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Abgeschleppt

Winterchallenge 2005

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von der Redaktion

Dies war ein Beitrag zur WinterChallenge 2005

Abgeschleppt

„Jetzt beeil dich endlich, wir haben noch viel vor“, hörte ich meine Mutter irgendwo sagen.

Hallo! Ich bin 17 und dein Sohn und nicht dein Schwertransporter. Mühsam schleppte ich die ganzen Tüten diverser Modegeschäfte und Einrichtungshäuser durch die Einkaufspassage. Jedes Jahr zu Weihnachten dasselbe Spiel: Meine Mutter zückt die Kreditkarte meines Vaters und macht die Stadt unsicher. Und ich, ihr heiß geliebter, einziger Sohn, darf Packesel spielen. Toll, oder?

„Kommst du jetzt endlich?“

„Ja! Ich bin unterwegs. Kannst du mir vielleicht mal was abnehmen? Ich seh kaum noch was.“

„Stell dich nicht so an, die paar Sachen.“

War ja klar, dass sie so was nicht ernst nahm, ob sie vielleicht mal davon gehört hatte, dass Kinderarbeit verboten war! Okay, wenn ich ehrlich bin, sage ich ihr ja immer, dass sie mich nicht wie ein Kind behandeln soll, aber das hier ging da natürlich zu weit. Denn so langsam spürte ich meine Beine nicht mehr, wohl die ersten Anzeichen einer geschädigten Wirbelsäule. Aber wie immer brachte das alles nichts, wäre wohl auch zu schön gewesen, wenn sie auf mich gehört hätte. Doch so war das wohl mit einer Mutter die sonst nur Haarspray und Nagellack einatmete, da musste ja irgendwas nicht stimmen.

Sie war zwar ein netter Mensch, trotzdem übertrieb sie es meistens, vor allem zu Weihnachten. Zwar hatte die Zeit ein gutes, dennoch blieb der schale Geschmack der Hektik sowie des Stresses, den alle verbreiteten. Was war nur so verdammt toll an diesem Feiertag, das Essen mochte ich sowieso nicht. Gans und Ente oder das andere Zeug - immer, jedes Jahr das gleiche da konnte man doch nach 17 langen Jahren was anderes verlangen. Es schmeckte doch nicht, ich bevorzugte da lieber was richtiges, nicht wo ich erst endlos dran knabbern musste, bis ich mal Fleisch im Mund hatte.

Allerdings sah ich das wohl als einziger so, denn niemand akzeptierte meine Vorschläge für ein anderes Gericht an diesen Tagen. Hey, Chinesisch hätte es auch getan und wenn sie wollten, konnten sie da ja auch Ente essen, so wären doch alle Probleme gelöst.

Jedoch meine nicht, denn ich schleppte noch weitere Stunden diese schweren Taschen durch jede einzelne Boutique, wobei ich immer wieder erstaunt war, wie viele Menschen noch Geschenke kaufen wollten.

Es würde wohl nicht schwer werden mich hier aus den Staub zu machen, einfach kurz durch die Menge quetschen, die Rolltreppe hinunter zum Ausgang laufen....

“Pierre!”, da war sie wieder, die Stimme des Grauens oder anders ausgedrückt, meine Mutter. In voller Pracht stand sie da, mit ihrem fliederfarbenen Kostüm, was unter ihrem dunkeln Mantel hervor blitzte. Das schwarze Haar, akkurat gestylt, dass nicht mal eine Strähne an einen falschen Platz lag. Ja so war sie meine Mum, immer perfekt aussehend und mit einem Weltbild der 50er Jahre, wie es mir manchmal vorkam. Aber dennoch war sie immer die Mutter gewesen, die einen über alles liebte und die mir alles nur Erdenkliche möglich gemacht hatte in meinem bisherigen Leben.

Weshalb sie mir manchmal schon Leid tat, wenn sie wüsste, dass sie vergebens auf Enkel sowie eine Schwiegertochter wartete.

“Junge, denkst du, wir haben hier ewig Zeit?”, schwups da war ich wohl mal wieder abgeschweift, weswegen ich auch zügig zu ihr hinging.

“Was soll ich diesmal tragen.”, kam es auch gleich missmutig von mir, denn soweit ich das nach 5 Geschäften einschätzen konnte, würde gleich wieder etwas auf mich zu kommen, was mir wohl sehr wenig gefallen würde.

Wow, wie recht ich doch hatte, könnte glatt Wetten abschließen, denn das was mich da gerade aus dem Spiegel her anblitzte, ließ mich doch glatt eine Gänsehaut bekommen.

“Schatz du siehst umwerfend aus, das nehmen wir.”

Hallo? Werde ich nicht gefragt oder bin ich hier der einzige, der den schwarzen Anzug, mit diesem blauen Hemd grausam findet? Das sollte ich anziehen zu Weihnachten, oh man, konnte es noch schlimmer werden. Ja konnte es, denn dieses Jahr sollten wir zur Verwandtschaft fahren, dem Teil der Familie, den ich nicht leiden konnte. Geschweige denn drei Tage ertragen könnte und das wussten meine Eltern sehr wohl, deswegen versuchten sie mich auch in der letzten Zeit zu bestechen, da sie selber nicht fahren wollten. Allerdings war ihr Pflichtgefühl größer als meins und sie hatten sich damit abgefunden, bei Oma Greta zu feiern.

Ich jedoch noch nicht, denn wo waren denn die Wunder, von denen alle sprachen. Jetzt konnte ich so eins gebrauchen, damit ich dieses Jahr mal so feiern konnte wie ich es wollte. Ich bin immerhin 17, fast 18 Jahre alt, da musste man mich nicht mehr bemuttern. Etwas, das ich ziemlich hasste, weil ich das einzige Kind meiner Eltern war, nachdem meine Mum keine Kinder mehr bekommen konnte. Sie wollte damals immer noch ein Mädchen haben, damit alles so perfekt war, wie sie es sich immer gewünscht hatte, aber es sollte wohl nicht sein. Deswegen blieb wohl all diese Liebe an mir hängen und ich konnte sie nicht immer ertragen. Okay, es klingt herzlos von mir, aber manchmal erdrückt es mich schier, wenn sie so viel von mir verlangt, da wünschte ich mir nichts weiter, als meine Ruhe zu haben.

Nun genug davon, erst mal musste ich aus diesem sauteuren Anzug raus, in dem ich mich später wahrscheinlich nicht trauen würde, etwas zu essen, um ja nichts schmutzig zu machen. Ich kannte mich schließlich und essen tat ich wie ein Schwein, wenn ich mal durfte.

Gleich darauf hängte ich das Jackett wieder über den Bügel, reichte es nach draußen, damit der Verkäufer die Sachen an die Kasse bringen konnte. Ein Blick in den Spiegel zeigte mir dann, dass ich wohl doch noch nicht so erwachsen war, wie ich es wollte. Ich sah nicht gern rein, eigentlich mochte ich den Blick in den Spiegel gar nicht, denn immer wenn ich dort rein sah, stachen mir dieselben unschuldigen braunen Rehaugen entgegen wie schon vor Jahren. Aber ich wollte nicht unschuldig sein, ich wollte einmal was Verrücktes machen, etwas, mit dem niemand rechnete. Zwar versuchte ich, durch mein Äußeres weniger spießig rüber zu kommen, aber das klappte meistens nicht. Meinen Körper konnte ich nämlich nicht verstecken, der schmale Körperbau wurde nicht muskulöser, trotz meines Fechttrainings. Fast erbärmlich, wenn man es so sah, immerhin stand ich hier nur in Shorts. Auch wenn ich wohl froh sein konnte, fast kein Haar zu finden, was sich unterhalb meines Kopfes befand, denn das mochte ich nicht. Bäh Schamhaare, ich selber rasierte mir diese immer weg. Trotzdem las ich immer wieder in den Internetforen, dass manche ganz scharf darauf waren. Gut ich konnte nicht mitreden, denn die einzige sexuelle Erfahrung, die ich bisher gemacht hatte, waren die mit meiner Hand, was soviel hieß wie Jungfrau. Wäre ich ein Mädel, dann würde ich diejenige auf unsere Schule sein, die als Loser gelten würde. Aber was konnte ich den dafür, dass sich die Weiber heutzutage schon mit 12 flachlegen lassen, genau das verstand ich nicht.

Was soll’s, so wie es aussah würde mich so schnell nichts meiner Unschuld berauben, denn dafür fehlte mir der passende Kerl. Allerdings führte das auch zu dem Thema, dass ich ja gar keinen Kontakt zu Schwulen hatte, nicht mal platonisch. Dazu hatte ich mich nie getraut, aber um ehrlich zu sein, lag meine Angst eher darin nicht akzeptiert zu werden, vor allem von meinen Eltern. Schließlich war ich ihr einziges Kind, da konnte ich doch nicht einfach mit so was anfangen, sie würden das bestimmt nicht verstehen können. Unsicher fuhr ich mir durch meine braunen, kurzen Haare, die ich etwas mit Gel verwirrt hatte, denn mir war schon klar, dass ich mich mit dieser Einstellung selber ins Fleisch schnitt. Trotzdem, bis jetzt hatte ich noch niemanden kennen gelernt, der mir so was wert war.

“Sag mal bist du eingeschlafen, hopp, wir wollen nach Hause.”

Wow, das waren glatt magische Worte in meinen Ohren, die mich dazu brachten in Windeseile meine Anti-Form Jeans wieder über zu streifen, genauso wie meinen engen Pullover. So dass ich binnen weniger Minuten an der Kasse stand und drauf wartete, dass meine Mutter fertig mit dem Bezahlen wurde. Wie immer ging der Spaß auf Daddys Rechnung, manchmal fragte ich mich wirklich, ob er nur deswegen arbeiten ging, damit Mum shoppen konnte.

Er war Zahnarzt mit eigener Praxis, was uns nicht gerade schlecht zugute kam, meine Mutter dagegen war Hausfrau oder Dauershopperin, je nachdem, wie man das sehen wollte. Doch soweit ich weiß wollte ihr Mann damals nicht, dass sie Arbeiten ging, weswegen sie sich um andere Dinge kümmerte, wie zum Beispiel die ganzen gemeinnützigen Sachen, die sie immer für diverse Stiftungen organisiert.

Nun gut, endlich konnten wir aus diesem stickigen Laden raus, der wirklich viel zu warm war für diese Jahreszeit. Da merkte man mal wieder wie unnütz einkaufen zur Weihnachtszeit war, denn draußen war es arschkalt, so dass man sich super dick einkleiden musste. Kommt man dann aber in ein Geschäft, läuft man wie vor eine Wand, bei der Hitze die sie haben.

Umso glücklicher war ich auch, als ich endlich wieder den Wind in meinen Haaren spüren konnte, der mir deutlich machte, wie kalt es doch geworden war. Zudem stand unser Auto schon etwas entfernter, weil man in dieser Einkaufsstraße nie einen Parkplatz bekam. Meine Arme wurde wirklich immer länger und meine Mum immer ungeduldiger, sie wusste wohl nicht wie schwer das Zeug war, das sie da alles gekauft hatte.

Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ich noch etwas Mitleid abbekommen hätte, doch so wie es aussah, wurde nichts daraus. Naja, war ja bloß ich, der hier halbblind durch die Gegend lief, mit sämtlichen Taschen, von denen ich die Hälfte nicht mal kannte, weil meine Mutter so viel binnen kurzer Zeit gekauft hatte.

Aber anscheinend gab es doch einen Gott, denn wir erreichten unseren Wagen, ohne dass mir der Rücken durchgebrochen war oder ich irgendeinen anderen Menschen aufs Glatteis geführt habe, bei meiner blinden Gangart.

Wenigstens war meine liebe Frau Mutter so gnädig und öffnete mir den Kofferraum, wenigstens etwas nachdem ich wohl in 10 Jahren Probleme mit der Bandscheibe bekommen würde von diesem Einkaufswahn.

Tja, umso glücklicher war ich dann auch, als ich mich endlich in die weichen Ledersitze fallen lassen konnte, die sicherlich dank der Sitzheizung gleich warm wurden.

Wie immer fuhr meine Mutter nicht gerade sicher, schon allein wenn man sah, wie sie ausparkte, bekam ich schon das Grauen, da war ich dann immer froh, bald 18 zu werden. Es war wirklich schon ein Wunder, dass noch nichts passiert war, mit ihrem kleinen Sportflitzer, den mein Dad ihr gekauft hatte, aus Angst, sie würde seinen Wagen ruinieren.

Doch anscheinend gab es immer ein erstes Mal, denn als wir aus dem Zentrum raus waren, kam meine Mum ins rutschen, da die Straßen vereist und voller Schnee waren. Hektisch versuchte sie das Lenkrad festzuhalten, damit der Wagen sich nicht drehte, aber das war erfolglos. Während ich mich wie blöde am Seitengriff festklammerte, quietschte sie panisch auf und wir fuhren mit durchdrehenden Reifen direkt von der Straße in einen kleinen Graben.

Natürlich gingen die Airbags auf, wobei mir meiner mitten ins Gesicht knallte. Zum Glück waren sie weich, blöder Gedanke, das mussten sie ja auch.

“Mein Junge alles in Ordnung, sag doch was? Oje oje wenn das dein Vater erfährt, soll ich dir einen Krankenwagen holen?”, panisch fuchtelte sie vor meinem Gesicht herum, so dass ich mich erst mal etwas zurück lehnen musste, um nicht vielleicht noch erschlagen zu werden.

“Ja alles okay! Beruhig dich ich hab nichts.”

“Wirklich sonst....”

“Mum es ist alles bestens, starte lieber bevor uns hier noch jemand sieht.”, immerhin steckten wir nicht allzu sehr fest, vielleicht schafften wir es noch so, leider war das wohl reinstes Wunschdenken, denn mehr als ein komisches Geräusch machte der Wagen nicht mehr.

Ach es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn wir jetzt einfach weiter fahren könnten, ohne der Schmach erlegen zu sein, einen Abschleppdienst zu rufen. Was sicherlich peinlich werden würde, wenn man ohne Grund hier im Abseits landete.

Doch es war schon zu spät, da meine Mutter das Handy zückte und ihre Versicherungskarte aus der Tasche holte, damit sich ein Schlepper um uns kümmern konnte. Jetzt allerdings wäre ich froh gewesen wenn wir noch in einem der Geschäfte gewesen wären, zwar war es schon dunkel, aber diese hatten ja auch bis acht auf. Lieber endlose Taschen schleppen als hier in der Kälte zu warten. Die Leute die kamen taten mir jetzt schon leid, weil sie wegen uns hier heraus geschickt wurden.

Zum Glück funktionierte die Standheizung noch, ansonsten würden mir wohl die Zähne klappern bei der Kälte draußen, es hatte schon wieder angefangen zu schneien und frischer Schnee bedeckte die Straßen.

Eigentlich war diese Jahreszeit sehr schön, vor allem wenn man zusammengekuschelt mit seinem Freund entspannte. Nur fehlte mir wohl noch das wichtigste Anhängsel um dies genießen zu können, denn wie schon mal erwähnt, einen Freund hatte ich nicht. Es gab ja nicht mal jemanden, der in der engeren Auswahl stand, wirklich erbärmlich. Dabei hatte ich mir letztes Jahr zu Silvester vorgenommen, es anders zu machen und endlich eine Beziehung einzugehen. Wenigstens einmal Sex wollte ich haben, doch wie immer ging das ganze nach hinten los, niemand interessierte sich für mich.

Ich muss mich wahrscheinlich damit abfinden, nie einen Jungen zu finden, der mich mochte, oder der wenigstens Interesse an mir zeigte.

Mit einem unsanften Stoß in die Seite machte meine Mutter mich wieder auf sich aufmerksam, dabei schepperte sie ständig, dass ich ihr nie zuhören würde. Wie auch immer, denn von weitem konnte man schon die Lichter sehen, die zu einem größeren Fahrzeug gehören mussten.

“Pierre, Pierre da schau endlich sie kommen.”, hoffentlich machte sie jetzt keinen Aufstand, weil die Karre nicht fuhr. Ich wusste nämlich noch ganz genau, was sie alles für Fragen gestellt hatte als wir den Wagen hier gekauft hatten. Manche davon waren schon sehr peinlich gewesen, sie mussten wirklich nicht wiederholt werden.

So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie sie ausgestiegen war und den Mann, der aus dem Wagen stieg, belagerte. Zu meinem Vorteil musste ich noch nicht da raus, allein der Gedanke fröstelte mir.

Meine Mutter öffnete die Motorhaube, damit der Mechaniker darunter schauen konnte, doch so wie es schien, brachte es nicht viel, als der mit der Taschenlampe rein sah.

“Komm Schatz steig aus, wir fahren vorne mit, der junge Mann muss den Wagen aufladen.”, als mein skeptischer Blick folgte, meinte sie nur, man könne in der Dunkelheit hier nicht überprüfen, was kaputt wäre. Allerdings sah ich so irritiert weil mich der Mechaniker nervös machte, warum wusste ich auch nicht, zumal ich nur seine Silhouette gesehen habe, nichts weiter.

Jedoch tat ich das was man mir sagte und stieg aus, meine Mutter dirigierte mich zu dem Abschleppwagen wo sie mich in die Mitte schob. Das war ja nicht zum aushalten, wären wir alleine, hätte sie sicherlich schon was zu hören bekommen. Eine Weile waren draußen nur leise Geräusche zu hören, die sicherlich davon kamen, dass der Wagen auf den Schlepper gezogen wurden. Dabei verdrehte ich immer wieder die Augen, da meine Erzeugerin neben mir komische Geräusche von sich abgab.

“Mum, hallo? Es reicht, du bist peinlich, der wird schon keinen Kratzer dran machen, immerhin weiß er, wie man mit einem Auto umgeht.”

“Sei ja nicht so vorlaut, außerdem habe ich gar nichts gerammt also wird da auch kein Kratzer dran sein.”

“Woher willst du das wissen, du weißt, dass Dad sowieso nicht begeistert sein wird.”, wow das hatte gesessen, denn sie verpasste mir glatt einen Klaps auf den Hinterkopf. Naja, ich wusste ja, dass man sie nicht reizen sollte und schon gar nicht wenn so was passierte, da reagierte sie immer besonders emotional. Schon allein weil ich wusste, dass sie gerade Ängste ausstand, weil mein Vater bestimmt nicht begeistert sein würde, wenn er davon erfuhr. Aber eher weil er sich jetzt wieder wochenlang lustig machen konnte, denn zu ernst sah er das meistens nicht, auch wenn meine Mum das immer dachte.

“Tut mir leid, dass sie solange warten mussten aber jetzt können wir los.”, ein kühler Windhauch kam mir entgegen, als ich der Stimme folgte, die nicht sehr viel älter klang als meine, allerdings viel tiefer. Ich traute mich nicht zu schauen, wie der Mann aussah, bis ich er dann direkt neben mir saß und er sich anschnallte.

“Meinen sie, sie könnten den Wagen heute noch reparieren?”

“Frau Lambart, das kann ich ihnen leider nicht versprechen solange ich nicht nachgesehen habe, was denn defekt ist.”

So wirklich bekam ich nichts mehr mit, nicht mal das Gespräch, das zwischen den Beiden herrschte, denn allein ein Blick hatte gereicht und ich war rot angelaufen. So wirklich glaubte ich nicht was ich eben gesehen hatte, aber der Typ war wirklich süß, viel zu süß für jemanden, den ich hier erwartet hatte. Was mich noch mehr verunsicherte war, dass er ziemlich jung aussah, älter als 20 dürfte er nicht sein.

Er war ziemlich dick eingemummelt und hatte seine Haare unter einem Baseballcap versteckt, doch es war schwarz, soweit konnte man es erkennen. Seine Hände waren groß, was wohl auch zu seiner großen Statur passte, denn immer, wenn er schaltete, sah ich sie. Eigentlich sah sie ziemlich weich aus, nicht rau oder schmutzig, wie man es erwartete von einem Mechaniker.

Zu meinem Nachteil war es ziemlich eng im Transporter, so dass ich nicht mal weiter von ihm abrücken konnte, die Sitzbank war durchgehend, was soviel hieß, dass er immer wieder an mich stieß. Nur ganz sanft, aber er tat es, meistens wenn er den Gang wechselte oder sich mit meiner Mutter unterhielt.

Allerdings hatte es um diese Uhrzeit den Vorteil, dass die Straßen ziemlich leer waren und ich mich nicht allzu lange in der Nähe dieses Jungen aufhalten musste.

“Pierre erledigst du das mit den Personalien, ich muss Papa anrufen damit er sich keine Sorgen machen muss und uns abholt.”

Wumm, so schnell konnten Träume zerplatzen und dabei hatte ich den Glauben, jetzt hier in der Werkstatt Abstand halten zu können. Nur leider war mal wieder das Schicksal gegen mich, anscheinend war heute wieder Ärger-den-Pierre-Tag.

“Setz dich doch.”, forderte er mich auf, was ich natürlich auch machte, schon allein deswegen, weil mir die Beine wackelig wurden. Etwas unglücklich sah ich dem Sportflitzer nach, der von einem anderen Mechaniker weggefahren wurde. Nur ich saß hier, allein mit einem Kerl, der es schaffte, mich nervös zu machen, ohne dass er etwas getan hatte.

“Willst du was trinken?”

“Öhm ... nein.”, man, so konnte das doch nicht weiter gehen, ich werde doch nicht anfangen zu stottern, schlimm so was. Jetzt sah ich ihn das erste Mal richtig an, seine Mütze war schon verschwunden und das kurze schwarze Haar etwas verstrubbelt, was ihn wieder jünger aussehen ließ. Er hatte wunderschöne Augen mit langen Wimpern, das fiel mir erst jetzt richtig auf, sie sahen aus wie die eines Welpen, genauso unschuldig und verspielt. Obwohl das sicherlich ein doofer Vergleich war, denn er sah nicht gerade unschuldig aus. Diese männliche Aura, die ihn umgab, ließ ihn gleichzeitig sehr erotisch wirken und machte mir einen roten Kopf. Ich hab ihn wohl schon eine ganze Weile angestarrt, denn als ich wieder zu mir kam, sah ich ihm genau in die braunen, fast schwarzen Augen. Ertappt senkte ich den Blick und zupfte nervös an meiner Jacke herum um meine Unsicherheit zu überspielen.

Allerdings hörte ich von ihm kein spöttisches Lachen, nur ein kleines zögerliches Lächeln.

Während er unsere Daten aufschrieb, warfen wir uns immer wieder verstohlene Blicke zu, wobei ich immer der jenige war, der wegsah. Doch ich konnte einfach niemandem in die Augen sehen, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Gott weiß warum, vielleicht klingt es auch albern, aber es stimmte, ich fühlte mich dann einfach unsicher, weil ich das Gefühl hatte, er könnte in mich rein sehen.

“Herr Bügner sind sie soweit?”, mit meiner Mutter betrat noch ein anderer Mann den Raum, dieser sah aus als wäre er der Chef von dem süßen Kerl. Dieser sprach gerade ab, dass alles notiert wäre und machte sich mit Anweisung seines Vorgesetzten auf, da ein neuer Auftrag rein gekommen war, wo er hinfahren musste.

Schade, bedauernd sah ich ihm nach, mit einem ziemlich zerknirschten Gesicht blieb ich zurück. Das einzige, was mich milder stimmte, war sein Blick, als er mich anlächelte und ich sogar zurück lächelte. Das allein reichte schon, um bei mir ein angenehmes Kribbeln auszulösen, das einfach nur unglaublich war und ich noch nie zuvor gefühlt hatte.

Irgendwas in mir hatte die Hoffnung, dass er mich mochte, auch wenn der Gedanke ziemlich absurd war. Solche Männer wollen nichts von dir Pierre, schalt ich mich immer wieder in Gedanken, aber letztendlich half es nicht, denn die Freude blieb.

Bis zu dem Zeitpunkt als meine Mutter sich wieder in den Mittelpunkt stellte und meine fröhlichen Gedanken zunichte machte, mit ihrem Gerede mit dem anderen Mechaniker.

Dabei wollte ich doch nur in Ruhe vor mich hin träumen bis mein Vater kam, der das wohl gehört haben musste, da er gerade durch die Tür schritt.

“Beate, Pierre geht’s euch gut?”, ich muss sagen er sah wirklich besorgt aus und das freute mich, so konnte ich sicher sein, dass sein Humor nicht wieder durchkam. Ansonsten würde meine Mutter noch an die Decke gehen, so geladen wie sie schon war.

“Wir können nach Hause, sie rufen uns an, wenn der Wagen gemacht ist.”

So wirklich hörte ich nicht mehr hin, da ich es zu schade fand, den Jungen nicht noch mal sehen zu können, auch nicht nachdem ich die ganze Zeit Ausschau gehalten hatte. Was soll’s, ich werde ihn wohl sowieso nie wieder sehen, da brauchte ich mir auch keine Gedanken weiter zu machen.

Als wir dann an diesem Abend endlich zu Hause waren und ich in meinem Bett lag, hatte ich endlich Zeit über das ganze, was passiert war, nachzudenken.

Ganz so einfach verschwand der Mechaniker nicht aus meinem Kopf und nicht mal den Vornamen hatte ich herausbekommen, nur seinen Nachnamen, Bügner. Dabei weiß ich ja nicht mal, ob er mir wirklich entgegen gelächelt hatte oder ob es nur aus reinster Freundlichkeit heraus geschehen war.

Zudem würde ich ihn ja sowieso nicht wieder sehen, denn ein Auto hatte ich nicht und wie sollte ich ihn sonst wieder sehen. Denn zufällig im Supermarkt würde ich ihn nie treffen, außerdem war ich ja sowieso zu schüchtern. Das ganze würde ich bestimmt nicht hinbekommen, dafür war ich sicherlich nicht sein Typ.

Oje, so kam ich nicht weiter, ich sollte lieber schlafen, damit ich morgen überhaupt aus dem Bett kam. Aber es war zum Kühe melken, meine Gedanken kreisten nur noch um ihn, sogar als ich dann später eingeschlafen war, träumte ich von meinem Schwarm.

Weswegen ich auch am nächsten morgen ziemlich gerädert aufstand, was gar nicht so leicht fiel, wenn man so kleine Augen hatte. Ich kam mir vor, als hätte ich einen Kater, mein Kopf fühlte sich jedenfalls so an. Müde schleppte ich mich ins Bad, wo ich mich erst mal unter eine kalte Dusche stellte. Naja, so ganz kalt war es nicht, denn dafür war ich viel zu zimperlich, aber für meine Verhältnisse war die Temperatur schon kühl genug. Lauwarmes Wasser machte ja auch munter, wenigstens ein bisschen.

Gähnend putze ich mir die Zähne, wenigstens etwas sollte man sich ja pflegen. Und um ehrlich zu sein, etwas eitel war ich ja schon, was meiner Meinung nach schon wichtig war, denn wenn ich mal meinen Traumtyp finden sollte, dann will ich ja auch einen guten Eindruck machen. Nur leider hatte ich bis jetzt noch keinen Erfolg damit, denn wie schon mal erwähnt, Single war ich ja immer noch.

Als ich mich später am Frühstückstisch wieder fand hörte ich nur meinen Eltern zu, ich Gesprächslaune war ich hier nicht. Nur hellhörig wurde ich, als man anfing über die Abholung des Wagens zu reden, was natürlich mein Interesse weckte, da ich mir das nicht entgehen lassen würde.

Weswegen ich mich natürlich auch opferte, mit meiner Mutter zur Werkstatt zu fahren, dabei machte ich ein wenig einen gequälten Blick, damit es nicht so auffiel. Doch innerlich freute ich mich wie ein Honigkuchenpferd über eine weitere Chance, den dunkelhaarigen zu treffen. Vielleicht würde ja doch was werden, wenn auch die Möglichkeit ziemlich gering war.

Schnell schlürfte ich meinen Kakao aus, jaja, ich weiß, als 17jähriger trank man was anderes. Doch ich war schon seit Ewigkeiten ein Fan, dieses süßen Getränks. Genauso süchtig wie ich nach Croissants war, die ich liebte wie nichts anderes, vor allem aß ich sie gern zu Schokopudding oder zu meinem Kakao.

Die ganze Fahrt über knetete ich meine Hände zusammen, da ich wirklich sehr nervös war und fast an den Nägeln knabberte, weil ich es kaum abwarten konnte. Sogar meine besten Klamotten hatte ich angezogen, nur um wenigstens einen halbwegs guten Eindruck zu machen.

Und dann war es soweit, wir standen wirklich in der Werkstatt, aber von meinem Schwarm war nichts zu sehen, was man wohl auch an meiner Mimik erkennen konnte.

“Pierre, kuck nicht so grimmig was sollen denn die Leute denken.”, ermahnte mich meine Mutter. War ja klar, dass sie so was sagte, denn Frau von Welt strahlte ja immer, bla, bla.

Während sie mit einem älteren Mann in einem Büro verschwand, wo sie alles besprechen wollten, was gemacht werden sollte bzw. was gerade noch gemacht wurde. Gefrustet saß ich nun auf den Stühlen, die vor den Büros standen und wartete darauf, dass meine Mutter wieder kam.

“Hallo.”

Überrascht sah ich auf und konnte meinen Augen kaum glauben, wer da vor mir stand. Da war er, Bügner der Traum meiner schlaflosen Nächte. Meine Kehle war wie zugeschnürt und ich stotterte nur noch ein leises Hallo, und zeigte ein schüchternes Lächeln. Was er sogar erwiderte und mir gleich noch mehr Herzklopfen bescherte.

“Magst du vielleicht was trinken, während du wartest? Ich bin grad am Wasser kochen.”, meinte er erneut so freundlich, worauf ich einfach nur nicken konnte. Ehe er mich bat, ihm zu folgen, was mich dann schon nervös machte, eigentlich machte mich ja alles unsicher was er tat.

Ich war ehrlich gesagt ziemlich überrascht, dass wir noch ins Gespräch gekommen waren, auch wenn es wohl nur schüchterne Annäherungsversuche beiderseits waren. Trotzdem, Manuel, so hieß mein Schwarm nämlich, hatte eine Art an sich, die mich zum reden brachte. Zwar wollte ich nicht wissen, was ich alles für Schrott von mir gegeben habe, doch ihn schien das nicht zu stören. Er lächelte mich immer an und wenn ich mal nicht direkt hinsah, konnte ich dennoch seinen Blick auf mir spüren.

Es war schön zu wissen, dass es nicht allzu langweilig war, denn diesen Eindruck machte Manuel nicht. Wie ich später noch erfuhr, war er gerade mal 20 Jahre und hatte seine Ausbildung hier abgeschlossen gehabt. Zu seinem Glück wurde er auch eingestellt. Es war interessant, ihm zuzuhören, da allein seine warme Stimme jeden noch so läppischen Satz zu einer Melodie machte. Nein, ich spinne nicht und die rosa Brille habe ich auch nicht auf, doch allein sein Ton machte alles zu einer kleinen Geschichte, die ich mit ewig anhören könnte.

Erst als meine Mutter suchend durch den Laden lief, erhob ich mich, tja alles Schöne hatte wohl mal ein Ende. Schnell bedankte und verabschiedete ich mich bei dem größeren, ehe ich zum gehen ansetzte.

“Hast du, naja, magst du mit mir heute Abend auf den Weihnachtsmarkt gehen?”, kam es plötzlich ganz schnell hinter mir, bevor ich mich verwundert umdrehte und Manuel mit großen Augen ansah. War das etwa ein Date? Ich fasste es nicht, man hatte mich wirklich eingeladen.

“Gern.”, mehr brachte ich gar nicht zustande, weil meine Ohren allein bei dem Gedanken, mit ihm allein zu sein, glühten. Nachdem wir uns geeinigt hatten, uns um halb sieben vor der Kirche zu treffen, verabschiedete ich mich erneut. Draußen wurde ich von meiner, nicht gerade begeisterten Mutter empfangen, die wohl ziemlich lange gesucht hatte.

Doch das alles war egal, denn ich war gedanklich schon längst bei heute Abend und bei meinem ersten Date. Was mir wieder Kopfzerbrechen bescherte, da ich nichts zum anziehen hatte.

Wie sollte ich bloß Manuels Herz erobern, wenn ich keine coolen Klamotten hatte. Die Sachen, die ich im Schrank hatte, erinnerten höchstens an braves Muttersöhnchen und nicht an einen geilen Hengst, der mal wieder flachgelegt werden wollte. Nun gut, so was wollte ich auch gar nicht, nicht ganz. Jedenfalls nicht beim ersten Date, dazu war ich wohl dann doch zu prüde.

Den ganzen Tag über schmiedete ich Pläne, wie ich mich wohl am besten verhalten konnte oder was ich sagen würde, wenn er mich Sachen fragte. Am Ende hin war ich so konfus, dass ich selber nicht mehr wusste, wo nun unten oder oben war. Bis ich dann einfach um vier duschen ging, immerhin wollte ich nicht zu spät kommen und bis ich mich fertig gemacht hatte, konnten Stunden vergehen.

Aber dazu hatte ich ja heute einen triftigen Grund, denn wer wollte schon nicht hübsch aussehen für sein Date.

Weswegen ich auch später mit einem weißen Rollkragenpullover und einer schwarzen Hose, dass Haus verließ. Innerlich hoffte ich, das passende Outfit zu tragen, nichts wäre schlimmer als zu Overdressed oder zu schäbig auszusehen. Vor allem, wenn mein Schwarm in einem Arbeitsanzug schon unglaublich sexy aussah.

Den ganzen Weg über musste ich mich zusammenreißen nicht doch noch umzudrehen, denn egal wie locker ich vorhin noch gewesen war, jetzt bekam ich Panik, aber so richtig. Wenn das nun ein Scherz gewesen war und er nicht da sein würde? Grauenhaft, nein so was wollte ich nie erleben, aber das brauchte ich auch gar nicht, denn schon von weitem sah ich Manuel an der Kirche stehen, ebenso hibbelig wie ich selber. In normalen Sachen sah dieser gleich noch schöner aus, jetzt mit der dicken Winterjacke und der etwas weiteren Jeans. Ach da kam man glatt ins Schwärmen bei so einer Sahneschnitte.

“Hallo.”, machte ich schüchtern auf mich aufmerksam, denn die vorhin geprobte Coolness war wie vom Erdboden verschwunden, nun machte sich wieder die Schüchternheit breit, die ich immer an den Tag legte, sobald ich bei jemandem war.

“Schön dich zu sehen.”, hörte ich da was von Freude? Mein Herz machte glatt einen riesen Sprung, denn es war schön zu wissen, dass es nicht nur mir so ging, der sich wie blöde auf den Abend gefreut hatte.

Der Abend war einfach toll, so einen schönen Weihnachtsmarktspaziergang hatte ich noch nie gehabt. Wir haben Waffeln gegessen sowie Zuckerwatte und Kreppelchen. Wow, danach muss ich wohl erst mal fasten, bei den Unmengen an Süßkram, selbst bei den Schokofrüchten konnten wir nicht vorbeigehen. Dabei machte es mich doch verlegen, dass er dies für mich immer mit kaufte, trotz meines ständigen Protestes. Ich wollte ihm einfach nichts schuldig sein, zumal ich mein essen auch allein hätte zahlen können, so arm war ich nun auch nicht.

Erst gegen elf brachte mich Manuel dann nach Hause, denn leider durfte ich nicht endlos raus. Schweigsam schlenderten wir durch den frischen Schnee, wobei ich meine Hände in den Taschen hatte, ansonsten wäre ich vielleicht noch in Versuchung gekommen und hätte seine geschnappt.

“Danke für den schönen Abend.”, hauchte er mir dann mit einem kleinen Kuss, diese kleinen Worte gegen die Lippen. Wie erstarrt blieb ich stehen und sah ihn an, dabei müsste ich mich doch bei ihm bedanken, denn so einen schönen Abend hatte ich noch nie gehabt.

“Sehen wir uns noch mal?”, fragte ich zögernd nach, da ich nicht sicher war, ob das heute nicht das letzte Mal gewesen war das wir uns sahen zumal ich ja unbedingt noch mehr von ihm kennen lernen wollte. Doch wahrscheinlich war ich nicht der Typ Junge, der den perfekten Partner abgab, da sollte ich wohl schon froh sein, so einen Kuss bekommen zu haben. Umso überraschter war ich auch, als ich sein, ohne zu zögern gesprochenes “Ja natürlich.”, hörte.

Schnell tauschten wir noch Handynummern aus und ich ging schweren Herzens ins Haus, wo ich hinter der Gardine meinen vielleicht Freund beobachtete, der noch mehrmals zurück sah, ehe er um die Ecke eines Hauses verschwand.

An diesem Abend ging ich gleich zu Bett, denn auf Kommentare meiner Eltern hatte ich keine Lust. Auch wenn ich nicht schlafen konnte, störte mich das nicht, denn so konnte ich noch weiter in Erinnerungen schwelgen. Bis mich mein Handy wieder in die Realität zurückholte, träge schnappte ich mir das kleine Gerät. Und was ich da sah erstaunte mich dann doch.

//Hi, ich bin grad zu Hause angekommen und musste an dich denken. Meld mich, schlaf schön.//

Ich hab mir diese Nachricht mehrmals durchgelesen, bis ich endlich gerafft hatte, dass mir Manuel geschrieben hatte. Dabei habe ich wirklich gedacht, er würde sich nicht mehr melden, doch da hab ich mich wohl getäuscht.

Nach einem kurzen „Schlaf schön“ und „ich hoffe auf bald“, legte ich mein Mobiletelefon beiseite, ehe ich die Augen schloss.

***

Die nächsten Wochen waren einfach der Traum, Manuel sah ich fast jeden Tag. Es war schön zu sehen, wie sehr er sich freute wenn wir uns sahen, wenn wir wieder etwas Zeit verbrachten, auch wenn es schon manchmal wenig war, weil er arbeiten musste. Doch ich genoss jede freie Minute mit ihm, denn endlich hatte ich auch einen Freund, einen, der mir jeden Wunsch von den Lippen ablas. Doch auch ich merkte, je näher es auf Weihnachten zuging, desto trauriger und stiller wurde Manuel. Immer wenn ich anfing davon zu nörgeln, dass ich mit meinen Eltern zu meiner Oma musste, bekam er einen traurigen Ausdruck in den Augen, ehe er dann meistens sagte, dass ich mich doch lieber freuen sollte, mit ihnen Feiern zu können.

So wirklich verstand ich das nicht, denn jeder der Familienfeste kannte, wusste wie nervend diese sein konnten. Doch er sprach nie von seiner Familie, was mich auch etwas stutzig machte, da ich am Anfang geglaubt hatte, er würde mir etwas verheimlichen, bis er dann gestern zu erzählen angefangen hatte, als wir bei ihm in seiner kleinen Zweiraumwohnung waren.

Seine Eltern hatten ihn rausgeschmissen als er 17 war, nachdem er mit der Schule fertig war. Sie hatten wohl rausbekommen, dass er lieber Männer als Frauen bevorzugte. Deshalb war er auch hier hergezogen, nachdem er einen Ausbildungsplatz gefunden hatte. Bis jetzt hatte er es nie bereut, nur an den Feiertagen kam er sich schon ziemlich einsam vor, er wurde zwar zu Weihnachten immer zu seinem Chef eingeladen, da dieser wusste was los war. Dennoch war für ihn das nicht das gleiche, denn man feierte dies doch lieber mit Menschen, die man liebte. Weswegen er dieses Jahr abgesagt hatte und wohl alleine zu Hause war, während andere mit ihren Familien feierten.

Mir hatte es in der Seele wehgetan dies zu hören, vor allem weil ich immer angenommen hatte, dass Manuel ein so starker Kerl war, der mit allem fertig wurde. Doch an diesen Abend habe ich gemerkt wie verletzlich mein Freund sein konnte, als er sich näher an mich gekuschelt hatte, um in meinen Armen Schutz und Geborgenheit zu finden. Ich war so froh, dass er mir dieses Vertrauen entgegen gebracht hatte, denn so musste er das ganze nicht alleine durchstehen.

Weswegen ich mir heute Morgen vorgenommen hatte, mit meiner Mutter zu reden, denn nun wollte ich auf gar keinen Fall mehr zu meiner Oma fahren, nicht mit dem Wissen, meinen Freund alleine zu lassen. Er wäre zwar sicherlich nicht begeistert darüber, dass ich das mache, aber dass er böse wäre konnte ich mir auch nicht vorstellen.

“Mum, also na ja...”, druckste ich ein wenig herum, bevor meine Mum auf mich aufmerksam wurde.

“Pierre, steh grade sonst bekommst du einen krummen Rücken.”

Oje, musste sie es mir denn so schwer machen, allein, dass ich nicht ganz den Mut hatte meinen Wunsch zu äußern reichte doch wohl.

“Ich kann nicht mit zu Oma.”

“Was soll denn das heißen junger Mann!”, erwartungsvoll sah sie mich mit großen Lockenwicklern im Haar an.

“Na ja, weißt du ein Freund von mir ist allein zu Hause und ich wollte nicht, dass er auch alleine Feiern muss, da dachte ich ...”

“Da dachtest du einfach ihn einzuladen, damit dein Freund aus der Werkstatt nicht allein sein muss richtig?”

Überrascht sah ich sie an, ehe sie mir erklärte was sie schon alles wusste. Anscheinend war meine Gefühlslage hier im Haus nicht unbemerkt geblieben, was wohl sogar die Aufmerksamkeit meiner Mutter auf sich gezogen hatte. Das Beste war aber noch als sie mir dann an den Kopf warf, dass ich kein Vertrauen zu ihr hätte. Was mich wiederum schon wieder komisch gucken lies, denn ich verstand nichts mehr.

“Junge für wie blöd hältst du uns denn, denkst du wir sehen das Geknutsche vor der Haustür nicht? Du hättest den jungen Mann ruhig mal mit rein bringen können.”, gut damit hatte sie wohl voll ins Schwarze getroffen, denn ich war sicherlich rot wie eine Tomate. Allerdings wusste ich nicht, ob das nun gut oder schlecht war, dass sie es wusste. Vor allem machte sie aber nicht den Eindruck, dass es sie stören würde. Eher war sie nur eingeschnappt, weil sie dachte, ich würde mich für meine Eltern schämen und daher keinen Besuch mitbringen. Dass meine Mum damit völlig falsch lag, sagte ich dann auch sofort, denn ich hatte ja nur Angst gehabt, dass sie mich dann verstoßen würden.

Am Ende jedoch machte meine Mutter sogar den Vorschlag, den Gänsebraten dazulassen, den sie sonst mitgenommen hätte. Denn wie jedes Jahr hatte sie einen Braten mit Orangensauce gezaubert, wovon mir nicht wirklich der Sinn war. Was sie wohl auch an meinem Gesicht sah, doch ich wusste nicht, ob ich vielleicht lieber doch was machen sollte, sicherlich würde Manuel sich freuen ein Festtagsessen zu bekommen.

Deswegen stimmte ich dann auch zu, aber mit dem Kommentar an Heiligabend chinesisch zu bestellen, was mir sogar gestattet wurde.

***

Nun lief ich schon seit Stunden durchs Haus um alles perfekt zu machen, gleich würde mein Freund kommen und bis dahin wollte ich alles schön fertig haben.

Er wusste noch nichts von seinem Glück, weil er immer noch davon ausging, mich nur kurz zu verabschieden, bevor ich zu meiner Oma musste.

Aber heute wollte ich ihn einfach mal überraschen, denn ein Geschenk hatte ich ja schon für ihn, nur wusste ich nicht, was er davon hielt.

Nun gut, das würde ich sicherlich gleich erfahren, denn schwups wenn man vom Teufel sprach, klingelte es.

“Hallo.”, stürmisch umarmte ich ihn, dass er nicht mal dazu kam, meinen Gruß zu erwidern. Doch er umarmte mich ebenfalls erfreut, auch wenn ich die trübe Stimmung in seinen Augen sehen konnte.

“Wann musst du denn los?”, fragte er mich leise, während er mir geknickt durchs Haar wuselte, etwas, das nur er durfte.

“Gar nicht.”, sein Blick verriet alles und ich erklärte sofort, bevor er nachfragen konnte. “Meine Eltern sind gestern Abend schon gefahren und meine Mutter meinte ich solle ja nicht vergessen, meinem Freund ihre Gans anzubieten.”

“Aber, ich meine...”, er bekam gar nichts mehr zusammen und als er keinen Satz zustande brachte, küsste er mich stürmisch. Manuel schien so glücklich zu sein, wie schon lange nicht mehr. Das zeigte sich mir dadurch, dass er mich hier durchknuddelte, dass ich fast keine Luft mehr bekam.

“Komm ich hab uns Essen bestellt.”, grinste ich amüsiert und schleppte ihn einfach hinter mir her, denn er war ja noch nie hier gewesen, so dass er nicht wissen konnte, wo sich das Wohnzimmer befand.

Dort führte ich ihn zu unserem Esstisch, auf welchen ich vorhin beim decken die schönen Kerzen hingestellte hatte, um ein wenig romantische Atmosphäre zu schaffen. "So einfach setzen, ich hole uns das essen."

Schnell wuselte ich in die Küche wo ich das leckere, angerichtete chinesische Essen im Ofen stehen hatte, damit es nicht auskühlte.

Mit einer Platte von allem kam ich wieder, stellte sie auf den Tisch und wünschte meinem Freund guten Appetit.

Es war so schön mit diesem hier zu sitzen, allein zu sehen, dass Manuel es genauso ging erfüllte mein Herz mit soviel Freude wie noch nie. Selbst als wir später zusammengekuschelt vor dem Kamin saßen und Kakao mit Marshmellos tranken, war die Welt für mich in Ordnung. Dass ich nicht bei meiner Familie war, störte mich nicht im Geringsten, denn dafür war es viel zu schön. Und dann passierte das, was ich mir nie erträumt hätte, nie gedacht hätte so was einmal zu hören.

“Ich liebe Dich, mein kleiner Pierre und ich bin dir sehr dankbar, dass du mir so schöne Feiertage bescherst.”

Sprachlos drehte ich mich in seiner Umarmung, ehe ich wieder soweit zurechnungsfähig war und ihn als Antwort zärtlich küsste.

“Ich liebe Dich auch, mein großer Manuel.”, schmunzelnd küsste er mich erneut und ich war so unendlich dankbar dafür ihn getroffen zu haben, denn jetzt hatte ich nach 17 Jahren endlich das Weihnachten, das ich schon immer haben wollte. Mit dem Menschen den ich über alles liebte.

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