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Regenbogenfamilie

Teil 58 - Vorbereitung der Zeltstadt

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Informationen

 

In den nächsten Tagen und Wochen liefen die Vorbereitungen für die Zeltstadt auf Hochtouren. Felix hatte gleich zu Beginn mit seiner Übersicht Klarheit in die angemeldeten Teilnehmerzahlen und in den Zeitablauf gebracht. Alle weiteren Anmeldungen liefen über ihn und er versuchte, die Gruppen gleichmäßiger zu verteilen um eine ausgewogenere Auslastung zu erreichen.

Trotz aller Bemühungen waren im August zwei Wochen hintereinander fast zweihundertfünfzig Kinder und Jugendliche mit ihren Betreuern im Camp. In den ersten beiden Wochen Ende Juni, Anfang Juli erwarteten wir nur rund einhundert Teilnehmer. Ich sah das eher positiv, da so die Chance bestand, Probleme, die auftreten konnten, rechtzeitig in den Griff zu bekommen.

Unsere Bemühungen Helfer zu finden, die uns zeitweise in der Zeltstadt unterstützen wollten, waren erfolgreicher als ich zuerst gedacht hatte. Aus Felix’ Schule meldeten sich rund zwanzig Schüler, die uns unterstützen wollten. Felix hatte sie gut eingeteilt und auf den gesamten Zeitraum verteilt.

Toni hatte sich entschieden, die gesamte Zeit in der Küche und in der Kantine bei der Essensausgabe mitzuarbeiten. Dennis wurde von Felix überredet, ihm bei den organisatorischen Abläufen zu unterstützen und als zusätzlicher Ansprechpartner für die Kinder und Jugendlichen sowie ihre Betreuer zur Verfügung zu stehen.

Die beiden Jungs, Toni und Dennis, waren an den letzten zwei Wochenenden jeweils von Freitag bis Sonntag hier und beteiligten sich an den Vorbereitungen. Sie teilten sich ein Zimmer im Gesindehaus, wobei Toni seine ersten Erfahrungen in der Küche und im Service sammelte. Dennis arbeitete sich in seine Funktion als Ansprechpartner für unsere Gäste ein, was ihm bei seiner Ausbildung zum Hotelkaufmann nützlich sein würde und er unterstützte Felix bei den Planungen. Wie Felix mir berichtete, brachte er gute Ideen mit ein und so konnten einige Teile der Planung mit seiner Hilfe noch besser optimiert werden.

Am vorletzten Sonntag kamen die Eltern der Jungs und wir unterschrieben endgültig die beiden Ausbildungsverträge. Ich lud sie anschließend zum Essen ins Restaurant ein. Tonis Mutter Ilona erzählte, dass der Jugendbetreuer des Fußballvereins sich in der kommenden Woche bei uns melden wird. „Die Entscheidung für das Zeltlager ist positiv ausgefallen. Eure Idee, wie ihr das organisiert, mit Teilnehmern aus allen gesellschaftlichen Schichten und Kindern mit Migrationshintergrund ist positiv angenommen worden. Da der deutsche Fußballbund gerade die Migration in den Vordergrund stellt, war euer Motto, unter dem das Zelt-Camp stattfindet, ausschlaggebend für die Entscheidung. Das bedeutet, dass unsere beiden Jungs auf dem Gutshof sind. Einer als Mitarbeiter und der zweite mit den Fußballern als Gast.“

Zum Abschluss des Gesprächs wollte sie mich kurz allein sprechen und interessierten sich für die Möglichkeiten, in der näheren Umgebung einen Job als Servicekraft in der Gastronomie zu finden, da in der Familie bereits darüber diskutiert wird, mit Toni aus der Stadt aufs Land zu ziehen. Sie hat von Dennis’ Mutter erfahren, dass wir Wohnungen für Familien auf dem Gelände des Gutshofes bauen und sie und ihr Mann wären daran interessiert. Ihr Mann hätte bereits eine Möglichkeit gefunden, sich beruflich nach Rosenheim zu verändern, wollte der Firma aber erst eine endgültige Zusage geben, wenn das mit der Wohnung geklärt sei.

Ich fragte sie, wie sie sich das vorstelle. Die Wohnungen würden erst im Spätsommer nächsten Jahres fertiggestellt. Als Servicekraft einen Job zu finden sei in einer Urlaubsregion leicht, selbst für das Restaurant im Gutshof und für unser Seminar-Hotel suchen wir immer gute Mitarbeiter, aber eine Wohnung für eine fünfköpfige Familie zu finden sei nicht gerade einfach, außer man mietet sich ein ganzes Haus. Sie sollte dabei auch bedenken, dass Toni bald volljährig ist und möglicherweise schneller auf eigenen Füßen stehen will, als sie das momentan noch plant.

Sie antwortete mir: „Das ist in unseren Plänen schon berücksichtigt, dass unser Ältester möglicherweise nicht mehr bei ihnen bleiben würde. Immerhin habe ich bereits im Internet recherchiert und festgestellt, dass sie für den Preis, den sie in München für die Vier-Zimmer-Wohnung bezahlen, hier eine größere Wohnung mieten könnten. Das hat unsere Überlegungen für einen Umzug aufs Land eher beflügelt als gebremst. Uns würde selbst eine vergleichbar große Wohnung ausreichen und die habe ich in unseren Plänen bereits gefunden.“

Ich erklärte ihr: „Wenn sie das Abenteuer eines zweimaligen Umzuges innerhalb eines Jahres auf sich nehmen würde, könnte ich ihr aus meinem Privatbesitz mein Reihenhaus in der Stadt anbieten, dass ich normalerweise immer nur kurzzeitig vermiete. Das Haus wird Anfang September wieder frei, weil der derzeitige Mieter in sein eigenes Haus umziehen wird. Damit wäre es möglich in kürzester Zeit umzuziehen und nächstes Jahr, wenn die neuen Wohnungen fertiggestellt sind, endgültig auf den Gutshof umzuziehen.“

Sie meinte dazu: „Das klingt fantastisch. Mein Mann könnte bereits im Oktober in der neuen Firma anfangen und mit seinem Resturlaub könnten wir noch vor Schulbeginn hierher ziehen. Ich denke, wir sollten ihn sofort in unser Gespräch mit einbeziehen. Er hatte bisher geplant für ein ganzes Jahr jeden Tag von München nach hier zu pendeln und dann hätte Toni zumindest öfter die Möglichkeit gehabt, mit ihm nach München zu kommen, wenn es sein Dienstplan zulässt. Ich hole am besten meine ganze Familie zusammen und wir sollten das gemeinsam besprechen.“

Wir standen auf und suchten den Rest der Familie, die wir draußen fanden. Sie erzählte kurz ihrem Ehemann David von meinem Angebot und meinte, wir sollten uns zusammensetzen und alles in Ruhe gemeinsam besprechen. Wir gingen in unser Besprechungszimmer. Thomas hatte sich auf meinen Wunsch uns angeschlossen. Als sich alle gesetzt hatten, erklärte sie ihrer Familie meinen Vorschlag, auch mit dem zweimaligen Umzug innerhalb eines Jahres.

Toni meinte dazu: „Ich werde trotzdem nicht mit euch umziehen. Mir gefällt die Lösung mit dem Personalzimmer und der Aussicht auf ein eigenes Appartement weitaus besser und für meinen kleinen Bruder Georg ist es sicher einfacher, wenn er sich das Zimmer nicht mehr mit mir teilen muss. Wenn ihr in der Nähe wohnt, kann ich euch auch jederzeit besuchen kommen.“

Mir gefiel seine Einstellung. Er hatte sich für das Personalzimmer entschieden und den Versuch seiner Eltern, mit dem Umzug wieder den bisherigen Zustand herzustellen, lehnte er ab. Er wollte einfach seine neu gewonnene Freiheit nicht wieder aufgeben.

Sein Vater schaute ihn an und meinte, dass er eigentlich gehofft hätte, dass Toni in diesem Fall, seine Entscheidung rückgängig machen würde. Doch er würde den Wunsch seines Sohnes akzeptieren. Was ihm aber eher Sorgen bereite, wäre das zweimalige Umziehen. Die beiden jüngeren Geschwister von Toni meinten, wenn damit nur ein Schulwechsel verbunden sei, wäre das für sie kein Problem. Nur zweimal innerhalb eines Jahres die Schule zu wechseln wäre doof.

Das Ergebnis war, dass sie eine Nacht darüber schlafen und mir morgen im Laufe des Tages ihre Entscheidung mitteilen wollten. Nachdem sich die Fünf verabschiedet hatten und wieder auf dem Weg nach München waren, meinte Thomas, als wir bereits unterwegs in unsere Wohnung waren: „Die Fünf haben sich längst entschieden. Du kannst morgen mit einer Zusage rechnen.“ Ich erklärte Thomas, dass ich das auch so sähe. Sie haben wohl eher aus Höflichkeit darauf verzichtet, sofort die Zusage zu geben.

Wir hatten es uns kaum in unserer Wohnung gemütlich gemacht, als Felix anrief und mir erklärte, dass er mich heute oder spätestens morgen früh in einer dringenden Angelegenheit sprechen will, die unsere Zeltstadt betrifft. Da es inzwischen nur noch zwei Wochen waren, bis unser Camp seine Pforten öffnet, meinte ich, wenn es so dringend sei, solle er besser gleich noch vorbeikommen. Er sagte sofort zu und deutete an, noch Jemanden mitzubringen.

Knappe zehn Minuten später stand er mit Sebastian in unserem Wohnzimmer und ich bat die Beiden sich zu setzen. Thomas wollte wissen, ob sie auch etwas zu trinken wollen und als sie zustimmten, stand er auf und holte eine Flasche Weißwein und Gläser. Felix erklärte mir, dass sie sich überlegt hätten in den Spitzenzeiten das Mittag- und Abendessen nicht nur in der Kantine auszugeben, sondern zusätzlich im Aufenthaltszelt eine weitere Ausgabestelle einzurichten.

Sebastian habe bereits mit dem Caterer gesprochen, mit dem er gelegentlich zusammenarbeitet und dieser habe ihm zugesagt, dass er uns das nötige Equipment für diese Zeit ausleihen könne, da er es in den Ferien nicht benötige. Damit würden wir die Ausgabezeiten verringern und das Essen bräuchte nicht so lange warmgehalten werden.

Ich schaute die beiden verunsichert an und fragte, ob die Küche auch in der Lage wäre diese größeren Mengen in so kurzer Zeit fertigzustellen. Sebastian erklärte: „Wenn wir statt der geplanten drei Essen zur Auswahl auf zwei Essen umstellen und einen Tag vorher bereits abfragen könnten, wie viele Essen wir in etwa benötigen, wäre das durchaus machbar.“

Felix schlug vor: „Die Betreuer bekommen den Speiseplan für die ganze Woche und können innerhalb der Gruppen abfragen, wer welches Essen will. Die Ergebnisse sollten am Vortag bis spätestens fünfzehn Uhr bei Dennis und mir abgegeben werden und wir übermitteln die benötigten Mengen an Sebastian.“

Da im Camp nur an den Wochenenden gewechselt wird, sollten die Pläne immer von Sonntag bis Samstag erstellt werden. Sebastian wollte wissen ob es wirklich erforderlich sei, abends ebenfalls warmes Essen anzubieten. Er könne sich vorstellen, dass ein gemischtes Büffet durchaus mehr Anklang finden könne, das er mit warmen Suppen und Eintöpfen bereichern könne.

Nach reiflicher Überlegung gab ich meine Zustimmung. Es würde zwar etwas weniger Sitzplätze im Aufenthaltszelt bedeuten, aber gleichzeitig die Organisation für das Mittagessen erheblich vereinfachen. Ich wollte mich schon bei Felix für seine guten Ideen bedanken, doch der wehrte ab und meinte, der Vorschlag stamme nicht von ihm, sondern Toni hätte ihm die Anregung dazu geliefert. Er habe sich nur um eine mögliche Umsetzung gekümmert und die Klärung mit Sebastian durchgeführt. Sebastian grinste und meinte, mit den drei Jungs, die sich mit um die Organisation kümmern, hätte ich einen guten Fang gemacht und bei Toni sei er sich nach den beiden Wochenenden sicher, dass er mit seiner Einstellung als Auszubildendem keinen Fehler gemacht habe.

Felix meinte: “Ich habe noch zwei weitere Punkte, die wir dringend abklären müssen. Dazu ist die Anwesenheit von Sebastian nicht unbedingt erforderlich. Wenn er dringend im Restaurant gebraucht werde, kann er wieder an seine Arbeit gehen.“ Sebastian erklärte: „Im Moment laufe es auch ohne ihn. Er bleibe noch ein wenig bei euch sitzen und genieße mein Glas Wein.“

Felix fing an uns zu erklären, dass wir einen wichtigen Punkt bisher nicht bedacht hätten. „Bei so vielen Kindern und Jugendlichen haben wir bereits eine Lösung für einen Teil der täglichen Bedürfnisse. Aber einen entscheidenden Punkt haben wir dabei bisher vernachlässigt. Wir haben bisher keine Wasch- und Duschgelegenheiten für die Teilnehmer und ihre Betreuer geschaffen. Im Gesindehaus hätten wir zwar Möglichkeiten, würden aber nur unsere Helfer ständig stören. Ich habe inzwischen mit dem Ansprechpartner vom Roten Kreuz gesprochen und sie könnten uns mobile Container, die für diesen Zweck vorhanden seien, zur Verfügung stellen. Wir müssten nur abklären, wo wir sie aufstellen können, da sie Strom-, Wasser- und Abwasseranschlüsse benötigen.“

Bevor ich selbst darüber nachdachte fragte ich Felix, ob er sich schon darüber Gedanken gemacht habe, wo wir diese aufstellen könnten. „Nachgedacht habe ich“ entgegnete Felix. „Ich habe aber noch keinen Platz gefunden der geeignet erscheint. Unser Ansprechpartner vom Roten Kreuz hat mir gesagt, dass die Aufstellung durch das Technische Hilfswerk durchgeführt wird und mir den Ansprechpartner genannt hat. Er würde mit uns alles abklären vor der Aufstellung.“

Thomas sagte: „Geeignet erscheinen mir nur solche Plätze, die kurze Zu- und Ableitungen ermöglichen, also in der Nähe von Gebäuden mit entsprechenden Anschlussmöglichkeiten. Ich sehe einmal das Gutshaus, das Gesindehaus oder beim Hofladen. In die Nähe der Stallungen würde ich nicht gehen, die sind zu weit von der Zeltstadt entfernt.“

Felix schlug vor, dass wir gemeinsam den Ansprechpartner vom THW anrufen könnten und mit ihm einen Termin vereinbaren sollten. Ich holte unser Mobiltelefon und Felix wählte die Rufnummer. Als sich sein Gesprächspartner meldete stellte er sich als Ansprechpartner für die Organisation der Zeltstadt vor und fragte, ob ihm sein Kollege vom Roten Kreuz schon informiert habe.

Da er scheinbar schon wusste um was es ging, sagte Felix: „Ich schalte auf Lautsprecher. mein Chef, und gleichzeitig der Veranstalter des Jugendcamps, sitzt gerade neben mir und wir können gleich alles gemeinsam besprechen.“ Ich begrüßte Herrn Müller recht herzlich und bedankte mich schon im Voraus für seine Unterstützung.

Er erklärte uns welche Vorausetzungen nötig seien, um die Container aufzustellen. Ich fragte ihn, wann er denn Zeit habe, um mit uns die möglichen Orte abzuchecken. Er meinte, ob es uns morgen Abend passen würde, wenn er vorbeikäme. Ich sagte sofort zu, da die Zeit langsam knapp wurde.

Bevor er auflegte fragte er, ob es möglich sei mit ihrer Jugendgruppe ebenfalls am Zeltlager teilzunehmen, da der Platz, den sie für heuer ausgesucht hatten, kurzfristig doch nicht zur Verfügung stünde.

Ich erklärte ihm, wenn es ihn nicht störe, dass wir Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten hier hätten, inklusive Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen oder mit Migrationshintergrund, wäre es kein Problem mit seiner Jugendgruppe daran teilzunehmen.

Er antwortete mir, dass er damit überhaupt kein Problem habe. Immerhin seien in seiner Jugendgruppe auch mindestens drei Kinder und Jugendliche, die ebenfalls einen Migrationshintergrund haben. Felix fragte, wann er mit seiner Gruppe teilnehmen würde und als Herr Müller meinte, ihm wären die beiden letzten Wochen der bayrischen Sommerferien am liebsten, erklärte ihm Felix, dass diese beiden Wochen gut passen würden, da dann bereits nicht mehr so viel Betrieb wäre. Wir verabschiedeten uns bis morgen Abend und dass wir da alles Weitere besprechen können.

Ich sagte zu Sebastian: „Selber schuld, dass du dich vorher nicht verkrümelt hast. Ich habe jetzt doch noch ein Attentat auf dich vor. Könntest du am Freitag in einer Woche, also einen Tag vor Eröffnung des Zeltlagers, ein Abendessen im großen Saal veranstalten für alle Helfer, die uns bei den Vorbereitungen und beim Aufbau der Zeltstadt geholfen haben. Das gleiche noch einmal nach dem Ende und Abbau für die Helfer und Helferinnen, die uns während des Zeltlagers unterstützt haben und die am Abbau beteiligt sind. Felix kann dir sicher bis nächstes Wochenende sagen, mit wie vielen Leuten du zu rechnen hast. Die Kosten dafür übernimmt die Stiftung.“

Felix lachte: „Ich habe dir doch angeboten, dass du die Biege machen kannst, aber ich fürchte, Peter hätte dich spätestens morgen deswegen angesprochen. Wo bitte liegt da der Unterschied? Aber nun zu meinem zweiten Punkt: Was machen wir, wenn es in den nächsten Wochen tagelang regnet oder ein Wolkenbruch über uns nieder geht? Dennis meinte, in so einem Fall könnte aus der Zeltstadt sehr schnell eine Schlammwüste werden und ich meine, wir sollten uns dazu etwas einfallen lassen.“

Ich erklärte ihm: „Normalerweise sind die Böden gut aufnahmefähig. Aber für den Extremfall sollten wir zumindest vorbereitet sein. Auch wenn ich doch hoffe, dass unserer Zeltstadt die Götter wohlgesonnen sind und wir zumindest keine katastrophalen Wetterverhältnisse erleben. Wir sollten das vielleicht morgen mit Herrn Müller vom Technischen Hilfswerk besprechen, der hat sicher schon Erfahrungen mit solchen Situationen gesammelt und kann uns da besser weiterhelfen.“

Somit hatten wir den zweiten Punkt schnell abgehandelt. Da keiner von uns als Spezialist für solche Situationen gelten konnte brauchten wir definitiv die Hilfe eines Fachmannes. Felix und Sebastian verabschiedeten sich und wir hofften, dass der Rest des Abends ungestört verlaufen würde.

Der Montag war zunächst geprägt von den üblichen arbeitstäglichen Routinen. Erst am frühen Nachmittag kam Felix in mein Büro und erstattete mir Bericht. Er berichtete: „Für das große Hauptzelt laufen die Vorbereitungen bereits, die Fläche wurde heute begradigt und morgen früh wird die feine Kieselschicht aufgetragen. Danach kann mit dem Aufbau begonnen werden. Der Chef vom Zeltverleih hat heute angerufen und meinte, sie würden bereits am Mittwoch im Laufe des Nachmittags kommen und am Donnerstag mit dem Aufbau beginnen, damit seine Leute am Freitag bereits fertig sind. So können wir bereits am Samstag unsere Helfer im Aufenthaltszelt bewirten und brauchen die Kantine oder den Saal nicht. Gleichzeitig könnte Sebastian testen, ob die Abläufe im Zelt passen würden. Ich habe ihm noch mitgeteilt, dass wir weniger Biertische und Bänke brauchen, da zusätzlich eine Essensausgabe eingeplant wurde. Er bot mir an, uns unentgeltlich das notwendige Equipment, wie eine längere Theke zum Warmhalten der Speisen, zur Verfügung zu stellen, sowie einige Kühlungen für die alkoholfreien Getränke. Er will morgen noch einmal am Vormittag vorbeikommen, um alles mit uns zu besprechen. Ich habe Sebastian davon bereits informiert und er hätte nichts dagegen, da uns die Gerätschaften vom Caterer erst ab der letzten Juliwoche zur Verfügung ständen. Vielleicht können wir unser Dankeschön für die Aufbauhelfer am letzten Tag vor der Eröffnung statt im Saal direkt im Zelt abhalten.“

Ich meinte zu ihm: „Hast du mit Sebastian schon gesprochen bezüglich der Verlegung ins Zelt?“ Er antwortete mir: „Nein, darüber habe ich noch nicht gesprochen. Aber das liegt auch daran, dass heute Vormittag der Caterer, Herr Baumann, angerufen und angefragt hat, ob er unser großes Zelt am Wochenende nach Beendigung des Zeltlagers für zwei eigene Veranstaltungen nutzen könne. Er will gegen halb drei Uhr hier sein, um das mit uns zu besprechen. Sebastian habe ich bereits informiert, dass er bei diesem Termin, auf Wunsch von Herrn Baumann, ebenfalls dabei sein soll. Er würde auch die Kosten für den kompletten Auf- und Abbau des Zeltes übernehmen, ebenso die zusätzlichen Aufwendungen für die Verlängerung des Mietvertrages.“

Ich erklärte Felix: „Das hört sich gut an. Doch wir sollten alle Fakten kennen, bevor wir uns für diesen Deal entscheiden. Immerhin steht das Zelt mindestens eine weitere Woche an seinem Platz. Vor allem sollten wir genau wissen, für welche Zwecke das Zelt genutzt werden soll und wie die Besucher hierherkommen. Ich sehe eher das Problem bei den Parkplätzen. Für unsere Zeltstadt mit den Kindern und Jugendlichen brauchen wir keine Parkplätze vorhalten, da sie vorwiegend mit Bussen anreisen, die anschließend wieder zurückfahren oder andere Kinder mit zurücknehmen. Selbst wenn die Kinder von ihren Eltern gebracht werden, fahren diese anschließend wieder zurück. Eine Großveranstaltung mit über hundert Personen könnte bedeuten, dass wir mindestens fünfzig Parkplätze für Personenkraftwagen benötigen, die uns dann für den Restaurantbetrieb oder unser Gesindehaus fehlen würden. Wenn zusätzlich unsere Zufahrtsstraße zugeparkt wird, könnten wir Ärger mit der Feuerwehr bekommen, da im Ernstfall ein schnelles Eintreffen und Eingreifen behindert wird.“

Felix schaute mich fragend an und erwiderte: „An so etwas habe ich nicht gedacht. Ich merke schon, um andere Großveranstaltungen vernünftig zu organisieren, sollte ich mir noch einiges an Wissen aneignen oder vorher mit Armin sprechen. Bei unserer Zeltstadt für die Kinder und Jugendliche gelten andere Spielregeln als bei sonstigen Veranstaltungen. Erschwerend kommt hinzu, dass wir an diesem Freitag gleichzeitig unsere Veranstaltung mit den Helfern des Zeltlagers im großen Saal geplant haben. Die habe ich völlig ausgeblendet dabei.“

„Immerhin bist du lernfähig“, meinte ich zu ihm und fuhr fort: „Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder wir verschieben unsere Einladung, wenn du noch keinen davon informiert hast oder wir versuchen unsere Gäste im Saal mit Bussen einzusammeln und hierher zu bringen, was ich im Übrigen auch dem Caterer empfehlen werde. Denn damit wäre das Problem mit den Parkplätzen gelöst. Gibt es sonst noch etwas, was ich dringend wissen sollte? Ansonsten sollten wir uns mit Sebastian auf den Besuch des Caterers vorbereiten.“

Felix schaute mich an und meinte: „Einen Punkt habe ich noch, der mir im Moment etwas Kopfzerbrechen bereitet und denn wir besprechen sollten. Herr Müller vom THW hat mir eine Mail geschickt, in der er mitteilte, dass einige Kollegen aus anderen Ortsverbänden interessiert seien, mit ihren Jugendgruppen ebenfalls eine oder zwei Wochen in unserem Camp zu verbringen, da sie ebenfalls von der Absage betroffen seien. Der Chef vom Jugendrotkreuz hat heute Morgen telefonisch angefragt. Die Idee mit dem Zeltlager wäre bei einigen seiner Kollegen gut angekommen und diese würden gerne noch mit ihren Gruppen dazukommen. Ich habe ihm bereits erklärt, dass wir bereits an unsere Grenzen stoßen, ich aber mit dir klären will, inwieweit wir noch zusätzliche Plätze anbieten könnten. Er kommt heute Abend zusammen mit Herrn Müller und bis dahin wollte ich alles vorbereiten. Beide haben mir bereits die Ortsverbände gemailt, die kommen möchten, wann sie anreisen, wie lange sie bleiben und mit wie vielen Kindern oder Jugendlichen sie rechnen. Ich habe das bereits in meine Excel-Liste eingearbeitet und wir sollten uns das noch vor dem Gespräch heute Abend anschauen und eine Entscheidung treffen. Wenn wir die bisherige lockere Planung der Schlafzelte umplanen, hätten wir Platz für weitere Schlafzelte, aber das sollten wir erst mit den beiden Herren besprechen.“

Ich schaute Felix lange an, bevor ich mich zu einer Antwort durchringen konnte: „Die Idee mit dem Jugendcamp, das eigentlich nur als Notlösung gedacht war, verselbständigt sich inzwischen. Wir sollten jetzt wirklich die Notbremse ziehen, bevor das Ganze nicht mehr zu überblicken ist. Ab sofort nimmst du keine weiteren Anmeldungen mehr an, mit Ausnahme der Zeiten, in denen wir noch keine Vollauslastung haben. Die Obergrenze lege ich jetzt einfach auf zweihundertfünfzig Kinder, Jugendliche und Betreuer für jeden Tag fest. Das bedeutet, dass wir zusätzlich fünf weitere Schlafzelte einplanen. Sollte ich richtig gerechnet haben bedeutet das, dass wir in zehn Wochen rund achtzehntausend Übernachtungen mit Vollverpflegung anbieten, womit wir bei dem mehr als vierfachen liegen, gegenüber der ursprünglich geplanten Unterbringung im Gesindehaus.“

Da es bereits kurz vor vierzehn Uhr war rief ich Sebastian an und bat ihn zu mir ins Büro zu kommen, damit wir uns auf das Gespräch mit dem Caterer vorbereiten könnten, der in etwa einer halben Stunde eintreffen würde. Er meinte, er sei in wenigen Minuten bei uns.

In der Zwischenzeit erzählte mir Felix, dass sich zwei weitere schwule Jugendgruppen gemeldet hätten, die ins Camp kommen wollen und auch angeboten haben uns bei der Bewältigung der Aufgaben zu helfen. Ich fragte ihn, wie es aktuell im Gesindehaus mit der Belegung aussähe, da wir diese Räume komplett für die Helfer freigehalten haben.

Alexandra hätte ihm den Zugang zur Zimmerbelegung eingerichtet und er könne jetzt mit der Planung beginnen, aber bisher sehe er hier noch keine Platzprobleme auf uns zukommen. Am ehesten noch in den ersten beiden Septemberwochen, wenn bereits wieder Seminare und Seminarteilnehmer angemeldet sind.

Sebastian kam ins Büro. Zuerst brachte ich ihn auf den neuesten Stand, vor allem, dass ich eine Obergrenze von zweihundertfünfzig Personen in der Zeltstadt je Tag festgelegt habe. Sebastian berichtete uns von seinem Gespräch mit dem Caterer, der ihm erzählt hat, dass nicht er die Idee hatte unser Zelt zu nutzen, sondern dass ihn der Chef vom Zeltverleih auf diese Möglichkeit hingewiesen hatte. Damit war zumindest für mich schon geklärt, warum er bei uns angefragt hat. Er sollte den Caterer bei der Verpflegung seiner Gäste unterstützen, was er zumindest bisher für den Freitag abgelehnt habe, da wir ja an diesem Tag unsere eigene Veranstaltung eingeplant hatten.

Ich meinte zu Sebastian: „Wenn wir unsere Veranstaltung eine Woche nach hinten schieben, dann könntest du bei der Verpflegung seiner Gäste mithelfen. Ich habe mit Felix diese Möglichkeit bereits besprochen, da auch die Parkplätze sonst zu einem Problem führen könnten.“ Sebastian erklärte sich mit der Verlegung einverstanden und somit war der Weg frei für die Zusammenarbeit mit dem Caterer.

Herr Baumann wurde von Petra angekündigt und zu uns ins Büro gebracht. Er bedankte sich, dass wir uns kurzfristig zu diesem Termin bereiterklärten, denn nur wenn alle Voraussetzungen für die beiden Veranstaltungen gegeben seien, würde er seinen Kunden die endgültige Zusage erteilen.

Er berichtete uns von der Anfrage seiner Kunden und dem Dilemma, dass er innerhalb von zwei Tagen an zwei verschiedenen Orten, jeweils eine Großveranstaltung hätte durchführen müssen. Er hätte vom Zeltverleiher zwei Zelte benötigt und der habe ihn auf die Idee gebracht, beide Veranstaltungen im Zelt auf dem Gutshof durchzuführen, da ihm weitere Zelte fehlten. Bevor er mit seiner Anfrage an uns herangetreten sei, habe er mit seinen Auftraggebern erst einmal abgeklärt, ob sie der Ausweichlokation überhaupt zustimmen würden.

„Der eine Auftraggeber war sofort begeistert von der Idee, da damit seine Parkplätze für seine Mitarbeiter frei blieben und von sich aus angeboten seine Leute in der Firma parken zu lassen und mit zwei Bussen zum Gutshof zu kommen. Der zweite Auftraggeber hat erst zugestimmt, nachdem ich ihm versichert habe, dass ein Teil des Menüs vom Restaurant im Gutshof zubereitet wird. Er scheint wohl schon einige Male bei euch gewesen und von Sebastians Kochkünsten begeistert zu sein. Auch die Überlegung seine Gäste mit Kleinbussen zum Gutshof zu bringen, fand er genial. Ich habe ihm zugesagt, dass ich den Shuttle-Service für ihn mitorganisieren werde.“

Sebastian berichtete ihm, dass er doch an beiden Tagen mitkochen könne, da wir unsere geplante Veranstaltung verschoben hätten. Er schlug vor, diese nicht am Freitag der folgenden Woche sondern direkt im Anschluss, also am Sonntag einzuplanen, da wir dann alles mitverwenden könnten, was unter der Woche zusätzlich eingerichtet wird. Auch könnte dann am Montag Zelt abgebaut werden und bräuchte nicht eine weitere Woche angemietet werden.

Ich warf einen Blick zu Felix, der mir signalisierte, dass der Sonntag für ihn zumindest eine Alternative wäre und so stimmte ich Sebastians Vorschlag zu. Ich hatte mir auch überlegt, dass wir damit unser Budget entlasten konnten, wenn der Caterer bei seinem Angebot der Kostenübernahme für den Auf- und Abbau bleiben würde. Er bot sogar an, uns am Sonntag mit einigen von seinen Leuten zu unterstützen, die er uns nicht extra berechnen würde.

Ich meinte zu den Beiden: „Ihr seid dann für die drei Veranstaltungen die Verantwortlichen und kümmert euch ums Essen und die Getränke, wobei ihr gerne auf unseren Getränkelieferanten zugreifen könnt, der unser Zeltlager mit alkoholfreien Getränken beliefert. Der wird sich sicher über das Zusatzgeschäft mit euch freuen.“

Sebastian fragte, ob er Felix und mich allein lassen könne, dann würde er sich mit Herrn Baumann in sein Büro zurückziehen und sie könnten die Details für die drei Tage besprechen. Da für mich alles geklärt war wünschte ich ihnen viel Erfolg bei der Planung.

Felix blieb bei mir und zeigte mir seine aktuellen Zahlen in seiner Excel-Datei und legte mir seine neuen Überlegungen für den Aufbau der Zeltstadt vor. Er sei extra vormittags zum Zeltplatz gegangen und habe vorsichtshalber geprüft, ob seine Überlegungen umzusetzen sind.

Mein Telefon klingelte und als ich das Gespräch entgegennahm, meldete sich Armin und meinte, er würde gerne ein paar Dinge wegen des Camps mit mir besprechen. Ich sagte nur, er kann sofort kommen, da Felix gerade noch bei mir im Büro sei. Bis Armin auftauchte besprachen Felix und ich seine neuen Pläne für den Aufbau der Zelte.

Armin erzählte uns nach seiner Ankunft im Büro, dass wir von der Stadt Rosenheim heute einen Brief bekommen haben, in dem uns für unsere jungen Gäste einige interessante Angebote unterbreitet werden, die er mit uns besprechen will. Barbara hatte ihm schon vorgewarnt, dass das Jugendamt mit der Stadt in Verhandlungen stehe, um günstige Eintrittspreise für das Freibad und für Sehenswürdigkeiten in der Stadt zu bekommen.

Er erklärte: „Die Stadt bietet uns jetzt für jedes schulpflichtige Kind oder Jugendlichen bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahr an, einen Ferienpass der Stadt zum Preis von fünf Euro zu erwerben, der freien Eintritt ins Freibad, zwei Besuche im Hallenbad und kostenlosen Zutritt zu den meisten Sehenswürdigkeiten in der Stadt bietet und in dem auch die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel eingeschlossen sei. Sämtliche Betreuer erhalten ebenfalls diesen Ferienpass, der in dem Fall kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Da viele Gruppen mindestens zwei Wochen hier sind benötigen wir nach Berechnungen von Felix etwa eintausendzweihundert Ferienpässe, die uns sechstausend Euro kosten würden. Wenn ich die Kosten für die nicht benötigten Busfahrten ziehe, kommen wir auf einen Aufwand von etwa fünfeinhalbtausend Euro, was damit unter den geplanten Kosten allein für den Besuch des Freibades liegt. Ich habe kurz mit Barbara telefoniert und sie kümmert sich um die Daten der Kinder und Jugendlichen, die von den Jugendämtern kommen, um die Pässe zu beantragen. Wir müssten uns mit allen anderen Gruppen in Verbindung setzen und dort die notwendigen Daten anfordern. Wenn mir Felix die Daten der Ansprechpartner nennt, übernehme ich diese Aufgabe.“

Felix grinste: „Von einigen Gruppen habe ich bereits vollständige Listen vorliegen, die sogar die Namen der Angehörigen enthalten, die bei besonderen Vorkommnissen zu benachrichtigen seien. Natürlich stelle ich Armin diese Unterlagen gerne zur Verfügung. Bisher war mir noch nicht ganz klar gewesen, für welchen Zweck ich diese Daten erhalten habe. Ich sende Armin gleich eine entsprechende Mail in der sämtliche Ansprechpartner aufgeführt sind und für welche Gruppierung sie zuständig sind.“

Ich erklärte Felix, dass diese Listen eine wichtige Grundlage für die Stiftung seien, weil diese auch Verwendungsnachweise für die aufgewendeten Ausgaben darstellen und bei eventuellen Erkrankungen, zum Beispiel für den Arzt oder im Krankenhaus, wichtige Daten der Ansprechpartner enthalte. Am besten soll er die Listen in einem Ordner sammeln, damit im Bedarfsfall schnell darauf zugegriffen werden könne.

Felix bot an: „Ich erstelle dann eine Excelliste, die alphabetisch sortiert und wochenweise gefiltert wird, dann bekommen wir eine alphabetische Übersicht für die jeweilige Kalenderwoche und wir wissen gleichzeitig zu welcher Gruppe eine Person gehört.“

Ich legte fest: „Du erstellst zuerst für Armin eine Listung, mit welcher er die nötigen Daten anfordern kann und dass er danach seine Bedarfsliste erstellen kann. Mit der vollständigen Liste können wir dann bei der Stadt alle notwendigen Ferienpässe rechtzeitig vorher anfordern. Bevor du Armin den Entwurf zumailst, schauen wir beide noch einmal darüber, damit nichts Wichtiges vergessen wird.“

An Armin gewandt meinte ich: „Wir nehmen das Angebot der Stadt selbstverständlich an und bestellen die Ferienpässe direkt durch die Stiftung. Kannst du bitte Werner ausrichten, dass wir uns bei der Stadt für die Unterstützung bedanken und wir den Bürgermeister und den gesamten Stadtrat zu einer Besichtigung des Jugendcamps einladen. Vielleicht kannst du ihn zu unserem Dankeschön-Fest an die Helfer am Ende der nächsten Woche einladen. Wenn der Termin feststeht, soll Werner auch Medienvertreter zu diesem Marketingevent einladen, um unsere Stiftung einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.

Nachdem die Beiden mein Büro verlassen hatten meinte Petra, dass ich noch einen Termin mit Roland hätte, der mich dringend sprechen wolle. Ich sagte zu ihr, dass er gleich jetzt vorbeikommen kann.

Nach wenigen Minuten betrat Roland mein Büro und setzte sich mir gegenüber auf einen Stuhl. Ich fragte ihn was so dringend sei, dass er mich sofort sprechen wolle. Er erklärte mir, dass er gerade dabei sei den Internetauftritt der Stiftung zu aktualisieren und sich überlegt, inwieweit er vom Jugendcamp berichten darf. Ich meinte, er solle sich dazu mit Werner in Verbindung setzen. Mit ihm könne er abklären in welchem Umfang er vom Camp berichten kann. Weiter führte ich aus: „Wichtig ist, dass du keinerlei Persönlichkeitsrechte verletzt. Keine Bilder von Kindern, deren Gesicht man erkennen kann, außer du hast die Unterschrift der Eltern, die der Veröffentlichung zugestimmt haben. Bei Politikern, die das Camp besuchen, brauchst du dir keine Gedanken machen. Sie sind Personen die aufgrund ihres Amtes in der Öffentlichkeit stehen und die kannst du jederzeit in deinen Berichten namentlich erwähnen und abbilden. Du solltest vorsorglich auch für die Seiten der schwulen Jungs darauf hinweisen, dass sie immer eine Genehmigung der abgebildeten Person benötigen, damit sie und auch wir keinen Ärger bekommen.“

Er meinte: „Okay dann kläre ich das sicherheitshalber direkt mit Werner und danke für den Tipp, bei unseren Jungs noch einmal darauf hinzuweisen.“

Kaum hatte Roland das Büro verlassen trat Felix durch die seitliche Tür und meinte, er habe die Liste fertiggestellt und mir den Entwurf per Mail geschickt. Ich schaute mir die Daten noch einmal ganz genau an. „Den Namen der Gruppe würde ich in unserem Formular weglassen. Diesen kannst du beim Übernehmen in deine Gesamtdatei selbst vergeben. Wenn wenn du mehrere Gruppen vom Technischen Hilfswerk oder Jugendrotkreuz hast, und die schreiben wahrscheinlich alle nur THW oder Rotes Kreuz, dann bist du genauso schlau wie vorher. Ich würde in deiner Liste der Wochen noch die Nummer des Zeltes eintragen, in dem der Gast untergebracht ist. Genau so, wie du in der Hotelsoftware die Zimmernummer vermerkst. Notfalls kannst du für die Sortierung und Filterung noch weitere Felder am Ende der Zeile hinzufügen. Die Spalten, die grau markiert sind, sind die Daten, die ihr abfragen solltet, mehr nicht.“

Felix meinte: “Dann schicke ich den Entwurf und die Ansprechpartner an Armin, damit er die Daten abfragen kann. Bevor ich es vergesse, Herr Müller hat gerade angerufen und mitgeteilt, dass er mit dem Chef vom Jugendrotkreuz eine Stunde früher hier sein wird. Sie sind spätestens in einer halben Stunde hier, damit wir mehr Zeit haben, um alles zu besprechen. Ich habe die Unterlagen für unser Gespräch schon vorbereitet.“

Pünktlich eine halbe Stunde später stand er wieder in meinem Büro: „Ich habe alles dabei. Wir sollten uns auf den Weg machen und die Beiden gleich draußen in Empfang nehmen, um zuerst die Ortsbegehung durchzuführen und anschließend alles in Ruhe in deinem Büro zu bereden.“

Schon kündigte Petra unsere beiden Besucher an. Ich begrüßte sie und bot ihnen das „Du“ an. „Immerhin werden wir in den nächsten Wochen des Öfteren beim Zeltlager aufeinandertreffen. Ich bin Peter und der junge Mann neben mir ist Felix.“ Herr Müller meinte, er sei der Kurt und sein Kollege vom Roten Kreuz sei Hans.

Dann schlug ich vor zuerst eine Ortsbegehung durchzuführen. Die weiteren Gespräche könnten wir dann im Restaurant im Gutshof fortsetzen. Gerne bei einem Kaltgetränk und, wer Hunger hat, kann sich gerne etwas zum Essen bestellen.

Wir gingen zum Zeltplatz, der bis jetzt noch leer war. Das große Aufenthaltszelt wird erst ab Donnerstag aufgebaut, nur die Grundfläche war perfekt begradigt und morgen wird der feine Kiesel angeliefert und aufgebracht.

Jetzt kam Felix große Stunde. Er stellte uns den ursprünglichen Plan für die Aufstellung der Zelte vor und meinte, aufgrund der aktuell angemeldeten Teilnehmer müssen wir die Zelte enger zusammenstellen, um alle fünfundzwanzig Schlafzelte unterzubringen. Hinzu kommen jetzt noch die Dusch- und Waschgelegenheiten in den Containern. Da bin ich mir noch nicht sicher, wo was hinkommen solle.

Hans meinte, die Container stellt man am besten da auf wo alle notwendigen Anschlüsse nicht weit entfernt sind. Für die Abwasserleitung ist ideal wenn ein leichtes Gefälle vorhanden ist. Jeder zusätzliche Meter Leitung kann zu Problemen führen. Neben dem Hauptzelt ist ein Wasser- und Stromanschluss vorhanden. Vermutlich gibt es auch eine Abwasserleitung, da dort die WC-Anlagen aufgestellt sind. Das wäre eine Möglichkeit, denn aus den Wasch- und Duschcontainern sind die Leitungsdurchmesser im Normalfall kleiner als bei den Toiletten. Wenn es noch andere Anschlussmöglichkeiten gibt, sollten wir prüfen, ob sie geeignet sind. Ich erklärte, wir haben auf Anraten eines Fachmannes bereits eigene Anschlüsse verlegen lassen, die direkt in die Kanalisation münden.

Wenn das so ist, sollten wir diese Anschlüsse nutzen, meinte Kurt. Hans überlegte und erklärte uns dann, dass er kurz telefonieren müsse. Er ging etwas Abseits und führte ein längeres Gespräch.

Als er wieder aufgelegt hatte, stellte er sich wieder zu uns und meinte: „Ich habe die Lösung für euer Problem. Der benachbarte Ortsverband hat seit drei Jahren die aus acht Containern bestehende kombinierte Dusch-, Wasch- und WC-Anlage, die eine Zeitlang eingesetzt wurde für Behelfsunterkünfte für Flüchtlinge. Er würde uns diese kostenlos zur Verfügung stellen, wenn er mit seinen beiden Jugendgruppen am Zeltlager teilnehmen kann.“

Felix fragte ihn, mit wie vielen Kindern will er denn kommen und in welchem Zeitraum. Hans meinte: „Er hat erklärt, dass er sich danach richten will, wann überhaupt noch frei Plätze vorhanden wären und er geht davon aus, dass etwa zwanzig Personen kommen werden.“

Felix entgegnete: „Ich kann ihm vier Wochen in den Sommerferien anbieten. Da haben wir noch Platz für jeweils zehn Kinder und Jugendliche.“ „Das hört sich doch gut an“, meinte Hans und sagte: „In einer halben Stunde ist er hier und dann können wir alles mit ihm direkt besprechen.“

Wir einigten uns darauf, dass der Containerblock direkt neben dem großen Aufenthaltszelt aufgebaut wird und die Schlafzelte in einem gewissen Abstand in drei Reihen aufgebaut werden. Das Nächste, was Felix ansprach, waren seine Bedenken, was geschehen könne, wenn es längere Zeit regne oder ein Wolkenbruch über die Zeltstadt hereinbrechen würde.

Kurt meinte: „Eigentlich sollte bei diesen Bodenverhältnissen so gut wie nichts schief gehen. Aber für diesen Fall hätte das THW eine Lösung, die kurzfristig zum Einsatz kommen könne. Da verschiedene Gruppen vom THW fast die gesamte Zeit am Platz wären kann in diesem Fall rasch für Abhilfe gesorgt werden, da die benötigten Helfer sowieso vor Ort sind.“

Nachdem nun auf dem Gelände der geplanten Zeltstadt alles geklärt war gingen wir zurück ins Gutshaus. Wir setzten uns jedoch nicht in mein Büro, sondern gingen direkt ins Besprechungszimmer, da wir dort mehr Platz hatten. Felix holte sein Notebook und verband es mit dem Großbildschirm, damit wir Einblick in seine bisherige Planung erhielten.

Zuerst öffnet Felix seine Übersicht mit den Belegungsdaten, welche Gruppen wann und in welchen Schlafzelten untergebracht sind. Er trug gleich die geplanten vier Wochen für den benachbarten Ortsverband des Roten Kreuzes ein. Dann prüfte er mit Kurt und Hans, ob er die übermittelten Daten richtig in seinen Planer eingetragen hatte.

Kurt wollte wissen, ob ein befreundeter Ortsverband aus Thüringen gleich zu Beginn des Ferienlagers noch eine Chance hätte für zwei Wochen am Zeltlager teilzunehmen. Diese würden jedoch mit etwa zwanzig Kindern und Jugendlichen anreisen. Felix meinte, in der ersten Woche seien sie nicht vollständig belegt, aber er würde dort ungern noch jemand unterbringen, da er der Meinung sei, die geringere Belegung könne eventuelle Anlaufschwierigkeiten leichter beseitigen lassen.

In der zweiten und dritten Woche könne er die Gruppe noch unterbringen. Kurt telefonierte kurz mit seinem Kollegen und er bestätigte, dass er die beiden Wochen nehmen werde. Felix bat ihn um seine Mailadresse, damit er ihm die Anmeldeunterlagen und die Teilnehmerliste zusenden könne. Er hatte sein Mailprogramm bereits geöffnet und meinte, er sende die Anmeldeunterlagen sofort los, die restlichen Unterlagen werde er spätestens morgen nachreichen.

Hans’ Smartphone klingelte und er meinte nur, er komme zum Parkplatz vorm Restaurant im Gutshaus und hole den Kollegen dort ab. Während wir das Gespräch beendeten, verließ Hans kurz den Raum um kurze Zeit später mit seinem Kollegen zurückzukehren. Er stellte ihn als Gerhard Winter vor und meinte, alle sagen nur Gerd zu ihm.

In Richtung Kurt meinte er, den Kollegen vom THW kennst du bereits und das sind Peter und Felix, wobei er jeweils mit seiner Hand auf uns zeigte. Er erklärte Gerd: „Felix erledigt das Organisatorische des Camps, während Peter der Chef der Stiftung sei, die das Projekt bezuschusst. Peter, du kennst dich doch bestens aus. Kannst du Gerd kurz das Konzept erklären.“

Ich meinte: „Eigentlich ist das eine längere Geschichte, aber ich versuche das in Kurzform zu bringen.“ Ich umriss, wie es zu den Plänen für das Zeltlager kam und warum wir jetzt zusätzlich zu den bedürftigen oder benachteiligten Kindern und Jugendlichen, auch weitere Gruppen ins Programm aufgenommen haben. Die Idee mit dem Zeltlager dazu stamme im Übrigen von Barbara vom hiesigen Jugendamt, die federführend die Kinder und Jugendlichen aller Jugendämter betreut. Ich beschloss meinen Vortrag mit den Worten: „Die Idee war so gut, dass wir inzwischen eine Grenze bei zweihundertfünfzig Kinder setzen mussten, die jede Woche ins Camp kommen können. Wenn ich Felix vorher richtig verstanden habe, kann er jeweils zehn deiner Kids in den letzten vier Ferienwochen unterbringen.“

Er schaute Felix an, der jedoch nur mit seinem Kopf nickte. „Das würde bedeuten, dass jeweils zehn Kinder und Jugendliche für zwei Wochen herkommen können.“

Gerd sagte: „Das ist mehr, als ich als Gegenleistung erwartet habe. Nachdem, was Peter mir gerade erzählt hat, hättet ihr die Container sogar ohne Gegenleistung erhalten, da euer Camp keinen kommerziellen Hintergrund hat. Nur für die Kosten des Unterhalts müsst ihr selbst sorgen. Mich würde interessieren, mit welchen Kosten wir für unsere Kinder rechnen dürfen.“

Ich erklärte ihm, dass wir für das Gesamtpaket mit Vollverpflegung, Ferienpass der Stadt und für die geplanten Ausflüge einen Unkostenbeitrag von zwanzig Euro pro Person und Tag ermittelt haben. Dieser Unkostenbeitrag wird von der Stiftung mit fünf Euro je Person bezuschusst. Für Kinder aus finanziell schwächer gestellten Familien ergibt sich ein weiterer Zuschuss der Stiftung von drei Euro, was bedeutet, dass pro Kind oder Jugendlichen jeweils zwölf oder fünfzehn Euro pro Tag berechnet werden. Die Kosten können dadurch so niedrig gehalten werden, da wir von einigen Lieferanten günstigere Preise für dieses Projekt erhalten und diese sozusagen als weitere Sponsoren das Ferienlager mitfinanzieren. Sollte am Ende eine kleine Unterdeckung herauskommen, übernimmt die Stiftung die restlichen Kosten.“

Gerd schaute mich an und meinte: „Für die Preise, die du gerade genannt hast, habt ihr aber ganz schön gezaubert. Normalerweise rechnen wir mit fünfundzwanzig bis dreißig Euro pro Person und Tag in einem Zeltlager. Da habt ihr sicher einige Sponsoren an Land gezogen.“

Ich lachte und meinte zu ihm: „Drei davon sitzen mir gerade gegenüber. Scheinbar ist euch aber noch nicht klar, dass ihr mit zu den Sponsoren gehört. Immerhin erhalten wir von euch unentgeltlich einen Anteil: Schlafzelte, die Sanitärcontainer, die Unterstützung des THW beim Transport und Aufbau der Zeltstadt. Ich betrachte das auch als eine Art von Sponsoring.“

Dann stand ich auf und meinte: „Wir sollten unsere Gespräche in einer gemütlicheren Umgebung fortsetzen. Ich lade euch alle ins Restaurant ein, wo wir bei einem Kaltgetränk und einem Abendessen alles Weitere besprechen können.“ Felix erklärte: „Bevor wir aufbrechen brauche ich noch die Mailadresse von Gerd, damit ich ihm die Anmeldeunterlagen zusenden kann.“ Gerd reichte ihm seine Visitenkarte und sagte: „Da findest du alle Informationen, die du benötigst, um mit mir in Kontakt zu treten.“

Alexandra gab uns einen der ruhigeren Tische, an dem wir alles besprechen konnten. Zuerst stand der Aufbau am kommenden Wochenende auf dem Programm. Kurt und Gerd klärten untereinander, wie der Transport der Container durchgeführt wird. Ich bekam nur mit, dass jeweils zwei Fahrten ausreichend sein sollten, um alle acht Container anzuliefern, zwei Fahrten vom THW mit jeweils zwei Containern und zwei weitere Fahrten des Roten Kreuzes.

Gerd versprach einige Helfer mitzubringen, die sich um den Aufbau der Container kümmern würden. Für den Aufbau der insgesamt fünfundzwanzig Schlafzelte, zehn des Kreisjugendrings, zehn des Ortsverbandes und weiteren fünf Zelten des THW bringe er noch ein paar ältere Jungs mit, die uns dabei unterstützen würden. Da auch das THW und unser Jugendrotkreuz einige Mitglieder bereitstellt, sollte spätestens am Sonntagnachmittag alles fertig sein.

Felix wollte wissen mit wie vielen Helfern wir rechnen können. „Wir werden für das leibliche Wohl unserer Helfer sorgen und das große Aufenthaltszelt auch auf seine Funktionsfähigkeit testen. Gleichzeitig checken wir auch die Abläufe in der Großküche, um zu sehen, wo eventuell noch Schwachstellen stecken können. Wir haben dann noch knapp eine Woche um solche zu beseitigen. Wenn ich richtig addiert habe, stünden uns am Wochenende rund einhundert Helfer zur Verfügung, die den Aufbau des Zeltlagers durchführen würden. Das sollte zumindest für eine Ernsthaftigkeit der Tests ausreichend sein.“

Wir verabschiedeten uns von den drei neuen Freunden bis zum Wochenende, an dem die Zeltstadt aufgebaut wird. Felix begleitete mich zurück in mein Büro und meinte, als wir es uns in der Besprechungsecke gemütlich gemacht hatten, dass er doch ein wenig überrascht war, von den drei Männern, die so bereitwillig angeboten hatten, uns bei unserem Projekt Zeltstadt zu unterstützen und mit eigenen freiwilligen ehrenamtlichen Helfern am Wochenende den Aufbau organisierten.

Was sollte ich ihm darauf antworten? Nach kurzer Überlegung erklärte ich ihm meine Sichtweise: „Ich denke, die Antwort ist einfach, als ehrenamtliche Helfer in Notsituationen oder bei Katastrophen ist ein Engagement auch bei sonstigen sozialen Projekten durchaus denkbar. Hinzu kommt, dass wir ihnen mit unserer Zusage sie mit ihren Jugendgruppen am Camp teilnehmen zu lassen, ihnen in gewisser Weise ebenso geholfen haben. Schließlich ist ihr geplantes Zeltlager gescheitert, warum auch immer. Wenn ich ehrlich bin, ich finde es sogar großartig, dass sie mit ihrem Nachwuchs am Camp teilnehmen. Sie sind eine Bereicherung und unsere sonstigen Gäste können von ihrer Anwesenheit sogar profitieren.“

Felix schaute mich ungläubig an und sagte zu mir: „Das verstehe ich jetzt nicht so richtig, wie können sie unser Programm bereichern, nur durch ihre Anwesenheit?“

Dazu erklärte ich ihm: „Die Frage ist einfach und doch kompliziert zu beantworten. Ich vermute, dass sie bei ihren Zeltlagern mit dem Nachwuchs auch Übungen durchführen, an dem unsere Gäste teilnehmen können, zum einen als Opfer und verletzte Personen oder als Helfer bei der Rettung. Diese positiven Teilnahmeerlebnisse bewirkt bei vielen, dass sie anschließend mehr Selbstvertrauen entwickeln und erkennen, dass sie genau so sind wie andere Kinder, denen es besser geht. Wenn du mehr darüber wissen willst, solltest du dich zu diesem Thema mit unseren Sozialarbeitern Michael und Marion unterhalten. Sie können dir das bestimmt besser erklären als ich.“

Wir wurden durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen und, nachdem ich laut: „Herein“ gerufen hatte, traten, wie bestellt, Michael und Marion in mein Büro. Sie wollten wissen, ob wir mit Hilfe der beiden Mitarbeiter vom Jugendrotkreuz und vom Technischen Hilfswerk die Probleme mit den sanitären Anlagen in den Griff bekommen haben.

Felix erzählte ihnen mit einem Strahlen im Gesicht: „Wir werden vom Roten Kreuz eine Luxusausgabe an sanitärer Anlage erhalten, die aus acht transportablen Containern bestehe und die in der Nähe des großen Zeltes aufgebaut wird, zusätzlich zu unseren mobilen WC-Anlagen. Dafür haben wir im Gegenzug zugesagt, dass weitere Jugendgruppen vom Roten Kreuz und THW am Zeltlager teilnehmen dürfen. Peter findet das sogar hervorragend, da er der Meinung ist, dass wir mit den beiden Gruppierungen so etwas Ähnliches wie eine Katastrophenübung veranstalten könnten, bei dem unsere Gäste aktiv oder passiv mitwirken könnten. Er hat mir etwas von positiven Teilnahmeerlebnissen erzählt, was ich überhaupt nicht verstanden habe.“

Marion lachte und meinte zu Felix: „Den Begriff, den Peter gewählt hat, verwenden wir nicht. Bei uns Sozialarbeitern nennt man das etwas anders. Aber ja, genau dieses Phänomen wird sehr häufig bei Kindern beobachtet die aus benachteiligten Verhältnissen stammen. Wobei eine Studie sogar der Meinung ist, dass es sich dabei eher um eine gegenseitige positive Beeinflussung handelt. Beide Seiten profitieren vom Miteinander. Auf der einen Seite die Stärkung des Selbstvertrauens, auf der anderen Seite ein besseres Verständnis für ihre Altersgenossen, die nicht auf der Sonnenseite aufwachsen. Freundschaften, die vorher unmöglich erschienen, sind daraus entstanden. Selbst du wirst dieses Phänomen vermutlich erleben während des Camps.“

Michael meinte, dann können wir Barbara berichten, dass ihr alles im Griff habt und sie sich am Sonntag vom Ergebnis eurer Bemühungen selbst überzeugen kann.

Ich steuerte bei: „Wenn ihr mit ihr telefoniert, sagt ihr, dass sie gerne mit ihrer ganzen Familie am Samstag und Sonntag nicht nur zuschauen, sondern auch mithelfen kann. Sebastian wird dafür sorgen, dass unsere freiwilligen Helfer nicht verhungern oder verdursten. Außerdem würde ich gern mit ihr, Felix und Dennis noch einmal die letzten organisatorischen Fragen klären, da wegen der Vielzahl der Teilnehmer einige Dinge angepasst werden müssen. Wobei, die Fragen könnten wir auch in der kommenden Woche noch klären. Dennis bleibt ab dem kommenden Wochenende auf Dauer hier, da Anfang September seine Ausbildung als Hotelkaufmann im Seminar-Hotel und im Gesindehaus beginnt.“

Felix nickte zustimmend. Michael und Marion verabschiedeten sich von uns und erklärten, dass sie Barbara bei ihrer Telefonkonferenz morgen von unseren Wünschen in Kenntnis setzen werden.

Felix meinte, er würde gerne mit mir noch einige private Fragen klären. Ich erklärte ihm, dass wir die gerne auch in einem privaten Rahmen besprechen sollten und schlug vor gemeinsam nach oben in unsere Wohnung zu verschwinden.

Als wir oben ankamen erklärte uns Thomas: „Ich hatte schon befürchtet, dass ich Peter heute gar nicht mehr sehen werde. Vor allem, nachdem vorher Michael anrief und nach Peter fragte. Bleibt Felix heute wieder bei uns oder fährt er noch nach Hause?“, wollte Thomas wissen.

„Wenn du mich so fragst“, meinte Felix, „Ich glaube, ich werde heute wieder einmal bei euch übernachten, da ich mit Peter noch einige private Dinge klären möchte. Thomas, du kannst ruhig dabeibleiben, teilweise betrifft es vermutlich sowieso euch Beide.“

Wir setzten uns ins Wohnzimmer, nachdem Thomas noch etwas zum Trinken geholt hatte. Felix erklärte: „Am besten, ich fange gleich mit meiner schwierigsten Frage an, ich will von euch wissen, ob es eine Möglichkeit gibt während meiner gesamten Ausbildung auf dem Gutshof zu wohnen. Sicher könnte ich jeden Tag nach Hause fahren, aber wenn ich ehrlich bin, in den letzten Wochen, in denen ich sehr häufig hier übernachtet habe, ist mir aufgefallen, dass ich inzwischen hier mehr Freunde gefunden habe als in meiner gesamten Schullaufbahn.“

Thomas schaute mich intensiv an, bevor er Felix erwiderte: „Ich vermute, es gibt weitere Gründe, warum du gerne hier wohnen möchtest. Einer davon ist vermutlich Dennis. Soweit ich informiert bin, wird er im Seminar-Hotel in den Personalzimmern wohnen, bis seine Eltern im kommenden Jahr in eine der neuen Wohnungen einziehen. Nach Informationen von Peter sollen im November ein oder zwei Appartements in dem Gebäude mit den Unterkünften für die Saisonarbeiter fertiggestellt werden. Doch ich glaube nicht, dass Peter eines davon an dich vermieten wird. Eines wird vermutlich Toni bekommen, damit er näher an seinem Ausbildungsplatz wohnt. Gibt es noch weitere Gründe, warum du von zu Hause flüchten willst?“

Felix antwortete erst einmal nicht und schaute uns nur an. Nach minutenlangem Schweigen sagte er: „Okay, im Moment hängt der Haussegen etwas schief. Meine Mutter macht neuerdings Stress, warum ich mit meinem guten Abitur nicht studieren will. Wenn ich schon eine Ausbildung machen will dann hätte ich doch Bestatter lernen sollen. Mein Vater steht zwar auf meiner Seite und versucht ihr immer zu erklären, dass es in der Familie keine zwei Bestatter geben muss, da sie sich am Ende nur Konkurrenz machen würden. Sie nörgelt nur noch an mir herum und am liebsten würde ich sofort zu Hause ausziehen. Nur weiß ich nicht wo ich auf die Schnelle hin kann, und deshalb habe ich euch gefragt.“

Thomas schaute mich fragend an, so als ob ich vielleicht etwas mehr wüsste. Ich schüttelte den Kopf und sagte an Felix gerichtet: „Wieso hast du bisher nichts gesagt? Wie du sicher in den letzten Tagen und Wochen des Öfteren bereits bemerkt hast, helfen wir immer, wenn jemand in einer Notlage ist und ich denke, du brauchst jetzt unsere Unterstützung. Du bleibst erst einmal in unserem Gästezimmer, bis wir für dich eine bessere Lösung gefunden haben. Thomas hat sicher nichts dagegen, wenn du in unserem Gästezimmer bleibst.“

Thomas den ich angesprochen hatte reagiert: „Logisch habe ich nichts dagegen. Du wärest nicht der Erste, der bei uns Unterschlupf findet, wobei, du bist der Erste, der nicht wegen seiner homosexuellen Veranlagung aus seinem Zuhause vertrieben wird, sondern weil einem Elternteil deine Berufswahl nicht gefällt. Du kannst so lange bei uns bleiben, wie es notwendig ist. Wir sollten uns nur überlegen in welchem Umfang du bei uns einziehst. Willst du deine persönlichen Dinge mitbringen oder bleibt die Option, wenn deine Mutter wieder zur Vernunft kommt, dass du zu deinen Eltern zurückgehst?“

Felix überlegte einige Minuten, bevor er uns antwortete: „Die Frage kann ich nicht eindeutig beantworten. Ich gehe jedoch eher davon aus, wenn ich einmal ausgezogen bin, dass ich nicht wieder zu meinen Eltern zurückziehe. Ich hoffe darauf, dass bis dahin mit Dennis alles geklärt ist und wir eventuell gemeinsam eine kleine Wohnung beziehen wollen. Viele Anzeichen sprechen dafür. Doch bisher gibt es von ihm noch kein eindeutiges Signal in diese Richtung. Deshalb will ich vorerst nur die Dinge mitnehmen, die ich zum täglichen Leben brauche. Alles andere wird erst dann nachgeholt, wenn ich eine Wohnung für mich oder uns gefunden habe, sofern Dennis das auch will. Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich mich jetzt ins Gesindehaus zurückziehen, meine Habseligkeiten einpacken und noch heute Nacht bei euch einziehen.“

Thomas schaute mich an und fragte Felix, ob wir ihm dabei helfen können. „Die wenigen Dinge, die derzeit dort sind, habe ich in wenigen Minuten in meine Tasche verpackt und zu uns gebracht; aber trotzdem danke für euer Angebot. Morgen oder übermorgen werde ich bei meinen Eltern vorbei fahren und alles holen, was ich in nächster Zeit brauchen werde.“

Felix verkrümelte sich, um seine Sachen zu holen und Thomas meinte zu mir, als er die Wohnung verlassen hatte: „Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet, dass Felix ein Problemfall sein könnte. Aber in seiner Situation verstehe ich es sogar, wenn er nicht mehr bei seiner Familie leben möchte. Ich hätte wahrscheinlich ähnlich gehandelt, wenn mich meine Eltern nicht aus dem Haus geworfen hätten.“

Die Tür zum Wohnzimmer öffnete sich und wir dachten schon, dass Felix bereits wieder zurück sei oder etwas vergessen habe. Wir beide staunten nicht schlecht als Philipp und Marcus ins Wohnzimmer eintraten. Ich meinte zu den beiden Jungs: „Was führt euch zu so später Stunde noch in unsere heiligen Hallen?“

Philipp erklärte uns: „Wir haben mitbekommen, dass Felix das Haus verlassen hat und wollten mit euch über ihn reden. Uns ist in den letzten Tagen aufgefallen, dass unser zukünftiger Auszubildender zum Bürokaufmann in unbeobachteten Momenten einen niedergeschlagenen Eindruck macht. Irgendetwas stimmt nicht. Papa, du solltest ihm bei einer guten Gelegenheit auf den Zahn fühlen, was ihn beschäftigt. Wir machen uns Sorgen um ihn, auch Benjamin ist das bereits aufgefallen und auch er meinte, wir sollten herausfinden, wo Felix der Schuh drückt.“

Ich schaute die beiden zuerst nur an und fragte sie danach: „Wollt ihr mit uns ein Glas Wein trinken? Wir werden euch erklären, was mit Felix ist. Eines kann ich euch jedoch sagen, ab morgen ist Felix vermutlich wieder der Alte.“

Da beide mit uns ein Gläschen trinken wollten und neugierig auf die Geschichte waren, holte Marcus für sich und Philipp zwei frische Gläser. Sie setzten sich zu uns und, nachdem sie sich eingeschenkt hatten, schauten sie mich erwartungsvoll an.

Da ich jedoch schwieg, meinte Thomas: „Wenn ihr euch noch ein paar Minuten in Geduld übt wird euch Felix direkt erzählen können was ihn bedrückt. Er ist nur kurz ins Gesindehaus, um seine Sachen zu packen und kommt dann wieder hierher.“

Marcus orakelte: „Felix verlässt uns wieder. Ich würde nur zu gerne wissen, warum er gehen will. Er hat sich doch so hervorragend eingelebt bei uns in der Firma und wir alle waren überzeugt davon, dass er in den nächsten Wochen die Zeltstadt managt. Peter, hast du ihn überfordert, dass er jetzt kapituliert?“

Ich lachte Marcus an und erklärte ihm: „Ich an deiner Stelle würde nicht voreilig falsche Schlüsse ziehen und vermuten, dass ich derjenige sei, warum Felix gerade seinen Sachen einpackt. Es gibt genügend andere Gründe und Situationen, warum ein junger Mann eine Tasche packen will.“

Philipp mutmaßte: „Ist es seine Liebe zu Dennis, die ihn zu diesem Schritt veranlasst, weil Dennis sich nicht für ihn entscheiden kann.“ Ich wollte gerade antworten, als ich hörte, dass Felix wieder in unsere Wohnung zurückkehrte und rief nach ihm. Mit seiner Tasche in der Hand trat er ins Wohnzimmer. Als er unsere Jungs erblickte begrüßte er sie. Er stellte seine Tasche ab und ging auf sie zu. Bevor er die Zwei erreicht hatte, fragten sie ihn: „Warum packst du bei Nacht und Nebel deine Tasche und verlässt den Gutshof? Wir finden das nicht gut, wenn du einfach verschwindest, ohne dich von uns zu verabschieden.“

Felix schaute die beiden kurz etwas verdutzt an und plötzlich lachte er laut los. Ihm war in dem Augenblick klar geworden, dass die Beiden irgendetwas missverstanden hatten. Als er sich wieder etwas beruhigt hatte meinte er nur: „Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich ohne mich von euch zu verabschieden aus dem Staub gemacht hätte. Wieso kommt ihr auf die Idee, dass ich euch verlassen will? Ich vermute einmal, dass euch Thomas und Peter von unserem zuvor geführten Gespräch nichts erzählt haben.“

Er überlegte kurz und danach erzählte er ihnen folgende haarstäubende Geschichte: „Ich ziehe bei Peter und Thomas ein. Die beiden wollen mich adoptieren und ich habe dem zugestimmt.“

Den Gesichtern der Beiden konnte ich entnehmen, dass sie völlig geschockt von Felix Aussage waren und als Philipp etwas darauf antworten wollte erklärte ihnen Felix: „Das war mir der Scherz wert, wenn ich eure in Schockstarre gefallenen Gesichter betrachte. Ja, ich ziehe bei Peter und Thomas ein. Insoweit stimmt die Geschichte. Aber nicht, weil mich die beiden adoptieren wollen, sondern deswegen, weil es bei mir zu Hause derzeit nur Stress gibt. Meine Mutter ist mit meiner Entscheidung über meinen Lehrberuf überhaupt nicht einverstanden. Wenn es nach ihr ginge, sollte ich bei meinem guten Abitur studieren und mein Leben nicht mit einer profanen Ausbildung zum Bürokaufmann vergeuden. Ich habe die beiden vorher gefragt, ob sie für mich eine Bleibe wissen, bis ich für mich, und vielleicht auch Dennis, eine kleine Wohnung gefunden habe. Ich kann und will nicht zu Hause bleiben. Mich nervt auf Dauer die Einstellung meiner Mutter. Ich werde die nächste Zeit bei deinem Vater und Thomas das Gästezimmer belegen und meine Ausbildung, wie geplant, in der Gutshofstiftung absolvieren.“

Marcus, der sich als erster wieder gefangen hatte, sagte zu ihm: „Jetzt ist klar, warum du in den letzten Tagen, in deiner Meinung nach unbeobachteten Augenblicken, so niedergeschlagen gewirkt hast. Das ist nicht nur mir und Philipp aufgefallen, auch Benjamin hat uns dazu angesprochen und wir wollten Peter bitten, bei dir nachzufragen, ob du irgendwelche Probleme hast, bei denen wir dir helfen könnten. Peter und Thomas haben nur gemeint, dass du im Gesindehaus bist, um deine Tasche zu packen und uns das selbst erklären wirst. Wir haben daraus die falschen Rückschlüsse gezogen und vermutet, dass du deine Ausbildung hinwerfen willst. Ich denke, dass das, was ich jetzt sagen werde, dir sicher auch schon von Peter erklärt wurde. Wenn du Probleme hast, kannst du jederzeit mit uns darüber reden. Du siehst doch selbst, für jedes Problem gibt es eine Lösung. Sprich mit uns oder mit Peter. Wir sind immer dazu bereit jedem in schwierigen Situationen zur Seite zu stehen.“

Felix meinte: “Ich habe noch eine Bitte. Dass ich vorübergehend bei Peter und Thomas wohne, wird sich nicht verheimlichen lassen. Doch warum ich bei den Beiden eingezogen bin, müssen nicht alle wissen.“ Thomas grinste und erklärte ihm: „Deine Aussage birgt eine gewisse Problematik mit sich. Ist es dir lieber, wenn darüber spekuliert wird, warum du jetzt bei uns wohnst. Es könnten schnell Gerüchte aufkommen, du wärest der neue Liebhaber von mir oder Peter, oder sogar von uns Beiden. Willst du das wirklich?“

Philipp erklärte ihm: „Es ist keine Schande, wenn man in einer schwierigen Situation oder einer schwierigen Lage Hilfe erhält und wenn du offen damit umgehst, werden die meisten gar nicht erst auf dumme Spekulationen kommen. Das beste Beispiel dafür sind in diesem Fall Marcus und ich, die aus der Aussage, dass du deine Tasche packen würdest, gleich die unmöglichsten Vermutungen geäußert haben. Du brauchst sicher nicht alles zu erzählen. Nur dass es bei dir zu Hause Stress gibt und du deshalb eine alternative vorübergehende Wohnmöglichkeit gesucht hast, die dir von Peter und Thomas mit ihrem Gästezimmer angeboten wurde. Herzlich willkommen in unserer Familie, auch wenn du nicht mein Adoptivbruder wirst.“

Nach einer kurzen Denkpause erklärte Felix: „Du bist also der Meinung, in diesem Fall sei Angriff die bessere Verteidigung? Dann werde ich mich daranhalten und erklären, warum ich wirklich bei Peter und Thomas bin. Trotzdem werde ich jetzt meine Dinge im Gästezimmer und im Bad einräumen. Ich bin in wenigen Minuten wieder bei euch.“

Als Felix den Raum verlassen hatte beschwerte sich Philipp und meinte: „Mit eurer halben Wahrheit habt ihr Marcus und mich sauber in die Falle laufen lassen. Was ich jedoch umso bemerkenswerter fand, war die Tatsache, dass Felix, ohne groß nachzudenken, uns die Story von seiner Adoption auftischte und das auch noch mit einer Überzeugung, die uns nicht zweifeln ließ. Ich habe zumindest daraus gelernt, nicht immer sofort nach dem ersten Anschein zu urteilen, sondern immer erst die ganze Geschichte zu hören, um dann daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.“

Thomas lachte und erklärte Philipp: „Das sagst du jetzt nur so und beim nächsten Mal verfällst du wieder in deine alte Denkweise. Ich habe vorher genauso gehandelt wie du und falsche Vermutungen angestellt als Felix uns nach einer Bleibe für ihn gefragt hat. Ich bin nämlich davon ausgegangen, dass er nur näher an Dennis sein will, um ihn besser kennenzulernen. Im Übrigen habe ich euch ganz am Anfang erklärt, dass ihr euch erst die Geschichte von Felix anhören sollt, bevor ihr falsche Schlüsse zieht.“

Felix kam zurück ins Wohnzimmer und setzte sich wieder zu uns. „Da sich meine weiteren Fragen, die ich noch an euch gehabt hätte, mit der getroffenen Vereinbarung von selbst erledigt haben, können wir zum gemütlichen Teil des Abends übergehen.“

Angesichts des inzwischen doch fortgeschrittenen Aends bestand der gemütliche Teil, wie Felix ihn nannte, nur noch aus einem gemütlichen Beisammensein, bei dem nur über private Dinge gesprochen wurde. Mir fiel dabei ein, dass uns Felix immer noch nicht erzählt hatte, warum er und Marvin sich getrennt hatten und so durfte er uns noch diese Geschichte erzählen.

„Ihr wisst, vor rund zweieinhalb Jahren hatte ich eine Beziehung zu Marvin, wir hatten schon Pläne gemacht, wie es mit uns beiden weitergehen könne. Vor rund einem halben Jahr, erklärte er mir eines Abends, dass er heute seinen Traumprinzen kennengelernt habe, was ich ihm bis heute nicht verstehe und er sich von mir trennen wolle.

Ich hatte ihn zuerst nur sprachlos angeschaut und wollte dann von ihm wissen, was er an meinem Konkurrenten so interessant fände und warum er sich sicher sei, dass wir keine gemeinsame Zukunft haben würden. Erst wollte er gar nichts zu diesem Thema sagen, irgendwann meinte er dann nur, der Typ sei schon immer sein heimlicher Schwarm gewesen. Er sei immer der Meinung gewesen, dass er andere kein Interesse an Männern habe, da er ihn bisher immer nur in Begleitung von hübschen Frauen angetroffen habe.

Sie seien sich am Nachmittag über den Weg gelaufen und bei einem Bier habe ihm sein Traumtyp gestanden, dass er sich vor langer Zeit unglücklich verliebt habe. Er wollte ihm erst nicht sagen, wer die Glückliche sei und warum er sich keine Hoffnungen mache. Nachdem Klaus, so hieß der Kerl, scheinbar etwas zu viel Alkohol intus hatte, hätte er ihm gestanden, dass er schon immer in Marvin verliebt gewesen sei und sich nur nicht getraut hätte es ihm zu sagen. Als er Marvin dann noch mit mir zusammen gesehen hatte, wäre für ihn eine Welt zusammengebrochen, da er, genau wie Marvin, der Meinung gewesen sei, dass Marvin ein absoluter Hetero sei.“

Felix legte eine kurze Pause ein, danach erzählte er weiter: „Sicher war ich im ersten Moment eifersüchtig. Aber ich wollte es genau wissen. Ich bat Marvin um die Nummer des Traumtyps und rief ihn noch am gleichen Abend an und erklärte ihm, er solle sofort vorbeikommen, wir beide hätten etwas zu klären. Marvin wollte mir schon eine Szene deswegen machen, aber ich meinte, er soll sich am Riemen reißen, ich bringe seinen Klaus schon nicht um.

Zwanzig Minuten später saßen wir zu dritt in meinem Zimmer und sehr schnell merkte ich, dass es keinen Sinn machen würde, gegen die große Liebe der Beiden anzukämpfen. Ganz kampflos wollte ich jedoch das Feld nicht räumen und so provozierte ich Klaus mit einer Forderung: Wir machen jetzt eine heiße Nummer zu dritt und dann kannst du Marvin für dich haben. Marvin schaute mich an, bevor er jedoch etwas dazu sagen konnte, hatte Klaus mir unmissverständlich klar gemacht, dass er dies seiner großen Liebe niemals antun würde. Lieber würde er weiter unglücklich verliebt sein.

Als er aufstehen und gehen wollte, habe ich ihm erklärt, dass er sitzen bleiben solle. Er habe meine Prüfung mit sehr gut bestanden und er und Marvin sollen gemeinsam glücklich werden. Marvin hat zu mir dann noch gesagt, dass er sehr bedaure, dass es so gekommen ist, und er wünscht mir, dass ich eines Tages den Traumtypen kennenlerne, der genauso loyal zu mir stehen würde wie sein Klaus. Zu Klaus habe ich nur noch gemeint, wenn er Marvin verletzen würde, dann soll er sich darauf einstellen, dass er Ärger mit mir bekommen werde. Immerhin, wenn ich die beiden in der Zwischenzeit in der Öffentlichkeit treffe, können wir zwanglos miteinander umgehen.“

Philipp meinte dazu: „Ich kenne da auch zwei Jungs, die sich ihre große Liebe nicht eingestehen wollten. Die beiden hatten nur das große Glück, dass einer der beiden, bevor es für sie hätte zu spät sein können, noch die Kurve kratzte und seinem Traumtyp seine große Liebe gestanden hat. Wobei er damit rechnete, dass durch dieses Geständnis ihre langjährige Freundschaft zerbrechen würde. Dass es anders gekommen ist und die Zwei seit mehr als fünf Jahren ein glückliches Paar sind, siehst du an uns beiden. Ich finde deine Entscheidung, dem Glück der beiden nicht im Wege zu stehen, als sehr mutig. Wie du die Liebe der Beiden zueinander getestet hast hätte auch schief gehen können, wenn Klaus deinem Dreier zugestimmt hätte.“

Felix grinste ihn frech an und sagte zu ihm: „Das wäre gar nicht möglich gewesen. Ich habe doch sofort gespürt, dass ich gegen die Liebe der beiden zueinander keine Chance haben würde. Selbst wenn, dann hätte ich es nie so weit kommen lassen. Nachdem ich die beiden beobachtet hatte war mir klar, dass ich Marvin verloren hatte und ein Kampf sinnlos ist. Ihr kennt sicher den Spruch, auch andere Mütter haben schöne Söhne und dieser Spruch war in dieser Situation mein Motto.“

Nach der ausführlichen Erzählung von Felix war es bereits reichlich spät geworden und so beschlossen wir für heute Schluss zu machen und ins Bett zu gehen. Philipp und Markus verabschiedeten sich und gingen nach oben in ihre Wohnung. Felix brachte die Gläser in die Küche und ging anschließend noch kurz ins Bad. Thomas und ich verschwanden direkt in unserem Schlafzimmer.

Der nächste Tag verlief vormittags wieder in normalen Bahnen, Felix bat mich, da es bei ihm sehr ruhig war, ob es möglich sei, seine Sachen sofort bei seinen Eltern abzuholen und ihnen auch offiziell mitzuteilen, dass er zu Hause auszieht, da er die Nörgelei an seiner Berufsentscheidung nicht länger über sich ergehen lassen will.

Ich sagte zu ihm, wenn du dein Handy mitnimmst und notfalls erreichbar bist, sehe ich kein Problem bereits heute deine Dinge zu erledigen. Wer weiß, welche Aufgaben morgen oder in den nächsten Tagen wieder auf uns warten. Petra schickte mich zwischendurch, da Felix unterwegs war, zum Platz, an dem das große Zelt aufgebaut werden sollte, weil dort unerwartete Probleme aufgetreten sind.

Als ich am Zeltplatz ankam, fand ich unseren Zeltverleiher mit dem Bauleiter in einer intensiven Diskussion. Ich fragte die Beiden, welche Probleme sie hätten und ob ich ihnen als Gesamtverantwortlicher helfen könne ihre Probleme zu lösen. Die Zwei schauten mich entgeistert an, sie hatten wahrscheinlich erwartet, dass Felix auftauchen würde.

Ich erklärte ihnen, dass Felix derzeit unterwegs sei und sie jetzt mit mir vorliebnehmen müssen. Der Bauleiter erklärte mir, dass bisher immer von einem Zelt in der Größenordnung zwanzig auf fünfzehn Meter gesprochen wurde und der ebene befestigte Platz entsprechend vorbereitet sei, wobei auf allen Seiten ein gewisser Spielraum vorhanden sei. Jetzt soll plötzlich das Zelt auf fünfundzwanzig mal fünfzehn Meter anwachsen. Dabei ist der Platz gerade so lang wie das Zelt werden soll.

Ich bat den Zeltverleiher mir zu erklären, warum entgegen unserer Bestellung plötzlich ein größeres Zelt geliefert bekommen und wer das veranlasst habe. Er erklärte mir, er habe heute Morgen noch einmal mit dem Caterer gesprochen und sie beide hätten sich geeinigt, dass auf ihre Kosten das Zelt um fünf Meter verlängert wird. Damit bleibt die geplante Fläche für die Tische und Bänke gleich. Auf der zusätzlichen Fläche wird auf unsere Kosten eine verbesserte Essensausgabe und eine Schänke aufgebaut, die wir während der gesamten Dauer mitbenutzen können.

Ich telefonierte kurz mit Sebastian und bat ihn dringend und kurzfristig zum Zeltplatz zu kommen. Es gäbe eine kleine Überraschung, die er freigeben sollte. Es dauerte keine zwei Minuten und Sebastian stand neben mir. Ich erklärte ihm, dass unser Großzelt um fünf Meter verlängert werden soll und auf dem neu gewonnenen Platz soll eine Essensausgabe und eine Schänke errichtet werden, die uns für die gesamte Dauer unseres Projektes unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird.

Er ließ sich von Herrn Kern die Pläne zeigen und meinte, bei der Vollausstattung können wir auf das gesamte Equipment vom Roten Kreuz verzichten. Ich werden unseren Ansprechpartner dort informieren, dass wir in diesem Fall auf ihr Equipment verzichten müssen.

Da jetzt klar war, dass wir die uns unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Gerätschaften verwenden können und werden, klärte ich mit dem Bauleiter und Herrn Kern, wie das Problem zu lösen sei. Wir einigten uns darauf, dass die komplette Fläche überbaut wird und vor dem Zelt eine zusätzliche Kieselschicht aufgetragen wird, deren Kosten wir übernehmen. Herr Kern meinte noch, es bleibt dabei, morgen Vormittag wird das komplette Zelt angeliefert und wir werden bereits nachmittags mit dem Aufbau beginnen, damit wir bis Freitag alles fertigstellen können.

Spätestens am Donnerstag liefern wir die Tische und Bänke und das Equipment für die Essenausgabe. Der Bereich erhält zusätzlich einen Holzboden, damit daneben- oder herunterfallende Essensreste leichter zu entfernen und der Boden besser zu reinigen ist als auf dem Kiesboden. Da jetzt alle Fragen geklärt und Probleme beseitigt waren ging ich zurück ins Büro.

Als Felix am frühen Nachmittag wieder im Büro war unterrichtete ich ihn über die aktuelle Entwicklung am Vormittag. Er sagte zu mir: „Bei der Entscheidung hätte ich dich auch dazu geholt, dass wäre mir dann doch eine Nummer zu groß gewesen, um diese Entscheidung allein zu treffen. Dass morgen bereits die Anlieferung erfolgt war sowieso eingeplant. Der Beginn des Aufbaus ist auf jeden Fall neu. Bei einem größeren Zelt wäre das aber zu erwarten gewesen, vor allem wenn dann noch zusätzliche Einbauten vorgenommen werden. Immerhin ist die Fertigstellung für Freitagmittag eingeplant und vermutlich wird es dabeibleiben.“

Felix erzählte mir, dass er seine Mutter nicht zuhause angetroffen hatte, nur sein Vater war anwesend. Er hat ihm erklärt, dass er von zuhause ausziehen wird und vorerst bei uns am Gutshof einziehen wird. Als sein Vater wissen wollte, warum er diesen Schritt in Erwägung gezogen hat, hat er ihm vom Mutters Entgleisungen berichtet. Er meinte dazu, dass er das nicht gewusst hätte. Felix erklärte weiter, dass er seine Kleidung fast vollständig mitgebracht hat, ebenso seine wichtigsten Unterlagen. Ich meinte, wenn er will, kann er nach oben gehen und seine Kleidung einräumen, und später soll er noch einmal bei mir ins Büro schauen.

Am späten Nachmittag, bei unserem Gespräch, wollte ich wissen, wie es momentan bei den Anmeldungen steht. Er meinte: „Viel Platz haben wir nicht mehr, die meisten Wochen sind wirklich an deiner Grenze angekommen, durch die Anmeldungen vom THW und vom Roten Kreuz sind wir jetzt in den letzten Tagen noch einmal einen großen Schritt nach vorne gekommen. Für eine „Notlösung“, die es am Anfang war, hat es sich zu einem echten Renner entwickelt. Bei dem Erfolg sollten wir wirklich überlegen, ob eine Wiederholung oder sogar eine Dauereinrichtung daraus werden könnte. Ich glaube, gerade die Mischung aus allen sozialen Schichten, die du als Voraussetzung für dieses Projekt vorgegeben hast, war der Grund für die zahlreichen Anmeldungen.“

Ich erklärte Felix: „Du hast leicht reden. Jedes Jahr im Sommer eine Zeltstadt zu organisieren kann leicht ausarten. Wahrscheinlich braucht man dafür einen eigenen Mitarbeiter, der sich ganzjährig um die Planung und Vorbereitungen kümmert. Für heuer habe ich die Grenze auf zweihundertfünfzig Personen festgelegt. Wo liegt die Grenze im nächsten Jahr oder in zwei Jahren. Es entspricht nicht unserem ursprünglichen Konzept, benachteiligten oder bedürftigen Kindern oder Jugendlichen einen Urlaub zu ermöglichen, auch wenn ich gestehen muss, der getroffene Kompromiss bietet seinen eigenen Charme. Wann kommen eigentlich die spanischen Kinder und wie seid ihr mit deren Betreuern verblieben? Übernachten sie auch in der Zeltstadt oder wollen sie ins Gesindehaus?“ wollte ich von Felix wissen.

Felix erklärte mir: „Peter, du wirst es nicht glauben, seit letzter Woche steht fest, dass sie ebenfalls in den Zelten übernachten werden. Sie kommen, wie du bereits weißt am Eröffnungswochenende. Wir hatten für diese Kinder in den ersten beiden Wochen bislang noch die Räume im Gesindehaus reserviert, die jetzt nicht mehr benötigt werden. Sie haben sich für die Zeltstadt entschieden, nachdem die Betreuer mit den Kindern das Kennenlern-Wochenende hatten und die Kinder und Jugendlichen sich für die Übernachtung in den Zelten ausgesprochen hatten. Ich bin um jedes Zimmer froh, das im Gesindehaus für die freiwilligen Helfer zur Verfügung steht. In den ersten beiden Wochen haben wir noch kein Platzproblem im Gesindehaus, aber danach wird es auch dort ziemlich voll werden. Der Bus, der die Kinder und Jugendlichen am Flughafen in München abholt, ist von Armin bereits organisiert. Sie kommen am Sonntagvormittag am Flughafen an und werden direkt hergefahren. Eventuell sollte Alejandro mit dem Bus nach München mitfahren, um die Kinder und ihre Betreuer in Empfang zu nehmen.“

Ich meinte zu ihm: „Wenn ich an dem Sonntag abkömmlich bin, fahre ich auch mit zum Flughafen München und hole unsere Gäste ab. Wenn du mitfahren willst, können wir unsere Gäste bereits auf der Rückfahrt über ihren Aufenthalt unterrichten.“

Ich hatte den Satz kaum beendet als Petra ins Zimmer kam und erklärte: „Gerhard hat gerade angerufen, er kann morgen doch nicht mit dir nach Österreich fahren, um sich das geerbte Hotel anzuschauen. Er hat vorgeschlagen, du solltest vielleicht Ludwig und einen deiner Jungs mitnehmen.“

Mit Blick auf Felix meinte ich zu ihm: „Wie sieht es aus, willst du Ludwig und mich morgen nach Österreich begleiten oder bist du unabkömmlich? So wie ich das heute verstanden habe, wird morgen nur das Zelt und das gesamte Material angeliefert, der Aufbau findet hauptsächlich erst ab Donnerstag statt. Die Überwachung der Anlieferung könnte Alejandro übernehmen.“

Er schaute mich an und sagte zu mir: „Reizen würde mich das schon, aber ich weiß nicht so richtig, ob ich mir das so einfach erlauben kann. Ich weiß, dass ich mich auf Alejandro verlassen kann, aber bist du dir wirklich sicher, ob du mich mitnehmen willst.“

Ohne zu zögern, antwortete ich ihm: „Klar bin ich mir sicher, wenn du bei der Stiftung beschäftigt bist, gehört es dazu, Immobilien zu besichtigen und danach Entscheidungen zu treffen. Gut, normalerweise erwirbt man die Immobilien neu. In diesem Fall gehört sie zu einer Erbschaft der Stiftung und es geht bei unserem Besuch um die Frage, was lässt sich aus diesem Hotel machen. Es ist ein altes Haus und vielleicht können wir so etwas wie unsere Unterkünfte im Gesindehaus schaffen. Genau darum geht es morgen bei der Besichtigung. Noch wird es als Hotel betrieben, aber die Gästezahlen sind rückläufig und die Vorbesitzerin konnte sich nicht zu einer umfangreicheren Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahme durchringen. Je nach Zustand, könnten wir die Sanierung durchführen und das Gebäude als Hotel erhalten. Diese Chance willst du dir sicher nicht entgehen lassen. Wenn ich dich einlade mitzukommen ist das eine Dienstreise und keine Vergnügungsfahrt.“

Nach einer Minute erklärte er mir: „Ich fahre mit euch. Du hast mich überzeugt, ich bin hier um etwas zu lernen, auch wenn meine Ausbildung zum Bürokaufmann erst in gut acht Wochen beginnt.“

„Am besten, du suchst gleich Alejandro und erklärst ihm ,dass er dich morgen vertreten darf und worauf er bei der Anlieferung und beim Aufbau des Zeltes zu achten hat. Du kannst ihm ruhig erklären, dass ich dich morgen zu einer dienstlichen Besichtigung einer Immobilien nach Österreich entführe. Wir dürfenssen morgen früh aufstehen. Abfahrt ist spätestens um sieben Uhr morgens. Ludwig war sowieso als dritter Mann vorgesehen bei unserer Besichtigung., Ihn brauchen wir nicht extra zu informieren. Du kannst ihm aber sagen, dass Gerhard morgen keine Zeit hat und du dafür mitkommst.

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