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Little Lies

Teil 11

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Inhaltsverzeichnis

 

Scott Madisons letzter Satz hallte mir noch in den Ohren, als ein Typ in einem weißen Anzug in den Raum trat. »Hi Leute.«, begrüßte er uns. Es wurde ruhig im Raum, und alle setzten sich hin. »Wer ist das?«, flüsterte ich Richie zu. »Andy Cunningham, der Regisseur. Er ist etwas exzentrisch, aber ganz okay. Spielt auch in unserer Liga.« Ich grinste. »Da scheint er nicht der einzige zu sein.« Ein paar weitere Typen kamen in den Raum, und eines der Gesichter - beziehungsweise auch den Rest davon - hatte ich schon mal gesehen. »Okay, schön dass ihr da seid. Wie ihr wisst, wird das hier die erste Lagebesprechung zum Film, es gibt noch ein paar Details zu klären und ich möchte euch das Team vorstellen«, erklärte Andy.

Einige Leute kannte ich schon - Fiona als Casting Agent, und auch Jenny, die nette Maskenbildnerin, war wieder mit dabei. »Und hier haben wird Stewart Colham, der Mann, der diesen Film erst möglich gemacht hat. Er ist der Autor des Romans, war am Drehbuch beteiligt und ist auch einer der Produzenten.« Jetzt wusste ich auch, woher ich das Gesicht kannte ... ich hatte mir, nachdem ich die Rolle angenommen hatte, eine Taschenbuchausgabe des Buches besorgt, und ich glaubte mich zu erinnern, dass auf der Rückseite ein Foto des Autors abgedruckt war. Das Buch hieß übrigens »Beaten«, so sollte auch der fertige Film heißen.

Colham übernahm das Wort. »Hi Leute, ich will mich kurz fassen - ich hab' mir sagen lassen, dass Andy sowieso viel zu viel redet. Also, worum ich euch bitten möchte: Ich weiß nicht, wer von Euch das Buch schon im Vorfeld gelesen hat, aber ich hab' recht klare Vorstellungen wie die Leute im Buch aussehen sollen. Ich vertraue Miss O'Hara in dieser Hinsicht total, und ich hab' selbst zwei Jungs in eurem Alter zuhause, also wird's schon schiefgehen. Trotzdem würde ich euch gern mal kurz kennen lernen.« Fiona stellte uns der Reihe nach vor. Colham fand zu jedem ein paar nette Worte, und als er bei mir angekommen war, lächelte er mich nur an und sagte: »Dich kennen zulernen finde ich besonders interessant ... und ich bin überzeugt dass du für die Rolle die ideale Besetzung bist.«

Langsam beschlich mich das Gefühl, dass sich das ganze Team gegen mich verschworen hatte. Wenn mich die Leute durcheinanderbringen wollten, hatten sie das jedenfalls geschafft. Erst Scott mit seiner komischen Bemerkung, woher ich denn wüsste, dass er Hetero sei, und jetzt noch dieser Spruch von Colham? Irgendwie war ich langsam, aber sicher ziemlich durcheinander. Na ja, er würde wohl seine Gründe haben, oder der Typ war einfach etwas spleenig. Ich konnte mir vorstellen, dass er jedem etwas in dieser Richtung sagte, und darum beschloss ich, diesen Worten keine besondere Bedeutung zu schenken.

Ich spare mir jetzt mal die Einzelheiten zu den Dreharbeiten ... schnell kehrte eine Routine ein, denn das Team war nach kurzer Zeit gut aufeinander eingespielt. Obwohl wir alle ziemlich viel Zeit zusammen verbrachten, wurde es nicht langweilig und wir gingen uns vor allem nicht gegenseitig auf den Wecker. Ich unterhielt mich hin und wieder auch mit Scott, aber ich traute mich nicht ihn zu fragen, wie denn nun sein Spruch von unserem ersten Treffen gemeint gewesen war. Ich war mir immer noch nicht sicher, wie ich das Ganze zu verstehen hatte, und ich wollte nicht, dass er das Gefühl hatte, ich würde mich nur an ihn 'ranschmeißen. Immerhin war er ein Star, und zudem sah er auch noch ziemlich gut aus.


Mitte November

Es war Freitag Nachmittag, und unsere vorletzte Drehwoche neigte sich dem Ende zu. Ich hatte noch eine Szene zu drehen, bei der es aber nur darum ging, wie ich allein durch die Schule schleichen sollte. Scott und ein paar andere Schauspieler waren noch da geblieben und spielten in der Kantine irgendein Kartenspiel, sie wollten später noch etwas trinken gehen. Ich drehte meine Szene ab und war nach einer halben Stunde fertig. Als ich in der Kantine auftauchte, kam mir Scott schon entgegen. »Hey, Janosch ... die anderen sind schon vorgegangen, kann ich noch ein bisschen mit dir quatschen?« Ich nickte. »Klar, was liegt an?«

Wir hatten uns trotz meiner Versuche, ein bisschen auf Abstand zu bleiben, fast ein wenig angefreundet. Scott war der Einzige, der sich die Mühe machte, mich mit »Janosch« anzusprechen. Meine Befürchtung, dass er ein ziemlich arroganter Typ sein könnte, weil er so bekannt war, war offensichtlich unbegründet. »Sag' mal, was ist los mit dir?«, fragte er. »Wieso?« »Na ja ... ich hab' fast das Gefühl, dass du mir ein bisschen aus dem Weg gehst.« Ich spielte nervös mit meinem Schlüsselbund. »Wie kommst du denn darauf?« »Na ja ... immer wenn wir irgendwie reden bist du ziemlich knapp ab, aber ich hab' schon ein paar Mal gesehen, dass du mich beobachtet hast, wenn du etwas weiter weg warst.« Wir gingen langsam nebeneinander durch eines der großen Studios. Um uns herum stand alles voll mit Scheinwerfern, Kulissen, Kleiderständern und was man sonst so in einem Filmstudio fand.

»Scott, ich hab' viel über das nachgedacht, was du mir bei unserem ersten Treffen gesagt hast.« Er grinste. »Was? Du meinst die Frage, woher du so sicher weißt, dass ich he... Arrrrrrrgh! Mift!« Es schepperte einmal heftig, und ich hörte Scotts Schrei, als er zu Boden ging. Ich war sofort bei ihm. »Was ist passiert?« Er rappelte sich wieder hoch und trat nach einer Eisenstange, die auf dem Boden lag. »Geftolpert«, sagte er hinter vorgehaltener Hand. Ich sah Blut zwischen seinen Fingern. »Scott, was ist mit dir passiert?« Ich nahm seinen Kopf und drehte ihn etwas. »Ich glaub' ich hab' mir einen Tfahn aufgeflagen.« »Nimm' mal die Hand weg.« Auf jeden Fall war die Lippe aufgeplatzt ... und bei all dem Blut drohte mein Magen zu rebellieren. Vorsichtig zog ich die Lippe nach oben - alle Zähne waren da, wo sie hingehörten.

»Ist noch alles dran, aber das sollte sich jemand ansehen. Warte kurz.« Ich zog mein Handy aus der Tasche, während von der anderen Seite Richie und Andy Cunningham angelaufen kamen. »Was ist hier denn passiert?«, fragte Andy atemlos. »Scott ist hingeflogen und hat sich die Lippe aufgeschlagen.« Andy riss entsetzt die Augen auf. »Oh mein Gott ... Scott, wir brauchen dich nächste Woche noch beim Dreh.« Ich funkelte ihn wütend an. »Das ist wohl das geringste Problem, Hauptsache ist erst mal dass ihm nichts passiert ... Rip? Hi, Janosch hier. Bist du in der Praxis? ... Gut, dann bin ich in zwanzig Minuten bei dir, hier hat es 'nen kleinen Unfall gegeben. ... Ja, genau, unser Hauptdarsteller hat sich lang gelegt und die Lippe ist aufgeplatzt. ... Hm? ... Kann ich nicht sagen, darum sollst du ihn mir mal anschauen, auf den ersten Blick sieht alles okay aus. Wir sind gleich bei dir.«

Richie hatte sich Scott mittlerweile auch angesehen - er hatte viel länger bei Rip in der Praxis mitgearbeitet und ich traute ihm zu, dass er zumindest ein erstes Urteil abgeben konnte. Er drückte Scott vorsichtig ein Taschentuch auf die Lippe und nahm mir dann das Telefon aus der Hand. »Sieht schlimmer aus als es ist, denke ich, aber ich glaub' zwei Zähne sind etwas gelockert. Janosch bringt ihn vorbei?« Ein fragender Blick zu mir, ich nickte. »Ja, mach' ich. Scott, kannst du laufen oder hast du dir auch noch 'nen Zeh gebrochen?« »Nee, geht fon«, nuschelte Scott hinter Richies Taschentuch. »Okay, dann steh' auf und komm' mit.«

Scott rappelte sich hoch, Richie griff ihm dabei im wahrsten Sinne des Wortes unter die Arme. Andy rannte unterdessen völlig in Panik durch die Gegend. »Um Himmels Willen, was machen wir denn ohne Hauptdarsteller?« Richie winkte ab. »Ich kümmer' mich um Andy, bring' du Scott in die Praxis, aber fahr' vorsichtig.« Ich nickte. »Okay, bis nachher. Scott, pass' auf, wo du hinläufst.« Auch wenn er etwas lädiert war, konnte Scott mir immer noch auf den Arm boxen. »Bin ja nicht ganf blöd.« »Nö, das nicht, aber jetzt halt die Klappe, bis wir bei Rip sind und du von ihm das Okay kriegst wieder zu reden, klar?« Er nickte nur.

Als wir im Auto saßen und vom Studiogelände auf die Hauptstraße bogen, fragte er: »Wer ift Rip?« »Doktor Ripley Masters ist mein Stiefvater und ganz nebenbei auch noch Zahnarzt. Wenn Rip dich nicht wieder hinkriegt, wird es wohl keiner schaffen.« Scott sah mich mit großen Augen an. »Ich will aber nicht tfu einem ...« »Kerl, jetzt halt' doch mal den Mund, sonst reißt das ständig wieder auf. Ich mag Zahnärzte auch nicht, aber Rip ist wirklich okay. Und wenn du willst, bleib' ich bei dir.« Auch wenn ich wahrscheinlich mehr leiden würde als er, aber das musste ich ihm ja nicht dazu sagen ...

Kurze Zeit später kamen wir in der Praxis an. Rip empfing uns schon in voller Montur an der Tür. »Hi Leute ... ich bin Rip Masters.« Er hielt Scott die Hand hin. »Das ist Scott Madison, unser Hauptdarsteller«, antwortete ich für ihn. »Was ist passiert?« »Er ist hingeflogen und auf das Gestell von 'nem Scheinwerfer geknallt. Richie meint, es könnte sein, dass einer oder zwei Zähne gelockert sind.« »Okay, das werden wir gleich sehen. Scott, du gehst bitte ins Behandlungszimmer, und du, Janosch, ziehst dich um - außer dir ist keiner da, und einer muss vielleicht assistieren.« Ich schluckte. »Im Ernst?« »Ja, und jetzt fackel' nicht lange, das ist ein Notfall.«

Ich zog mich schnell um und ging dann ins Behandlungszimmer - wohl war mir bei der ganzen Sache nicht zumute. Zum einen hatte ich schon lange nicht mehr in der Praxis mitgearbeitet, und zum anderen hatte ich immer nur die Büroarbeiten gemacht und war nur zwei- oder dreimal mit eingesprungen, als niemand anders da war. Aber immerhin ging es hier um Scott, und ich musste spontan daran denken, dass Jason sich auch in Richie verliebt hatte, als der bei einer Behandlung assistiert hatte. Ich atmete tief durch und setzte mich dann auf den Assistentenstuhl.

Rip hatte währenddessen einen ersten Blick auf die Verletzung geworfen und das Ganze schon geröntgt, die Bilder waren gerade im Entwickler. »Und, wie sieht es aus?«, fragte ich. Rip schüttelte den Kopf. »Scott, du hast wahnsinniges Glück gehabt. Dass die Zähne noch drin sind, grenzt an ein Wunder, und das viele Blut kommt von der Lippe. Janosch, holst du bitte mal einen Eisbeutel?« Ich nickte und holte ein Kühlpack aus dem Kühlschrank ... nachdem ich ihn gefunden hatte, denn in der neuen Praxis war ich auch noch nicht oft gewesen. Die Röntgenbilder waren mittlerweile auch fertig, ich brachte sie gleich mit. Rip legte Scott den Eisbeutel aufs Gesicht und betrachtete dann die Röntgenbilder.

»Junge, du hattest wirklich Glück - ich hatte befürchtet, dass die Wurzeln vielleicht gebrochen sind, aber es ist nichts passiert. Dann müssen wir nur noch die Zähne fixieren, zwei sind tatsächlich etwas gelockert, aber das ist nicht weiter schlimm.« »Und wie geht daf?«, fragte Scott. »Ganz einfach: Ich klebe von der Rückseite einen Draht gegen die Zähne, der fixiert das ganze und wird in ein paar Wochen wieder entfernt. Du musst nur in den nächsten Wochen mit dem Essen etwas aufpassen, und in den ersten Tagen wird das Ganze wohl ein bisschen wehtun. Aber dagegen können wir etwas machen.«

Rip sagte mir, was er an Material brauchte, und machte sich dann an die Arbeit. Zum Glück musste ich wirklich nur assistieren - Watteröllchen anlegen, Lippen spreizen und solche Dinge. Ich versuchte immer Scott mit einer Hand zu berühren, damit er merkte, dass ich bei ihm war - die Angst stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Rip arbeitete schnell und sorgfältig, und nach einer halben Stunde war alles überstanden. »Hast du heute Abend schon was vor?«, fragte Rip Scott. »Äh ... eigentlich nicht.« Mittlerweile konnte er wieder normal sprechen.

»Gut. Wir haben ein paar Gästezimmer, ich würde dich bitten, dass du heute Nacht bei uns schläfst. Ich würde mir das Ganze gern heute und morgen noch mal ansehen.« Scott war genauso überrascht wie ich, und das sah man uns deutlich an. Rip zuckte mit den Schultern. »Andy Cunningham hat mich gerade angerufen und mich gebeten alles zu tun damit Scott so schnell wie möglich wieder einsatzfähig ist. Scott, noch was: Wenn Janosch nicht so besonnen reagiert hätte, dann hätte das womöglich ganz anders geendet. Das war gute Arbeit, Janosch, auch hier in der Praxis.« Rip klopfte mir auf die Schulter.

Bevor ich die Gelegenheit hatte rot zu werden, kehrte Rip wieder zum geschäftlichen Teil zurück. »Janosch, nimm' bitte Scotts Daten noch in die Praxisdatenbank auf, und behalt ihn ein bisschen im Auge.« Rip ging kurz aus dem Raum und kam mit einem frischen Kühlpaket zurück. »Hier, das andere dürfte mittlerweile warm geworden sein.« Nach all dem Schrecken der letzten Stunde war das genau die richtige Art, die Stimmung zu lockern. Auch wenn Rip es bestimmt nicht so gemeint hatte, ich konnte nicht anders und prustete los. »Was ist denn mit dir los, Janosch?«, fragte Rip leicht irritiert. »Ich ... sorry ... ich musste nur lachen weil du gesagt hast 'warm geworden'.« »Häh? Ich komm' nicht ganz mit.« Rip sah mich verwundert an.

Scott meldete sich zu Wort. »Na ja, als ich hingeflogen bin, haben Janosch und ich gerade darüber gesprochen, ob ich auch schwul bin oder nicht.« »Aha.« Keine Frage, nichts ... »Okay, das klärt ihr bitte unter euch, und kümmert euch noch um die Unterlagen. Ich hab' noch einen Patienten, Clarice müsste gleich wiederkommen.« Clarice war in der Praxis die neue Assistentin, die Rip eingestellt hatte. Nachdem Richie und Nick studierten, Anne in New York lebte und ich mir auch einen Job gesucht hatte, konnte keiner von uns in der Praxis mithelfen. »Muss ich beim essen auf irgendwas aufpassen?«, fragte Scott. Rip nickte. »Ja ... in den nächsten zwei Wochen keine harten Sachen, keine Äpfel, kein hartes Brot. Kaugummi und so ein Zeug nur mit äußerster Vorsicht, und pass' auf, dass kein großer Druck auf die Zähne kommt. Dann ist das Ganze recht schnell wieder vergessen.«

»Was hätte eigentlich passieren können wenn ich nicht hergekommen wäre? Eigentlich hat Janosch mich hergeschleift, ich wollte gar nicht«, gab Scott etwas verlegen zu. Rip grinste. »Der Junge hat das einnehmende Wesen von seiner Mutter geerbt. Scott, wenn du nicht hergekommen wärst ... na ja, in diesem Fall wäre wahrscheinlich alles gut gegangen, aber was hätte passieren können, willst du gar nicht wissen. Was anderes ... wie klappt es mit dem Sprechen, stört dich der Draht?« Scott schüttelte den Kopf. »Nee, geht schon ... ich hab' früher 'ne Spange getragen und hatte da später auch so 'nen Draht hinter den Zähnen, weil ich keine lose Spange wollte.« »Wie, das geht?«, fragte ich überrascht. Davon hatte Rip mir nie etwas erzählt.

Rip nickte. »Ja, das geht sogar hervorragend.« »Hm ... und warum hast du mir das nie gesagt?« Rip grinste. »Weil du nie gefragt hast. Und jetzt macht Euch an die Arbeit, in zwei Stunden steht zuhause das Essen auf dem Tisch. Ich werd' deine Mutter mal fragen ob sie noch irgend was für Scott zaubern kann, Janosch.« Scott und ich gingen nach vorn an die Rezeption, und Scott drehte sich noch mal um. »Äh ... Dr. Masters, darf ich eigentlich rauchen?« Rip hob eine Augenbraue. »Über die Grundsatzfragen des Rauchens diskutier' ich mit dir nicht. Wenn ihr wollt, setzt euch in mein Büro, aber du rauchst bitte nur eine, Scott, und schränkst dich heute ein bisschen ein. Morgen solltest du auch noch aufpassen, ab Sonntag kannst du dann wieder tun, was du für richtig hältst.«

Scott grinste vorsichtig. »Sie halten nicht viel davon, oder?« Ich schob Scott in Richtung Tür. »Rip raucht selbst, der spielt nur bei uns gern mal ein bisschen den Moralapostel.« Rip warf mir lachend seinen Mundschutz hinterher. »Raus hier, Jungs ... ich räum' hier auf.« Wir setzten uns ins Büro und ich holte die Unterlagen, die ich noch fertig machen musste. »Sag' mal, Janosch, wie war das gemeint dass deine Mutter was kocht? Kennt Dr. Masters deine Mutter?« Ich grinste. »Rip ist seit etwas über zwei Monaten mein Stiefvater, er und Mum haben im September geheiratet. Hatte ich vorhin übrigens schon erwähnt.« »Sorry, hab' ich wohl vergessen ... aber der Typ scheint echt okay zu sein.« Ich nickte. »Ja, ist er. Ich könnte mir keinen besseren Vater wünschen.« »Und was ist mit deinem Dad passiert?«, fragte Scott ... ich hörte so etwas wie Vorsicht in seiner Stimme mitschwingen. »Der hat seinen Wagen vor 'nen Baum gesetzt, als ich 14 war ... schade um den Baum.«

Scott sah mich entsetzt an. »Was???« »Keine Sorge, das hört sich schlimmer an als es ist. Ich erzähl' dir die ganze Geschichte heute Abend, wenn du willst, aber jetzt lass' uns erst mal das Zeug hier fertig machen - um so schneller kommen wir hier weg.« Scott nickte. »Okay.« Ich war schreibfertig. »Ich brauch' erst mal deinen vollen Namen und deinen Geburtstag«, bat ich ihn. »Scott Joshua Edward Madison, 28. Mai 1985.« »Edward?« Er zuckte mit den Schultern. »So hieß mein Großvater ... hast du einen zweiten Vornamen?« Ich nickte. »Ja, Marc.« Er lächelte. »Klingt besser.« »Ja, finde ich ehrlich gesagt auch. Adresse?«

Wir hakten die Liste Punkt für Punkt ab und waren nach einer halben Stunde fertig. »Du bleibst heute bei uns?«, fragte ich noch mal nach. Scott nickte. »Ja, Dr. Masters hat ja fast drauf bestanden.« »Du kannst ruhig Rip sagen, wie alle anderen auch«, meldete sich der Genannte aus der Tür. »Oh, sorry ... ich hab' sie gar nicht gesehen.« Scott errötete schon wieder. »Macht nichts. Wie geht's dir, alles okay?«, erkundigte er sich. »Ja, alles klar. Dr. Masters ... nochmals danke für die schnelle Hilfe.« Rip winkte ab. »Bedank' dich bei Janosch, der hat das eingefädelt und nicht ich. Und ich heiße Rip«, fügte er grinsend hinzu.

Wir fuhren in Scotts Hotel und holten ein paar Klamotten. Scott wurde in der Hotelhalle von zwei Journalisten angesprochen. Die halbe Filmcrew wohnte in diesem Hotel, und hier waren immer mal wieder Reporter zu finden, die auf der Suche nach irgendwelchen News waren. Scott spielte das Ganze herunter und wimmelte die beiden so schnell wie möglich wieder ab. Eine halbe Stunde später wurden wir zuhause von Mum in Empfang genommen. Sie begrüßte uns kopfschüttelnd. »Jungs, aus dem Alter dass ihr euch wegen irgendwas prügelt seid ihr doch schon längst 'raus?« »Nein, Mrs. Masters, so war es nicht«, setzte Scott zu einer Erklärung an. »Ich heiße Lynn und mit Nachnamen übrigens Reilly. Davon abgesehen hat Rip mir schon erzählt, was passiert ist, also keine Sorge.«

Beim Abendessen erzählten Scott, Richie und ich abwechselnd von den Dreharbeiten, und Scott - der von Rip mittlerweile wieder grünes Licht zum Reden bekommen hatte - erzählte ein bisschen von seinen anderen Filmen. Später saßen wir noch im Garten - in L.A. war das auch im November ziemlich gemütlich -, und so gegen zehn Uhr wollte Rip noch einmal einen Blick auf Scotts »Kriegsverletzungen« werfen, wie er sich scherzhaft ausdrückte. Es gab nichts zu beanstanden, und wir beschlossen, ins Bett zu gehen.

Ich zeigte Scott sein Zimmer und das Bad, er wollte noch schnell duschen, bevor er sich hinlegte. Die Idee war nicht schlecht - im November war es in L.A. zwar nicht mehr ganz so heiß, aber im Studio herrschte schon allein durch die Scheinwerfer immer eine wahnsinnige Hitze. Das Bad war groß genug, aber als ich unter die Dusche stieg, fiel Scott natürlich etwas auf. »Was hast du da denn mit deiner Haut gemacht?« Er meinte die Brandnarben. »Gehört mit zu der Sache mit meinem Vater, das erzähl' ich dir gleich in Ruhe. Kommst du 'rüber in mein Zimmer, wenn wir hier fertig sind?« Er nickte »Okay.«


Als ich wieder in mein Zimmer ging, gab ich im Vorbeigehen Scott Bescheid, dass ich fertig war. Wir setzten uns auf mein Bett, beide nur mit einer Shorts und einem T-Shirt bekleidet. Um ehrlich zu sein, Scott brachte mich mit diesem Aufzug schon ein wenig aus dem Konzept. Auch wenn seine Lippe noch etwas lädiert war, sein süßes Lächeln hatte kein bisschen gelitten und mit den noch feuchten Haaren war er einfach zum anbeißen. »Du wolltest etwas erzählen?«, fragte er. Ich nickte und zog mein T-Shirt etwas hoch. »Du wolltest wissen, was das hier ist?« Er strich vorsichtig mit den Fingerspitzen über die Narben. »Sieht schlimm aus.« »Das sind Brandwunden von Zigaretten.« Er wurde blass. »Im Ernst?« Ich nickte. »Ja, im Ernst.« »Und wer hat dir das angetan?« »Mein Vater - nicht Rip, mein leiblicher Vater.«

Ich erzählte ihm die ganze Geschichte von Anfang an - vom ersten Mal, an dem mein Vater mich vergewaltigt hatte, über seine kleinen Bestechungsversuche und die Abscheulichkeiten, die er sich im Laufe der Zeit so hatte einfallen lassen. Davon, wie Luke schließlich dahintergekommen war, von Rip und Roland, von dem Versuch, Mum zu überzeugen. Natürlich auch von David, von der Therapie und später von Lars. Die Narben an meiner rechten Hand waren immer noch zu sehen - das war passiert, als ich mir am ersten Abend mit Lars die Hand aufgeschnitten hatte, nachdem ich wieder einen Flashback gehabt hatte. Zwei Stunden lang erzählte ich einfach nur, und Scott hörte mir schweigend zu.

Das war das erste Mal, dass ich die ganze Geschichte erzählen konnte, ohne dass mir bei den Erinnerungen daran wieder die Tränen in die Augen stiegen. Das fiel auch Scott auf. »Du wirkst so kalt und unbeteiligt.« Ich zuckte mit den Schultern. »Das meiste davon liegt mittlerweile über vier Jahre zurück ... und ich denke, ich hab' das ganze hinter mir. Ich kann mit mir normal umgehen, und was passiert ist, ist nun mal passiert.« Scott nahm meine Hand. »Ich finde dich wirklich bemerkenswert, Janosch.« »Wieso?« Ich war etwas erstaunt. »Na ja ... ich weiß nicht, ob ich das ganze so verkraftet hätte. Du hast eine tolle Art an dir.«

Ich war etwas verwirrt - und diese plötzliche körperliche Nähe war nur zum Teil die Ursache dafür. »Inwiefern? Ich bin nicht viel anders als andere auch.« Scott lächelte. »Ich weiß nicht was es ist, aber vielleicht gehst du nach dem, was mit dir passiert ist, einfach anders mit Menschen um. Zum Beispiel unser erstes Treffen. Als ich dich gefragt hab' ob du schwul bist, da kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen, und das klang ein bisschen nach 'Entweder du akzeptierst das oder du kannst mir gestohlen bleiben.' Und das find' ich toll.« Jetzt lächelte ich. »Hm ... das klang vielleicht etwas aggressiver als ich wollte, aber das bringt mich zu einer anderen Frage: Ich weiß immer noch nicht, ob du schwul bist oder nicht.« »Und wenn ich es wäre?« Ich nahm seine Hand in beide Hände. »Ich weiß es nicht, Scott ... aber der Grund, dass ich dir ein bisschen aus dem Weg gegangen bin, war einfach weil ich mich in dich verliebt habe. Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe.«

Er grinste schüchtern. »Ich glaub' so charmant hat mir das noch niemand gesagt.« Ich sah ihn erwartungsvoll an. »Janosch, es tut mir leid ... ich bin nicht schwul, um endlich deine Frage zu beantworten. Aber in deinem Fall bedaure ich das wirklich fast ein wenig.« Er zögerte einen Moment, dann stand er auf und nahm mich in den Arm. »Hey, ich mag dich wirklich gern, mein Kleiner, und ich fände es schön wenn wir Freunde werden könnten.« Ich drückte ihn fest an mich. Ihm einmal so nahe zu sein, das war schon lange ein Traum von mir gewesen. Und obwohl ich wahnsinnig enttäuscht war, dass Scott »keiner von uns« war, war ich in diesem Moment trotzdem glücklich.

Wir hielten uns eine Weile im Arm, und schließlich sagte Scott: »Janosch, mach' Dir jetzt bitte keine falschen Hoffnungen ... aber wenn ich darf, würde ich heute Nacht gern bei dir im Bett schlafen.« Ich sah ihm lange ihn die Augen. »Scott, ich hab' nichts dagegen - aber bist du sicher, dass du das wirklich willst?« Er nickte. »Ja, bin ich.« »Okay, dann leg' dich zu mir.« Zum Glück hatte ich eine große Bettdecke, so dass wir beide genügend Platz hatten. Ich spürte die Wärme seines Körpers an meiner Seite, und nach anfänglichem Zögern rutschten wir etwas enger zusammen ... Für alle, die sich jetzt dieselbe Hoffnung machen wie ich auch an diesem Abend - dass nämlich etwas Heißes läuft -: Ich muss euch enttäuschen, es lief gar nichts. Wir schliefen zusammen ein, und ich war superglücklich, dass Scott überhaupt bei mir war.


Zwischenspiel

Trotz Scotts Verletzung hatten wir die Dreharbeiten zu »Beaten« noch im November beenden können, aber für die Post Production war deutlich mehr Zeit draufgegangen, als zunächst eingeplant war. Es gab Probleme mit dem Soundtrack - der Komponist hatte etwas völlig anderes geliefert, als die Produzenten für den Film wollten, andere waren mit dieser Version aber ganz zufrieden. Allein dieser Streit zog sich über zwei Wochen hin, in denen gar nichts lief. Eine der Filmrollen war kurzfristig verschollen, somit verzögerte sich der Schnitt des Films auch noch einmal, und es gab noch weitere Dinge, die das Ganze durcheinanderbrachten.

Scott und ich hielten den Kontakt aufrecht. Nach unserem Gespräch in meinem Zimmer hatten wir uns richtig gut angefreundet und waren vielleicht nicht gerade unzertrennlich, aber zumindest sehr eng befreundet. Wir redeten viel miteinander, über alle möglichen Themen. Hin und wieder kuschelten wir auch ein bisschen, aber das war etwas rein freundschaftliches. Ich genoss nahezu jeden Moment, den ich mit Scott verbringen konnte, egal in welcher Situation. Wir machten viele Spaziergänge am Strand entlang, er zeigte mir Los Angeles, und einmal war er sogar mit mir in einem schwulen Club. Allerdings hatte er sich vorher zwei Wochen lang nicht rasiert und nahm in dem Laden weder die Sonnenbrille noch die Baseballmütze ab. Wenn ihn jemand ansprach, gehörte er eben zu mir.

Im Großen und Ganzen hatten wir eher ein brüderliches Verhältnis. Scott war nur ein wenig älter als ich, und wenn wir zusammen waren, merkte ich den Altersunterschied zwischen mir und Luke. Luke war immer der ältere und vernünftigere von uns gewesen, nicht gerade ein Draufgänger, aber eben der typische große Bruder. Bei Scott war das anders. Nach einiger Zeit verband uns ein tiefes Vertrauen und wir konnten über alles reden. Mein anfängliches Verliebtsein pendelte sich irgendwann auch auf einer freundschaftlichen Ebene ein, und ab diesem Punkt verstanden wir uns sogar noch besser als vorher.

Zu meinen schönsten Erinnerungen in dieser Zeit gehörte eine Fahrt quer durch den amerikanischen Südwesten: Wir fuhren von Los Angeles aus erst nach San Diego und machten einen kurzen Abstecher nach Tijuana in Mexiko. Durch das San Bernardino Valley ging es wieder nordwärts - Fresno, San Francisco, Sacramento, dann weiter bis nach Portland in Oregon. Über Salt Lake City und die Salzseen von Utah fuhren wir schließlich zurück, natürlich nicht ohne einmal in Las Vegas gewesen zu sein, was von Salt Lake City aus praktisch auf der Strecke nach Los Angeles lag. Alles in allem waren wir zwei Wochen am Stück unterwegs. Scott kannte sich in Kalifornien gut aus, und selbst im Winter war die Landschaft wunderschön. Wobei wir den Winter eigentlich nur in Oregon bemerkten, in Nevada und Kalifornien wurde es ja nie so richtig kalt.

Auch der Kontakt zur Crew war nicht ganz abgerissen - ich hatte Sylvester mit Scott und einigen der anderen Darsteller in Los Angeles verbracht, Richie und Jason feierten auch mit uns. Jason war seinerzeit ebenfalls ein heiß begehrter Teenstar gewesen, und ein Teil des Abends ging für eine Diskussion über Karrieren in Hollywood drauf. Die Jungs sprachen über Leute, von denen ich noch nie vorher gehört hatte, und spätestens in diesem Moment wurde mir klar, dass ich eigentlich nicht so richtig dazugehörte. Das sagte mir zwar keiner, aber ich hatte einfach so ein Gefühl. Die Dreharbeiten zu »Beaten« hatten mir eine schöne Zeit beschert, aber für mich stand fest, dass ich nicht weiterhin als Schauspieler arbeiten wollte. Vielleicht noch mal in einer Nebenrolle, aber nicht als Profi.

Die Arbeit beim Film machte mir trotzdem Spass, und so entschloss ich mich, dieselbe Schiene einzuschlagen, die auch Jason und Richie nahmen. Einen Tag nach meinem 19. Geburtstag im Februar 2005 schrieb ich mich also an der UCLA ein und plante, im April mit Beginn des neuen Semesters mein Studium zu beginnen. Doch vorher stand erst mal noch ein ganz besonderes Ereignis an: die Premiere von »Beaten«, bei der noch einmal das gesamte Team zusammenkommen und sich feiern lassen würde. Einige Journalisten hatten schon eine Rohfassung des Films gesehen, und die Kritiken waren ziemlich gut - auch wenn wir alle als jüngere Schauspieler nicht so richtig ernst genommen wurden, außer Scott wurde eigentlich niemand besonders erwähnt.

Abgesehen davon, dass Scott mittlerweile wohl mein bester Freund war, kehrte bei uns wieder der Alltag ein. Richie und Jason verbrachten viel Zeit in der Uni, Mum hatte in ihrem neuen Job einiges zu tun, ich jobbte ein bisschen im Studio und Rip verbrachte viel Zeit in der Praxis. Mein Oldsmobile machte seinem Namen alle Ehre - er war alt und auch nicht das Schnellste, aber zuverlässig. Wenn ich mit Rip unterwegs war, musste ich ihn immer ein bisschen bremsen - nach über zwanzig Jahren in Deutschland hatte er sich daran gewöhnt, dass auf den Autobahnen kein Tempolimit galt. Auf den kalifornischen Highways lag die Höchstgeschwindigkeit jedoch bei höchstens 65 Meilen pro Stunde.

Hin und wieder holte ich Rip in der Praxis ab, oder er mich im Studio. Manchmal half ich auch in der Praxis mit, aber nur wenn wirklich viel zu tun war. In letzter Zeit hatte ich aber fast das Gefühl, dass Rip mich nicht in der Praxis haben wollte - wenn ich ihn danach fragte, meinte er jedenfalls, es wäre nicht so viel zu tun. Als ich ihn eines Abends abholen wollte, sah ich den Wagen von Stewart Colham wegfahren. Ich nahm an, das hätte noch etwas mit der Sache mit Scott zu tun, aber ich vergaß, Rip danach zu fragen.

Einige Tage vor der Premierenfeier holte uns der Job wieder ein: Wir wurden zu einem Interview mit einem amerikanischen Jugendmagazin eingeladen. Ich erinnere mich noch, dass ich ziemlich aufgeregt war, aber Scott schaffte es, mich vorher halbwegs zu beruhigen. Es machte Spass, einfach mal wieder mit den anderen Jungs ein bisschen 'rumzualbern, und auch die beiden Reporter vom American TeenMag hatten offensichtlich ihren Spass dabei - auch wenn mancher Scherz auf ihre Kosten ging ...

Beaten - Die Stars bei uns

Schon seit einigen Jahren ist der Teenie-Film bei euch wieder hoch im Kurs. Boys und Girls von nebenan, das ist das, was heute in ist. Demnächst kommt die Verfilmung des Bestsellers Beaten von Steward P. Colham ins Kino, und wir haben vorab für euch Scott Madison(Jeremy), Andy Garrett(Brad), Jonathan Reilly(Blondie) und Barry Langley(Curtis) gesprochen!

ATM: Jungs, schön, dass ihr heute hier seid. Beaten ist abgedreht, und erst mal wollen wir von Euch wissen, was ihr von dem Film haltet. Habt Ihr schon die fertige Fassung gesehen?
Scott: Nein, wir haben bisher nur ein paar Rohfassungen zu sehen bekommen, aber die sehen gut aus.
ATM: Habt Ihr vorher schon das Buch zum Film gelesen?
Andy: Ja, aber eher zufällig - meine Mutter verschlingt alles was von Colham erscheint, und sie meinte, das Buch könnte mich auch interessieren.
Jonathan: Ich kannte das Buch vorher nicht, ich hab' es erst gelesen als ich das Angebot bekommen habe, in dem Film mitzuspielen.
Barry: Mir ging es wie Jonathan - ich les' normalerweise nicht viel, weil mir einfach die Zeit fehlt. Bevor wir mit dem Film angefangen haben, hatten wir ziemlich viel mit »West Hollywood« zu tun.
ATM: Ihr seid ja alle unterschiedlich zu diesem Film gekommen - Barry, dich kennt man aus »West Hollywood« schon länger, und du, Scott, warst mit deinem letzten Film schon ziemlich erfolgreich. Andy hat auch schon eine Menge Filme zu verbuchen, und Jonathan ist quasi der Neue im Team. Der neue Mädchenschwarm?
Jonathan: (lacht) Nein, das denke ich nicht. Die Rolle überlasse ich Scott, der ist der bessere Herzensbrecher von uns beiden.
ATM: Jonathan und Barry, ihr spielt zwei schwule Jungs in dem Film. Ist das nur gespielt oder seid ihr für die Mädels wirklich unerreichbar?
Barry: (grinst schüchtern) Also ich hab' schon auf beiden Seiten meine Erfahrungen gemacht, und ich will mich momentan noch nicht festlegen. Ich denke es kommt auf den Menschen an und nicht auf das Geschlecht.
Jonathan: (mit einem etwas überraschten Blick zu Barry) Was den Punkt angeht musste ich nicht viel üben - ich bin auch im richtigen Leben schwul.
ATM: InBeaten geht es ja unter anderem um eine schwule Jugendgruppe. Jonathan, glaubst du, dass der Film die Realität in dieser Hinsicht trifft, oder ist das eher überzogen dargestellt?
Jonathan: Dazu kann ich nicht viel sagen ... ich bin erst vor einigen Monaten aus Deutschland hier in die USA gekommen und hab' hier noch keine Jugendgruppe erlebt. Aber in Europa geht man mit schwulen Jungs wesentlich toleranter um, als hier in Amerika. Wobei L.A. da noch 'ne Ausnahme ist.
ATM: Gab es mit deinem Schwulsein bei den Dreharbeiten irgendwelche Probleme?
Jonathan: Nein, überhaupt keine. Einige wussten davon, andere nicht, und bis auf Scott hier hat auch niemand nachgefragt. (grinst)
ATM: Scott, woher rührte das Interesse?
Scott: (klopft Jonathan auf die Schulter) Na ja, der Kleine hier drohte mir meinen Rang als Cutie vom Dienst abzulaufen und ich wollte nur wissen, ob er mir bei den Girls vielleicht Konkurrenz macht. (Die anderen fangen an zu lachen)
Barry: Dann solltest du aber noch dazusagen dass du bei den meisten ohnehin abgeblitzt bist, Scotty. (Scott wird rot)
ATM: Gutes Stichwort, Barry - wie lief die Zusammenarbeit? Gab es so etwas wie einen Konkurrenzkampf zwischen euch oder ging da alles glatt?
Barry: (schüttelt den Kopf) Nein, das war überhaupt kein Thema. Während der Dreharbeiten selbst hatten wir viel zu viel um die Ohren und abends waren wir zu müde für so was. Wir haben die Zeit lieber genutzt, um zusammen das Set unsicher zu machen.
Andy: Ja, besonders unsere Maskenbildnerin hatte zu leiden, die war ziemlich oft unser Opfer. Aber auch die anderen haben ihren Anteil bekommen, genauso wie wir übrigens auch.
Jonathan: Oh ja ... ich weiß noch wie Jenny mir an einem Drehtag noch schnell die Haare zurechtlegen wollte, und dazu hat sie immer 'ne Sprühflasche mit Wasser mit sich 'rumgeschleppt. Scott hatte da irgend 'ne Farbe 'reingeschüttet, die aber erst zu sehen war, wenn das Zeug trocknete. Als ich dann beim dritten Take für die Szene im Licht stand, fingen plötzlich alle an zu lachen, weil man das grün auf den blonden Haaren sofort sehen konnte.
Scott: Das war aber nur die Revanche für die Leuchtfarbe auf den Klamotten. Da sollten Jon und ich nachts über das Schulgelände schleichen, natürlich mit dunklen Klamotten, damit uns niemand sieht. Ich hatte in einer Drehpause die Jacke ausgezogen und in die Ecke gelegt, und als wir den nächsten Take drehen wollten und das Licht ausging hab' ich geleuchtet wie ein Weihnachtsbaum. Jon stand neben mir und kringelte sich vor Lachen.
ATM: Jonathan, noch mal ganz kurz zu dir ... du hast erzählt, dass du noch nicht lange hier in Amerika lebst. Woher kommst du eigentlich, und wie hat es dich hierher verschlagen?
Jonathan: Gebürtig stamme ich aus Hamburg in Deutschland. Hierher gekommen bin ich per Zufall ... meine Mutter hat vor kurzem wieder geheiratet und mein Stiefvater ist Amerikaner. Der wollte schon lange wieder in seine Heimat, und ich hätte entweder bei meinem Bruder wohnen oder mitkommen können.
ATM: Und wie hast du dich hier eingelebt?
Jonathan: (grinst) Na ja, meine Stiefgeschwister kannten hier schon einige Leute, und durch die Dreharbeiten hab' ich auch viele kennengelernt. Ich fühl' mich hier wohl. L.A. ist einfach fantastisch, vor allem die Gegensätze sind krass.
ATM: Die Dreharbeiten sind vorbei, in ein paar Tagen ist Premiere für den Film. Wisst ihr schon, was ihr als nächstes macht?
Barry: Ich werde weiter in »West Hollywood« mitspielen, mein Vertrag ist gerade noch mal verlängert worden.
Scott: Andy und ich haben das Angebot bekommen, einen Film in Australien zu drehen. Wir werden dort zwei Brüder spielen, die über die dunkle Vergangenheit ihres Vaters stolpern. Mehr dürfen wir dazu noch nicht sagen.
Jonathan: Ich werd' erst mal anfangen zu studieren, und dann mal schauen was sich so ergibt.
ATM: Jungs, wir danken Euch für das Interview!


11. März 2005, Premierenfeier

Irgendwie konnte ich auf einmal nachvollziehen, wie es Rip bei der Hochzeit ging. Ich war genauso nervös wie er an dem Tag, also war es jetzt umgekehrt - Rip war cool wie immer. Er rückte mir die Krawatte zurecht. »Mann, das ist schon das zweite Mal in diesem Jahr, dass ich mit dem Kulturstrick 'rumlaufe.« Rip grinste und klopfte mir auf die Schulter. »Gewöhn' dich schon mal dran - wenn du in zehn oder 15 Jahren zu den Top-Regisseuren gehörst, wirst du öfter in dem Aufzug 'rumlaufen.« Ich schüttelte den Kopf. »Wo hast du eigentlich den Optimismus her, kann man den irgendwo kaufen?« »Ja, aber nur im Zehner-Pack und auch nicht überall. So, und jetzt ab ins Auto, wenn wir pünktlich da sein wollen, müssen wir uns beeilen.«

Rip hatte sich ebenfalls in Schale geworfen. Einige Tage nach Scotts Unfall hatte er von Stewart Colham und Andy Cunningham zwei Ehrenkarten für die Premierenfeier bekommen, als »kleines Dankeschön«, wie Andy geschrieben hatte. Richie war als Regieassistent sowieso dabei, und somit war die Familie Masters/Reilly recht zahlreich vertreten. Als wir vor dem großen Kino ankamen, in dem die Premiere stattfinden sollte, warteten schon ganze Horden von Fans vor dem Kino. In den letzten vier Wochen waren einige Zeitungsartikel über den Film erschienen, mit Fotos von uns allen, und selbst ich wurde ein paar Mal nach Autogrammen gefragt. Irgendwie war ich völlig irritiert ... ich hatte noch nie so im Rampenlicht gestanden, und so richtig wohl fühlte ich mich nicht in meiner Haut.

»Immer nur Lächeln und hin und wieder ein paar freundliche Kommentare ablassen, der Rest geht von alleine«, flüsterte mir Jason von hinten ins Ohr. »Na ja, wird schon schiefgehen.« Wir gingen über den ausgerollten roten Teppich ins Kino und wurden vom Produktionsteam empfangen. »Hallo Leute, schön dass ihr da seid.« Andy Cunningham schüttelte uns allen die Hände. »Nehmt euch was zu trinken, es dauert noch ein bisschen bis der Spuk hier losgeht.« Ich schaute mich im Foyer des Kinos um. Es waren wirklich alle da, die etwas mit dem Film zu tun hatten. Fiona stand mit ihrem Handy am Ohr in einer Ecke, Andy Cunningham wuselte von einem zum anderen, um jeden persönlich zu begrüßen, und Scott stand mit Barry Langley und Andy Garrett am Buffet. Scott winkte mir zu.

Ich gesellte mich zu meinen Kollegen. Scott klopfte mir auf die Schulter. »Na, Kleiner? Schon die Nase voll von den kreischenden Fans?« »Nee, bisher noch nicht.« Andy grinste. »Keine Sorge, das kommt noch. Aber jetzt trink' erst mal was ... Schampus gefällig? Schließlich sind wir zum feiern hier.« Ich schüttelte den Kopf. »Bloß nicht. Lieber 'ne Cola.« Andy winkte einem der Jungs zu, die bedienten. »Mach' bitte mal 'ne Coke für das Vorbild aller Autofahrer hier fertig.« »Ey!« Ich boxte Andy auf den Arm. »Hey, der Kleine wird wild.« Ich grinste ihm ins Gesicht. »Ich bin locker zwei Zoll größer als du, Andrew Garrett, also pass' auf was du sagst.« Scott schüttelte den Kopf. »Jungs, zum Schlammcatchen geht es draußen. Aber holt vorher noch ein paar Mädels dazu, damit ich auch was davon hab'.«

Barry, Andy und ich prusteten los. »Jetzt hör' sich einer diesen Macho an«, meinte Barry. »Und außerdem, lieber Scott, wenn hier einer mit Johnny flirten würde, dann bin ich das - Andy ist ja wohl noch mehr auf die Mädels fixiert als du, wenn das überhaupt geht.« Barry legte mir den Arm um die Schulter, und Scott fiel die Kinnlade herunter. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, wurden wir von einem Fotografen angesprochen. »Ah, die vier Hauptdarsteller. Kann ich ein Foto von euch machen?« Wir stellten uns in einem lockeren Halbkreis auf. Nach wenigen Sekunden sah ich durch das Blitzlicht gar nichts mehr, und als ich meine Umwelt wieder halbwegs wahrnehmen konnte, stand Stewart Colham vor mir.

»Janosch, schön dass du auch hier bist.« »Na ja, die Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen.« Colham nickte. »Das wäre auch die erste Premiere ohne einen der Hauptdarsteller gewesen. Und, haben dir die Dreharbeiten Spass gemacht?« »Hm ... ja, das schon. Aber ich glaube dauerhaft wäre das nichts für mich.« »Ich habe gehört, du hast mittlerweile angefangen zu studieren?« Ich nahm meine Cola und schlenderte mit Colham zusammen durchs Foyer. »Ja, ich hab' mich vor ein paar Wochen an der UCLA eingeschrieben.« Wir plauderten noch ein bisschen über das Studium, aber irgendwie konnte ich Colham immer noch nicht einschätzen. Er sah mich die ganze Zeit mit so einem verschmitzten Lächeln an, dass ich absolut nicht einordnen konnte.

Schließlich wurde er von einem Journalisten angesprochen, der noch einige Fragen an ihn hatte. »Janosch, wir sehen uns bestimmt nachher noch. Genieß' erst mal die Premiere, das erste Mal ist ja bei fast allen Dingen etwas Besonderes.« Er zwinkerte mir zu und ließ mich dann dort stehen wo ich war. Er folgte dem Journalisten, und ich sah, dass er zwischendurch noch einige Worte mit Rip wechselte. Mum war auch dort, sie unterhielt sich etwas abseits mit einer Frau, die ich nicht kannte. Als Rip mich sah, kam er auf mich zu.

»Und, blickst du bei dem Chaos hier noch durch?«, erkundigte er sich. »Hm ... abgesehen davon, dass hier mehr Journalisten vertreten sind als Leute von der Crew, ja. Woher kennst du Stewart Colham eigentlich?« »Wie kommst du darauf, dass wir uns kennen?«, fragte er etwas verwundert. »Weil ich gerade gesehen habe dass ihr miteinander gesprochen habt.« Rip geriet ein wenig ins Stottern. »Ich ... na ja, ich hab' das Buch auch gelesen und ihn erkannt, und er hatte mir ja auch die Karten für die Premierenfeier geschickt.« Es war seltsam, aber ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass Rip mir nicht so ganz die Wahrheit sagte. Ich musterte ihn prüfend, sagte aber nichts.

Ein gedämpfter Gong ertönte. Rip klopfte mir auf die Schulter. »Also, dann heißt es für dich jetzt: auf in die Höhle des Löwen, es geht los.« »Weißt du wo hier die Toiletten sind? Ich glaub' ich hab zu viel Kaffee getrunken.« Rip lächelte. »Ich denke eher das liegt an der Nervosität. Da hinten den Gang 'runter, aber beeil' dich.« Ich fand die Toiletten und war rechtzeitig zum Beginn des Films im Saal. Die letzten Leute suchten sich noch ihre Plätze. Ich sollte bei Mum und Rip sitzen. Colham hatte seinen Platz schon gefunden. Neben ihm saß die Frau, mit der Mum sich unterhalten hatte, und sprach mit einem Jungen, den ich aber nicht genauer sehen konnte - er hatte mir den Rücken zugewandt.

Das Licht verlosch, der Vorhang öffnete sich und dann sah ich die erste Szene, die ich bestens kannte: Scott und ich, beide klatschnass, in Decken gehüllt. In unseren Gesichtern spiegelten sich rote und blaue Lichter von Streifenwagen, und ein Polizist stellte uns einige Fragen. Ich selbst - also der Janosch im Publikum, nicht der Blondie auf der Leinwand - schaffte es endlich, mich etwas zu entspannen und genoss den Film. Komplett hatte ich ihn auch noch nicht gesehen, das Beste, was ich bis dahin in die Finger bekommen hatte, war ein Rohschnitt gewesen.

Die zwei Stunden, die der Film dauerte, gingen recht schnell vorbei, allerdings konnte ich bis dahin noch keine Reaktionen ausmachen. Langsam setzte allerdings die mir schon bekannte Nervosität wieder ein, denn gleich würde ich wissen, wie der Film ankam. Und ich war mir ehrlich nicht sicher, ob ich das so genau wissen wollte, wenigstens in diesem Moment nicht. Das Licht verlosch, der Vorhang schloss sich ... und Beifall brandete auf. Andy Cunningham stand auf, ging nach vorn auf die kleine Bühne vor der Leinwand und winkte uns zu sich. Wir folgten ihm, und auch Scott, Barry und Andy Garrett stand die Erleichterung deutlich ins Gesicht geschrieben.

Der Saal leerte sich, alles Weitere würde draußen stattfinden. Mum umarmte mich. »Toll, Janosch - du machst auf der Leinwand wirklich eine gute Figur.« Rip nahm mich ebenfalls in den Arm, viele Leute gratulierten mir. Einige Presseleute überhäuften mich mit Fragen, die ich gar nicht so schnell beantworten konnte, wie sie mir gestellt wurden. Aus dem Nichts heraus entwickelte sich eine kleine Pressekonferenz, bei der wir alle noch mal Rede und Antwort stehen mussten. Die Atmosphäre war jetzt deutlich entspannter als noch eine halbe Stunde zuvor.

Gegen halb eins verzogen wir vier uns aus dem Foyer und suchten uns einen kleinen Raum etwas abseits, wo wir ungestört waren. Für Scott waren solche Premieren ja schon fast Routine, aber auch er sah müde aus. Er ließ sich auf ein Sofa fallen, dass im Raum stand, zog seine Schuhe aus und legte die Füße auf den Tisch. »Mann, manchmal sind diese Pressefuzzis echt nervig.« Barry verdrehte die Augen. »Wem sagst du das ... seit dem Interview mit dem American Teenmag werde ich ständig gefragt, ob ich momentan einen festen Freund hätte.« Scott grinste. »Na, selbst Schuld - was bindest du den Leuten das auch auf die Nase?« Barry zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung ... vielleicht weil ich keine Lust hab' mich zu verstecken, wenn ich mal 'nen Freund habe.«

Scott musterte uns beide. Barry hatte sich auf den Fußboden gesetzt und lehnte mit dem Rücken an der Wand, ich stand neben ihm und fummelte eine Zigarette aus der Schachtel. »Warum seid ihr beide eigentlich nicht zusammen?«, fragte er uns dann. Barry und ich sahen uns an, und wir beide konnten uns ein Lächeln kaum verkneifen. »Wie kommst du denn auf die Idee?« »Ihr habt doch beide was für Jungs übrig, und soweit ich das beurteilen kann, seht ihr gar nicht mal so schlecht aus. Für Typen jedenfalls.« »Pfft. Jetzt hör' dir den Typen an.« Scott grinste immer breiter. »Na ja, was ist euch denn so an einem Typen wichtig? Ich mein', worauf achtet ihr zuerst?«

Barry und ich sahen uns wieder an. »Also ich achte zuerst aufs Gesicht, vor allem auf die Augen«, antwortete ich dann. Barry nickte. »Ja, ich auch - und auf die Hände.« »Auf die Hände?«, hakte Scott nach. »Willst du wissen ob die als Handwerkszeug geeignet sind, oder wie?« Barry lächelte zuckersüß. »Mein lieber Scott, es gibt noch mehr Varianten als nur die Hände zu benutzen. Soll ich dir welche zeigen?« Scott wurde rot und fing an zu stottern. »Ich ... äh, ich glaube ich weiß was du meinst.« Barry stand auf und ging auf Scott zu. Dessen Gesichtsfarbe wechselte von rot zu weiß. »Barry, mach' nichtsm was du später bereuen könntest.«

Barry nickte. »Stimmt. Wenn ich mir das richtig überlege ... ich finde Janosch sowieso süßer.« Scotts Gesicht nahm wieder einen normalen Farbton an. »Dann bin ich ja beruhigt. Aber eigentlich könntet ihr doch mal was miteinander anfangen.« Barry zog die Augenbrauen hoch. »Es gibt noch etwas, dass mir wichtig ist. Mein Freund müsste gut küssen können.« »Ja und? Das könnt ihr doch ausprobieren.« Barry sah mich fragend an, ich zuckte mit den Schultern. Ich wäre zwar nicht auf die Idee gekommen, ihn anzubaggern, aber ein bisschen flirten ... warum nicht?

Barry ging langsam auf mich zu und legte mir dann seinen Arm um die Schulter. Wir sahen uns in die Augen, er lächelte, und dann küsste er mich auf die Lippen. Ich erwiderte den Kuss ebenso sanft, und wir vertieften das Ganze ziemlich schnell. Andy Curtis zwinkerte Scott zu. »Eigentlich wären die beiden doch ein schönes Paar, oder?« Barry löste seine Lippen von meinen und flüsterte mir dann ins Ohr: »Versteh' das nicht falsch ... ich glaub' als Freund wärst du nicht mein Typ. Aber ehrlich gesagt hätte ich nichts dagegen, diesen Abend ungestört mit dir beenden zu können.« Damit hatte ich nun nicht gerechnet ... aber ich hätte auch nichts dagegen gehabt. Wenn nicht in diesem Moment die Tür aufgegangen wäre.

Andy Cunningham kam herein und verharrte mitten in der Bewegung. »Äh ... stör' ich euch bei irgendwas?« Barry grinste. »Klar, wir hatten uns gerade auf eine kleine Orgie vorbereitet. Aber die können wir verschieben. Was gibt es denn?« »Aufstellen für die letzte Fotosession ist angesagt, die Presse hängt mir die ganze Zeit auf dem Hals und will wissen wo ihr seid.« Scott verdrehte die Augen zur Decke. »Langsam reicht es mir aber auch.« Die beiden Andys nickten. Ergeben folgten wir Andy Cunningham auf den Flur und zurück in den Saal. »Über den Abend sollten wir aber noch mal nachdenken«, raunte Barry mir unterwegs ins Ohr. Ich lächelte ihn an. »Kein Problem, von mir aus gern.«

Zum hoffentlich letzten Mal für diesen Abend gaben wir uns den Reportern hin. Das Ganze dauerte etwa eine halbe Stunde, und plötzlich waren aller Journalisten wie vom Erdboden verschluckt. Die geladenen Gäste waren allerdings größtenteils noch anwesend. Jetzt unterhielten sich alle plötzlich viel ungezwungener - vor allem die Leute vom Film sprachen über anstehende Projekte. Plötzlich spürte ich von hinten eine Hand auf meiner Schulter und hörte eine Stimme, die mir bekannt vorkam und die mich auf Deutsch ansprach: »Die blonden Haare stehen dir aber ziemlich gut, Kleiner.« Ich drehte mich um, sah mein Gegenüber an, sah noch einmal hin. Den Jungen, der vor mir stand, hatte ich zuletzt vor fünf Jahren gesehen. Die Stimme war etwas tiefer, als ich sie in Erinnerung hatte. Ihr Besitzer hatte etwas markantere Gesichtszüge bekommen und war natürlich keine fünfzehn mehr, aber trotzdem erkannte ich ihn sofort ...

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