zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Quartett

Teil 19 - Hart

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

 

Ben kam gar nicht dazu, sich mit seinen neu entdeckten Fähigkeiten zu beschäftigen. Es war so gemein! FX hatte ihn nun neugierig gemacht, und mit der Nase darauf gestoßen, dass er irgendwie durch Wände hindurch gehen konnte, aber wie das ganze nun genau funktionierte, wusste er immer noch nicht. Heimlich hatte er mehrfach versucht, das ganze zu reproduzieren, jedoch hatte es weder mit größtmöglicher Entspannung noch mit Gewalt funktioniert.

Als er es mit Entspannung versucht hatte, scheiterte es vermutlich daran, dass er gar nicht weit genug zur Ruhe kommen konnte. Er war schlicht zu aufgeregt, als dass er sich entspannen konnte. Und auch die zweite Möglichkeit, mit Gewalt durch die Wand zu kommen, scheiterte grandios. Lediglich schmerzhafte Fingerknöchel waren das Ergebnis.

Aber auch FX war zur Zeit keine ergiebige Quelle. Mehrfach hatte er versucht, ein paar weitere Informationen aus seinem Freund heraus zu bekommen, aber war damit stets gescheitert. FX und auch alle anderen, waren viel zu sehr mit dem Lernen des Klausurstoffs beschäftigt, als dass er sich solch profanen Problemen zuwenden konnte, wie das hindurchgehen durch Wände. Der immer komplexer werdende Lehrstoff für die Klausuren schien wichtiger zu sein, was Ben angesichts seiner persönlichen Situation gerade gar nicht nachvollziehen konnte.

„Diggi wir müssen reden!” Ben konnte nicht mehr. Das Semester neigte sich zwar dem Ende entgegen, das bedeutete aber auch, dass sie mitten im Klausurenstress steckten. Dennoch mussten sie zwecks Nahrungsaufnahme kurzzeitig die Nase aus ihren Büchern ziehen und Ben hatte beschlossen, dass dies die ideale Gelegenheit war, endlich in Sachen Superkräfte etwas zu unternehmen.

Während Henne und Michel in der Mensa noch in der Schlange beim Essen standen, hatten Ben und FX ein anderes Menü gewählt und waren bereits an ihrem Stammplatz unter einem kleinen Bäumchen in der riesigen Mensa angekommen.

„Lass mich raten: Du willst mit dem Kopp durch die Wand, oder?”

„Diggi, Du kannst doch nem Skater kein neues Board geben und ihm dann sagen, dass er es nich in die Pipe nehmen darf!”

„Ich dachte, der Spruch geht irgendwie mit Hund und Knochen?”

„Alter, lenk nich vom Thema ab!”

„Also, das ist alles nicht sooo einfach. Ich mein, wenn man es erst einmal kann ist es wie Radfahren. Aber man muss schon ein bisschen üben und lernen.”

„Ich hab's befürchtet,” Ben rollte mit den Augen. „Als wenn wir nich schon genug am Lernen wären!”

„Sieh es mal positiv, Du bist gerade im Lernrhythmus drin! Also kriegste das Bisschen auch noch gebacken!”

„Wann und wo?” Ben konnte es nicht erwarten und war ganz zappelig vor Ungeduld. „Wir machen das heut' Abend! Die anderen wollten doch noch in die Bibo und irgend so'n Kram gegen checken.”

Nun war es FX, der mit den Augen rollte. Eigentlich hatte er vor, die Ruhe in der WG zu genießen und mal einen etwas entspannten Abend zu verbringen. Insgeheim hatte er sogar gehofft, einfach nur mit Ben auf dem Sofa zu kuscheln und sich mit irgendeinem Blödsinn aus dem Fernsehen abzulenken. Aber anscheinend hatte Ben diesen Plan soeben durchkreuzt.

„Na guuut!”

„FX, was los? Wieso siehst Du so genervt aus?” Henne und Michel stellten gerade ihre Tabletts auf den Tisch und sahen ihre Freunde vergnügt und erwartungsvoll an. Eigentlich war FX der einzige, der etwas erschöpft aussah.

„Ach vergiss es. Ich mach heut' Abend 'nen ruhigen… Bin irgendwie Fix und Foxi.”

„Hej, jetzt aber nicht krank werden!” Henne blickte besorgt zu FX und sah ihm tief in die Augen. Im selben Augenblick stellten sich bei FX sämtliche Nackenhaare auf die er am glatt rasierten Hinterkopf überhaupt nicht hatte. Stattdessen zeigte sich an dieser exponierten Stelle eine deutliche Gänsehaut, die zum Glück jedoch niemand bemerkte, da sich seine Dreads wie von Zauberhand sanft darüber legten.

Nur mit allergrößter Mühe konnte FX seine Verwunderung verbergen. Wie war Henne in der Lage, solch einen intensiven Blick aufzusetzen und so tief in ihn hinein zu blicken. Hennes Blick war viel zu intensiv und ging viel zu tief. Es war, als würde er durch FX’ Augen hindurch auf die Innenseite seines Schädels blicken. Ein Blick, den man entweder lange trainieren muss oder den man einfach hat, wenn man talentiert ist. Sollte Henne etwa ähnlich wie Ben auch ein Kind der Trickkiste sein? Vor Freude machte das Herz von FX einen kleinen Sprung.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hatte die Freak-Show, wie FX seine Familie manchmal spaßeshalber nannte, ein neues Mitglied. FX schmunzelte innerlich und musste sich sehr zusammenreißen, um nach außen hin ruhig zu bleiben, war er doch plötzlich ganz aufgewühlt. Und fast hätte er auch noch die Antwort an Henne vergessen.

„Alles gut!” Quittierte er mit einem breiten Grinsen und funkelnden Augen.


Kaum hatten Henne und Michel am Abend die Tür des Apartments von außen zugezogen, stand Ben auf seinem Board fordernd vor FX und rollte ungeduldig von rechts nach links und wieder zurück.

„Also, Diggi, wie geht's nu los?”

„So, nu entspann Dich erst mal!”

„Fertig. Weiter!”

„Lektion eins...”

„Jaha?”

„Board weg!”

„Menno...” Ben glitt von seinem Skateboard und stupste es gekonnt mit dem Fuß weg, so dass es ans andere Ende des Wohnzimmers rollte und dort einen halben Zentimeter vor der Wand zum stehen kam.

„Lektion zwei...”

„Jaha?”

„Unterbrich mich nicht immer!”

„Tschuldige”

„Ich weiß ja, Du bist voll aufgeregt und willst alles jetzt und sofort, aber genau deswegen kommt Lektion drei...”

FX machte eine künstlerische Pause um zu testen, ob Ben sein Hirn eingeschaltet hatte, aber dieser fiel nicht auf den Trick herein, sondern wartete brav, bis FX fortfuhr.

„Lektion drei ist, dass es garantiert nicht auf Anhieb klappen wird, sondern dass viel Schweiß und Tränen fließen werden, bevor Du das verschränken wirklich schaffst! Ich verspreche Dir, dass Du das Ganze hier verfluchen wirst. ”

Bäm, das hatte gesessen! Bens leuchtende Augen sahen plötzlich frustriert zu Boden, seine Schultern sackten nach vorne und er schob seine Unterlippe hervor.

„Hej, nun mal nicht gleich den Kopf hängen lassen! Ich wollte nur, dass Du die Enttäuschung jetzt schon hinter Dich gebracht hast und Dich gleich auf die Übung konzentrieren kannst.”

„Alles klar, ich bin bereit. Wie geht’s weiter?” Ben war sofort wieder Feuer und Flamme und sah FX erwartungsvoll an.

„Du hast das ‚Diggi’ vergessen.”

„Sorry Diggi!”

„Also, prinzipiell ist es das wichtigste, dass Du Dich entspannst und Deinen Körper erst einmal in seiner Gesamtheit wahrnimmst. Deine Hände, Arme, Füße, Beine. Deinen Oberkörper, Hals und Kopf. Einfach alles. Letzten Endes geht das so weit, dass Du Dich wirklich komplett siehst, achtsam bist und Deinen Körper fühlst. Deine Haut, Deine Muskeln und Knochen. Deine Adern und Dein Blut. Kurz: alles, wirklich alles!”

Ben sah FX mit einem ausdruckslosen Gesicht an. Sein Mund stand halb offen und es war offensichtlich, dass er kein Wort verstanden hatte, was er gerade gehört hatte.

„Warte, erst wenn ich Dir das Ende erklärt habe, wirst Du den Anfang verstehen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Erst, wenn Du Dich komplett erfasst und bewusst wahrgenommen hast, dann kannst Du den nächsten Schritt wagen: Die Verschiebung Deiner Materie relativ zur restlichen Materie. Das ist Schritt zwei. Und der dritte und letzte Schritt ist dann der einfachste, denn Du kannst Dich dann mit Deinem materiell verschobenen Körper mit der anderen Materie verschränken! Kapische?”

„Weiß nich...”

Ben sah ratlos aus und er war mächtig am Grübeln und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Geistesabwesend kratzte er sich am Kopf und brachte seine so mühevoll drapierte aus-dem-Bett-Frisur, die eigentlich niemand anfassen durfte, komplett aus dem Gleichgewicht.

„Also, nochmal im Schnelldurchlauf. Erstens: Körper erfassen.”

Um es hoffentlich etwas besser zu demonstrieren, streckte FX seine beiden Hände mit gespreizten Fingern aus. Mit seinem rechten Gipsarm sah das etwas umständlich aus, aber Ben war diesen Anblick schon so sehr gewöhnt, dass ihn das gar nicht weiter störte. FX legte die gespreizten Finger der linken Hand auf die der Rechten, so dass jeder Finger nun auf seinem gegenüberliegenden Partner lag..

„Zweitens: Körper verschieben.”

Nun verschob FX die Finger einer Hand ein klein Wenig, so dass diese jetzt zwischen den Lücken der Finger der anderen Hand lagen.

„Drittens: Körper verschränken.”

Nun krümmte er die Finger beider Hände, so dass er sie wie zum Gebet gefaltet hatte.

„Axo? Mehr nich?”

„Naja… Wenn’s so einfach wäre, könnte es jeder. Teil eins ist der schwerste. Teil zwei ist angeboren. Teil drei ist dann nur noch ein Spaziergang.”

„Angeboren?”

„Ja. Es gibt Dinge, die kann man einfach nicht erlernen. Okay, man kann manchmal etwas tricksen, aber das zählt jetzt erst mal nicht.”

„Angeboren? Ich konnte das schon seit immer?”

„Theoretisch zumindest. Ja. Aber man muss das halt dennoch erst mal lernen. Jeder Mensch kann auch gehen, aber als Baby muss man es trotzdem zunächst lernen.”

„Und Du kannst das auch?”

„Ja.”

„Oh.”

„Also, willste quatschen oder üben?”

„Sorry. Also, wie fang ich an?”

Ben stand immer noch vor dem Sofa, während FX es sich darauf schon gemütlich gemacht hatte. Zum ersten Mal musterte er seinen neuen Lehrmeister genauer. Ben seufzte innerlich bei dem Anblick seines Freundes. Das erste, was FX zu Bens Leidwesen immer tat sobald er die eigene Wohnung betrat war, seine Chucks in die Ecke zu schleudern und auf Socken durch die Gegend zu laufen.

Er hätte sonst was dafür gegeben, ein Mal an die Socken seines Freundes gehen zu dürfen. Aber nein, statt dass Ben jemals die Chance hatte, etwas an FX’ feuchten Socken zu schnüffeln, musste dieser lange Lulatsch immer die schönen weißen Dinger dreckig laufen. Okay, es hatte auch einen Vorteil: Wenn sie zu schnell zu dreckig wurden, war das immer ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Freunde ihre WG mal wieder etwas auf Vordermann bringen mussten.

In einer kurzen schlabbrigen Sporthose und freiem Oberkörper lag er quer auf dem Sofa und mit seiner Größe reichte er von einem Ende bis zum anderen. Und FX hatte immer kurze Sachen an. Ben hatte seinen Freund noch nie in langer Hose oder einem Pullover gesehen. Egal zu welcher Jahreszeit oder was für Temperaturen herrschten, FX trug immer eine kurze schlabberige Trainingshose und ein irgendwie geartetes T-Shirt.

Er selbst, Ben, war zugegebenermaßen ein Opfer der Modeindustrie, das wusste er auch. Dennoch waren Markenklamotten ein fester Bestandteil seiner Garderobe, wenn es denn Skaterklamotten in Übergröße waren. Nur zu gerne hätte er FX in solcher Kleidung gesehen. Allerdings war es bei seiner Größe durchaus eine Herausforderung, etwas passendes zu finden, dessen war sich Ben sicher.

Er musterte seinen halbnackten Freund auf dem Sofa weiter. FX war keine Schönheit, aber definitiv auch nicht hässlich. Wäre er nicht so riesig groß und hätte er eine normale Frisur, er würde in keiner Menge auffallen. Aber dieser schlanke Oberkörper ohne ein Gramm Fett; die Community würde sich danach sehnen, gewiss. Auch er, Ben, war zwar nicht dick, aber als rank und schlank würde ihn mit Sicherheit niemand bezeichnen. Er kam zu dem Schluss, dass lediglich Michel den perfekten Körper hatte. Allerdings tat er auch genug dafür, dass er so aussah, wie er aussah.

Innerlich seufzte Ben erneut. Er war sich nicht einmal sicher, ob der unnahbare Michel wirklich schwul war. Doch, er war es bestimmt, so sehr wie er auf seinen Körper achtete. Und FX? Muskeln waren bei ihm keine zu sehen. Irgendwie bestand der Typ nur aus Haut und Knochen. Und dann diese schlaksigen langen Arme und Beine! So manches Mal musste Ben schon ausweichen, wenn FX das Gestikulieren anfing. Unweigerlich musste er an eine Marionette denken.

Und doch, fand Ben seinen Mitbewohner ausgesprochen attraktiv. Er hatte sich so manches Mal dabei ertappt, wie er sich an FX heran kuschelte, obwohl er gar eigentlich nicht sein Typ war. Oder doch? Waren es seine blauen Augen, die ihn ein ums andere Mal wieder in den Bann zogen? Oder doch eher die lustigen Dreads, die scheinbar über ein gewisses Eigenleben verfügten, weil sie bei der kleinsten Bewegung immer wild durch die Gegend wippten? Ben hatte schon mehrfach versucht, FX auf ein Board zu stellen, weil er der Meinung war, dass das alleine von der Optik her schon kurz vor einem Orgasmus enden würde, aber FX hatte immer wieder erfolgreich seine Bemühungen abgewehrt.

Und nun war Ben es also, der sich dem Willen von FX beugen sollte und ihn als Lehrer akzeptieren sollte? Ben erstickte diesen eigenen Gedanken sofort wieder. Schließlich war es nicht die Idee oder der Wunsch von FX, dass er jetzt hier stand. Es war seine eigene Neugierde, die ihn in diese Situation getrieben hatte. Ben fand es genial, übermenschliche Kräfte zu haben! Er wollte sie nutzen. Er wollte andere damit beeindrucken. Was wohl Henne und Michel dazu sagen würden, wenn er eines Morgens den Kopf durch die Wand in deren Zimmer stecken würde? Er fand es einfach nur geil, etwas besonderes zu sein!

„Na, wo warst Du, Ben?”

FX hatte sich auf den Bauch gedreht und stützte sich mit seinem Gipsarm auf dem Sofa ab und blickte Ben herausfordernd an.

„Du träumst doch schon von verrückten Dingen, oder? Wenn Du dran denkst, eine Bank auszurauben, dann vergiss es. Das gibt nur Ärger!” Und zwar von mir, fügte er im Geiste hinzu.

„Sorry, Diggi...” Ben blickte verlegen nach unten.

FX konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, wusste er doch ganz genau, welcher Film gerade bei Ben abgelaufen war. Zwar hätte er nachschauen können, aber das musste er gar nicht. Denn auch er war vor langer Zeit an genau derselben Stelle gewesen, an der Ben jetzt war.

„Also, Ben. Augen zu. Ruhig atmen und dann musst Du versuchen, Deinen Körper zu fühlen. Bewusst wahrzunehmen. Aufmerksam sein. Erst ganz grob und dann immer feiner.”

Ben schloss die Augen, aber immer noch lag da der halbnackte Riese vor ihm auf dem Sofa, der ihn erwartungsvoll anblickte. Im Geiste wischte er den Gedanken fort und dann sah Ben plötzlich nur noch sich selbst, wie er da stand. Erstaunlicherweise sah er sich komplett nackt, obwohl er genau wusste, dass er leicht breitbeinig im Wohnzimmer stand, damit seine Skaterbaggy nicht der Schwerkraft folgend auf den Boden fiel. Seinen, wie er fand, viel zu speckigen Oberkörper hatte er mit einem viel zu großen Sweatshirt bedeckt, aber auch das schien verschwunden zu sein.

„Gar nicht so schlecht...” hörte er aus weiter Ferne obwohl es eigentlich von FX vom Sofa kam. „Und jetzt geh mehr ins Detail! Erst oberflächlich. Hast Du Haare an den Beinen? Siehst Du sie? Oder hast Du keine?”

Der Spruch, mit dem er FX parieren wollte, lag ihm bereits auf der Zunge, aber er schluckte ihn herunter. Jetzt war Ben der Schüler und musste sich von seinem Lehrer leiten lassen. Und mehr als bereitwillig folgte er den Worten seines Freundes.

So genau hatte er sich selbst noch nie angeschaut. Und nun tat er es, ohne dabei in den Spiegel zu schauen oder gar die Augen zu öffnen. Er war überrascht, wie genau er seinen Körper zu kennen schien. Jedenfalls blickte er im Geiste an sich herunter und stellte fest, dass alles so war, wie er es erwartet hatte. Das, was er sah, obwohl er sich gar nicht wirklich sah, passte perfekt zu einer Karte über sich selbst, von der er gar nicht wusste, dass er sie hatte.

„Und jetzt geht es unter die Haut”

Für Ben begann plötzlich eine Reise durch seinen eigenen Körper. Er sah seine Muskeln, seine Knochen und Sehnen. Sah die Adern und wie darin das Blut pulsierte. Blut! Sein Blick verengte sich. Nicht schon wieder Blut!

„Ben, es ist Deins. Das bist Du. Du kennst Dich! Erschreck Dich nicht vor Dir selbst. Und das Blut ist genau da, wo es hin gehört. Es verrichtet seine Arbeit, es hält Dich am Leben. Es ist genau richtig so.” FX beruhigende Stimme verströmte Wärme in Bens Körper.

Ben schluckte, wobei er gar nicht so genau wusste, ob er wirklich schluckte oder es nur in Gedanken Tat.

„Das ist egal. Das ist dasselbe...”

Moment! Woher weißt Du… Überrascht öffnete Ben die Augen und er blickte FX sodann mit zusammengekniffenen Augen erbost an.

„Och Ben, glaubst Du wirklich, dass man beim ersten Mal Fahrrad fahren auch das Gleichgewicht hält, ohne dass jemand heimlich das Rad festhält?”

Ben gab lediglich einen grunzenden Laut von sich und war sich nicht sicher, ob er sauer, beleidigt oder etwas anderes sein sollte. Stattdessen schloss er wieder seine Augen und erfasste erneut seinen Körper.

„Nicht schlecht, das ging ja fix!” FX freute sich über die Selbstdisziplin, die Ben an den Tag legte und wie schnell er es gerade geschafft hatte, seinen Körper erneut zu erfassen.

Dieser konnte sich ein stolzes Grinsen nicht verkneifen, wusste jetzt aber, dass er es nur in seinem Kopf tat, seine Lippen sich in Wirklichkeit jedoch kein Bisschen bewegten.

„Sehr gut. Du hast Dich komplett erfasst, Ben. Und jetzt… ”

Ben hörte FX klar und deutlich, aber es klang so weit weg. Er war gleichzeitig nah und fern. In seinem Kopf und doch auf dem Sofa.

„Wie beschreibe ich das denn jetzt am besten...”

Bens Ungeduld ließ ihn selbst in diesem Zustand nicht in Ruhe. Das konnte doch nicht so schwer sein, ihm zu erklären, was Schritt zwei bei dieser Zauberei sein sollte.

„It’s just a jump to the left!”

FX fiel in diesem Moment nichts besseres ein. Noch nie hatte er jemandem beigebracht, wie man paranormale Fähigkeiten einsetzt. Bisher war er immer der Schüler gewesen, nie der Lehrer. Er war einfach kein Erklärbär, denn dafür hatte er bisher ja immer Eggsy gehabt. Aber offensichtlich war diese Eingebung aus dem Musical eine Punktlandung!

Für einen Augenblick war Ben irritiert. Was meinte FX wohl mit einem Sprung nach Links? Sollte er jetzt hier durch das Wohnzimmer hüpfen? Das konnte es eher nicht sein. Stattdessen überlegte Ben kurz, wie es sich anfühlen würde, wenn er nach links spränge. Wie es sich anfühlte, wenn er mit seinem erfassten Körper einfach einen Satz nach links machte.

Zunächst passierte nichts. Natürlich passierte nichts, denn er war ja auch nicht gesprungen, sondern hatte sich nur vorgestellt, dass er es tun würde. Genauso, wie er gerade eben noch seinen ganzen Körper wahrgenommen hatte, nahm er jetzt einen Sprung wahr, den er gar nicht physisch vollführte.

Dann jedoch hörte man plötzlich ein leises metallisches Klirren gefolgt von einem dumpfen Aufschlag. Den Abschluss dieses Dreiklangs bildete ein kurzen Rauschen. Es folgte eine absolute Stille. Nicht, weil es auf einmal leiser war als zuvor. Es war nur so, dass die drei Geräusche zuvor so unerwartet und irritierend waren, dass die Stille danach den Raum für die nötige Erklärung den Weg ebnete.

Zweierlei Dinge wusste FX sofort: Es hatte geklappt! Ben hatte es nahezu in Rekordzeit geschafft, seinen Körper in der Phase zu verschieben und hatte so seinen Weg geebnet, um durch Materie hindurch zu gehen.

Der zweite Fakt hingegen war etwas unerfreulicher. FX ärgerte sich, dass er selbst nicht dran gedacht hatte. Es war der klassische Anfängerfehler bei der Phasenverschiebung von Materie. Wie oft hatte Eggsy ihm dafür auf den Hinterkopf gehauen? Reflexartig griff er sich selbst an die Stelle, als fühlte er den freundschaftlichen Klapps von Eggsys Hand.

„Ben, ich muss Dir was sagen...”

„Was’n?” Ben öffnete die Augen und erstarrte vor Schreck. Nicht, dass es das erste Mal gewesen wäre, aber es war so unerwartet: Nackt stand er vor FX da! Sein Pullover, sein Shirt, seine Unterhose und seine Baggy. Alles lag in einem wüsten Haufen Wäsche, wo er mittendrin stand.

Und er fühlte sich auch nackt. Also sogar nackter, als er sich normalerweise nach dem Duschen fühlte. Irgendwie mochte er es ganz gerne, aufgeheizt nach einer langen Dusche nackt durch die Wohnung zu laufen. Er fühlte sich sehr wohl so. Aber jetzt war es irgendwie anders. Er fühlte sich nackter als nackt.

„Ben, es ist mein Fehler gewesen… Aber ich krieg das wieder hin, keine Sorge!”

„Diggi, was’n los?” Plötzlich fiel es ihm beim Sprechen auf: Seine Zahnspange fehlte! Seine metallenen Schneeketten, an die er sich all die Jahre so sehr gewöhnt hatte, die ihn aber auch manchmal in den Wahnsinn getrieben hatten und vor Druck und Schmerzen nicht haben schlafen gelassen. Das alles war weg! Zögerlich blickte er hinab auf den Wäscheberg, den er gerade noch angehabt hatte. Und tatsächlich, dazwischen sah er auch zwei halbkreisförmige Drahtgestelle blitzen und blinken. Vor Schreck hielt er sich mit beiden Händen den Mund zu. Er wollte etwas sagen, kreischen, Fragen stellen. Aber aus seinem Mund kam kein einziger Ton heraus. Statt dessen sah er FX nur mit weit aufgerissenen Augen an.

„Das,” FX deutete auf die Zahnspange, die auf dem Boden lag, „ist der einfache Teil von beiden.”

Ben ahnte schlimmes. Er schluckte und ließ seine Hände langsam sinken. „Bitte sag, dass das nicht wahr ist.”

„Doch.” Es war FX furchtbar peinlich, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als Ben gegenüber das zu bestätigen, was er ohnehin schon ahnte: „Dein Tattoo ist gerade zu Staub zerfallen!”

Schweigend sahen sich die beiden an. Niemand traute sich etwas zu sagen. Keiner der beiden bewegte sich. FX war sauer. Sauer auf sich selbst. Wie hatte er es nur vergessen können? So ein blöder Anfängerfehler. Und noch dazu nicht einmal bei sich selbst, sondern bei Ben! Er hatte doch keine Ahnung, der Arme. Er als Lehrer hätte dafür sorgen müssen, dass Ben nichts passiert!

FX war sich nicht sicher, ob er das jemals wieder gutmachen konnte. Er könnte es verstehen, wenn Ben ihn dafür bis zum Jüngsten Gericht verfluchen würde. FX hätte dafür sorgen müssen, dass Ben nicht nur seinen Körper erfasste, sondern auch etwaige Accessoires wie das Tattoo oder die Zahnspange. Von der Wäsche ganz zu schweigen.

Als Ben dann erfolgreich den Sprung nach Links vollführte und sein Körper die Phase wechselte, blieben Zahnspange und die schwarzen Pigmente der Tattoo-Farbe natürlich zurück und fielen einfach zu Boden, genauso wie es auch seine Klamotten taten. Natürlich hätte er das alles einfach mitnehmen können. Aber er hätte daran denken müssen. FX hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass er nicht nur seinen Körper, sondern auch andere Dinge mit erfassen musste.

Ben hatte zwar geahnt und gehört, was gerade geschehen war, aber irgendwie hatte er es noch nicht realisiert. Seine Kleidung lag am Boden. Seine Zahnspange ebenfalls. Das alles wäre ja noch zu verschmerzen gewesen, aber sein Tattoo? Zeit und Arbeit, Schmerzen und Geld hatte er investiert. Lange hatte er sich Gedanken gemacht und viele Skizzen entworfen. Hier korrigiert und dort etwas geändert. Seinen Tätowierer hatte er fast in den Wahnsinn getrieben mit seiner Detailverliebtheit und der mathematischen Präzision.

Schließlich war es FX, der die Stille brach: „Lass es mich erklären...”

„Ich weiß gar nicht, ob ich das will!” Ben hatte die Zähne fest zusammengebissen und musste sich sehr zusammenreißen, um nicht auf FX los zu stürmen.

„Du hast wieder das ‚Diggi’ vergessen...”

Der Witz kam noch schlechte an, als FX befürchtet hatte, weshalb er sogleich fortfuhr: „Es ist mein Fehler. Es ist der totale Anfängerfehler. Man muss bei der Phasenverschiebung natürlich nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Klamotten und sonstige Gegenstände mit verschieben...”

„Sonstige Gegenstände?” Bens Stimme war durch seine Anspannung und Aufregung viel zu schrill und laut. Er war selbst überrascht, empfand es im Nachhinein aber der Situation mehr als angemessen. Aber jetzt gerade war es ihm egal. Er war fürchterlich sauer auf seinen Freund, dass er ihm nicht gesagt hatte, worauf er hätte achten sollen. Und dass es jetzt offensichtlich schief gegangen war.

„Naja, was man halt so mitnehmen möchte und natürlich auch, was noch dazugehört und was man als Spezialeffekte noch so am Körper hat. Also, naja, ich hätte Dir schlichtweg sagen müssen, dass Du auch Dein Tattoo und Deine Zahnspange mit erfassen musst, sonst bleibt der Teil natürlich unverschoben.”

„Diggi, mein Tattoo!”

„Entspann Dich, ich bekomm’ das wieder hin!” FX Stimmt klang zuversichtlicher, als er es erwartet hatte.

„Nein! Es ist komplexer als Du denkst.”

„Hej, komm, ganz unterbelichtet bin ich nun auch wieder nicht. Oder glaubst Du etwa, mir wäre nicht entgangen, dass Du da das Fraktal von Trinitatis drauf hast?”

„Du weißt, was ein Fraktal ist?” Ben war überrascht, korrigierte sich aber sofort: „Natürlich weißt Du das. Wie dumm von mir...”

„Naja, von Berufswegen her ist es manchmal ganz praktisch. Man kann es für viele Dinge verwenden. Aber das spielt jetzt erst einmal keine Rolle. Wie viele Iterationen hattest Du auf Deinem Rücken? Zehn?”

„Zwölf!”

„Dein Tattoomeister war gut!”

„Ich glaub, er hasst mich...”

„Okay, also ich glaub, ich muss da was wieder gutmachen.”

„Ich glaube nicht, dass Du das kannst, Diggi!”

„Doch!” FX legte etwas zu viel Bestimmtheit in seine Stimme, so dass Ben merklich zusammenzuckte, als er dieses einzelne Wort hörte. Deutlich versöhnlicher fuhr FX auch fort, um seinen faux-pas zu kaschieren.

„Vertrau mir bitte einfach, ich brauche nur ein Bisschen mehr Zeit. Tätowieren gehört nicht gerade zu meinen Kernkompetenzen. Naja, und die ganz genaue Formel für Deinen Fall wäre auch noch ganz hilfreich.”

FX stand auf und stellte sich vor Ben hin. Er hob die linke Hand und begann, mit seinem Zeigefinger einen Kreis in die Luft zu malen. Als nächstes zeichnete er einen kurzen und einen langen Strich, jeweils von der Mitte des imaginären Kreises ausgehend. Er hatte eine Uhr in die Luft gemalt, die die aktuelle Uhrzeit anzeigte. Schließlich drehte er die gedachten Zeiger dieser imaginären Uhr ein paar Umdrehungen gegen den Uhrzeigersinn.

„Das sollte hoffentlich ausreichen… Und jetzt ran ans Werk. Oder besser gesagt ran an den Speck!” Ein Grinsen konnte sich FX jetzt nicht verkneifen.

„Diggi, was soll’n das jetzt wieder? Und das mit dem Speck hab ich überhört, klar?”

„Ich hab mir nur etwas Zeit verschafft. Ich sag doch, tätowieren ist nicht meine Kernkompetenz. Und ich würde Dir als Entschädigung gerne eine weitere Iteration schenken. Ich glaub, das ist noch drin, wenn man feinere Partikel nimmt.”

„Wie? Zeit verschafft?“

„Naja, ich hab die Zeit gerade um zwei Stunden zurück gedreht. Das ist zu gering, als dass es im Kontinuum auffallen würde. Das geht halt schon mal, wenn es dringend ist. Und das ist es. Ich hab nämlich gerade keine Ahnung vom Tätowieren!“

„Diggi, Du hast die Zeit zurück gedreht?“

„Ja, hab ich doch gerade gesagt. Mehr als zwei Stunden geht aber nicht, weil da gerade Henne und Michel hier raus sind. Dann würden wir sie ja noch einmal sehen.“

„Warum machst Du das? Das is ja voll krass, Diggi!“

„Erstens, weil ich es kann. Zweitens, weil ich nicht tätowieren kann!“

„Ja, das merk ich wohl, Diggi. Es gibt nämlich keine feineren Pigmente und damit sind auch weitere Iterationen beim Fraktal unmöglich. Diggi, sieh einfach zu, dass das ordentlich wird und wenn es schnell geht, ist es auch nicht schlimm. Ich weiß sowieso nich wie Du das in zwei Stunden hin bekommen willst. Also damals hat das bei meinem Rücken geringfügig länger gedauert, Diggi.”

Auffordernd blickte er rücklings über die Schulter und sah FX mit funkelnden Augen an.

„Was guckst Du so? Du hast es verbockt, Du bist mir was schuldig. Also los!”

Kurz überlegte FX, ob er darauf antworten sollte, aber im Endeffekt hatte Ben ja recht. Es war seine Schuld gewesen, dass der erste Versuch der Materieverschänkung von Ben misslungen war. Es war eher eine Entschränkung denn eine Verschränkung.

„Na, das mache ich doch mit Links!”

FX trat von hinten dicht an Ben heran und fuhr sich nervös mit der Hand durch sein Haar.

„Stell Dich gerade hin, Hände in die Hüften, Schultern entspannt. Runter, aber nicht nach vorne.”

Mit seinem Zeigefinger korrigierte er hier und dort die Position von Schultern und Rücken, bis Ben gerade und dennoch entspannt vor ihm stand.

Er atmete einmal tief durch, schloss die Augen und legte seine linke Hand auf Bens linkes Schulterblatt. Vor dem inneren Auge erschien das geschwungene dreieckige Symbol der Trinitatis. Im Geiste nahm er eine Kopie davon, drehte sie etwas und setzte das zweite Dreieck an das erste an. Er nahm ein weiteres Dreieck, drehte es und setzte es erneut an das erste Trinitatis Symbol an. Ein drittes Mal wiederholte er es, so dass an allen drei Flanken des ersten Trinity Symbols jeweils dasselbe Symbol angedockt hatte. Das neue Logo sah genauso aus, wie das alte, bestand aber aus vier Mal dem selben kleinen Symbol. Er wiederholte es erneut: kopieren, drehen, ansetzen. Das neue große Symbol bestand nun aus vier kleinen Symbolen, die wiederum aus sechzehn noch kleineren Symbolen bestanden. Er wiederholte es erneut und erneut. Dreizehn Mal, bis das Hauptmotiv schließlich aus über eineinhalb Millionen winziger Minisymbole bestand.

Noch hatte FX sich keinen Millimeter bewegt. Er hatte lediglich vor seinem geistigen Auge gearbeitet und in Rekordzeit ein neues Fraktal für Ben entworfen. Er war zufrieden mit seinem Ergebnis, jedoch jetzt schon sehr ausgelaugt. FX hätte sich nicht träumen lassen, dass diese Design-Arbeit so anstrengend war.

FX stellte fest, dass er vollkommen durchgeschwitzt von der geistigen Anstrengung, die Selbstähnlichkeit dieses Symbols immer und immer wieder zu produzieren. Mathe war nicht unbedingt sein Lieblingsfach, aber es war Mittel zum Zweck. Mathematik war praktisch, man konnte sie für allerhand Dinge gebrauchen. Und wenn es nur ein verrücktes Tattoo war. Aber Mathe war auch anstrengend. Zumindest, wenn man nicht sonderlich gut geübt darin ist. Und Fraktale und die damit verbundene Potenzrechnung gehörten nicht unbedingt zu FX’ täglichen Brot. Sein Mathe-Muskel war definitiv nicht im Training. Ein leichter Anflug von Kopfschmerzen machte sich breit. Das konnte er jetzt gar nicht gebrauchen. die ganzen Dreiecke mussten doch noch in Bens Rücken tätowiert werden. Und jetzt durfte er sich nicht noch einmal einen Fehler erlauben. Dieses Tattoo musste perfekt werden!

„So, jetzt geht’s unter die Haut!”

Einmal schluckte FX noch trocken, dann strich er langsam mit seiner Hand von der linken Schulter hinüber zur rechten. An den Stellen, an der seine Hand Bens Haut berührt hatte, erschien sein Tattoo wie durch Zauberhand wieder. Von Bens rechter Schulter aus glitt FX’ Hand nach unten bis zum Steißbein um dann wieder hoch das Dreieck an der linken Schulter zu schließen. Zum Abschluss strich FX noch über den mittleren Bereich des Dreiecks und wenige Augenblicke später war das Tattoo vollständig.

Es sah fast so aus wie das ursprüngliche. Und FX war sehr stolz auf seine Arbeit. Denn es war schärfer und genauer gezeichnet. Es war facettenreicher und besaß deutlich mehr Tiefe als das ursprüngliche. Auch die Farbe war schwärzer als das Schwarz, was kurz zuvor mit einem leisen Rauschen als Staubwolke zu Boden gefallen war.

FX trat einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk mit etwas mehr Abstand. Er legte seinen Kopf nach links, kniff ein paar Mal die Augen zusammen um danach den Kopf nach rechts zu legen. Zwischendrin gab er manchmal einen kleinen Grunzlaut von sich.

„Diggi, was’n los? Trauste Dich doch nich?“ Schließlich riss Ben der Geduldsfaden, „Is auch kein Beinbruch. Oder Armbruch wie bei Dir. Egal. In den nächsten Ferien fahr ich einfach ins Studio und die machen mir das bestimmt wieder wie neu. Ich hab glaub ich auch irgendwo noch meine Skizzen. Und in ein paar Semestern hab ich es dann wieder fertig.” Ben konnte sich ein tiefes seufzen nicht verkneifen. So viel Zeit und Schmerzen hatte er in sein Kunstwerk auf dem Rücken investiert und nun war es quasi mit einem Fingerschnipp ausgelöscht.

„Hhhmmm...” FX war wirklich ein Meister, was dramaturgische Pausen anbelangte. „Ich glaub, es ist ganz gut geworden, dafür dass es mein erstes Tattoo ist!”

„Wie? Gut geworden? Du hast mir doch nur etwas den Rücken gestreichelt...”

FX schob Ben ins Bad, wo er mit Hilfe zweier Spiegel seinen Rücken betrachten konnte.

Ganze drei Mal musste Ben seine Augen zusammenkneifen, bevor er überhaupt in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen. Was er sah, war einfach atemberaubend! Das Tattoo war wieder da. Sein Tattoo war wieder da. schärfer, facettenreicher und schwärzer als es je war und er es sich denken konnte!

„Diggi, wie... Und, welches...“

„Welches Schwarz? Vanta Black. Ich war so frei. Das schwärzeste Schwarz, was es gibt.” FX wusste, dass Ben auch nach diversen Versuchen keinen ganzen Satz würde herausbringen können, weshalb er ihm zur Hilfe eilte.

„Es ist einfach nur geil!!! Es ist sooo genial!!! Es ist so, wie ich es immer haben wollte! Dreizehn Iterationen. Wahnsinn! Es ist traumhaft. Es ist so unendlich tiefschwarz! Dankeschön!!!”

Ben drehte sich um die eigene Achse, um FX aus lauter Dankbarkeit in den Arm zu nehmen, jedoch hob dieser abwehrend die Hand. Verdutzt blieb Ben stehen und blickte seinen Freund fragend an.

„Warte, da fehlt noch eine Kleinigkeit.”

Mit dem Zeigefinger deutete FX auf Bens Mund. Als Ben verstand, worauf FX hinaus wollte, grinste er und entblößte seine Zähne. FX nutzte die Gelegenheit schamlos aus und fuhr zunächst mit seinem Finger vorsichtig über Bens Lippen. Von der Mitte der Oberlippe hinüber zur Seite, und dann behutsam über die Unterlippe wieder zurück. Sie waren ganz weich und zart. Ben war ganz entspannt und seine Lippen gaben jeder Berührung durch FX’ Finger bereitwillig nach. Schließlich schloss sich der Kreis und FX Zeigefinger war wieder unter der Nase an der Oberlippe angekommen. Gerne würde er noch eine zweite Runde drehen, denn er hatte diese kleine aber dennoch intime Reise sehr genossen, aber zunächst musste er noch etwas korrigieren.

Sein Finger rutschte etwas tiefer und berührte kurz die schneeweißen Schneidezähne von Ben.

Im gleichen Augenblick brachte Ben ein gepresstes Stöhnen hervor und hielt sich mit beiden Händen den Kopf, als befürchte er, dass dieser gleich explodieren würde.

„Sorry Diggi” FX konnte nicht anders, als Ben mit seinen eigenen Worten zu triezen, als er die Zahnspange wieder in Bens Mund gesetzt hatte. Mit einem Mal war der stetige Druck des Gestells wieder in Bens Mund und obwohl es nur für einen kurzen Augenblick war, hatte er sich sofort an die Entspannung gewöhnt. Um so schmerzhafter war es, als der Druck ganz plötzlich in alter Stärke wieder da war.

„Gottverdammtes Arschloch!” stöhnte Ben noch vor Schmerzen, trat einen Schritt vor stellte sich auf die Zehenspitzen und griff mit beiden Händen nach FX’ Kopf und zog ihn zu sich herunter. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, presste er seine Lippen auf die seines Freundes.

FX, der von dieser Aktion total überrumpelt war, wusste nicht, wie ihm geschah. Er spürte die weichen Lippen von Ben auf seinen und kurze Zeit später auch schon die Zunge seines Gegenübers in seinem eigenen Mund.

Während sein Geist immer noch verwundert ob der Situation untätig war, übernahmen FX animalischen Instinkte die Hoheit über seinen Körper. Ganz intuitiv begann er, mit seiner Zunge die von Ben zu umkreisen und mit ihr zu spielen. Wie zwei Hundewelpen auf der Wiese tollten ihre Zungen mal in den Mündern, mal bei Ben, um kurz darauf gleich wieder zurück in FX’ Mund zu wandern.

Ganz unterbewusst war FX mehr als froh, dass er vorhin die Zeit zurück gestellt hatte und er ihnen so ein paar sehr vergnügliche Stunden bescheren konnte. Die Wiederherstellung des Tattoos und der Zahnspange war schnell von sich gegangen, und so konnten sie den Rest der verbleibenden Zeit für die schönste Nebensache der Welt nutzen.

Keiner der beiden wusste, wie lange sie knutschend im Bad gestanden hatten. Einer nackt, der andere halbnackt. Beide eng umschlungen und sich gegenseitig umarmend. Die Augen fest verschlossen und die Lippen fest gegen die des Anderen gepresst.

Nur ein unerwartetes Räuspern von der Tür her war das eindeutige Zeichen, dass sie viel zu lange Spaß gehabt hatten und am Ende wer weiß wie lange nicht unbeobachtet waren.

Lesemodus deaktivieren (?)