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Ronny

Teil 2

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Ehrlich gesagt hatte ich schon ein komisches Gefühl im Bauch. Ich war total unruhig, wollte aber unbedingt den coolen Typen spielen. Holger saß ziemlich nah neben mir. Beim Umblättern der Seiten berührte ich manchmal seinen Arm. Ich konnte die Wärme seines Körpers fühlen und irgendwie war eine ziemlich knisternde Stimmung im Raum.

Eigentlich schaute ich mir die Bilder gar nicht so genau an wie sonst. Ab und zu sah ich kurz zu dem Jungen neben mir, versuchte aber zu vermeiden, dass unsere Blicke sich trafen. Irgendwie schämte ich mich etwas. Aber wofür eigentlich? Schließlich war er es ja, der unbedingt mit in dieses Heft sehen wollte.

Holger sagte nichts weiter. Er saß nur ruhig da und es schien mir so, als ob auch er abwechselnd das Heft und dann mich ansah. Das Heftchen lag auf meinem Schoß und das war im Moment auch ziemlich günstig für mich. Die Anwesenheit von Holger, der mir irgendwie das Gefühl von Geborgenheit gab und die vielen Bilder von schnuckeligen, nackten Boys führten irgendwie dazu, dass sich etwas bestimmtes in meiner Hose sehr breit machte und ich sage euch, es war nicht etwa der Schlüsselbund.

»Und, wie findest du es? Ist es gut?«,, fragte Holger.

Ich fand die Situation zwar immer noch prickelnd, aber doch auch irgendwie peinlich für mich.

»Hm. Geht schon und du? Wie findest du so was?«

Angriff ist doch manchmal die beste Verteidigung und ich war gespannt, was Holger antwortet.

»Nun sehen ziemlich gut aus die Jungs.«, grinste Holger. » Fast so gut wie ich.«

Kann mir denn nicht mal jemand helfen? Wie meint der Typ das jetzt? Worauf soll das hinauslaufen? Wenn ich doch wenigstens schon ein klein wenig Erfahrung in solchen Dingen hätte. Ob Holger sich nur über mich lustig machen will? Oder ob er mehr von mir möchte? Ist er vielleicht auch ... ?

Irgendwie hoffte ich, dass sich aus dieser Situation mehr entwickelt. Meine Lust es mal mit einem Jungen auszuprobieren war noch nie so groß, aber meine Angst, dass es wirklich passieren könnte, war auch noch nie so groß, wie in diesem Moment. Ich hatte doch gar keine Ahnung, wie so etwas geht. Klar, ich kannte die Bilder aus den Magazinen und die Stories dazu, aber reicht das? Ich hatte auch Bedenken mich vor Holger zu blamieren. Vielleicht war er ja wirklich nur neugierig und ist gar nicht an Boys interessiert.

»Ich weiß ja nicht ob du besser aussiehst als die Jungs hier. Ich habe dich ja noch nicht nackt gesehen.«

Wow, ich war richtig stolz auf mich. War das nicht 'ne tolle Antwort?

»He Ronny, das würdest du wohl gern, oder?«

Ups und schon war ich wieder dran. Ich wusste kaum noch weiter. Ich hatte gehofft, dass er mal etwas deutlicher wird, aber scheinbar musste ich wohl ganz auf Angriff gehen, auch wenn ich mir vor Aufregung fast in die Hose machte. Vielleicht war er ja auch schon deutlich und ich merkte es nur nicht.

»Na ja, außer auf Bildern, habe ich noch nie einen älteren Jungen nackt gesehen.«, sagte ich.

»Würdest du denn das gern mal sehen?«

»Hm, ich denke schon«, sage ich zögerlich.

»Und? soll ich dir diesen Wunsch mal erfüllen?«

»Würdest du das machen?«

Meine Worte sind mehr ein Stammeln und ich werde immer unruhiger.

Ohne das ich reagieren konnte, legte Holger das Heft beiseite. Natürlich war jetzt die Beule in meiner Hose ganz deutlich zu erkennen und es dauerte ein paar Sekunden, ehe ich das bemerkte. Ich konnte mich trotzdem nicht bewegen. Man war ich vielleicht durch den Wind.

Noch ehe ich das deutliche Zeichen meiner Erregung irgendwie verstecken konnte, war Holger ganz nah an mich herangerückt, legte seine Hand auf besagte Wölbung in meiner Jeans und gab mir einen Kuss auf die Wange.

»Du bist echt 'n niedlicher Kerl, Ronny.«

Jetzt war die letzte Sicherung in meiner Schaltzentrale durchgeknallt. Ich sah nur noch rote Lichter und wenn im Garten ein Ufo gelandet wäre, hätte ich das als unbedeutendes Ereignis abgetan. Ich sah nur noch eins: HOLGER!

Also nun hatte selbst ich es gerafft. Er hat sich das Heft nicht nur mit angesehen weil er hoffte, dass eventuell die neusten Börsennachrichten auf irgend einer Seite zu finden waren, sondern weil er auch auf so was steht. Hab ich doch ziemlich schnell geschnallt, oder?

»Ein niedlicher Kerl« hatte er gesagt. Ich. Na klar, wusste ich doch schon immer.

Holger schien schon so unheimlich erwachsen für mich und er fand mich niedlich, mich Ronny Schreiber, 15 Jahre. Ich denke mal der erste Mensch auf dem Mond wird nicht stolzer gewesen sein, als ich in diesem Moment.

In selben Augenblick höre ich Geräusche auf der Treppe. Ich schaffe es gerade noch das Heft hinter meinem Bett in Sicherheit zu bringen und schon steht meine Mutter in der Tür.

»Oh Ronny, ich wusste ja gar nicht das du Besuch hast.«

Wo kam den meine Mutter plötzlich her? Die müsste doch arbeiten sein. Ich rutschte ziemlich verlegen hin und her.

»Ja das ist Holger aus meiner Schule. Er hilft mir in Mathe.«, stottere ich verlegen.

»In Mathe? Da warst du doch eigentlich immer ganz gut, Ronny?«

»Na im Moment haben wir viele neue Sachen und ich will den Anschluss nicht verlieren.«

Was rede ich da nur für einen Quatsch zusammen.

»Bist du nicht arbeiten, Mama?«, versuche ich erstaunt abzulenken.

»Doch, ich bin auch gleich wieder weg. Wir hatten nur ein paar Besorgungen zu machen und da habe ich unseren Fahrer gebeten mal hier vorbeizufahren, weil ich meine Geldbörse vergessen hatte. Ich habe da aber noch jemand mitgebracht. Er wollte gerade klingeln. Vielleicht will ja Robert auch ein wenig mit Mathe üben?«

Erst jetzt sah ich, dass hinter meiner Mutter tatsächlich Robert stand. Der trat jetzt etwas näher und sah etwas fragend zu mir herüber. Ein paar Sekunden sagte keiner was.

»Nun vielleicht ein andermal, Frau Schreiber,«, meldete sich nun Holger zu Wort und stand auf, »ich wollte sowieso gerade gehen. Ich muss noch einkaufen. Also dann Ronny, bis zum nächsten mal.«

Holger zwinkerte mir noch kurz zu und verließ dann mit meiner Mutter das Zimmer, während Robert etwas unschlüssig näher trat und mich ratlos ansah.

»Holger von unserer Schule??? Mathe??? Den Anschluss nicht verlieren??? Bist du vielleicht ein anderer Ronny als der, der gestern noch neben mir in der Schule saß, oder habe ich durch eine seltsame Zeitverschiebung irgend etwas verpasst. Ich glaube fast, dass ich die Kopfverletzung habe. Wovon hast du da gerade gesprochen?«

Super gemacht Ronny. Schon wieder saß ich in der Patsche. Ich bin doch wirklich ein Meister wenn es darum geht, im richtigen Moment das falsche zu sagen. Wie sollte ich das nur erklären? Robert wusste, dass alles nur gelogen war und er war mein bester Freund. Sollte ich weiter lügen?

Also was blieb mir übrig? Ich stotterte erst mal wieder.

»Weißt du Robby... dieser Holger... nun er ist... ach verdammt, ich kann es nicht sagen.«

Ich war irgendwie verzweifelt. Ich mochte Robby sehr, aber ich konnte ihm doch nicht die Wahrheit sagen. Er würde doch nicht mehr mein Freund sein wollen, oder?

Robert schien zu merken, dass es mir sehr schwer fiel über die Sache zu sprechen. Wir blödelten sonst sehr viel herum, wenn wir zusammen waren und wenn es einem von uns wirklich mal nicht gut ging, dann merkte es der andere sofort.

»Man Ronny, was ist den nur los mit dir? Hast du etwa Geheimnisse vor mir? Ich dachte wir sind Freunde?«

Das saß tief. Natürlich waren wir Freunde und es tat mir weh, dass er daran zweifelte und schuld daran war nur ich, mit meinen dämlichen Lügen.

»Ronny! Sag doch was los ist. Dieser Holger ist nicht von unserer Schule, dass weiß ich doch. Woher kennst du ihn denn? Und Mathe habt ihr ja auch nicht geübt, oder?«

Mir schnürte es die Kehle zu. Was sollte ich tun?

»Wenn ich dir das sage, dann wirst du nicht mehr mein Freund sein wollen. Du wirst mich nie mehr besuchen und auch nie wieder etwas mit mir zu tun habe wollen, glaube mir.«

»Du spinnst wohl. Man was haben wir schon alles durchgemacht zusammen? Du glaubst doch nicht, dass ich das alles wegen diesem Holger vergessen werde. Sag mal, nimmst du vielleicht Drogen? Klar er iss'n Dealer dieser Holger, stimmt's.«

Warum hilft mir denn niemand. Ich wünschte mir ich könnte die Zeit zurückdrehen. Am besten bis kurz vor der Entdeckung Amerika, dann hätte ich noch genügend Zeit darüber nachzudenken, mit welchen idiotischen Ausreden ich mir das Leben noch schwerer machen könnte.

Jetzt oder nie dachte ich. Ich wollte nicht mehr lügen. Nicht bei Robert. Ich griff hinter mein Bett und holte das Magazin wieder hervor. Ich legte es Robert vor die Nase und sagte:

»Das war es, was wir zusammen angesehen haben und das wollte ich meiner Mutter nicht gerade auf die Nase binden.«

Robby blätterte kurz die Lektüre durch und legte sie dann wieder beiseite. Ich sah ihn fragend an und er sah mich fragend an.

»Tja, ich habe noch mehr von diesem Zeug, Robby«, sagte ich leise, »und ich sehe mir diese Hefte nicht etwa wegen der Kreuzworträtsel an, verstehst du?«

»Bist du etwa 'n Homo?«

Was sollte ich auf diese Frage nur antworten. Erstmal konnte ich weder ein 'ja' noch ein 'nein' sagen und so fing ich an, ihm die ganze Geschichte zu beichten. Ich sagte ihm, wie ich zu dieser Art von Heften komme, erzählte dann die Begebenheit mit Ziegenbärtchen und wie mir Holger geholfen hatte.

Robert hörte mir die ganze Zeit wortlos zu und nur ganz selten konnte er sich zu einem kurzen »Hm« durchringen. Ich merkte, dass er wohl eher angestrengt nachdachte, als das er mir wirklich konzentriert zuhörte.

»Aber Du siehst doch so gut aus Ronny. Du musst dich doch nicht mit Schwulen abgeben. Die ganzen Mädels aus unserer Klasse sind doch scharf auf dich. Warum nimmst du keine von denen?«

Nun, wie sollte ich das nur erklären. Mir war schon aufgefallen, dass einige Mädchen aus unserer Klasse ein Auge auf mich geworfen hatten, aber das war mir so egal, als ob es in Paris regnet. Es nützt mir gar nichts, dass ich sie alle haben kann, weil ich sie nicht haben will. Ich glaube nicht, dass ich für ein Mädchen irgend etwas empfinden könnte, was den Gefühlen, die ich durch die Nähe von Holger empfand, gleichkommt.

Ich muss mich nicht mit Schwulen abgeben? Da konnte ich nur antworten:

»Weil ich selber einer dieser Schwulen bin und gar kein Interesse an all den Mädels habe, deshalb will ich keine von denen, verstehst du?«

»Ich weiß nicht, Ronny. Wenn ich deine Chancen hätte... Warum hast du nie etwas gesagt? Wir haben doch schon so oft über Frauen gesprochen.«

»Weil ich mir selber nicht so sicher war. Bis heute. Und wer prahlt schon mit so was. Ich habe dir ja gesagt, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, wenn du alles weißt.«

Robert überlegte eine Weile bis er sagte:

»So schnell wirst du mich nicht los, mein kleiner Schwuli. Von wem sollte ich denn sonst in der Schule abschreiben? Kannst du mir das mal verraten?«

Ich musste etwas lachen, denn ich merkte an Robert seiner Stimme, dass er wirklich mein Freund bleiben wollte und nicht nur des Abschreibens wegen und er fragte weiter:

»Und dieser Holger, bist du wirklich in den verliebt? Ist er denn auch in dich verliebt?«

»Ja ich bin total verliebt und er? Hm, ich weiß es nicht genau. Bis heute wusste ich ja nicht mal was Liebe ist, aber es ist wirklich ein Gefühl wie Schmetterlinge im Bauch, echt.«

»Steh mir bei.«, lachte Robert und ließ sich rückwärts auf mein Bett fallen. »Mein bester Kumpel iss verknallt, in 'nen Typen. Das glaubt mir doch keiner.«

»Robby ...«

»Iss schon gut, hab kein Angst. Von mir wird es bestimmt niemand erfahren, verlass dich drauf. Weißt du noch, als ich bei Müllers die große Schaufensterscheibe zerknallt habe? Wie der Polizist dich verhört hat? Du hast damals gedacht du wirst eingesperrt, aber du hast mich nicht verraten.«

»Ja, ich weiß noch. Ich glaube da waren wir 4 oder 5.«

Ich fühlte mich plötzlich irgendwie befreit. Die nächste Stunde waren wir wieder so ausgelassen wie immer, wenn Robert mich besuchen kam. Natürlich hatten wir die ganze Zeit kein Wort über den verpassten Schultag gesprochen, weswegen er ja eigentlich gekommen war. Es war ihm viel wichtiger, sich vor mir zu bücken und zu sagen:

»Komm, besorg's mir mein Hengst.«

Das war natürlich nur Spaß. Den erstens war Robert hundertpro nicht schwul, zweitens war er mir als Kumpel tausendmal lieber anstatt als Liebhaber und drittens, war ich ja gerade frisch verliebt - in HOLGER.

Ich war aber auch froh, dass Robert solche Späße machte. So wusste ich, dass er irgendwie damit klarkommen wird, dass sein Freund schwul ist. Mir war es auch viel lieber, dass er sich ein wenig darüber lustig machte, als wenn wir gar nicht mehr darüber gesprochen hätten. Nichts ist schlimmer als peinliches Schweigen.

»Also, ich hole dich dann morgen früh ab wie immer.«

Mit diesen Worten verabschiedete sich Robert und ich war wieder alleine zuhause. Ich legte mich aufs Bett schloss die Augen und dachte an ihn. An HOLGER. Ich hörte seine Worte in meinen Gedanken und ich war wie berauscht, wenn ich an seinen Kuss dachte. Mit der Erinnerung war auch die Beule in meine Jeans wieder da und ich beschloss, mich unter der Dusche mal ernsthaft mit dem zu beschäftigen, was diese Enge in meinen Shorts verursachte. Diesmal war es anders als sonst. Ich dachte dabei nicht an irgend jemanden, nicht an ein Bild in einem Magazin, sondern an einen Jungen der mich berührt hatte, von dem ich meinen ersten Kuss bekommen hatte.

Im Bett nahm ich mein Kopfkissen in den Arm kuschelte mich hinein und ... , na ja ihr wisst ja, was man sich dann so vorstellt. Ich musste aber auch an meine Mutter denken. Ich hatte sie belogen. Klar, was hätte ich tun sollen? Aber was sollte ich erst tun, wenn Holger nun öfters zu mir kommt? Und Papa? Was würde er denn dazu sagen?

Fragen über Fragen. Wenn ich bis vor kurzem noch geglaubt hatte, ich hätte die Welt so einigermaßen kapiert, so war ich jetzt wieder am Nullpunkt mit meiner Weisheit. Das schlimmste war aber, dass ich nicht mal wusste, wie ich Holger erreichen konnte. Ich hatte keine Telefonnummer, keine Adresse, nichts.

Würde er sich bei mir melden? Und wann? Ich konnte nur hoffen, dass es nicht so lange dauert, denn ich musste ihn unbedingt bald wiedersehen. Und wenn er gar nicht mehr kommt? Nein, daran glaubte ich nicht. Mein Holger vergisst mich doch nicht.

Am frühen Morgen bin ich meistens nicht besonders fit. Wenn ich überhaupt zu großen Aktionen in der Lage bin, dann lediglich dazu, um voller Verachtung auf meinen Wecker zu schlagen und mich wieder in mein Kissen zu kuscheln. Meine Mutter sieht das nicht so gern, wenn ich die Zeit für Waschen, Anziehen und frühstücken auf drei Minuten reduziere und so gibt es jeden Morgen das selbe Geschrei. Natürlich meint sie es nicht böse, aber verbessern kann es meine Laune auch nicht gerade.

An diesem Tag hätte ich am Besten noch fünf Minuten früher aufstehen sollen, denn als meine Mama mir den Verband vom Kopf gewickelt hat, wird sie gar nicht fertig mich zu bedauern, obwohl wirklich nur noch ein ganz kleine Beule zu sehen ist. Trotz meiner fast militanten Gegenwehr muss ich dann doch noch mit einem Pflaster auf der Stirn in die Schule und ich hoffe, dass dies wenigstens unsere Lehrer als mildernde Umstände ansehen und mich heute etwas in Ruhe lassen, denn in Gedanken werde ich wohl bei jemand ganz anderen sein.

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