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Nils und Jakob

Teil 3 - Urlaub

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Nils

„Kann ich euch denn auch alleine losschicken?“

Mama ist wie ein Huhn!

„Oh Mutti! Das haben wir doch alles besprochen!“

„Nenn mich nicht Mutti! Sag Mama zu mir, wie sonst auch!“

„Mama…“

„Nein, mir ist das wichtig! Was tut ihr zuerst, wenn ihr angekommen seid?“

„WAS TUT IHR ZUERST, WENN IHR ANGEKOMMEN SEID?“

„Wir rufen sofort hier an“ flüstert Jakob.

„Wir rufen sofort hier an“ sage ich.

„Und dann?“

„Wir bitten den Portjeh um Unterstützung“

„Wir bitten den Portier um Unterstützung“

„Wenn das Geld zu Ende ist?“

„Mama, das Geld reicht…“

„WENN DAS GELD ZU ENDE IST?“

„Wir gehen zur Bank und heben was von meinem Sparbuch ab. Das Geheimwort von meinem Sparbuch lautet: Jakob“

„Das Geheimwort von deinem Sparbuch lautet jetzt: xY1h22m. Schreib es dir auf!“

„Aber, ich hab doch Jakob angegeben“.

„Und ICH habe das wieder ändern lassen. Jakob!! Da kommt doch jeder drauf“

Widersprich niemals einer Frau! Warte drei Minuten, dann tut sie es selber!

„In Tralee kennt uns doch niemand!“

„Ich möchte das aber so! Wenn ihr zurück seid, kannst du das ja wieder ändern.“

„Ja, genau! Weil uns in Tralee niemand kennt, aber uns hier alle kennen, kann ich das wieder ändern! Toll! Ist ja richtig sicher!“

„HIER wird das Sparbuch ja auch eingeschlossen.“

„Ok, ok, ich ändere das wieder, wenn wir zurück sind“

FALLS wir zurückkommen!

„So, und nun pack’ deine Sachen. Jakob ist schon fertig“

„Jakob hat seine Sachen gestern mit hierher gebracht. NATÜRLICH IST ER FERTIG!“

„Rede nicht in diesem Ton mit mir! Sonst storniere ich die Billetts, und dann bleibt ihr hier!“

Jakob

Was ist denn heute mit Nils los?

Die ganze Zeit auf Konfrontation!

Eine Laune hat der!

Als seine Mama endlich die Tür hinter sich zugemacht hat, nehme ich ihn in den Arm und sage: „Was ist denn los, kleiner Nils…“

„KLEINER NILS? ICH BIN 2 CM GRÖSSER ALS DU!“

„Komm“, ignoriere ich seine schlechte Laune, „wir packen jetzt deine Sachen, und dann lassen wir uns einfach zum Bahnhof fahren und essen da bei McDoof noch was, bis der Zug nach Hoek van Holland kommt, ok?“

Er fügt sich (kein Wunder: ich beherrsche ihn, wenn ich will!) und geht ohne Widerspruch zu seinem Schrank, von wo aus er die Klamotten, die er mitnehmen will, aufs Bett feuert.

Dort nehme ich sie, lege sie neu zusammen und packe sie in seinen Koffer.

Das bin ich so gewohnt.

Zu Hause – Nein: da, wo ich gemeldet bin! – macht das niemand für mich. Und so habe ich das drauf.

Wir sind fast fertig, als seine Mama, diesmal sogar ohne anzuklopfen, ins Zimmer stürmt.

„So, ich hab hier noch einen Hunderter für euch. Damit ihr nicht klamm werdet.“

Nils setzt zu einer patzigen Antwort an.

Aber ich bin schneller, und schneide ihm das Wort ab.

„Vielen Dank, das ist auch besser. So, wir sind fertig und lassen uns jetzt zum Bahnhof fahren“

„Ich weiß wirklich nicht, warum ich DAS zulasse! Es könnte ja SONST was passieren!“

HIER PASSIERT GLEICH SONSTWAS, WENN JETZT NICHT AUF DER STELLE…“

„Nils! Also das ist ja…“

DARF ich mal bitte?“

Ich gehe zu Nils, der sich auf das Bett geworfen hat und nun, den Kopf in seinem Kissen vergraben, in heftiges Schluchzen ausbricht.

Tröstend streiche ich ihm durch das Haar.

Seine Mama verlässt kopfschüttelnd das Zimmer, zieht die Tür leise hinter sich zu.

„So, nun sag mir doch bitte, was dich bedrückt. Da ist doch was. Komm, sag s mir“

Er kann gar nicht sprechen, dreht sich aber nun zu mir, umarmt mich und weint an meiner Schulter weiter.

Ich streichle weiter seinen Kopf, und ganz allmählich wird er ruhiger.

„Ich kann da jetzt nicht drüber reden“, schnieft er, „vielleicht, wenn wir im Zug sitzen“.

„Aber mit mir hat es nichts zu tun?“

Das veranlasst ihn zu neuem Tränenfluss, und geduldig warte ich ab, bis er sich wieder gefasst hat.

„Nein, mein Liebster, das hat nix mit dir zu tun!“

Ich atme auf und gebe ihm einen ermunternden Klaps auf den Po.

„Dann lass uns los, ich ruf ein Taxi, ok?“

Nils

Jakob geht nach unten zum Telefon. Er nimmt sogar meinen Koffer mit, damit ich mich noch ein bisschen beruhigen kann.

Ich beseitige im Bad die Spuren meines Ausbruchs und gehe dann, um mich von Mama zu verabschieden.

Ich weiß, wie ich sie wieder runterkriege, ich brauche nur den Ritterlichen zu geben, dann schmilzt sie dahin.

Den Aufbruch, immer wieder unterbrochen durch Ermahnungen, noch n Fuffi, noch Kuss, erspare ich euch jetzt.

Wir finden uns am Bahnhof wieder, nachdem eine Taxe uns dort abgesetzt hat. Für McDoof wird es nun ein bisschen knapp, aber ich habe sowieso keinen Hunger, Jakob auch nicht.

Na, bis der Zug eintrudelt, haben wir noch etwas Zeit.

Kann ich ja noch schnell berichten, wieso wir alleine nach Irland fahren dürfen.

Das kam so:

Plötzlich kam mein Erzeuger auf die Idee, er müsse mich in den Ferien zu sich holen.

Geistesgegenwärtig hatte Mama ihn wissen lassen, ich sei im Ausland. Und dass er sich erstmal über seinen Anwalt an ihren Anwalt wenden solle, wenn er irgendwie Kontakt haben wolle.

Da er aber darauf am Telefon rumgebrüllt hatte, das würde ihn einen SCHEISSDRECK interessieren, was sie wolle, er habe einen SOHN, und den könne er sehen, wenn ER das für richtig halte, legte sie kurzerhand auf und erzählte uns, dass wir nach Tralee fahren würden, um aus der Schusslinie zu sein. Das war vorgestern.

Meinen Jakob ließ sie überraschenderweise schon gestern kommen, mit Sack und Pack, und bei MIR IM BETT schlafen *breit grins*, damit wir uns am Abreisetag, also heute, im Haus aufhalten könnten und nichts mehr schief laufen könne.

Daher dieser überstürzte Aufbruch.

Und weil wir die Nachtfähre von Hoek van Holland nach Harwich nehmen und die Fahrt über den Ärmelkanal lieber verschlafen wollten, sitzen wir nun hier am Bahnhof und warten auf den …ah! Da kommt er! So, wir müssen!

Wie bitte? Warum ich eben so ausgerastet bin? Wartet s ab!

Jakob

Jetzt sitzen wir in unserem Abteil, zum Glück allein.

Nun könnte Nils doch mal erzählen, was ihn da eben zu Hause geritten hat.

Der war SO unglücklich, dass er vor seiner Mama das Heulen angefangen hat.

Das hat der noch NIE gemacht.

Sagt er.

„Na, Großer? Wieder alles ok?“

Er sieht mich liebevoll an.

Wenn er mich so ansieht, dann könnte ICH heulen.

Vor Glück.

Mein Nils!

Mit seiner Stupsnase und dem Wuschelkopf.

„Erinner’ mich nicht dran“, sagt er jetzt.

„Nee! So geht das nicht!

Du hast gesagt, dass du das im Zug erzählst.

Und jetzt SITZEN wir im Zug.

Also?“

Nils

Er lässt nicht locker.

Irgendwie auch wieder süß!

Dann muss ich wohl!

„Gestern habe ich mit meinem äh Erzeuger telefoniert.“

Jakob sieht mich ungläubig an.

„Du hast WAS?“

„Er rief an, als Mama gerade zur Bank war. Hätte ich gewusst, dass DER das ist, hätte ich es klingeln lassen. Aber so bin ich rangegangen.“

„Und? Was wollte er?“

„Ich soll zu ihm ziehen“

„WAAAAAS? DER IST DOCH NICHT GANZ DICHT! WO WOHNT DER ÜBERHAUPT? KOMMT JA GAR NICHT IMFMMPFF“

Ich halte Jakob mal wieder den Mund zu.

„Natürlich nicht! Ich werd den Teufel tun, und ihn überhaupt nur ansehen. Mama hat gesagt, wenn ich nicht will, muss ich nicht zu dem.“

„NNNNNNNNNG!“

Ich nehme die Hand wieder weg. „Kannst du nicht deutlicher sprechen?“

„Na, dann ist doch alles in Ordnung! Warum hast du … bist du dann ausgeflippt?“

„Er ließ nicht locker. Er meinte, dass er ja gewusst hat, dass ich gar nicht im Ausland wäre. Und dass er heute kommt und mich holt. Und als Mama dann reinkam… Sie hat das gar nicht gewusst, ich wollte nicht, dass sie sich noch mehr aufregt.“

„Du Armer! Wenn er nun früher gekommen wäre, als wir noch da waren?“

„Darum hatte ich es ja so eilig, wegzukommen. Und dann kommt Mama und wedelt mit nem Hunni…“

„Aber, Nils, warte mal … wenn er nun jetzt noch kommt? Was dann?“

Jakob macht sich Sorgen um Mama! Find ich ja süß!

„Mama ist gleich nach uns abgefahren in ein Wellnesshotel. Er kann uns gaaaar nix!

So, und jetzt will ich das ganze vergessen! Weil:

WIR HABEN URLAUB!!!

IRLAND, WIR KOOOOOOMMEN“

Jakob

In Hoek van Holland wird die Fähre gerade entladen, so dass wir unsere Kabine gleich aufsuchen können...

Nils’ Mama hat eine Zwei-Bett-Kabine gebucht, aber das hätte sie sich auch sparen können.

Natürlich kuscheln wir uns zusammen in einem.

Zumindest erst.

Aber jetzt sind wir im Ärmel-Kanal.

ÄRMEL-KANAL!!

Das SCHAUKELT!

Na ja, und wenn das schaukelt, dann wird man was?

Richtig! Seekrank!

Nee, nee. ICH werde nicht seekrank.

Aber mein armer Liebling, Nils Löwenherz der große, weil der „ist 2 cm größer als ich“.

Anscheinend schaukelt es 2 cm höher auch mehr.

Jedenfalls ist Nils seekrank.

Ich halte ihm die Tüte.

Ich kann das.

Du liebst einen Menschen wirklich, wenn du ihm beim Kotzen die Tüte halten kannst!

Hoffentlich sind wir bald in Harwich!

Die Tüten sind bald alle.

Nils

Ich weiß nicht, ob ich das könnte.

Aber Jakob sagt ja, dass man das können muss.

Ein Glück, dass er nicht seekrank wird.

Ich liebe ihn wirklich, und das weiß er auch.

Aber ob ich das könnte…

Jedenfalls: Wir sind in Harwich eingelaufen.

Ende der Krankheit.

Nils

Wieder einmal sitzen wir.

Wir sitzen in der Lounge des Doppelrumpfbootes, das uns in nur zwei Stunden über die Irische See nach Dublin bringt.

Dieses Boot ist so schnell, dass ich nicht befürchten muss, wieder das Kotzen zu bekommen.

Dass sich Jakob so liebevoll um mich gekümmert hat, fand ich sehr süß.

Außerdem freue ich mich auf unseren Urlaub in Tralee.

Der erste gemeinsame Urlaub, sieht man mal von der Wanderung im Harz ab, wo alles angefangen hatte.

Nun aber sitzen wir hier, Arm in Arm, und unterhalten uns über die Leute, die an uns vorbeigehen.

Und melden uns wieder, wenn wir in Dublin angekommen sind. Ok?

Jakob

Dublin!

Eine schöne Stadt. Nur der Verkehr stört mich. Wie gut, dass wir kein Rad mitgenommen haben, ich würde dauernd Unfälle bauen: Die fahren hier alle auf der falschen Straßenseite!

Na ja, für SIE ist das natürlich die richtige.

Wir sind – zu Fuß natürlich! – auf dem Weg zum Busbahnhof, damit wir weiter nach Tralee fahren können.

Wir wollen ja was von der Stadt sehen. Die alten Häuser, Denkmäler, Brücken…

Hier gibt es eine Straße, wo in der Mitte der Fluss Liffey ist. Überall gehen schmale Brücken drüber, und man kann bequem zur anderen Seite, um was zu trinken oder sich was anzusehen.

Breite Prachtstraßen mit großen Geschäften, einfach nur geil!

Aber hier sind wir schon am Bus, der uns nun ans Ziel bringen soll: ins County Kerry, nach Tralee!

Jakob

„Slauntje!“

Wir prosten uns mit ner Cola zu.

Gestern waren wir mit dem Bus nach mehrstündiger Fahrt hier in Tralee, der Hauptstadt des County Kerry, angekommen.

Die Fahrt war erstaunlich. Nirgends (na ja, FAST nirgends) waren Bäume zu sehen. Die Engländer hatten ja damals beinahe die ganze Insel abgeholzt. Nur in wenigen Regionen (Wicklow Mountains z. B. oder auf der Halbinsel Kerry) sind noch Wälder zu finden. (Ja, wir hatten einen netten Busfahrer, der alles schön erklärt hat).

Aber jetzt sind wir da, und es liegen vier ganze Wochen vor uns, in denen wir alles machen dürfen, was wir wollen!

„So lange es nicht gegen Gesetze verstößt“

„Ja, Eure Majestät! Sei lieber vorsichtig, dies ist eine Republik! Wenn du hier als Heinrich Löwenherz auftrittst, dann weiß ich nicht, was passiert! Außerdem darfst du dich sowieso nicht erwischen lassen. Du bist evangelisch!“

„Bla bla bla!“

„BLA BLA BLA? ICHGEBDIRDEINBLABLABLA!“

Und schon geht wieder eine Kitzelorgie los, die sich gewaschen hat!

Eine halbe Stunde später haben wir uns von der Kitzelei und dem, was dann kam (was IMMER danach kommt bei uns) erholt.

„Lass uns doch mal ein bisschen rausgehen und sehen, was hier so los ist“, meint Nils.

Ok, also gehen wir raus (ich kann ihm einfach nichts abschlagen, wenn er so guckt).

Auf der Straße gehen wir, wie wir es am liebsten tun, Hand in Hand.

Plötzlich steht ein etwas größerer Junge vor uns und quatscht uns an.

Nils

Sieht eigentlich ganz gut aus, der Junge. Also nicht, dass er mit meinem Jakob konkurrieren könnte, nein, er sieht eben ganz gut aus.

„Hey! Are you guys gay too?“

“Was will der von uns?” fragt Jakob patzig. Er versteht gleich immer was Schlimmes.

Soll froh sein, dass der uns nicht auf Gälisch gefragt hat.

„Of course“, erwidere ich, „you can see it, can’t you?“

“WAS WILL DER? WILL DER UNS ANMMMMMPF?”

„Ruhig, Brauner! Er hat gefragt, ob wir auch schwul sind, und ich hab gesagt: das siehst du doch, oder? Bleib ruhig, der ist harmlos“.

Der Junge macht gleich einen Schritt rückwärts, als ich Jakobs Mund wieder freigebe.

(Für bessere Verständlichkeit und aus Gründen der Verdeckung meiner schlechten Englisch-Kenntnisse übersetze ich jetzt mal simultan.)

„Ihr seid aber nicht aus Eire, oder?“

(„Ihr seid aber nicht aus Irland, oder? fragt er“.)

Jakob steht immer noch auf Alarm und verfolgt misstrauisch, was der Junge und ich miteinander reden.

„Nein, wir kommen aus Deutschland. Sind auf Urlaub hier“.

(„Ich hab ihm gesagt, dass wir aus Deutschland kommen und auf Urlaub hier sind“.)

„Na, dann herzlich willkommen hier in Kerry, der Perle Irlands!“

(„Er heißt uns willkommen“)

„Frag ihn, ob er allein ist. Nicht, dass hinter der nächsten Ecke noch n paar von seinen Freunden wartet!“

„Jakob! Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“

„Wieso, man wird ja mal fragen dürfen! Und sooo gut sieht der gar nicht aus!“

Unglaublich: Jakob ist eifersüchtig!

So verabschiede ich mich lieber (seufz!) von dem Typen, und wir gehen weiter, nun vorsichtiger, ohne Körperkontakt.

In der Denny Street staunen wir das Denkmal des Croppy Boy an, der mit einer Art Lanze mit Widerhaken bewaffnet, oben auf dem Gedenkstein steht und grimmig auf uns herunter schaut.

„Jetzt hab ich Hunger“, meint Jakob bei seinem Anblick, „und Durst!“

Auf der anderen Straßenseite gibt es eine kleine Frittenbude, von der ein anregender Duft über die Straße weht.

Das Angebot: Chips.

„Du ju häv pomm fritz?“

Der Mann auf der anderen Seite des Tresens guckt verständnislos.

„We’ve only got Chips, Sir“

“Fritten! Frites de pommes de terre“

Jakob und sein Französisch-Tick.

Dabei kann er es nicht mal. Bis auf n paar Kleinigkeiten.

Bevor er sich weiter blamiert, schreite ich ein und bestelle zwei Portionen Chips.

„ICH WILL KEINE CHIPS, ICH WILL FRIMMMMMPF!“

„Mund halten, abwarten!“ zwinkere ich ihm zu.

Als der Typ die beiden Schälchen vor uns hinstellt, meint Jakob: „Das sind ja DOCH Fritten! Cool!“

Das Fläschchen, das neben Senf und Ketchup den Gästen zur Verfügung steht, enthält – Essig!

Mutig tropfe ich etwas auf die Pommes, wie ich es bei einem anderen Gast beobachte.

Jakob stibitzt ein Stäbchen mit spitzen Fingern und probiert.

„Gar nicht schlecht! Gar nicht sooo schlecht!“

„Du und Dein Loriot, diese MILCHsemmel!“

„MILCHSEMMEL? ICHGEBDIRMILCHSEMMMMMPF!“

„Pssst, nicht hier!“

Jakob

Ihr könnt euch sicher denken, dass ich Nils die Kitzelorgie NICHT erspart habe.

Gestern Abend. In unserem Zimmer.

MIT anschließender Massage, wie sich das gehört.

Der Schlaf wurde immer wieder unterbrochen durch zärtliche Berührungen, von denen wir nicht genug bekommen können.

Aber heute machen wir eine Busfahrt, um Kerry richtig kennen zu lernen.

Von Tralee aus fahren wir auf den „Ring of Kerry“, eine Straße, die um die ganze Halbinsel führt, und an den schönsten Plätzen halten wir und können atemberaubende Ausblicke auf das Ufer des Atlantischen Ozeans hinunter genießen.

Jetzt zum Beispiel genieße ich folgende Aussicht: Im Vordergrund steht Nils und sieht mich mit seinem Lächeln an, das mich immer schmelzen lässt.

Bei der letzten Pause hatte ich Nils mit dem Rücken zu mir stehen, er sah einen Berg hinab, glaube ich.

Und als nächstes werden wir am „Lady’s view“ halten, von wo aus ich bestimmt einen grandiosen Blick auf Nils in Vorderansicht haben werde.

Nils

Jakob übertreibt, glaube ich.

Wer den Ring nicht gesehen hat, sagt der nette Busfahrer, der hat Kerry nicht gesehen.

Und es ist wirklich wunderschön hier; ich könnte zum Irland-Fan werden.

Auf der Fahrt von Dublin hierher in das County Kerry kamen wir an einer Stelle vorbei, an der wir kurz hielten.

Ein lang gestrecktes, schmales Tal, an beiden Seiten bewaldete Hänge, in der Mitte viele von Wasser umspielte Felsen, darüber – ganz untypisch eigentlich für Irland – schien eine helle, strahlende Sonne, und auf einem dieser Felsen saß Jakob und warf mir eine Kusshand zu!

Ein Bild, das ich nie vergessen werde, und das mir jedes Mal, wenn ich es mir wieder ins Gedächtnis rufe, die Tränen in die Augen treibt, Glückstränen.

Ach Mama, dass du uns DAS ermöglichst!

Und stellt euch vor, im Bus habe ich den nett aussehenden Jungen vom ersten Abend in Tralee entdeckt.

Ist der uns etwa gefolgt?

Jakob hat ihn zum Glück noch nicht gesehen, der würde sicher wieder ausflippen.

Der Junge hält sich von uns fern, aber ich glaube, er würde sich gern mit uns unterhalten, na ja, mit mir wenigstens.

Aber ich bin nun mal mit Jakob hier, und so ignoriere ich den Jungen.

Jakob ist nun mal das Wichtigste auf der Welt für mich.

Jakob

Dieser blöde Typ, der uns gleich am ersten Abend angequatscht hat, ist auch im Bus!

Eben hab ich ihn entdeckt.

Nils hat ihn, glaube ich, noch nicht gesehen.

Und das ist auch gut, er würde sich wieder mit dem unterhalten, und ich verstünde kein Wort davon.

Soll uns EINFACH in Ruhe lassen und sich selber einen Freund suchen!

MEINEN kriegt er NICHT!

Wäre ja noch schöner.

Aber ich sehe, dass er immer verstohlen zu Nils guckt.

Der soll sich bloß nix trauen!

Ach Mensch, kann man denn nicht einfach sein Glück genießen?

Immer, wenn man glaubt, nun ist aller Stress vorbei, dann kommt wieder was Blödes dazwischen!

Und ich hatte mich so auf diese Busfahrt gefreut.

Nils und ich und keiner dazwischen.

Und nun DAS!

Ach Menno!

So n MIST!

Nils

Komisch, eben war Jakob noch guter Laune, und auf einmal ist das wie weggeblasen.

Hat er was?

Guckt so traurig, richtig enttäuscht.

Ich lege meinen Arm um seine Schulter: „Was ist denn, Jakob, stimmt was nicht?“

„Ach nichts, ist schon alles ok…“

Wenn er so leise redet, dann ist NICHTS ok.

Dann ist wirklich irgendwas los.

Aber was?

„Tut dir irgendwas weh? Soll ich pusten *zwinker*?“

Er lächelt ein wenig, ein eher trauriges Lächeln.

„Da kann man nicht pusten, Nils!“

Ich lege meine Hand auf seinen Bauch.

„Da? Da kann ich schon pusten, aber nicht hier! Was sollen denn die Leute denken!“

„Die Leute? DIE LEUTE? WAS DIE LEUTE DENKEN, DAS IST MIR WIRKLICH SCHEIMMMMMPF!“

Wieder mal muss ich meinen lieben Jakob daran hindern, seinen Frust rauszubrüllen, halte ihm den Mund zu und nehme seine Hand.

„Pscht, ganz ruhig! Ich bin doch bei dir! Komm, fass meine Hand, und dann weißt du, dass ich da bin. Du weißt doch: einmal drücken heißt: Ich liebe dich! Tausendmal drücken heißt: Tausendmal ich liebe dich!“

Er brütet vor sich in, ein richtiger Grmfling!

Ich drücke seine Hand, kein anderer kriegt es mit: Ich liebe dich!

Keine Reaktion.

Er sitzt da, guckt den Boden an, sieht traurig aus.

Nochmal: Ich liebe dich!

Wieder keine Erwiderung.

Ganz langsam: Druck: Ich! Druck: Liebe! Druck: Dich!

Und da, ganz zaghaft, spüre ich den Druck seiner Hand in meiner: Ich liebe dich!

Ich sehe in sein Gesicht.

Ganz hinten, ganz tief in seinen Augen, glimmt ein Lächeln auf.

Ach mein Jakob, sei nicht traurig. Du weißt doch: Ich liebe dich!

Und ganz verstohlen küsse ich seinen Mund, keiner bekommt es mit.

Und er?

Er wischt mit dem Ärmel über seinen Mund, sieht mich immer noch etwas traurig an und sagt: „Das war schon etwas weniger feucht. Aber wir müssen das üben. Ok?“

Jakob

Die Nacht nach der Busfahrt um den Ring war die schönste, seit wir uns im Harz das erste Mal näher gekommen sind.

Wir haben nämlich … wie soll ich es ausdrücken … also, Nils würde sagen: unsere Beziehung um eine Dimension erweitert und damit einen weiteren Schritt in Richtung Vollkommenheit gemacht.

Oder so.

Jedenfalls war es der Wahnsinn.

Zum ersten Mal habe ich meinen Nils in mir gehabt.

Und er mich in sich.

(Natürlich nicht gleichzeitig; wir sind ja keine Artisten! Und ob die das fertig bringen, bin ich mir nicht sicher.)

Wie gesagt: Wahnsinn!

Den blöden Ureinwohner haben wir dabei völlig vergessen.

Ach, es ist doch schön, wen man sich versöhnt.

Auch, wenn wir uns ja gar nicht gestritten hatten.

Als Dank habe ich Nils gestattet, heute mit mir zu den Cliffs of Moher zu fahren.

Dieses Mal nehmen wir uns aber einen Mietwagen mit Fahrer.

Tja, VORNEHM geht die Welt zugrunde!

ER hat’s ja.

Na ja, seine Mutter!

Das hört sich jetzt großkotzig an, aber Nils hat darauf bestanden.

Da passen nämlich außer dem Fahrer genau ZWEI rein: Nils, ich.

Keiner sonst.

Vor allem: kein Ureinwohner!

Es ist SO SCHÖN hier!

Stellt euch vor: diese Klippen sind bis zu 240 Meter hoch.

Ganz steil fallen sie in den Atlantik ab.

Wir haben uns bis nach Doolin im County Clare kutschieren lassen und gehen nun an der Küste entlang südwärts, immer oben am Rand der Klippen entlang.

Acht Kilometer sind es bis zu dem atemberaubendsten, was ich hier in Irland gesehen habe.

Da kommt nicht mal der Lady’s view am Ring mit.

Wenn ich mal beschreiben darf:

Blickrichtung: Südwest

Hintergrund: Atlantik.

Mittelgrund: Cliffs of Moher.

Vordergrund: Nils im Profil.

Ich kann mich nur wiederholen: A-tem-be-rau-bend!

Sein liebes Gesicht, die Stupsnase, die wegen der Helle des Himmels etwas gekräuselt ist, weil er die Augen zusammenkneifen muss, ein paar Sommersprossen um die Nase, der Wuschelkopf, in dem der Wind spielt, der uns hier oben mächtig umweht.

Wir müssen uns dagegenstemmen, damit er uns nicht umweht!

(Muhaha, 5 Euro in die Wortwitzkasse!)

Ich stehe da, sehe Nils an, und versinke in seinem Bild.

Ich kann mich nicht losreißen von seinem Anblick, schmelze dahin, eine Sehnsucht zieht in meinem Bauch ein. das Verlangen, ihn zu küssen, nie mehr loszu…

„Sorry!“

Da hat mich doch glatt jemand angerempelt!

Ich fahre herum, quasi die Krallen ausgefahren.

Wer wagt es, mich JETZT zu stören – und erstarre.

Der Urwaldmensch!

Ich GLAUB es nicht!

In mir baut sich eine unmenschliche Wut auf.

Ich brülle los.

„Jetzt HAB ich aber die Schnauze VOLL!

Nils dreht sich erschrocken zu uns um, sieht, dass ich im Begriff bin, mich, gefährlich nahe der Klippenkante, auf diesen verhassten Störenfried zu stürzen, der um Einiges größer ist, als ich, was mir aber in diesem Moment SOWAS von egal ist.

Und geht dazwischen.

„Jakob! JAKOB! Bitte HÖR AUF!“

Nils ergreift SEINE Partei!

Ich erstarre.

Sehe Nils an.

Seine aufgerissenen Augen.

Sein verzerrtes Gesicht.

Seine ausgebreiteten Arme, mit denen er IHN schützen will.

Vor mir.

Nach endlos scheinenden Augenblicken löst sich meine Erstarrung.

Und da wird in mir plötzlich alles kalt.

Eiskalt.

Ich drehe mich wortlos um und gehe langsam den Weg allein zurück, den wir eben noch gemeinsam gegangen sind, jeder von uns glücklich, den Andern neben sich zu wissen.

Nils

Ich sehe hinter Jakob her.

ich will ihn zurückhalten, ihm zurufen: JAKOB, BLEIB DOCH HIER! JAKOB! JAKOB!!!

Aber ich kann nicht.

Wie gelähmt stehe ich und kann nur hinterherschauen.

Dieses Gesicht!

Ganz weiß vor Wut erst, vor rasender Wut, wie ich sie noch nie bei einem Menschen gesehen habe.

Dann, als ich dazwischen ging, um zu verhindern, dass er sich unglücklich macht, womöglich die Klippen runter fällt, diese Starre!

Dieser eiskalte Ausdruck in seinen Augen!

Verachtung!

Ja, das war Verachtung!

Und auf einmal wird mir klar, was für einen Fehler ich gemacht habe.

Einen furchtbaren Fehler.

Nur weil dieser Ire mir nicht unsympathisch war.

Für einen mir völlig Unbekannten habe ich die Liebe meines Lebens auf Spiel gesetzt.

Weil ich keine klare Grenze gezogen habe, mich nicht deutlich und kompromisslos auf die Seite des Menschen gestellt habe, der sich ganz auf mich verlassen hat.

Des Menschen, den ich an mich gebunden habe durch meine Liebe, die ich ihm gestanden habe.

Des Menschen, ohne den ich nicht mehr leben kann.

Des Menschen, den ich gerade verloren habe.

Ich sinke zusammen, stoße den Jungen weg, der sich über mich beugt, schreie ihn an, er soll mich ENDLICH in Ruhe lassen.

Weine, wie ich noch nie geweint habe.

Weine um meine große Liebe, die auf einmal weg ist.

Weine um meinen Jakob.

Nils

Wie ich wieder ins Hotel gekommen bin, weiß ich nicht.

Als ich aufwachte, lag ich in meinem, unserem Bett, bekleidet, allein.

Niemand sonst da.

Ich fahre aus dem Bett, stürze runter zum Empfang.

„No, I haven’t seen Mr. Jakob, sorry”

Es ist früher Nachmittag.

Wie zum Hohn ist die Sonne herausgekommen, strahlt vom Himmel, als wenn nichts geschehen wäre.

Aber es IST etwas geschehen.

Die Welt ist untergegangen.

In einem Sessel in der Lounge entdecke ich den Fahrer, der uns zu den Klippen gefahren hatte.

Er erzählt, dass er mich gefunden habe, als er, verabredungsgemäß, zu Hag’s Head gekommen war, um uns wieder hierher zum Hotel in Tralee zu bringen.

Nein, auch er habe Mr. Jakob nicht gesehen.

Warum er denn nicht gesucht habe, er könne doch nicht mit mir wegfahren und Jakob einfach zurücklassen.

Passanten hätten ihm erzählt, der andere Junge sei ganz ruhig Richtung Norden gegangen, habe sich um nichts gekümmert, auf Fragen nicht geantwortet, einfach weiter und weiter gegangen, schließlich hinter einer Biegung des Weges, der der Küstenlinie folgt, verschwunden.

Und dass er es für wichtiger gehalten habe, sich erstmal um mich zu kümmern, der ich besinnungslos dagelegen hätte.

Ich kann nicht auf Englisch fluchen, so knirsche ich mit den Zähnen, besinne mich aber.

ER kann ja nichts dafür.

Überlegen: Was kann ich tun, was, was nur.

Zuerst chartere ich den Fahrer für erstmal zwei Tage und handele eine Pauschale dafür mit ihm aus.

Die Polizei, wie er vorschlägt, will ich nicht benachrichtigen.

„Zuerst fahren wir wieder nach Hag’s Head, und da werden wir so lange suchen, bis wir ihn gefunden haben!“

Der Driver sieht mich zweifelnd an.

„Ich werde fürs Fahren bezahlt, nicht fürs Babysitten“, meint er.

„Aber Sie wollen wegen unterlassener Hilfeleistung vor Gericht geschleppt werden?“

Keine Ahnung, ob das auch in Irland so ist, aber egal.

Er lenkt ein.

Wahrscheinlich merkt wer mir meine Verzweiflung an, und dass ich kurz davor bin, durchzudrehen.

So fahren wir also an die Cliffs zurück, und sehen uns erstmal um.

Keith, so heißt der Fahrer, geht nach Norden, ich nach Süden.

In einer Stunde treffen wir uns wieder, haben wir abgemacht.

Er gibt mir seine Mobilnummer, damit wir uns verständigen können.

Ich gebe ihm meine Handynummer, worauf er in Lachen ausbricht.

Ich sehe ihn ernst an, und sage: „Ich weiß, das heißt hier nicht Handy. Aber im Moment ist mir das scheißegal, wie das hier heißt! Ich bin aus Deutschland. Aus DEUTSCHLLAND! UND BEI UNS HEISST DAS EBEN HANDY, IST DAS JETZT KLAR, ODER MUSS ICH DAS WIEDERHOLEN? HANDY, HANDY, OK?“

„Schon gut, ist ja alles klar. Reg dich nicht auf, Mr. Nils, alles in Ordnung. Wir gehen jetzt los und suchen, und wer ihn gefunden hat, ruft den andern auf dem … auf dem …“

Ich sehe ihn warnend an, er bricht ab und geht los.

Und ich gehe los.

Nils

Unsere Suche gestern hat nichts ergeben.

Ich mache mir solche Sorgen!

Und Vorwürfe.

Jakob, wo bist du?

Ich kann an nichts mehr denken, nur an dich.

Keith hat mir vorgeschlagen, mich weiter nördlich umzusehen, während er nach Süden vordringt, immer an der Küste entlang.

Ich bin nicht überzeugt, dass wir Erfolg haben werden, aber was Besseres fällt mit auch nicht ein.

Also marschieren wir los.

Auf einer Bank an dem Küstenweg sitzt eine alte Frau.

Ich frage sie, ob sie jeden Tag hier sitzt, und als sie nickt, nach Jakob.

Ja, sie habe einen Jungen gesehen, der nach der Beschreibung Jakob sein könnte.

Der habe eine Weile neben ihr gesessen, ohne ein Wort zu sagen, auf einmal sei er in Tränen ausgebrochen, und als sie ihn trösten wollte, habe er einen Weinkrampf bekommen, den sie gar nicht habe beruhigen können.

Darum sei er schließlich mit zu ihr gegangen, wo sie ihn erstmal ins Bett verfrachtet habe.

Und da sei er immer noch.

Nils

Jetzt stehe ich vor dem Haus der alten Dame.

Und traue mich nicht rein.

Ich kann nicht vergessen, wie Jakob mich angesehen hat.

So voller Verachtung.

Das brennt in meiner Seele.

Und ich hab’s verdient.

Trotzdem!

Ich geh jetzt rein!

Sie hat gesagt, ihr Enkel wäre zu Hause, und ich soll schon mal vorgehen.

Also fasse ich mir ein Herz und will gerade klopfen, als die Tür von innen geöffnet wird.

Vor mir steht – der Ire!

Der Junge, dessentwegen diese ganze Scheiße überhaupt passiert ist.

Der Junge, dem ich verdanke, dass ich so lange von meinem Jakob getrennt bin, ihn vielleicht nie wieder in meine Arme schließen kann.

Der Junge, der …

„VERSCHWINDE AUS MEINEM LEBEN, ICH HABE GENUG VON DIR! UND WAGE ES NICHT, MEINEN JAKOB AUCH NUR ANZUSEHEN, HAST DU MICH VERSTANDEN???

Der Junge guckt mich völlig verdutzt an; anscheinend kann er kein Deutsch.

Oh-Oh! Der hat doch gar keine Ahnung von meinen Gedanken!

„Pardon?“

„Äh … I said that I thank you für your help and I’m so sorry that you had … äh…“

Weiter komme ich nicht.

Hinter dem Typen taucht Jakob auf.

Der Ire geht irgendwo ins Haus.

Jakob sieht erbärmlich aus.

Er schaut mich mit einem trüben, mutlosen Blick an.

Mit seinen braunen Augen, die in der Dämmerung fast schwarz funkeln, ein Funkeln, das nun fast erloschen ist.

Kein Lächeln.

Kein Lächeln und kleines Lauern in den Augen!

Jakob!

Jakob, bitte!

Verzeih mir, Jakob.

Bitte, bitte verzeih mir.

Aber ich bekomme keinen Ton heraus.

Jakob schaut mich einen kleinen Moment ausdruckslos an.

Dann dreht er sich um, und geht wieder ins Haus zurück.

Die Tür hat er offen gelassen.

Jakob

Nils ist gekommen.

Hätte ich gar nicht erwartet.

Ich hab ihn draußen auf einmal brüllen gehört.

Wie war das?

Wage es nicht, meinen Jakob auch nur anzusehen?

MEINEN Jakob?

Was soll das heißen!?!

Ich gehöre niemandem!

Ich gehöre nur mir selber.

Dieser Junge, dieser Ureinwohner, DER hat sich um mich gekümmert.

Ich habe das erst gar nicht gemerkt, dass der das war.

Ich war wie versteinert.

Als die alte Frau mich hier hergebracht hat, als ich mich so richtig ausheulen konnte, da war der plötzlich da und hat sich um mich gekümmert.

Das, was sonst Nils gemacht hat.

Nils Löwenherz.

Löwenherz?

Nein, der Löwe hat kein Herz mehr!

Als ich eben draußen vor ihm stand, da wäre ich ihm beinah um den Hals gefallen.

Ich habe nur auf ein Wort von ihm gewartet.

Ein Wort.

EIN EINZIGES Wort.

Aber – nichts.

Nee, Nils, SO nicht!

Nils

Jakob, gibst du mir denn keine Chance mehr?

Jakob, du meine erste, einzige, große Liebe!

Ich kann, will ohne dich nicht mehr leben!

Das kann doch noch nicht vorbei sein!

Jakob, ich komm jetzt zu Dir, ok?

Langsam betrete ich das Haus.

Jakob war nach rechts gegangen.

Ich klopfe mal an der Tür.

Irgendwas ist zu hören.

Etwas wie…Weinen.

Ich geh jetzt rein.

Da ist Jakob.

Endlich!

Jakob!

Ich…

Jakob

Was war das eben für ein Geräusch? Klopfen?

Wenn das Nils ist, den will ich nicht sehen!

Der kann ruhig da bleiben, wo er ist!

Der kann mir gestohlen bleiben!

Bloß nicht näher kommen!

Bleib bloß, wo du bist!

Ich will nicht mehr!

Ich will nicht!

Bitte Nils.

Ich…

Und da liegen sich die beiden in den Armen. Heulen Rotz und Wasser. Bitten sich gegenseitig um Verzeihung. Schwören sich, so etwas nie, nie wieder zuzulassen.

Bestätigen sich gegenseitig, dass sie sich immer lieben werden. Tauschen Zärtlichkeiten, als wenn sie sich hundert Jahre nicht gesehen haben. reden wieder, lachen wieder, sind wieder glücklich.

Und Jakob wischt sich mit dem Ärmel…

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