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Regenbogenfamilie

Kapitel 15 - Gartenarbeit und Krankenbesuche

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Am nächsten Morgen war ich scheinbar wieder einmal der erste, der auf­gewacht ist. Nach einem erfolglosen Kampf mit mir selbst entschloss ich mich doch aufzu­stehen und das Frühstück für alle vorzubereiten. Auf dem Weg nach unten merkte ich, dass es im ganzen Haus wirklich noch komplett ruhig war, selbst bei meiner Mutter war noch nichts zu hören.

In der Küche setzte ich als erstes den Kaffee auf, danach legte ich die Aufbackbrötchen, die Marcus und Philipp gestern eingekauft hatten, in den Backofen. Während also in der Küche bereits die Bröt­chen aufgebacken wurden und der Kaffee durch die Maschine lief, deckte ich im Ess­zimmer den Tisch für fünf Personen. Aus der Küche holte ich noch Butter, Margarine, Milch, Wurst und Käse sowie Marmelade und Honig.

Inzwischen waren die Brötchen fertig, ich brachte sie ebenfalls ins Esszimmer. Da jetzt alles fertig war für ein gemeinsames Frühstück ging ich wieder nach oben in unser Schlafzimmer, um meinen Schatz Thomas zu wecken.

Im Flur des Obergeschosses lief mir dann als Erster mein Sohn Philipp über den Weg, der aus dem Badezimmer kam und zu seinem Marcus wollte. Ich sagte ihm, dass sie beide aufstehen sollten, unten erwarte sie bereits ein gedeckter Frühstückstisch. Er meinte: „Gib uns zehn Minuten, dann sitzen wir am Frühstücks­tisch.“ – „Ach, könnt ihr, wenn ihr runter kommt, auch gleich noch Oma aufwecken, sofern sie bis dahin nicht selbst wach geworden ist?“

Ich eilte weiter in unser gemeinsames Schlafzimmer und wollte Thomas aufwecken, als ich jedoch die Tür öffnete, stand er bereits vor dem Bett, grinste mich frech an und empfing mich mit den Worten: „Na, endlich fertig mit dem Frühstück oder brauchst du noch Hilfe?“ Schlagfertig, wie ich nun manchmal bin, antwortete ich ihm: „Wie, Frühstück, wer braucht denn sowas, wenn ich etwas ganz anderes zum Ver­naschen habe.“

Jetzt war es an Thomas, mich komisch anzuschauen, der Satz hatte also gesessen. Ich ergänzte meine Aussage mit: „Aber wenn dir Früh­stück lieber ist, dann solltest du schnell sein, bevor alles aufge­gessen ist.“ Daraufhin meinte Thomas nur: „Dann lass uns mal schnell sein, bevor wirklich nichts mehr übrig ist.“

Gut fünf Minuten später waren wir wieder auf dem Weg nach unten. Marcus und Philipp trafen wir auf dem Weg zu Oma, um sie aufzuwecken und zum Frühstück einzuladen.

Ich holte noch den Kaffee aus der Küche, stellte ihn auf den Esstisch und setzte mich zu Thomas. Kaum hatte ich mich ruhig hingesetzt, erschienen schon die beiden Jungs im Esszimmer und verkündeten, dass Oma auch in wenigen Minuten da sein werde. Wir warteten deshalb noch auf Oma und gemein­sam frühstückten wir ruhig und ausgiebig.

Bevor wir den Tisch wieder abräumen wollten, meint ich: „Wir sollten für den heutigen Tag einen Plan machen. Wer fährt heute Vormittag zu Opa ins Krankenhaus? Die anderen besuchen ihn dann am Nachmittag. Diejenigen, die zurück bleiben, können schon im Garten anfangen und den Rasen mähen oder die Bäume und Sträu­cher zuschneiden.“

Der Freund meines Sohnes Philipp meinte frech: „Dann sollten wir Jungs mit Oma am Vormittag zu Opa ins Krankenhaus fahren und du, Papa, besuchst ihn mit Thomas am Nachmittag.“

Ich sah Marcus an und fragte: „Wieso?!

Marcus grinste mich an und antwortete frech: „Nachdem du dich deinem Mindest­haltbarkeitsdatum immer mehr annäherst, dürfte es für dich und Thomas leichter sein, wenn ihr vormittags bei noch ange­nehmen Temperaturen die Gartenarbeit erledigt, besser als in der Nachmittags­hitze. Oma kann sich dann ausruhen, während wir am Nach­mittag weiterarbeiten im Garten.“

Fragend schaute ich zu meiner Mutter und wollte von ihr wissen, was sie von dem Vorschlag hält. Sie überlegte kurz und antwortete: „Meinet­wegen können wir es so machen.“

Jetzt meldete sich Thomas und meinte: „Warum nicht, ist doch egal, ob wir am Vormittag oder am Nachmittag im Garten arbeiten. Ich fände es für uns auf alle Fälle angenehmer, wenn wir den noch kühleren Teil des Tages nutzen, um im Garten für Ordnung zu sorgen.“

Damit war klar, dass ich keinerlei Einwände mehr einzubringen brauchte, sie waren in der Überzahl, die Befürworter des Vorschlags von Marcus. Philipp hatte sich zwar noch nicht geäußert, aber von der Seite hatte ich sicher auch keine Unterstützung zu erwarten. So sagte ich dann nur noch: „Gut, dann machen wir es für heute so, aber morgen werden wir dann das Ganze umdrehen und Thomas und ich fahren bereits vormittags zu meinem Vater.“

Die Jungs fingen nun an, hektisch den Frühstückstisch abzuräumen, während ich mit meiner Mutter versuchte zu klären, was aus ihrer Sicht am vordringlichsten zu erledigen sei. Wer weiß, wieviel Tage uns noch verblieben, hier etwas zu erledigen, bevor wir wie­der nach Hause zurückfliegen mussten. Ich fragte Sie außerdem: „Was soll mit der Finca werden, wenn du, mit oder ohne Vater, wieder nach Deutsch­land zurückkehren solltest“?

Sie überlegte eine ganze Weile, bevor sie sich zu einer Antwort durchgerungen hatte und mir antwortete: „Vater und ich hatten uns gedacht, dass wir das Haus auf Mallorca auf alle Fälle behalten sollten, damit die Familie es immer wieder als Feriendomizil nutzen könne. Klar würde es damit die längste Zeit des Jahres leerstehen und wir bräuchten jemand, der in dieser Zeit immer wieder nach dem Rechten sehen könnte.“

So ähnlich hatte ich mir das schon gedacht und so überraschte mich ihr Vorschlag zumindest nicht. Diesmal war es Thomas, der meinte: „Wenn das so sein soll, dann sollten wir uns schon jetzt darum kümmern, wer hier während unserer Abwesenheit nach dem Rechten sieht. Ich hätte da aber noch eine bessere Idee, damit das Haus nicht immer nur leer steht, könnte man es doch in der von der Familie ungenutzten Zeit eventuell an Urlauber vermieten.“

Es dauerte eine ganze Ewigkeit, bis ich mit meinen Überlegungen herausplatzte: „Euch ist aber schon klar, dass damit eine Menge Arbeit auf uns zukommen wird. Wir müssten uns ständig um die Vermietung kümm­ern und das wird nicht so ganz einfach zu bewerkstelligen sein. Außerdem bringt die Ver­mietung eine Verpflichtung, eine eigene Buchhaltung zu erstellen, und jährlich zu erstellende spanische Steuererklärung mit sich. Vor allem, wer von uns hat schon eine Ahnung davon, was sonst noch alles zu beachten ist, wenn wir die Finca laufend an Touristen vermieten wollen.“

Am Tisch war es still geworden während meiner Ausführungen. Marcus und Philipp hatten sich, nachdem sie den Tisch abgeräumt hatten, wieder zu uns gesetzt. Sie hatten alles mitbekommen und dach­ten ebenso wie meine Mutter und Thomas über das Gesagte nach.

Die erste, die sich dann meldete, war Mutter, sie sagte: „Darüber haben Vater und ich eigentlich nie nachgedacht, auch nicht, als wir den Wunsch hatten nach Deutschland zurückzukehren. Wir wollten die Finca zwar behalten, damit unsere Kinder auch zukünftig ihren Urlaub hier auf der Insel verbringen können. Wenn ich es mir aber so überlege, ist die Idee nicht einmal die schlechteste, denn dann würde das Haus nicht monatelang leer stehen und die anfallenden laufenden Kosten könnten durch die Mieteinnahmen ganz oder zumindest zu einem größeren Teil gedeckt werden. Wir sollten vielleicht auch mit Walter über diese Möglichkeit sprechen, vielleicht hat er eine Idee, wen wir vor Ort an­sprechen können, um Thomas' Vorschlag umzusetzen. Vater hat eine Menge Kontakte hier auf der Insel, vielleicht kennt er einen verlässlichen Partner.“

Danach waren wir alle wieder still und jeder überlegte, was er dazu beitragen könnte. Nachdem keiner etwas sagte, meinte meine Mutter: „Ich fahre jetzt mit den Jungs in Krankenhaus zu Walter und werde ihm über unsere Überlegungen berichten und ihn fragen, was denn seine Meinung dazu sei. Philipp und Marcus, auf geht’s. Peter und Thomas können sofort mit dem Garten anfangen und später für Mittag eine Kleinigkeit zum Essen vorbereiten.“

Marcus, Philipp und meine Mutter machten sich auf den Weg ins Krankenhaus, während Thomas und ich erstmal im Garten sichteten, was alles erledigt werden muss. Sicher, zum einen muss der Rasen gemäht werden, aber auch an den Büschen und an der Hecke wäre einiges zu tun. Wir einigten uns darauf, als erstes mit der Hecke zu beginnen, da dies in der prallen Mittagsonne am wenigsten auszuhalten ist. Thomas holte sich die große elektrische Hecken­schere von Vater, die Kabeltrommel mit dem langen Verlängerungskabel und begann in der Einfahrt mit dem Zurecht­schneiden der Hecke.

In der Zwischenzeit holte ich mir die Transportsäcke für die Gartenabfälle, die seit einigen Jahren in der Garage aufbewahrt wurden. Mit Gartenhandschuhen machte ich mich daran, die von Thomas abgeschnittenen Teile der Hecke einzu­sammeln und in die Säcke zu werfen. Mit einem Gartenbesen kehrte ich die kleineren Teile auf einen Haufen, um diese dann mit einer Schaufel in die Gartenabfallsäcke zu werfen.

Nach einer Stunde fragte mich Thomas, ob wir nicht eine erste kurze Pause einlegen könnten, er könne dringend etwas zum Trinken vertragen. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden und meinte nur: „Holst du uns kurz etwas zum Trinken und ich räume hier in der Zwischenzeit noch weiter auf, damit wir anschließend die schon vollen Säcke zum Komposthaufen, im hinteren Teil des Gartens schleppen können.“

Thomas ging ins Haus und kam nach wenigen Minuten mit einer vollen Flasche Wasser zurück. Er sagte zu mir: „Trink du mal schön, ich habe mir bereits ein Glas Wasser in der Küche genehmigt.“

Ich setzte mich im Schatten auf den Boden, ließ mir von Thomas die Flasche reichen und genehmigte mir einen ersten großen Schluck. Thomas hatte sich zwischenzeitlich neben mich gesetzt, ich gab ihm das Wasser und er trank ebenfalls etwas. Er fragte mich: „Willst du wirklich die Finca ständig neu ver­mieten, wenn deine Eltern, bezie­hungsweise deine Mutter dauerhaft nach Deutsch­­land zurückkommt?“

„Warum nicht“, meinte ich und redete weiter: „Bevor das Haus die längste Zeit des Jahres leer steht, können wir es auch vermieten. Auch wenn wir das nicht machen, brauchen wir trotzdem auf alle Fälle jemanden, der sich das ganze Jahr um die Finca kümmert. Willst du etwa alle paar Wochen hierherfliegen und nachschauen, ob noch alles in Ordnung ist, und dich mit Gartenarbeit oder notwendigen Reparaturen herumschlagen? Die dadurch notwendigen regel­mäßigen Flüge auf die Insel kosten wahrscheinlich genausoviel oder sogar mehr, wie wenn wir jemanden mit diesen Arbeiten direkt vor Ort beschäftigen.“

Nachdem Thomas darüber nachgedacht hatte, sagte er zu mir: „Ich denke, du hast Recht, wir beide werden auch nicht jünger und regelmäßig hierher zu fliegen und nach dem Rechten zu sehen ist sicher auch keine dauerhafte und sinnvolle Lösung. Wir sollten nur darauf achten, dass, wenn die Familie hier Urlaub machen will, das Haus nicht gleichzeitig vermietet ist.“

„Das sollten wir eigentlich schaffen, wir brauchen doch nur recht­zeitig bekannt zu geben, wann die Familie das Haus nützen will und es somit nicht vermietet werden kann“, antwortete ich ihm. „Das gilt natürlich auch für meine Geschwister, die sicher weiterhin das Haus auf Mallorca für ihren Urlaub nutzen wollen.“

Nach einer Weile fuhr ich fort: „Mit der Vermietung kommt auch etwas Geld in die Kasse und die Kosten für das Haus wären nicht nur von mir und meinen Geschwistern zu bezahlen, sondern hilft uns das Ganze dauerhaft vernünftig zu finanzieren. Wir sollten das, wenn möglich, gleich heute Nachmittag mit meinem Vater in dieser Form besprechen und vielleicht hat er dazu eine eigene Meinung. Ich kann nur darauf hoffen, dass er jemanden kennt, der sich ums Haus und die Vermietung kümmern kann.“

„So langsam sollten wir unsere Pause beenden und weiter­machen“, meinte Thomas, „sonst denken deine Mutter und die beiden Jungs, wir hätten gar nichts erledigt heute Vormittag.“

Wir rafften uns auf und machten dort weiter, wo wir vor der Pause alles liegen und stehen gelassen hatten. Während ich jetzt die Hecke zurechtstutzte, schleppte Thomas die ersten Abfallsäcke zum Kompost­haufen und leerte sie dort. Zwischenzeitlich sammelte er wieder den Schnitt ein und füllte die Gartenabfallsäcke erneut.

Die Einfahrt hatten wir nach kurzer Zeit fertig und so räumten wir zusammen die restlichen Gartenabfälle beiseite und säuberten die Zufahrt zum Haus. Ich meinte zu Thomas: „Ich denke, wir sollten dann lang­sam anfangen uns ums Mittagessen zu kümmern, die drei werden wohl in Kürze wieder aus dem Krankenhaus zurück sein.“

Wir räumten alle Maschinen und die Säcke wieder auf und gingen zurück ins Haus. Thomas ging sofort duschen und ich fing in der Küche an, das Essen für heute Mittag vorzubereiten. Als er mit dem Duschen fertig war, wechselten wir, ich ab in die Dusche und Thomas machte dort weiter, wo ich bei der Zubereitung des Mittagessens unter­brochen wurde.

Noch während ich unter der Dusche stand, hört ich, dass Mutter und die beiden Jungs, Philipp und Marcus, vom Krankenhaus zurück­kamen.

Mit frischer Kleidung machte ich mich auf den Weg nach unten, wo ich die vier bereits am Esstisch auf der Terrasse vorfand. Ich setzte mich zu ihnen. Thomas erzähle meiner Mutter und den Jungs gerade, was wir vormittags erledigt hatten und was wir in unserer kurzen Pause besprochen hatten. Da es nur kaltes Mittagessen gab, war es kein Problem, als das Gespräch doch etwas länger dauerte als vielleicht gedacht.

„Ich finde die Idee, mit Vater darüber zu sprechen, hervor­ragend“, meinte meine Mutter, nachdem Thomas mit seinen Erläu­terungen geendet hatte.

Die nächste halbe Stunde widmeten wir uns dann doch aus­schließlich unserem Mittagessen. Es wurden zwar immer wieder dazwischen auch Dinge besprochen, aber das Thema Vermietung blieb bei den weiteren Gesprächen zur Abwechselung außen vor.

Kaum waren wir mit dem Essen fertig, erklärte meine Mutter, dass sie sich jetzt wieder, wie bereits üblich, hinlegen und ein wenig ausruhen werde. Die Jungs trugen Besteck, die Teller und Gläser in die Küche. Ebenso wurde das übrig gebliebene Essen in den Kühlschrank gestellt.

Wir unterhielten uns noch einige Zeit weiter mit den Jungs und so ganz nebenbei fragte ich auch, wie es denn Vater heute gehe. Philipp meinte nur: „Heute konn­ten wir uns sehr gut mit Opa unterhalten, er ist zwar nach einiger Zeit wieder einmal eingeschlafen, aber das eine andere konnten Oma und wir schon mit ihm besprechen und klären.“

„Ich bin mir inzwischen nicht mehr so sicher, ob ich das weiterhin schaffen werde, jeden Tag zu Opa ins Krankenhaus zu fahren“, fuhr er fort und meinte ergänzend: „Zumindest ver­stehe ich jetzt endgültig, warum Opa und Oma von sich aus keine lebens­ver­längernden Maß­nahmen wollen.“

Thomas schaute zuerst mich, danach wir beide Philipp an. Thomas fragte ihn: „Wieso hast du deine Meinung zu diesem Thema jetzt doch so schnell geändert, gestern warst du doch noch voll der gegen­sätzlichen Meinung.“

Wir blickten jetzt alle auf Philipp und es dauerte doch eine kurze Zeit, bis er uns endlich antwortete: „Ich habe seit unserem gestrigen Gespräch lange nachgedacht und heute Vormittag im Kranken­haus ist mir klargeworden, dass Opa und Oma mit ihrer Entscheidung richtig gehandelt haben. Ich habe mir dabei auch vorgestellt, wie es wäre, wenn ich im Krankenhaus liegen würde und ihr mich jeden Tag besuchen würdet, obwohl allen klar ist, dass ich nie wieder gesund­werden würde.

Mit den zwanghaften lebensver­längernden Maß­nahmen wäre nur eine Verschiebung des Unausweichlichen gegeben, für alle Beteiligten im Grunde genommen eine Quälerei. Ich habe mir auch vor Augen geführt, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich Mutter noch jahrelang täglich im Krankenhaus besucht hätte, nie mit ihr reden oder ihre Zärtlichkeiten genießen könnte. Als ich Opa heute so im Bett liegen sah, wusste ich, dass das Loslassen mit zum Leben gehört, auch wenn es einem manchmal schwerfällt.“

Als Philipp geendet hatte, war es ruhig geblieben, keiner von uns sagte etwas dazu. Marcus sah seinen Philipp an und fragte ihn: „Willst du damit jetzt bedeuten, dass du ab sofort auch gegen unnötige und quälende lebens­ver­längernde Maßnahmen bist und die Entscheidungen, die wir bereits getroffen haben, akzeptierst?“

Philipp schaute ihn an und antwortete: „Ja, ich akzeptiere eure Ent­scheidung und werde mich im Notfall entsprechend ver­halten, aber auch für mich gilt ab sofort, keine unnötige Quälerei, wenn ich jemals in eine solche Situation kommen sollte. Ich hoffe zwar, dass dieser Fall nie eintreten möge, aber man kann schließlich nie wissen, welche Überraschung das Leben für einen auf Lager hat.“

Nachdem der Punkt nun endlich als erledigt zu betrachten war, erklärten wir dann unseren Jungs, was sie wäh­rend unserer Abwesenheit erledigen könnten. Philipp meinte: „Es wäre vielleicht eine gute Idee, wenn wir eine Liste mit den gesamten Aufgaben erstellen würden und alles, was erledigt ist, wird aus der Liste gestrichen. So verliert man auch nicht den Überblick über die noch unerledigten Aufgaben.“

Marcus stand auf und holte aus der Küche einen großen Block und einen Stift zum Schreiben. Gemeinsam gestal­teten wir die Liste und schrieben alles auf, was uns in diesem Moment einfiel oder was mit meiner Mutter bereits besprochen war. Fairerweise nahmen wir auch die Aufgabe in die Liste mit auf, die bereits von mir und Thomas am Vormittag erledigt wurde, und kenn­zeichneten sie entsprechend.

Wir vereinbarten, sofern uns noch zusätzliche Aufgaben einfielen, diese nachträglich in die Liste mit aufzunehmen. Bei teilweiser Erledigung der Aufgabe werden ergänzende Hinweise dazu einge­tragen.

Als Marcus die Liste in die Küche bringen wollte, um sie dort aufzu­hängen, stoppte ich ihn und bat ihn, noch weitere Punkte aufzu­nehmen, die mir in diesem Moment einge­fallen sind.

Thomas fragte uns: „Wieso haben wir jetzt dafür eigentlich eine Papierliste er­stellt, wir hätten die Aufgaben doch auch problemlos in den Familien­aufgabenplaner auf unsere Handys packen können, dort wäre es für jeden von uns einfacher Ergänzungen vorzunehmen und vor allem hätte jeder immer den aktuellen Stand auf Abruf.“

Der Vorschlag gefiel mir nur teilweise, ich wollte grundsätzlich nicht, dass diese Aufgabenpunkte in unserem von der ganzen Familie genutzte Familienplaner zu sehen sind. Ich schlug deshalb vor, dafür eine eigene Liste Mallorca-Aufgaben anzulegen, die dann nur von uns vieren benutzt wird. Diesem Änderungsvorschlag stimmten alle zu, Philipp erklärte, er werde das sofort organisieren und einrichten und uns jeweils eine Einladung zu der Aufgabenliste per E-Mail zukommen lassen.

Nachdem alles geklärt war, gingen Thomas und ich sofort nach oben, um uns für den Krankenbesuch bei meinem Vater umzuziehen. Wir verab­schiedeten uns noch von den beiden Jungs und Thomas meinte noch: „Lasst Großmutter einfach schlafen, sie braucht die Erholung, um Kraft für die kom­menden Aufgaben zu tanken.“

Auf dem Weg ins Krankenhaus saß ich wieder einmal auf dem Beifahrersitz und hatte die Gelegenheit, erneut meinen Gedanken und Erinnerungen freien Lauf zu lassen. Diesmal ging es weit zurück in meiner Kindheit. Ich erinnerte mich daran, als ich als kleiner Junge für einige Tage im Kran­kenhaus lag mit einer Blinddarm­operation. Meine Mutter war täglich bei mir am Krankenbett, sehr oft wurde sie auch von meinen beiden Geschwistern begleitet.

Vater war nur am Wochenende bei mir im Krankenhaus, um mich zu besuchen, er kam mit der ganzen Familie, sogar Oma und Opa waren mit dabei. Ich erinnere mich immer noch, dass es damals ziemlich laut in unserem Krankenzimmer war, da die beiden anderen Jungs, die mit mir im Zimmer lagen, an den Sonntagen ebenfalls großen Familienbesuch hatten.

Soweit ich mich ebenfalls noch erinnern kann, hatte einer der beiden ein gebrochenes Bein und der andere hatte eine Mandeloperation hinter sich. Wenn wir allein waren, hatten wir eine Menge Spaß und ärger­ten so manches Mal die Krankenschwestern und Pfleger. Aber auch sonst hatten wir uns gut verstanden und die diversen Karten­spiele, die uns die Eltern mitgebracht hatten, wurden ausgiebig benutzt.

In der darauffolgenden Woche wurde ich wieder entlassen, ebenso der Junge mit der Mandeloperation. Nur der mit dem gebrochenen Bein musste noch ein paar Tage länger im Krankenhaus bleiben. Wir hatten zwar vereinbart, nach unserer Entlassung aus dem Krankenhaus in Verbindung zu bleiben, aber es kam nie dazu.

Inzwischen waren wir am Krankenhaus angekommen, wir stiegen aus dem Auto, als Thomas mich fragte: „Was war das jetzt wieder während der Fahrt?“ Ich antwortet: „Nichts Besonderes, mir kam nur gerade mein Kranken­haus­auf­enthalt als kleines Kind in den Sinn.“

Wir betraten das Krankenhaus und gingen ins Stations­zimmer, wo wir die diensthabende Schwester antrafen, von der wir wissen wollten, wie es denn meinem Vater gehe. Sie erklärte uns, dass derzeit alles in Ordnung mit ihm sei, er aber immer noch viel Ruhe benötige.

Beim Eintreten in Vaters Krankenzimmer fiel mir sofort auf, dass er diesmal nicht schlief, sondern bereits hellwach in seinem Bett lag.

Wir begrüßten beide meinen Vater, ich gab ihm sogar einen Kuss auf die Stirn, was er früher, als wir klein waren, des Öfteren mit uns Kindern gemacht hatte.

Da ich wusste, dass Mutter heute Vormittag schon diverse Dinge mit ihm besprochen und abgeklärt hatte, fragte ich ihn direkt, was er von diesen Angelegenheiten halten würde.

Er antwortete mir: „Wenn du wissen willst, wie ich zu euren Über­legungen hinsichtlich einer Vermietung der Finca beziehungs­weise der Ein­stellung eines Verwalters denke, ist meine Antwort nicht ganz einfach. Ich habe über Mittag immer wieder nachgedacht und bin zu folgender Einsicht gekommen: Wenn wir nach Deutsch­land zurückkehren oder Mutter allein zurückgeht, ist es sicher sinnvoll, einen Verwalter ein­zu­setzen. Das hatte ich auch schon so im Hinterkopf, aber über eine Vermietung der Finca an Urlauber hatte ich bisher überhaupt nicht nachgedacht.“

„Mich würde deine persönliche Meinung interessieren, wie du grundsätzlich zu dieser Idee stehst?“, wollte ich von ihm wissen.

Er überlegte kurz, dann antwortete er mir: „Grundsätzlich ist das sicher eine Möglichkeit, um die anfallenden Kosten für die Finca abzu­decken, wenn ihr sie zeitweise vermietet. Aber wie sieht es dann damit aus, wenn ihr oder die anderen aus der Familie die Finca nutzen wollen. Ich frage mich auch, ob da nicht erhöhte Aufwendungen für zusätzliche Instandhaltung anfallen, falls die Mieter größere Schäden verur­sachen.“

„Darüber haben wir auch schon nachgedacht“, meinte ich. „Zum einen kommt es auf die Auswahl der Gäste an, wenn wir vermieten, auf der anderen Seite darf man nicht außer Acht lassen, dass die Ab­nut­zung auch so gegeben ist, selbst wenn die Finca nur über einen län­­geren Zeitraum leer stehen würde.“

Jetzt versuchte Thomas auch, seine Meinung dazu loszuwerden: „Ich für meinen Teil denke, dass es sicher sinnvoll ist das Haus zu vermieten, wenn nicht gerade die Familie auf Mallorca sein will. Klar wird es zusätzlich abgewohnt, aber die Einnahmen statt des Leer­standes sind sicher auch nicht zu verachten, um die Unter­haltskosten zu tragen. Es muss nicht unbedingt ein Gewinn dabei heraus­kommen, solange ein Großteil der anfallenden Kosten erwirtschaftet wird. Das hängt aber auch davon ab, wie lange und wie oft die Finca vermietet werden kann.“

Nachdem Thomas geendet hatte, trat eine längere Pause ein, in der keiner etwas sagte. Plötzlich fing mein Vater wieder an zu sprechen: „Ihr habt ja recht, ich hatte mich selbst schon einmal mit dem Gedanken getragen, wenn wir nach Deutschland zurückkehren die Finca an Urlauber zu vermieten. Ursprünglich hatte ich eher an eine langfristige Vermietung gedacht, so wie bei unseren Wohnungen in Deutschland. Ich war mir der Tatsache bewusst, dass dann eine Nutzung durch uns oder euch natürlich nicht mehr möglich ist. Genauer betrachtet wäre eine kurzfristige Vermietung an Urlauber vielleicht sogar die bessere Lösung, weil dann die Nutzung der Finca durch die Familie weiterhin möglich ist“

Wir beide hörten ihm nur zu und warteten darauf, was er noch weiter dazu zu sagen hatte. „Okay“ sagte er „ich denke es ist eine ver­nünftige Lösung, wenn das Haus auf Mallorca, an Urlauber vermietet wird und ansonsten immer für die Familie zu Verfügung steht. Es liegt an euch, wie ihr das planen wollt. Ich für meinen Teil weiß jetzt schon sicher, dass ich nicht wieder nach Mallorca zurückkehren werde.“

Wir beide sahen Vater an und nach einiger Zeit fragte ich ihn: „Bist du dir da so sicher, dass du nie wieder nach Mallorca zurückkehren wirst?“

Es dauerte wieder einige Minuten, bevor mein Vater antwortete: „Ja, egal was auch geschieht, selbst wenn ich mit euch nach Deutschland zurückfliege, werde ich schon mit Rücksicht auf meine ange­schlagene Gesundheit nie wieder nach Mallorca fliegen, das wird einfach zu anstrengend für mich.“

Thomas schaute mich an und meinte: „Werde so schnell wie möglich wieder so gesund, dass du mit uns nach Deutsc­hland zurückkehren kannst. Wir brauchen dich doch noch eine Weile.“

Nach einer etwas längeren Pause erzählten wir Vater, dass wir und die beiden Jungs, Philipp und Marcus, momentan ab­wechslungsweise den Garten wieder etwas auf Vorder­mann bringen wollen während der Dauer unserer Anwesenheit auf Mallorca.

Da Vater zwischenzeitlich immer wieder einschlief, saßen wir nur noch ruhig an seinem Krankenbett und ich hielt seine Hand. Während einer länger Wachphase meinte er: „Wegen der Ver­waltung und Vermietung wendet ihr euch am besten an Pedro Garcia, der hat schon viele Häuser auf Mallorca von den jeweiligen Eigentümern zur Vermietung an Urlauber übernommen. Er hat einen sehr guten Ruf und ich kenne ihn persönlich. Er verwaltet auch eines der Häuser in unserer Nachbarschaft, da die Besitzer auch immer nur für wenige Wochen im Jahr selbst auf Mallorca sind. Auch die Vermietung gehört zu seinen Aufgaben und was ich bisher feststellen konnte, hatte er immer ein gutes Händchen bei der Auswahl der Urlauber.“

Da mein Vater nach Aussage des Klinikpersonals noch viel Ruhe benötigt, sagte ich zu meinem Vater: „Wir wissen, dass du weiterhin viel Ruhe brauchst, um wieder auf die Beine zu kommen, deswegen werden Thomas und ich langsam wieder zurück in die Finca fahren. Ich werde noch heute versuchen, mich mit dem von dir empfohlenen Verwalter in Verbindung zu setzen und einen Termin mit ihm verein­baren.“

Wir beide verabschiedeten uns von Vater, ich sagte dann noch: „Wer dich morgen Vormittag besucht, kann ich dir noch nicht genau sagen, das hängt auch davon mit ab, wann es zu einem Gespräch mit dem von dir vorgeschlagenen Verwalter Pedro Garcia kommt.“

Auf dem Weg zum Auto telefonierte ich kurz mit Philipp und fragte ihn, ob wir noch etwas im Supermarkt besorgen sollten. Er meinte, dass seiner Meinung nach zwar alles da wäre, aber wir könnten für die nächsten Tage im Voraus bereits weitere Lebensmittel einkaufen. Wir stoppten am Supermarkt und kauften noch einiges ein, vor allem Obst und Gemüse, aber auch länger haltbare Lebens­mittel.

Kaum saßen wir wieder im Auto, Thomas lenkte den Wagen zurück zur Finca, fragte er mich: „Machen wir eigentlich alles richtig?“

Ich überlegte lange, bevor ich ihm antwortete: „Ich denke schon, du hast ja Vater gehört, als er meinte, meine Geschwister hätten kein großes Interesse an all diesen Aufgaben und Verpflichtungen, Hauptsache, sie können ihre persönlichen Vorteile daraus ziehen. Bei meiner Schwester und ihrem Mann bin ich mir da ziemlich sicher, dass dies so ist. Bei Dieter, meinem Bruder, verstehe ich die Argumente meines Vaters vollkommen, da er keine eigenen Nachkommen hat, ist ihm wahr­scheinlich eher egal, was eines Tages mit all den Immobilien unserer Eltern geschieht.“

Damit war unsere Konversation auch schon beendet und den Rest des Heimweges schwiegen wir, na ja, eigentlich waren wir beide wieder einmal mit unseren eigenen Gedanken beschäftigt.

Wir standen kaum in der Einfahrt, da stürmten Philipp und Marcus aus dem Haus und wollten uns helfen die Einkäufe ins Haus zu bringen. Philipp fragte mich noch: „Habt ihr auch etwas zum Kaffee mitge­bracht?“

Ich blickte kurz zu Thomas und antwortet Philipp: „Sicher, wir haben verschiedene Back­mischungen mitgebracht, damit können wir uns jederzeit einen feinen Kuchen oder Muffins backen. Hattest du vielleicht an etwas anderes gedacht?“

Thomas grinste vor sich hin, was aber die beiden gottseidank nicht bemerkten. Philipp schaute mich entsetzt an und wollte von mir ernsthaft wissen, wann, glaubst du, gibt es dann Kaffee und Kuchen heute Nachmittag.

„Wenn alles auf dem Tisch steht“, antwortete ich ihm prompt. Mit meiner Antwort darauf rechnete er wohl nicht, denn er schaute mich jetzt noch grimmiger an und wollte schon etwas dazu sagen, als Thomas plötzlich laut loslachte und meinte: „Philipp, dein entsetzter Ausdruck und deine Reaktion sind allein schon den kleinen Spaß wert gewesen.“

Philipp fand das zwar nicht so lustig, dass wir uns zum wiederholten Mal auf seine Kosten amüsierten, als dann aber auch Marcus laut zu lachen anfing, konnte er sich ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen.

„Musste das jetzt sein?“, fragte er mich. Da ich gerade in der richtigen Stimmung war, meinte ich nur: „Natürlich musste das genau jetzt sein, glaubst du etwa, dass ich trotz meines angeblich bereits fortgeschrittenen Alters schon so vergesslich bin und nicht an solche Kleinigkeiten beim Einkaufen denke. Wir haben zusätzlich verschiedene Backmischungen für die nächsten Tage eingekauft, damit wir nicht jeden Tag extra losfahren müssen, um Kleinbackwaren beim Bäcker oder im Supermarkt einzukaufen.“

Ich öffnete den Kofferraum und zusammen trugen wir die eingekauften Sachen ins Haus, die wir dann auch gleich in der Küche sorgfältig wegräumten.

Die beiden Jungs hatten schon frischen Kaffee aufgebrüht und den Kaffeetisch auf der Terrasse gedeckt, so dass wir uns kurzfristig an die Kaffeetafel setzen konnten. Marcus beeilte sich und holte noch meine Mutter, damit sie ebenfalls mit uns Kaffee trinken konnte.

Die Jungs erzählten uns, was sie in der Zwischenzeit alles bereits erledigt hatten, und Mutter meinte dazu: „Ihr seid alle recht fleißig gewesen und inzwischen sieht es rund ums Haus schon wieder ganz manierlich aus.“

Nach dem Kaffeetrinken telefonierte ich kurz mit Pedro Garcia, nachdem ich mir im gedruckten Telefonbuch von Mallorca seine Nummer beschafft hatte, und konnte mit ihm einen Termin für den morgigen Nachmittag um sechzehn Uhr vereinbaren. Er würde direkt zu uns auf die Finca kommen, damit wir dort in aller Ruhe die wichtigsten Punkte besprechen könnten.

Den Rest des Tages verbrachten wir am und im Pool, die Jungs hatten während unserer nachmittäglichen Abwesenheit immerhin dafür gesorgt, dass er vom Laub befreit war und wieder genutzt werden konnte. Zusätzlich hatten sie in der Nähe des Pools die Doppelliege und zwei weitere Einzelliegen aufgestellt.

Nach dem Abendessen blieben wir noch eine längere Zeit im Esszimmer sitzen und sprachen darüber, wie es in den nächsten Tagen weitergehen solle, dabei klärten wir auch gleich, dass Mutter morgen Vormittag mit mir und Thomas ins Krankenhaus fahren würde. Ich erklärte Marcus und Philipp, dass sie beide morgen Nachmittag ebenso bei dem Gespräch mit dem zukünftigen Verwalter dabei sein könnten, da dieser erst gegen sechzehn Uhr hier sein wollte.

Ziemlich spät gingen wir ins Bett; Mutter war wie jeden Tag schon früher zu Bett gegangen, so dass wir, die Jungs, Thomas und ich, uns noch längere Zeit unterhielten. Wir sprachen bereits darüber, was alles zu Hause in Deutschland zu tun sei und wie wir das alles nach unserer Rückkehr angehen wollten.

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