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Regenbogenfamilie

Teil 59 - Dienstreise nach Österreich

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Informationen

 

Kurz nach sechs Uhr saßen wir am Frühstückstisch, Ludwig war wenige Minuten vorher eingetroffen. Er hatte gestern noch kurz angefragt, ob er zu uns zum Frühstück kommen kann, dann brauche er Christian nicht so früh zu wecken.

Thomas war ebenfalls aufgestanden. Er wollte die Gelegenheit nutzen und ausnahmsweise ebenfalls früher ins Büro fahren. Während des Frühstücks unterhielten wir uns über das, was uns möglicherweise erwarten könne. Um viertel vor sieben Uhr räumten wir den Esstisch ab und gingen nach unten zum Auto.

Die Fahrt nach Österreich verlief unspektakulär, keine großen Staus oder Hindernisse bei unserer Anreise. Bemerkenswert, so dass wir fast wie geplant am Ziel ankamen. Bevor wir uns mit dem Hotelmanager treffen würden wollte ich mir vorher die Umgebung näher betrachten.

Wenn wir das Objekt für Kinder und Jugendliche als Landschulheim und Ferienhotel nutzen wollen wären doch gewisse Dinge zu beachten. Kinder sind meist etwas lauter als Erwachsene. Also, wie sieht es in der Umgebung aus? Könnte es zu Problemen kommen mit den Nachbarn? Wir parkten etwas abseits des Hotels und schauten uns in der unmittelbaren Nachbarschaft des Hotels um.

Das Erste, das uns auffiel, das Hotel hatte wegen seiner Ortsrandlage nur auf der einen Seite einen Nachbarn, der jedoch mindestens einhundert Meter entfernt war. Ich merkte mir vor, den Hotelmanager zu fragen wem die freie Fläche zwischen Hotel und dem Nachbarn gehört. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war ein weiteres Hotel, das vermutlich erst vor wenigen Jahren errichtet wurde, zumindest wenn man vom Baustil ausgeht.

Ich fragte Ludwig, ob aus den uns vorliegenden Unterlagen hervorgeht, welche Grundstücksfläche dem Hotel gehört. Er meinte, das Einzige, was ich habe, ist der Gesellschaftsvertrag der Hotelbetriebsgesellschaft, deren Eigentümerin die Verstorbene war. Die Hotelbetriebsgesellschaft hat das Hotelgebäude nur angemietet, da es zum gesamten Grundbesitz der Erblasserin gehört.

Das sind die Unterlagen, die uns der Nachlassverwalter überlassen hat. Ich werde morgen mit den Kollegen in München telefonieren, ob sie weitere Unterlagen haben, damit wir uns ein besseres Bild machen können.

Felix war bisher nur ruhig neben uns hergelaufen und fragte mich: „Peter, ist es wirklich so wichtig, dass du über alles Bescheid weißt?“ Ich antwortete ihm: „Je besser deine Grundlagen sind, die du für eine Entscheidungen zur Verfügung hast, desto einfacher wird es, dich richtig zu entscheiden. Wenn du nicht alle Fakten kennst, kannst du zu viele Fehler machen und den Erfolg deiner Investition gefährden. Ich will möglichst wenig Fehler machen, deswegen will ich immer so viel wie möglich vorher wissen. Damit bin ich bis heute immer auf der sicheren Seite geblieben. Gerade bei der Neugestaltung und der Betriebsumstellung des Gutshofes hat mir diese Vorgehensweise geholfen, grobe und gröbste Fehler zu vermeiden.“

Beide hatten meinen Worten gelauscht und Ludwig meinte: „Aufgefallen ist mir das in den wenigen Monaten, die ich jetzt bei euch bin, schon mehrmals. Vor allem beim Erwerb von neuen Immobilien, aber auch bei den Rückbaumaßnahmen im Seminarhotel, wolltest du immer alle Fakten kennen. Ich habe mich schon immer etwas gewundert, warum Peter alles hundertprozentig wissen wollte. Jetzt habe ich es zumindest verstanden und werde mich in Zukunft bemühen, die Unterlagen, die ich vorbereite umfangreicher aufzubereiten als bisher.“

Ich erklärte, wenn sich alle daranhalten würden, bräuchte ich nicht so oft nachfragen oder zusätzliche Unterlagen anfordern. Zu unserem heutigen Besuchstermin vor Ort erklärte ich ihnen: „Unser Besuch stellt im Prinzip einen Baustein der umfangreichen Faktensammlung dar. Es geht vor allem um den Zustand des Gebäudes, der Zimmer und der gesamten Installation. Fertigt euch Notizen an, wenn euch etwas auffällt, sowohl Negatives als auch Positives. Spätestens Morgen setzen wir uns im Büro zusammen und fügen die gesammelten Ergebnisse zu einem umfangreichen Bild zusammen. Bei den Aussagen der Mitarbeiter bitte ebenfalls mitnotieren, das ergibt am Ende ein Stimmungsbild der Mitarbeiter des Hotels. Bei den Mitarbeitern bitte keine Namen notieren, sondern nur auffällige Aussagen.“

Ludwig lachte: „Gut, dass ich mein Notepad mitgenommen habe. Bevor wir ins Haus gehen hole ich es aus dem Auto. Damit kann ich mir sofort strukturierte Notizen machen und brauche nichts aufzuschreiben.“

Wir gingen zurück in Richtung Hotel und Ludwig holte sich sein Notepad. Der erste Eindruck, den die Hotellobby auf mich machte, war eher negativ angehaucht. Das Mobiliar war in die Jahre gekommen und der ganze Raum hinterließ einen düsteren Eindruck. Wenn das im ganzen Haus so aussieht wundert es mich nicht, warum die Übernachtungszahlen so stark rückläufig sind. Wir gingen zur Rezeption, die nicht besetzt war und fanden dort einen Klingelknopf, den wir betätigten. Nach einigen Minuten erschien ein älterer Mitarbeiter, der sicher in einigen Monaten in Rente gehen würde. Ich meinte zu ihm, wir seien mit Herrn Lobmeier verabredet, er erwarte uns bereits.

Er erwiderte, wir sollten doch bitte Platz nehmen in der Lobby, sein Chef würde sofort kommen, er rufe ihn kurz an. Ich sah mich noch einmal in der Lobby um, aber am ersten Eindruck änderte sich deswegen überhaupt nichts.

Ludwig hatte sein Notepad gestartet und tippte eifrig auf den Bildschirm, und Felix flüsterte ihm seine Anmerkungen zu, damit er sie ebenfalls mit aufnehmen konnte. Ich hatte mir gerade erste Notizen auf meinen kleinen Block notiert, als sich uns der Hotelmanager näherte und uns herzlichst begrüßte.

Er bat uns in sein Büro mitzukommen, für ein erstes Gespräch, und später sollten wir mit ihm das gesamte Haus besichtigen. Wir folgten ihm über den Flur in den hinteren Teil des Gebäudes, wo die Verwaltung des Hotels untergebracht war. Er führte uns in sein Büro, an dessen Einrichtung ebenfalls die Zeit nicht spurlos vorübergegangen war. Immerhin gab es eine kleine Besprechungsecke, in die wir uns setzen konnten.

Am Anfang des Gespräches gab es erst einmal den üblichen Small Talk, wobei mich Herr Lobmeier fragte, ob meine beiden Begleiter meine Söhne wären. Ich erklärte ihm, dass es sich bei den Beiden um Mitarbeiter der Stiftung Sonneneck handle, die von der bisherigen Eigentümerin als Erbe ihres gesamten Vermögens eingesetzt wurde.

„Mein Sohn und meine Tochter arbeiten im Familienunternehmen mit, sind jedoch nicht in der Stiftung beschäftigt. Mein Sohn betreut die gesamte Informationstechnik unserer Unternehmensgruppe und meine Tochter kümmert sich um den Hofladen des Gutshofes mit angeschlossenem Hof-Café. Felix, der junge Mann zu meiner Linken, beginnt am ersten September mit seiner Ausbildung zum Bürokaufmann und ist derzeit mit der Organisation unseres Zeltlagers beschäftigt, das von der Stiftung für benachteiligte Kinder und Jugendliche veranstaltet und am übernächsten Wochenende gestartet wird.

Ludwig, der auf meiner rechten Seite sitzt, arbeitet seit Januar für die Stiftung und ist gleichzeitig der Enkel eines der Gründungsmitglieder der Stiftung. Ursprünglich wollte sein Großvater heute beim Termin dabei sein. Er musste aber kurzfristig absagen und hat gebeten seinen Enkel, an seiner Stelle, mitzunehmen.“

Felix schaute mich fragend an, weil ich Herrn Lobmeier nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte. Herr Lobmeier erzählte uns dann, dass die Auslastung des Hotels immer noch weiter rückläufig sei und er sich schon Gedanken darüber macht, weitere Mitarbeiter zu entlassen. Er befürchte, dass er in zwei bis drei Monaten die monatliche Miete nicht mehr bezahlen kann, wenn sich nicht kurzfristig etwas ändern würde.

Ich bat ihn, uns das gesamte Hotel und die Zimmer zu zeigen, damit wir uns ein Bild von den erforderlichen Sanierungsarbeiten und Umbauten machen und danach gemeinsam überlegen können, wie der Hotelbetrieb zukünftig ablaufen solle. Ich wollte wissen, wie viele Gäste derzeit im Haus sind und ob wir später so etwas wie eine Mitarbeiterversammlung abhalten können. Er meinte, bis heute Nachmittag sind keine Gäste im Haus und so kurz vor dem Mittagessen können wir uns gerne mit den Mitarbeitern zusammensetzen.

Er führte uns durchs ganze Haus, zeigte uns auch einige der Gästezimmer und erklärte uns, wo derzeit die größten Hindernisse für einen geordneten Hotelbetrieb wären. Die Küche, die er uns zeigte, war wie alles im Hotel in die Jahre gekommen und musste genauso erneuert werden, wie die sanitären Einrichtungen in den Zimmern. Ich überlegte für mich: Um das Gebäude wieder in ein Hotel der Luxusklasse zu verwandeln wäre mindestens das Dreifache aufzuwenden gegenüber dem Umbau als Landschulheim, Seminarhotel und in den Sommerferien als Ferienunterkunft für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien.

Nachdem wir den Rundgang beendet hatten, fragte ich ihn, ob wir heute Mittag im Restaurant des Hotels essen könnten oder ob wir woanders hingehen müssten. Er meinte, die Küche ist besetzt für die wenigen Mittagsgäste, die von außen kommen, es sollte also kein Problem sein hier im Haus zu essen.

Er brachte uns in sein Büro und erklärte, er sei gleich wieder bei uns.eE würde nur kurz den Mitarbeitern Bescheid geben, dass um halb zwölf eine Mitarbeiterversammlung stattfindet, zu der alle Kollegen anwesend sein sollten.

Während wir allein im Büro saßen, schaute ich meine beiden Jungs an und fragte sie: „Wie ist euer erster Eindruck von der Hotelanlage und würdet ihr sie kaufen oder eher davon absehen und wenn ja, wofür würdet ihr sie zukünftig verwenden? Könnt ihr euch vorstellen welche Kosten für den Umbau erforderlich sind?“

Ludwig ließ Felix den Vortritt und ich erwartete gespannt, wie er sich nach so kurzer Zeit im Unternehmen aus der Affäre ziehen würde. Er überlegte lange, bevor er begann: „Nach all dem, was ich bisher gesehen habe, würde ich von einem Kauf abraten, außer ich würde nur Interesse an dem Grundstück haben, um den alten Kasten abzureißen und darauf einen neuen funktionellen Neubau zu errichten. Die Frage ist, ob sich ein Luxushotel in dieser Lage überhaupt rechnet? Ein Neubau wird sicher eine größere Summe verschlingen und gegenüber steht bereits eine luxuriösere Hotelanlage. Was mich interessiert, warum hast du Herrn Lobmeier erzählt, dass Ludwig für seinen Großvater eingesprungen sei und nicht ich?“

Ich grinste und meinte: „Ich muss ihm doch nicht auf die Nase binden, dass du, als zukünftiger Auszubildender in der Stiftungsverwaltung, die Position eines Stiftungsbeirats übernimmst.“

Ich schaute jetzt Ludwig an und bat ihn um seine Meinung. Er antwortete mir: „Ich kann mich nur Felix’ Meinung anschließen. Bei dem Zustand des Objekts wundert es mich, dass überhaupt noch Gäste in diesem Haus übernachten wollen. Ich vermute, dass die noch verbliebenen Gäste sich die Kosten eines modernen Luxushotels nicht leisten können.“

Ich meinte, es könnte auch daran liegen, dass vor allem Stammgäste noch die Zimmer buchen. Zumindest kannte ich nun ihre Meinung zu dieser Immobilie. Deshalb fragte ich sie: „Kaufen würdet ihr sie nicht mehr, das habe ich verstanden. Was würdet ihr in der Situation vorschlagen, wenn ihr bereits Eigentümer der Immobilie seid und euch überlegen müsst, wie es weitergehen soll?“

Diesmal übernahm es Ludwig zuerst zu: „In diesem Fall würde ich das Hotel so schnell wie möglich schließen und mir überlegen, welcher Aufwand erforderlich ist, um möglichst schnell wieder zu vernünftigen Einnahmen zu kommen. Felix’ Vorschlag, das Gebäude abzureißen und einen funktionellen Neubau zu errichten, klingt noch am vernünftigsten.“

Felix meinte dazu: „Das würde ich ebenfalls so vorschlagen, nur wenn ich richtig darüber nachdenke, sehe ich, dass ich mindestens achtzehn bis vierundzwanzig Monate keinerlei Einnahmen haben würde und nur Geld für dieses Projekt ausgeben muss. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass ich darüber nachdenke, ob es noch Alternativen für dieses Haus gibt. Zuerst denke ich dabei an eine Sanierung im laufenden Betrieb, bei dem ich anfangs noch die Zimmer im derzeitigen Zustand vermiete und nach und nach die Gästezimmer umbauen würde. Während des Umbaus würde ich die die Übernachtungspreise senken um so wenigstens einige Gäste anzulocken.“

Ich wollte noch etwas erwidern, aber in dem Augenblick betrat Herr Lobmeier sein Büro und meinte, dass mit unserem Mittagessen ist geregelt und alle anwesenden Mitarbeiter würden wir zur Mitarbeiterversammlung zu Gesicht bekommen. Seine Assistentin wird versuchen, auch die Mitarbeiter, die derzeit frei haben, ebenfalls zur Versammlung einzuladen.

Er setzte sich wieder zu uns und ich bat ihn um seine Meinung, wie wir am besten vorgehen sollten, um das Gebäude wieder für Gäste attraktiv zu bekommen oder welche Alternativen er sich vorstellen könne.

Er überlegte lange und ich befürchtete schon, dass er mir überhaupt keinen Vorschlag anbieten könne. Plötzlich erklärte er: „Im Grunde genommen kann ich keinen vernünftigen Vorschlag machen. Wenn es nach der Auslastung des Hotels ginge würde ich es sofort schließen, um weitere Verluste zu vermeiden. Nur kann ich das nicht entscheiden, höchstens dem Eigentümer vorschlagen. Wir arbeiten gerade noch kostendeckend und so kann es auf Dauer nicht weitergehen. Echte Alternativen sehe ich in der derzeitigen Lage nicht. Eine Sanierung, um es nachher wieder als Luxushotel zu betreiben und damit die Gäste anzulocken, würde eine Unmenge Geld verschlingen. Und ob sich dieser Aufwand lohnt ist dabei nicht abzusehen. Vor allem auch deshalb, weil schräg gegenüber ein weiteres Hotel der gehobenen Klasse vorhanden ist. Die einzige Alternative, die ich sehe, wäre das alte Gebäude abzureißen und auf dem Grundstück Mietwohnungen zu errichten, die sich sicher gut vermieten lassen würden. Zum Beispiel als Ferienwohnungen, vor allem in den Wintermonaten wwährend der Skisaison. Damit verbunden sind Kosteneinsparungen, da für den Betrieb als Ferienwohnungen ein weitaus geringerer Personalaufwand zu stemmen wäre.“

Ich schaute ihn an und sagte zu ihm: „So ähnlich haben sich meine beiden Jungs auch geäußert. Ich hätte aber noch eine weitere Idee auf Lager. Und die gefällt mir weitaus besser als abzureißen und neu aufzubauen.“

Die drei schauten mich erwartungsvoll an und so erklärte ich ihnen: „In dem alten Gutshof, den ich von meinem Vater nach seinem Tod übernommen habe, haben wir lange nach einer Lösung für das leerstehende Gesindehaus gesucht, das mit rund vierzig Zimmern seit vielen Jahren nicht mehr genutzt wurde. Zuerst konnte ich mir vorstellen, dass wir es zu einem Bürogebäude umfunktionieren. Irgendwann kam die Idee, dass wir es doch anderweitig nutzen sollten. Das war vor rund zwei Jahren. Inzwischen haben wir das Gebäude umgebaut und nutzen es als Landschulheim von Montag bis Freitag. An den Wochenenden wird es für Seminarveranstaltungen genutzt und in den Ferienwochen wollen wir es nutzen, um Kindern und Jugendlichen mit oder ohne Eltern einen Ferienaufenthalt zu ermöglichen.

Die gleiche Lösung schwebt mir für dieses Gebäude vor. Da wir derzeit auf der Suche nach weiteren Häusern sind, in denen wir ein ähnliches Konzept verwirklichen können, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass wir hier unseren vorerst zweiten Standort errichten, nachdem unsere Suche bisher zu keinem anderen geeigneten Objekt geführt hat.“

Felix und Ludwig schauten mich zuerst verwirrt an, bis Felix erklärte: „Warum sind wir eigentlich nicht auf diese Idee gekommen? Wir wissen doch, dass die Stiftung nach Immobilien sucht, bei denen ein ähnliches Konzept wie beim Gesindehaus angewendet werden kann. Sicher auch dann sind Renovierungsmaßnahmen nötig, aber der Aufwand wäre bei weitem nicht so hoch. Vor allem könnten wir den Schulen, die solche Aufenthalte anfragen, eine Alternative anbieten, bessere Wintersportmöglichkeiten zu bieten. Wenn ich Alexandra in den letzten Tagen richtig verstanden habe, ist das Gesindehaus für die nächsten zwölf Monate bereits gut ausgelastet. Das würde bedeuten, dass wir mit einer kurzen Unterbrechung des Hotelbetriebes sofort wieder öffnen, für die Schulklassen, und parallel dazu die Zimmer renovieren. Nur während der Zeit, in der eine neue Küche eingebaut wird, wäre eine zweitweise Schließung des Hauses dringend notwendig.“

Herr Lobmeier, der immer noch über unsere Ausführungen nachdachte und ein fragendes Gesicht aufgesetzt hatte, wurde von Ludwig angesprochen, ob er denn unser Konzept kennenlernen will und er sich vorstellen könne als Manager weiterzuarbeiten. Er würde sogar vorschlagen den bisherigen Speisesaal als Restaurant zu nutzen und damit die Attraktivität zu steigern. Wir könnten dort, wie im Restaurant im Gutshof, eine Mischung aus individueller Küche und Massenverpflegung, wie er es nannte, zu etablieren.

Ich meinte zu den Dreien: „Ludwig, auf neudeutsch heißt deine Massenverpflegung heutzutage Systemgastronomie und dein Vorschlag wäre sicher eine Bereicherung für das Konzept. Wobei ich mir anhand der Räumlichkeiten ebenfalls vorstellen könnte den Gastronomiebereich mit Veranstaltungen zu erweitern, als Beispiel nenne ich Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern.“

Endlich äußerte sich Herr Lobmeier zu den Vorschlägen: „Auf die Idee ein völlig neues Nutzungskonzept zu verwirklichen bin ich bisher nicht gekommen. Ich bin eben durch und durch Hotelmanager und eine anderweitige Nutzung, eben nicht als Hotel wie bisher, überstieg meinen geistigen Horizont. Mit den von euch gemachten Vorschlägen sehe ich daher eine große Chance, das Haus zu erhalten und weiter zu betreiben, nur eben mit einer anderen Nutzung als bisher. Wie schnell ließe sich das Konzept denn umsetzen?“

Ich antwortete ihm sofort: „Um das zu klären würde ich gerne mit unseren Architekten wiederkommen, die uns anschließend einen Zeitplan für die Umsetzung vorlegen würden. Wenn es gelingt alle notwendigen Handwerker kurzfristig zu bekommen, könnte ich mir einen Übergangszeitraum von etwa drei Monaten vorstellen, bis das neue Konzept verwirklicht werden kann. Wobei ich mir durchaus vorstellen kann, dass wir eine vollständige Betriebsunterbrechung für diesen Zeitraum in Kauf nehmen. Wenn sie damit einverstanden sind, werde ich nächste Woche mit den Architekten vorbeikommen und, wenn es ein gutes Konzept gibt, anschließend mit der Umsetzung zu beginnen. Im Übrigen, in unseren Unternehmen werden alle Mitarbeiter nur mit ihrem Vornamen angesprochen, dass gilt auch für die leitenden Mitarbeiter der Unternehmen. Ich bin Peter und wie meine beiden Begleiter mit Vornamen heißen weißt du ja bereits.“

Er schaute mich zuerst nur an und meinte dann, er sei der Siegfried, wobei er jedoch lieber Siggi genannt werden möchte. Das wird für meine Mitarbeiter aber eine gewaltige Umstellung bedeuten, wenn sie mich zukünftig nicht mehr mit Herr Lobmeier ansprechen dürfen und ihren obersten Chef mit Peter anreden sollen. Er schaute kurz auf seine Armbanduhr und meinte, wir sollten uns auf den Weg machen, die Mitarbeiter würden uns sicher bereits erwarten und wenn wir sie zu lange warten lassen, könnten vielleicht abfällige Gedanken oder Spekulationen aufkommen.

Er führte uns in den Raum, an dem sich die Mitarbeiter bereits an den Tischen niedergelassen hatten und ergriff als erster die Gelegenheit zu seinen Mitarbeitern zu sprechen: „Ich habe euch zu dieser Veranstaltung gebeten, da der neue Eigentümer heute anwesend ist und uns eine Reihe von Vorschlägen unterbreiten will, wie es mit dem Hotelbetrieb weitergehen könnte. Ich habe mir seine Vorschläge bereits angehört und ich denke, dass mit seinem Konzept alle Arbeitsplätze erhalten werden können, unter Umständen sogar weitere neue Mitarbeiter benötigt werden. Eine Bitte habe ich noch, bevor ich unserem neuen Eigentümer das Wort übergebe, in seinen Unternehmen werden alle Mitarbeiter nur mit Vornamen angeredet und das gilt auch für alle seine leitenden Angestellten. Ich bin ab sofort für euch der Siegfried oder auch Siggi. Euer neuer Chef ist Peter und seine beiden Begleiter sind Ludwig und Felix, Mitarbeiter der Stiftung Sonneneck, zu der unser Hotel jetzt gehört.“

Ich bat die Jungs sich kurz persönlich vorzustellen und ihre Aufgaben in der Stiftung zu beschreiben. Während sich die beiden vorstellten und über ihren Status und derzeitigen Aufgaben erzählten, beobachtete ich die Mitarbeiter, um zu sehen, welche Reaktionen das bei ihnen hervorrufen würde.

Bei Ludwig der sich zuerst vorstellte, gab es keine besonderen Reaktionen. Als jedoch Felix erzählte, dass er im September bei der Stiftung seine Ausbildung zum Bürokaufmann beginne und derzeit für die Organisation und Vorbereitung unseres Zeltlagers für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen, als Hauptverantwortlicher aktuell ehrenamtlicher Mitarbeiter tätig ist, konnte ich doch einige erstaunte Gesichter erkennen.

Am Ende seines Vortrages fragte eine Mitarbeiterin, die sich als Brigitte vorstellte, ob sie das jetzt richtig verstanden habe, dass er erst in gut zwei Monaten seine Ausbildung bei der Stiftung beginne und bis dahin ehrenamtlich für die Stiftung arbeite. Bevor Felix etwas dazu sagen konnte, erklärte ich ihr, dass es so wäre, wie Felix es geschildert hat.

Was er euch nicht geschildert hat, ist die Tatsache, dass seine Mutter mit seiner Berufswahl nicht einverstanden ist und er deshalb beschlossen hat von zu Hause auszuziehen. Die derzeit am Gutshof vorhandenen Wohnungen und Appartements sind alle an Mitarbeiter vergeben, deshalb haben mein Lebensgefährte Thomas und ich entschieden, bis die neuen Wohnungen im nächsten Jahr fertiggestellt sind könne er in unserem Gästezimmer bleiben. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich Felix schon von klein auf kenne. Sein Großvater und mein Vater waren beste Freunde und mit Felix’ Vater verbindet mich eine lange Freundschaft.

Zwei unserer neuen Auszubildenden, die ebenfalls im September beginnen, werden in Personalzimmern im neuen Seminarhotel untergebracht, das in wenigen Wochen seine Pforten öffnet. Das Seminarhotel ist nur knapp zwei Kilometer Luftlinie von den Gebäuden des Gutshofes entfernt.

Nach einer kurzen Pause startete ich meinen Vortrag: „Ihnen ist sicher bekannt, dass die bisherige Eigentümerin der Hotelbetriebsgesellschaft, Frau Grünberg, vor wenigen Wochen verstorben ist und sie die Stiftung Sonneneck als Erben eingesetzt hat. Wobei die Stiftung nicht nur dieses Hotel geerbt hat, sondern ihr gesamter Immobilienbesitz ist an die Stiftung übergegangen. Dazu gehören eine Immobilienverwaltungsgesellschaft und umfangreiche Gewerbeimmobilien und Wohnungen. In der Kürze der Zeit konnten wir uns noch kein detailliertes Bild über die Erbschaft machen. Hilfreich ist, dass der gesamte Immobilienbesitz durch eine Verwaltungsgesellschaft betreut wird. Der Nachlassverwalter hat uns auf ihr Hotel hingewiesen, da hier, wie er es nannte, ein gewisser Nachholbedarf bestehen würde. Er sagte mir, dass die Auslastung stark rückläufig sei und dringend Entscheidungen erforderlich seien, wie weiter vorzugehen ist. Deshalb haben wir beschlossen uns das Objekt kurzfristig anzusehen und danach eine Entscheidung zu treffen, wie es hier weitergehen könnte.“

Diese Information ließ ich im Raum stehen und setzte danach mit meinem Vortrag fort: „Unser erster Eindruck, den wir heute gewinnen konnten, ist geprägt von der Tatsache, dass notwendige Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen viel zu lange aufgeschoben wurden. Meine beiden Begleiter haben mir erklärt, dass ein Abriss und ein Neubau der bessere Weg wären, wenn hier ein Hotel in der gehobeneren Klasse beibehalten werden solle. Das ist auch meine persönliche Meinung dazu. Es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten, um dem alten Gemäuer wieder neues Leben einzuhauchen und damit die vorhandenen Arbeitsplätze zu erhalten, was uns sehr wichtig ist. Wir haben vor etwa einem Jahr in unserem Gutshof für das leerstehende Gesindehaus ein Konzept entworfen, dass wir hier in ähnlicher Weise verwirklichen könnten.

Dort wurden die ehemaligen Gesindekammern zu modernen Gästezimmern umgebaut und nachträglich sanitäre Anlagen eingebaut. Jetzt wird dieses Gebäude von Montag bis Freitag vorwiegend von Schulen als Landschulheim genutzt. An den Wochenenden finden von Freitag bis Sonntag Seminare und Schulungsveranstaltungen statt.

Im alten Gutshaus haben wir eine große Küche angebaut, die sowohl die Hausgäste mit Speisen und zusätzlich das angeschlossene Restaurant mit einem gehobeneren Angebot versorgt. In den Ferienzeiten, wenn die Nachfrage von den Schulen entfällt und die Seminare eine Sommerpause einlegen, wollen wir es für die Kinder und Jugendlichen aus benachteiligten Verhältnissen einsetzen, um diesen einen Urlaub zu ermöglichen.

Wir haben dafür extra ein Abkommen mit verschiedenen Jugendämtern abgeschlossen. Unglücklicherweise hatte anfangs keiner mit so großer Nachfrage schon im ersten Jahr gerechnet und deshalb wurden vom zuständigen Jugendamt in Rosenheim zu viele Zusagen erteilt.

Als der Fehler bemerkt wurde haben wir mit unserer Zeltstadt eine Ersatzlösung gefunden haben, um allen Kindern und Jugendlichen, die bereits angemeldet waren, einen Urlaub zu ermöglichen. Inzwischen haben wir weitere Anfragen von den Pfadfindern, vom Roten Kreuz und vom Technischen Hilfswerk, die mit ihren Jugendgruppen am Camp teilnehmen wollen.

Felix hatte sich an diesem Tag, an dem die Entscheidung für das Camp fiel, bei uns um seine Ausbildung beworben und ich habe ihn beim Einstellungsgespräch gefragt, ob er sich die Organisation des Projektes zutrauen würde. Er hat mir sofort zugesagt und inzwischen ist er für alle der maßgebliche Ansprechpartner.

Wenn er sich nicht sicher ist, ob das so in Ordnung geht, stimmt er sich mit mir, als verantwortlichem Leiter der Stiftung, ab. Bis jetzt hat er seine Sache sehr gut gemacht, es gibt keinen Grund zu Beanstandungen,. Wobei ich schon manchmal Gewissensbisse hatte, weil ich ihm, als Berufsneuling, diese große Verantwortung übertragen hatte.“

Es meldete sich ein älterer Mitarbeiter, der der Bekleidung nach in der Küche arbeitet. Er stellte sich als Hans vor und wollte wissen, wieso ich gerade Felix mit dieser Aufgabe betraut habe und keinen älteren und erfahreneren Mitarbeiter ausgewählt habe.

Ohne lange darüber nachzudenken, klärte ich ihn auf: „Meine Philosophie, in verantwortlichen Positionen nicht nur ältere, erfahrenere Mitarbeiter einzusetzen, hat sich in den letzten beiden Jahren hervorragend bewährt. In allen neuen, aber auch vorhandenen Teilbereichen des Gutshofes habe ich von Anfang an auf die jüngere Generation gesetzt. Sie haben mit ihren oft unkonventionellen Ideen die positive Entwicklung der beiden letzten Jahre maßgeblich mitbestimmt. Wir sind, technisch gesehen, ein sehr moderner Betrieb, der in allen Bereichen gut durchorganisiert ist. Ich will jetzt nur ein Beispiel herausgreifen: Jedes Unternehmen unterhält ein eigenes Archiv, in dem alle Unterlagen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben aufbewahrt werden. Wir haben vor zwei Jahren ein digitales Dokumentenmanagement eingeführt, dass uns jederzeit Zugriff auf alle Dokumente gewährt, ohne dass ein Mitarbeiter in den analogen Archiven nach diesen Unterlagen fahnden muss. Auch diese Aufgabe habe ich damals unserem frisch eingestellten Auszubildenden zum Datenkaufmann übertragen. Bernhard hat sich von vornherein mit dieser Aufgabe identifiziert und mit seinen Ideen erheblich zur Verbesserung der gesamten Archivierung beigetragen. Wir verwalten inzwischen über eine halbe Million digitaler Dokumente von A wie Arbeitszeugnisse bis Z wie Zimmerbelegungsnachweise.

Wir haben vor einem Jahr in den Kellerräumen des Gutshofes Unterlagen gefunden die weit über einhundert Jahre aufbewahrt wurden. Inzwischen bearbeiten wir, gemeinsam mit einer Universität, diese Aufgabe. Die alten Dokumente werden in digitale Formate umgewandelt und die Universität wertet die Dokumente nach historischen Gesichtspunkten aus. Hätte ich für diese Aufgabe einen älteren, erfahreneren Mitarbeiter beauftragt, wären diese Unterlagen vermutlich aus Altersgründen vernichtet worden und stünden der Wissenschaft nicht für ihre Forschungsarbeiten zu Verfügung.

Bernhard war der Meinung, dass diese alten Dokumente zumindest in digitaler Form aufzubewahren wären, da sie die lange Geschichte des Gutshofes widerspiegelt. Bei allen Unternehmen, die inzwischen zum Gutshof oder der Stiftung gehören, werden alle alten Dokumente, die bisher noch nicht vernichtet wurden, in digitaler Form aufbewahrt. Das wird auch bei dieser Hotelbetriebsgesellschaft nicht anders sein. Vielleicht finden sich hier ebenfalls Dokumente, die heute bereits als historisch eingestuft werden.

In diesem Fall habe ich in Felix Denjenigen gesehen, der, durch seine unverbrauchte Art, an die Lösung der Schwierigkeiten anders herangeht als ein altbewährter Mitarbeiter. Der Altersdurchschnitt der Mitarbeiter in den leitenden Positionen im Gutshof liegt weit unter dreißig Jahren, wenn ich meine Person bei dieser Betrachtung außer Acht lasse.

In der gesamten Gruppe der Unternehmen, die in meinem Verantwortungsbereich sind, liegt der Altersschnitt der leitenden Angestellten immer noch knapp unter vierzig Jahren. Wobei ich dabei alle Älteren mitberücksichtigt habe, einschließlich meiner eigenen Person.“

Da wir mit der Beantwortung die Fragerunde eingeleitet hatten, wollte ich jetzt von ihnen wissen, ob sie sich mit dem von mir vorgetragenem Konzept identifizieren könnten und in Zukunft statt in einem Hotel in einem Landschulheim und Seminarhotel ihre Arbeit verrichten könnten.

Wieder war es Hans, der sich meldete und erklärte, grundsätzlich könne er sich das schon vorstellen. Was ihn noch interessieren würde, wie das mit Massenverpflegung und exquisitem Restaurant in einer Küche ablaufen solle.

Ludwig erklärte ihm: „Im Gutshof funktioniert das ohne große Probleme. Für das Gesindehaus und die Kantine des Gutshofes werden täglich drei verschiedene Gerichte gekocht, die zusätzlich im Restaurant als günstige Mittagsmenüs angeboten werden. Zusätzlich gibt es im Restaurant eine Tageskarte mit täglich wechselndem Angebot. Auch gibt es die Standardkarte mit den Gerichten die ständig angeboten werden.

In den Sommermonaten gibt es im Biergarten die gleiche Auswahl wie im Restaurant und dazu typische Biergartengerichte. Ich gehe davon aus, dass dir Sebastian, unser Küchenchef, gerne zeigt, wie das am Gutshof abläuft. Melde dich einfach bei ihm und besuche ihn an deinem freien Tag in unserer Gutshofküche. Er wird dir sicher zeigen, wie alles läuft. Vielleicht könntet ihr ebenfalls einen Biergarten am Restaurant aufbauen und damit zusätzliche Kundschaft anlocken.“

Eine jüngere Mitarbeiterin, sie stellte sich als Gitti vor und dass sie als Hotelfachfrau hier im Hotel beschäftigt sei. Sie wollte wissen, ob sie als Hotelfachfrau überhaupt eine Chance hätte bei dem neuen Konzept. Bei Schülern als Übernachtungsgästen, die von Montag bis Freitag hier wären, sind weitaus weniger Betten zu wechseln, wie bei teilweise täglich wechselnden Gästen.

Diesmal war es Felix, der ihr antwortete: „Wäre das wirklich ein großes Problem, wenn du nicht mehr jeden Tag die Betten der Gäste wechselst, sondern andere Aufgaben im Hotelbetrieb übernimmst? Mein großer Schwarm beginnt im September seine Ausbildung als Hotelkaufmann im Seminarhotel und im Gesindehaus und er hat mir erzählt, dass er sich auf die vielfältigen Aufgaben, die auf ihn zukommen werden, bereits freut. Genau diese Chance würde ich auch für dich, im Grunde genommen für Jeden von euch, sehen. Ich weiß, dass Peter grundsätzlich keine Kündigungen bei den Unternehmen ausspricht, die neu zur Gutshoffamilie hinzukommen. Die Mitarbeiter der Immobilienverwaltung, die im Rahmen der Erbschaft zur Stiftung gekommen sind, werden voraussichtlich im nächsten Jahr von München aufs Land, genauer gesagt, den Gutshof umziehen.

Er wird die Verlegung des Unternehmens erst dann angehen, wenn er allen Mitarbeitern eine Mietwohnung in den neu entstehenden Wohnhäuern im Gutshof anbieten kann. Soweit ich mitbekommen habe, werden alle Mitarbeiter in der Firma bleiben und mit ihren Familien aufs Land ziehen.“

Diesmal war es Hans, der sich mit einer Frage meldete. Er meinte, das habe er noch gar nicht gewusst, dass die Immobilienverwaltung mit all ihren Mitarbeitern von München weggehen werden und zukünftig ihren Firmensitz am Gutshof aufschlagen wird. Vor allem, dass Peter bisher nie versucht hat Mitarbeiter abzubauen verwundere ihn doch sehr. Normalerweise sei es doch üblich, sich in dieser Situation von Mitarbeitern zu trennen.

Dieses Mal war ich es der antwortete: „Das würde nur Sinn machen, wenn ich nach intensiver und langwieriger Analyse weiß, warum das Unternehmen von seiner Substanz lebt. Wenn ich dem Unternehmen jedoch neue Perspektiven aufzeige, wie es sinnvoll überleben kann, bringt es meines Erachtens keinen Vorteil wenn ich mich von Mitarbeitern trenne, die ich vermutlich nach kurzer Zeit wieder benötige. Ein entlassener Mitarbeiter kehrt normalerweise nie wieder in das Unternehmen zurück. Ich hätte also die undankbare Aufgabe neue Mitarbeiter erst in ihre neue Tätigkeit einzuarbeiten. Wenn ein Mitarbeiter von sich aus das Unternehmen verlässt, gilt für mich das Motto, Reisende solle man nicht aufhalten, sie bringen nur störende Unruhe in das Unternehmen.

Wenn ich die Immobilienverwaltung betrachte, hier gab und gibt es keine Schieflage. Wenn ich jedoch den Sitz des Unternehmens verlagern will muss ich allen Mitarbeitern eine vernünftige Perspektive am zukünftigen Standort aufzeigen. Weil ich die Mitarbeiter mit dem geplanten Umzug nicht loswerden will unterbreite ich ihnen ein Angebot, das sie nur schwer ablehnen können. Sicher bleibt ein kleines Restrisiko, dass der eine oder andere die Firma trotzdem verlässt, aber immerhin lege ich so den Grundstock für eine vernünftige weitere Zusammenarbeit.“

Nach kurzer Pause erklärte ich weiter: „In eurem Fall würde ein Weitermachen, wie aktuell, nur mit Personalabbau möglich sein; würde also zu keiner spürbaren Verbesserung führen. In wenigen Monaten müsste das Hotel endgültig geschlossen werden. Hier ist es sinnvoller mit einem neuen Konzept einen Schritt nach vorne zu wagen und dem Unternehmen eine neue Chance zu bieten. Ich kann den Erfolg nicht garantieren, aber die bisherigen Erfahrungen, die wir mit unserem Gesindehaus gesammelt haben, zeigen mir, dass der Weg, den wir dort eingeschlagen haben, ein erhebliches Zukunftspotential hat. Es bietet uns zudem die Möglichkeit an zwei Standorten die gleichen Leistungen anzubieten. Da wir am bisherigen Standort schon fast an die Grenzen stoßen, könnten wir einen Teil der Anfragen auf den zweiten Standort umleiten und, in diesem Fall, wäre nicht nur uns, sondern auch euch damit geholfen, eure Arbeitsplätze zu erhalten. Wenn ich mir eure Freiflächen rund um das Hotel so ansehe, kann ich mir sehr gut vorstellen, die Zeltstadt jedes zweite Jahr während der Ferienzeit hier abzuhalten, was eine weitere Bereicherung unseres sozialen Engagements darstellen würde. Sicher würde es hier etwas kleiner sein. Aber mit den zusätzlichen Plätzen, entweder im Gesindehaus oder bei euch, können wir mehr benachteiligten Kindern und Jugendlichen einen Urlaub anbieten.“

Wieder meldete sich Gitti und meinte dazu, jetzt habe ich verstanden, was Felix meinte, als er von neuen Aufgaben und Herausforderungen gesprochen hat. Wäre es denkbar, dass nicht nur Kinder aus Deutschland von diesem Angebot profitieren können, sondern auch benachteiligten Kinder und Jugendliche aus Österreich die gleichen Chancen geboten werden?

Wieder war es Felix, der ihr antwortete: „Warum nicht? Ich kann mir sogar vorstellen, dass österreichische Kinder und Jugendliche sowohl in Deutschland und möglicherweise in Spanien Urlaub machen können. Dort sind wir ebenfalls auf der Suche nach einer Immobilie, um Kindern einen Urlaub zu ermöglichen. Wir erwarten während der diesjährigen Sommerferien eine fünfzigköpfige Gruppe von Kindern und Jugendlichen aus Spanien, die in der Zeltstadt den ersten vierzehntägigen Urlaub ihres Lebens verbringen. Peter hat vor kurzem erklärt, in jedem Land, in dem wir einen Standort haben werden, gilt das gleichermaßen für die dort ansässigen Kinder und Jugendlichen. Er erwartet von euch, dass ihr euch für die Stiftung engagiert und nicht nur das Hotel allein seht. Ihr könnt an österreichischen Schulen für die Landschulheime werben. Wir werden ab sofort auch euren Standort bei den Schulen in Deutschland anbieten, wenn ihr euch für eine Weiterführung unter den neuen Voraussetzungen erwärmen könnt.“

Gitte antwortete ihm: „Ich für meinen Teil habe mich entschieden, ich bin mit dabei. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, statt Betten zu machen, zukünftig mich mit neuen Herausforderungen zu beschäftigen.“

Ich meldete mich wieder und erklärte: „Ihr müsst euch nicht sofort entscheiden, aber spätestens bis Mitte nächster Woche, wenn ich mit unseren Architekten hier aufschlage, solltet ihr euch entschieden haben. Meine Frage geht an Siggi: Ist es möglich, mit allen Mitarbeitern in den nächsten Tagen in kleinen Gruppen zum Gutshof zu kommen und euch dort das Konzept anzuschauen? Wir würden euch einen Tag lang zeigen, wie es bei uns abläuft und welche Aufgaben auf euch zukommen. Die Zeltstadt öffnet zwar erst in eineinhalb Wochen ihre Pforten, aber die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren und bis Ende nächster Woche haben wir noch Schulklassen im Gesindehaus.“

Siggi schaute mich an und erklärte vor den anwesenden Mitarbeitern: „Möglich ist das auf alle Fälle. Wenn ich die derzeitige Auslastung betrachte, so vier bis fünf Mitarbeiter könnten jeden Tag einen Tagesausflug zu euch machen und sich alles anschauen. Dann wäre innnerhalb einer Woche jeder einmal am Gutshof gewesen und könnte sich selbst ein Bild vom Ablauf machen. Mich habt ihr von eurem Vorschlag bereits überzeugt. Trotzdem werde auch ich die Gelegenheit nutzen und mir alles anzuschauen und mit Gitte sind wir damit bereits zu zweit. Wer von den anderen könnte sich ebenfalls vorstellen unter den gegebenen Umständen hinter dem neuen Konzept zu stehen?“

Ich erwartete nicht, dass sofort alle ihre Hand ausstrecken würden, aber einige werden es sicher werden, hoffte ich zumindest. Was mich wunderte, war die Tatsache, dass alle Mitarbeiter die ich der Küche zuordnen konnte, sofort ihre Hand nach oben hoben.

Zaghaft gingen noch weitere Hände nach oben. Immerhin, nur etwas weniger als die Hälfte war aktuell der Meinung, dass sie sich das vorstellen könnten. Ich fragte Siggi, ob er mir sagen könne, warum gerade diese Mitarbeiter sich vorstellen können, mit dem neuen Konzept für das Hotel und Restaurant, die richtige Entscheidung zu treffen.

Siggi schaute mich zuerst nur an und meinte nach kurzer Zeit: „Sicher weiß ich es nicht. Ich vermute einmal, es liegt daran, dass gerade der Küchenbereich gestärkt aus den Veränderungen hervorgehen wird. Zum einen die Systemgastronomie für die Hausgäste und auf der anderen Seite die individuelle Küche für die Restaurantgäste. Das sind für uns Herausforderungen, die wir in dieser Form bisher nicht kennen und normalerweise hat jeder Angst vor dem Unbekannten. Mich hat es auch etwas verwundert, dass alle Küchenmitarbeiter sofort dafür waren. Die Kollegen aus der Küche können dir sicher besser erklären, warum sie sich das im Einzelnen vorstellen können.“

Ich schaute sie an und wartete darauf, dass einer uns erklären würde, warum er sich vorstellen kann, dass mit den neuen Ideen, der Fortbestand ihrer Arbeitsplätze gesichert werden kann. Es dauert eine Weile, bis sich eine Mitarbeiterin von ihrem Platz erhob und erklärte: „Ich bin die Carola und arbeite als Küchenhilfe im Hotelrestaurant. Ich habe vorher den Ausführungen von Peter und den beiden Jungs, Felix und Ludwig, neugierig zugehört. Nicht nur das, was sie erklärten, hat mich überzeugt, sondern die Art und Weise wie sie ihre Argumente vorgetragen haben, hat einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen.

Mein Verstand sagt mir, dass vor allem Peter genau weiß, von was er spricht. Am meisten hat mich beeindruckt, als er erklärte, gerade die jüngeren Mitarbeiter hätten, mit ihrem frischen Wind, erheblich zum Erfolg des Unternehmens beigetragen und genau das konnte ich bei Ludwig und Felix erkennen. Genau das hat mich bewogen für die Veränderungen zu stimmen. Ich will nicht spekulieren, aber vielleicht hätte die Idee mit den jüngeren Mitarbeitern über neue Ideen auch für dieses Hotel nachzudenken, zu einem früheren Zeitpunkt frischen Wind in das alte Gemäuer getrieben.“

Einige der Kolleginnen und Kollegen klatschten ihr Beifall für das, was sie eben von sich gegeben hatte. Damit gaben sie mir zu verstehen, dass sie mit ihrem bisherigen Geschäftsführer und seinen altmodischen Ansichten nicht so ganz zufrieden waren.

Ich konnte nur hoffen, dass sie ihm eine Chance geben würden, nachdem er sich bereits für einen gemeinsamen Neuanfang ausgesprochen hatte. Ich legte Visitenkarten von mir und Ludwig auf den Tisch und meinte: „Wenn noch Fragen auftauchen oder sie weitere Ideen hätten, sollten sie sich doch an Ludwig oder mich wenden, wobei die Chance Ludwig im Büro zu erreichen größer sei als bei meiner Person. Er wird eure Fragen beantworten wenn er es direkt kann, ansonsten wird er mit mir Rücksprache halten. Dass er kompetent ist, sollte jedem aufgefallen sein, da er im Laufe der Versammlung ohne meine Aufforderung ihre Fragen beantwortet hat.“

Ich verabschiedete mich von den Mitarbeitern der Hotelbetriebsgesellschaft mit den Worten: „Ich sehe euch in den nächsten Tagen auf dem Gutshof, spätestens jedoch in einer Woche, wenn ich mit unserem jungen Architektenteam wieder hier bin. Wenn ihr gute Handwerksunternehmen kennt, die den Umbau des Hotels durchführen können, werde ich den einheimischen Handwerkern den Vorzug geben.“

Wir gingen mit Siegfried in sein Büro zurück und er bat die Jungs draußen zu warten, da er mit mir ein kurzes Gespräch unter vier Augen führen möchte. Wir hatten uns kaum gesetzt, als Siggi erklärte, dass er die Anspielung von Carola sehr wohl verstanden habe und ihm auch klar ist, warum einige Mitarbeiter applaudiert haben.

Ihm ist inzwischen bewusst, dass er gegenüber der bisherigen Eigentümerin energischer die Sanierung des Hotels hätte vorantreiben müssen. Nur seine eigene Sorge möglicherweise den Arbeitsplatz zu verlieren, habe ihn zu lange zögern lassen. Er bot mir deshalb an, von seinem Posten als Manager des Hotels zurückzutreten und den Platz für einen jüngeren Manager freizumachen.

Ich widersprach ihm: „Es stimmt, und ich habe das auch so verstanden, dass Carola mit ihren Aussagen eine volle Breitseite auf dich abgeschossen hat. Aber wenn du genau hingehört hast sieht sie die Chance, mit dem von uns vorgeschlagenem Konzept das Haus wieder zu einem auch für die Mitarbeiter interessanten Arbeitsplatz zu verwandeln. Wenn du jetzt alles hinwirfst, könntest du ihren Optimismus wieder ausbremsen, deshalb nehme ich dein Rücktrittsangebot vorerst nicht an. Wenn du weiter an der Spitze des Unternehmens bleibst kannst du ein Vorbild für deine Mitarbeiter sein. Du kannst dich jederzeit an mich, als den Eigentümer der Gesellschaft, wenden, wenn du einen Rat oder Hilfe brauchst.“

Ich holte die beiden Jungs wieder in den Raum, sie setzten sich zu uns an den Tisch und ich befragte sie zu ihren Eindrücken bei der Besprechung mit den Mitarbeitern. Ich merkte schnell, dass sie im Beisein von Siegfried nicht ihre wirklichen Gedanken loswerden wollten. Deshalb wechselte ich das Thema und fragte Siggi, wann wir essen könnten. Er meinte, wenn ihr hungrig seid, können wir jederzeit ins Restaurant gehen und uns etwas zum Essen bestellen.

Wir bestellten uns von der Karte jeder ein anderes Gericht, auch um festzustellen, inwieweit es mit dem Angebot am Gutshof vergleichbar war. Die Kellnerin brachte uns die gewünschten Getränke. Weil ich noch fahren musste, hatte ich mir ein alkoholfreies Weißbier bestellt und die Jungs den für sie üblichen Softdrink. Siggi hatte zu seinem Essen einen Weißwein geordert.

Nach etwa fünfzehn Minuten wurde mein Wiener Schnitzel mit Pommes Frites und einem kleinen Salat serviert. Felix hatte sich ein Rahmgulasch mit Bandnudeln bestellt und Ludwig erhielt seinen Zwiebelrostbraten mit Bratkartoffeln. Für Siggi stellte die Bedienung sein gegrilltes Putensteak mit frischem Gartengemüse auf den Tisch; wobei ich schon den Eindruck hatte, dass das Gemüse nicht frisch sondern einer Dose entnommen war.

Wir hatten kaum aufgegessen, als uns Siggi fragte, ob wir mit dem Essen zufrieden waren. Ich schaute ihn an und erklärte ihm dann: „Es hat gut geschmeckt, aber die Qualität ist nicht mit der des Restaurants im Gutshof zu vergleichen. Ruf uns doch bitte deinen Chefkoch, damit wir mit ihm darüber reden können.“ Er bat die Kellnerin, Hans aus der Küche zu holen und kurze Zeit später setzte sich der Koch zu uns an den Tisch. Ich bat die Jungs, ihre Eindrücke und Meinung zum Essen vorzutragen.

Ludwig, der schon länger die gute Küche am Gutshof kannte, erklärte uns: „Ich kann nicht behaupten, dass es nicht geschmeckt hat, aber, wie Peter vorher meinte, es ist nicht mit unserem Kantinenessen am Gutshof zu vergleichen. Sebastian, unser Chefkoch, verwendet in seiner Küche ausschließlich frische regionale Produkte und beim Gemüse oder bei den Salaten werden ebenfalls nur frische saisonale und regionale Produkte verwendet. Hinzu kommen die frischen Kräuter, die täglich frisch geerntet werden; aus unserem Gartenbaubetrieb. Das ist sein Erfolgsgeheimnis, weshalb sich sein Kantinenessen so von den sonst üblichen Mitarbeiterverpflegungen unterscheidet. Wenn ihr mit einem Restaurant eine größere Anziehungskraft ausüben wollt, solltet ihr die gesamte Küche umstellen.“

Felix schaute mich nur an und meinte lapidar: „Zu Ludwigs Ausführungen kann ich nichts hinzufügen. Es hat gut geschmeckt, aber es fehlte einfach etwas. Ich kenne das Kantinenessen noch nicht so lange wie Peter und Ludwig. Selbst meine Mutter, die immer der Meinung ist, sie sei eine hervorragende Köchin, könnte von Sebastian noch dazulernen.“

Jetzt war es an mir meine Meinung abzugeben: „Ich kann mich, was den Geschmack angeht, meinen Vorrednern anschließen. Der Erfolg des Restaurants im Gutshaus beruht vor allem auf der Tatsache, dass Sebastian fast ausschließlich frische Produkte verwendet, was seine Gäste sehr zu schätzen wissen. Um dauerhaft erfolgreich zu sein, muss man seinen Gästen immer etwas Besonderes anbieten. Sein Erfolgsrezept liegt meines Erachtens in der Verwendung hauptsächlich regionaler Produkte, die zum einen direkt vom Gutshof oder unserem eigenen Gartenbaubetrieb kommen, oder von Landwirten aus der Umgebung, die fast alle ökologisch oder sogar biologisch arbeiten. Hinzu kommt, dass er täglich ein Essen anbietet, das vorwiegend auf die Zielgruppe Kinder und Jugendliche ausgerichtet ist. Dabei hat er festgestellt, dass nach ein oder zwei Tagen die Essen, die auf diese Zielgruppe ausgerichtet sind, weniger nachgefragt werden und die Kinder und Jugendlichen die anderen Angebote verstärkt nachfragen. Hans, könntest du dir vorstellen, in deiner Küche nach den gleichen Kriterien zu arbeiten?“

Hans hatte sich alles in Ruhe angehört und erklärte mir: „Vorstellen könne er sich das schon. Doch dafür brauche er erst mal die regionalen Kontakte, um nach diesen Kriterien zu arbeiten. Wenn es so gewünscht wird, könne er sich in nächster Zeit nach regionalen Produzenten umsehen, die diese Voraussetzungen erfüllen und seine Speisekarte entsprechend umstellen. Peter, eine Frage meinerseits, ist es möglich länger als nur einen Tag eure Küche kennenzulernen, damit ich bei Sebastian lernen kann, wie er seine Küche organisiert hat? Vor allem wegen der Systemgastronomie, die individuelle Küche ist nicht so mein Problem.“

Felix grinste mich an und meinte, er hätte da einen guten Vorschlag: „In den nächsten zehn Wochen kommt auf unsere Systemgastronomie eine große Herausforderung zu, mit täglich weit über dreihundert Essen für die Zeltstadt, die Versorgung der Mitarbeiter, Betreuer und der Erntehelfer.

In dieser Zeit wird die Mannschaft in der Küche vorübergehend verstärkt durch zusätzliche Köche und Helfer. Du und deine Mannschaft könnten jeweils ein bis zwei Wochen am Gutshof die Restaurantküche verstärken und in dieser Zeit das notwendige Wissen erwerben.“

Ich schaute Felix an und meinte: „Schade, dass diese Idee nicht von mir stammt. Sie klingt so gut, dass ich diesen Schritt sogar befürworte. Immerhin zeigt es mir, dass ich mit dem Vertrauen, das ich in dich gesetzt habe, nicht enttäuscht werde. Du bist so spontan wie ich das von allen meinen jungen Mitarbeitern erwarte, also mach’ weiter so.“

Ludwig lachte, und als er sich wieder etwas beruhigt hatte, sagte er: „Mit dem ersten Teil deines Satzes hast du Felix einen ganz schönen Schrecken eingejagt, das konnte ich seinem Minenspiel gut entnehmen konnte. Gut, wie du die Kurve geschafft hast, um das Positive dabei hervorzuheben.“

Hans erklärte; „Das ist mehr als ich erwartet habe. Ich nehme das Angebot gerne für meine Leute und mich an. Sie werden sicher nichts dagegen einwenden, wenn sie für kurze Zeit am Gutshof die Küche kennenlernen. Aber habt ihr euch auch überlegt, wie und wo ihr die Kollegen unterbringen werdet?“

Wieder war es Felix, der Hans erklärte, wie er das regeln wird: „Alle zusätzlichen Helfer werden im Gesindehaus untergebracht, sofern sie nicht täglich nach Hause fahren können oder wollen. Es stehen noch einige Zimmer zur Verfügung, die bisher nicht vergeben sind. Damit wäre das Problem der Unterbringung bereits geregelt. Ich denke, wir hätten auch im neuen Seminarhotel noch einige Personalzimmer, die wir für diese Zwecke nutzen könnten, da das Seminarhotel erst Anfang September offiziell eröffnet wird. Peters Zustimmung vorausgesetzt, könnten wir auch den Mitarbeitern im Service eine ähnliche Weiterbildung anbieten im gleichen Zeitraum. Sie würden bei Alexandra im Restaurant mitarbeiten oder uns bei der Essensausgabe an die Kinder und Jugendlichen unterstützen.“

Ich lachte und sagte: „Felix, du bist mir ein Schlitzohr. Auf diese Art und Weise kann man auch personelle Engpässe lösen. Einfach den Leuten eine Weiterbildung zu versprechen und sie dann als vollwertige Mitarbeiter zu verwenden. Meinen Segen hast du zu diesem Vorschlag.“

Siggi schaute zu Felix und meinte: „Wenn du so weiter machst und mein gesamtes Personal auf den Gutshof abziehst, dann kann ich das Hotel vorübergehend zusperren, weil keiner mehr zum Arbeiten hier ist.“

Felix grinste und erwiderte ihm: „Das wirst du sowieso, wenn der Umbau so rechtzeitig fertig sein soll, dass mit Beginn der Skisaison alles fertig ist, um dir die ersten Schulklassen schicken zu können. Wenn ich Peter richtig verstanden habe, wird der Umbau rund drei bis vier Monate in Anspruch nehmen und vermutlich spätestens im September sollten die Handwerker im Haus sein, um Weihnachten wieder geöffnet zu haben. Peter wird sicher interessieren, wie lange du noch Buchungen hast, denen notfalls abgesagt werden muss, wenn das Haus renoviert wird.“

Siggi überlegt und meinte: „Die festen Buchungen reichen noch etwa bis Mitte August, danach hat er erst wieder feste Buchungen für die Zeit der Weihnachtsferien, also für den Zeitraum vom Heiligen Abend bis zum sechsten Januar. Wenn wir Mitte August mit dem Umbau anfangen, dann könnten wir das Jahresendgeschäft noch mitnehmen. Vorausgesetzt, wir können unsere Gäste mit unserem neuen Konzept überzeugen. Peter, spricht etwas dagegen, wenn wir zu den Kindern und Jugendlichen auch sonstige Gäste beherbergen die ihren Urlaub hier weiter verbringen wollen?“

Ich meinte auf seine Frage: „Grundsätzlich nicht, aber unsere Hauptzielgruppen, Schulklassen, Seminargäste und unsere Kinder und Jugendlichen haben Vorrang bei der Zimmerbelegung. Ähnliche Überlegungen haben wir bereits für unser neues Seminarhotel geprüft, Durch die zahlreichen Anfragen und Buchungen in der Umbauphase haben wir diese Option schnell wieder verworfen.

Was wir im Seminarhotel aber machen werden, ist, für einen Wochenendkurzurlaub zu werben, damit an den Wochenenden eine bessere Auslastung zu erreichen ist. Das wäre im Übrigen auch eine Option für dieses Haus. Gerade in den Wintermonaten kann dies für Familien mit Kindern, bei moderaten Preisen, eine gute Gelegenheit sein, ein erholsames Ski-Wochenende in den Bergen zu verbringen.“

Siegfried meinte: „Keine schlechte Idee. Familien suchen normalerweise einfachere Unterkünfte, für sie ist der Luxus eines Hotels nicht ganz so wichtig als für Einzelreisende. Vielleicht können wir im Herbst Wanderwochenenden für Familien mit Kindern anbieten, das wäre eine weitere saisonale Verwendung.“

Nach diesem kurzen Exkurs in eine mögliche Zukunft des Hotels, beschlossen wir so langsam den Heimweg anzutreten. Wir hatten genug gesehen und ausreichend Gespräche mit den Mitarbeitern geführt. Ich erklärte deshalb, dass wir genug gesehen hätten, und so fragte ich Siggi, ob er die Pläne des Hotels hier habe oder wir in München bei der Immobilienverwaltung unser Glück versuchen sollten.

Er meinte, wir haben Kopien der Pläne hier, die er uns zur Verfügung stellen kann, damit wir über Unterlagen für die Architekten verfügen. Wir könnten die Unterlagen aber auch bei der Verwaltung anfordern, dort sollten sogar die Originale vorhanden sein. Ich betonte, dass uns Kopien ausreichen, da unsere Architekten im Zuge der Umplanung digitale Pläne erstellen werden, auf die dann sowohl die Verwaltung als auch das Hotel zugegreifen können.

Er ging kurz in sein Büro und nach wenigen Minuten erschien er mit einem Ordner, der sämtliche Pläne enthielt. Er meinte, den Ordner könne der Architekt behalten, er habe noch einen Satz Kopien, hier für alle Fälle.

Wir verabschiedeten uns und beim Hinausgehen versprach Siegfried, schon am nächsten Morgen einige Mitarbeiter zur eintägigen Besichtigung zu schicken, der zweite Teil sollte dann noch am Freitag folgen. „Für nächste Woche legen wir die Termine noch fest, wenn klar ist wann du mit den Architekten hierherkommst. Ich lege nämlich großen Wert darauf, dass du am Gutshof bist, wenn meine Mitarbeiter euch besuchen.“

Auf dem ersten Teil der Rückfahrt unterhielten wir uns über den Gesprächsverlauf und die Beobachtungen, die jeder von uns bei den Gesprächen oder beim Rundgang gemacht hatte. Felix meinte: „Am Anfang unseres Besuches und des Mitarbeitergespräches dachte ich wirklich, dass wir uns die Anreise hätten sparen können. Erst bei den Fragen und den gegebenen Antworten ging ein Ruck durch die Mitarbeiter und die Stimmung verbesserte sich. Mit deinem Vorschlag, sie sollten sich doch am Gutshof alles einmal anschauen und danach entscheiden, ob sie bei dem Neustart mit dabei sein wollen, hattest du die Meute endlich dort, wo du sie haben wolltest. Offen für neue Ideen und bereit dir eine Chance zu geben. Im Vergleich zu unserem Besuch vor einigen Tagen in der Immobilienverwaltung hattest du heute weitaus schlechtere Karten und trotzdem ist es dir geglückt die Mauer wenigstens teilweise einzureißen. Den Rest erledigt der Besuch am Gutshof, genau wie bei den Münchnern, da bin ich mir ziemlich sicher. Sie haben sogar den Vorteil, dass sie und ihre Familien nicht einmal umziehen müssen.“

Ludwig, der neben mir saß, hatte Felix’ Ausführungen mit einem erstaunten Gesicht vernommen und wollte von ihm wissen, wie er zu diesem Ergebnis gekommen sei. Bevor Felix ihm etwas antworten konnte, meinte ich, nur durch aktives Zuhören sei er zu seiner Beurteilung gekommen.

Felix lachte und erklärte Ludwig: „So pauschal ist das auch nicht zu beantworten, bei unserem Besuch in München hat Peter mich auf dem Rückweg das gleiche gefragt, nur konnte ich damals keine Bewertung abgeben. Er hat mir erklärt, wie wichtig es ist zu beobachten, wie deine Gegenüber auf Aussagen reagiert und dann sollte man daraus seine eigenen Schlüsse ziehen. Seit dieser Zeit beobachte ich jeden genauer, wenn ich mich mit ihm unterhalte, und die Erkenntnisse, die ich daraus gewinne, verwende ich, um seine Aussagen auf Nachhaltigkeit zu checken.“

Ludwig meinte: „Das muss ich mir merken, ich habe vielleicht nicht so gut beobachtet wie ihr, aber mir sind auch einige Dinge aufgefallen. Ein Beispiel, der plötzliche Sinneswandel der Küchencrew bei der Abstimmung kam erst, nachdem ihnen Hans so etwas wie ein geheimes Zeichen gegeben hat. Danach gingen plötzlich alle Hände nach oben, das ist scheinbar keinem von euch aufgefallen.“

Felix erklärte, dass ihm das nicht wirklich aufgefallen sei; er hätte sich nur gewundert, dass die Hände fast gleichzeitig nach oben gingen. Ich nutzte die Chance und erklärte den beiden Jungs: „Mir ist die geheime Botschaft ebenfalls aufgefallen, habe aber noch eine weitere Erkenntnis für euch. Ihr habt eben bewiesen, dass Zusammenarbeit in solchen Dingen sehr nützlich sein kann. Wenn mehrere Leute ihre teilweise unterschiedlichen Beobachtungen miteinander teilen, ergibt sich ein umfangreicheres Bild. Deswegen frage ich auch immer diejenigen, die mit dabei waren, nach ihren Beobachtungen um mein eigenes Bild zu vervollständigen.“

Wir hatten die Grenze kaum hinter uns gelassen als ich im Architekturbüro bei Jason anrief und anfragte, ob er in etwa einer Stunde mit Jennifer bei mir im Büro sein könne. Ich hätte einen wichtigen neuen Auftrag für ihn und das Architekturbüro. Jason sagte sofort zu und versprach pünktlich da zu sein. Danach rief ich im Büro bei Petra an und bat sie Marcus, Bernhard, Benjamin und Philipp ebenfalls zu diesem Termin um sechzehn Uhr im Besprechungsraum zu bitten.

Kurz vor sechzehn Uhr trafen wir auf dem Gutshof ein und ich ging zuerst in mein Büro. Felix und Ludwig wollten sich in ihre Büros verabschieden, ich bremste sie aus und meinte, „Euch will ich gleich genauso bei der Besprechung sehen. Soweit ich mich erinnern kann, seid ihr Mitarbeiter der Stiftung Sonneneck und das Hotel gehört zur Stiftung, also ist eure Anwesenheit erforderlich. Ihr könnt gleich mit Benjamin ins Besprechungszimmer gehen.“

Danach ging ich zu Petra und fragte sie ob heute etwas Besonderes gewesen sei. Sie berichtete: „Eigentlich war heute ein ruhiger Tag. Du wirst gesehen haben, dass das Zelt angeliefert wurde und die Truppe bereits mit dem Aufbau begonnen hat. Alejandro war mehrmals draußen und hat im Auftrag von Felix geprüft ob alles nach Plan läuft. Soweit ich bisher mitbekommen habe, gab es keine größeren Schwierigkeiten. Ansonsten waren verschiedene Anrufer, die ich alle auf morgen vertröstet habe. Die Anrufer habe ich alle auf einem Zettel notiert, der auf deinem Schreibtisch liegt.“

Ich ging in den Besprechungsraum, in welchem außer dem Architektenpaar bereits alle Mitarbeiter versammelt waren. Ich erklärte, dass wir noch kurz auf Jason und Jennifer warten, und dann gehe es auch gleich los. Falls die Mitarbeiter der IT sich wundern, warum sie zu dieser Besprechung eingeladen sind, ich kann euch vorweg bereits ankündigen, es gibt eine Menge Arbeit für euch und dazu werdet ihr nicht drumherum kommen, gelegentlich nach Österreich zu fahren.

In diesem Moment öffnete sich die Tür und Jason und Jennifer betraten den Raum. Ich begrüßte beide und bat sie Platz zu nehmen, damit wir mit unserer Besprechung beginnene können. Ich berichtet kurz von unserem Tagesausflug nach Österreich und den Verhältnissen, die wir dort vorgefunden haben. Danach bat ich Ludwig und Felix aus ihrer Sicht zu berichten. Sie erzählten kurz, welche Eindrücke sie am heutigen Tag gesammelt hatten.

Als die Beiden mit ihren Berichten geendet hatten, erklärte ich, dass wir das Gebäude kurzfristig renovieren müssen und in ein Landschulheim und Seminarzentrum in Österreich umbauen wollen, denn als Hotel, so wie es bisher betrieben wird, hat es keine Zukunft und müsste über kurz oder lang endgültig geschlossen werden.

„Wir haben hier einen kompletten Satz der Pläne des Hotels, die ich hiermit Jennifer und Jason überreiche, damit sie möglichst kurzfristig einen straffen Zeitplan für den Umbau erstellen. In der nächsten Woche fahren Jason und Jennifer mit mir nach Österreich, um sich selbst ein Bild von den Umbauarbeiten zu machen. Wir werden es einrichten wie das Gesindehaus, ansonsten brauchen wir eine neue Küche, die auch für Systemgastronomie geeignet ist.

Bei Bernhard brauche ich nicht lange erklären, warum er dabei ist: Die Dokumente rufen nach ihm. Philipp und Marcus, ihr dürft euch überlegen, wie wir das Hotel in unsere IT-Landschaft einbinden. Wir brauchen dort die gleiche Software für die Zimmerverwaltung die auch im Gesindehaus eingesetzt wird. Es sollte so funktionieren, dass wir, auch von hier aus, die Belegung der Zimmer mitplanen können und umgekehrt. Wenn österreichische Schulklassen in Bayern übernachten wollen und deutsche Schulklassen in Österreich, also am besten eine zentrale Reservierung und Buchung der Zimmer. Das sollten wir auch gleich beim Seminarhotel einplanen.“

Ich erklärte: „Ich will euch nicht länger aufhalten, es gibt viel zu tun und wer noch Fragen hat, der kann sich jederzeit an mich oder Ludwig wenden. Er wird in den nächsten Monaten der Ansprechpartner für dieses Projekt werden. Ab September, also nach dem Zeltlager wird, er von Felix dabei unterstützt. Benjamin übertrage ich die Verantwortung für das Projekt Umsiedlung der Immobilienverwaltung von München auf den Gutshof. Felix übernimmt auch hier die Rolle des Stellvertreters.“

Jason und Jennifer blieben noch im Besprechungsraum und erklärten, sie wollen sich noch mit mir kurz unterhalten. Als wir allein waren, erklärte mir Jason: „Mit dem kurzfristigen Auftrag bringst du unser Architekturbüro ganz schön an die Grenzen unserer Belastbarkeit. Könntest du dir vorstellen, dass wir in diesem Fall mit einem österreichischen Architektenkollegen zusammenarbeiten, der die Arbeiten vor Ort überwacht und der Teile der Planung übernimmt? Wir haben einen befreundeten Architekten in Innsbruck, mit dem mein Vater schon mehrere Male zusammengearbeitet hat. Wir hatten inzwischen auch ein gemeinsames Projekt, der Kunde war aus Österreich und wollte hier in der Nähe bauen, also haben wir die Bauleitung übernommen. Wir haben die Kontakte zu den Genehmigungsbehörden hergestellt. Ich kann heute noch mit ihm telefonieren, nachdem ich mir die Pläne etwas genauer angeschaut habe. Ich würde ihn nächste Woche gerne mitnehmen, falls er den Auftrag annehmen kann. Er hat gute Kontakte zu Handwerkern gerade in diesem Raum und gelegentlich, gerade für spezielle handwerkliche Tätigkeiten, konnte er uns zuverlässige Handwerker aus Österreich besorgen.“

Ich hatte mir seine Ausführungen angehört und meinte: „Ich habe kein Problem wenn du mit einem österreichischen Kollegen zusammenarbeitest, der die Bauleitung vor Ort übernimmt mit entsprechenden Beziehungen zu den Handwerkern. Im Hotel haben wir mit den Mitarbeitern gesprochen und sie sollen uns Vorschläge machen, welche regionalen Handwerker sie empfehlen können in punkto Zuverlässigkeit und korrekter Arbeit. Der Umbau soll spätestens im September beginnen und vor Weihnachten abgeschlossen sein, das kannst du deinem Kollegen gleich als Information mitgeben, wenn du ihm den Auftrag anbietest.“

Jennifer schaute mich an und meinte: „Du hast das wirklich ernst gemeint mit kurzfristig umbauen. Bist du dir sicher, dass wir den Umbau in so kurzer Zeit über die Bühne ziehen können?“

Ich schaute sie an und erklärte ihnen: „Nach dem derzeitigen Stand gibt es so gut wie keine Übernachtungen in den nächsten Monaten. Mit den fixen Kosten geht es an die Substanz und wenn wir nicht sofort eingreifen, wird die Hotelbetriebsgesellschaft in einigen Monaten Konkurs anmelden müssen. Da die Hotelbetriebsgesellschaft im Vermögen der Stiftung steht, muss ich alles Menschen mögliche unternehmen, um eine drohende Insolvenz abzuwenden. Je früher wir mit der Renovierung und Sanierung beginnen, desto geringer ist der Aufwand, den wir für den laufenden Unterhalt benötigen, da früher wiedereröffnet werden kann als weiteres Landschulheim der Stiftung. Gerade die ersten drei Monate im kommenden Jahr sind hervorragend geeignet das Landschulheim für Skifreizeiten von Schulen zu verwenden und um damit bereits eine gewisse Grundauslastung zu erzielen. Ich würde sagen, schaut euch erst einmal die Pläne und die Räumlichkeiten vor Ort an. Ich denke, der eng gesteckte Zeitrahmen ist mit guten Handwerkern im Bereich des Möglichen.“

Jennifer und Jason verabschiedeten sich und sagten beim Hinausgehen, wir melden uns morgen Nachmittag, wenn wir uns die Unterlagen genauer angeschaut haben und ein erstes Gespräch mit unserem Kollegen geführt haben.

Petra saß noch in ihrem Büro, als ich in mein Büro zurückkam. Sie meinte: „Inzwischen sind noch einmal zwei Anrufe hereingekommen. Michael sagte, dass es dringend sei und du dich doch bitte bei ihm sofort melden solltest, wenn du aus der Besprechung zurück bist. Dann war da noch Manuel. Er besuche dich mit Daniel heute Abend privat und klärt dann alles mit dir.“

In meinem Büro telefonierte ich kurz mit Michael, der sagte, er komme sofort in mein Büro, das wolle ich nicht am Telefon mit mir besprechen. Er legte auf und ich warte auf ihn. Nach drei Minuten stand er in meinem Büro und ich wollte wissen, warum er mich so dringend persönlich sprechen wollte. Er setzt sich mir gegenüber und sagte: „Wir haben seit heute Nachmittag ein großes Problem. Barbara rief mich an und berichtete mir, dass ihnen beim Jugendamt ein riesiger Fehler unterlaufen sei. Sie hätten eine Gruppe, die sich angemeldet hatte, komplett übersehen und uns auch nicht die Daten übermittelt. Dummerweise hatten sie ihren Kollegen sogar bereits eine Zusage geschickt. Die Kollegen hätten sich heute beim Jugendamt gemeldet, da sie am Startwochenende bereits anreisen wollten und die Eintreffzeit zu klären.“

Ich schaute ihn an und meinte: „Das ist ärgerlich. Wenn wir jetzt absagen hat das negative Auswirkungen, die wir nicht einmal zu vertreten haben. Am besten wir holen Felix dazu. Vielleicht sieht der noch eine Möglichkeit, wie wir die Gruppe unterbringen.“ Ich telefonierte kurz mit Felix und bat ihn in mein Büro zu kommen, wir hätten ein kleines Problem zu lösen.

Er kam in mein Büro und Michael erklärte ihm kurz in welchem Debakel wir stecken, wegen des Fehlers beim Jugendamt. Felix überlegte kurz, dann meinte er: „Wäre der Fehler früher aufgefallen, dann hätte ich den Jungs vom THW in Thüringen keine Zusage für diese zwei Wochen gegeben, immerhin habe ich ihnen erst vorgestern zugesagt. Dreißig Leute mehr, dann überschreiten wir die Obergrenze von Peter, Vor allem fehlen uns dazu auch die Schlafplätze. Die einzige Idee die ich noch habe, wir schicken die ganze Gruppe weiter nach Österreich ins Hotel. Hat nur den Nachteil, dass dort die Organisation noch nicht steht und vor allem, wer übernimmt die höheren Kosten?“

Ich schaute Felix an: „Warum nicht, das mit den Kosten lässt sich sicher irgendwie regeln. Bevor wir das zusagen, sollten wir aber mit dem Hotelmanager reden und du, Felix, solltest überlegen, ob wir Dennis für ein paar Tage entbehren können und ihn nach Österreich mitschicken können. Frage ihn kurz, ob er sich das zutrauen würde.“

Während er mit Dennis telefonierte wollte ich von Michael wissen, wie er zu Felix Idee steht. Er grinste und meinte: „Da wächst ein zweiter Peter heran, der in fast ausweglosen Situationen immer noch eine Lösung aus der Tasche zieht. Hattest du auch schon über so eine Lösung nachgedacht?“

Ehrlich, wie ich nun einmal bin, erklärte ich ihm: „Nein, ich habe eher darüber nachgedacht, ob wir umschichten können und eine kleinere Gruppe ins Gesindehaus packen und die große Gruppe im Zeltlager unterbringen. Auf die Idee können wir immer noch zurückgreifen, wenn es mit Felix’ Idee nichts wird.“

Felix hatte sein Gespräch beendet und meinte Dennis wäre bereit die Gruppe und die Mitarbeiter im Hotel in den ersten Tagen zu begleiten. Immerhin könne er dann in einem Hotel in Österreich für ein paar Tage schon Erfahrungen sammeln.

Eine Hürde war damit genommen. Ich bat Michael kurz mit Barbara Kontakt aufzunehmen und nachzufragen, ob sie sich mit dieser Lösung anfreunden könne. Während er telefonierte, rief ich im Hotel an und fragte nach, ob der Hotelmanager Siggi noch im Hause wäre.

Ich wurde sofort mit ihm verbunden und erzählte ihm unser Attentat auf sein Hotel. Es dauerte lange bevor er mir antwortete: „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich sehe es als eine Chance an, dass wir so einen ersten Testlauf machen und sehen, was in Zukunft auf unsere Mitarbeiter zukommt. Du willst euren Auszubildenden mitschicken, der uns in den ersten Tagen unterstützen soll, weil er mit eurem Konzept bereits vertraut ist. Das wäre nicht schlecht. Wir sollten morgen weiterreden, wenn von eurer Seite alles geklärt ist. Wir sind auf alle Fälle bereit.“

Michael telefonierte noch immer mit Barbara. Entweder bedeutete das nichts Gutes oder Barbara kämpfte noch mit dem Angebot, die Kinder und Jugendlichen nach Österreich zu verschieben. Nach kurzer Zeit beendete Barbara das Gespräch und Michael verabschiedete sich mit den Worten „Bis nachher, viel Glück.“

Er erzählte uns, dass Barbara jetzt mit ihrem Kollegen in Thüringen spricht und ihm erklärt, dass in ihrem Haus die Anmeldung der Thüringer Gruppe untergegangen sei und wenn sie sich jetzt nicht bei ihr gemeldet hätten, wäre das am nächsten Wochenende eine böse Überraschung geworden. Sie hatte gehofft, dass wir ihr noch Plätze im Camp anbieten könnten. Jetzt müsse sie ihnen eben die Alternative Österreich schmackhaft machen.

Ich schaute Michael an und meinte: „Zukünftig laufen die Anmeldungen direkt über uns, beziehungsweise über unser System, damit so etwas nicht mehr vorkommen wird. Sie hat uns mit ihrer Sorglosigkeit das Chaos beschert und in diesem Fall soll sie ruhig die Kohlen aus dem Feuer holen. Je mehr ich darüber nachdenke, Felix’ Vorschlag mit unserem neuen Hotel in Österreich gefällt mir immer besser. Auch Siegfried, der Manager, hat nach langem Überlegen dem Vorschlag zugestimmt. Für ihn ist das zweiwöchige Experiment eine gute Erfahrung für ihn und seine Mitarbeiter, was sie zukünftig erwarten wird. Noch ist es nicht renoviert. Sollte es doch zu Schwierigkeiten kommen können wir immer noch umdenken. Für uns ist das auch ein Test.“

Felix grinste und meinte zu mir: “Wenn ich gewollt hätte, ich hätte die Thüringer vermutlich noch irgendwie unterbringen können. Aber ich dachte in dem Moment an die Mitarbeiter, die ich heute kennengelernt habe und für die es sicher eine gute Erfahrung sein könnte, wenn sie wissen, wie das mit so vielen jugendlichen Gästen aussieht.“

Wir unterhielten uns noch eine Weile, bis Barbara zurückrief. Michael nahm ihren Anruf entgegen und als sie sich meldete, meinte er, er gehe auf Lautsprecher, dann können Peter und Felix gleich mithören: „Hallo Peter, hallo Felix, ich möchte mich erst noch einmal dafür entschuldigen, dass wir hier im Jugendamt das Chaos veranstaltet haben. Ich habe inzwischen einige Gespräche mit den Mitarbeitern der Thüringer Jugendämter geführt, konnte aber alle letztendlich davon überzeugen, mit ihren Kindern in das zusätzliche Jugendhotel in Österreich zu gehen. Wir übernehmen die zusätzlichen Kosten für den Bus. Ich hoffe, eure Preise gelten auch für Österreich.“

Ich erwiderte Barbara: „Für die Preise garantiere ich. Wenn es teurer werden sollte übernimmt die Stiftung den Mehraufwand. Was mich mehr interessieren würde, habt ihr weitere Leichen im Keller, die in den nächsten Wochen für zusätzliche Schwierigkeiten sorgen könnten. Bitte prüft umgehend, ob ihr noch irgendwo Zusagen gemacht habt, damit wir dafür noch Lösungen erarbeiten können.

Das Hotel in Österreich wird in den nächsten Monaten umgebaut, wenn die Pläne dafür fertig sind. Nach dem Umbau werden wir ab nächstes Jahr dort ebenfalls offiziell Plätze im Programm für benachteiligte Kinder und Jugendlichen anbieten. Das Hotel wird unser zweiter Standort, der nach dem Prinzip Gesindehaus etabliert wird und erhält die gleichen Funktionen, also Landschulheim, Seminarhotel für die Jugend sowie in den Ferien für benachteiligte Kinder und Jugendliche.“

Barbara meinte zu uns: „Ich werde noch einmal alles auf den Kopf stellen, ich hoffe, dass mir nicht ein weiterer Lapsus unterlaufen ist. Vor allem meine Mails werde ich noch einmal prüfen. Ich sage euch morgen endgültig, ob ich noch eine Leiche im Keller finde.“

Felix meinte zu Barbara: „Dann wollen wir hoffen, dass nichts mehr nachkommt, so langsam gehen uns die Möglichkeiten aus noch irgend jemanden unterzubringen.“

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