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Ronny

Teil 3

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Gerade als das letzte Stück von meinem Roggenbrötchen in meinem Mund verschwand und ich einem Vortrag meiner lieben Mama über zu hastiges essen lauschte, befreite mich Robert durch sein Erscheinen von ihrer Fürsorge.

»Also dann mein Kleiner, mach's gut und pass schön auf in der Schule.«

Wie alt muss man eigentlich werden, dass man nicht mehr 'der Kleine' ist? Ich vermute mal, dass mir das bis kurz vor der Rente anhängt, verspreche aber wie jeden Tag ganz brav zu sein und schließe hinter mir die Tür.

»Na Ronny, hast Du schön von Deinem Schatz geträumt?«, versuchte mich mein bester Freund zu necken.

»Nö, ich habe von dir geträumt, wie du nackt und gefesselt auf meinem Bett liegst und ich genüsslich über dich herfalle.«

»Hilfe!!! Vergewaltigung!!! Wo ich doch die Pille nicht mehr nehme. Stell dir mal vor ich werde schwanger und verpasse wegen Dir den Abschluss.«

Der Schulweg war also wie immer und bevor uns das erste Klingeln in der Schule nicht daran erinnerte, zu welchem Zweck wir hier eigentlich unterwegs waren, wurde kaum ein vernünftiges Wort gewechselt.

Schon auf dem Schulhof wurde ich von meinen Mitschülern umringt und musste genauestens Auskunft geben, warum ich am Vortag nicht in der Schule war. Natürlich entscheide ich mich da für die Skateboard - Version.

»Ach so, dann war es ja gar nicht so schlimm.«, mault Frank. »Und wir wollten schon für deine Beerdigung sammeln. Du machst auch nichts richtig.«, grinste er.

Die erste Stunde hatten wir Mathe und Robby flüstert mir lächelnd zu:

»Na da wirst du ja jetzt durch die Nachhilfe von Holger keine Probleme mehr haben, oder?«

HOLGER! Sofort war ich in meinen Gedanken verschwunden und dachte daran, wie er ganz lieb gesagt hatte, ich sei süß. Hmmmm. Ich hörte diesen Satz in meinen Gedanken immer und immer wieder und fühlte seinen zärtlichen Kuss in meiner Erinnerung. Ich weiß nicht wie lange ich nur bunte Bilder sah und völlig vergaß, wo ich eigentlich bin.

»HERR SCHREIBER, was ist nun?!!!«, hörte ich es sehr laut und verärgert neben mir rufen. Oh je, unser Pünktchen reißt mich doch tatsächlich aus den schönsten Träumen. Pünktchen? Ach so ja. Anton Punkt das ist unser Mathelehrer, aber wer wird schon einen Lehrer so nennen, wie er wirklich heißt und da er noch dazu einen Kopf kleiner ist als wir, passt Pünktchen doch viel besser.

»Ich warte immer noch auf eine Antwort auf meine Frage, Ronny!«

Hatte er mich etwas gefragt? Um mich herum grinsten alle. Ich hatte doch nicht etwa was verpasst?

»Ähm... , ja..., also..., hm. Ich weiß das leider nicht.«, stottere ich, während ich überlege, was er eigentlich gefragt haben könnte.

»So, so. Der Herr Schreiber weiß es nicht.«, spottete Pünktchen. »Dann sei doch so nett und wiederhole wenigstens noch mal die Frage, damit sie vielleicht ein anderer beantworten kann.«

Anton Punkt stand vor mir und sah mir mit seinem so gefürchteten ich-habe-dich-durchschaut-Blick an. Ich senke nur den Kopf und sage nichts. Ich werde klein, kleiner und gaaannz klein auf meinem Stuhl. Mist.

Langsam zieht Veränderung in das ernste und böse Gesicht das mich anschaut. Ganz leicht beginnen die Augen von Herrn Punkt zu blinzeln, bis sich die Mundwinkel auf den Weg zu den Ohren machen und ein breites Grinsen hinterlassen.

»Na dann wieder herzlich Willkommen in meinem Unterricht, Ronny. Ich hatte gar keine Frage gestellt. Ich wollte mich nur deiner Aufmerksamkeit vergewissern.«

So war er unser Mr. Point, eigentlich ein sehr guter und beliebter Lehrer, bei dem man nie genau wusste, woran man gerade war, aber dadurch hatte er sich auch unseren Respekt verdient, denn vormachen konnte man ihm nichts.

In dieser Art verlief der ganze Vormittag. Robby hatte es diesen Tag wirklich schwer, denn er musste mich noch manchmal durch leises Vorsagen, oder rechtzeitiges anstupsen wieder in die Realität retten.

Also verliebt sein und Schule, dass ist ja kaum gleichzeitig zu bewältigen. Eine Erfahrung, die ich zum ersten Mal machte.

Dementsprechend beschwert sich auch Robby auf dem Nachhauseweg:

»He Ronny, du bist ja total von der Rolle. Wie soll das nur weitergehen mit dir? Man kann dich ja nicht mehr alleine aus dem Haus lassen. Du läufst doch glatt unter das nächstbeste Auto und eh du was merkst, bist'e platt wie 'ne Flunder.«

Robert sagte das vorwurfsvoll und besorgt zu gleich, während er versuchte seine Worte durch passende Gesten zu unterstreichen.

Noch ehe ich etwas antworten konnte, hielt plötzlich ein Auto neben uns.

»He Ronny, soll ich Dich nach Hause fahren?«

HOLGER!!! Mir wurde plötzlich ganz heiß und mein Puls schien für die Formel 1 zu trainieren.

»H... H o l g e r, ja klar, danke.«

Mit dem bestimmt dämlichsten Grinsen im Gesicht, dass mir je gelungen war, sah ich etwas fragend zu Robby. Wir sind schließlich immer zusammen von der Schule nach hause gegangen. Konnte ich einfach so abhauen?

»Na los, schwirr schon ab. Wir sehen uns ja heute Abend im Kino.«, flüstert er mir zu und mit einem dankbaren Blick, verschwinde ich in Holgers Auto.

»Woher hast Du denn gewusst wann ich Schluss habe?«

»Ich habe es nicht gewusst, ich warte schon 'ne Weile an der Ecke.«

»Extra wegen mir?«, staunte ich.

»Klar Ronny, wir waren doch gestern mit dem Heft noch nicht ganz fertig, oder?«

Holger sah so süß aus mit diesem schelmischen Blick und 5 Minuten später waren wir schon bei mir zu hause.

»Geh schon mal hoch, Holger. Du kennst ja denn Weg. Cola, Kaffe oder sonst irgend was?«

»'Ne Cola vielleicht.«

Ich holte zwei Gläser und eine Flasche Cola aus der Küche und machte mich etwas unruhig auf den Weg in mein Zimmer. Was wird nur passieren, wenn uns heute niemand stört? Ich war total nervös und aufgeregt.

»Gab's gestern noch Stress mit Deiner Mutter, weil ich hier war?« Holger saß wieder auf meinem Bett.

»Nö, ich glaube die hat das mit dem Mathe gekauft.«

»Gut. Nun zeig mal das gute Stück.«

»W... W... a... s...? fragte ich stotternd.

»Na das Heft, meine ich natürlich.« Holger musste selbst über seine Zweideutigkeit lachen.

Ich weiß ja nicht wo ihr so etwas versteckt, ich habe jedenfalls 'ne große Lego - Kiste auf meinen Schrank stehen und da drin unter einigen hundert Legosteinen sind... richtig, meine kleinen Schätze für einsame Stunden und bisher hatte ich ja nur einsame Stunden. Sollte sich das heute ändern?

Ich nahm also den kleinen Stapel, den ich mir mühsam von meinem Taschengeld zusammen gespart hatte und kurze Zeit später saß ich wieder dicht neben meinem Traumboy auf dem Bett. Wir blätterten in dem neuen Heft und es war genau wie am Tag zuvor, ein seltsames Gefühl von unerträglicher Erwartung, Angst und Hoffnung lag in der Luft. Vorsichtig versuchte ich mir Holger etwas genauer anzusehen. Er sah so traumhaft aus, so erwachsen und er schien mich wirklich zu mögen. Mich!!! Obwohl ich doch erst 15 war.

Nach einer Weile legte er das Magazin weg und schaute mir fragend in die Augen:

»Na du, willst Du mich immer noch nackt sehen?«

Ich war total verlegen und bekam kaum ein Wort heraus.

»Ja gern.« Ich verschluckte diese Worte fast beim sprechen.

Holger stand langsam auf und stellte sich dicht vor mich. Es war so eine unglaubliche, unwirkliche Stille im Raum. Es schien alles in Zeitlupe zu passieren, oder bekam ich es einfach nicht mehr anders mit?

»Na wenn du etwas sehen willst, musst du dich schon selber bedienen.«

Was meinte er? Sollte ich etwa...? Nein, ich kann doch nicht... ? Oder? Verdammt wenn mir nur jemand hätte sagen können, was ich machen muss.

»Komm schon Ronny. Trau dich ruhig.«, wurde Holger deutlicher, indem er meine Hand nahm und sie auf seine Gürtelschnalle legte.

Zumindest wusste ich jetzt, dass er es tatsächlich ernst meint. Ich hatte solche Angst es zu tun und ich hatte genau so große Lust es zu tun. Meine Hände zitterten, aber irgendwann konnte ich nicht mehr widerstehen und öffnete langsam den Reißverschluß seiner Jeans. Plötzlich ging alles wie von selbst und keine Minute später sah ich endlich das, was ich schon immer bei einem anderen Jungen sehen wollte, so nah vor mir. Ich konnte es nicht glauben, war fasziniert wie ein kleiner Junge der zu Weihnachten seine Geschenke auspackt. Ich war nervös, aber Holger beruhigte mich und streichelte mir mit seiner Hand zärtlich durchs Haar.

»Gefällt er dir?«, fragte er leise.

Gefallen? Ich wusste nicht mehr was ich fühle. Ich war beeindruckt, fasziniert und etwas neidisch, wenn ich daran dachte, was ich Holger zeigen könnte.

»Komm Ronny, nimm ihn mal in den Mund.«, flüsterte Holger.

Meine Angst wurde stärker und die Lust größer. Ich hörte plötzlich ein lautes Klopfen. Ich schreckte hoch und es dauerte ein paar Sekunden, bis ich merkte, dass es mein eigenes Herz war, was ich noch nie so gespürt hatte.

Ich konnte nicht dagegen ankämpfen, hatte ich mir das doch schon so oft gewünscht. Unsicher, neugierig, vorsichtig machte ich das, worum mich Holger gebeten hatte.

»He vorsichtig mit deinen Zähnen.«, zuckte Holger leicht zurück und ich bemühte mich behutsamer zu sein.

Ich weiß ja nicht, ob ihr schon mal so was gemacht habt, aber ich kann die Situation immer noch nicht begreifen. Ich fand es irgendwie seltsam fremd und doch unbeschreiblich schön. Dieser große Junge hatte so viel Vertrauen zu mir, dass ich das bei ihm tun durfte. Ich war wahnsinnig stolz. Sein leises Stöhnen und seine lobenden Worte machten mich unglaublich glücklich. Er schien sich mir völlig hinzugeben. Ich fühlte mich so wohl in seiner Nähe und so wie sein Atem immer schneller wurde, versank ich mit in dieser Ekstase. Alles drehte sich plötzlich um mich und erst als Holger mich ganz fest und erschöpft an sich drückte wird mir klar, dass es vorbei war. Wie lange es gedauert hat, wie hat es geschmeckt? Ich wusste es nicht. Wie lange hielt er mich schon so? Ich war noch total benommen von diesem Ereignis obwohl doch eigentlich nur er zum Höhepunkt gekommen war .

»Das war total schön, Ronny. Du machst das wirklich super. Total lieb von dir.«, Holger gab mir einen Kuss auf die Stirn.

Ich bekam immer noch kein vernünftiges Wort heraus.

»Verdammt, ich muss doch los. Ich hab total die Zeit vergessen.«

Holger zog sich schnell wieder an und ehe ich mich versah und wieder einigermaßen klar im Kopf war, stand ich schon mit ihm an der Haustür.

»Du bist lieb, mein Kleiner. Tschüs.«, und weg war er.

Ich torkelte zurück in mein Zimmer und fiel auf's Bett. Hatte ich geträumt? Ich nahm mein Kissen in den Arm und versuchte mir das erlebte noch mal in mein Gedächtnis zu rufen. Ich hätte schreien können vor Glück. 'Ich habe einen Freund!!!', schoss es mir immer wieder durch den Kopf. Es war so schön, ihn so nah bei mir zu haben. Ich fühlte mich so erwachsen wie noch nie. Ich hatte es getan! Verdammt Holger, ich war hoffnungslos verliebt. Ich war total in Gedanken versunken und das Telefon hatte sicher schon eine Weile geklingelt, bis ich es endlich bemerkte.

Ich sprang vom Bett und mit einem Satz war ich Flur.

»Ja, Schreiber.«

»Störe ich dein Date? Ich wollte nur fragen, ob ich Dich abholen soll, heute Abend?«

»Ach du bist's Robby. Nein, ich muss doch noch zum Frisör und komm dann gleich von dort zum Kino.«

»Na gut. Und wie ist es mit Holger gelaufen?«

»Super. Ich glaube ich weiß jetzt, dass er sich auch in mich verliebt hat.«

»Na dann herzlichen Glückwunsch, da kann ich ja schon mal auf ein Hochzeitsgeschenk sparen, oder?«

»Klar, aber sei nicht so geizig.«

»Ich doch nicht, für dich nehme ich die teuren Kaugummis.«, lacht Robert und fügt ganz ernst hinzu:

»Ich freue mich für dich, Ronny.«

»Ich weiß, danke, dann bis heute Abend.«

»CU«

Ob ich Robert die ganze Geschichte erzählen sollte? Mal sehen, bisher haben wir eigentlich immer über alles geredet. Vielleicht will er das ja aber in dem Fall gar nicht so genau wissen.

In der Küche hatte meine Mutter brav das Geld für's Haare-Schneiden hinterlegt. Ist doch schön, wenn Eltern so gut erzogen sind. Ich hatte zwar noch etwas Zeit, aber ich musste ja nicht allzu schnell gehen.

Auf der Straße traf ich auf Doktor Müller, der gerade seine Hausbesuche beendet hatte. Nachdem ich gleich in der Einfahrt noch einmal gründlich untersucht wurde, versäumte der Doktor natürlich nicht, mich noch mal auf die Gefahren beim Skaten hinzuweisen und wie wichtig Helm und Polster sind. Vielleicht sollte man auch Schutzkleidung tragen, wenn man auf so nette Zeitgenossen, wie Ziegenbärtchen trifft.

Die Zeit beim Frisör verging schnell. Ich musste nicht lange warten und nach 15 Minuten üblicher Diskussion über die Probleme in der Schule und mehrmaligen Lob, daß ich natürlich nicht so rüpelhaft wäre, wie viele andere Jugendliche in meinem Alter, verließ ich mit frisch geschnittenem Kopf und ein paar Mark weniger, den Laden.

Nun hatte ich noch genügend Zeit mich ohne Hast auf den Weg ins Kino zu machen. Ich ging durch den Stadtpark und ich merkte, wie ich zum ersten mal Dinge beobachtete, die mir bis dahin völlig egal waren. Ich sah ein paar alte Omas, die auf Parkbänken saßen und unermüdlich über ihre Krankheiten und die gute alte Zeit erzählten, ich sah Hunde die übermütig auf dem Rasen tollten und viel zu sehr in das Spiel mit ihren Artgenossen vertieft waren, um auf ihre Herrchen zu hören und ich sah junge Pärchen, die wahrscheinlich genau wie ich auf dem Weg zum Kino waren. Um mich herum waren Menschen, die glücklich sind, die Probleme haben, die einsam sind und die fühlen können wie ich. War mir das jemals aufgefallen. Gehört das zum erwachsen werden?

In Gedanken versunken, hatte ich es doch wirklich geschafft, meinen zeitlichen Vorsprung wieder einzubüßen und als ich kurz vor dem Kino war sah ich, dass schon viele bekannte Gesichter da waren. Ich war bestimmt schon drei Monate nicht mehr im Kino und freute mich auf den Abend. Auf dem Parkplatz vor dem Kino hatte ich Holgers Auto entdeckt. Er auch hier? Wir hatten gar nicht darüber gesprochen, was ich am Abend mache.

Ich begrüßte kurz meine Kumpels und verschwand noch mal in den Massen und durchsuchte die kleinen und größeren Grüppchen nach Holger. Ich glaube ich fühlte mein Herz schon schneller schlagen, noch bevor ich ihn endlich wirklich erblickte. Er stand in einer kleinen Gruppe in der Nähe der Kassen und unterhielt sich mit einem Typ, den ich schon von dem ersten etwas unschönen Zusammentreffen mit Holger kannte. Aus diesem Grund ging ich auch nicht sofort auf Holger zu, sondern blieb ein Stück abseits in der Hoffnung, dass er mich sehen würde. Ein Mädchen stieß plötzlich mit zwei Eis in der Hand zu Holgers Freunden und gab seinem Kumpel eins davon ab. Was dann geschah wollte ich einfach nicht glauben. Holger nahm das Mädchen in den Arm und gab ihr einen langen, zärtlichen Kuss. Ich sah wie innig die beiden miteinander beschäftigt waren und wie liebevoll er ihr über den Körper streichelte.

Ich versuchte die Situation zu verstehen, ohne noch darüber nachzudenken, ging ich jetzt auf die Gruppe zu. Langsam, ohne etwas zu denken und zu fühlen, näherte ich mich Holger. In etwa 10 Meter Entfernung sah er mich. Er nahm das Mädchen wieder in den Arm, dass sie mich nicht sehen konnte, sah zu mir und gab mir mit der Hand ein Zeichen, dass ich doch verschwinden sollte. Noch ein kurzer verächtlicher Blick von ihm und er drehte sich weg.

Ein paar Sekunden stand ich nun regungslos da. Andere Kinobesucher stupsten mich hin und her, da ich ständig im Weg stand. Ich versuchte das gesehene zu verstehen. Holger hat eine feste Freundin. Ist er etwa gar nicht ...

»Es ist besser für Dich, wenn wir uns nicht kennen, also sprich mich lieber nicht an.«, hörte ich plötzlich von hinten eine bekannte Stimme.

Es war Holger, der an mir vorüber ging und aufpasste, dass seine Worte nicht von seinen Begleitern bemerkt wurden.

»Ich hab Dich doch lieb.«, stammelte ich irgendwie zusammen, aber die Kraft die ich gebraucht hätte um diese Worte richtig laut zu sagen, hatte ich nicht.

Holger lächelte mitleidig.

»Du bist noch so dumm.«, hörte ich ihn noch sagen bevor er in der Menge verschwand.

Nur nicht darüber nachdenken, ganz cool bleiben, dass ist doch alles nicht so schlimm. Ich versuchte mich abzulenken, während ich zurück zu meinen Kumpels ging. Ich wollte nicht an Holger denken.

»Na da kommt ja unsere kleine Schwuchtel endlich. Hast wohl nach süßen Boys gesucht was?«

Frank grinste mir bei bei diesen Worten frech ins Gesicht und streichelte mir provozierend über den Po.

WAAAS hatte er gesagt??? »Kleine Schwuchtel«??? Er wusste es, also alle wussten es. Verdammt woher nur?
Robert!!! Wie konnte er nur? Mein bester Freund hat mich verraten. Der dem ich am meisten vertraute hat es allen erzählt.

In mir wuchs eine unbeschreibliche Wut. Wie konnte er nur. Ich sah mich um und suchte ihn. Er stand mit Markus etwas abseits. Ich ging auf ihn zu und konnte mich nicht mehr bremsen, war nicht mehr ich selbst.

Ich hörte Robert nur noch irgend etwas sagen. Es klang wie:

»Hi Ronny, bist Du auch endlich da?«

»Du bist so ein Arschloch.«, hörte ich mich sagen und ich tat etwas, dass ich noch nie in meinem Leben gemacht hatte. Ich schlug jemanden ins Gesicht. Ich konnte es selber nicht fassen, ich hatte meinen besten Freund geschlagen.

Meine Beine wurden weich und ich fühlte wie mir die Tränen in die Augen schossen. Ich wollte nur noch weg, so schnell wie es nur irgendwie ging. Ich rannte weg, so schnell wie ich nur konnte. Ich stieß einige andere Kinobesucher bei Seite und lief davon. Ich überlegte nicht mehr wo hin, ich rannte einfach immer weiter.

Als ich wieder richtig zu mir kam, lag ich auf meinem Bett und weinte immer noch. Ich wusste nicht mehr genau, wie ich nach hause gekommen war und welchen Weg ich gegangen war. Der Versuch meine Gedanken zu ordnen scheiterte. Was war los mit mir, was machte mich so traurig. Ich hatte meinen ersten Sex mit einem Boy, ich hatte meine erste große Liebe verloren, ich habe meinen besten Freund geschlagen, er hat mich verraten und alle wussten nun, dass ich schwul bin. Das war einfach zu viel für einen Tag, zu viel für mich.

Ich nahm meine Lego-Kiste vom Schrank und holte die Magazine heraus. Voller Wut zerriss ich jede Seite einzeln. Ich hasste diese Hefte und glaubte das sie an meinem Unglück schuld sind.

Dann kam plötzlich noch eine Angst dazu. Holger. Wir hatte nicht mal ein Kondom benutzt. Wenn er vielleicht... Ich wollte nicht daran denken.

Danach setzte ich mich wieder auf mein Bett. Ich sah auf den Haufen Papier und hoffte, dass nun alles besser wird. Es musste doch irgend etwas passieren. Vielleicht macht es einfach »Peng« und alles ist ungeschehen. Ich stehe auf Mädchen und muss mich nicht mehr verstecken und lügen.

Das Telefon klingelte und ich war sicher, dass sich meine Mutter meldete und wissen wollte, ob ich pünktlich vom Kino zurück war.

»Ja, Schreiber.«

Es war nicht meine Mutter, die antwortete. Die Stimme war mir wohl bekannt, aber sie sprach ruhig und besonnen. So wie ich sie noch nie von ihm gehört hatte. Von ihm, der doch sonst nie zu verlegen ist, die große Klappe zu haben.

»Hi Ronny, hier ist Frank.«

Eine Weile schwiegen wir beide, bis er weiter sprach:

»Ich wollte mich bei Dir entschuldigen, wegen heute Abend. Ich habe es nicht so gemeint. Du kennst mich doch und weißt, dass ich immer so was blödes raus hauen muss. Nimm's mir nicht übel Ronny, bitte. Wir sind doch Kumpels.«

Ich wollte gerne etwas antworten, aber ich war total leer und brachte kein Wort heraus.

»Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht, dass ich Dir damit vielleicht weh tue, aber ich fand es eben komisch, als Sabine erzählte, dass dich ihr Cousin mit 'nem Schwulenmagazin erwischt hat. Es tut mir wirklich leid Ronny.«

»Sabine hat WAS erzählt?«, entfuhr es mir plötzlich.

»Na ihr Cousin, Flocke nennt sie ihn immer, hat wohl erzählt, er hätte dich mit so einem Schwulenheft erwischt.«, antwortete Frank.

»Flocke? Dann hat euch Robby gar nichts erzählt. Ich meine das ich schwul bin?«

»Robby nein, weiß der das überhaupt? Er war doch gar nicht dabei, als Sabine das erzählt hat. Ich weiß nur, dass er noch vor dem Film abgehauen ist. Er war ziemlich fertig und hat geheult wie du. Was war den eigentlich los zwischen euch?«

»Frank tut mir leid, dass kann ich dir jetzt nicht erzählen. Ich sag es dir morgen, versprochen. Danke das du mich angerufen hast.«

»OK Ronny, wir bleiben doch Freunde, oder.«

»Na klar und noch mal danke für den Anruf. Tschüs.«

»Na dann bis morgen früh. Tschau.«

Was hatte ich nur getan. Ich hatte Robert verdächtigt, ihn geschlagen und er hatte sein Wort gar nicht gebrochen. Ich war das Arschloch, so ein riesen Idiot.

Ich versuchte ihn anzurufen, aber es nahm niemand ab. Schnell zog ich mir meine Jacke an, holte mein Fahrrad aus der Garage und fuhr so schnell ich nur konnte zu dem Haus, wo Robert wohnte. Ich ging in den Garten, um das Haus. In seinem Zimmer brannte Licht und ich klopfte mit einem Zeichen, dass ich immer benutzte, an seine Scheibe. Bitte, bitte, mach auf dachte ich. Ich wusste zwar nicht, was ich ihm sagen sollte, aber ich wollte unbedingt mit ihm reden. Lass bitte das nicht auch noch kaputt gehen, dachte ich. Es dauerte eine Weile. Ich klopfte noch mal lauter, aber es passierte nichts. Sollte ich klingeln? Ich war total in Gedanken versunken und bemerkte nicht, dass jemand hinter mir stand und mir auf die Schultern klopfte.

»Hi Ronny.«, hörte ich eine leise Stimme.

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