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Fußballgöttinnen wie du und ich

Kapitel 1-2

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

„Hört mal kurz her, Mädchen!“, krächzt es aus dem Mikrofon.

Dass ich auch noch da und definitiv nicht weiblich bin, hat der Busfahrer anscheinend vergessen. Ich zucke mit den Schultern und versinke wieder tiefer in den Polstern.

„Wir erreichen das Lager in weniger als zehn Minuten. Packt euer Zeug zusammen und nehmt den Müll mit! Sollte ich noch etwas finden, dürft ihr putzen!“

Toll. Da geht bestimmt wieder eine halbe Stunde drauf, wenn ich meine Mannschaft richtig einschätze. Irgendein Getränk kippt schließlich immer um, irgendwo findet man immer Krümel. Alles nicht so schlimm, aber unser Busfahrer hat den gleichen Charakter wie ein misshandelter Kampfhund: Aggressiv und -leider- sehr leicht reizbar. Aber ich will ihn nicht darauf ansprechen, sonst lässt er mich noch irgendwo mitten in der Pampa stehen.

Judith schaltet ihren MP3-Player aus und beginnt, auf ihrer Armlehne zu trommeln.

„Wow! Wir sind fast da, nach zwei Stunden Fahrt!“, jubelt sie und fällt mir in die Arme. „Freust du dich den gar nicht, Mandel?“

Args. Sie hat meinen Vornamen benutzt! Das kann ich nicht durchgehen lassen, obwohl sie meine beste Freundin ist.

„Jude, nenn mich nicht so!“, grummle ich und schmolle ein bisschen.

„Aber deine Mum hat dir das »Mandel« halt reingewürgt, da kannst du dich nicht wehren!“, antwortet sie und klimperte mir zu.

Ich lache und klopfe ihr auf die breite Schulter.

Vielleicht sollte ich Judith mal näher beschreiben, damit meine Heiterkeit nicht total für Wahnsinn gehalten wird. Also: Jude ist um die 1,80m groß, hat kurze, dunkelbraune Haare und unglaublich blaue Augen. Außerdem ist sie ziemlich muskulös und wird, wenn sie einen ihrer weiten Pullis trägt, öfter für einen Kerl gehalten.

Ein so koketter Schlafzimmer-Blick ist deshalb praktisch immer vorgespielt und darf nicht allzu ernst genommen werden.

„Überleg doch mal, Mo, die ganzen Typen, die da sein werden!“, ruft sie begeistert. „Da ist doch für jeden etwas dabei!“

Ich grinse und schiebe meine Porno-Brille auf die Nasenspitze.

„Oui, Mademoiselle! Aber ich glaube kaum, dass eine Mannschaft Schwerverbrecher vertreten sein wird!“

„Pah! Ein Bad Boy würde mir schon reichen!“, antwortet Judith schwärmerisch.

Ich verdrehe die Augen und greife nach meinem Rucksack.

„Wir werden sehen. Komm, wir sind da!“, mit diesen Worten schiebe ich mich raus auf den Gang und riskiere einen ersten Blick auf unsere Unterkunft.

Ein circa siebzigjähriges, dreistöckiges Haus umgeben von Wiesen wartet auf uns. Hier werden wir die nächsten zwei Wochen verbringen, eigentlich eine ganz nette Aussicht. Allerdings werden wir wohl die meiste Zeit trainieren, um fit für das Fußballturnier zu sein.

Unsere Mädchenmannschaft hat sich nämlich vor den Jungs qualifiziert. Deshalb sind wir dieses Mal in das 100 Kilometer entfernte Dörfchen gefahren, das über eine alte Schule, eine beinahe antike Turnhalle und eine Jugendherberge verfügt.

Unser phänomenales Glück hat uns natürlich für einen Aufenthalt in der betagten Lehranstalt vorgesehen. Ich steige aus dem Bus und seufze. Mitten im Nichts und das für vierzehn Tage. Die Mädels folgen mir und auch der Kampfhund -pardon- Fahrer schickt sich an, den Kofferraum zu öffnen.

„Mo, wie sieht denn der Plan für heute aus?“, fragt Kristina und zupft an ihrer Unterlippe.

Das ist bei ihr ein eindeutiges Zeichen für Überlegenheit oder Aufgekratztheit. Heute wohl eher letzteres. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und überlege kurz. Erst halb drei. Ohne Training kommen sie mir heute aber nicht davon! Aber bei dreißig Grad?

„Ihr könnt euch jetzt die Zimmer aussuchen. Prinzipiell könnt ihr alle nehmen, vorausgesetzt sie liegen im ersten Stock – linker Flügel, wir sind nämlich nicht alleine hier!“, erkläre ich dann.

Ein paar Mädels zwinkern mir wissend zu. Wir müssen uns die alte Schule mit drei weiteren Mannschaften teilen, die schon alle da sein müssten.

„Ihr habt, sagen wir mal, bis um Vier Zeit zum Auspacken, dann treffen wir uns in der Aula. Verstanden?“

Meine Leute nicken. Demonstrativ greife ich meine überdimensionale Sporttasche und gehe auf das Haus zu. An den Stimmen kann ich erkennen, dass sie mir folgen. Die erste Last wurde bereits von meinen Schultern genommen: Wir sind heile angekommen, was bei dem Busfahrer ja eher fraglich war!

Jede einzelne Stufe knarzt auf der Treppe, die zum obersten Stockwerk führt. Der Lack ist verkratzt und bestimmt schon zwanzig Jahre alt, die Macken sind tief. Aber irgendwie finde ich das Teil sympathischer als das Konstrukt aus Metall und Glas, das die Mädels unten haben. Bestimmt hat sich wieder einer wie mein Vater daran versucht. Ein neunmalkluger Architekt, der meint, dass man neue und alte Elemente wunderbar miteinander verbinden kann und sich dabei wie ein Elefant im Porzellanladen aufführt.

Ich erwische nicht ganz die Stufe und falle der Länge nach hin, nach oben, wohlgemerkt. Aua! Meine Schienbeine und mein Gesicht kann ich wohl vergessen. Eine Hand schiebt sich in mein durch den Sturz eingeschränktes Blickfeld.

„Alles okay?“, fragt eine melodische Stimme.

Ich nicke leicht benommen. Schließlich bin ich keine Memme und überhaupt. Warum fragt der eigentlich so doof? Sehe ich hilfsbedürftig aus?

Egal. Irgendwer will, dass ich wieder aufstehe, wahrscheinlich blockiere ich die ganze Treppe. Also lasse ich mich brav hochziehen, schließlich will ich nicht wegen des Gewichts meiner Reisetasche durch die Treppe brechen.

Als ich endlich wieder auf meinen Beinen stehe, unterziehe ich meinen Retter einer kurzen, unauffälligen Musterung. Das scheint unhöflich, aber er starrt mich ja auch ganz unverhohlen an.

Und er sieht gar nicht mal so schlecht aus: Unter den dunkelbraunen, fransig geschnittenen Haaren leuchten graublaue Augen hervor. Er lächelt leicht, die zwei Klemmringe in seiner Unterlippe funkeln im Licht. Sieht ganz nett aus. Werden wohl doch keine langweiligen 14 Tage.

„Hi, ich bin Mandel Olström – aber besser, du nennst mich Mo!“, stelle ich mich vor.

„Sven Eisleben. Du bist der fehlende Trainer, oder?“, fragt er und fährt sich durchs Haar.

Fang jetzt nicht zu sabbern an, Mo! Bloß, weil dein Freund dich vor über vier Monaten abserviert hat, brauchst du nicht – Ups, vielleicht sollte ich mal antworten.

„Allerdings. Wir hatten Stau auf der Autobahn, deshalb haben wir uns etwas verspätet. Danke übrigens, dass du mir aufgeholfen hast – macht ja heute nicht mehr jeder!“, erwidere ich und lächle.

„Kein Problem! Aber wir sollten langsam in die Wohnung, die Trainerbesprechung fängt gleich an!“

Mit diesen Worten werde ich zur einzigen Tür gezogen. Da stand aber nichts von »Zimmer teilen«! Wir können doch nicht zu viert in einem Raum hausen, da spioniert der eine dem anderen die Strategie aus!

Sven drückt die Klinke runter und geht schon mal vor. Ich stehe da mit einer Tasche, deren Gewicht meine Arme lang zieht, und sehe bestimmt selten dämlich aus. Was will ich eigentlich hier?

„Kommst du?“, fragt mein Retter und sieht mich seltsam an.

Ich hebe eine Augenbraue. Soll ich nicht doch lieber die Biege machen? Allerdings würde ich dann meine Mädels im Stich lassen, und das kann ich wirklich nicht tun. Also betrete ich eher missmutig den Raum.

Und ich werde überrascht!

Ich befinde mich nämlich in einer Art Wohnzimmer, von dem fünf Türen wegführen. Wow! Richtig nobel für eine ehemalige Schule.

„Da schläft Rabea, die Trainerin aus Stuttgart. Meins. Das ist Berts Zimmer, da hinten ist deins. Die Krönung: Das gemeinsame Bad!“, erklärt Sven und führt mich in den letzten Raum.

Außer einem Klo, einem winzigen Waschbecken und einer eher schmalen Dusche hätte auch nicht mehr viel hier hinein gepasst. Für Leute mit Platzangst muss dieses Kabuff echt die Hölle auf Erden sein, zumal es nicht einmal ein Fenster gibt.

„Das ist auch der Grund für die Trainerbesprechung“, redet Sven weiter. „Es geht nur drum, wer wann ins Bad darf – und wie lange!“

Und dann schenkt er mir ein bezauberndes Lächeln. Nicht so eins der Marke »ich bin die Zahnarztfrau«, sondern ein ehrliches, echtes. Ich nicke leicht und gehe wieder ins Wohnzimmer. Das Bad ist nämlich so schmal, dass Sven sich nicht an mir vorbei quetschen könnte, um rauszukommen. Ich möchte den Architekten gerne mal kennen lernen – um ihm ordentlich die Meinung zu sagen.

„Ich bring dann mal mein Zeug rüber“, sage ich lahm und verschwinde in meinem Zimmer.

Sehr -ähm- spartanisch eingerichtet, möchte ich sagen. Ein Bett, ein Schrank, ein Tisch ohne Stuhl – und das ist alles. Ich werfe meine Tasche in eine Ecke und atme tief durch. Das darf nicht wahr sein!

Die Mädels haben, laut Broschüre, geräumige Zweibettzimmer, die ich schon auf Bildern gesehen habe. Das ist doch nicht fair!

Außerdem haben die Gruppenduschen, während wir uns ein Bad teilen müssen, in dem man Platzangst bekommt – das Leben ist ungerecht.

Nun, dann wollen wir mal zu der ach so tollen Besprechung gehen – immerhin könnte Sven mich aufheitern...

Bewege ich meinen Knackpo also zurück ins Wohnzimmer. Nicht, dass die Herrschaften jetzt denken, ich wäre eitel – ganz im Gegenteil. Mir ist Wurscht, wie ich aussehe, weil man aus mir eh nicht viel machen kann.

Ich habe, Zitat meiner Mutter, »Flachshaar«, das sich aber wirklich immer lockt und mir bis zu den Schultern reicht. Dazu dunkelblaue Augen, die, meiner Meinung nach, immer mürrisch in die Welt blicken. Genauer habe ich alle Züge meiner norwegischen Vorfahren geerbt, auch die eher mickrige Statur meines Opas.

Meine für einen Kerl viel zu klein geratenen Füße führen mich ins Wohnzimmer, ich lasse mich auf eines der altersschwachen Sofas fallen und höre ein leises Ploppen. Nett, sogar von der Sprungfeder wird man hier begrüßt!

Die anderen Trainer sind übrigens schon da und fläzen ebenfalls rum.

„Also, ich bin der Bert“, erklärt ein baumhoher Riese mit rötlichen Haaren. „Und ich denk mal, dass ich der älteste hier bin. Deshalb erhebe ich Anspruch aufs Bad – zwischen sechs und halb sieben a.m.!“

Toll. Der ist fast wie ein Greis unter uns, schließlich sind Rabea, Sven und ich alle um die zwanzig. Bert ist allerdings Ende dreißig, wahrscheinlich hat er seinen Neffen in der Mannschaft, oder so. Aber schön, ich werde ihm das Privileg des frühen Duschens lassen – schließlich bin ich leidenschaftlicher Langschläfer und Morgenmuffel!

Ich hebe etwas träge meinen Arm.

„Also, ich würde gerne abends duschen – wenn es keinen von euch stört?“, frage ich an.

Rabea schüttelt den Kopf, sodass ihre pechschwarzen Haare durch die Luft fliegen und antwortet: „Kein Problem, ich geh nach Bert, um sieben oder so.“

Nur Sven guckt mich schief an und schiebt seine Unterlippe vor. Uh, er schmollt! Bin ich etwa schuld?

„Eigentlich wollte ich auch...“, beginnt er und wirft mir einen seltsamen Blick zu.

„Ach, da werdet ihr schon was finden!“, ruft Bert übermütig und rudert mit den Armen. „Notfalls duscht ihr halt zusammen!“

Hoffentlich entgeht den Trainern, dass ich eine sehr gesunde Gesichtsfarbe bekommen habe. Verflixte bildliche Vorstellungsgabe!

Kapitel 2

Nachdem wir noch ein paar andere Themen besprochen haben, hab ich mich aufgerafft und mein Zeug notdürftig in den klapprigen Schrank gepackt. Allerdings könnte es sein, dass er unter der gar nicht so immensen Last die Grätsche macht – die Fächer sind nämlich nur aus Presspappe. Auch mein Bett habe ich schon bezogen, schließlich habe ich eine Vorbildfunktion.

Nun stehe ich in der muffigen Aula und warte auf die letzten Nachzügler, die sich extrem viel Zeit lassen. Bestimmt kommt wieder so eine Ausrede wie »Auf Tinas Uhr war es noch nicht so spät« oder »Ich stand vor zwei Minuten noch unter der Dusche«, pah! Wo bleibt denn hier die Disziplin?

Bestimmt würde Bert solche Sachen nicht durchgehen lassen, er ist wahrscheinlich ein Drill-Instructor oder so.

Nachdem ich nochmals durchgezählt habe, setze mich auf den kühlen Steinboden und fordere die Mädels mit einer Geste auf, es mir gleich zu tun.

„Schön, dass ihr euch alle so pünktlich eingefunden habt“, verkünde ich nicht ohne eine Spur Ironie und ein schiefes Lächeln. „Ich geb dann mal die weitere Tagesplanung bekannt: Zwischen fünf und sechs Uhr gehen wir laufen, wir treffen uns hier. Um halb sieben gibt es Abendbrot in der Mensa – da drüben. Gegen acht beginnt die Disco unten im Keller, der Weg ist ausgeschildert. Es besteht übrigens Anwesenheitspflicht und die anderen Mannschaften werden auch da sein. Jetzt habt ihr frei!“

Und schon verziehen sich die ersten Mädels. Man könnte meinen, dass sie mich nicht mögen. Aber dann wären sie nicht hier, oder?

Jude knufft mich in die Seite und holt mich so aus meinen verqueren Gedanken.

„Hey“, murmelt sie und legt einen Arm um mich. „Wo bist du n grade?“

„Irgendwo anders“, antworte ich langsam und lehne mich an ihre Schulter.

„Hab ich gemerkt. Wenigstens schön?“

Ich nicke. Judith versteht mich, auch wenn ich mal wieder ganz seltsam bin.

„Hast du schon jemand aus den anderen Mannschaften gesehen? Einen Kerl, den du... nett findest?“, wechselt sie das Thema.

Ich spüre schon wieder, wie mir die Hitze in den Kopf steigt.

„Kann man so sagen“, ringe ich mir ab.

„Wie heißt er? Sieht er so aus wie dein Ex?“

Ich schüttle den Kopf.

„Du weißt doch, dass ich kein Schema habe! Er... er hat fransige, dunkelbraune Haare. Eigentlich sind sie fast schwarz, muss ich sagen. und seine Augen sind total schön – durchdringend grau!“

„Mandel?“, fragt Jude vorsichtig. „Wer ist n das?“

„Sven, einer der Trainer“, nuschle ich leicht geistesabwesend.

„Mo? Kann es sein, dass du – verliebt bist?“

Ich? Nee – oder etwa doch?

Tolle Bilanz: Eineinhalb Stunden da und schon zu nichts mehr zu gebrauchen! Das heißt aber auch, dass Mums Theorie aufgeht. Diese besagt, dass sich jeder auf Fahrten verknallt. Sie muss es ja wissen, schließlich hat sie ihren neuen Lover bei einem Anti-Stress-Seminar für Anwälte kennen gelernt.

Irgendwie macht mich das aber nicht gerade glücklicher.

Immerhin herrscht bei uns zu Hause der Ehekrach des Jahrtausends und ich bin irgendwie zwischen die Fronten geraten.

Alles hat vor etwa einem Jahr angefangen, für mich jedenfalls. Da habe ich Wind von der Affäre zwischen meinem Dad und seiner Sekretärin bekommen – ziemlich Klischee, nicht wahr? Nun, ich behielt es für mich – bis zum heutigen Tag habe ich Mum nichts davon erzählt, dass sie sich oft bei uns getroffen haben. Aber als sie diesen Thorben, den Leiter des Seminars hatte, da ist sie wachsamer geworden. Sie hat Dad zur Rede gestellt, ihm das Leben zur Hölle gemacht. Jetzt wohnen sie immer noch unter einem Dach, weil sie sich gegenseitig bei den Geschenken überbieten müssen – damit ich zu dem großzügigsten Schenker gehe.

Ich glaube, ich werde sie nur noch Malen und Gunnar nennen, oder Herr und Frau Olström.

„Denkst du an deine Eltern?“, fragt Judith und küsst meine Wange.

Ich nicke schwach. Sie weiß, dass ich beide verabscheue. Dass ich mich verabscheue, weil ich trotzdem noch irgendwie zu ihnen gehöre.

„Hast du schon irgendjemanden gesehen, der sich deiner als würdig erweist?“, frage ich, um von meinen »Problemen« abzulenken.

„Nee, nee! Keine Zeit gehabt, außerdem muss ich mich ja jetzt um dich kümmern!“, erklärt sie mit extrabreitem Grinsen.

Ich seufze abgrundtief. Judith will mir helfen? Die Jude, die mindestens dreimal pro Quartal bei mir einzieht, weil sie Herzschmerz hat. Da kann es ja nur noch schlimmer werden!

„Meinst du, du könntest ihm gefallen?“, fragt Judith und hat schon wieder einen Prinz-rettet-Prinzessin-Happy-End-Blick drauf.

„Kann ich in ihn reingucken?“, frage ich ungewollt patzig. „Ist ja nicht so einfach wie bei euch Heten!“

Sie sieht mich verletzt an. Okay, ich bin zu weit gegangen. Aber es regt mich halt total auf, dass sich manche sogar von einem abwenden, wenn man sich outet. Und dann immer »Ich habe prinzipiell nichts dagegen, außer ich bin selber davon betroffen!«.

Ich nehme Jude in den Arm und hauche ihr einen Kuss auf die Wange.

„Entschuldige – Ich habe überreagiert“, murmle ich und fahre ihr durchs Haar.

Bei ihr darf ich das. Schließlich kennen wir uns schon tausend Jahre und sind sogar verheiratet. Gewissermaßen, nämlich seit der 2. Klasse. Damals hat sie mich vor ein paar Schlägern aus der 4. bewahrt, weil wir uns ja schon praktisch seit der Schwangerschaft unserer Mütter kennen.

Und dann haben wir im Kreise unserer Haustiere geheiratet, mit Küssen und so. Gott sei Dank haben wir das mit der ewigen Treue weggelassen!

Ich lächle bei dem Gedanken an unsere Trauung.

„Schon gut“, antwortet Judith, kann den traurigen Unterton aber nicht ganz verbannen.

„Was ist?“, frage ich und fahre durch ihr Haar.

Sie lehnt sich zu meinem Ohr, ihre Augen sind in die Ferne gerichtet.

„Wenn ich nicht ganz blind geworden bin, lehnt dein neu auserkorenes Betthäschen da hinten an der Wand und sieht uns zu“, flüstert sie.

„Er ist nicht-“, antworte ich etwas zu laut und halte mir die Hand vor den Mund. „Lass uns lieber raus gehen!“

Wir sind dann in die Wiese gegangen, bei der Hitze will ja niemand da hin. Aber im Schatten der wuchtigen, uralten Eiche lässt es sich doch aushalten, vor allem mit einer flauschigen Decke. Judith hat es sich auf meinem Bauch bequem gemacht, typisch. Aber sie meint, dass ich extrem weich bin, ungefähr wie ein Daunenkissen. Da fühlt man sich doch glatt geschmeichelt, oder?

„Und, wie sieht deine Taktik aus?“, fragt sie mehr in mein T-Shirt hinein.

„Fürs Turnier? Trainieren bis zum Umfallen, bis ihr nicht mehr kriechen könnt und-“, antworte ich grinsend.

„Nee, ich meinte eher in Sachen Sven – Angriff ist die beste Verteidigung oder doch eher »ich bin ganz unschuldig«?“, unterbricht sie mich.

Arg! Da will ich jetzt nicht nachdenken. Wahrscheinlich ist der Gute sowieso hetero und ich kann mir eine Menge Arbeit, Herzschmerz und Trauer ersparen. Eh schon schlimm genug, dass ich zwei Wochen mit ihm in einer Wohnung aushalten muss, sogar im selben Bad!

Was hat Bert noch gleich gesagt? Zusammen duschen könnten wir ja auch!

Mm, tut dem dämlichen Rotschimmer aus meinem Gesicht und nehmt die verdauten Gedanken bitte auch gleich mit, sehr freundlich!

„Jetzt möchte ich gerne wissen, was in deinem Kopf vorgeht“, sagt Judith verschmitzt und kitzelt mich mit einem Grashalm. „Lass mich raten: Ein gewisser brünetter Trainer ist mit von der Partie!“

Wuah, manchmal könnte ich sie killen! Muss sie mir das auch noch unter die Nase reiben? Wenn das so weiter geht, werde ich sowohl mein Seelenheil als auch meinen Verstand hier lassen.

„Treffer – versenkt!“, antworte ich betrübt.

Sie grinst zufrieden.

„Keine Sorge, das kommt schon noch ins Lot – also ich bin durchweg optimistisch!“

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