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Shadowy - Episode 0

Teil 6

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Hallo, hier ist nun der letzte Teil von 'Shadowy Episode 0'. Mike und seine Freunde sind dem 'Labor 23' endgültig entkommen. Doch damit ist ihre Geschichte natürlich noch lange nicht zu Ende. Einen Vorgeschmack, wie es weiter gehen könnte, bekommt ihr hier in diesem letzten Teil von Episode 0.

Die Fortsetzungen, Episode 1 und 2 sind in der Rohfassung fertig und bauen natürlich auf der Episode 0 auf. An Episode 3 arbeite ich noch, die wird aber auch wieder ähnlich umfangreich wie Episode 0. Da ich aber in letzter Zeit viel zu tun habe, wird es noch etwas dauern, bis ihr die zu lesen bekommt. Falls ihr das überhaupt noch wollt.

Wie immer gilt, über ein paar Kommentare würde ich mich freuen. Denn dies ist für mich die einzige Art, herauszubekommen was euch gefällt und was nicht. Manchmal (eigentlich immer!) ist eine Reaktion, egal ob positiv oder negativ, besser, als überhaupt keine. Bitte benutzt dafür einfach das Feedback-Formular auf dieser Seite.

Bei Fragen zu der Geschichte könnt ihr auch auf meiner Homepage www.shadowy.de vorbeischauen. Das Lexikon zu der Geschichte befindet sich allerdings noch in einem sehr frühen Stadium. Aber ein paar Bilder zu den Handlungsorten könnt ihr dort jetzt schon finden.

Dann möchte ich mich hier, an dieser Stelle, noch bei allen bedanken, die mitgewirkt haben, dass diese Geschichte überhaupt erscheinen konnte. Besonders bei Ingo, der auch die schon die Rohfassungen von E1 (zwei Teile) und E2 (drei Teile) gelesen und ein wenig kommentiert hat. Dann natürlich noch bei Dirk (Scrat) der zu den wenigen gehört, die E-Mails auch beantworten können. (Sorry, das musste sein) Nicht zu vergessen, dem ganzen Nickstories-Team und allen, die beim Korrigieren geholfen haben.

Letztlich noch ein Gruß an alle, die es vorgezogen haben, auf mail's nicht mehr zu antworten. Ich denke, die wissen wer gemeint sind, falls sie dies lesen. Als Tipp, die Geschichten sollten eigentlich auf beiden *n*stories-Seiten erscheinen. (Noch mal sorry, aber ich sitze hier und kann nicht anders. ;-) )

-.-

Alle Rechte an den Personen, soweit möglich, liegen bei mir. Fragen und Anregungen sind jederzeit nicht nur erlaubt sondern ausdrücklich erwünscht!

Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen, existierenden und nicht mehr existierenden Organisationen, Glaubensgemeinschaften, sowie Staaten und Behörden sind weder wirklich zufällig noch völlig unbeabsichtigt sondern manchmal einfach unvermeidbar. Sie stellen aber immer die subjektive Meinung des Autors über diese Personen, Organisationen, Glaubensgemeinschaften, Staaten und Behörden dar.

Ich möchte allen Lesern etwas bieten, und es gibt Zeitgenossen, die es lieben, nach Fehlern bei Anderen zu suchen. Auch an diese Menschen habe ich gedacht und wünsche nun viel Spaß mit dieser Geschichte! (Wer etwas findet, kann sich ja melden. –> Feedback!)

Viele Grüße

Martin

32 - Big City

Europolis City, Samstag 27.10.2035

Chris schien sich wirklich unheimlich zu freuen, mit uns losziehen zu können. Er war zwar ein wenig traurig, dass Tom und Lukas nicht mit wollten, drängte uns aber dafür um so mehr. Wir wollte gerade gehen, als mich Stefan noch einmal zu sich rief, mir eine Karte mit 500 Eurocredits zusteckte und uns viel Spaß wünschte.

Eurocredits haben denselben Wert wie die Euros, nur war es eine elektronisch neutralisierte Form von Geld. Die Euros auf dem Konto, auf die man normalerweise über die ID-Karte zugreift, konnten leicht zurückverfolgt werden.

Da es aber auch einen großen Bedarf an Geld gab, von dem die Bürger wollten, dass man es nicht nachverfolgen konnte, wurden die Eurocredits 2025 eingeführt. Wie ehemals die Telefonkarten, so kaufte man eine Karte mit Eurocredits. Auf diese konnte man dann beliebig viel Geld übertragen. Der momentane Füllstand wurde auf der Karte immer angezeigt. Bei jedem Bezahlen wurde der entsprechende Betrag von der Karte abgebucht.

Die Karte war also so etwas wie ein Zwischenspeicher, in dem alle personenbezogenen Daten anonymisiert waren. Pech, wenn so eine Karte geklaut oder verloren ging. Dies war dann das gleiche, als wenn man früher Bargeld verloren hätte. Allerdings gab es auch viele Dinge, die man mit solchen Karten inzwischen nicht mehr bezahlen konnte, oder eben nur unter Vorlage einer ID-Karte.

Eigentlich wollte das Innenministerium die Karten schon lange verbieten, aber da war der Widerstand dann doch zu groß. Deshalb wurden immer mehr Verordnungen herausgegeben, welche Dinge man nur unter Vorlage einer ID-Karte kaufen konnte. So verloren die Eurocredits langsam ihren Sinn.


Wir, das heißt Chris, Eric, Julian und ich zogen also los. Zuerst mit dem Van zu einem Landeplatz, und von dort flog uns Chris, der also eine gültige Lizenz haben musste, direkt zur City. Denn dort war das Einkaufs- und Vergnügungszentrum von Europolis.

Wie die ganze Stadt, so war auch innerhalb der City alles neu und sehr eindrucksvoll, fast schon monumental gestaltet. Mit dem Bau von Europolis war erst zu Beginn der großen Umsiedlung 2012 begonnen worden. Doch anders als bei den Sektorstädten, war hier aus dem Vollen geschöpft worden.

Viele der Gebäude waren über Brücken miteinander verbunden. Die Freiflächen dazwischen waren mit UV-Filtern überdachte Grünanlagen. Schmale Kanäle verbanden die künstlichen Seen in den Grünanlagen miteinander. Fußgängerwege und kleine Brücken luden zum Bummeln und Verweilen ein.

Der ganze Verkehr verlief unterirdisch, außer natürlich dem Flugverkehr. Fast alle der durchschnittlich über 200 Meter hohen Gebäude waren mit Landeplattformen ausgestattet. Hier herrschte ein reger Verkehr der an- und abfliegenden Lufttaxis und Privatmaschinen.

Früher waren Hochhäuser meist von rechteckigem Querschnitt schmal und hoch. Die Hochhäuser von Europolis hatten meist einen runden Querschnitt, wurden nach oben breiter und besaßen einen Innenhof. Das Ganze hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Kelch. So hatten aber auch die inneren Wohnungen Licht und Luft. Alle paar Etagen gab es dann Verbindungsröhren, um zu den zentralen Aufzugschächten der Plattformen zu gelangen.

Die meisten Gebäude in der City hatten mindestens drei bis vier kreisrunde Landeplattformen. Einer dieser Plattformen näherten wir uns jetzt mit einer Geschwindigkeit von fast 150 km/h, mehr war über der Stadt nicht erlaubt. Es war eine der Plattformen auf dem weithin sichtbaren, größten Gebäude der City, dem 'Europolis-Tower'. Mit über 420 Metern überragte er jedes andere Gebäude der City um einiges. Natürlich waren die Giga-Tower weit größer, aber die gab es nur in den Randzonen von Europolis.

In den Giga-Towern, manche nannten sie auch Stadtsilos, waren ganze Stadtteile untergebracht. Mit bis zu 650 Metern waren es die höchsten Gebäude in Europa überhaupt. Sie boten ausreichend Platz für 11.000 Menschen. Wobei der Giga-Tower dann auch meist Wohn- und Arbeitsstätte für die Bewohner war. Denn, den meisten dieser Silos waren unterirdische Fabrikationsanlagen zugeordnet.

Manchmal dachte ich, dass der Name Europolis nur von einem Zyniker stammen konnte, der den Stummfilm 'Metropolis' kannte. Was dort 'Oben' die Stadt der Reichen und Mächtigen und 'Unten' als Stadt der Arbeiter gezeigt wurde, war hier die räumliche Abgrenzung. Wobei die 'Homelands', wie 'Sektor 20' für die, die niemand braucht, in jenem Film keine Entsprechung hatten. Zum 'Ausgleich' ging es den Arbeitern heutzutage etwas besser. So sah eben im Jahre 2035 die Gesellschaftsordnung der freien Europäischen Republik aus.

»Du machst ein Gesicht wie mein Vater, wenn er diese Stadt sieht.«, riss mich Chris aus meinen etwas trübsinnigen Gedanken.

»Wieso, seh' so alt ich aus für junge Augen?«

Chris feixte: »Gott bewahre nein, mein Vater ist 51 und sieht aus, als wäre er die Hälfte seines Lebens mit einem Segelschiff über die Weltmeere gereist. Ich meine für sein Alter sieht er wirklich – interessant aus, aber ich denke, so gefällst du mir besser.«

»Mir auch!«, fügte Julian lachend hinzu.

»Wer ist denn nun dein Vater?«, wollte Eric wissen, und berührte damit einen Punkt, bei dem sogar Chris das Lachen vergaß, hierüber wollte er offensichtlich nicht reden.

»Wie lange fliegst du eigentlich schon?«, versuchte ich dann ein wenig abzulenken.

»Wir bewegen uns zwar durch die Luft, aber wirklich fliegen, also ich meine 'pilotieren', das mache ich im Moment eigentlich nicht.«, sagte er ein wenig traurig und erklärte dann: »Innerhalb Europas und ganz besonders in der Nähe von Städten übernimmt die Luftraumüberwachung die Kontrolle über jedes Fluggerät. In den Großraum einer Stadt kannst du nur mit dem Autopiloten einfliegen, jedes manuelle Flugmanöver wird vom Bordcomputer unterbunden.

Bei Manipulationen am Computer kann die Kabine abgestoßen werden und der eigentliche Flugschrauber zerstört sich selbst. Da wäre mein Vater auch an deiner Fähigkeiten interessiert, wie man Materie einfach auflösen kann.«, plauderte er so vor sich hin. Doch bevor ich da nachhaken konnte, erklärte er weiter.

»Bevor wir gestartet sind, musste ich nur das Ziel und die gewünschte Geschwindigkeitsstufe eingeben. Mehr ist überhaupt nicht möglich. Könnte ich nicht ab und zu mal auf dem Testgelände in Spanien fliegen, dann wüsste ich überhaupt nicht, wie das geht.« Jetzt grinste er wieder. »Die ganze Sache mit der Lizenz und so ist doch nur dazu da, um die meisten Leute davon abzuhalten. 'Die Elite sichert sich ihre Privilegien' wie mein werter Vater das immer nennt.«

Ups – das schien ja wirklich ein interessanter Mann zu sein, dachte ich. Scheinbar konnte Chris in diesem Fall meinen Gedanken erraten.

»Lass dich nie auf eine Diskussion über das bestehende System mit ihm ein. Unter drei Stunden und ohne einem schlechten Gewissen kommst du nicht weg.« Da sprach wohl leidvolle Erfahrung aus Chris.

»Aber er ist doch selbst ein Teil des Systems – Oder?« Da hatte sich Chris jetzt selbst eine Falle gestellt. Sagte er uns jetzt endlich, wer sein Vater war?

Nein, er lachte nur »Ich denke ihr werdet euch schon noch kennen lernen, wie gesagt, er ist einer der führenden Wissenschaftler von NeckTech, und kennt eure Einstellung zu den Weißkitteln.«

»Woher weißt du eigentlich über unsere Fähigkeiten Bescheid, oder ist das jetzt schon Stadtgespräch?«, Julian hatte natürlich auch bemerkt, dass Chris da ein paar Sachen verschwieg.

»Könnte es auch sein, dass wir uns gar nicht so zufällig am See getroffen haben?«, wollte nun auch Eric wissen.

Jetzt wurde Chris ein wenig unsicher: »Also, eigentlich wollte ich euch nicht treffen, nur etwas beobachten.« Lachend fügte er hinzu: »Ich hatte ja keine Ahnung, was für eine Show ihr mir bieten würdet.«

Dann wurde er wieder Ernst: »Man hat mir wirklich gesagt, ich solle euch meiden, weil ich wirklich ziemlich polarisiere. Entweder die Leute mögen mich, oder genau das Gegenteil. Arne hatte Angst, ich könnte euch zu irgendwas provozieren. Als es dann aber doch passiert war, hat er eingesehen, dass ich wohl eher zu denen zähle, die ihr als harmlos einstuft. Darum hat er dann auch nichts mehr dagegen sagen können, als ich euch treffen wollte. Das war eigentlich alles.«

Dabei sah er mich wieder mit seinem Hundeblick an, aber diesmal wurde ich nicht weich. Denn das war noch lange nicht alles.

»Dein Vater weiß also, dass du mit uns unterwegs bist?«, ich schoss ins Blaue. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Arne so einfach nachgab und den Sohn eines wichtigen Wissenschaftlers in unsere Nähe ließ. Jemand musste da Druck gemacht haben.

»Jep, ich habe ihn davon in Kenntnis gesetzt.«, seine Augen funkelten spöttisch.

»Und Arne ließ sich dann auch so gleich davon überzeugen?«

Das Grinsen von Chris wurde breiter: »Och – komm jetzt Mike, nicht alles zerreden. Ich mag euch und wir wollen ein wenig Spaß haben. Sollen sich die alten Angsthasen in einem Bunker einmauern.«

Das flaue Gefühl in meinem Magen verstärkte sich: »Arne weiß gar nicht, dass du mit uns unterwegs bist?« Ich war jetzt wirklich ein wenig überrascht. Aber es kam noch besser.

»Ich habe ihm gesagt, das ich mit euch in die City will.«, antwortete Chris tapfer.

»Und was hat Arne dazu gesagt?«, wollte Eric wissen.

»Der hat es verboten!«, antwortete Chris trocken und knapp.

»Und dann?«, Julian konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Ich habe es zur Kenntnis genommen.«, grinste Chris.

»Zur Kenntnis genommen? Das heißt Arne hat es verboten, und du ziehst trotzdem mit uns los?« Jetzt war ich echt platt.

»He was soll's, sind doch nur ein paar Stunden, und mit euch an meiner Seite wird mir nichts passieren.«

Etwas irritiert überlegte ich, was ich da nicht so ganz mitbekommen hatte. Ihm wird nichts passieren? Mit uns an seiner Seite? Ich dachte, für Arne würde die Gefahr von uns aus gehen?

»Wir sind da!«, rief Chris, und riss mich aus meinen Gedanken. Riesig, fast bedrohlich, ragte die gigantische 'Krone' des 'Europolis-Tower' in den Himmel. Er hatte nicht drei oder vier, sondern ganze 12 Landeplattformen. Die weit über die 'Kelchwandung' hinaus ragten. Jede dieser Plattformen hatte einen Durchmesser von 140 Metern! Über dem 'Innenhof' wölbte sich eine durchsichtige leuchtend blaue Panzerplastkuppel. Selbst von hier aus konnten wir Teile des Zentrallifts erkennen.

Gespannt sahen wir zu, wie die Automatik unsere Maschine sanft auf einer Trägerplatte absetzte. Ein Summton signalisierte, dass die magnetische Verriegelung aktiviert worden war. Fast augenblicklich setzte sich die kreisrunde Trägerplatte in Bewegung und versank wenig später mit uns im Transportlift. Da das Landefeld ständig neue Maschinen aufnehmen musste, wurden die ankommenden Maschinen im Parkdeck abgestellt. Für Lufttaxis waren extra vier Plattformen reserviert, da die dann auch etwas länger stehen bleiben durften.

Unterhalb der Landeplattformen war das Parkdeck und wir mussten so lange warten, bis wir unsere Parkposition erreicht hatten. Chris schien zu spüren, dass ich noch weitere Fragen auf Lager hatte, weshalb er gleich das Schott aufstieß und nach draußen sprang. Eric und Julian folgten mit einem breiten Grinsen, denen gefiel ganz offensichtlich die coole Art von Chris. Mir ja eigentlich auch, aber was würde Arne dazu sagen?

Kurzentschlossen versuchte ich, eine telepathische Verbindung zu Frank zu bekommen, was auch relativ gut gelang. Ich informierte ihn schon einmal vorab, was Sache war, damit er Stefan informierte. Falls Arne dahinter kam, was Chris da abzog, konnte Stefan ihn dann beruhigen. Frank nahm es ebenfalls locker, meinte aber auch, dass wir in Kontakt bleiben sollten.

So beruhigt kletterte ich den dreien hinterher, und Chris ließ das Schott wieder zugleiten und verriegelte es elektronisch. Hier oben wehte es ziemlich stark, trotz der 2 Meter 50 hohen Brüstung, die uns vor dem 'Abgrund' schützte. Andererseits hatte man von hier aber auch einen fantastischen Ausblick auf die Kuppel und den Innenhof. Bei jeder der 12 Landeplattformen hatte die Kuppel einen bogenförmigen Ausschnitt, so dass wir vom Parkdeck freie Sicht in das Innere hatten.

Hier oben hatte der 'Kelch' einen Innendurchmesser von über 560 Metern. Der Außendurchmesser betrug dann gewaltige 720 Meter, während es am Boden 'nur' 300 Meter waren.

Zusammen traten wir an die Brüstung zum Innenhof und staunten über diese Konstruktion. Genau im Zentrum befand sich der Zentrallift. Er bestand aus einer achteckigen Grundstruktur und 8 darum herum gruppierten Liftröhren. Paarweise war je eine für Aufwärts und eine für Abwärts zuständig. Die eigentlichen 'Liftkabinen' waren kugelförmige Transportkapseln und in jeder Röhre waren immer mehrere gleichzeitig unterwegs.

Als Fahrziel musste man nur die Hauptetage und den Quadranten angeben und schon wurde man, wie in einer Rohrpostanlage, durch das Gebäude befördert. Entlang des Zentrallifts befanden sich im Abstand von 40 Metern die Aussichtsplattformen mit den Verteilerstationen. Von diesen führte dann je eine Röhre in einen der Quadranten, also nach Nord, Ost, Süd und West. Von hier oben wirkten die vielen Röhren wie dicke Fäden, da sie im Verhältnis zur Länge mit 5 Meter Durchmesser relativ dünn waren.

Es war unheimlich faszinierend zu sehen, wie die Transportkapseln sich durch die transparenten Röhren bewegten. Aber nicht jeder von uns fand es so faszinierend, wie ich. Wahrscheinlich hatte Chris dies schon sehr oft gesehen. Denn er machte uns ständig darauf aufmerksam, wie kühl und stürmisch es hier oben war. Weshalb wir dann auch bald den nächsten Unterstand aufsuchten, um von dort mit einem 'normalen' Lift nach unten zu fahren.

Zielstrebig lotste Chris uns dann durch diesen gewaltigen Turm. Hier gab es scheinbar alles zu kaufen. Bei mir kam langsam die Frage auf, was denn in den anderen Gebäuden der City noch angeboten werden könnte, was es hier nicht gab.

Zuerst war ein Sportgeschäft an der Reihe, denn Chris war der festen Überzeugung, dass unsere bisherige Sportkleidung nicht zum Joggen geeignet sei. Und wenn ich von fester Überzeugung rede, dann meine ich das auch so! Eric war der Auffassung, dass man eher einen Kometen durch fromme Sprüche von seiner Bahn abbringen könnte, als Chris von der einmal gefassten Entscheidung. Langsam verstanden wir Arnes Problem.

Nachdem für jeden von uns, auch wenn Julian, Tom und Lukas gar nicht Joggen wollten, drei entsprechende Laufanzüge nebst Schuhen, Sportshirt etc. gefunden waren, gingen wir schnell zur Kasse, bevor Chris noch mehr anschleppte. Denn die Sachen waren alles andere als billig.

Der Verkäufer, der uns schon die ganze Zeit über etwas abfällig beobachtete, weil wir scheinbar nach seiner Ansicht nicht hierher gehörten, machte nun einen gelangweilten Eindruck. Herablassend brummte er, dass er unsere ID-Karten benötige, was mich dann schon etwas verwunderte. Mangels eines Kontos wollte ich mit der Eurocredit-Karte zahlen. Dass man Kleidung nun auch nur noch gegen Vorlage der ID-Karte kaufen konnte, erstaunte mich dann schon.

Selbstgefällig legte er sie auf die Scanfläche, schüttelte dann aber nur verwundert den Kopf, während er auf sein Terminal starrte. Stirnrunzelnd schob er die Karte dann in einen ID-Checker und forderte mich auf, in den Retina-Scanner zu sehen. Langsam begann ich an der Arbeit von NeckTech zu zweifeln. War ihnen ein Fehler bei meinem Ausweis unterlaufen? Auch Chris wurde etwas nervös, während Julian und Eric verzweifelt bemüht waren, einen unbeteiligten Eindruck zu machen.

Mit einem kurzen Piep-Ton wechselte die Kontrolleinheit auf Grün und bestätigte meine ID. Doch den Verkäufer schien dies keinesfalls zu beruhigen. Langsam schien jede Farbe aus seinem Gesicht zu weichen und mit starrem Blick las er die Daten, die sein Terminal ihm lieferte. Seine Bewegungen wurden immer fahriger und seine Hand zitterte leicht, als er nun einen Systemcheck startete.

Mehr als nur etwas beunruhigt fragte ich, was los sei. Erstaunt sah er auf und brummte unfreundlich, dass mit meiner Kreditlinie etwas nicht stimmen würde. Gerade, als ich ihn darauf hinweisen wollte, dass ich eigentlich mit meiner Eurocredit-Karte zu zahlen gedachte, fuhr Chris den Verkäufer an.

Ihn hatte das Verhalten des Verkäufers zuvor schon geärgert. Nun, da die Kontrolleinheit meine ID bestätigt hatte, legte er los. In einem herablassenden Tonfall, der eigentlich gar nicht zu ihm passte, fragte er, was das Ganze solle.

Da er mit seinem 1000 Euro Outfit in das Schema des Verkäufers passte, antwortete der dann entsprechend zuvorkommend, dass das System eine falsche Kreditlinie anzeigen würde. Ein spöttisches Lächeln huschte über Chris Gesicht und er fragte ganz cool: »Wieso, die müsste doch bei 300.000.000 Euro liegen, oder hat NeckTech hier keinen Kredit?«, dabei funkelten seine Augen nun wirklich böse.

»Aber nach der Karte dürfte dieser Äh, dieser Herr dieses Limit voll ausschöpfen?«, rief der Verkäufer mit gequälter Stimme.

»Und wo sehen sie da das Problem? Er hat sich ordnungsgemäß ausgewiesen, ihre Kontrolleinheit bestätigt die ID, die Transaktion ist, wie ich sehe, schon abgeschlossen, also wo ist ihr verdammtes Problem?«, beim letzten Teil hatte Chris die Stimme merklich angehoben und eine gewisse Kälte schwang mit. Der Verkäufer brach innerlich zusammen und resignierte. Ihm konnte keiner einen Vorwurf machen. Denn dass da etwas nicht stimmen konnte, davon war er offensichtlich überzeugt.

Chris lächelte nur verächtlich und legte den Chip mit der Flugschrauber-Kennung auf den Scanner, auch hier war das NeckTech Logo als Hologramm gut zu erkennen. Unsere 'Einkäufe' würden nun automatisch an Bord des Flugschraubers transportiert werden. Unter dem wütenden Blick des Verkäufers konnten wir endlich diesen Laden verlassen und Chris suchte sich eine ruhige Ecke. Er wusste genau, dass wir das nicht einfach kommentarlos hinnehmen würden.

Ein fragender Blick von mir genügte und er legte los: »He solche Typen kann ich nicht leiden, nur wenn jemand nicht in sein scheiß Schema passt, macht er ihn runter, und behandelt euch wie Bittsteller.« An sich ja sehr nett von ihm, aber das war ja wohl nicht der eigentliche Punkt.

»Was hat das mit der Kreditlinie auf sich, so was habe ich noch nie genutzt!« Eric sah Chris nun doch sehr ernst an.

»He, glaubt ihr wirklich, ich schwatze euch etwas auf, und lasse euch dann dafür bezahlen? Auf euren Ausweisen ist als erste Zahlungsvariante die Kreditlinie von NeckTech eingetragen. Alles, was ihr ohne weiteren Kommentar oder besonderen Wunsch einkauft, geht auf NeckTech. Das hatte ich wohl vergessen zu erwähnen.«, er grinste wieder zuversichtlich, mit sich und der Welt zufrieden.

Doch mir gefiel das nicht so recht »Ja, das hast du ganz eindeutig vergessen, und ich frage mich, was du sonst noch vergessen hast, zu erwähnen.« Chris sah jetzt etwas geknickt aus, er hatte ja wirklich nichts Schlimmes getan, aber er hätte uns wenigstens etwas sagen können. In dieser Richtung äußerten sich dann wenigstens Julian und Eric.

»Warum wollte er aber Mikes ID-Karte überhaupt haben?«, fragte Julian.

»Wenn ihr einen dieser Läden betretet, werden die Ausweise schon per Funk ausgelesen, man will schließlich wissen, wer da ankommt. Daher wusste er auch gleich, dass ihr zum ersten Mal hier seid. Da als euer Wohnsitz 'Alpha-City', einer der GigaTower angegeben war, wusste er, dass ihr nicht zu den üblichen Kunden dieses Ladens gehört.

Die ID-Karte übermittelte dann auch gleich, dass ihr für mindestens 2000 Euro Kredit habt. Sonst wäre dieser Arsch sicherlich gleich angekommen und hätte gefragt, wie ihr zu zahlen gedenkt. Doch den genauen Betrag kann nur ein gesichertes Terminal aus der Karte auslesen, deshalb war er schließlich 'ein wenig' überrascht.«, erklärte Chris munter und zeigte nun auch wieder sein breites Grinsen.

Doch auch ich war etwas überrascht und fragte mich unterdessen, wie weit das mit NeckTech noch gehen sollte. Ein fast unbeschränktes Kreditlimit war doch schon mehr als ungewöhnlich, um jemanden für sich zu gewinnen. Wir waren doch eigentlich schon froh, dass sie uns überhaupt geholfen hatten. Dass NeckTech sehr an uns interessiert war, darin hatte Arne nie Zweifel aufkommen lassen. Doch dass sie so interessiert waren?

Unterdessen schleppte uns Chris in ein Ledergeschäft und sagte dabei lächelnd, dass Pascal seine Klamotten auch immer hier kaufen würde. Doch woher wusste er jetzt schon wieder, dass ich das Outfit von Pascal einfach klasse fand?

Diesmal war der 'Verräter' direkt neben mir, Chris hatte sich bei Julian erkundigt, was für Kleidung wir bevorzugen würden. Und Julian hatte sich prompt daran erinnert, wie ich von meiner ersten Begegnung mit Pascal berichtet hatte.

Schon bald hatte jeder von uns, diesmal auch Chris, sich einige Sachen ausgesucht. Wenn NeckTech so freundlich war, dann wollten wir das doch nicht ablehnen. Es machte einfach Spaß, im Laden herumzustöbern, ohne auf den Preis achten zu müssen. Chris überredete uns dann auch, eine der Hosen gleich anzuziehen. Die Dinger waren wirklich cool. Sie bestanden aus Syntoleder, da echtes Leder inzwischen verboten war, aber dies soll den Tragekomfort eher noch erhöht haben.

Für Lukas und Tom nahmen wir dann auch noch je zwei mit, Chris hatte sich die Maße von 'unserem' persönlichen Ansprechpartner Martin besorgt. Dazu passende Mäntel fanden wir auch noch. Entsprechend cool war dann auch unser neues Outfit.

Nicht nur Chris machte das alles sichtlich Spaß. Er hetzte uns so von einem Geschäft zum anderen. So kamen auch noch mehrere paar Schuhe, für jeden natürlich, Freizeitbekleidung, Unterwäsche und andere Dinge von 'Nützlichkeit' hinzu. Zwischenzeitlich hätten wir die 500 Eurocredits um ein Vielfaches überschritten.

Nach einer kleinen Pause in einem Bistro ging es in dieser Art dann weiter. Chris verfiel einem regelrechten Kaufrausch. Und er hatte dabei immer wieder neue Einfälle, was wir sonst noch unbedingt benötigten. Wobei eigentlich nichts dabei war, von dem man sagen konnte, dass es wirklich eine unsinnige Ausgabe sei, es war nur eben recht viel. Andererseits hatten wir, außer dem, was Martin uns besorgt hatte, wirklich nichts mehr gehabt. Von meinen eingelagerten Sachen möchte ich jetzt mal absehen. Da Chris dann natürlich immer auch noch für Tom und Lukas kaufte, kam wirklich sehr viel zusammen.

Letztlich schleppte er uns in eine extra abgesicherte Abteilung tief im Keller des Gebäudes. Schon wollte ich fragen, wo wir jetzt hinkommen, als ich es selbst realisierte. Hier gab es Schusswaffen aller Art. Als ich das Leuchten in Erics Augen sah, wusste ich, warum Chris uns hierher geschleppt hatte.

Wieder war es Chris, der direkt auf ein bestimmtes Geschäft zusteuerte; er schien wirklich jedes Geschäft in diesem Turm zu kennen. Der Verkäufer begrüßte Chris wie einen alten Kunden. Tatsächlich war Chris, wie ich den Erinnerungen des Verkäufers entnahm, erst dreimal hier gewesen. Doch er hatte über Arne etwas vorbestellt und so viele Kunden gab es nicht, die auf einen Schlag 5 'Black Viper' kaufen wollten. Allgemein waren der Besitz von Waffen, und das Tragen von solchen erst recht, verboten.

Doch wie uns Chris versicherte, und der Verkäufer auch sogleich prüfte, mit unseren ID-Karten durften wir Waffen besitzen und sogar in der Öffentlichkeit tragen. Wieder einmal übernahm NeckTech dabei die Verantwortung, was mich allerdings dann doch sehr nachdenklich machte. Eric ärgerte sich jetzt nur, dass er seine nicht mitgenommen hatte. Doch er beruhigte sich sehr schnell, als der Verkäufer ihm die 'Black Viper' auf den Tisch legte.

Die 'Black Viper 550' war das Spitzenmodel der MikroRaks, hochpräzise gefertigt, absolut ausbalanciert und dabei unheimlich kompakt. Außerdem handelte es sich um eine signierte Waffe. Nur der registrierte Träger der Waffe konnte sie auch benutzen.

Erics Augen leuchten jetzt nicht mehr, sie schienen förmlich zu strahlen. Als mir der Verkäufer dann auch eine gab, begann ich zu ahnen, warum. Obwohl ich nicht sonderlich viel mit Waffen am Hut hatte, diese lag scheinbar von der ersten Sekunde perfekt in der Hand.

Eric hatte sich das beigelegte Schulterholster angelegt. Als er dann einige Ziehübungen machte, schien ihm die Waffe geradezu in die Hand zu springen. Man konnte der Bewegung fast nicht mehr folgen. Unser 'Lucky Luke' schien wirklich schneller als sein Schatten zu sein.

Nachdem er auch im Schießstand einige Schießübungen gemacht hatte, war sogar der Verkäufer sprachlos. Beim Sondieren erfuhr ich, das viele 'private' Sicherheitsleute und Bodyguards hier einkauften. Aber so einen Schützen hatte der Verkäufer noch nie gesehen.

Ich nahm mir fest vor, Eric mal gewissenhaft auf den Zahn zu fühlen, was es mit seiner militärischen Vergangenheit auf sich hatte. Während unserer Flucht aus dem Labor, hatte ich dafür keine Zeit gehabt. Eric selbst dachte kaum an diese Zeit und wenn, dann nur sehr oberflächlich. So, als wäre das schon Ewigkeiten her, oder als habe er alles verdrängt. Auch erzählte er nie etwas über das, was er da gemacht hatte. Wobei – eigentlich erzählte er so gut wie nie etwas über sich.

Nach über sechs Stunden verließen wir schließlich das Gebäude und standen wieder auf dem Landedeck. Mit Chris einkaufen zu gehen war zwar einerseits ziemlich spaßig, aber auf Dauer doch sehr anstrengend. Letztlich überwog aber auf jeden Fall der Spaß. Frank hatte sich immer mal wieder gemeldet, vor einer Stunde sagte er, dass Arne es jetzt erfahren hätte, dass Chris mit uns losgezogen war, er ihn aber wieder beruhigen konnte.

Auf dem Rückflug, der wieder fast eine Stunde dauerte, informierte ich auch Chris über das mögliche Unheil. Doch der lachte wieder nur und meinte, dass Arne das inzwischen von ihm gewohnt sei. Dabei erfuhren wir dann, ganz nebenbei, dass Arne der Patenonkel von Chris war, was Einiges von dessen Verhalten erklärte.

Kaum gelandet, schleppten wir unsere 'Beute' zum Van und fuhren zu unserem Domizil, wo auch schon Arne auf uns wartete.

»Was hast du dir dabei gedacht, ich habe es dir doch ausdrücklich verboten. Welcher Teil meiner Anordnung war unklar?«, Arne war ganz offensichtlich sehr sauer. So gewohnt konnte er das also doch nicht sein.

»Keiner! Du warst wie immer sehr klar und präzise. Nur habe ich dich nicht um Erlaubnis gefragt, sondern dich lediglich informiert, falls du dich erinnerst.«, Chris schien auf Konfrontation gehen zu wollen.

Einen Moment war Arne wirklich perplex, wusste nicht, was er sagen sollte. Deshalb schlug Chris gleich noch einmal nach.

»Ihr habt immer gesagt, dass Mike und seine Freunde keine Gefangenen sind, sondern jederzeit gehen könnten. Ich bin keiner deiner Leute und unterstehe nicht deiner Befehlsgewalt. Wenn ich also mit Mike, Julian und Eric losziehe, dann hast du mir dies nicht zu verbieten.« Da war noch mehr im Hintergrund, das war jetzt klar. Aber ich fand Chris Argumentationskette schlüssig.

»Du hast versprochen, nie ohne Schutz von hier wegzugehen, das hast du doch versprochen?« Arne hatte die Strategie gewechselt, aber da hatte er Chris wirklich unterschätzt.

»Ja, das habe ich versprochen!« Chris Augen leuchteten triumphierend, und Arne wusste, dass er verloren hatte, aber Chris fuhr fort »Ich hatte sogar den besten Schutz, den man sich vorstellen kann bei mir! – Oder wer hätte gegen Mike, Julian und Eric eine Chance, mit dem deine Leute fertig würden?«

»Aber dann hätten sie ihre Fähigkeiten zeigen müssen und dies sollte doch vermieden werden.«

Mit einem kalten Lächeln rief Chris nur »Eric!«, in derselben Sekunde hatte dieser die Viper in der Hand, er zielte absichtlich nicht auf Arne, aber der verstand auch so. Er war lange genug bei der Abwehr gewesen um zu sehen, dass Eric Profi war. Aber warum machte ihn das nicht nachdenklich? Schließlich war Eric doch nur ein 'normaler' Soldat gewesen, oder wusste Arne da mehr?

Arne gab er sich geschlagen, sagte aber noch: »Dein Vater war sehr beunruhigt, ich denke, er wird dir noch einiges zu sagen haben. Und er hört nicht immer auf Argumente, wenn es um die Familie geht, wie du sicherlich weißt.«, das klang schon fast so wie Mitleid.

»Ich habe ihn informiert und gesagt, dass mir, in dieser Gesellschaft nichts passieren kann, ehrlich Arne, wenn er wieder davon anfängt, haue ich noch ab.« Chris wirkte jetzt schon fast verzweifelt, alle Fröhlichkeit war wie weggewischt. Stumm legte ich ihm meine Hand auf die Schulter und zog ihn an mich. Das ging völlig automatisch ohne nachzudenken. Auf Chris hatte es jedoch die gewünschte Wirkung. Ihm schien es gleich wieder etwas besser zu gehen.

Arne lächelte ein wenig traurig, drehte sich um und ging zu seinem Wagen. Die gute Stimmung war natürlich futsch, aber andererseits hatte Chris dies auch schon vorher gewusst. Erst jetzt sah ich, dass Stefan im Eingang stand und mit der Situation auch nicht sonderlich glücklich war.

Nachdem wir ausgeladen hatten, verabschiedete sich Chris von uns und fuhr danach mit seinem Van los. Ich hoffte wirklich, dass er sich mit seinem Vater nicht zu sehr stritt. Gemeinsam gingen wir ins Haus, wo Stefan ungläubig auf die ganzen Einkäufe starrte.

»Die Eurocredits haben wir nicht gebraucht, das ging alles auf NeckTech.«, sagte Julian zu Tom und gab ihm die Sachen, die wir für ihn und Lukas gekauft hatten. Danach erzählten wir, was wir da so die letzten Stunden getrieben hatten. Stefan schüttelte nur den Kopf, sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Von der Waffenberechtigung und der Kreditlinie hatte er auch nichts gewusst.

Lukas, der inzwischen zu uns gestoßen war, erinnerte uns an etwas, was wir schon völlig vergessen hatten. Er fragte, ob Julian und ich unseren Geburtstag feiern wollten, da morgen schließlich der 28.Oktober sei.

Für eine große Feier hatten weder Julian noch ich im Moment große Lust, aber abends etwas Grillen wäre echt nicht schlecht. Eric checkte noch schnell die Vorräte und sagte, dass dafür genügend da sei. Wir entschieden, dass wir Arne, Chris und Martin auch noch einladen sollten, mehr Leute kannten wir hier eh nicht.

Eric schlug daraufhin vor, wir könnten uns ja noch umziehen und zu Chris joggen, der würde ja nur ein paar Kilometer entfernt wohnen. Das hatte er während der Herfahrt erzählt und uns den kleinen Bungalow gezeigt. Nachdem Julian jetzt auch so einen tollen Sportanzug hatte, überredeten wir ihn, mitzukommen. So machten wir uns schließlich kurz vor 21 Uhr auf den Weg. Die Dunkelheit spielte für uns keine so große Rolle, außer natürlich für Eric, aber die Wege waren ja beleuchtet.

33 – Sledgehammer

Wir brauchten ca. 10 Minuten, denn es waren knappe 3 km bis zu dem Bungalow von Chris. Auf der Terrasse brannte Licht und so gingen wir gleich um das Haus herum, in den Garten. Von drinnen hörten wir laute Stimmen, die eine war ganz sicher die von Chris, die andere war hörbar älter, sonorer und musste wohl die seines Vaters sein.

Beide führten hörbar ein Streitgespräch und wir überlegten schon, ob wir nicht einfach wieder gehen sollten, aber Eric wollte erstmal bleiben. Natürlich war ich auch neugierig, aber das würde ich nie zugeben.

Wir gingen näher heran und dann hörten wir den Vater gerade sagen: »...dich nicht auch noch verlieren, kannst du das denn nicht verstehen?«

»Aber mich einzusperren und ständig zu überwachen bringt dir überhaupt nichts. Und so, wie du gesagt hast, ist es hier ja auch nicht mehr sicher.«

Meinte Chris uns?

»Die Zwischenfälle waren alle nur in den Laboratorien der Physiker. Hier ist noch nie etwas passiert.«

»Ach, die Labors sind also schlechter gesichert, als das Gelände?«, spottete Chris.

»Natürlich nicht, aber musst du dich noch extra in Gefahr begeben?«

»Wo ist denn da die Gefahr? Wer kennt sich besser aus mit PSI-Phänomenen als Mutanten? Wo sollte ich sicherer sein, als bei Mike und seinen Freunden?«, rief Chris sehr aufgebracht.

»Du weißt nichts über ihn, du weißt nicht, was sie dort alles erlebt haben. Niemand kann sie zur Zeit einschätzen.«

»Blödsinn! Sie können, allein aufgrund der Zeit, nichts damit zu tun haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du es auch nur in Erwägung ziehst, dass ihre Flucht ein Bluff war.« Chris war jetzt sehr laut geworden, offensichtlich glaubte er, uns vor Anschuldigungen in Schutz nehmen zu müssen.

»Das habe ich auch nie behauptet. Natürlich haben sie damit nichts zu tun.«, der Vater wurde wieder leiser, eindringlicher. »Aber auch Arne sagt, dass sie gefährlich sind. Man kann sie nicht einschätzen, sie sind einfach unberechenbar.«

»Unsinn! Sie sind nicht unberechenbar, sie reagieren nur, wie jeder reagieren würde, der sich in die Ecke gedrängt fühlt. Sie wissen nicht, wem sie trauen können. Und deine Informationspolitik ist auch alles andere als vertrauensvoll.«

»Ja klar! – Und von was Allem fühlen Sie sich bedroht? Jede harmlose Bemerkung kann sie provozieren.«, grollte der Vater.

Chris lachte bitter: »Die Entführung liegt jetzt auch schon drei Jahre zurück, trotzdem glaubst du, mich in einen goldenen Käfig sperren zu müssen. Sie sind diesem Labor gerade 2 Tage entronnen. Was erwartest du da?«

»Das sie uns vertrauen! Wir haben Arnes Freund, diesem Stefan Schmidt geholfen, das wissen sie. Wir haben nichts verlangt, als dass sie uns vertrauen. Doch sie sind ganz offensichtlich dazu nicht in der Lage.«

Chris rang nach Fassung »Hörst du mir überhaupt zu? – Zwei Tage! – Gerade einmal zwei Tage und sie sollen dir trauen? Einem Wissenschaftler, der sich nicht einmal traut, seine Gäste zu besuchen? Der auch noch jede Menge Geheimnisse vor ihnen hat? Der ihnen wichtige Informationen, die sie betreffen könnten, vorenthält?«

Es war einen Moment still, dann eröffnete der Vater eine neue Front: »Du solltest dich auch von ihnen fernhalten, das haben wir so abgemacht, mein Sohn.«

»Du hast es mir gesagt! Ich habe dir nie versprochen, mich danach zu richten.«

»Das Risiko ist einfach zu groß! Sie reagieren einfach auf alles, was sie in irgendeiner Form auch nur gefährden könnte.«

»Ja eben, und ich stelle keine Gefahr für sie da. Weil sie mich mögen und weil ich sie mag.«

Wenn ich ihn bisher nicht schon gemocht hätte, dann spätestens jetzt. Auch Eric grinste breit, während sich Julian an mich lehnte. Sollten wir wirklich noch länger zuhören? Der Vater hatte Angst um Chris, die er aber nicht einmal selbst so richtig begründen konnte.

»Trotzdem, nach Ende der Ferien gehst du wieder in das Internat. Dort bist du sicherer.«, klar und bestimmend sagte das der Vater.

»Damit habe ich mich ja schon abgefunden, aber in der Zwischenzeit lass mich das machen, was ich für richtig halte. Und informiere sie über die Zwischenfälle. Du bist auch für deine Gäste verantwortlich.«

»Was soll das denn heißen?«, der Vater brauste jetzt wieder auf. Die alte Schule, niemand darf an seiner Gastfreundschaft zweifeln.

»Wenn sie von den Zwischenfällen wissen, können sie sich darauf vorbereiten. Sonst könnte es passieren, dass sie sich wirklich angegriffen fühlen! Ist das denn so schwer zu verstehen?«

Nachdenklich erwiderte der Vater: »Ich werde Morgen oder Übermorgen noch mal mit Arne darüber reden.«

»Nein! – Heute noch!«, das war Chris wie in dem Sportgeschäft. Hart, bestimmt und fordernd. »Arne wollte es ihnen schon die ganze Zeit sagen. Und das weißt du genau.«

»Wer hat hier das letzte Wort?«

»Der, der 'Jawohl Chef' sagt, auch wenn er weiß, dass es falsch ist? Ich dachte, so etwas wolltest du nie.«, das muss wohl eine Art Tiefschlag gewesen sein, denn jetzt war wieder einige Sekunden Ruhe. Doch Chris legte gleich noch nach.

»Ihr fordert immer Vertrauen! Wie wäre es wenn ihr so etwas auch mal zeigen würdet.«

»Das hat doch mit ihnen nichts zu tun, es ist etwas Firmen-Internes.«

»Du weißt genau, dass das fortgeschrittener Schwachsinn ist! Einerseits beklagt ihr euch, dass man nie weiß, wie sie reagieren, dass sie auf die kleinste Kleinigkeit anspringen. Und dann willst du ihnen 'Personen', die hier beliebig auftauchen und Sachen klauen, als interne Angelegenheit verschweigen?«

Ups, was soll denn das heißen? Auch Erics Lachen war wie weggewischt und ein leichtes Frösteln schien Julian zu erfassen.

»Davon wissen sie nichts, also ist es etwas Internes.«

Damit wussten wir es aber und darüber mussten wir mehr erfahren.

»Starrkopf! – Wenn sie es bemerken, dann könnten sie sich angegriffen fühlen! – Das sagt übrigens auch Arne.«

»Ach, plötzlich ist es wieder wichtig, was Arne sagt?«

»Es ist immer wichtig, was Arne sagt, aber weder du noch ich halten sich immer daran. Jetzt wäre es aber sinnvoll.«, ich 'hörte' ihn fast schon grinsen.

Die Unterhaltung war wirklich aufschlußreich, langsam war ich mir sicher, dass Chris Vater zu den 'ersten Zehn' von NeckTech gehörte, also zu den ersten zehn Mitarbeitern, die Neckler damals eingestellt hatte. Sie hatten das Unternehmen mit aufgebaut. Und alle bekleideten höchste Positionen innerhalb von NeckTech. Wahrscheinlich war er für den ganzen Campus hier verantwortlich.

Doch wir hatten jetzt genug und mit einem kurzen Rundblick vergewisserte ich mich, dass Julian und Eric derselben Meinung waren. Wir gingen auf die Terrasse und zu der offenen Tür. Ich sah Chris, der auf der Couch saß, herumfahren und dann lächeln, als er uns erkannte.

In einem hochlehnigen sehr bequemen Sessel saß ein weißhaariger Mann, der sich jetzt zu uns herumdrehte. Im ersten Moment fiel mir wieder die unglaubliche Ähnlichkeit dieses Mannes mit dem alten schottischen Schauspieler ein, der früher mal als Doppelnull-Agent sehr bekannt war. Doch ich sah in die Augen des Mannes, den man auf der ganzen Welt als Dr. Neckler kannte. Das also war Chris Vater, darum wollte er den Namen nicht sagen. Und darum ließ er sich auch von Niemandem Vorschriften machen.

»Hallo Mike, Julian, Eric schön euch zu sehen, darf ich euch meinen Vater vorstellen? Ich denke ihr wisst, wer er ist.«, Chris war aufgestanden und zögernd auf mich zugegangen. In den Augen seines Vaters erkannte ich so etwas wie Panik.

Ich ging Chris entgegen, umarmte ihn und sagte. »Hi, du alter Gauner, das hättest du uns aber wirklich früher sagen können.«, ich versuchte, mehr Freude über seine Begrüßung, als Vorwurf über das Verschwiegene, in meine Stimme zu legen.

»Eigentlich wollten wir dich zu unserem Geburtstag einladen, aber jetzt müssen wir uns das noch einmal überlegen.«, Julian schaffte es tatsächlich, das Todernst zu sagen.

Chris schien einen Moment in meiner Umarmung zu erstarren, dann sagte Dr. Neckler schnell: »Das war aber meine Schuld! Ich habe es ihm ausdrücklich verboten, nachdem er sich schon, gegen meinen Willen, mit ihnen getroffen hat.«

Na der Mann liebt klare Worte. Ich streichelte Chris sanft über den Rücken und auch Julian konnte sich ein Lächeln nicht mehr verkneifen.

»Das war jetzt eine Verarschung Julian, oder?«

»Na klar doch, du gehörst doch auch nicht zu denen, die glauben, dass wir deswegen ausflippen.«

Chris lächelte leicht, und schien mit seinen Augen bei Eric Hilfe zu suchen. Dann murmelte er leise »Deswegen nicht – aber...« Ich drückte ihn etwas von mir, legte aber weiter den Arm um ihn. Schon bei Eric hatte das immer gewirkt. Hatte wohl auch etwas mit dem Reiki zu tun.

Er hat mir gesagt, dabei hätte er immer das Gefühl gehabt, dass er unter meinem Schutz stehe. Es wäre unheimlich beruhigend für ihn gewesen. Bei Chris wirkte es scheinbar genauso, auch wenn uns sein Vater etwas kritisch beobachtete.

»Ja, über das Andere müssen wir wirklich reden, eigentlich wollten wir nicht lauschen, aber ihr wart sehr laut und es betraf auch uns.«

Chris stupste mich an »Du bist jetzt nicht sauer?«

»Doch! – Aber mehr auf mich als auf dich. Es gab da wirklich einige Hinweise, die es mir hätten verraten sollen.«

»Ich hab euch aber nie angelogen! Nur – halt nicht immer alles gesagt.« Chris lächelte ein wenig verlegen, während sein Vater noch immer unsicher da stand.

»Darum bin ich auch eher sauer auf mich, ich hätte es raffen müssen.«

Plötzlich sagte Eric zu Dr. Neckler: »Wir würden Chris nie etwas tun, selbst wenn er uns wirklich angelogen hätte. Wir wissen einfach, dass er uns wirklich mag, so wie wir sind, deshalb ist er sicher. Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben. Übrigens – ich bin kein Mutant, also können sie mir glauben.« Der letzte Teil war dann wohl nicht mehr zu Dr. Necklers Beruhigung gedacht, denn Eric zeigte schon ein fast boshaftes Lächeln.

Chris sprach jetzt seinen Vater an »Sag es jetzt endlich, sie haben sowieso schon längst etwas mitbekommen.«, und dann mit einem fragenden Blick zu mir, »Oder?«

Ich lachte: »Ja, wir haben da ein paar Dinge gehört, über die wir sehr gerne mehr erfahren würden.« Ich sagte es völlig neutral und versuchte auch überhaupt nicht, ironisch zu werden.

Julian ergänzte noch: »Frank hat die ganze Zeit über schon angedeutet, dass Mutanten ihn scheinbar überwachen.«

»Davon habe ich noch nichts gehört.«, fuhr Dr. Neckler auf. »Warum hat er nie etwas zu Arne gesagt?«

»Weil er nicht wusste, dass es etwas 'Firmen-Internes' sein könnte. Er dachte, es wäre etwas 'Mutanten-Internes'.«, sagte ich spöttisch. »In der Regel haben nur Mutanten Probleme mit Mutanten.«

Dr. Neckler überlegte einen Augenblick und sagte danach etwas brummig: »Gut, aber dann sollten alle dabei sein, die es etwas angeht. Ich werde Arne Koch zu eurer Unterkunft rufen, und wir fahren am Besten auch gleich dort hin.«

Nicht nur ich atmete in diesem Augenblick etwas auf, es wäre auch zu blöde gewesen, wenn wir uns nicht einigen könnten. Zusammen mit Dr. Neckler und Chris fuhren wir gleich darauf zu unserem 'Domizil'.

Stefan war mehr als nur etwas überrascht, Dr. Neckler mit uns in das Haus kommen zu sehen. Doch noch größer war seine Überraschung, als er erfuhr, dass Chris dessen Sohn war. Da hatte also sein Freund Arne ihm gegenüber auch nicht alles erwähnt. Sicherlich war da nun auch eine Aussprache fällig, wie ich Stefan kannte.

Wir gingen noch Duschen und zogen uns noch einmal um. Alleine schon um Chris zu zeigen, wie gut mir die Sachen, die wir heute gekauft hatten, gefielen. Im neuen Einheitslook, auch Tom und Lukas hatten inzwischen ihre neuen Sachen anprobiert, kamen wir schließlich wieder unten an. Aus einem inneren Drang heraus hatte ich mir meine 'Viper' umgeschnallt. Julian folgte meinem Beispiel automatisch, als er es sah und Eric trug seine neue 'Freundin' sowieso ständig.

Pascal und Stefan zogen nur kurz die Augenbrauen hoch, sie hatten genug Erfahrung, um sofort zu sehen, dass wir nun Waffen trugen. Obwohl die Viper recht klein war und fast nicht auftrug.

Unten angekommen erfuhren wir, dass sich Arne etwas verspäten würde, da er noch aufgehalten wurde. So begann Dr. Neckler ohne Arne zu berichten.

»Das Ganze hat vor ein paar Wochen begonnen, genau am 3. Oktober um ca. 23 Uhr 30. Es gab einen Alarm aus einem unserer Kernphysiklabors. Die Untersuchung ergab, dass es jemandem gelungen war, an allen Sperren vorbei bis in das Hauptlabor vorzudringen und etwas an sich zu bringen.

Obwohl in diesem Labor auch künstliche Diamanten im Wert von etlichen 100.000 Euros lagerten, entwendete der Dieb ein Medikament! Ein sehr teures und seltenes, aber im Wert nicht zu vergleichen mit den Diamanten.

Bei dem Medikament handelte es sich um 'Rowalgonit' ein Spezialprodukt einer unserer Tochterfirmen. Rowalgonit ist ein Medikament gegen Zellschäden, wie man sie zum Beispiel nach einem Strahlenunfall erleidet. Das Medikament ist zwar extrem teuer, jedoch gehört es bei uns in allen Laboratorien zum Erste Hilfe Set. Wenigstens in den Labors, in denen mit Strahlung gearbeitet wird, oder in denen die Gefahr einer Verstrahlung besteht. Denn je früher 'Rowalgonit' verabreicht wird, desto größer sind die Erfolgsaussichten.

Bei dem Einbruch konnten keinerlei Spuren gefunden werden, und da der Schaden nicht so groß war, wurde die Sache nicht als so dringend angesehen. Zwei Tage später passierte das Gleiche in einem anderen Labor. Wieder wurde nur 'Rowalgonit' entwendet, obwohl auch hier weit wertvollere Dinge zur Auswahl gestanden hatten.

Es war klar, dass dies kein Zufall sein konnte. Irgend jemand benötigt 'Rowalgonit' und das in einem ziemlich hohen Umfang. Die erbeutete Menge hätte für 14 Anwendungen gereicht. Bei einem normalen Strahlenunfall reichten in der Regel 5 bis 8 Anwendungen. Weitere Anwendungen würden nach Ansicht der Mediziner auch kaum noch Sinn machen.

Nur es ging weiter, alle paar Tage, aber mindestens zweimal in der Woche, gab es so einen Zwischenfall. Insgesamt waren es bis jetzt 9 Einbrüche. Der letzte Versuch ist nun vier Tage her und wir rechnen ständig mit einem Neuen.«

»Nur Versuch?«, wollte Stefan wissen.

»Ja, Einbruch-Versuche, auch deshalb, weil wir in den in Frage kommenden Gebäuden inzwischen Wachroboter stationiert haben, die konnten zwei Versuche abwehren, beim letzten Mal wurde der Robot zerstört.

Bei den Einbrüchen gab es keine Spuren und keinen Alarm von den Türen. Erst über die Gebäudeüberwachung, die eine lokale Temperaturänderung meldet, wurde der Sicherheitsdienst alarmiert. Deshalb glauben wir, dass es sich um einen Teleporter handeln muss.«

Dr. Neckler hatte gerade geendet, als Frank nüchtern sagte: »Seit etwa drei Stunden gibt es erhöhte PSI-Aktivitäten. Jemand versucht das ganze Areal abzutasten und auszuspähen. Es ist aber nicht ein einzelner Telepath, wie ich anfangs vermutete, es scheinen mindestens drei oder vier zu sein. Ich dachte zuerst, es sei einer der 'Freien', jetzt sieht es aber nicht mehr danach aus. Es sind mehrere, die nicht sonderlich stark sind. Außerdem, wenn einer der 'Freien' Teleporter das 'Rowalgonit' benötigt, würde er es aus der Produktion entwenden.«

»Die Produktion ist aber sehr gut gesichert, wie gesagt, das Rowalgonit ist teuer.«, erwiderte Dr. Neckler daraufhin

»Besser gesichert als ein kernphysikalisches Labor?«, zweifelte Eric und Dr. Neckler wurde mit einem Mal sehr nachdenklich.

»Die wissen wahrscheinlich nicht, wo es produziert wird, haben aber erfahren, dass es in den Labors zu bekommen ist.«, vermutete Lukas. »Für die war dies der einfachste Weg.«

Dies war möglich, aber hatten sie jetzt genug, oder warum zögerten sie nun? Fragend sah ich Dr. Neckler an: »Haben sie seit dem letzten Zwischenfall, bei dem der Robot zerstört wurde, etwas an der Sicherheit geändert.«

»Nein, der Robot war teurer als das, was gestohlen wurde. Wir sind im Moment noch am Überlegen, was wir machen sollen. Wie gesagt, das 'Rowalgonit' ist teuer. Bis jetzt waren es ca. 65.000 Euro, aber so ein Robot kostet mit Abnahme und allem über 160.000 Euro.«

»Frank wie lange bist du schon hier, ich meine warst du auch schon vor unserer Befreiung auf dem Campus?«, ich hatte da plötzlich eine Ahnung.

»Ich müsste in der Nacht hier angekommen sein, in der der letzte Überfall geschah. Aber ich wohnte zu der Zeit bei Arne.«

»Dem Leiter der Sicherheit! Ein Mutant taucht Stunden nach dem letzten Zwischenfall hier auf, und wohnt bei dem Chef der Sicherheit!«

Ich war jetzt wirklich etwas sauer und genervt. Chris hatte völlig Recht, dies war längst keine interne Angelegenheit von NeckTech. Es betraf ganz unmittelbar unsere Sicherheit.

Julian brachte es für alle auf den Punkt: »Wenn ich dieses 'Rowalgonit' unbedingt benötigen würde, zum Beispiel für Mike. Und ich befürchten müsste, dass andere Mutanten mich daran hindern wollten, warum auch immer, dann bliebe mir nichts anderes übrig, als diese anzugreifen.« Bedrücktes Schweigen, bis Julian nachdenklich fortfuhr.

»Zuerst würde ich versuchen herauszubekommen, wie stark sie sind. Sind sie schwächer, würde ich es mit Verhandlung probieren. Wären sie jedoch gleichstark oder gar stärker, so würde ich so hart wie möglich zuschlagen. Da sie ja wissen, dass ich das Zeug benötige, wüssten sie auch, dass mir nichts Anderes übrig bleibt.« Er sah nun Dr. Neckler keineswegs freundlich an. »Ich hoffe, wir haben uns da keinen Mutantenkrieg eingehandelt.«

Frank nickte bedächtig: »So würden fast alle vorgehen, nur die Option noch zu verhandeln, die werden die Wenigsten in Betracht ziehen. Wer sich kaufen lässt und anderen in den Weg stellt, braucht nicht mit viel Rücksicht rechnen.«

Dr. Neckler war jetzt ziemlich blass geworden, er verstand natürlich, in welche Gefahr er uns, aber auch sich selbst gebracht hatte. Wir hatten einfach keine Ahnung, wie stark die Mutanten waren, und über welche Fähigkeiten sie verfügten.

34 - Brother in Arms

Wir überprüften noch einmal unsere Waffen, auch Stefan und Pascal holten sich ihre. Seltsamerweise hatten Lukas und Tom, schon bevor wir zurückkamen, ihre angelegt. Sie hätten ein ungutes Gefühl gehabt. Das hatte ich inzwischen auch. Wie vor zwei Tagen, als ich spürte, dass der Reaktor durchgehen würde, noch bevor Eric es uns sagte.

Präkognition nannte man so etwas. Das Vorausahnen zukünftiger Ereignisse. Bei uns jedenfalls war es scheinbar nur auf Gefahren beschränkt. Aber auch dies konnte schon sehr hilfreich sein. Dieses Gefühl verstärkte sich nun immer mehr. Wir waren also scheinbar wirklich in großer Gefahr.

Lukas war wieder in die 'Ortungs-Starre' übergegangen, wie wir das nannten. Er beherrschte das telekinetische Orten oder Teleorten am Besten von uns allen. Wenn er sich, so wie jetzt, völlig vertiefte, dann konnte er einen Radius von 500 Metern überwachen und das rundum.

Bald darauf hörten wir ein Auto kommen und Julian, der mit Frank einen Block gebildet hatte, sagte mit monotoner Stimme nur kurz: »Arne, er ist alleine!« – mehr nicht. Das genügte uns jedoch, um zu wissen wer kommt und dass keine Gefahr von dem Wagen drohte. Als Arne wenig später den Raum betrat und unsere Anspannung bemerkte, war er kurz davor, sich wieder über unsere 'Paranoia' aufzuregen. Doch dann erkannte er die Anspannung bei allen Anderen, sowie das ernste Gesicht von Dr. Neckler und blieb zunächst ruhig.

Ich kümmerte mich erst gar nicht um ihn und beriet zusammen mit Eric und Tom, welche Möglichkeiten wir hatten. Ohne jedoch zu wissen, wer oder mit was, wir angegriffen würden, war das Planen einer Verteidigung schwer möglich. Zwischenzeitlich war Arne von Stefan und Dr. Neckler informiert worden, und wusste nun, welche Befürchtungen wir hatten. Seine Begeisterung hielt sich erwartungsgemäß in Grenzen.

Zumal er selbst eine schlechte Nachricht überbringen musste: »Ich komme gerade von einem 'Zwischenfall der besonderen Art'. Eine unserer Streifen, also eine Patrouille von zwei Mann wurde mit Schockwaffen betäubt aufgefunden. Man hat ihnen ihre Waffen, darunter auch vier Thermaldetonatoren entwendet. Ihnen selbst ist nichts geschehen, außer den Schmerzen natürlich.

»Das ist gut für uns.«, sagte Eric und alle sahen ihn nun doch etwas entgeistert an. Nur Stefan und Arne schienen zu verstehen, was er meinte. Auch Pascal lächelte ein wenig.

Eric erklärte: »Mike würdest du oder Julian einen Thermaldetonator benutzen? Ich denke wohl eher nicht, denn ihr seid mit euren Fähigkeiten stärker und vor allem flexibler. Wenn eure 'Brüder' es aber für nötig halten, sich TD's zu besorgen, dann eben nur, weil sie solche Fähigkeiten nicht haben.«

»Wir müssen also damit rechnen, dass in unmittelbarer Nähe des Hauses ein Teleporter erscheint und uns so ein Ding vor die Füße schmeißt.«, folgerte Tom daraufhin.

»Wie hoch ist die Chance, dass er im Haus auftaucht?«, fragte ich Frank, der ja selbst ein Teleporter war.

»Hm, ich bin alles andere als ein guter Teleporter.«, brummte Frank nachdenklich. Dr. Neckler zuckte bei dem Satz zusammen, bisher hatte Frank keinen Grund gehabt, es ihm gegenüber zu erwähnen. »Und ich würde es auch nicht riskieren. Man kann zwar angeblich nicht mit anderen Gegenständen verschmelzen, aber ausprobieren will das auch keiner.«

»Also wird der Angriff, wenn überhaupt, von außerhalb des Hauses kommen?«, fragte Arne.

»Mit 85% Wahrscheinlichkeit, je nachdem, wie wichtig das Ziel, also unsere Ausschaltung, dem Teleporter ist. Wenn er sehr erfahren, und das Problem sehr dringend ist, könnte er es auch riskieren, hier drinnen aufzutauchen. Ich würde allerdings alles tun, dies zu vermeiden.«

»Ich spüre einen seltsamen Doppelimpuls!«, rief Tom plötzlich.

»Einen elektromagnetischen?«, fragte ich schnell.

»Nein – mehr in Richtung Telepathie, aber nicht die 'normale Frequenz' oder was auch immer.«, war seine unsichere Antwort. Wir hatten einfach zu wenig Erfahrung auf diesem Gebiet.

»Kannst du uns darauf einweisen, schnell!«, Frank und ich bildeten nun einen Block, während Julian allein weiter suchte.

Kurz darauf spürten wir den Doppelimpuls auch, einfach nur zwei starke Impulse, sehr dicht hintereinander. »Der war näher!«, rief Tom. Franks Nicken bestätigte meine Vermutung. Wir hatten so eben die Teleportation eines Menschen gespürt.

»Könnt ihr die Richtung ausmachen?«, wollte Eric wissen.

»Noch nicht!«, antwortet Tom und ich löste mich von Frank. Welche Möglichkeiten hatten wir gegen einen Teleporter, der überall hier erscheinen, seinen Thermaldetonator schmeißen und sich danach in Sicherheit bringen konnte? Tom oder ich mussten den TD zerstören, bevor er detonieren konnte.

»Stefan – was bringt ein EMP-Impuls gegen einen Thermaldetonator?«

»Nichts, oder nicht viel! – Die Temperatur ist nicht mehr ganz so hoch, da die Energie nicht kontrolliert freigesetzt wird, aber der eigentliche Auslöser ist mechanisch.«

Also würde es an mir liegen, dieses Ding zu erledigen, überlegte ich gerade. Da traf uns der nächste Doppelimpuls, diesmal war der Teleporter noch näher heran gekommen.

Ein Blick zu Frank genügte: »Er ist auf dem Gelände, ca. 5 km Entfernung würde ich schätzen.«

Während ich noch überlegte, welche Vorbereitungen wir treffen konnten, warf eine Frage von Eric fast die gesamte mini Planung um. Er stand am Fenster und sah nach draußen als er sich plötzlich herumdrehte: »Arne? Aus was bestehen die Fenster?«

»Das ist Panzerplast Glas – wieso?«

»Und der Rest des Gebäudes?«, fragte Eric unbeirrt.

Arne ging ein Licht auf: »Das ganze Gebäude ist so gesichert. Ich sagte doch, dass hier ist der 'Denkerhügel' die Gebäude hier sind für besondere Gäste. Alles höchste Sicherheitsstufe.«

»Ja und kein Teleporter kann von draußen einen Thermaldetonator hier herein werfen, so lange alles geschlossen ist. Dies bedeutet aber, dass er persönlich hier im Gebäude erscheinen muss!«

Mit diesen Worten warf Eric den größten Teil meiner kaum vorhandenen Planung um. Das war es, was ich übersehen hatte, der Angriff würde nicht von außen, sondern 'musste' von innen stattfinden.

Plötzlich wieder ein Doppelimpuls! »Noch ungefähr 2 km entfernt. Der nächste bringt ihn in unsere unmittelbare Nähe. Ich denke nicht, dass er gleich hier herein springt.«, vermutete Frank, der als einziger von uns Erfahrung auf diesem Gebiet hatte.

Arne wandte sich nun an Dr. Neckler »Sie und Chris müssen sich sofort in Sicherheit bringen. Hier ist die Gefahr für sie einfach zu groß.«

Doch zu meinem Erstaunen antwortete Dr. Neckler vollkommen ruhig, wie er es schon die ganze Zeit über war: »Chris ist der Ansicht, dass er nirgends sicherer wäre als bei Herrn Torben und seinen Freunden. Nun im Moment bin ich geneigt, dieser Meinung zu folgen. PSI-Begabte haben die größten Chancen, mit diesem Problem fertig zu werden.«

Und wenn sich Chris irrt, wird er es nie erfahren, da wir alle dann nicht mehr leben, dachte ich spöttisch. Doch das war jetzt egal, wenn Dr. Neckler glaubte, dass dies nun der richtige Zeitpunkt sei, uns sein Vertrauen zu beweisen, dann war das seine Sache. Abgesehen davon, neigte ich im Moment ebenfalls dazu, Chris Recht zu geben.

Meine Überlegungen überschlugen sich: »Julian, kannst du ihn telepathisch erfassen?«

»Jein, ich spüre ihn, aber er blockt ab, er muss jetzt schon ahnen, dass wir von ihm wissen. Er ist sehr nervös, am Rande der Panik. Aber trotzdem ist er auch absolut entschlossen!«

Auch ich fasste nun einen Entschluss: »Tom! – Übernimm von Lukas die Teleortung, alle anderen ziehen sich zurück an die Wände. Er wird hier mitten im Wohnzimmer auftauchen. Er spürt, dass wir uns hier versammelt haben.« Frank nickte, um sogleich mit Julian und Pascal einen Block zu bilden. Zu dritt waren sie wesentlich stärker und flexibler.

»Lukas, du hilfst mir hier mit dem Teleorten, sobald er das Ding schmeißt, brauche ich die Position. Falls er andere Waffen benutzt, versuch sie nach oben in die Decke abzulenken, nur wenn uns nichts anderes übrig bleibt, werde ich ihn auflösen.«

»Frank, was passiert, wenn wir ihn töten, werden dann die anderen Mutanten sich gegen uns...«

»Nur die Leute seiner Gruppe, denn er gehört zu einer, da mindestens drei Telepathen für ihn arbeiten. Einige der 'Freien Mutanten' sind übrigens in der Nähe und beobachten.«

»Sie beobachten? Wozu?«

»Natürlich beobachten sie! Die wollen wissen, wie stark wir sind, nach der psionischen Aktivität die hier im Moment entfaltet wird, dürften sie einigermaßen beeindruckt sein.«, jetzt fing auch er an zu grinsen. Ihm schien es zu gefallen, dass die 'Freien' jetzt etwas verunsichert waren.

Wir wurden von einem weiteren Doppelimpuls unterbrochen, diesmal war er für mich fast körperlich zu spüren.

»Keine 500 Meter von uns entfernt.«, schätzte Frank.

»Hinten am Wald, bei dem Brunnen! Ich hab ihn in der Teleortung. Du könntest ihn jetzt erledigen.«, flüsterte Tom.

Ich schüttelte unbewußt den Kopf, was Tom zwar nicht sah, aber er wusste sowieso, wie ich mich entscheiden würde. Noch hatte der Unbekannte uns nicht angegriffen. »Er trinkt jetzt von dem Wasser und hält seinen Kopf hinein.«

»Greif ihn dir telekinetisch und drücke ihn kurz tiefer ins Wasser. Zeig ihm, dass du ihn siehst.«, vielleicht die letzte Chance ohne Kampf dachte ich.

»Frank wie reagiert er?«

»Panik, er hat verstanden, er weiß, dass dies eine Warnung war.«

Ich griff nach Lukas, der mir das Bild vom Brunnen lieferte. Ein ausgehöhlter Baumstamm auf einem Steinsockel, eine Gestalt stand von uns aus gesehen dahinter. Hob jetzt, scheinbar nachdenklich, seine Hände in den Wasserstrahl. Ich konzentrierte mich und desintegrierte den Brunnen rechts und links von ihm. Dies war jetzt wirklich ein mehr als deutlicher letzter 'Schuss vor den Bug'. Ich sah, wie er entsetzt einen Sprung nach hinten machte.

Ihm musste einfach klar sein, dass ich ihn hätte vernichten können. Er sah wieder zu uns, ich spürte sein unsicheres telepathisches Tasten. »»Lass uns reden!««, sendete ich ihm, doch er brach sofort ab.

»Er ist total verzweifelt, und ich denke, ja er ist bereit zu sterben. Ich komme aber nicht an ihn heran. Er schirmt sich ab, und das ziemlich gut. Jetzt hat er sich entschlossen, ich spüre es ganz deutlich, die Angst ist weg. Er greift an!«, Frank sprach immer schneller und wieder – ein Doppelimpuls – jetzt erschien der Unbekannte mitten im Zimmer.

Schwarz gekleidet, ca. 175 groß, jung, sehr jung ca. 16 Jahre alt schätzte ich. Noch in der gleichen Sekunde sah ich die Thermaldetonatoren, er ließ sie einfach fallen. Er hatte sie gebündelt und gezündet. Wenn sie detonierten, würde nichts von diesem Haus übrig bleiben.

Gleich darauf versuchte er wieder zu teleportieren, aber Julian hatte ihn telekinetisch gepackt, und schien dabei einen Teil seiner Energie 'abzusaugen'. Ein entsetzter Ausdruck verzerrte sein Gesicht, damit hatte er nicht gerechnet.

Nun aber raste ein Geschoß von Eric auf den Jungen zu und schlug in seiner rechten Schulter ein. Währenddessen hatte ich die Thermaldetonatoren erfasst und löste sie noch auf, bevor es dem Jungen schließlich doch gelang zu teleportieren.

Das Ganze hatte keine 3 Sekunden gedauert, ich sah mich um, alle waren ein wenig blass, nur Chris grinste breit. Er sagte es zwar nicht, aber in seinem Lächeln lag so was wie 'Wusste ich es Doch, dass ihr es schafft', hatte der denn gar keine Nerven?

»Er ist völlig fertig, keine 30 Meter hat er es geschafft.«, meldete Frank.

Ich stürzte zur Tür hinaus, während Lukas und Tom mir die genaue Position bekannt gaben. Eric war an meiner Seite, als wir den Jungen auf dem Boden liegen sahen. Er stöhnte und drehte sich auf den Rücken, als er unser Kommen spürte. Jetzt war ihm klar, dass alles umsonst gewesen war; das Haus stand noch, und wir vor ihm.

Eric hielt seine Waffe in der Hand, aber der Junge versuchte erst gar nicht, nach seiner zu greifen. Telekinetisch riss ich ihm den Gürtel mit den Waffen und die Kleidung, die auch noch Waffen enthalten konnte und tatsächlich auch enthielt, vom Körper.

Nur noch mit Shorts bekleidet, lag der Junge vor mir, und hielt sich, mit vor Schmerzen verzerrtem Gesicht, die Schulter. Eric kniete da aber schon neben ihm und nahm dessen Hand vorsichtig weg. »Scheiße, ich habe einen Knochen erwischt.«, fluchte er.

Vorsichtig hob Eric den Jungen hoch und trug ihn ins Haus. Da ein sehr unangenehmer Geruch von ihm, genauer von seinen Shorts ausging, brachte wir unseren ungebetenen 'Gast' gleich ins Bad, wo ich ihm diese nun auch noch entfernte.

»Bitte das nicht, tötet mich, aber bitte nicht das!« Das waren die ersten Worte die er mit sich überschlagender Stimme sagte. Eric und ich sahen ihn an, ohne es wirklich zu verstehen. Dass er Angst vor Wasser hatte, konnte ja nicht sein?

»Mike kannst du mal die Blutung stoppen, ich will ihn etwas sauber machen.« Bewusst sprach Eric den Jungen nicht an, egal was er gesagt hätte, der Kleine war so in Panik, dass er nichts richtig wahrgenommen hätte. In Erics Blick lag aber auch eine Warnung. Ich hatte zwar auch eine Ahnung, was der Junge befürchtete, konnte es mir aber nicht so recht vorstellen.

Ich nahm die Hand des Jungen von dessen Schulter und untersuchte seine Wunde. Der Schuss ging zwar durch, hatte aber den Knochen splittern lassen. Das musste höllisch wehtun, dachte ich und nahm ihm als Erstes die Schmerzen. Von einem Augenblick zum Anderen hörte sein Wimmern auf, und er wurde ruhiger. Mit großen Augen sah er mich an, während Eric ihn, mit der Brause, säuberte. Auch die Wunde war inzwischen geschlossen, so dass er ihn ganz waschen konnte.

Nicht nur wegen der durch den Schock verursachten Inkontinenz war er verunreinigt. Der Junge machte insgesamt einen ziemlich ungepflegten Eindruck. Als wir ihn dann soweit sauber hatten, half Eric ihm beim Abtrocknen, wobei er die Intimzone bewusst nicht berührte.

»Hast du noch Schmerzen?« fragte Eric, um den Jungen ein wenig zum Sprechen zu bringen. Denn er wusste, dass der Junge keine mehr hatte.

Der aber schüttelte stumm den Kopf, anstatt wie erhofft etwas zu sagen.

Frank, der mit dem Rücken zur Tür stand und sie geschlossen hielt, beobachtete nur stumm und aufmerksam das Geschehen. Ich drehte den Jungen zu mir und hob seinen Kopf an, während Eric ihm noch den Rücken abtrocknete.

»Mach dich frei Junge, öffne dich.«, sagte ich zu ihm mit ruhiger Stimme. Doch der bekam wieder Panik und Tränen liefen ihm über das eigentlich hübsche Gesicht.

»Bitte nicht, ich hab es noch nie gemacht!«, wieder war uns nicht ganz klar, was er meinte. Wir hatten da zwar eine Ahnung, aber in dieser Situation konnte das doch einfach nicht sein.

Doch Frank belehrte mich eines Besseren: »In manchen Gruppen war es üblich, dass, nach einer Auseinandersetzung mit einer anderen Gruppe, ein Gefangener 'verfügbar' für alle sein musste. Anders gesagt, jeder der Gruppe durfte ihn missbrauchen, wie er wollte. Das passierte hauptsächlich dann, wenn der Gefangene zuvor grundlos getötet hatte, wobei jeder selbst festlegen konnte, was 'grundlos' war.

Das Ganze ist aber wirklich sehr alt und wird, soweit ich weiß, von keiner Gruppe mehr geduldet. Doch normalerweise hättet ihr ihn töten müssen, alleine schon für das, was er versucht hat. Deshalb wahrscheinlich seine Angst, ihr könntet etwas Schlimmeres mit ihm machen, als ihn zu töten.«

»Aber warum töten? Was hat er so Besonderes probiert? Ich dachte, bei solchen Auseinandersetzungen wird der Tod von anderen immer einkalkuliert?«

»Das schon, aber er hat euch mit Waffen angegriffen! Dies ist nach Ansicht vieler Mutanten 'unehrenhaft'!«, antwortete Frank, und der Zynismus in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Was es nicht alles gab! Bekämpfen und Töten ja, aber bitte nur mit den Fähigkeiten. So etwas kann sich nur ein sehr starker Mutant ausgedacht haben.

Ich hob den Kopf des Jungen an und suchte seine Augen, nach Franks Worten ahnte er, dass wir dies zumindest nicht vorgehabt hatten: »Keiner wird dir hier etwas tun – OK? Wir haben dich zweimal gewarnt, dass du uns dennoch angegriffen hast, zeigt uns eigentlich nur, wie verzweifelt du warst. Jetzt wüsste ich nur gerne, warum?«

Vorsichtig, um jedes Missverständnis zu vermeiden, band Ihm Eric das Handtuch um die Hüfte, und zusammen verließen wir das Badezimmer. Denn dass er nun etwas Zeit benötigte, um zu verstehen, war mir klar. Wir waren offensichtlich doch noch viel mehr 'Anders', als andere Mutanten. Draußen wartete Julian und lächelte ihn freundlich an: »Was macht die Schulter?«

Ich nahm Julian in den Arm, während Eric den Jungen ins Wohnzimmer zu einem Sessel führte. »Um seine Schulter müssen wir uns noch kümmern.«, flüsterte ich Julian zu und berichtete ich ihm, was Frank uns zuvor gesagt hatte. Wie würden die anderen Mutanten darauf reagieren? Wussten sie, dass wir ihm nichts taten?

Julian bejahte dies, die Telepathen seiner Gruppe, die draußen warteten, hätten Kontakt zu dem Jungen. Mindestens die wussten, dass er noch lebte und wir ihm nichts weiter getan hatten. Doch alles Weitere wurde von Frank geblockt. Deshalb war er auch immer an der Seite des Jungen. Die Telepathen sollten nichts weiter erfahren, als dass der Junge noch lebte.

Kaum im Wohnzimmer verabschiedete sich Dr. Neckler auch schon wieder von uns. Spöttisch meinte er, dass dies wohl eine Mutanten-Interne Sache sei, die unter 'uns' geklärt werden müsse. Aber er versprach uns, dass er ein Paket Rowalgonit schicken würde, da wir den Jungen ja wohl wieder gehen ließen? Ich musste ein wenig lachen, »Wie sollten wir ihn als Teleporter auch daran hindern.« Er nickte nur, und wusste wohl auch, dass ich den Jungen auch sonst nicht festgehalten hätte.

Arne und Chris wollten nun auch gehen, wobei das bei Chris wohl nicht ganz freiwillig geschah. Aber so viele Leute machten den Jungen offensichtlich nervös. Dass aber auch noch Stefan und Pascal gehen wollten, erstaunte mich dann schon. »He, das habt ihr wirklich gut gemacht, ich bin wirklich stolz.«, dabei leuchteten Stefans Augen richtig. Und als mir Pascal zuzwinkerte, bekam ich das Gefühl, dass die beiden heute Abend sowieso etwas ganz anderes geplant hatten. »Viel Spaß noch!«, rief ich, und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, wurde Stefan rot im Gesicht.

Jetzt waren wir nur noch zu sechst. Eric saß neben dem Jungen auf der Sessellehne, Julian, Frank und ich auf der Couch gegenüber, während Tom und Lukas die Umgebung 'im Auge' behielten. Der Junge, soviel hatte Eric inzwischen erfahren, hieß Nico und war Teleporter und Telepath, beides beherrschte er nur mittelmäßig, wie Frank sagte. Wobei Frank von sich sagte, dass er ein schlechter Teleporter war. Nico konnte angeblich mit einem Sprung bis zu 6 Kilometer überwinden, wenn er das Ziel genau kannte. Ich fand das schon sehr beeindruckend.

Nach und nach taute Nico etwas auf, als er begriff, dass wir ihn wirklich weder töten, noch foltern, oder ihm sonstwas tun wollten. Als seine Schmerzen langsam wiederkamen, ich hatte seine Wunden nur geschlossen, mussten wir ihn dennoch schon fast nötigen, sich auf den Tisch zu legen.

Er hatte einen schlanken Körper, der nicht sonderlich muskulös und fast völlig unbehaart war, wie ich ja schon gesehen hatte. Als Julian und ich seitlich an den Tisch traten, bekam er schon wieder etwas Angst.

Doch diese legte sich relativ schnell, sobald wir mit dem Reiki anfingen. Für seine Verletzung mussten wir nicht viel Energie aufwenden, aber es reichte schon, dass er eine volle Erektion bekam. Langsam griff Julian nach dem Handtuch, sah Nico dabei ständig an, und der ließ es zu, dass Julian es langsam wegzog.

Klar von der Bettkante hätte ich ihn bestimmt nicht gestoßen, zumal er fast 18 war. Er sah wirklich verdammt nett, richtig süß aus. In mir weckte er aber eher den Beschützerinstinkt. Ich hätte ihn am Liebsten in den Arm genommen, um ihn zu knuddeln und ein wenig zu schmusen. Und so ein 'Schnuckel' schmeißt Thermaldetonatoren nach uns, ich fasse es einfach nicht.

Nicos Blick schweifte zwischen mir und Julian hin und her, wenn er gewollt hätte, könnte er sich auch wegteleportieren, doch er blieb liegen. »Wenn ihr meinem Bruder helft, dann könnt ihr mich haben, ich mache alles, was ihr von mir wollt. Freiwillig.«

Julian und ich sahen uns beschämt an, ich fand Nico wirklich unheimlich schnuckelig und er sah wirklich nett aus, so wie er da lag. Aber niemals würde ich so einen Vorschlag auch nur in Erwägung ziehen. Diese Ablehnung schien er auch in meinem Gesicht zu sehen. Vorsichtig griff er mir zwischen die Beine, ertastete durch das Leder meinen Schwanz und begann ihn sachte zu massieren. Dabei flüsterte er fast schon verführerisch »Mike ich bin noch… ich hab wirklich noch nie. Du kannst alles mit mir machen – wirklich! Aber bitte hilf meinem Bruder, so wie du mir gerade geholfen hast.« Die Stimme klang verzweifelt, und ich glaubte ihm jedes Wort.

Behutsam schob ich seine Hand weg und beugte mich zu ihm, »Erst musst du uns alles erzählen, und dann werden wir entscheiden. Aber wenn wir dir oder eigentlich deinem Bruder helfen, so werden wir garantiert niemals so etwas von dir oder einem anderen verlangen. Oder sehe ich so aus, als hätte ich es nötig, jemanden zum Sex zu erpressen?«, fragte ich ihn, und versuchte es scherzhaft klingen zu lassen. Für einen kurzen Moment erschien sogar der Anflug eines Lächelns auf Nicos Gesicht.

»Eigentlich nicht, aber ich dachte...« Julian unterbrach ihn mit sanfter Stimme, Mann wie ich ihn dafür liebte, »Nico – so etwas könnte ich nicht ertragen und du sicherlich auch nicht. Was würde dein Bruder zu so einem 'Deal' sagen? Hast du dir das einmal überlegt?«

Julian hatte Nico jetzt aufgeholfen und sah ihm fest in die Augen, »Ich wollte zu so einem Preis nicht weiter Leben, glaubst du dein Bruder wollte das?« Nico schüttelte den Kopf und Tränen liefen ihm über die Wangen.

Julian hatte ihn längst wieder mit dem Handtuch bedeckt, streichelte noch einmal kurz über seinen Arm und flüsterte: »Entschuldige, dass ich da etwas provoziert habe, ich wollte dich einfach nur sehen. Es war wirklich nicht mehr.«

Nico schlang dann plötzlich seinen Arm um Julian und hielt sich einfach nur an ihm fest, während er leise schluchzte. Er musste wirklich völlig verzweifelt sein. Sachte streichelte Julian ihm den Rücken, bis sich Nico dann etwas beruhigt hatte.

»Also los jetzt, ich fürchte, wir haben nicht mehr viel Zeit!«, rief ich gerade, als 'Mutter', der Hauscomputer mit sanfter Stimme meldete: »Sie haben einen bekannten Besucher!« Eric öffnete und kam mit Martin und dem versprochenen Paket Rowalgonit zurück. »Dr. Neckler hat einen Flugschrauber bereitstellen lassen, falls Nico noch zu schwach ist, die ganze Strecke zu schaffen. Ich nehme an, du kommst aus einem der Sektoren oder?«, vergewisserte sich Eric.

Nico hatte fast nur noch Augen für das Rowalgonit »Ja, aus einem Randsektor von 'Sektor 20', da wohnen wir alle.«

Martin zauberte nun auch noch frische Kleidung für Nico hervor, woher er die schon wieder hatte, blieb mir ein Rätsel, oder unterhielt er hier ein Lager? Danach setzte er sich zu Lukas und Tom, um sich ein wenig mit ihnen zu unterhalten. Während Nico sich anzog, vollzog sich auch eine Änderung in seinem Verhalten. Er fühlte sich nun offensichtlich wesentlich besser und schien zu überlegen, was er uns erzählen sollte. Doch auf eine Märchenstunde hatte ich jetzt wirklich keine Lust.

Obwohl mich Frank warnend ansah, wie üblich hatte er einen sechsten Sinn, verlangte ich von Nico, seine Blockade sofort abzubauen oder zu verschwinden. Das Rowalgonit könne er mitnehmen, und wenn er noch mehr brauche, solle er sich melden.

Nico war geschockt! Sprach- und ratlos sah er von Einem zum Anderen. Offensichtlich verstand er nicht, was jetzt los war.

»He was glaubst du denn, wie wir uns fühlen?« fauchte ich ihn jetzt an. »Wir haben ein paar verdammt stressige Tage hinter uns und wollten uns hier erholen!« Nico begann zu ahnen, dass sein Fehler noch viel größer war, als gedacht.

Doch ich ließ ihm nur ein paar Sekunden, dies zu begreifen und fuhr fort: »Wir hängen jetzt schon mehr als eine Stunde hier herum. Von dir kam noch kein einziger erklärender Satz zu der ganzen Geschichte und ich werde jetzt langsam müde. Meine Freunde und ich haben heute Abend sicherlich noch Besseres vor, als uns jetzt auch noch eine Geschichte voller Halbwahrheiten anzuhören.«

Nico war mit jedem Wort etwas mehr in sich zusammengesunken. Er tat mir wirklich leid, aber das durfte ich jetzt nicht zeigen.

»Und versuche mir bitte nicht zu erklären, dass du mir die Wahrheit erzählen wolltest. Ich weiß, wie das läuft!«

Dass uns Nico nicht die volle Wahrheit erzählen wollte, war mir klar geworden, als er immer wieder versuchte herauszufinden, was wir wussten. Das war das typische Verhalten, um dann die eigene Geschichte entsprechend anzupassen. So was hatte ich früher bei meinen Eltern ja auch immer gemacht. Nur nie mehr gestehen, als sowieso schon bekannt war.

Noch zögerte Nico, und blickte Julian Hilfe suchend in die Augen. Er hatte genau erkannt, dass Julian bei ihm am ehesten weich werden würde.

Doch auch Julian schüttelte den Kopf und sagte mit seiner sanften Stimme: »Nico, Mike hat Recht, wenn du uns nicht bedingungslos die Wahrheit sagst, dann werden wir nichts mehr für dich tun. Wir sind schon viel weiter gegangen, als wir wollten, denn einen außerhalb der Gruppe zu heilen, war nicht vorgesehen. Ich denke, du ahnst auch warum.«

Mir war es ja auch klar geworden, nachdem ich seine Wunde verschlossen hatte. Aber ich hatte es nicht fertig gebracht, ihn unversorgt zu lassen. Dass damit genau das geschehen war, was wir heute Nachmittag noch unbedingt verhindern wollten, nämlich das andere, fremde Mutanten, von unseren Heilkräften erfuhren, war mir erst hinterher eingefallen.

Und Nico war alles andere als dumm, das bestätigte uns Frank, nachdem Nico nun seine Abschirmung fallen ließ. Nico hatte sehr wohl eine Ahnung davon, dass es für uns etwas gefährlich werden konnte, wenn wir ihn so gehen ließen. Seltsamerweise hatte er aber dennoch keine Angst mehr, dass wir ihm etwas tun würden.

35 - Sorry seems to be the hardest word

Frank 'verhörte' Nico fast 20 Minuten, der danach völlig eingeschüchtert und ängstlich im Sessel saß. Doch Frank klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. »He das wird schon, ich denke, wir werden dir helfen. Aber versprechen kann ich es dir nicht!«, dämpfte er dann auch gleich wieder Nicos aufkommende Freude.

Dann blickte er mich direkt an, »Es wird euch nicht gefallen, aber aus ihrer Sicht hatten sie nicht viele Möglichkeiten. Und es ist dringend, seinem Bruder geht es sehr schlecht.«

Er wollte gerade anfangen zu erzählen, als ich ihn schon wieder unterbrach: »Wie lange brauchen wir mit dem Flugschrauber zu seinem Bruder, oder in die Nähe?«

»Mindestens eine Stunde, um diese Uhrzeit bis 'Sektor 20', plus Anfahrt zum Flugfeld also mindestens 1:20 bis 1:30.«, antwortete Martin, bevor Frank dazu kam. Der nickte aber dankbar, weil er sich mit dem Flugverkehr nicht gut auskannte.

»Dann fahren wir gleich los, und du berichtest unterwegs. Wenn es so ist, wie du angedeutet hast, werden wir ja doch helfen. Wenn nicht, setzen wir Nico eben im Sektor ab. In seinem momentanen Zustand kommt er auch nicht schneller voran.«

Wir brachen also gleich auf, und Nico war etwas überrascht, dass wir alle mitkamen. Damit meine ich wir sechs plus Nico und Martin, der ja unser Pilot sein würde.

Dass Nico auch mindestens eine Stunde benötigen würde, schätzte ich mal einfach. Aber die zu bewältigende Entfernung war mehr als 150 Kilometer und er schaffte maximal 6 Kilometer in einem Sprung. So ausgepowert wie er war, bestimmt aber nicht einmal 5 Kilometer. Das waren dann über 30 Sprünge und dazwischen benötigte er auch noch Pausen.


Als wir endlich im Flugschrauber saßen, Martin hatte es in 15 Minuten bis zum Flugfeld geschafft, begann Frank mit der Zusammenfassung.

»Nico gehört zu einer Gruppe, die sich 'Hoods' nennen. Das soll wohl eine Anspielung auf ihre Einstellung und seinen Bruder Robin sein, der auch der Chef der Gruppe ist. Sie tragen dann aber doch lieber schwarze als grüne Kleidung, und auf die Hüte verzichten sie auch.« Ein wenig Spott konnte er sich wohl nicht verkneifen.

»Also die Hoods sind eine sehr kleine Gruppe, je nachdem so zwischen 20 und 30 Leuten. Wobei es nicht nur Mutanten sind, die zur Gruppe gehören!« Das war ja mal was Neues, also keine radikale Trennung, wie bei den anderen Gruppen.

»Ich habe nie zuvor von ihnen gehört, muss ich ehrlich sagen. Denn nach dem, was ich von Nico erfahren habe, wäre das wirklich eine Gruppe, die mir gefallen hätte.

Sie leben in einem der Randbezirke des Sektors, in dem es mal eine gescheiterte Industriesiedlung gab. Es gibt einen Chef und zwei Stellvertreter, die gewählt werden, ich meine die Stellvertreter, der Chef leider nicht.« Nico schaute ihn jetzt ein wenig böse an.

»He Mann! Entweder richtig Demokratie oder gar nicht. Ein bisschen finde ich Scheiße. Aber zurück zu den Hoods. Alle Entscheidungen müssen mit zweidrittel Mehrheit getroffen werden. Das heißt dann auch, dass die Stellvertreter den Chef immer überstimmen können, wenn sie sich einig sind.

Das eigentliche Problem begann vor 2 Monaten, als sich Unbekannte im 'Revier der Hoods' herumtrieben und nach Mutanten suchten. Da die Hoods auch jenen halfen, die nicht zu ihnen gehörten, kam es dann bald zu Auseinandersetzungen mit den Typen, die sie 'Catcher' nannten. Ich denke ihr ahnt, was das für Leute sind.«

Wenn ich in Lukas und vor allem Toms Gesicht sah, dann hatte Nico bei ihnen jetzt schon so gut wie gewonnen. Mit diesen Leuten hatten die beiden auch noch eine ganz persönliche Rechnung offen.

»Ihnen gelang es immer wieder diese Catcher in arge Bedrängnis zu bringen. Und auch schon gefangene Mutanten wieder zu befreien, was hauptsächlich Nico gelang.

Es gab aber nie größere Verletzungen oder gar Tote, auf keiner Seite, bis zum 1. Oktober. Da wurde auf einen guten Freund von Robin einfach geschossen, und als Robin zu ihm wollte geriet er in etwas, was er nicht beschreiben konnte. Es muss eine Art Magnetfeld oder so etwas gewesen sein, welches von einem Gerät ausging, das in der Nähe des Verletzten aufgebaut war.

Jedenfalls als er in die Zone geriet, verlor er seine telekinetischen und telepathischen Fähigkeiten und wurde wie unter Stromschlägen durchgeschüttelt. Nico gelang es dann mit einer MiniRak das Gerät zu zerstören. Catcher waren nirgends zu sehen und so kümmerte er sich um seinen Bruder, der schreiend auf dem Boden lag.

Der Freund seines Bruders war inzwischen gestorben. Und sein Bruder hatte Verbrennungen am ganzen Körper und eben Zellschäden, wie nach einem Strahlenunfall. Einer der 'Normalos' der Gruppe, ein ehemaliger Arzt, hat sich um Robin gekümmert. Von ihm erfuhren sie, dass nur Rowalgonit Robin jetzt noch helfen konnte.

Von einem Studenten haben sie dann den Tipp bekommen, dass in den Laboratorien von NeckTech das Rowalgonit zur Erste-Hilfe-Ausstattung gehört. Nico hat dann die Beschaffung übernommen und entgegen dem, was Dr. Neckler gesagt hat, hilft das Zeug auch jetzt noch!«

OK – aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass da eine bewusste Fehlinformation von Dr. Neckler vorlag, auch der Mann kann nicht alles wissen.

»Den Rest der Geschichte haben wir uns ja schon selbst zusammengereimt. Da sie immer vor einer 'Beschaffungsaktion' die Laboratorien telepatisch überprüfen, ist ihnen mein Ankommen nicht entgangen. Da wollten sie noch versuchen, die Sache mit mir zu regeln, da sie ja von Dr. Necklers prinzipiell sozialer Haltung wussten. Doch als ihr dann auch noch erschienen seid, und sie eure psionische Ausstrahlung spürten, da haben sie sich einfach nicht mehr getraut.

Der Angriff war dann auch mehr oder weniger Nicos alleinige Verzweiflungstat.«

Der sah mich jetzt auch wieder mit sehr traurigen Augen an, senkte dann aber gleich wieder seinen Blick. Noch nicht einmal entschuldigt hatte er sich bis jetzt, dachte ich enttäuscht.

Aber deswegen würde ich seinen Bruder bestimmt nicht sterben lassen, zumal wir jetzt auch ein eigenes Interesse an der Sache hatten. Was war das für ein Gerät gewesen?

»Ist von dem Gerät noch etwas übrig geblieben?«, wollte ich deshalb auch wissen.

Nico sah jetzt wieder zu mir auf und schüttelte den Kopf. »Nichts zusammenhängendes, nur Schrott! Das war vollkommen hinüber, aber drei Tage später habe ich einen ihrer Transporter überfallen. Ich wollte ihnen auch so wehtun, wie sie uns. Keiner von denen ist davon gekommen. Dabei habe ich dann auch noch zwei von den Dingern im Transporter gefunden.

Eines davon hat Dirk zerlegt, der studiert mit einem Stipendium Elektrotechnik. Er konnte aber nichts damit anfangen, und auch nicht sagen was das für eine Strahlung war. Leider kennen wir keinen Physiker.«

Dann hatte der 'Kleine', also auch schon getötet. Nun, uns stand wohl nicht zu, über ihn zu urteilen. Aber ob sich Dr. Necklers Leute mit 'dem Gerät' befassen würden? »He, Martin, wie groß wären die Chancen, dass sich NeckTech für so etwas interessiert?«

Martin, der entspannt hinter der Konsole saß, drehte sich zu uns um. Da wir von der Luftraumüberwachung automatisch gesteuert wurden, musste er praktisch nichts tun. Natürlich hatte er uns auch zugehört, und alles mitbekommen, davon war ich auch die ganze Zeit ausgegangen.

Er sah zu Nico: 'Wenn ihr uns die beiden Geräte überlaßt, garantiere ich euch, dass sich die physikalische Abteilung darauf stürzen wird.«, hintergründig lächelnd fügte er hinzu: »Alleine weil ja dann die Chance besteht, euch in ihr Labor zu locken.«, jetzt grinste er breit. Und da sagt Arne immer, wir würden überempfindlich reagieren, dabei lachte sogar Tom!

Nico war einverstanden, und in den restlichen Minuten bis zur Sektorgrenze, erklärte er Martin wo genau das Ziel lag. Wir würden ganz in der Nähe auf einem Fabrikgebäude landen können. Doch je näher wir kamen, desto unruhiger wurde ich. Und als ich Tom und Lukas ansah wusste ich dass es ihnen genauso erging. Es war wie vor Nicos Überfall. Es war die Vorahnung einer Gefahr. Wollte uns Nico in einen Hinterhalt locken? Das war eigentlich nicht möglich, denn Frank hatte ihn ja geprüft.

»Martin? Wie sieht der Luftraum in diesem Bereich aus?« Etwas in meiner Stimme alarmierte ihn und er schwenkte den Sitz sofort zur Konsole herum. Nach einigen Sekunden dann: »Absolut frei, da ist nichts! Um diese Zeit ist hier niemand unterwegs.«

»Ich habe ein sehr mieses Gefühl bei der Sache«, murmelte ich. Und unser Gefühl war inzwischen schon so stark, dass Lukas in Teleortung überging und mit einem Suchkegel das Gebiet vor uns abtastete. Wir waren bereits im Landeanflug und unsere Nervosität steckte nun auch Nico an. »Ich weiß nicht was los ist Nico, aber wir spüren Gefahr, das ist kein Scherz. Wir haben dafür wirklich ein Gespür. Und wenn ich es spüre, dann spüren es die Anderen auch.«

Nico überlegte einige Sekunden, sah uns noch einmal ein wenig zweifelnd an und gab sich dann einen Ruck. »Wir sind in dem grauen Verwaltungsgebäude, einen Block weiter von hier.«, jetzt vertraute er uns also wirklich.

»Martin? Kannst du unauffällig über dieses Gebäude fliegen?«

»Wenn du mir sagst, wie man unauffällig fliegt, gerne! Wir sind im Landeanflug auf das Gebäude, das du mir genannt hast, jedes Abbrechen des Manövers wäre alles andere als Unauffällig! Und ich weiß nicht was...«

»Vans! Ich habe mehrere Fahrzeuge ausgemacht, die in der Nähe parken! Es sind Personen in den Wagen.«, rief Lukas aufgeregt.

Noch bevor ich etwas sagen konnte, wurde Martin etwas 'hektisch'. Mit schnellen und offensichtlich geübten Griffen wirbelte er im Cockpit herum. Dann hatte er die Außenbeleuchtung und alles andere abgeschaltet, was uns am nächtlichen Himmel hervorheben konnte. Gleichzeitig verstummte auch das Brummen der Turbinen und die Maschine ruckte scharf an. »Keine Panik, ich bin auf Flüsterbetrieb gegangen und mache jetzt eine Blitzlandung. Das kann aber jetzt etwas ruppig werden.«

Im selben Moment schossen die automatischen Gurte aus unseren Sitzen und pressten uns sehr fest in diese. Wenige Sekunden später war nach einem kräftigen Ruck nur noch kurz ein hässliches metallisches Knirschen zu hören und wir waren gelandet. Es gab also doch Möglichkeiten, 'manuell' zu fliegen oder galten hier 'im Sektor' nicht so strenge Vorschriften?

»Lukas? Was machen die Vans?«

»Die stehen noch genauso da wie zuvor, keine Bewegung zu sehen. Aber von Norden näheren sich noch drei Fahrzeuge, die sind in etwa 5 bis 8 Minuten hier.

»Nico? Wann wärst du wieder hier angekommen, wenn du nur das Zeug aus dem Labor hättest holen müssen?«, Nico wurde blass.

»Um diese Zeit ungefähr, eher etwas früher!«

»Die warten auf dich, die wissen, dass du jetzt mit letzter Kraft zurückkommst. Dann werden sie zuschlagen! Die Anderen von euch sind wesentlich schwächer als du, darum haben sie auf dich gewartet.«

»Woher wissen sie, wann er zurück ist.«, fragte Tom

»Vielleicht haben sie eine Möglichkeit das optisch zu machen; oder ein Messgerät, das auf seine Teleportation anspringt, keine Ahnung.«, ich war mir aber sicher, dass es die Catcher waren, die da in den Vans warteten.

»Wie sieht es bei euch mit Waffen aus?« Wie üblich, war Eric mehr an dem strategischen Aspekt interessiert.

»Wir haben ein paar MiniRak und einige MikroRaks mehr nicht.«

Martin war aufgestanden und machte sich an einem besonders gesicherten Fach zu schaffen. Mit der spöttischen Bemerkung »Wie man damit umgeht, brauche ich dir ja nicht zu erklären.«, übergab er Nico vier Thermaldetonatoren.

Nico zuckte ein wenig zusammen, nickte dann aber nur stumm mit dem Kopf, als er die hühnereigroßen Hölleneier nahm, und in seiner Tasche verschwinden ließ.

»Du springst also nachher einfach zurück, das Rowalgonit nimmst du mit, alles wie immer. Danach werden wir sehen. Wir werden euch helfen, verlass dich drauf. Mit diesen Leuten haben wir auch noch eine Rechnung offen.«

Wir verließen den Flugschrauber und gingen zum Rand des Daches. Martin hatte jedem von uns noch ein Headset gegeben. »Wenn die dieses 'PSI-Feld-Ding' einsetzen, verliert ihr den Kontakt zu Nico!« Der Mann war gut! Daran hatte ich echt nicht gedacht!

Wir einigten uns darauf, dass er auf dem Dach blieb um zu beobachten, während wir nach unten kletterten. Dann erst sollte Nico zurück zu seinen Leuten springen. Wenn die Catcher angreifen sollten, würden sie von uns und den Hoods in die Zange genommen werden.

Der Abstieg war auch schon geschafft, bevor die drei anderen Vans, die sich nach Martins Bericht von hinten dem Gebäude der Hoods näherten, angekommen waren.

Kaum war Nico jedoch gesprungen, als sich bei den Vans etwas bewegte. Zuerst verließen einige Gestalten die Vans, danach schob sich summend je eine Richtantenne aus den Dächern der Fahrzeuge.

Auch Martin bestätigte die Richtantenne aber keine Personen für die anderen drei Vans. Er hatte sich inzwischen mit einer schweren ZentiRak bewaffnet. Diese ZentiRak verschossen kleine Raketen vom Kaliber 4,5 x 16 cm.

Sofort setzte ich mich mit Nico in Verbindung, der seine Leute jetzt warnte. Dann erklang plötzlich ein hochfrequenter, singender Ton, der ständig an Lautstärke zunahm. Die Sprechverbindung wurde schlechter, Nico fing an zu wimmern und über starke Kopfschmerzen zu klagen.

Jetzt war es höchste Zeit loszuschlagen. Wir gaben Martin das vereinbarte Zeichen und innerhalb weniger Sekunden explodierten auf der anderen Seite die drei Vans. Auf unserer Seite schlug Tom mit seinem EMP zu, während Lukas, Julian und ich die Vans einfach telekinetisch durch die Luft warfen, um sie ungebremst wieder zu Boden stürzen zu lassen.

Anschließend war erst einmal Ruhe und die Verbindung zu Nico war auch wieder klar. Doch einige Catcher, die in einem der von Tom ausgeschalteten Vans waren, nahmen jetzt mein Versteck unter Feuer. Wie sie mich entdeckt hatten konnten wir nie klären. Jedenfalls sah Julian, wie ich in Bedrängnis geriet und schlug entsprechend zu. Ein helles Aufleuchten und aus dem Fahrzeug brach ein blauweißer Feuerball hervor, der rasch wieder in sich zusammenfiel. Zurück blieb nichts, außer dem ausgeglühten und zusammengesunkenen Skelett des Vans. Niemand, der in der Nähe des Vans gewesen war, hatte überlebt.

Selbst Julian war fassungslos, das hatte er nicht gewollt. Er hatte nur die Luft erhitzen wollen, doch wie schon in der Zentralstation, als er den 'Mark 13' erledigt hatte, war der thermische Effekt wesentlich stärker als gewollt. Entweder hatte er wirklich seine Thermokinese unglaublich gesteigert oder es war doch etwas anderes.

Die Desintegration entdeckte ich, als ich Tom eine Kugel telekinetisch entreißen wollte. Vielleicht hatte sich bei Julian auch etwas in seinen Fähigkeiten verschoben. Denn das eben war keine erhitzt Luft gewesen, das war ein Glutorkan, wie der eines Thermaldetonators. Doch mir blieb keine Zeit zum Grübeln. Die Hoods trieben die Catcher aus dem Gebäude und diese griffen uns, ohne Ahnung was sie da taten, an.

Tom, der sowieso einen Hass auf diese Typen hatte, legte zusammen mit Lukas los. Wieder waren wir in eine Schlacht verwickelt, die wir so eigentlich gar nicht führen wollten. Eric schoss wie ein Automat, jeder Schuss ein Treffer. Auch ich sah mir quasi zu, wie ich da mitmischte. Ich stand wie neben mir, alles ging automatisch, Ziel erfassen und Energie freigeben, nächstes Ziel erfassen,…

Nach 10 Minuten rührte sich keiner der Catcher mehr auf unserer Seite der Halle. Auf der anderen waren sie nicht einmal dazu gekommen, ihre Vans zu verlassen. An diesem Abend hatten sie eine totale Niederlage erlitten. Doch wie schwer es uns getroffen hatte, wagte ich nicht einzuschätzen.

Nicht, dass einer von uns auch nur verletzt worden wäre. Doch wenn ich das Grauen in Martins Gesicht sah, dann wusste ich, dass dies ein sehr bitterer Sieg war. Er war sichtlich geschockt. Sehr blass nahm er das in Augenschein, was von den Catchern übrig geblieben war. »Ihr müsst alle Spuren hier beseitigen, das darf niemand sehen! – Sonst seid ihr nirgends mehr sicher!«

Er hatte trotz allem ruhig und sachlich gesprochen. Dann rüttelte er mich ein wenig an der Schulter. Wenigstens schien er mich nicht für das Monster zu halten, als das ich mich im Moment fühlte. »Mike komm schon! Es blieb euch keine Wahl.« Doch auch er wusste, dass man immer eine Wahl hatte. Wir mussten endlich lernen, unsere Kräfte und unsere Emotionen besser zu beherrschen.

Eric, der in solchen Situationen völlig ruhig blieb, wie auch schon in der 'Zentralstation', übernahm jetzt wieder das Kommando. »Mike du und Julian geht jetzt zu Nico und kümmert euch um diesen Robin. Los jetzt verdammt! Deswegen sind wir doch hierher gekommen.

Lukas, du und Tom helft mir hier 'aufzuräumen'. Alles auf einen Haufen, und dann nehmen wir einen Detonator. Martin hat Recht, es ist besser wenn das niemand so sieht. Frank? Sind noch mehr in der Nähe?« Doch dieser schüttelte nur stumm den Kopf.

Einige der Hoods kamen verängstigt, zusammen mit Nico auf uns zu. Diesmal war er es, der mich in den Arm nahm und tröstete: »Sie hätten uns alle getötet, hättet ihr uns nicht geholfen.« Ich nickte nur, aber wohl fühlte ich mich dabei nicht.

Danach kam Frank, der sich während des Kampfes etwas zurückgehalten hatte, mit der nächsten schlechten Nachricht. »Einige der 'Freien' sind hier in der Nähe, wenn ich es richtig interpretiere, sind die sehr geschockt. Ab jetzt werden sie uns nicht mehr unterschätzen, fürchte ich.« Das einzig positive daran war, dass er auch diesmal bewusst 'uns' gesagt hatte und nicht 'euch', wie sonst häufig. Als ich lächelte, gab er mir schweigend die Hand. Wir verstanden uns auch so. Langsam wurden wir also auch eine Gruppe.

Nico brachte uns dann zu seinem Bruder, dem es trotz des Rowalgonit schlecht ging. Schon als ich ihn sah spürte ich, dass wir es sehr schwer bei ihm haben würden. Er hatte Fieber, und Teile seiner Verbrennungen hatten sich trotz Bioplast-Verband entzündet.

Wir hoben ihn telekinetisch an und schälten ihn dann aus den Verbänden. Sandro, der ca. 28 Jährige Doc, half uns dabei. Während wir damit begannen erst einmal oberflächlich alle Wunden zu heilen, so dass Robin wieder schmerzfrei liegen konnte, informierte uns der Doc über das, was er bis jetzt unternommen hatte.

Das Rowalgonit würde zwar noch etwas helfen, aber gebessert habe sich Robins Zustand schon seit einigen Tagen nicht mehr. So falsch lag also Dr. Neckler mit seiner Aussage über die nachlassende Wirkung des Rowalgonits nicht.

Nach unserer Vorbereitung ließen wir nun die Reiki-Kräfte gebündelt in ihn fließen. Aber der Kampf und die Schwere seiner Verletzung machten eine vollständige Heilung im Moment unmöglich. Wir hatten heute schon zu viel PSI-Energie 'umgesetzt'. Wir kannten zwar den ganzen Mechanismus noch nicht, wussten jedoch, dass wir nur eine bestimmte Menge Energie zur Verfügung hatten, dann brauchten wir wieder eine Pause, um uns selbst zu regenerieren.

Während wir also doch etwas unzufrieden waren, strahlte uns Nico an und auch der 'Doc' war sehr beeindruckt. Nebenbei erfuhren wir, dass 'Doc Holiday', wie ihn die Jungs nannten seine Zulassung und Stelle im Sektor-Krankenhaus verloren hatte, da er Patienten, die keine Papiere hatten, in seiner Freizeit, deshalb wohl auch 'Holiday', behandelt hatte. Zudem hatte er Medikamente unterschlagen.

Einer Verurteilung hatte er sich durch Flucht entzogen und war untergetaucht. So musste er nun genauso leben wie die, denen er geholfen hatte. Der Mann hatte wirklich sehr viel für seine Überzeugung aufgegeben, ich bezweifle, dass ich an seiner Stelle diesen Mut aufgebracht hätte.

Einigen Minuten, nachdem wir aufgehört hatten, wachte Robin auf und war sogar geistig wieder voll da. »Danke! – Wer seid ihr?«

»Das ist mein Freund Julian und ich heiße Mike. Dein Bruder hat uns gebeten, dir zu helfen, leider ist uns das nicht vollständig gelungen.«

»Und was habt ihr genau gemacht?«

»Wir äh – nun wir beherrschen Reiki – das ist so eine Art von Heilen.«

Wir wollten da nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Zumal uns die eigentliche Problematik nicht ganz einging. Die Heiler nahmen bei den Mutanten eine absolute Sonderstellung ein. Es schien wirklich ein Problem zu sein, wenn es Heiler gab die kämpften. Das hatten wir zuletzt auch beim Sondieren von Nico festgestellt.

Frank hatte da keineswegs übertrieben. Nur bei Nico war dies nicht in Ablehnung, sondern eher in Ehrfurcht vor uns umgeschlagen. Doch ob alle Mutanten so reagieren würden, daran zweifelte Frank sehr. Heiler hatten einfach Pazifisten zu sein!

Da es aber auch Normalos gibt, die Reiki beherrschen, schien mir das weniger verfänglich. Schließlich hatte das Reiki eine japanische Tradition und wir somit eine gewisse Distanz zu den Heilern gefunden.

Um auf das Thema nicht weiter einzugehen, fuhr ich fort: »Wir müssen das Reiki noch einige Male wiederholen, fast jede Zelle deines Körpers ist geschädigt.«

Er lächelte matt und nahm dann telepathischen Kontakt zu Nico auf, das Sprechen strengte ihn doch zu sehr an.

Während sie sich unterhielten, sahen wir uns um. Die Unterkunft war mehr als dürftig. Auch die hygienischen Verhältnisse waren alles andere als ideal. Sandro, der unseren Blick richtig deutete, meinte nur, die Jungs hätten eben nichts Besseres.

Er selbst gehörte nicht so richtig zu den Hoods, da es sonst zu Problemen mit anderen Patienten kommen könnte. Aber er stand unter deren Schutz, was er aber eigentlich auch nur benötigte, damit ihn nicht eine andere Gruppe für sich alleine beanspruchte. Alles in dieser Stadt schien immer und immer wieder auf die unterschiedlichen Gruppen und Gruppierungen hinauszulaufen. Wer mit wem gegen wen operierte, war sehr komplex. Über Allem schienen die 'Freien Mutanten' als unstrukturierte Gruppe zu stehen, die sich nur dann zusammenrauften, wenn es galt ihre 'Regeln' durchzusetzen und das 'Gleichgewicht der Kräfte' so zu erhalten, wie es war.

»Es wäre besser, wenn wir ihn mitnehmen würden. Bei NeckTech wird man sich um ihn kümmern. Die haben uns auch geholfen.«, sagte ich leise zu Sandro und der nickte zustimmend.

»Wir konnten ihn nur nicht in das Sektor-Krankenhaus bringen, da er wegen einiger 'Umverteilungen' gesucht wird.«

Ich musste lachen, sie nannten sich also wirklich nicht umsonst 'Hoods' und 'Umverteilungen' war auch eine wirklich nette Umschreibung für Diebstahl. OK – er machte es nicht, um sich zu bereichern. Aber rechtlich war dies sicherlich nur ein Milderungsgrund für die zu verhängende Strafe.

»Bei NeckTech wird sich niemand dafür interessieren. Dort wird man viel mehr an der Art der Verletzung und deren Ursache interessiert sein.«, beruhigte ich ihn.

Dann rief Nico wieder nach uns. »Robin würde gerne wissen, ob ihr ihn weiter behandelt, oder wie es weiter gehen soll.«, er sprach leise und sah mich flehend an.

»Wir haben schon mit Sandro gesprochen. Es wäre besser, wenn Robin mit uns käme. Du kennst das Haus, da wäre die Unterbringung wesentlich besser.«

Robin schien nachzudenken und ich fühlte, dass ihm der Gedanke nicht so gefiel. Doch ich hatte keine Lust, hier zu bleiben. Ich überlegte, wie ich das möglichst diplomatisch erklären konnte, wurde dann jedoch abgelenkt.

»Wer seid ihr, das ihr die Catcher so leicht besiegen könnt?«, fragte plötzlich ein ca. 14 jähriger blonder Junge, der auch schon ziemlich heruntergekommen aussah.

Julian kniete sich vor ihn, lächelte und meinte, »Wir? Wir sind die Geister, die sie riefen. Du kennst doch diese Geschichte von dem Zauberlehrling?«

»Ist das ein Fantasy Film?«, fragte der kleine hoffnungsvoll.

Julian lachte leise und schüttelte den Kopf: »Nein, das ist aus einem Gedicht. Da beschwor ein Zauberlehrling, als sein Meister nicht da war, Geister, die er dann nicht mehr unter Kontrolle hatte. Da gab es dann den Satz '...die Not ist groß. Die ich rief die Geister - werd' ich nun nicht los'. So geht es den Catchern und den Darwinianern, die hinter ihnen stehen. Sie werden uns jetzt nicht mehr los.«

Der Junge sah ihn mit großen Augen an: »Dann seit ihr eine Gruppe von Geistern?«

»Natürlich ist das nur eine Metapher!«, sagte Lukas, der zu uns gekommen war, und lief in 'Phase', grinsend durch einen Tisch.

Der Junge riss die Augen noch weiter auf, aber auch einige der anderen Hoods waren mehr als nur ein wenig erstaunt. Julian wuschelte dem Jungen durchs Haar. »Der kann sogar durch Wände gehen.«

»Wow, aber was für eine Gruppe seid ihr? Gehört ihr jetzt zu uns?«

»Nein. Wir sind…« Julian überlegte kurz »Unsere Gruppe? Wir nennen uns 'Iratus Lemurum', das heißt 'die zornigen Geister'.« Julian grinste uns an. Was soll's irgendeinen Namen brauchten wir ja offensichtlich, um in diesem 'Sektor-Gruppensystem' eingeordnet werden zu können.

Und Lukas, unserem 'Hausgeist', schien die Idee auch zu gefallen. Frank und Tom lachten und Eric meinte nur: »Ich hoffe ihr lasst mir noch etwas Zeit, bevor ich zum zornigen Geist werde.« Wobei er verwundert auf seinen Handrücken blickte. Ich kam allerdings nicht mehr dazu, ihn deswegen zu fragen.

Inzwischen hatten sich Robin und Nico darauf geeinigt, dass er mit uns kommen sollte. Nico war gegangen, um ihm nun die wenigen Sachen, die er mitnehmen wollte, einzupacken.

Martin, der zusammen mit Frank das Gebäude betreten hatte, sah sich ähnlich um, wie wir es auch zuvor getan hatten. Dies war eigentlich keine menschenwürdige Unterbringung mehr. Zuerst flüsterte er ein wenig mit Frank, um danach eine Verbindung mit Arne herzustellen, wie mir Frank telepathisch mitteilte.

Kurz darauf bekam er scheinbar das OK. »Die Jungs sind hier aber jetzt nicht mehr sicher, oder?«, fragte mich Martin ganz offen. Daran hatte ich zwar auch schon gedacht, aber ich wusste im Gegensatz zu ihm keine Lösung.

»Heute Nacht schon! Schließlich haben die Darwinianer eine ganze 'Jagdgesellschaft' verloren. Damit haben sie sicher nicht gerechnet. Aber Morgen oder spätestens Übermorgen...«

Nico sah mich an: »Wir haben noch ein Ausweichquartier, aber da ist es jetzt Nachts schon ziemlich kalt.«

»NeckTech hat 8 km von hier ein verlassenes, aber gesichertes Gebäude. Dort sollte einmal eine Fabrik für Necronit-Zellen entstehen. Die Fabrikhalle steht nur als Gerippe, aber das Gebäude des Werkschutzes war als erstes gebaut worden. Hier im Sektor musste auch die Baustelle schon gesichert werden.

Arne hat mir den Zugangscode und die Genehmigung gegeben. Dort könnt ihr die nächsten zwei bis drei Wochen unterkommen. Danach wird sich zeigen, wie sich die Sache entwickelt.«

Ich blickte zu Robin, es war seine Gruppe. Er musste entscheiden, ob er diese Hilfe wollte oder nicht. »Würdest du es Machen?« fragte er mich stattdessen.

»Ich kenne deine Leute nicht, aber bis jetzt hatte ich keinen echten Grund, an Arnes Wort zu zweifeln. Ich hatte ab und zu Zweifel, aber die waren bis jetzt immer unberechtigt.

Ich denke das Risiko, dass ihr da eingeht, ist sehr gering, im Vergleich mit dem, hier zu bleiben oder ein neues Quartier zu suchen. Die werden es sich auch sehr gut überlegen ob sie angreifen, falls sie euch dort aufspüren.«

»OK, dann nehmen wir das Angebot dankbar an.«, sagte Robin nach kurzer Unterhaltung mit Nico und einem anderen Jungen.

Es war 3 Uhr Morgens, als wir wieder in unserem Domizil angekommen waren, für Robin hatte schon jemand ein Zimmer hergerichtet. Als Martin die Zustimmung der Hoods weiterleitete, hatte ich ja keine Ahnung, was dann noch in der Nacht alles anlief.

Die Jungs waren noch nicht fertig mit packen, als schon zwei LKWs bereitstanden, sie zu transportieren. Frank entschloss sich bei ihnen zu bleiben, um Nico zu unterstützen. Aber wohl auch um aufzupassen, dass da alles mit rechten Dingen zuging.

Während unseres Rückflugs informierte er uns dann, dass ein Team von Technikern die gesamte technische Anlage hochgefahren habe. Jetzt stand Energie und warmes Wasser in Hülle und Fülle zur Verfügung. Danach sei ein Transporter mit Lebensmitteln, Kleidung, Möbel und anderen Dingen eingetroffen, da das Gebäude völlig leer gestanden habe.

Bald darauf seien alle bis auf zwei, die zu Arnes Leuten gehörten, wieder verschwunden. Die Beiden würden ihm helfen, ein wenig Ordnung zu schaffen, da die Jungs ziemlich ausgelassen wären. Es gäbe aber keinerlei Probleme oder Berührungsängste, da sich die Hoods ja auch zum Teil aus 'Normalos' zusammensetzten.

Wieder einmal bewunderte ich den schnellen, unkomplizierten und reibungslosen Ablauf, der mit Allem, was mit der NeckTech zu tun hatte, einherging.

Ziemlich müde und auch betrübt über unsere 'Unkontrolliertheit' schlief ich dann neben Julian ein. Warum passierte das immer wieder? Es wäre nicht in diesem Ausmaße nötig gewesen, dessen war ich mir sicher.

36 - One Vision

Schon um 6:30 standen Eric und ich wieder auf, um wie inzwischen üblich, joggen zu gehen. Zu meiner Freude und Verwunderung ging Julian diesmal auch mit. In der Küche wartete schon Chris auf uns, dem es draußen zu kühl war. Etwas schweigsam liefen wir dann los, mir war einfach nicht so recht nach Reden zumute.

Ich machte mir Vorwürfe wegen dem, was wir gestern bei den Hoods mit den Catchern gemacht hatten. Immer wieder dachte ich dabei an das Gesicht von Lukas, als er vor vier Tagen im großen Labor von Eric hörte, dass sie 'keine Gefangenen' machen sollten. Was aber hatten wir gestern gemacht? Wir hatten ihnen nicht einmal die Gelegenheit gegeben, sich zu ergeben.

Gut, Martin hatte mit den drei Raketen fast genauso viele getötet wie wir auch, doch es gab da einen Unterschied. Wir hatten sie einzeln, ganz bewusst getötet. Er hatte nur drei Fahrzeuge zerstört.

Am See angekommen begann Julian mit der Qi Gong Form des 'weißen Kranich'. Das waren die Bewegungsfolgen, die wir während unserer Gefangenschaft geübt hatten. Wieder einmal zeigte sich, wie vertraut und nahe Julian und ich uns waren. Diese Übungen gaben mir die Ruhe und Kraft, die ich brauchte. Julian hatte kein Wort gesagt, aber er wusste auch ohne Telepathie, wie es in mir aussah.

Eric und Chris sahen uns anfangs nur zu, gingen aber dann in eine der Kabinen, weil es nur zum Herumstehen doch etwas zu kühl war. Aber wir, oder auf jeden Fall ich, brauchten jetzt diese Übung und die Entspannung, um das Geschehene zu verarbeiten.

Als wir dann auch in die Kabine kamen, war Eric gerade zu Ende gekommen, Chris zu berichten, was am Abend noch geschehen war.

Chris musterte mich nachdenklich: »Du hast Angst, du könntest die Kontrolle verlieren?«

Traurig sah ich ihn an: »Ich hab sie gestern verloren, ich stand wie neben mir, ich beobachtete mich, wie ich tötete. Doch das Schlimmste war dann, in Martins Augen den Schrecken, aber auch das Verständnis zu sehen.«

Julian umarmte mich von hinten und stützte sein Kinn auf meine Schulter. Leise aber mit seiner unheimlich beruhigenden Stimme fing er an zu sprechen: »Wir alle haben gestern getötet! Sie haben gedacht, sie hätten es mit relativ wehrlosen Mutanten zu tun. – Und Mike! – Wenn ich mir die Verletzungen von Robin vergegenwärtige, dann – dann haben sie es verdient. Ich bereue es nicht!«

Ich machte wohl ein ziemlich betroffenes Gesicht. Doch Eric nickte zustimmend, während Julian weiter sprach, »Denk an die Jungs, an den Kleinen, der mich nach unserer Gruppe gefragt hat und an Nico. – Sie alle wären jetzt entweder tot oder in dem Zustand wie Robin, als wir ihn gefunden haben.«

»Aber stellen wir uns da nicht auf ihre Stufe?«, mir lief ein Schauder über den Rücken. Denn Julian war eigentlich immer der, der Zurückhaltung übte. Er war der Sanftmütigste von uns allen.

»Immer nur die andere Wange hin zu halten ist auf Dauer aber auch keine Lösung.«, sagte Chris mit ernster Miene und es war diesmal wirklich kein Scherz.

»Ich denke Julian hat wirklich Recht! Gestern hätten sie die Jungs einfach fertig gemacht, wenn wir nicht da gewesen wären. Dass es so übel ausging – nun da stimme ich dir zu, – ganz so schlimm hätte es nicht kommen müssen.«, Eric sah mich dabei ernst an und überlegte weiter. »Aber sich deswegen mit Selbstzweifel und Selbstvorwürfen überhäufen?«, er schüttelte dabei nur den Kopf.

Dann zögerte er ein paar Sekunden, bevor er mich direkt fixierte: »Analysiere, was gestern geschehen ist! Was lief gut und was war schlecht. Dann überlege, was man hätte besser machen können. Das ist die Methode, mit der wir uns verbessern können! – Es ist die Methode, die fast bei jeder Spezialeinheit benutzt wird. Analysieren, Besprechen, Verbessern. Für Vorwürfe sollte da kein Platz sein.«

Aufgewühlt schaute ich auf ihn hinab: »Wir sind aber keine Spezialeinheit! Wir sind auch nicht beim Militär! Ich will nicht mehr töten müssen.« Ich war etwas heftig geworden. Doch im Gegensatz zu allen anderen 'Normalos', die jetzt sofort zurückgewichen wären, blieb er stehen. Er zuckte nicht einmal zusammen. Wie ein Fels in der Brandung stand er da und zeigte wieder dieses kalte Lächeln, das ich an ihm nicht leiden konnte.

»Du glaubst das wirklich?«, er lachte bitter. »Mann – ich dachte du hättest es begriffen! – Das war doch Dr. Brunners Plan! Ihr seid seine Armee! Ihr führt seine Rache an den Darwinianern aus. Für all das, was sie ihm versprochen und nicht gehalten haben. Für das, wozu sie ihn gezwungen haben.

Du glaubst kein Soldat zu sein? Ihr vier seid die besten und gefährlichsten Krieger, von denen ich je gehört habe. Und – wenn du nicht kämpfen willst, dann wirst du sterben oder wieder in einem Labor enden. Und Julian dann mit dir, weil er dich nie im Stich lassen würde.«, seine schwarzen Augen funkelten jetzt gefährlich. Man könnte fast Angst vor ihm bekommen.

»Das war es, was Dr. Brunner geplant hat. Solange ihr in Freiheit weilt, bleibt ihr eine Bedrohung für die Pläne der Darwinianer. Doch alleine könnt ihr nicht gewinnen. Ihr braucht Hilfe und die natürlichste Hilfe, die ihr bekommen könnt, sind die anderen Mutanten. Wenigstens solange es gegen die Darwinianer geht. Dies sind die Tatsachen – akzeptiere es oder gehe unter! Bedenke aber, wen du dann alles mitnimmst.«, zuletzt hatte Eric wieder völlig ruhig gesprochen.

Chris sagte plötzlich in die bedrückende Stille »Der Krieg der Mutanten, begonnen er hat!«, dabei grinste er nicht einmal.

Obwohl ich den Spruch etwas anders in Erinnerung hatte, lief mir ein kalter Schauder über den Rücken. Was Eric gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Es würde so kommen, dessen war ich mir nun sicher. Die Darwinianer würden uns immer als Bedrohung sehen. Entweder, wir konnten uns gegen sie behaupten, oder wir würden untergehen. Das war es wohl auch, was Dr. Neckler gespürt hatte, doch für ihn waren wir scheinbar die bessere Alternative. Und so fragte ich mich, was wusste er über die Darwinianer, dass sie ihm so gefährlich erschienen?

Julian rüttelte an meiner Schulter, »Komm Mike, lass uns schwimmen gehen, nachdenken können wir noch genug. Übrigens alles Gute zu Geburtstag mein – Schnuckel!«

»Schnuckel?« Chris grinste »He alles Gute euch beiden. Ihr habt ja beide heute Geburtstag, ihr Superschnuckel.« wir mussten lachen, Lukas hatte mal so was gesagt wie 'das ist doch dein Schnuckel' und seit dem nannte mich Julian immer mal wieder so.

Da fiel mir, als ich Eric so dastehen sah, wieder etwas ein. »Was war eigentlich gestern mit deiner Hand?«

Verwundert blickte Eric auf: »Was soll mit meiner Hand gewesen sein?«

»Du hast sie, als wir bei Robin standen, so seltsam angeschaut.«

Verlegen lächelte Eric: »Ach das, ich hatte mir während des Kampfes den Handrücken etwas verbrannt, dachte ich wenigstens. Aber hinterher war außer einer leichten Rötung nichts mehr zu sehen. Irgendwie seltsam, anfangs war der Schmerz wesentlich stärker, doch dann war fast nichts zu sehen.«

Nachdenklich nahm ich seine rechte Hand und betrachtete sie. Als ich mich darauf konzentrierte, spürte ich noch immer das Vorhandensein von Reiki-Energie im Gewebe. Lächelnd ließ ich die Hand wieder sinken und zuckte mit der Schulter. »Scheint alles in Ordnung zu sein«, versuchte ich ihn zu beruhigen.

Doch etwas stimmte da nicht, denn Julian hatte Eric nicht geheilt. Dies hätte der ja auch mitbekommen. Darum müssen wir uns demnächst noch einmal genauer kümmern, nahm ich mir vor, aber so wichtig war es ja nun auch nicht.

Wir gingen dann tatsächlich schwimmen und als wir danach Chris noch zum Frühstück einluden, waren die anderen auch schon alle aufgestanden. Pascal und Stefan waren sich offensichtlich einiges näher gekommen. Da Stefan jetzt ein Implantat trug fühlte sich Pascal wesentlich wohler in seiner Nähe. Es muss da in der Vergangenheit doch zu einige Vorwürfen in Bezug auf 'Gedankenspionage' und 'Belauschen' gekommen sein.

Auch Robin war beim Frühstück dabei, und lernte so Chris, Pascal, Stefan und Arne kennen. Die waren von Lukas und Tom schon informiert worden. Nach dem Frühstück kümmerten wir uns noch einmal um Robin, doch das würde noch länger dauern. Die Zellschädigung war sehr tiefgreifend. Doch immerhin hatte er jetzt keine Schmerzen mehr. Er konnte sich auch wieder, wenn auch sehr schwach, aus eigener Kraft fortbewegen.

Arne berichtete, dass die physikalische Abteilung sich sofort auf die beiden Geräte der Catcher gestürzt hatte, die wir gestern noch hier her gebracht hatten. Es seien aber einige sehr ungewöhnliche Teile in den Geräten verbaut worden. Er ging dann aber nicht näher darauf ein, was das nun für Teile waren.

Gemeinsam diskutierten wir, wie es weitergehen sollte. Ich informierte Stefan und die anderen über Erics Vermutung, und die möglichen Konsequenzen. Zu meinem Erstaunen schien keiner sonderlich überrascht zu sein.

Es schien sogar so, als seien Tom und Lukas geradezu dankbar, dass Eric mich da wachgerüttelt hatte. Scheinbar hatte jeder es gewusst, nur ich war so naiv gewesen. Ich hatte immer geglaubt, zusammen mit Julian, sauber aus dieser Geschichte wieder heraus zu kommen. Doch diese Illusion hatte mir Eric gründlich zerstört.

Etwas später stellten wir einen Plan auf, was wir in nächster Zeit noch klären mussten:

- Wie es mit Lukas, Tom, Julian und mir schulisch weitergehen sollte.

- Was mit den Hoods passieren sollte.

- Wo wir in Zukunft leben wollten.

- Wie wir uns auf den, nun scheinbar unausweichlichen Kampf, mit den Darwinianern vorbereiten sollten.

- Wo wir Unterstützung finden würden.

- Wie wir das ganze in Zukunft finanzieren sollten.

- Und noch einige Dinge mehr.

Bis zum Mittag war geklärt, dass wir alle zusammen die 2.Oberstufe absolvieren würden. Damit hatten wir noch zwei Jahre Schule vor uns oder eben sechs Trimester. Danach hätten wir die Möglichkeit, mit einem Grundstudium zu beginnen.

Für Tom und Lukas hieß dies, dass sie einiges an Lehrstoff, den sie verpasst hatten nachholen mussten. Aber das sollte für uns kaum ein Problem sein, da wir das entsprechende Wissen ja auch telepathisch übermitteln konnten. Und ich hatte den ganzen Stoff schon bis zum Ende der 1. Oberstufe gelernt.

Zeugnisse und entsprechende Datensätze würden auch für Julian erstellt werden, natürlich wieder von Arnes Leuten. Was weiter mit den Hoods geschehen sollte, wussten wir nicht so genau. Arne sicherte zu, dass die Hoods auf jeden Fall in dem Gebäude überwintern durften. Sie waren im Moment einfach zu schwach, um sich eines massiven Angriffs der Darwinianer oder ihrer Catcher zu widersetzen.

Wie wir von Frank erfuhren, waren die Catcher inzwischen sehr unter Druck geraten. Nach der gestrigen Auseinandersetzung machten nun auch andere Mutanten Jagd auf die Catcher. Doch wie lange das anhielt, konnte keiner sagen.

Von Chris kam der Vorschlag, dass wir die Hoods trainieren sollten, da wir dies ja auch selbst taten. Von Frank wussten wir, dass jeder Mutant seine Kräfte durch Training steigern konnte. Eine 'Behandlung' wie bei uns im Labor, war dazu nicht nötig. Jedoch trainierten nur die wenigsten Mutanten wirklich effektiv. Aber wo sollte das geschehen und wie? Wir konnten doch nicht ständig 15 bis 20 Jungs trainieren, dann würden wir selbst nicht mehr weit kommen.

Eine richtige Lösung fanden wir auch bis zum Nachmittag nicht. Inzwischen war auch Frank, der nun immer besser laufen konnte, zusammen mit Nico eingetroffen. Der sich, als Dr. Neckler erschien, auch in aller Form bei ihm und uns entschuldigte. Wie war das doch 'Sorry seems to be the hardest word'. Nun Nico fiel es dann doch nicht so schwer. Dr. Neckler jedenfalls war ganz schön gerührt, er wusste ja inzwischen, wie es dazu gekommen war. Er lud uns jedenfalls alle, als Geburtstagsüberraschung für Julian und mich, zu einem Rundflug ein.

Eigentlich hätte ich lieber noch einige der Punkte geklärt. Aber andererseits, das hatte auch noch Zeit bis Morgen, oder übermorgen oder... – Verdammt ich hatte einfach keine Lust, mich um das Ganze zu kümmern. Früher war alles so einfach gewesen. Meine Eltern bestimmten und wenn es mir nicht passte, dann hatte ich ja jemanden, der Schuld war.


Wir flogen schon ungefähr zwei Stunden als wir kurz vor 'Sektor 20' einen neuen Stadtteil überflogen. »Das ist 'Paradies City'! Hier versuchen wir das gescheiterte Industrie-Projekt von 'Sektor 20' mit völlig anderen Mitteln wieder zu beleben. Die Wohnungen, die hier entstanden, wurden größtenteils von Arbeitskräften aus 'Sektor 20' gebaut. Jeder der hier arbeitet, bekommt auch das Wohnrecht und eine Arbeit zugesichert.« Dr. Neckler war, zu Recht, sichtlich stolz auf dieses Projekt.

Dies waren keine monotone Einheitsbauten wie in 'Sektor 20', sondern sah eher wie eine Arbeitersiedlungen des 20. Jahrhunderts aus. Nur dass jetzt alles etwas größer und wesentlich schöner war. Alles war großzügig ausgelegt, Einkaufscenter, Freizeiteinrichtungen und sogar ein Stadion waren so entstanden. Dazwischen entstanden großzügige Grünanlagen. Die Häuser selbst waren alle nur 'relativ' klein, mit maximal 12 Wohnungen. Ein völlig anderes Konzept als die Giga-Tower. Dies hier war eine Flächenstadt. Trotzdem war es mit der unterirdischen Magnetröhrenbahn nur ca. 25 Minuten bis zur City.

Im Umkreis gab es ein Gewerbegebiet, einige Fabriken und auch ganze unterirdische Industrieanlagen, von denen man allerdings nur die Oberflächenbauten und Belüftungsschächte sehen konnte. Denn der größte Teil solcher Anlagen war meist mit Wald bedeckt, um die Öko-Bilanz wieder auszugleichen.

»Dort drüben ist auch eine private Schule, in die auch, bei entsprechender Leistung, Kinder und Jugendliche aus 'Sektor 20' kommen können. Sie wird von einer der NeckTech Stiftungen mitfinanziert.«, er klang fast wie ein Makler, der uns hier eine Wohnung verkaufen wollte.

»Ja und dort hinten wo wir jetzt gleich hinkommen, ist eine ehemalige Offiziersschule. Die hatten wir einmal als Tagungszentrum genutzt, bevor wir alles in den Hawking-Campus verlegt haben.« Das besagte Areal war eine riesige parkähnliche Landschaft mit einem großen See und von viel Wald umsäumt. Mittendrin ein großes X-förmiges Hauptgebäude mit etlichen kleineren Nebengebäuden und Werkstätten. Mir kam da so eine Ahnung, und als ich das fröhliche Lächeln von Chris und das Funkeln in Dr. Necklers Augen sah, verstärkte sich diese.

Der Flugschrauber setzte auf einer Betonplatte auf, die sich als Decke eines unterirdischen Hangars entpuppte. Zusammen mit Arne führte er uns durch die Räumlichkeiten, die wirklich geradezu gigantisch waren. Trainings-, Sport-, Werk- und Unterrichtsräume. Die Wohnräume waren in einem bogenförmigen Gebäude untergebracht. Dieses überspannte zwei der X-Schenkel und war direkt mit dem Hauptgebäude verbunden. In einem geräumigen Saal des Zentralgebäudes, der eigentlich eher wie ein Innenhof angelegt war, endete schließlich der Rundgang.

»Das ganze Gelände ist mit einer hochwertigen Überwachungstechnik ausgestattet und es gibt auch etliche aktive Verteidigungs-Einrichtungen. Dazu gibt es noch einen Schießstand und ein kleines Triebwerkstestfeld, auf dem gefahrlos gewisse Kräfte freigesetzt werden können. Oder wenigstens weitgehend gefahrlos.«, erklärte Arne so nebenbei, mit einem Seitenblick auf Julian und mich. Was der bloß hatte?

Wir sahen uns an und es war ziemlich klar, was das zu bedeuten hatte. Aber warum so groß und zu welchem Preis? Dr. Neckler schien meine Zweifel in meinem Gesicht lesen zu können, wie ich normalerweise die Gedanken anderer Menschen. Was ich ziemlich beunruhigend fand.

»Das war eine Idee, die hauptsächlich von Chris und Arne stammt. Hier hättet ihr die Möglichkeit, Mutanten aus dem Sektor für eine gewisse Zeit aufzunehmen und zu schulen. Ein Schulungs- und Weiterbildungszentrum für Mutanten sozusagen. Wen ihr hier aufnehmen wollt und für wie lange, das bleibt euch überlassen. Ich werde euch das Gebäude und alles, was für den Unterhalt notwendig ist, zur Verfügung stellen. Dies ist mein Angebot an euch, mit der einzigen Bedingung, dass Herr Schmidt die Verantwortung für dies hier übernimmt.«

Wir Mutanten und Eric sahen uns an, es ging ganz automatisch. Dass Stefan für uns 'Wachhund' spielen sollte, schien auch ihm nicht ganz Recht zu sein. Aber andererseits wollte ich, Alphamännchen hin oder her, den Job bestimmt nicht machen. Die Verantwortung wäre mir einfach zu viel.

»He Stefan, du hast schon ganz andere 'Querköpfe' ausgebildet, und Verantwortung ist ja auch kein Fremdwort für dich. Außerdem habe ich schon mal bei der Abwehr nachgefragt. Die würden dich für dieses Sonderprojekt sogar freistellen.«, feixte Arne.

»Aber wo ist der Sinn? Ich glaube ihnen ja, dass sie alles bisher mehr oder weniger wirklich nur gemacht haben, weil Arne und Stefan gut befreundet sind und sie helfen wollten. Aber dies geht doch um Größenordnungen weiter. Wo liegt da der tiefere Sinn, denn es muss einen geben. Das hat jetzt nichts mit Misstrauen zu tun, wir wollen es einfach nur verstehen.«

Dr. Neckler lachte, »Du hast Recht, es gibt da wirklich noch einige Gründe, die für dieses Projekt sprechen. Ich sage ausdrücklich einige! Einer davon ist, dass es wirklich bald zu einem Mutanten-Problem kommen könnte. Leider sind nicht alle Gruppen so wie die Hoods, oder die 'Freien Mutanten', die sich immer zurückhalten und ja nicht auffallen wollen.«, nachdenklich rieb er sich das Kinn.

»Es gibt Anzeichen, das einige Gruppen dabei sind, einzelne Mutanten und andere Gruppen zwangsweise zu assimilieren, um sich zu verstärken. Diese nehmen sich einfach, was sie wollen. Es ist nur den 'Freien Mutanten' zu verdanken, dass Gruppen, die so etwas machen, immer wieder in ihre Schranken gewiesen werden.«

Wir schauten ihn jetzt ziemlich betroffen an. Denn wir begannen zu ahnen, dass wir gestern etwas in Bewegung gesetzt hatten, von dem wir einfach keine Ahnung hatten.

Mit ernster Stimme fuhr Dr. Neckler fort. »Die 'Freien Mutanten' haben bisher ein System der 'Balance of Power' vertreten. Sie haben sich immer dann zusammengeschlossen, bevor eine solche Gruppe eine kritische Masse erreichte, und dann nicht mehr zu stoppen gewesen wäre.

Mit eurem Auftauchen hat sich das Kräfteverhältnis drastisch verändert. Die 'Freien Mutanten' wären zusammengeschlossen wahrscheinlich noch immer die stärkste Macht. Doch es ist inzwischen unwahrscheinlich geworden, dass es noch einmal zu einer großen 'Mobilisierung' kommt. Zu viele der 'Freien' sympathisieren mit euch wegen dem, wie ihr euch gegenüber den Hoods verhalten habt.

Keine andere Gruppe hätte Nico so einfach gehen lassen, nachdem er trotz massiver Warnungen angegriffen hatte. Eure anschließende Hilfe für die Hoods widersprach jedem Rollenverhalten, das man bisher kannte. Ihr seid unglaublich stark und zeigt ein völlig anderes Verhalten, als man es gewohnt ist.«

Das konnte ich mir inzwischen vorstellen, nach dem, was wir bisher über deren Verhalten erfahren hatten.

»Das wurde ihnen, bei eurer gestrigen Aktion, mehr als deutlich vor Augen geführt. Ich habe es schon sehr ausführlich mit Frank und Pascal besprochen. Das gestern war ein Schock für die 'Freien', die sich jetzt bedroht fühlen würden, wenn das Ganze nicht eine Hilfsaktion für die Hoods gewesen wäre. So fühlen sie nur ihr Ziel 'immer im Verborgenen zu bleiben' gefährdet. Da es jedoch gegen die Catcher ging, die ja sowieso gezielt Mutanten jagen, wird das wahrscheinlich nicht als so schlimm gewertet. Die Ideologen unter den 'Freien Mutanten' werden allerdings einige Stimmung gegen euch machen.«

Bei dem Erwähnen der Ideologen verfinsterte sich Franks Gesicht merklich. Er hatte mit denen ja auch schon seine trüben Erfahrungen gemacht.

Mit ruhiger Stimme führte Dr. Neckler weiter aus: »Ihr bekommt dieses Angebot also, um selbst etwas zur Ruhe zu kommen, euch etwas von NeckTech abzusetzen, da das auch kritisch gesehen werden könnte und um einen Platz zu haben, junge Mutanten positiv, im Sinne aller Menschen, zu beeinflussen.

Ein weiterer Grund ist dann auch meine Hoffnung, dass ihr irgendwann bereit sein werdet, euch mit meinen Wissenschaftlern zusammenzusetzen. Ich habe großes Interesse, einiges über eure Fähigkeiten und das gewaltige Potential, das damit verbunden ist, herauszufinden.

Das, was Julian gestern mit dem Van gemacht hat, und 'Herr van Stein' mir und Arne gegenüber verschwiegen hat, hatte nichts mehr mit Thermokinese zu tun. Dazu war die freigesetzte Energie viel zu hoch. Unsere Fernüberwachung, die den Umkreis jedes unserer Fahrzeuge überwacht, hat es sogar als eine nukleare Explosion gemeldet.«

Immer wieder sah ich den aufglühenden Van, er war nicht explodiert, sondern einfach in einem Glutball zusammengeschmolzen. Und Martin hatte dicht gehalten und war jetzt plötzlich 'Herr van Stein', also saß er jetzt wohl ein wenig in der Klemme. Ich wollte etwas wegen Martin sagen, doch er winkte ab.

»Wir wussten, dass er euch mag, dies war einer der Gründe, warum Arne ihn zu euch geschickt hatte. Seine ehrliche und offene Art, wie auch die von Chris, kommt bei euch sehr gut an. Dass er euch schützen wollte, ist mir klar, aber er hätte es Arne sagen müssen. Er aber hat nur von einem schweren Kampf gesprochen und dass er sogar eine ZentiRak eingesetzt habe, um diese PSI-Waffe zu vernichten.

Das alles entsprach der Wahrheit, aber er hat dann doch wesentliche Informationen zurückgehalten. Und das kann ich so nicht akzeptieren!«

Martin steckte also nicht in der Klemme, sondern ganz dick in der Scheiße.

»Was hat das für Konsequenzen?« wollte nun Julian wissen.

Dr. Neckler, dem die Spannung, die sich da schon wieder aufbaute, nicht entging, zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern. »Ich weiß es noch nicht, so etwas ist mir bis jetzt noch nie passiert. Bisher sind meine Leute immer 100% loyal hinter mir gestanden. Warum er glaubte, euch beschützen zu müssen, ist mir nicht klar. Im Moment ist er beurlaubt, was weiter geschehen soll, darüber sind wir uns noch nicht einig.« Das hieß ja wohl er und Arne.

»Sie waren nicht dabei, sonst könnten sie ihn verstehen.«, sagte Eric in das bedrückende Schweigen hinein. »Es war nicht nur das, was da mit dem Van passierte. Wir alle hatten noch das Schreien von Nico im Ohr und ahnten ja, was diese neue PSI-Waffe anrichten konnte. Das, was dann geschah, war wirklich nicht mehr als normaler Kampf anzusehen. Es war eine Abrechnung mit diesen Schweinen.«

Stefan, der bis jetzt betroffen geschwiegen hatte, sagte dann: »Da Martin ja einer von Arnes besten Leuten ist, möchte ich ihn hier als Leiter der Sicherheit haben. Wenn ich den Job hier mache, müssen sie ihn eben so lange freistellen.«, jetzt grinste er Arne an. Doch dem schien der Gedanke keineswegs unangenehm.

Dr. Neckler gab dann ebenfalls überraschend schnell nach und der Ball lag damit schon wieder in unserem Feld. Wir mussten uns entscheiden, was wir jetzt wollten.

Tom grübelte schon eine Weile vor sich hin und fragte schließlich: »Wenn wir hier ab und zu Schulungen durchziehen werden, wie zum Beispiel mit den Hoods, wo bleiben die dann in der übrigen Zeit? Wir können sie doch nicht hier in diesen Luxus einladen und dann wieder in den Sektor auf die Straße setzen? Das hätte dann alles andere als eine positive Wirkung.«

Jetzt lachten Pascal, Frank und Dr. Neckler fast gleichzeitig los, bis dieser erklärte: »Das hat Frank auch schon gesagt, allerdings in etwas drastischerer Form. Aber auch dafür gibt es eine Lösung. Wir werden das Hauptquartier der 'Ersten Generation' kaufen und entsprechend herrichten. Es wird dann eine Art Freie Burg für alle sein, die Schutz suchen und benötigen. Pascal, als einer der letzten 'der Alten', wird sich darum kümmern.

Da einige der 'Freien' von eurer Verbindung zu ihm wissen, geltet ihr seit gestern als eine Art von 'Erben' oder 'Wiederauferstehung' der 'Ersten Generation'. Das, was Julian dann auch noch über 'Iratus Lemurum' gesagt hat, also den 'Zornigen Geistern', das geistert seit heute Morgen durch den ganzen Sektor, wie mir Frank berichtet hat.«

Ups, was hatte Julian da bloß losgetreten? Was hatten wir da gestern losgetreten, korrigierte ich mich dann auch noch gleich selbst. Doch eigentlich fanden wir im Moment den Gedanken gar nicht mal so schlimm.

Dr. Neckler erklärte etwas belustigt weiter: »Nur eben mit der Deutung, dass ihr auch als die Geister der 'Ersten Generation' gehandelt werdet. Psi-Kräfte und Okkultismus scheinen da eine gewisse Affinität zu besitzen.« Etwas spöttisch fügte er noch hinzu »Da habt ihr euch einiges aufgeladen, zumal einer der Jungs auch noch den Anhänger von Mike erkannt hat.«

Scheiße, jetzt wurde ich wirklich knallrot und ziemlich verlegen griff ich an den Hals, wo ich noch immer den Anhänger von Pascal trug, den ich jetzt etwas beschämt ansah. Ich hatte wirklich vergessen, dass er ja nur geliehen war.

Doch Pascal lachte nur, und spreizte mit zwei Fingern sein Hemd. Er hatte denselben Anhänger um den Hals. Und aus der Tasche zog er noch drei, »Es wäre mir wirklich eine Ehre wenn ihr die tragen würdet. Ihr wärt wirklich würdige Nachfolger der 'Bruderschaft' wie wir uns früher nannten. Ihr wisst ja 'offen und wachsam für ihre Freunde,…', das andere ergibt sich dann, leider meist von alleine.«

Julian, Lukas und Tom nahmen die Anhänger sichtlich gerührt an, sie stammten tatsächlich aus dem Hauptquartier, das Pascal heute Morgen noch aufgesucht hatte. Er wollte sehen, ob es für den neuen Zweck noch brauchbar war. »Diese Anhänger stammen von Freunden von mir, haltet sie in Ehren.« Ich war überzeugt, wir würden unser Möglichstes tun, und mehr konnten wir ihm nicht versprechen.

Da nun so weit alles geklärt war, wir haben das Angebot natürlich angenommen, flogen wir wieder zurück. In den nächsten Wochen würden wir noch einiges organisatorisches zu erledigen haben. Die Vorbereitung für die Schule durften wir natürlich auch nicht vergessen. Doch heute Abend wollten wir feiern, und hatten auch Martin dazu eingeladen, auch wenn Dr. Neckler darüber nicht 'amused' war. Wegen Martin, gegen die Feier hatte er natürlich nichts.

Nach einer weiten 'Behandlung' von Robin, direkt nach unserem Rundflug, ging es dem auch wesentlich besser. Aber geheilt war er noch lange nicht. Die NeckTech Wissenschaftler waren noch immer nicht viel weiter gekommen, was das für eine Waffe war und wie sie funktionierte. Aber das war im Moment auch nicht so interessant.

Nachwort

Wenn man so eine Geschichte schreibt, steckt man selbst natürlich sehr tief in der Materie. Mir sind die Beweggründe der handelnden Personen bekannt, aber ich bin mir nicht sicher, ob das auch immer so herüberkommt. Wenn es also Fragen zu der Story gibt, dann meldet euch, denn nur so kann ich daraus lernen.

Mich persönlich nervt es bei anderen Geschichten, wenn Unstimmigkeiten in der Handlung auftreten oder grobe Logikfehler auftauchen. Dementsprechend versuche ich solche Fehler zu vermeiden, oder eben eine Erklärung dafür zu finden. Doch jede Handlung haarklein zu erklären, würde die Geschichte sehr dröge machen. So hoffe ich doch, dass ich einen vernünftigen Kompromiss gefunden habe.

Manchmal sind aber auch gewisse Fehler und Fehleinschätzungen der handelnden Figuren tatsächlich so gewollt. Ich schreibe hier über Menschen und die machen bekanntlich auch Fehler. Ein 'Held', der immer alles richtig macht und den nie etwas überrascht, ist für mich ziemlich witzlos. Ich hoffe, das kam einigermaßen klar rüber.

Leider ist aber bis jetzt die Resonanz auf die Story nicht so berauschend. Als am ersten Tag gleich sechs Mails ankamen, war ich wirklich erfreut. Doch nach einer Woche, waren es gerade einmal neun geworden. Da die Mails aber die das einzige Feedback sind, das ich bekomme, gibt mir das schon zu denken. Denn schließlich ist das Schreiben und Aufbereiten einer solchen Geschichte, nicht nur für mich, mit viel Arbeit verbunden.

Deshalb werde ich jetzt erstmal eine Pause machen und dann mal sehen, ob es sich lohnt die Rohfassungen von Episode 1 und 2 entsprechend aufzubereiten.

Ansonsten Danke, dass ihr bis hierhin durchgehalten habt. Ich hoffe es war einigermaßen unterhaltsam und viel Spaß beim weiteren Stöbern bei Nickstories.

Liebe Grüße

Martin

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