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Ronny

Teil 6

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Zusammenfassung Teil 5
Julian hat also zwei schwule Freunde und sie sind seine besten Freunde, wie er sagt. Das ist doch schon mal kein schlechtes Zeichen. Ronny bittet seine Mutter mit seinem Vater zu sprechen und ihn schonend darauf vorzubereiten, dass er mit keiner Schwiegertochter rechnen sollte. Peinlich, peinlich. Julian erwischt Ronny, als dieser ihm beim Duschen durch das Schlüsselloch beobachten will. Julian nimmt es gelassen und durch diesen Vorfall erfahren die zwei Helden von einander, dass sie beide auf Jungs stehen. Sie sprechen sich aus und bekommen Lust auf mehr, aber außer kuscheln im Bett passiert nichts. Oder doch?


Eine leichte Berührung weckte mich und es dauerte eine Weile, bis ich die Situation verstand. Ich spürte eine Hand die ganz behutsam über meinen Oberkörper streichelte. Die leuchtenden Zahlen auf meinem Radiowecker zeigten 1:59 Uhr. Das wenige Licht das von ihnen ausging reichte um zu erkennen, dass Julian neben mir, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, aufrecht im Bett saß. So konnte er doch unmöglich schlafen. Ich knipste meine kleine Nachttischlampe an und schaute verwundert in Julians offenen Augen. Er sah etwas traurig aus, auch wenn er mich anlächelte.

»Warum schläfst du nicht, bist du nicht müde?«

»Nein, ich glaube nicht. Ich muss über so vieles nachdenken. Hoffentlich hab ich dich nicht geweckt.«

»Ist nicht so schlimm. Nackte, süße Jungs dürfen in meinem Bett fast alles, egal wie spät es ist.«

Julian mußte grinsen.

»Weißt du, als du dich vorhin so an mich gekuschelt hast und langsam in meinen Armen eingeschlafen bist, wollte ich das einfach noch eine Weile genießen. Es ist so ein schönes Gefühl, jemanden bei sich zu spüren und zu hören wie er neben einem ruhig und gleichmäßig atmet. Es ist ganz anders, als ein Kopfkissen im Arm zu haben. Ich hätte vorhin eigentlich schon mehr gewollt. Du bist ja auch richtig niedlich, aber weißt du warum ich plötzlich nicht konnte?«

»Nein.«

»Es ist wegen Juan. Es klingt vielleicht blöd, aber ich habe Angst ihn zu betrügen. Ich glaube, ich habe mich in ihn verliebt und obwohl mir das erst gerade klar geworden ist und er es nicht mal ahnen wird, habe ich Bedenken, dass ich fremd gehen würde, wenn zwischen uns mehr passiert. Verstehst du das?«

Ich setzte mich auf, so das wir nun beide mit dem Rücken an die Wand gelehnt da saßen und Julian legte seinen Arm um mich und sah mich fragend an.

»Ich denke schon, dass ich dich verstehe. Glaubst du, Juan könnte schwul sein?«

»Keine Ahnung, Ronny. Ich habe auch ein wenig Angst davor ihn zu fragen. Eine Antwort wäre wahrscheinlich so endgültig und würde alle Hoffnungen, die ich jetzt noch habe, zerstören. Weißt du, als ich dir vorhin die Shorts ausgezogen habe, musste ich an Juan denken, wie sehr ich mir wünsche, dass ich das mal bei ihm machen könnte. Ich wollte nicht mit dir so etwas tun und dabei an ihn denken. So würde ich euch doch beide betrügen, oder? Ich glaube..., ich meine..., ich hoffe, zwischen uns beiden, zwischen mir und dir, dass könnte eine richtig gute, feste Freundschaft werden und deswegen, möchte ich auch ehrlich zu dir sein. du bist sehr süß und ich mag deine Nähe und genieße es deinen Körper zu spüren, aber mein Herz ist bei Juan.«

»Ich finde es schön, dass du mir das erzählst. Ich hatte vorhin auch Lust auf mehr, aber wenn ich die Wahl habe, zwischen Sex und einer langen festen Freundschaft mit dir, dann ist die mir schon viel wichtiger. Ich habe ja einen sehr guten Freund. Robert! Aber das mit dir ist ganz anders. Du bist so vertraut, als ob wir uns schon lange kennen würden. Du verstehst mich eben, weil du auch Jungs magst, wie ich. Na ja, irgendwann wirst Du Juan aber doch mal fragen müssen. Weiß er eigentlich das du nicht auf Mädchen stehst?«

»Ich denke schon. In meiner Klasse wissen es eigentlich alle und ab und zu kommt es auch mal zur Sprache, wenn wir uns über was auch immer unterhalten. Er müsste es also eigentlich wissen.«

»Wann hast du dich denn bei deinen Freunden geoutet?«

»Gleich nach den letzten Ferien am ersten Schultag. Ich habe mich vor die Klasse gestellt und gesagt: Leute ich bin schwul. Ab und zu habe ich solche spontanen, idiotischen Ideen, die ich dann hinterher oft auch wieder bereue. Manchmal bin ich mir auch gar nicht so sicher, ob ich nun wirklich schwul bin. Vielleicht ändert sich das ja auch wieder. Ich meine, in meinem Leben hat sich schon so viel verändert. Vielleicht erzähl ich jetzt allen ich bin schwul und dann verliebe ich mich vielleicht in ein Girl. Vielleicht ist es wirklich nur ein Phase, vielleicht bleibt es das ganze Leben. Ich weiß es nicht.«

Julian guckte mir ziemlich ratlos in die Augen und lehnte seinen Kopf an meinen.

»Vielleicht sollten wir auch gar nicht so viel darüber nachdenken, Julian. Wenn du dich in Juan verliebt hast, dann versuch rauszukriegen, ob er deine Gefühle erwidern kann und wenn nicht und du dich irgendwann mal in ein Mädel verliebst, na und? Manchmal denke ich, wir nehmen das viel zu wichtig, was wir sind und wie wir es nennen. Wer sich in jemanden verliebt, sollte denjenigen einfach lieb haben und sich nicht den Kopf darüber zerbrechen müssen, wie er das seiner Umwelt erklärt. Ich meine, keiner unserer Freunde stellt sich doch vor die Klasse und sagt: Leute ich bin hetero.«

Hatte ich das alles gesagt? Ich, Ronny Schreiber fast 16 Jahre? Wie komme ich nur auf solche Dinge? Vielleicht muss man dazu nachts neben einem süßen Jungen aufwachen. Wer weiß? Warum denke ich plötzlich über solche Sachen nach? Bis vor kurzem waren mir doch solche Sachen völlig egal.

»Sicher hast du recht, aber irgendwie muss man den anderen doch mal klarmachen, was man eigentlich will. Wenn wir gar nichts sagen, dann ist es ja noch schwerer rauszukriegen, wer schwul ist und wer nicht und das zu wissen, ist ja schon ein wenig interessant, wenn man nach einem Freund sucht. Ich glaube es war auch für mich sehr wichtig, es jemanden sagen zu können. Bis dahin war es mir nie so richtig klar, aber als ich mich selber habe sagen hören: 'Ich bin schwul.', war es das erste Mal, dass ich mir dessen richtig bewusst war. Maik, einer der Jungs auf dem Foto, die ich im Urlaub kennengelernt habe, war damals der erste, dem ich es gesagt habe. Was meinst du, wie kriege ich denn raus, ob Juan etwas für mich empfindet? Ich habe einfach ziemlichen Bammel, wenn ich daran denke, ihn danach zu fragen.«

»Na wenn Du willst, kann ich ihn ja mal ganz vorsichtig fragen. Ich muss ihn ja nicht direkt auf dich ansprechen, eben nur so allgemein. Da wüsstest du schon mal, wie er über so etwas denkt. Ich kann ihn ja mal fragen, ob er 'ne Freundin hat und so.«

»Das würdest du für mich machen?«

»Klar für einen guten Freund, würde ich fast alles machen.«

»Danke.«, sagte Julian und gab mir einen Kuss auf die Wange.

»Ihr kommt doch heute zu uns in die Schule. Bei diesen vier Gemeinschaftsstunden kann ich ja mal versuchen mit ihm ins Gespräch zu kommen.«

»Gute Idee, Ronny. Ich hoffe Du versuchst nicht mehr bei ihm.«, sagte Julian mit schelmischer Mine. »Sonst nehme ich nächste Nacht 'n großes Messer und 'schwubs' weg ist dein kleiner Lümmel.«

Bei diesen Worten streichelte er mir demonstrativ über mein bestes Stück und sein Grinsen wurde noch breiter.

»Keine Angst. Ich könnte doch mit keinem glücklich werden, wenn ich weiß, dass es dich unglücklich macht. Was meinst du? Wir sollten noch ein wenig schlafen.«

»Ja klar. Du musst ja zeitig raus. Wir müssen ja erst um zehn in der Schule sein.«

»Hm. Ist eigentlich ungerecht.«

»Nö. Wir sind ja schließlich Gäste hier.«

»Stimmt auch wieder. Na dann schlaf schön und träum von Juan.«

Wir rutschten beide nach unten und kuschelten uns wieder fest aneinander und ich hörte noch, wie Julian in mein Ohr flüsterte:

»Schlaf schön, Ronny«

* * *

Ich hatte das Gefühl, als wären nur Sekunden vergangen, als ich wieder die Augen öffnete, aber der Wecker verriet, dass es Zeit war aufzustehen. Ich fühlte mich wie erschlagen.

Damit Julian nicht wach wurde, stellte ich den Wecker ab, der noch nicht gepiepst hatte und stieg vorsichtig aus dem Bett. Meine Beine gehorchten mir nur widerwillig und ich hatte Mühe meine Augen offen zu halten. Nächtliche Gespräche sind scheinbar doch anstrengend. Julian hatte sich in mein Kopfkissen gekuschelt und schien noch fest zu schlafen. Er sah so süß aus und ich deckte ihn behutsam zu, damit er nicht aufwachte. Ich nahm meine Sachen und ging ins Bad. Zu meinem Erstaunen traf ich Roland auf dem Flur, der auch nicht gerade einen munteren Eindruck machte.

»Na nu Roland? Du bist schon wach?«

»Ja. Hab schlecht geschlafen. Mein Bett zu Hause ist viel weicher. Ob deine Mutter wohl schon 'nen Kaffee für mich hat?«

»Klar. Notfalls bekommst Du meinen. Ich trinke ja immer Milch und Kaffee.«

»Milch?«, Roland lächelte mitleidig.» Milch ist doch was für kleine Kinder.«

»Na klar. Ich bin ja auch noch in der Entwicklung.«

»Pah. Entwicklung. Bei mir muss sich nichts mehr entwickeln. Ich bin perfekt.«

Nun es lag mir gar nicht, da am frühen Morgen zu widersprechen. Roland schien sowieso hoffnungslos überzeugt von sich selber.

Auch meine Mutter war erstaunt, Roland schon wach zu sehen und da sie gerade dabei war, die Kaffeemaschine zu bestücken, wurde auch für ihn eine große Tasse eingeplant.

Seltsamer Weise hatte Roland nichts an seinem Kaffee zu bemängeln. Scheinbar war er doch noch etwas müde, denn er beschloss sich noch ein wenig hin zulegen. Da ich noch meinen Rucksack aus meinem Zimmer holen musste, ging ich mit ihm nach oben. Als ich die Tür öffnete, fiel soviel Licht vom Flur in das Zimmer, das Roland kurz in mein Zimmer sehen konnte. Sein Blick war genau auf mein Bett gerichtet, in dem Julian lag. Der war wieder halb aufgedeckt, so das deutlich zu erkennen war, dass er nichts an hatte.

Roland lächelte mich nur kurz an und verschwand wortlos in seinem Zimmer. Komisch, irgendwie hätte ich zumindest einen dummen Satz von ihm erwartet, aber er hatte es völlig gelassen hingenommen, dass Julian nackt mit mir in einem Bett geschlafen hat. Seltsam.

Die ersten zwei Schulstunden verliefen ohne nennenswerte Zwischenfälle. Nun gut, in Chemie gab es eine mehr oder weniger peinliche Vorstellung meinerseits, als ich vor der Klasse eine tafelfüllende Formel aufstellen und ausrechnen sollte, aber darauf möchte ich nicht näher eingehen. Die Praxis liegt mir da mehr als die Theorie. Ich mag Chemie solange es darum geht, irgendwelche Experimente durchzuführen. Leider haben Robert und ich die Chemikalien wie immer schon vor Versuchsstart aufgebraucht und alle zusammen in einem Reagenzglas über dem Brenner erhitzt. Vielleicht waren es ja auch die zwei größeren Stichflammen und die verschmorten Haare von Manuela, die Frau Möller unsere Chemielehrerin dazu bewegten, mich vor an die Tafel zu holen. Dabei sollten wir doch immer selbstständig arbeiten und kreativ sein. Ich konnte mich aber gar nicht richtig auf meine Aufgabe konzentrieren, weil ich Robert beobachten musste, der sich vom Nachbartisch Nachschub geholt hatte, um die Wirkung bei erhöhter Dosis zu testen. Während er für die Wissenschaft sein Leben riskierte, quälte mich Frau Möller weiter an der Tafel.

Kurz nach 10 Uhr hatten wir uns dann mit unseren Gästen im großen Mehrzweckraum versammelt. Pünktchen, bei dem wir eigentlich Mathe gehabt hätten, wurde die Ehre zu Teil unser Kennenlernen zu beaufsichtigen. Es gab so das übliche trallalla. Jeder musste sich vorstellen und was über sich erzählen. Julian hatte offenbar mal wieder einen seiner schwachen Momente, denn er sagte zum Schluss seiner Vorstellung: » ... übrigens bin ich schwul.«.

Er hat so was echt gut drauf und bei ihm klingt es irgendwie total natürlich. Ich könnte es jedenfalls nicht. Vielleicht sagte er es ja auch um sicherzugehen, dass Juan auch wirklich Bescheid wusste, denn mir war wohl aufgefallen, zu wem er bei diesen Worten geschaut hatte. Robert stieß mir dabei den Ellenbogen in die Seite und guckte mich mit großen Augen an. Richtig, er wusste ja noch gar nichts davon und so blieb mir nur ein viel sagendes Grinsen zu hinterlassen, denn wir hatten noch nicht über die letzte Nacht gesprochen. Wer glaubt einem das auch, dass zwei schwule Jungs nackt zusammen in einem Bett schlafen und dabei nichts passiert?

Roland brauchte für seine Vorstellung die doppelte Zeit von allen und wurde gar nicht fertig, all sein Vorzüge aufzuzählen. Von seinen Klassenkameraden schien das keinen zu stören, sie kannten ihn wohl. Juan dagegen erzählte nicht viel über sich und machte wirklich einen sehr schüchternen Eindruck.

Eigentlich wollte ich in der nächsten Pause ja sofort versuchen etwas näher an Juan ranzukommen, aber Robert musste natürlich erst einmal dringend die neuen Erkenntnisse über Julian mit mir auswerten. Ich versuchte ihm im groben die Ereignisse des letzten Abends zu erklären. Die Sache mit dem Schlüsselloch der Badezimmertür ließ ich dabei weg. Irgendwie war mir das einfach peinlich.

»Dann wird das wohl nichts mit euch beiden, oder?«, fragte mich Robert besorgt.

»Nein, sieht nicht so aus, aber es hätte doch auch keinen Zweck, wir wohnen einfach viel zu weit von einander entfernt. Ich möchte schon einen Freund, den ich etwas öfter sehen kann, als nur zweimal im Jahr.«

»Na ist schon klar. Und es ist wirklich nichts passiert zwischen euch?«

»Nein wirklich nicht. Wir haben nur gekuschelt, sonst nichts.«

»Na ich bin mal gespannt wie das wird, wenn ich das erste mal nackt mit 'nem Mädchen im Bett liege. Vielleicht versagt ja mein Bester dann vor lauter Aufregung.«

»Das wird schon klappen. Stell Dir nur vor, wie sie ihre Hände langsam an deinem Körper nach unten wandern lässt und...«

»Hör schon auf Ronny, sonst krieg ich 'ne Latte.«

In der nächsten und letzten Pause hatte ich jetzt gleich versucht ein wenig näher an Juan zu kommen. Das war auch gar nicht so schwer, denn er stand immer etwas abseits von den anderen. Julian zwinkerte mir im Vorbeigehen noch mal zu.

»Hi ich bin Ronny. Du bist Juan stimmt's?«

»Ja.« Der angesprochene schien fast erschrocken.

»Du bist neu in der Klasse, hab ich gehört. Hast du dich schon etwas eingelebt?«

»Etwas.«

Nun Juan machte es einem nicht gerade leicht ein Gespräch anzufangen. Trotzdem war er nicht abweisend. Er sah mich interessiert und neugierig an.

»Und hast du schon Freunde gefunden?«

»Freunde? Ich weiß nicht? Sie sind alle ganz nett, glaube ich.«

»Und die Mädchen bei euch in der Klasse? Hast du schon eine im Auge? Die sehen doch ganz nett aus.«

»Sie sind ganz ok.«

Na prima. »Ganz ok«. Was sollte ich mir denn daraus nehmen? So viel Zeit hatte ich nicht mehr, bevor die Pause zu Ende war und ich musste mir wohl bessere Fragen einfallen lassen.

»Oder hast du noch eine Freundin, da wo du vorher gewohnt hast?

War das nicht eine clevere Frage?

»Nein.«

Hm? Was sollte ich nur machen? Ich dachte, wenn ich so weiter frage, könnte er mich ziemlich schnell durchschauen und deshalb wollte ich es erst einmal dabei bewenden lassen.

»Na ja Juan, dann noch viel Spaß bei uns.« Mit diesen Worten wollte ich mich umdrehen und wieder zurück zu Robert gehen.

»Warte Ronny.«

Juan hielt mich vorsichtig am Arm zurück.

»Ja?«

»Kann es vielleicht sein, dass Julian das wissen will? Ich meine das mit der Freundin?«

Wow. Entweder hatte ich mich zu dämlich angestellt, oder in dem Jungen steckt wirklich mehr als man vermutete. Was sollte ich nun sagen? Das hat man davon, wenn man sich in fremde Angelegenheiten mischt. Ich wollte doch auch nichts verderben und war nun ganz schön in der Zwickmühle.

»Nun... ähm... na ja...« War ich nicht schon wieder mal in einer blöden Situation?

»Ist schon ok, Ronny. Sag Julian doch bitte, er möchte mich selber fragen. Ok?«

»Ok.« Wir mussten nun beide lachen.

Ich konnte Julian sehen, der etwas weiter weg stand und immer heimlich zu uns herüber sah. In seinem Gesicht zeichnete sich ein quälende Ungewissheit ab und ich konnte nachfühlen, was in ihm vorging.

»Nun Juan, ich glaube Julian mag dich und er will wissen, ob er 'ne Chance hat, aber verpfeif mich nur nicht, dass ich dir das gesagt habe.«

»Nein ich sag ihm nichts. Es war aber auch nicht schwer zu erraten. Vorhin hat jemand erzählt, dass du auch schwul bist. Stimmt das?«

»Ja, dass stimmt wohl.«

»Woher weiß man das man schwul ist? Wie merkt man das?«

»Ich weiß nicht? Vielleicht wenn man spürt, dass man sich zu einem Jungen hingezogen fühlt und eben nicht so viel für Mädchen empfindet. Kannst du dir denn vorstellen, dass Julian und du... Ich meine...?«

Juan schaute schüchtern auf den Boden.

»Ich weiß nicht. Bisher hat sich noch niemand in mich verliebt, weder ein Mädchen noch ein Junge. Ich habe keine Ahnung und ich habe bis jetzt auch nie darüber nachgedacht. Ich wollte auch nie darüber nachdenken.«

Juan sagte die letzten Worte noch leiser, als er bisher gesprochen hatte. Er drehte sich kurz weg und ich sah, dass er sich ein kleine Träne aus den Augen wischte.

»Ich kann keine Beziehung eingehen Ronny. Niemals«.

Diese Worte klangen traurig wie auch endgültig.

»Warum Juan? Jeder kann Beziehungen eingehen.«

»Nein, ich nicht.«, flüsterte Juan leise und ich merkte, dass ihm das nicht leicht fiel.

Plötzlich stand jemand zwischen uns. Floppe, bei dem Juan einquartiert war, sah uns verwundert an.

»Na ihr zwei guckt ja nicht gerade glücklich. Kommt wir müssen wieder rein, die Pause ist gleich vorbei.«

Juan sah mir noch einmal kurz in die Augen und wir gingen wieder zurück ins Zimmer. Julian schaute mich die ganze letzte Stunde erwartungsvoll an. Er musste Qualen leiden, weil ich ihm ja vor Schulschluss nichts mehr von dem Gespräch mit Juan erzählen konnte..

Die letzte Stunde verbrachten wir damit, dass wir einen gemeinsamen Nachmittag am Freitag planten. Wir entschieden uns für das Freizeitzentrum. In dem gab es ein großes Erlebnisbad und ich fand die Idee ganz besonders gut. Wo konnte man sonst viele fast nackte Jungs sehen? Ich selber plante in Gedanken schon den Samstag. Endlich 16!!! Für meine kleine Geburtstagsfete mußte ich noch Getränke besorgen. Um was zu essen kümmerte sich natürlich meine Mutter. Die hat ja sowieso immer Angst, dass wir jungen Leute verhungern und so brauchte ich mir da keine Sorgen zu machen. Die Gästeliste war auch so weit klar. Roland und Julian waren ja sowieso da und dann natürlich Markus, Maik, Olli, Floppe, Frank und selbstverständlich Robert. Sollte sich Manuela, ihrer Haare wegen, wieder beruhigen, sind mit ihr und Diana auch zwei Mädchen da. Maik und Olli hatten keine Gäste aus der Schweiz bei sich zu Hause und die Quartiergäste von Markus und Robert mussten am Freitag schon wieder zurück. Floppe musste ich auf jeden Fall noch sagen, dass er Juan mitbringen soll, den ich vorher noch nicht mal eingeladen hatte. Das konnte ich ja aber noch nachholen. Juan's Worte gingen mir nicht aus dem Sinn. Wieso sollte ein 16jähriger keine Beziehung wollen? Gab es einen vernünftigen Grund dafür?

Auf dem Nachhauseweg waren wir also zu viert: Robert, Julian, Roland und ich. Julian war total zappelig vor Aufregung, aber wegen Robert und Roland fragte er mich natürlich noch nicht, was ich über Juan erfahren hatte. Das änderte sich sofort, als die Tür von meinem Zimmer ins Schloss fiel und wir beide alleine waren. Er stürzte sich förmlich auf mich und sah mir ungeduldig in die Augen.

»Nun sag schon! Was hast du raus gekriegt???«

Wir setzten uns gemeinsam auf mein Bett und ich fing an, langsam die gesamte Geschichte zu erzählen. Als ich fertig war, saß Julian ziemlich bedrückt neben mir. Er schaute lustlos auf den Boden und in seinem Kopf schien es unentwegt zu arbeiten.

»Hm? Was soll ich jetzt machen?«

»Na mit ihm reden, Julian. Das hat er mir doch gesagt und ich glaube, man kann sehr gut mit ihm über so etwas reden. Du brauchst also kein Bedenken zu haben.«

»Schon, aber er hat ja deutlich gesagt, dass er keine Beziehung will.«

Julian seine Worte waren voll Enttäuschung. Ich nahm ihn in den Arm und versuchte ihn zu trösten.

»Er hat gesagt, dass er keine Beziehung eingehen kann. Er hat nicht gesagt, dass er es nicht will. Du musst erst mal rauskriegen was da los ist. Vielleicht ist es ja gar nicht so hoffnungslos.«

»Ja, aber ich weiß ja noch nicht mal, ob er mich überhaupt haben wollte.«

»Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall scheint er einen guten Freund zu brauchen und es gibt glaube ich keinen besseren wie dich.«

»Nun wenn er nicht mehr will, als eine Freundschaft, dann wird das ziemlich schwer für mich, aber ich will ihm auf jeden Fall helfen, was immer auch mit ihm los ist. Man, ich mach mir richtig Sorgen um ihn. Am liebsten würde ich sofort mit ihm reden wollen.«

»Hm? Warum versuchst du es nicht? Wir können ja mal bei Floppe anrufen. Die müssten ja jetzt mittlerweile auch zu Hause sein.«

»Ich weiß nicht. Am Telefon ist das vielleicht nicht das richtige. Ich werde das wohl auf morgen verschieben, auch wenn ich bestimmt nicht schlafen kann heute Nacht.«

»Na ja, viel konnte ich dir da leider nicht helfen. Tut mir leid, Julian.«

»Quatsch. Du hast mir sogar sehr geholfen. Ohne dich wüsste ich ja nicht mal das.«

Ich bekam von Julian einen Kuss auf die Stirn: »Danke Ronny, du bist'n richtig guter Freund.«

In diesem Moment kam, wie immer ohne anzuklopfen, Roland in's Zimmer gestürzt.

»Ohh, ich störe euch doch hoffentlich nicht, bei irgendwelchen intimen Sachen. Ich meine, wenn ihr gerade die Sexualität entdeckt, dann gehe ich lieber wieder.«

»Bleib nur da. Vielleicht brauchen wir ja den Rat eines Experten.«, antwortete Julian.

»Gut.« Roland grinste mit wichtiger Mine. »Habt ihr gesehen, wie die Weiber heute auf meine Vorstellung abgefahren sind?«

»Nein«, antworteten Julian und ich gleichzeitig.

»Na kommt schon. Die hab ich doch voll beeindruckt. Du sag mal Ronnylein, diese Manuela, die kommt doch am Samstag auch zu deiner Fete, oder?«

»Ja, ich denke schon. Zumindest habe ich sie eingeladen. Wir hatten heute morgen zwar ein paar chemische Differenzen, aber sie hat sich schon wieder beruhigt.«

»Das ist gut. Was meinst Du, ist die leicht flach zulegen?«

»Hm? Keine Ahnung Roland, ich habe es noch nie versucht, aber für dich ist das sicher ein Kinderspiel.«

»Stimmt, sie wird beeindruckt sein.«

Julian gab eine Antwort mit den schlimmsten und unverständlichsten schweizer Wortgebilden, die ich nicht verstand, aber Roland's Kopf färbte sich im nu rot und er versuchte abzulenken.

»Ähm... Jungs und was machen wir heute noch?«

Wir überlegten eine Weile und das Klingeln des Telefons brachte die Lösung. Robert ist mit Florian, seinem Gast, in der Videothek gewesen und fragte, ob wir drei nicht Lust zu einem Videoabend hatten. Natürlich hatten wir Lust und beschlossen uns in einer Stunde auf den Weg zu machen. Roland verschwand darauf wieder in sein Zimmer.

»Was hast du denn vorhin zu Roland gesagt, das er plötzlich so ruhig war.«

»Ich habe ihn nur gefragt, ob er Manuela etwa mit seinen 10 cm beeindrucken will. Es ist ein offenes Geheimnis bei uns in der Klasse. Roland hat zwar den größten Mund, aber den kleinsten Schwanz. Er wollte früher nie mit uns duschen nach dem Sport, bis ihm der Trainer mal dazu gezwungen hat. Danach war natürlich klar warum er sich so geziert hat.«

»Du scheinst ihn ziemlich gut im Griff zu haben. Er ist immer sofort ruhig, wenn du was sagst.«

»Ich kenne Roland schon lange und kenne seine Schwächen, da ist es nicht schwer ihn mal zu bremsen, wenn er übers Ziel hinausschießt. Mit Juan ist es da schon schwieriger. Den kenne ich gar nicht und das macht mich total hilflos.«

»Mach dir keine Gedanken, Julian. Das wird schon.«

»Ja, das sagt sich so leicht. Wenn ein Junge bei 'nem Mädchen abblitzt, hat er immer noch die Chance, dass sie sich das mal anders überlegt, aber wenn jemand nicht schwul ist, dann hat man nie ein Chance, egal was man auch anstellt.«

Die Geschichte mit Juan schien Julian ziemlich mitzunehmen und die Ungewissheit die ihn plagte schien nach meinem Gespräch mit Juan nun noch größer geworden zu sein. Mit tat der Junge leid, der da so traurig neben mir saß. Ich mochte ihn einfach und nichts hätte ich lieber gesehen, wie ein glückliches Lächeln von ihm.

»Nun komm Julian. Lass den Kopf nicht hängen. Juan hat mich gefragt wie man es merkt, dass man schwul ist, also ist er sich nicht sicher. Das ist doch gar kein schlechtes Zeichen.«

»Stimmt schon, aber warum kann er keine Beziehung eingehen? Ich versteh das nicht. Du hast gesagt, er war traurig, als er das gesagt hat, also scheint es was zu sein, was ihn bedrückt. Hoffentlich kann ich morgen mit ihm reden. Lange halte ich diese Ungewissheit nicht aus.«

Julian atmete einmal tief durch und versuchte so etwas ähnliches wie ein grinsen.

»Lohnt es sich noch zu duschen? Wie viel Zeit haben wir den noch?«

»'Ne halbe Stunde. Wenn wir zusammen gehen schaffen wir's.«

»Klar Ronny, machen wir. Dann kannst du dir auch den unbequemen Blick durchs Schlüsselloch sparen.«

»Na dann los.«

* * *

Als wir bei Robert ankamen, bot sich uns erst mal ein recht lustiges Bild. Florian, kam gerade aus dem Bad, sprang nackt und aufgeregt durchs Zimmer und suchte überall sein Shorts. Robert ist schon kein Genie, wenn es um Ordnung geht und mit Florian bildet er wohl das perfekte Team, was undurchdringbares Chaos betrifft. Julian und ich setzten uns gemütlich auf das kleine Sofa, zwinkerten uns zu und erfreuten uns an dem unverhofft schönen Anblick. Nach ein paar Minuten kam von Florian ein lauter Freudenschrei, nachdem er nach längerem wühlen in einem großen Wäscheberg ein paar Blümchenshorts an die Oberwelt beförderte. Mit zufriedenem Gesicht schlüpfte er hinein, was von mir und Julian mit einem lauten: »Ohhh, schade.« kommentiert wurde. Flo ließ sich aber nicht überzeugen, den vorherigen Zustand wieder herzustellen und machte sich auf die Suche nach einer Hose. Robert half ihm dann noch mit einem T-Shirt aus und Roland, Julian und ich überlegten in der Zwischenzeit, ob wir mit Action, Horror oder Porno beginnen sollten. Letzterer stammte nicht aus der Videothek, sondern aus Roberts geheimen Privatbestand und wenn ich den Film auch schon zwanzig Mal gesehen hatte, ist es natürlich immer wieder lustig, so etwas mit anderen Jungs anzusehen.

Wir entschieden uns die Filme in der oben genannten Reihenfolge anzusehen. Robert brachte Getränke und jeder suchte sich ein gemütliches Plätzchen.

So ganz konnte ich mich nicht auf die Filme konzentrieren. Ich beobachtete Julian und ich sah, dass er gedanklich abwesend war und ich war gespannt, wie sein Gespräch mit Juan ausgehen würde.


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