zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Liebe und solche Sachen

Teil 2

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

 

Als ich die Augen öffne ist das Kabinenlicht schon wieder angeschaltet. Ich brauche ein paar Sekunden bis ich realisiere wo ich eigentlich bin. Ich sehe nach rechts und schaue in ein ebenfalls ziemlich müdes, aber sehr hübsches Gesicht.

»Na, gut geschlafen ?« fragt Felix.

Bevor ich antworte versuche ich eine kurze Funktionsprobe von Armen, Beinen und Händen. Ich drehe den Kopf ein kleines Stück und irgendwie spüre ich eine leichte Verspannung.

»Ich fühle mich ein wenig wie eine Orange nach einer Sonderfahrt in der Saftpresse. Sehr bequem sind diese Sitze nicht gerade.«

»Stimmt, selbst auf den Stühlen bei uns in der Schule konnte man besser schlafen. Irgendwie hätte ich Hunger und mehr noch Durst. Die Luft ist ziemlich trocken hier.«

Als wenn die Stewardessen diesen Satz gehört hätten, schieben sie soeben die kleinen Servierwagen aus den Bordküchen in unseren Seitengang und ich schaue in das kleine Faltblatt, in dem das Frühstücksangebot aufgelistet ist.

»Was gibt's denn alles« fragt Felix und schaut ebenfalls in das Blatt, das ich in der Hand halte. Dabei lehnt er seinen Kopf ziemlich nah an meinen. So nah, daß sich unsere  Haarspitzen fast  berühren. Wow, diese Nähe macht mich ziemlich nervös, ist aber irgendwie schön.
Marcel und Lisa sind zu keinen großen Gesprächen zu bewegen. Sie haben beide nicht geschlafen und das Frühstück fordert ihre ganze Energie.

Die letzte Stunde Flug will und will nicht vergehen und selbst die ansonsten vielleicht ganz interessanten Kurzfilme, die das Unterhaltungsprogramm noch bietet, können keinen mehr begeistern. So gerne wie ich eigentlich fliege, im Moment freue ich mich nur noch auf die Landung.

Der Kapitän verspricht in seiner Verabschiedung für Colombo leichte Bewölkung und 29° C.
Ortszeit 10:30 Uhr - Willkommen am Indischen Ozean.

Als wir das Flugzeug verlassen empfängt uns eine ziemlich warme, feuchte und nach Kerosin riechende Luft. Schon die paar Meter vom Flieger bis zum Vorfeldbus spüre ich, wie mir der Schweiß aus allen Poren schießt. Ich hätte nie gedacht, daß 29°C so warm sein können.
Die Paßkontrolle geht schneller wie gedacht. Der Uniformierte wirft einen kurzen Blick in meinen Paß, sucht sich etwas umständlich eine Seite für seine Stempel und wünscht mir mit einem freundlichem Lächeln auf dem Gesicht, einen schönen Aufenthalt in Sri Lanka.

Auf unser Gepäck müssen wir da schon etwas länger warten. Ein älterer Herr der im Flugzeug hinter uns saß erklärt uns mit wichtiger Miene, daß man für dieses Land ziemlich viel Zeit mitbringen muß, da die Einheimischen, wenn sie schon arbeiten, dies ziemlich langsam tun. Nun wir nehmen es gelassen. Wir haben ja Zeit - wir haben Urlaub.
Mit unserem Gepäck laufen wir völlig unbeachtet am Zoll vorbei. Lediglich das Gepäck von offensichtlich Einheimischen wird von den Zöllnern genauer durchsucht.

Gesprochen haben wir bislang nur wenig. Wir sind einfach alle müde und geschafft vom Flug. Der erste der die Sprache wiederfindet ist Felix.

»Da müssen wir hin.« sagt er und deutet auf eine Person mit einem Schild in der Hand, auf dem in großen Buchstaben der Name unseres Reiseveranstalters steht.

»Richtig Adlerauge.« bemerkt Marcel kurz

Eine nette junge Frau empfängt uns freundlich in fließendem deutsch, notiert uns auf ihrer Liste und erklärt uns den Weg zu unserem Bus. »Ich komme später nach.« hören wir sie noch sagen.

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis unser Bus komplett ist. Die junge Reiseleiterin die uns empfangen hatte zählt noch einmal durch und los geht es. Die Fahrt zu unserem Hotel, etwas nördlich von Negombo, dauert ca. 1 Stunde bekommen wir erklärt.
Die ersten Meter vom Flughafen bis in die Stadt fällt mir sehr viel schwer bewaffnetes Militär auf. Immer wieder sieht man Posten hinter von Sandsäcken geschützten Stellungen. Ein seltsamer Empfang im Garten Eden.
Immer wieder gab es blutige Auseinandersetzungen zwischen den Singhalesen und Tamilen in den letzten Jahren und auch heute, sind die Konflikte noch lange nicht ausgestanden. Sie sind lediglich einigermaßen unter Kontrolle. Fragt man Einheimische nach ihrer Meinung zu diesen Verhältnissen, bekommt man keine oder nur eine sehr ungenaue Antwort. Als Tourist, so werden wir beruhigt, ist es relativ ungefährlich, wenn man sich nicht gerade auf eigene Faust in die Kriesengebiete vorwagt.

Obwohl auch ich sehr müde bin, versuche ich während der Fahrt so viel zu sehen wie nur möglich. Felix scheint da genauso zu denken. Ich sehe wie sein Blick immer wieder hin und hergeht und das er wie ich versucht, möglichst nichts zu verpassen (mit dem kleinen Unterschied, daß ich natürlich auch immer wieder mal zu Felix sehe). Marcel und Lisa schlafen beide.

Auf den ersten Blick ist Colombo eine alles andere als schöne Stadt. Ein riesiges Verkehrschaos - alte überladene Lastwagen (die kurioser Weise zum größten Teil aus Holz gebaut sind), Ochsenkarren, Radfahrer, Busse und jede Menge kleine dreirädrige Gefährte, die offensichtlich als Taxis dienen und sich überall dazwischen drängeln, machen das Vorankommen schwierig. Die Reiseleiterin erklärt uns, daß es wohl auch hier eine Straßenverkehrsordnung gäbe. Die Regeln dieser bleiben aber wohl das Geheimnis Eingeweihter, mir als stillen Betrachter leuchten sie nicht ein. Selbst an Kreuzungen die von Polizisten geregelt werden, fährt scheinbar der zuerst, der die lauteste Hupe besitzt.

Colombo ist eine Mischung aus alten, eingefallen (aber dennoch bewohnten) Häusern, vielen Geschäften und kleinen Läden am Straßenrand, wunderschönen Prachtbauten aus der kolonialen Vergangenheit und den vielen mit Stroh bedeckten Hütten in den Armenvierteln. In den Straßen mischt sich die vorwiegend westliche Reklame bekannter Marken, mit den typisch asiatischen Schriftzeichen. Der Zustand mancher Straßen erinnert mehr an einen schlecht ausgebauten Feldweg.
Da sich die Vororte nahtlos an die Hauptstadt anschließen bemerken wir gar nicht, daß wir unserem Ziel schon sehr nahe gekommen sind. Die meisten anderen Urlauber steigen vor uns in anderen Hotels aus. Bei uns im Bus sitzt nur noch ein älteres Ehepaar mit offenbar gleichem Ziel wie wir.

Noch ein paar Minuten und wir sind da. Das kleine Strandhotel macht von außen einen sehr netten und gepflegten Eindruck. In der Rezeption werden wir sehr freundlich mit einem kühlen Getränk begrüßt und erhalten ohne große Formalitäten unsere Zimmerschlüssel. Da  wir 'Alles-Inklusive-Gäste' sind, bekommen wir ein kleines Armband um das Handgelenk. Es soll dafür sorgen, daß wir hier im Hotel für sämtliche Speisen und Getränke nichts mehr zahlen müssen. Sehr praktisch, so etwas würde ich mir für deutsche Discos wünschen.

Unsere Zimmer liegen fast beieinander, Marcel und Lisa müssen nur zwei Türen weiter und wir verabreden uns für 13.00 Uhr zum Mittagessen. Bis dahin wollen wir alle erst mal duschen und aus den verschwitzten Klamotten steigen.
Beim ersten Blick in unser Zimmer bin ich erst mal eine wenig enttäuscht - kein Doppelbett, sondern zwei einzelne, wenn auch nicht weit voneinander entfernt stehende Betten. Na ja aber was soll das auch, schließlich sollte ich mir ja sowieso keine Hoffnungen irgendeiner Art machen.
Alles andere im Zimmer macht einen gemütlichen und sehr sauberen Eindruck.

Felix schaut mich fragend an. »Na, wird es uns hier gefallen?«

»Klar ich denke schon, sieht doch alles ganz nett aus.«

»Willst du zuerst duschen, oder soll ich gehen?«

»Geh du,« antworte ich»dann räum ich erst mal meine Sachen in den Schrank. Welche Seite willst Du?«

»Ist egal, wie du willst.«

Felix kramt ein paar Sachen aus seiner Tasche und verschwindet im Badezimmer, während ich versuche den Inhalt meiner Tasche im Schrank zu verstauen.
Irgendwie hoffe ich heimlich, daß ich Felix vielleicht mal etwas weniger bekleidet sehe, wenn er vom Duschen kommt (ich weiß ja, schon wieder solche Gedanken). Aber denkste, er hatte sich wohl neue Sachen mitgenommen, denn er steht plötzlich fertig angezogen mit blauen Bermudashorts und weißem T-Shirt vor mir.

»So, wenn du willst kannst du duschen gehen, ich bin fertig.«

»Gern. Sag mal, in welchem Bett möchtest Du eigentlich schlafen?«

»Wenn's Dir nichts ausmacht Maik, würde ich gern am Fenster schlafen.«

»Kein Problem.«

Die Dusche ist wirklich ein Segen. Ich dusche fast nur mit kaltem Wasser (nicht nur weil ich an Felix denke) und nach ein paar Minuten fühle ich mich wieder fit und sauber.
Ganz so klever wie Felix war ich aber mit meiner Kleidung nicht. Ich hatte mir lediglich ein paar neue Shorts gegriffen und trat nun nur mit diesen bekleidet wieder ins Wohnzimmer.
Felix sitzt bequem in einem Sessel und hat zu meinem Erstaunen nichts besseres zu tun, als mich genau und ziemlich ungeniert zu beobachten (er muß dabei ja auch kein schlechtes Gewissen haben - von wegen ich könnte ja was merken).

»Warum hast Du eigentlich keine Freundin Maik? So wie Du aussiehst, müßten Dir die Mädels doch nur so nachlaufen.«

Ich fühle wie ich rot werde und gleichzeitig wird mir ziemlich heiß. Wie sehr ich diese Frage hasse, aber das kann Felix ja nicht wissen. Ich versuche die Antwort etwas heraus zu zögern aber irgendetwas muß ich ja wohl sagen.

»Weiß nicht genau. Im Moment fühle ich mich alleine ziemlich wohl. Ich glaube mir fehlt das momentan auch nicht, hab genug andere Sachen um die Ohren.«

Diesen oder einen ähnlich dämlichen Satz hat vielleicht fast jeder »heimliche Schwule« schon mal benutzt. Ich fühle mich jedenfalls dabei nicht sehr wohl in meiner Haut und sehe Felix auch nicht ins Gesicht, während ich diese Worte sage.

Felix antwortet nur mit einem nachdenklichen»Hm« und ich bin froh, daß damit das Thema erst mal vom Tisch ist. Um etwas abzulenken sage ich:

»Ich weiß ja nicht wie es Dir geht, aber jetzt habe ich richtig Hunger und würde auch gern mal unser Zauberbändchen(das am Handgelenk)an der Bar ausprobieren.«

»Gute Idee Maik. Wir können ja mal sehen, wie weit die anderen beiden sind. Es ist ja fast 13.00 Uhr.«

Zehn Minuten später betreten wir alle vier den kleinen Speisesaal unseres Hotels. Ein Hotelangestellter bringt uns freundlich zu einem Tisch und fragt uns nach unseren Getränkewünschen. Es waren noch nicht viele Urlauber beim Essen, aber alle schienen nur auf uns zu sehen. Na wir sind eben die neuen.

Die Speisen gibt es in sehr reichlicher Auswahl in Büfettform. Obwohl ich sehr gespannt auf die einheimische scharfe Küche bin, wähle ich erst mal genau wie die anderen auch, eher traditionelle, europäische Kost. Einig sind wir uns auch was das reichhaltige Obstangebot angeht und zum Abschluß gibt es noch eine sehr wohlschmeckende Portion Eis und Kaffe.

»Das war super.« bemerkt Lisa»Wenn hier jede Mahlzeit so ausfällt, dann brauch ich für den Rückflug neue Klamotten. Die alten werden dann nicht mehr passen.«

»Da mach Dir mal keine Gedanken,« gibt Marcel bekannt»ich werde schon dafür sorgen, daß Du in Form bleibst. Ich jage Dich dann erst mal 'ne Runde um den Pool und außerdem soll das Klima hier ja gewisse Hormone positiv beeinflussen, also warte mal auf heute Abend.«

»Na da bin ich mal gespannt Marcel. Ich hoffe doch, es sind nicht gerade Schnell-Einschlaf-Hormone die bei Dir beeinflußt werden.« lacht Lisa zurück.

Ich denke gerade noch nach, wie ich das mit meinen Hormonen klären werde, da meint Felix:

»Übrigens, was das 'um den Pool jagen betrifft', wie wär's wenn wir uns die ganze Anlage mal in Ruhe anschauen und gegen einen Sprung in's kühle Nass, hätte ich auch nichts einzuwenden.«

Dem stimmen natürlich alle zu und wir beschließen uns in zwanzig Minuten in Badeuniform wieder zu treffen.
In unserem Zimmer angekommen verschwindet Felix im Bad und steht einen Moment später auch schon wieder mit Badeshorts, einem neuen T-Shirt und einem Handtuch über den Schultern vor mir. Der Kleine gönnt mir keinen Blick denke ich und muß selber etwas über meine schon wieder schlimmen Gedanken lachen.

»OK. Ich bin auch gleich soweit.« sage ich während ich mich noch etwas mit Sonnencreme behandele.

Das Hotel liegt in einer wunderschönen kleinen Bucht und die Anlage ist wundervoll von vielen kleinen grünen Sträuchern, Bäumen und Palmen umgeben. Der Strand ist zwar nicht ganz so traumhaft wie ich mir das vorgestellt hatte, aber ein wunderschöner Pool entschädigt für den nicht ganz schneeweißen Sand.
Da wir vor Marcel und Lisa am Pool sind, bestellen wir an der dortigen Bar erst mal zwei Cola. Zur Mittagszeit scheint hier nicht allzuviel los zu sein. Nur einige wenige Leute liegen im Schatten der Sonnenschirme auf ihren Liegen. Manche schlafen, andere lesen und wieder andere blinzeln einfach in die Sonne.

Neben mir an der Bar bestellt gerade ein ziemlich hübscher Junge einen Drink. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wo er plötzlich herkam und war ein wenig erstaunt. Er war sicher etwas jünger als ich, vielleicht 15 oder 16. Seine Haut war schon ziemlich braungebrannt, er schien also schon eine Weile hier zu sein. Mit einem Glas in der Hand verschwand er  Richtung Lobby. Nur ein schüchterner kurzer Blick galt mir und Felix, dann war er wieder weg.

Nachdem auch Marcel und Lisa eingetrudelt sind, machen wir es uns am Pool bequem. Das Wasser im Pool ist zwar nicht ganz erfrischend, dazu ist es zu warm, aber es reicht aus, um die Müdigkeit der fehlenden Nacht ein wenig zu verdrängen.
Kurz vor 16.00 Uhr wird es wieder voller um den Pool und einige begeben sich zielsicher Richtung Lobby aus der es stark nach Kaffee duftet. Ach so ja, auch Kaffee und Kuchen am Nachmittag waren ja im Reisepreis inbegriffen. Das heißt nicht nur Kaffee. Ich probiere den legendären einheimischen Tee und werde nicht enttäuscht.

Als ich meine Tasse ausgetrunken habe, verschwinde ich wieder im Pool. Marcel und Lisa wollen kurz auf's Zimmer und Felix will sich an der Bar 'ne Cola holen. Ich schwimme ein paarmal hin und her und setzte mich dann in's flache Wasser. Da Felix auf sich warten läßt, sehe ich zur Bar und bemerke erstaunt, daß er in ein Gespräch mit einem hübschen jungen Mädchen vertieft ist. Wie ich aus der Entfernung erkenne, scheint sie ungefähr in unserem Alter zu sein. Es ist zwar nicht unbedingt ein toller Anblick für mich, aber irgendwie würde ich es ihm schon gönnen, wenn er sich mit einem kleinen Abenteuer von seiner Trennung tröstet. Es sollen ja schließlich alle ihren Spaß haben. Alle? Und ich? Ich bekomme erst mal einen Ball an die Schulter, der mich aus den Gedanken reist.

»Sorry, tut mir leid ich wollte dich nicht treffen. Tat es weh?«

Diese Worte habe ich vorsorglich mal übersetzt den der, der sie sprach benutzt eine Art Deutsch, die wohl Euren Browser zum abstürzen bringt, wenn ich es genau so wiedergebe wie er spricht.
Der Sprecher war offensichtlich Schweizer und zwischen vielen »chrz« und »kkzr« glaubte ich den eben genannten Satz zu verstehen.

»Nein, ist schon OK, ich hab's überlebt.«

»Freut mich. Ihr seid heute erst angekommen stimmt's?«

»Ja heute Mittag. Du bist wohl schon länger hier?«

»Seid gestern, aber wir waren die erste Woche auf Rundreise.«

Also der jenige der da auf Rundreise war ist der schüchterne Junge der vorhin neben mir an der Bar stand. Nun gut schüchtern, immerhin hatte er mich angesprochen, aber sein vorsichtiger Blick dabei war schon ziemlich drollig. Dazu kam noch sein kurios klingender Akzent. Ich mußte einfach ein wenig lachen.

»Ich hoffe, daß sich dein Kumpel das Mädchen da schnappt, da hab ich wenigstens meine Ruhe vor ihr.«

Nun ich war mir da nicht so sicher ob ich das so toll fände und sage:

»Nun wir werden sehen, aber wieso, ist sie denn scharf auf Dich?«

»IIhh bewahre. Nee, nee da ist keine Gefahr. Diese limitierte Sonderausgabe des weiblichen Geschlechts ist meine Schwester, die immer ziemlich nervt, wenn sie im Urlaub keinen Kerl abbekommt.«

Nach einer kleinen Pause sagt er weiter (was heißt »sagt«, er präsentiert die Worte in seiner niedlichen Art):  

»Na und wenn sie einen abbekommt, dann nervt sie erst recht.«

Das sagte er mit einer resignierenden Handbewegung und in einem Tonfall, daß er einem wirklich leid tun könnte, aber so wie er es rausbrachte mußte ich mich beherrschen, nicht laut loszulachen.
Julian (so hieß der Junge) erzählte noch eine ganze Weile über seine Schwester und die Rundreise, die sie die erste Woche gemacht hatten. Ich mußte ihn allerdings nach jeden zweiten Satz ermahnen, doch bitte Wörter zu verwenden, die dem deutschen zumindest ein klein wenig ähnlich sind.

Plötzlich tauchen auch Marcel und Lisa wieder auf. Sie erinnerten daran, daß wir uns in einer viertel Stunde mit der Reiseleiterin zu dem offiziellen Begrüßungsgespräch treffen müssen. Ich verabschiede mich also erst mal von Julian. Felix hatte schon meine Sachen in der Hand und zeigte Richtung Zimmer.

»OK, wir gehen uns nur schnell umziehen.« sage ich zu Lisa. »Wir sind gleich wieder da.«

Auf dem Weg zu unserem Zimmer klopfe ich Felix auf die Schulter:

»Na ihr habt euch wohl gut unterhalten oder?«

Felix lacht: »Was heißt unterhalten? Ich habe kein Wort von dem verstanden was das Mädel gesprochen hat. Ich habe nur ab und zu genickt und 'hm' gesagt. Ich hoffe sie hat mir keinen Antrag gemacht, sonst bin ich so gut wie verheiratet.«

Ich erzählte Felix von Julian und da ich ja ähnliche Verständigungsprobleme hatte, mußten wir darüber lachen.

Wir waren uns schon im Vorfeld der Reise einig gewesen, daß auch wir unbedingt eine kleine Rundreise durch das Land machen wollten. Das ist in Sri Lanka auch unbedingt notwendig. Für einen reinen Badeurlaub ist das Land viel zu schade, zumal die wirklich schönen Strände leider im Osten liegen, den man im Moment als Tourist nicht besuchen sollte. Trotzdem bietet Sri Lanka für den Besucher so viele und schöne, unterschiedliche Gegenden, daß eine Rundreise einfach Pflicht ist.

Die Reiseleiterin sagte uns, daß wir entweder schon morgen früh aufbrechen könnten (weil eine Familie ihre Tour abgesagt hat), oder die letzten drei Tage unserer Aufenthaltes. Wir entschieden uns einstimmig für morgen früh. Erstens kannten wir im Hotel ja noch (fast) keinen und so hatte wir noch ein paar Tage Zeit uns von dem Trip zu erholen, falls es stressig wird. Also abgemacht, gebucht und gleich per Scheck bezahlt.

Beim Abendessen treffen wir auch Julian und seine Schwester wieder. Sie sitzen fein angezogen und kerzengerade (ich muß schon wieder über Julian lachen) zwei Tische weiter. Die zwei älteren Herrschaften an ihren Tisch scheinen wohl die mit der Erziehung beauftragten zu sein (also ihre Eltern). Der Vater wird nicht müde immer wieder kluge Ratschläge zu geben, wie - was richtig zu essen sei.

Ich bin diesmal mutiger als zu Mittag und probiere mal ein paar Sachen, die mir die Bedienung als typisch einheimisch und sehr scharf empfiehlt. Es gibt also Reis und Curry, wobei Curry nichts mit dem zu tun hat, was man bei uns darunter versteht. Es bezeichnet einerseits eine Gerwürzmischung die ganz anders schmeckt als das Curry bei uns (da es von jeder Hausfrau und von jedem Koch nach eigenem Rezept hergestellt wird), andererseits nennt man auch jegliche Beilagen die neben dem Reis in verschiedener Form gereicht werden einfach Curry. Das kann Gemüse, Hühnchen, Rindfleisch aber auch Fisch sein. Alles ist meistens sehr scharf angerichtet und da bekommen wir nur die Touristenversion. Selbst gekochte Kartoffeln werden noch mal in Chili geschwenkt. Lisa verzieht ziemlich das Gesicht bei einer Kostprobe - ich finde es lecker. Wie gesagt ich mag es scharf. Nebenbei bekomme ich Pappadam gereicht, ein knuspriges Gebäck das unseren Chips sehr ähnlich ist. Als eine Art Dip darf man die Chutneys verstehen. Sieht ähnlich aus wie Marmelade, kann aber auch sehr scharf sein. Wem das alles zu scharf ist, kann seinen Gaumen mit Kokosraspeln wieder besänftigen.  Beim Nachtisch sind wir uns dann wieder alle einig und plündern die frischen Obstvorräte am Büfett.

Nach dem Essen gehen wir noch an die Bar. Lange wollen wir es heute nicht mehr ausdehnen, schließlich sind wir alle schon ziemlich lange auf den Beinen und morgen früh um 9:00 Uhr müssen wir ja schon fertig am Bus stehen (da hätte ich mir das ausräumen der Tasche auch sparen können).

Auf Marcels Vorschlag hin probieren wir mal eine Arrack-Cola. Arrack ist ein Schnaps, den man aus Palmblütensaft gewinnt. Pur ist es nicht gerade mein Fall, aber mit Cola ganz nett.

Marcel und Lisa necken sich schon den ganzen Abend und sind offenbar bester Laune (die Hormone wahrscheinlich). Felix ist dagegen ziemlich ruhig. Seid dem Abendessen hat er fast kein Wort mehr gesprochen und er sieht auch nicht sehr glücklich aus. Nach einer Weile steht er auf und verschwindet wortlos Richtung Strand.

»Was hat er?« fragt Lisa besorgt und gibt gleich selbst eine Antwort: »Vielleicht sollten wir etwas mehr Rücksicht nehmen. Ich glaube er ist noch immer sehr traurig wegen der Trennung von Jana.«

Marcel zuckt nur nachdenklich mit den Schultern, trinkt den letzten Schluck aus seinem Glas und sagt:

»Wir werden dann mal verschwinden, wann wollen wir uns morgen treffen?«

Ich überlege kurz. »Sagen wir um Acht, dann haben wir noch genug Zeit zum Frühstück.«

»Na OK. Um Acht« seufzt Lisa»und das im Urlaub. Na dann gute Nacht Maik.«

Ich verabschiede mich kurz von den beiden und verspreche, mal nach Felix zu schauen. Was heißt versprechen, ich tu nichts lieber als das.
Ich gehe in die Richtung in die Felix verschwunden ist. Ein kleiner Weg führt direkt am Strand entlang. Eine Beleuchtung gibt es nicht. Nur wenig Licht dringt vom Hotel herüber. Etwas entfernt auf einer Bank sehe ich jemanden sitzen und vermute, daß es Felix ist. Das Rauschen der Wellen scheint mir im Dunkeln viel lauter als am Tag und die dunkle schwarze Masse (das Meer) macht mir etwas Angst. Ein komisches Gefühl.
Felix bemerkt mich erst sehr spät. Er hat den Kopf auf seine Hände gestützt und erschrickt etwas, als er mich bemerkt.

»Störe ich Dich? Willst Du lieber alleine sein Felix?«

Seine Augen scheinen etwas feucht.

»Nein Maik, bitte bleib da.«

Lesemodus deaktivieren (?)