereitgelegt. Barbara erklärte uns noch, dass unsere Freunde direkt zum Flughafen kommen würden. Es war besser, dass nicht so viele beim FC Bayern auflaufen würden. Das konnte ich allerdings sehr gut verstehen. Deshalb besprachen wir uns noch kurz und brachen dann Richtung Säbenerstraße auf. Mario fuhr vorneweg mit dem Kunden GT und ich saß mit Papa in unserem GT.

Das Gelände an der Säbenerstraße war von einem Sicherheitsdienst immer bewacht und niemand konnte ohne Genehmigung dort hinein. Immerhin konnte man auf den Besucherparkplatz kommen. Also standen wir nun dort und wollten auf den Spielerparkplatz. Jetzt war ich neugierig, ob es Papa gelingen würde, dorthin zu gelangen.

Marc: Eine Mission muss erfüllt werden

Nachdem ich den GT auf dem Besucherparkplatz abgestellt hatte, war ich zu Fuß zum Sicherheitsdienst unterwegs. Überall liefen Fotografen herum. Hier herrschte immer ein wenig Chaos. Es war eben im Fußball einer der erfolgreichsten Vereine der Welt. Ich stand nun an der Schranke zum Spielerparkplatz und wurde dort aufgehalten. Ein etwa zwei Meter großer Kleiderschrank stand dort und ließ mich nicht hinein. Ich erklärte ihm mein Anliegen, dennoch schob er mich wieder zurück. Er ließ mich gar nicht zu Ende erklären. Das wurde mir jetzt zu blöd. Also entschied ich mich David eine SMS zu schicken, dass wir auf dem Besucherparkplatz auf ihn warten würden. Ich ging zurück zu den beiden GTs, dort wurde ich bereits von einigen Fotografen empfangen. Zwei von den seltenen GTs auf einem Parkplatz schien doch die Aufmerksamkeit der Fotografen geweckt zu haben. Luc musste bereits dafür sorgen, dass niemand den Autos zu nahe kam. Jetzt wurde ich richtig ärgerlich.

„Es reicht jetzt. Wenn hier nicht sofort Abstand gehalten wird, werde ich sauer. Ihr könnt fragen, aber momentan will ich das nicht. Also Schluss mit dem Theater hier.“

Einige der Presseleute schauten mich verblüfft an. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, mich hier anzutreffen. Entsprechend gingen sie erst ein paar Schritte zurück.

„Los Jungs, einsteigen. Dieser Verein ist mir einfach unsympathisch. Sie glauben wohl, sie sind etwas Besonderes.“

Als Mario und Luc eingestiegen waren und ich im Begriff war einzusteigen, realisierte ich, dass einer der Sicherheitsleute bereits hinter mir stand.

„Herr Steevens?“

Ich drehte mich um und der Mann schaute mich fast ehrfurchtsvoll an.

„Entschuldigen Sie bitte, dass Sie nicht hereingelassen wurden, aber wir wussten nicht, dass sich so berühmter Besuch eingefunden hat. Herr Alaba erwartet Sie. Sie können mit beiden Autos passieren. Bitte fahren sie langsam.“

Ich stieg ein und Mario folgte mir mit dem anderen GT. Als wir auf dem anderen Parkplatz ankamen, standen dort bereits einige Spieler und ich konnte sogar den Trainer erkennen. David stand ziemlich aufgeregt bei dem Mustang von Karl. Luc bat ich, mit Mario den weiteren Verlauf zu regeln. Ich wollte so schnell wie möglich hier wieder weg. Dieser ganze Rummel war mir zuwider. Mario begrüßte David und auch Luc wurde freundlich begrüßt. Nach einem kurzen Gespräch nickte David und Luc kam zu mir zurück.

„Papa, er folgt uns mit dem Mustang. Er weiß noch nicht, dass du hier bist. Wir haben nur gesagt, dass Karl ihn auf dem kleinen Flughafen erwartet, um dort eine Unterweisung zu machen.“

„Na, dann steig ein und lass uns hier schnell verschwinden.“

Ich startete den Motor, legte den ersten Gang ein und drehte mit einem „burn out“ auf der Stelle um. Das erregte natürlich ein wenig Staunen bei den anderen Personen. Luc grinste über das ganze Gesicht und innerhalb von fünf Minuten waren wir wieder auf der Straße. Im Rückspiegel konnte ich erkennen, dass beide Fahrzeuge uns folgten. Die Fahrt dauerte vielleicht zehn Minuten und Karl stand bereits mit den anderen Jungs am Flugplatz. Karl hatte seine Corvette dabei und ich ahnte bereits was kommen würde.

Nachdem wir ausgestiegen waren, schauten sich Heiko und Jens erst einmal unsere GTs genau an. Dass David ein bekannter Spieler war, schien nur bei Tommy wirklich auf Aufmerksamkeit zu stoßen. Heiko und Jens wichen Luc und Stef nicht von der Seite. Karl begrüßte David und erklärte ihm kurz, was geplant war. Erst jetzt realisierte David, dass er eine Lehrstunde erhalten würde.

Er kam zu mir und gab mir sehr freundlich, aber schüchtern die Hand. Als er bei Luc ankam, wurde er aber lockerer.

„Lucien, du bist ja einer. Das hättest du mir doch sagen können, dass dein Vater auch hier ist.“

Dabei grinste er Luc an und begann ihn zu kitzeln. Innerhalb kürzester Zeit war eine kleine Rangelei im Gange, denn Stef war natürlich seinem Freund zu Hilfe geeilt. Karl und ich schauten uns kopfschüttelnd an. Karl meinte nur:

„Kinder, da sieht man, dass es doch noch Kinder sind.“

„Nun, David ist auch erst Anfang zwanzig, also lassen wir sie einen Moment noch spielen.“

Karl und ich schauten uns dafür seine Corvette genauer an. Sie war wirklich sehr gut vorbereitet und machte einen tollen Eindruck.

Dann kamen die drei Spielkinder auch zu uns. Ich erklärte kurz, was ich geplant hatte. Jetzt wurde David doch bewusst, dass er selbst auch fahren sollte. Und zwar unter verschärften Bedingungen.

„So, David. Zuerst einmal erklärt dir Karl, was alles an deinem Auto umgebaut wurde. Dann machen wir beide mit deinem Auto ein paar Runden, in denen ich fahren werde und dir zeigen werde, was du alles damit machen kannst. Dann tauschen wir und du fährst. Ich werde dir Hinweise zum Fahrstil und zur Linie geben und zum Schluss machen wir eine kleine Battle. Was meinst du?“

Seine Reaktion wechselte zwischen völliger Verblüffung und Jubel. Er hatte wohl mit allem gerechnet, aber nicht damit. Nach einem Augenblick antwortete er mir mit einem knappen: „Cool, ich bin dabei.“

Damit war alles gesagt und ich gab ihm zu verstehen, er sollte einsteigen. Die ersten beiden Runden fuhr ich langsam, um ihm die Strecke zu erklären. Danach gab ich Gas. Ich wollte ebenfalls wissen, wo liegt das Limit des GTs. Ich war wirklich beeindruckt, wie gut das neue Fahrwerk war. Das Gripniveau war deutlich besser als bei meinem GT. Interessanterweise blieb David auf dem Beifahrersitz recht still. Allerdings war ich schon recht schnell unterwegs. Nach fünf oder sechs sehr schnellen Runden ließ ich das Auto ausrollen und parkte den Wagen bei den anderen. Ich stieg schnell aus dem GT aus und sah grinsende Gesichter. David brauchte doch etwas länger, um auszusteigen. Er war sehr still. Karl übernahm die Szene nun. Er redete mit David und kam mit ihm zu mir und Luc.

„Sie sind echt verrückt, wie kann man so schnell fahren. Ich hätte nie gedacht, dass das mit dem Auto geht. Wow!“

Ich lachte, denn ich wusste, es würde noch etwas mehr gehen, aber ich wollte nicht, dass ihm schlecht wird.

„Wenn du dich ein wenig erholt hast, tauschen wir mal und du fährst, aber versuch bitte nicht, so schnell zu fahren wie ich. Das würde vermutlich erstens sehr teuer und zweitens sehr weh tun. Also bitte sachte.“

Er nickte und wir fuhren los. Er stellte sich für einen jungen Fußballer sogar recht geschickt an. Er ließ sich von mir vieles erklären und hörte genau zu. Nach zehn weiteren Runden gab ich ihm zu verstehen, wieder zu den anderen zurückzufahren. Als wir ausgestiegen waren, schaute David uns alle an.

„Leute, das war echt eine coole Erfahrung.“

Ich ging mit Mario auf David zu und übergab ihm die Papiere und Karl besprach die weiteren Modalitäten. Zum Schluss bedankte er sich noch einmal bei Luc für die Beratung, seinen GT doch komplett umbauen zu lassen.

Damit war diese Sache erledigt und wir fuhren zurück zur Firma. Mario nahm den Mustang, lud vier von den Jungs ein und Karl die Corvette mit Stef. Luc fuhr bei mir mit.

Am Abend brachten wir noch Nico, Tommy, Heiko und Jens zum Bahnhof. Damit war dieser erste Teil vom Abenteuer München zu Ende. Ich übergab meinen GT an Karl und dieser brachte Stef, Luc und mich noch zum Flughafen. Am nächsten Morgen sollten wir bereits am Nürburgring an der Rennstrecke sein.

Lesemodus deaktivieren (?)