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Kalanja'neiu - Legende einer vergessenen Welt

Teil 6

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XIII

Felix konnte das eben Erlebte noch kaum fassen. Die Gefangenschaft, die Flucht und anschließend der Kampf, der eine unerwartete Wendung genommen hatte. Er wandte den Kopf und blickte auf die Shinmarikönigin, welche ihren Krieger Anweisungen erteilte. Die mehrheitlich grauen Katzen bildeten einen lockeren Kreis um die Reisenden. Felix wunderte sich, dass sie die ausgestoßenen Rebellen einfach zurückgelassen hatten. Aber er hatte keine Gelegenheit, Yashi danach zu befragen. Dieser schwebte neben Lasaju und schien sich mit dem Ratsmitglied angeregt zu unterhalten und Asa kümmerte sich um die verletzten Elben. Einzig Manju und Konjaru schritten neben Felix her, jedoch genügte ein Blick in Manjus bleiches und angespanntes Gesicht, und der Junge verkniff sich jeder weitere Frage. Aber es würde ihn ja interessieren, wieso dieser Elb schon wieder wie aus dem Ei gepellt aussah.

Die misstrauischen und abwertenden Blicke der Elben und Shinmari, die ihn weniger beschützten als vielmehr bewachten, nagten an ihm. Was bildeten sich diese Wesen eigentlich ein? Er war ein Mensch und hatte das Recht, nicht als ein Lebewesen zweiten Ranges behandelt zu werden.

Yashi blickte über seine Schulter und seufzte. Felix hatte bei der Behandlung wahrlich nichts zu lachen, aber angesichts der feindseligen Haltung seiner Wachen bewahrte er Haltung und ließ sich nach aussen kaum etwas anmerken. »… wie seit ihr zu diesen seltsamen Begleitern gekommen, Yashi?« Lasajus Frage riss ihn aus seinen Gedanken und er wandte sich wieder dem Elben zu. »Es ist eine lange Geschichte Lasaju und ich werde sie ausführlich vor dem gesamten Rat erzählen. Im Moment nur soviel: es sind beide ehrenwerte Reisegefährten und haben nichts getan, um unsere Sicherheit zu gefährden.«

»Euer Wort in Illaris Ohr mein Freund. Jedoch fällt es mir nicht so leicht, mich an den Anblick eines Seltlings und eines Drachenkriegers zu gewöhnen.«

»Liegt es am Krieger selbst oder eher an der Tatsache, dass er seit über zwei Stunden die Hand deines Neffen hält?«

Lasaju erwiderte Yashis Blick und seufzte. »Wahrlich es würde mich wohl weniger beunruhigen, wenn sich mein Neffe nicht gerade einen Drachenkrieger ausgesucht hätte. Es gibt genügend Elben, die diesen Platz einnehmen könnten. Du weißt selbst, welches dunkle Kapitel die Beziehung zwischen unseren Rassen getrübt hat.«

»Ich war noch ein junger Grünling aber als Yagodas Schüler kenne ich dieses Kapitel unserer Geschichte gut. Ich lebte lange genug unter den Drachen um mit diesen wunderbaren Geschöpfen Kalanjas Freundschaft zu schließen. Denkst du nicht, dass es an der Zeit ist, den alten Groll zu begraben und neue Bande zu knüpfen?« Ein leises Fiepen bewahrte Lasaju davor, Yashi auf diese berechtigte Frage antworten zu müssen. Er nestelte an seinem Gürtel und holte eine kleine Kristallkugel hervor. » Ti ?« die Kugel begann zu flimmern und Yashi erkannte, dass am anderen Ende des Sprechzaubers sein alter Freund und Mentor Yagoda sass.

»Wie ist eure Expedition gelaufen?«

»Ausgezeichnet Yagoda. Wir konnten die Shinmari-Rebellen vernichtend schlagen und bringen nun Yashi, Manju und ihre Gefährten nach Akshareen.«

»Yashi?«, Yagoda gluckste leise. »Na endlich lässt sich der Junge mal wieder bei mir blicken. Also alter Junge, ich erwarte eure Ankunft in den nächsten Tagen. Informiert mich umgehend, wenn ihr euch der Stadt nähert. Lebt wohl.« Lasaju stand noch mit offenem Mund da, als Yagoda die Verbindung beendete.

Der Elb steckte die kleine Kugel wieder in den Beutel zurück und meinte an Yashi gewandt: »ich kenne den alten Knaben nun schon beinahe mein ganzes Leben und doch schaff ich es einfach nie, endlich mal das letzte Wort zu haben.«

»Ach ihr Elben habt ja bloss Mühe damit, wenn euch ein kleiner Grüner rumkommandiert.« Er zwinkerte dem Ja'neisa zu und Lasaju lachte auf. »So, ich glaube wir werden in der Nacht Akshareen erreichen. Mögen die Götter unseren Weg vor weiterem Ungemach schützen.«

Lasaju hatte jedoch das unberechenbare Wetter unterschätzt. Shi'Mari war übel gelaunt und fauchte jeden an, der sich ihr näherte. Wie sehr sie Regenschauer hasste. Ihr Fell klebte am Körper und sie triefte nur so vor Wasser. Felix sah, wie Manjus Onkel leise mit der Königin sprach. Das folgende Donnerwetter ließ alle zusammenzucken. »Ach verkriecht euch wieder in eure Bibliothek Lasaju! Bei Amit, aber ich kann Kapora nicht wirklich was abgewinnen. Diese launische Frau macht uns hier einen Strich durch die Rechnung… Ich weigere mich, weiter durch dieses Unwetter zu marschieren und mich den Launen der Wettergöttin auszusetzen!« Ein lautes Fauchen begleitete Lasajus hastigen Abgang.

Resigniert gab er die Anweisung, möglichst schnell einen Unterstand für die Nacht zu finden. Gegen Abend schlugen sie nahe einer kleinen Baumgruppe ihr Lager auf. Mit Hilfe von etwas Magie, schmolzen sie die Äste einiger Bäume zu einem undurchlässigen Dach zusammen, so dass die Gruppe einen trockenen Schlafplatz erhielt. Felix lehnte mit dem Rücken an einem Baumstamm und blickte auf die glimmenden Überreste des Lagerfeuers. Fast alle schienen zu schlafen nur zwei Shinmari behielten ihn wachsam im Auge. Frustriert durch dieses dauernde Misstrauen wickelte er sich in seinen Umhang und schlief ein.

» Co'ru , was beschäftigt dich?«, Konjaru drückte Manju an sich und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. Er spürte, wie sich sein Liebster innerlich zurückgezogen hatte seid sie auf die Palastwachen und auf Lasaju getroffen waren. Dass sein Elb aber auch unbedingt Verwandtschaft in der Regierung haben musste. Er spürte, wie Manju sich enger an ihn kuschelte.

»Hast Du nicht das Gesicht meines Onkels gesehen als wir uns geküsst haben, Konjaru? Er schien völlig entsetzt zu sein. Ich liebe meine Familie und ich fürchte mich vor ihrer Missbilligung meiner Wahl.« Manju hob die Hand und strich mit den Fingern federleicht über Konjarus Gesicht. »Sscht, Liebster. Denk nur daran, dass ich dich liebe.«

Konjaru schlang den Arm um den Elben und spürte, wie dieser an seine Schulter gekuschelt einschlief. Er selbst lag noch lange wach und dachte über Manjus Worte nach. Liebe mochte schön und gut sein. Aber würde sie auch dem Druck der Familie standhalten? Konjaru hoffte es.


»Craynar!« Der Ruf hallte durch die ganze Halle und zitternd trat der Gerufene ein und verbeugte sich tief. »Ah, da bist Du ja.« Mit gefährlich leiser Stimme drehte er sich zu seinem Diener um und genoss das Gefühl der Angst, dass er in Craynars Augen las. »Du hast schon wieder versagt. Wir hatten diesen Jungen schon fast in unserer Gewalt!« Seine Faust donnerte auf die Armlehne. Craynar wimmerte. »Gebieter… Es war nicht meine Schuld. Dieser Sh'Gral…«

»Schweig! Immer diese Ausreden. Inzwischen ist der Junge wohl in Akshareen angelangt. Du hattest mehrfach die Gelegenheit, ihn zu töten. Doch damit ist nun Schluss! Ich werde mir deine Inkompetenz nicht länger bieten lassen.« Schwarze Funken sammelten sich um seine Hände.

»Mein Lord«, Craynar hob seine Hände vors Gesicht und rutschte auf Knien vor den Thron. »Bitte ich flehe Euch an. Gebt mir noch eine Chance diesen Jungen herzuschaffen. Bitte…«

Mit einer harschen Handbewegung schnitt er Craynars Worte ab. »Erspare mir dein Gewinsel! Ich habe Dich gewarnt. Auch Du bist nicht unersetzlich.«

»Aber wer?..« Ein leises kehliges Lachen lenkte Craynars Aufmerksamkeit in die dunkle Ecke neben dem Thron. Lange schlanke Beine, eine schmale Taille und ein üppiger Busen wurden sichtbar, die nur spärlich von rot-schwarzen Schleiern verhüllt wurden. Sein Blick wanderte nach oben. Die schöne Unbekannte trat nun völlig aus dem Licht und schmiegte sich an den hohen Lord. Dieser ergötzte sich an Craynars bestürztem Blick. »Was meinst Du, hat er es verstanden?«, wandte er sich der bislang schweigenden Schönheit zu.

»Aber mein liebster Lord«, flötete sie. »Ich bin mir sicher, dass der gute Craynar nun begriffen hat, dass seine Zeit abgelaufen ist.« Craynar sah sie flehend an. »Bayuna.. Schwester.. wie? Mein Lord ich flehe euch a…« Seine Stimme erstarb. Die Augen ungläubig geweitet starrte er auf seine Brust. Ein gebündelter schwarzer Strahl aus der Magie seines Lords hatte sich in seine Brust gebohrt und der Geruch verbrannten Fleisches stieg ihm in die Nase. Leblos sackte er in sich zusammen und löste sich in Staub auf.

Bayuna fuhr ihm liebkosend durchs Haar. Erregt durch den Mord an seinem einstigen Leibdiener und dem Gebrauch seiner Macht griff er nach seiner Gespielin und zog sie besitzergreifend an sich. Morgen würde er sie losschicken, um an Stelle Craynars den Jungen zu beschaffen, doch heute Nacht würde sie für wenige Stunden die Bitterkeit vertreiben, die seinen Geist seit Jahrhunderten in ihren Klauen hielt.


Als Felix am nächsten Morgen erwachte, packten die Elben gerade ihre Habseligkeiten zusammen und eine nun wieder gut gelaunte Shi'Mari beriet sich mit Lasaju. Es blieb kaum Zeit um zu frühstücken. Felix kaute noch auf den letzten Beeren rum, als es bereits weiterging.

Felix genoss den folgenden Marsch. Die Tautröpfchen auf den Gräsern zauberten einen Teppich aus funkelnden Lichtern über die Hügel und die frische Luft belebte die Geister und vertrieb die Müdigkeit. Es war kurz nach Mittag, sie hatten gerade den letzten Hügel überquert und näherten sich einem Wäldchen, als in der Ferne die weissen Mauern Akshareens zu sehen waren. Felix hielt die Luft an. Die Stadt war ihm schon wunderschön erschienen, als er sie das erste Mal vom Rücken eines Drachen aus gesehen hatte, doch bei Tageslicht wirkte sie genau so beeindruckend. Auf einmal stoppten alle und Felix wäre beinahe in einen der Elben reingestolpert, die ständig vor ihm her gingen und ihn bewachten.

Er streckte den Hals und sah, dass Lasaju das Zeichen zum Halten gegeben hatte und nun in eine funkelnde Kugel hineinsprach. »Was tut er da?« fragte er Manju, der neben ihn getreten war. »Das ist ein Sprechzauber. Er wird mit jemandem aus der Stadt sprechen und unser Kommen ankündigen. Setz Dich doch, ich denke, es wird noch eine Weile dauern.«

Manju sollte Recht behalten. Es dauerte etwa eine Stunde, bis am Horizont zwei Pferdegespanne zu sehen waren, die direkt auf sie zuhielten. Manju stöhnte auf. »Bei Vadin, müssen die ausgerechnet Kutschen schicken? Wir könnten doch auch zu Fuss durch die Stadt zum Rat marschieren.« Konjaru legte ihm die Hand auf die Schulter. »Überleg doch mal Co'ru, sie werden nicht wollen, dass es wie ein Lauffeuer durch die Stadt geht, dass ein Seltling und ein Drachenkrieger bei euch sind. Immerhin gibt es durch den Diebstahl des Herzens schon genügend …« Hier unterbrach ihn eine der Palastwachen, der vor Manju getreten war. »Euer Onkel bittet euch, in eine der beiden Kutschen einzusteigen, Manju Ja'Neisa.« Dieser seufzte und nickte der Wache knapp zu. Die Shinmari-Krieger und die Palastwachen warteten, bis die Ratsmitglieder und ihre »Gäste« in den Kutschen Platz genommen hatten und eskortierten die Wagen zur Stadt.

Felix betrachtete das gequälte Gesicht des Elben, der ihm gegenüber sass. Manju schien Kutschenfahrten wirklich nicht zu vertragen. Gut, die Fahrt erinnerte auch ihn an eine holprige Überlandfahrt mit einem alten Bus. Aber diese grünliche Farbe um Manjus Mund und Nase… er hoffte inständig, dass er nicht während der Fahrt zur Seite springen musste, um sich und seine Kleidung in Sicherheit zu bringen. Er drehte seinen Kopf wieder in Richtung Fenster und verfluchte einmal mehr, die dichten Vorhänge davor. Lediglich durch einen kleinen Spalt gelang es ihm, ein bisschen vom Geschehen ausserhalb des Wagens zu sehen.

Nach einem kurzen Seitenblick auf seine Mitreisenden wandte er sich wieder dem Fenster zu und sah gerade noch, wie sie durch das grosse Stadttor Akshareen fuhren. Die verschlungenen Muster und Schriftzeichen aus Silber und Gold auf den beiden Torflügeln erregten seine Aufmerksamkeit. Was diese wohl bedeuten mochten? Ach er würde Yashi fragen, sobald sich wieder die Gelegenheit dazu ergab. Leider sass er im anderen Wagen und Konjaru, der sich gerade um seinen reisekranken Freund kümmerte, wollte er erst gar nicht danach fragen. Mochten die anderen denken, dass er sich mit der Situation abgefunden hatte, die Eifersucht nagte dennoch jedes Mal an ihm, sobald er die beiden so zusammen sah.

Er sah eine Reihe schlichter weisser Häuser, die sich an ihrem Weg reihten. Vor den einen standen Tische, auf denen Waren wie Stoffe oder Töpfe ausgelegt waren. Die Kutschen erregten die Aufmerksamkeit der Bevölkerung. Ein kleiner Junge zeigte laut rufend auf Felix' Kutsche, bevor ihn seine Mutter hochhob und mit dem Sohn auf der Hüfte stehen blieb. Sie sahen aus wie er. Ob das Menschen waren? Felix versuchte, sich an alle Erzählungen Yashis über die Völker Kalanja'neius zu erinnern, doch es gelang ihm nicht. Kopfschüttelnd wandte er sich wieder dem Spalt zwischen den Vorhängen zu und starrte direkt in das Gesicht eines grimmigen Shinmaris. »Aaah«, erschrocken wich er zurück und fiel dabei fast von seinem Sitz. Der Shinmari fauchte kurz und zog energisch die Vorhänge so zu, dass kein noch zu kleiner Spalt mehr zu sehen war.

Manju, der an Konjarus Schulter eingenickt war, wachte durch Felix Ruf auf. »Sind wir endlich angekommen?«

»Sag du es mir. Dieser Shinmari hat mir gerade die Aussicht genommen. Aber es sah so aus, als ob wir in der Nähe eines grossen Platzes seien.« Manju sah Felix erleichtert an. »Ah der grosse Marktplatz von Akshareen. Dann werden wir bald am Ende der Reise sein. Bei Thasin ich vertrag einfach keine Kutschfahrten.« Konjaru kicherte. Manju sah in gespielt böse an und fiel in das Lachen seines Liebsten ein. Felix wandte sich angewidert ab und starrte auf die dunklen Vorhänge.

XIV

Ein leichtes Ruckeln und Rumpeln schreckte ihn aus seinen trüben Gedanken hoch, als der Wagen auch schon stehen blieb. Die Wagentür öffnete sich und eine der Palastwachen bedeutete ihnen, auszusteigen. Felix blickte sich neugierig um. Hinter ihnen schlossen die Wachen gerade ein Tor. Dies musste der Durchgang in der inneren Stadtmauer sein, die er aus der Luft gesehen hatte. Er blickte sich um. Gleich neben der weiss getünchten Mauer stand ein grösseres Gebäude, in dem gerade Yashi, Lasaju und Shi'Mari verschwanden. Efeu rankte sich an den Mauern hoch und die vereinzelten Blüten waren mehr Schmuck als die Verzierungen an den Dachgiebeln. »Was ist das für ein Gebäude?«, wandte er sich an Asa.

»Oh das ist das Gästehaus des Rates. Im Innenhof gibt es ein Stall falls die Gäste Reittiere bei sich führen sowie ein Badehaus. Im hinteren Trakt sind Küche und Speisekammer untergebracht. Hier im Hauptgebäude ist ein Speisesaal im unteren, im oberen Stockwerk befinden sich die Gästezimmer. Hier übernachten nur ausgewählte Gäste des Rates…«

».. oder ihre Gefangenen«, unterbrach Felix sie missmutig. Es war ihm nicht entgangen, dass einige der Zimmer kunstvolle Gitter vor den Fenstern hatten. Mochten sie auch ein wahres Meisterwerk der Schmiedekunst sein mit ihren Ranken und vergoldeten Verzierungen es blieben Gitter, welche die freie Sicht aus den Fenster verwehrten. Eine nur kaum fassbare Schwermut hatte von ihm Besitz ergriffen. Er sah weder das satte grün der Wiesen noch den blauen Himmel. Nahm weder das Zwitschern der Vögel noch den betörenden Duft aus den Blumengärten des Gasthauses wahr. Felix fürchtete sich. Was mochte ihn vor dem Rat erwarten? So wie einige der Elben aus der Wache reagierten… voller Misstrauen, Hass und Abscheu wohl sicherlich Gefängnis oder gar schlimmeres.

Yashi und die beiden Ratsmitglieder verließen gerade das Haus und kamen auf sie zu. Lasaju wandte sich an seinen Neffen. »Du kannst Deine Männer entlassen, Neffe. Sie werden in den Soldatenunterkünften einen Schlafplatz finden. Für Dich und Deine Gefährten werden gerade die Zimmer vorbereitet. Morgen wird die Anhörung vor dem Rat sein.« Er nickte noch einmal kurz und schritt an der Seite Shi'Maris den gepflasterten Weg zum Ratsgebäude hoch. Die Wachen folgten ihnen. Einzig eine Handvoll Palastwachen blieben zurück um ihre »Gäste zu beschützen«.

»Na komm schon.« Asas Ruf riss Felix aus den trüben Gedanken und er folgte ihr und den anderen ins Haus. Durch den Innenhof betraten sie den Speisesaal, wo schon ein grosser Topf mit warmem Essen auf sie wartete. Gierig schlang Felix den sonst verachteten »Elbeneintopf« herunter. Yashi beobachtete ihn kichernd und wandte sich dann seinen Leckereien aus der Heimat zu. Zum Glück hatte Sh'Gral ihm nicht den Beutel mit den Wurzeln abgenommen. Es dunkelte bereits, als ein junger Mann in die Stube trat und sie darüber informierte, dass ihre Zimmer fertig seien. »Ein Mensch?« fragte Felix Yashi. »Er sieht genau so aus wie ich. Keine spitzen Ohren oder so.«

»Nein dies ist ein junger Ba'nei. Sie arbeiten oft als Diener. Sieh Dir beim nächsten Mal seine Stirn genauer an. Sie tragen meist blaue Zeichen etwas oberhalb der Nase. Dies zeigt, zu welchem Clan oder welchem Gewerbe sie gehören.« Felix hatte sich über den blauen Strich schon gewundert. Er wollte gerade zu einer weiteren Frage ansetzen, als der junge Ba'nei wieder zu ihnen trat und ein ungeduldiges Handzeichen machte. »Na dann«, Yashi erhob sich. »Der Junge hat Recht, wir sollten uns allmählich schlafen legen. Morgen steht uns ein anstrengender Tag bevor.

Sie folgten dem Jungen die Treppe hoch und einer nach dem anderen verschwanden sie in den ihnen zugewiesenen Zimmern. Felix schluckte leer, als er sein Zimmer sah. Es war schön keine Frage. Ein weiches Bett lockte doch die unübersehbaren Gitter schienen ihn zu verhöhnen. Eine Hand legte sich auf seine Schulter und drückte ihn. »Kopf hoch mein Junge. Wir haben es bis hierhin geschafft und nun versuch zu schlafen.« Yashi lächelte ihm noch einmal zu und zog sich dann in sein Zimmer zurück.

Felix trat ein, schloss die Tür hinter sich und inspizierte es. Hinter einem Vorhang stand ein Waschtisch mit frischen Tüchern, die neben einer tönernen Schale und einem Krug voller Wasser lagen. In der Ecke stand eine Art Bettpfanne. Felix verzog das Gesicht. Immerhin besser als sich hinter Bäume zurückzuziehen. Ach er vermisste eine funktionierende Dusche oder ein normales Toilette.

Vor dem Fenster stand ein kleiner Tisch auf dem eine Öllampe und eine Schale mit frischem Obst standen. Felix suchte sich einen Pfirsich heraus und biss genüsslich hinein. Der Saft lief ihm aus den Mundwinkeln und übers Kinn doch das störte ihn nicht. Endlich was anderes als Elbenproviant. »Klick« Felix warf den angebissenen Pfirsich auf den Tisch und rannte zur Tür. Abgeschlossen! Missmutig warf er die angefangene Frucht in einen herumstehenden Eimer. Wieder war er eingesperrt. Durch das Fenster beobachtete er das Funkeln der Sterne und gähnte. Vielleicht sollte er wirklich schlafen gehen. Stiefel und Tunika flogen in die Ecke. Felix leerte etwas Wasser in die Schale, tauchte seine Hände ins kühle Nass und wusch sich so gut es ging den Schmutz der letzten Tage von der Haut. Er trocknete sich gerade ab, als Musik ihn wieder ans Fenster lockte. Das Haus war höher als die innere Stadtmauer, so dass er bis zum Marktplatz der Stadt sehen konnte. Dort brannten zwei grosse Feuer. Fröhliche Musik und Gelächter begleiteten die Tanzenden. Ihre Köper wirbelten zu zweit oder alleine ums Feuer und strahlten eine Lebensfreude aus, die sogar in Felix' Zimmer noch greifbar erschien. Es mussten Ba'nei sein. Felix konnte sich nicht vorstellen, dass die Elben solch ausgelassenen Feiern mitten in der Stadt abhalten würden.

Wehmütig dachte er an die letzte Party, auf die Sophie ihn geschleppt hatte. Das Tanzen und Lachen mit seinen Freunden fehlte ihm. Eine Träne schlich sich aus seinem Auge und rann über seine Wange. Mit einem tiefen Seufzer beugte er sich über die Lampe und löschte das Licht. Im Dunkeln tapste er zum Bett und ließ sich hineinfallen.

Etwas kitzelte ihn. Er rümpfte die Nase und zog die Decke über den Kopf. Leises Lachen ließ ihn innehalten. Verschlafen richtete Felix sich auf. »Guten Morgen Junge.« Yashi sass auf einem Schemel vor seinem Bett. »Komm steh auf, frühstücke und geh ins Badehaus. Asa ist bereits dabei, für dich angemessene Kleidung zu beschaffen. Heute wird der Rat der Weisen uns vorladen um sich unsere Erlebnisse anzuhören und darüber zu urteilen.« Er sah Felix' beunruhigten Blick. »Ich glaube fest daran, dass du dich nicht zu fürchten brauchst. Wenn sie alle Fakten kennen werden sie zum selben Schluss kommen wie ich. Dass wir dich brauchen. Nun aber los.« Er kletterte vom Schemel und eilte aus Felix' Zimmer.

Felix streckte sich und gähnte herzhaft. Schüttelte den Kopf und kroch langsam aus dem Bett. Wie konnte man morgens nur so munter sein. Müde streifte er sich die Tunika über den Kopf und tapste barfuss die Treppe hinunter in den Speisesaal. Yashi wartete bereits auf ihn und trank mit sichtlichem Genuss etwas, was beinahe wie Tee aussah. Felix trat an den Tisch, griff nach der Kanne und schnupperte daran. »Tee?« fragte er mit skeptischem Blick. Yashi sah ihn empört an. »Ja glaubst Du denn, ich sei ein Banause und würde Kaffee trinken? Ich bin doch kein Ba'nei. Natürlich ist das Tee. Wenn Du willst gebe ich Dir gerne etwas ab.« Felix setzte sich und nach den ersten Tassen Tee erwachten seine Lebensgeister langsam. Eine ältere Ba'nei betrat die Stube, lächelte Felix zu und stellte eine Platte mit frischem Brot und etwas geräuchertem Fleisch vor ihn hin. Er griff zu und verschlang das angebotene Essen mit Genuss.

Er lehnte sich zurück und strich sich über den Bauch. »Ah das war ja lecker Yashi. Hast Du daran gedacht?«

»Nein. Aber Lucanja, die Köchin dachte, dass dir vielleicht Ba'nei Essen eher schmecken würde, als unseres.« Felix grinste Yashi an.

»Die Frau ist ein Engel. Wo finde ich denn nun das Badehaus?«

»Geh einfach quer über den Hof. Rechts ist der Waschraum der Männer.« Felix stand auf, brachte sein Geschirr in die Küche und ging über den Innenhof zu den Bädern. Er versuchte, die beiden Wachen, die demonstrativ vor dem Tor standen zu ignorieren. Auch wenn er vorgehabt hätte zu fliehen, im Augenblick wollte er nur noch eines: endlich mal wieder baden. Vor dem Badehaus hörte er Geräusche, öffnete aber dennoch die Tür und trat ein.


»Nicht hier Liebster«, flüsterte Manju atemlos und küsste ihn erneut. Konjaru kicherte und glitt mit den Händen über den Körper seines Freundes. »Schau mir in die Augen und sag mir, dass ich wirklich damit aufhören soll«; raunte er Manju mit kehligen Lachen zu und zog eine Spur heißer Küsse über dessen Gesicht und Hals, ließ seine Zunge um seine Brust kreisen und strich ihm liebkosend über Schultern, Arme und Rücken und ließ seine Hände locker auf dessen Hüften liegen. Manju drängte sich gegen Konjarus Körper. Schlang die Arme um ihn und strich mit den Lippen über sein Gesicht und knabberte leicht an seinem Hals. Konjaru löste sich von ihm und drückte ihn an die Wand. Hielt seine Handgelenke mit einer Hand über dem Kopf gegen die Wand. Aufreizend langsam ließ er seine freie Hand über Manjus Körper gleiten. Neckte und erregte ihn.

Ein lautes Stöhnen glitt über Manjus Lippen und fieberhaft drängte er sich den Küssen Konjarus entgegen. Er lehnte sich gegen die Wand des Badehauses und ergab sich willig. Seine Finger krallten sich in Konjarus Schultern als dieser mit feurigen Küssen der Spur seiner Hände folgte. Seine Zunge umkreiste lockend Manjus Bauchnabel und er genoss die lustvollen kehligen Laute, die sein Elb ausstiess. Seine Hand schloss sich langsam um das Objekt seiner Begierde als…


Die Türe krachte mit lautem Getöse zu und Felix starrte mit hochroten Wangen auf das Schauspiel, dass sich ihm bot. Konjaru kniete vor Manju und…

Ärgerlich über den Unterbruch öffnete Manju die Augen und errötete leicht, als er den Jungen in der Türe stehen sah. Er zog Konjaru hoch und lächelte Felix verlegen an. Die beiden gossen sich noch einmal einen Eimer Wasser über die erhitzten Körper, wickelten sich in die bereit gelegten Tücher ein und verließen eilig das Badehaus. Felix stand noch immer mit hochroten Wangen da. Die nackten Körper auf denen noch die Wasserperlen trockneten. Die lustvollen Seufzer und Küsse… Felix rief sich die ganze Szene ins Bild und stöhnte auf.

Erst Yashis energisches Rufen, er solle sich etwas beeilen, riss ihn aus den erotischen Gedanken über Manju und dem Drachenkrieger und er sprang widerwillig in den grossen Badezuber, der wohl auch als Gemeinschaftsbadewanne gedacht war. »Aaaah!« Das Wasser war eisig kalt. Er griff nach einem Stück Seife und schäumte sich ein. Nach einigen Eimern Wasser, hatte er auch die letzten Seifenreste aus seinem Haar gespült und rubbelte gerade sein Haar trocken, als der Ba'Nei-Junge ins Badehaus kam. »Meister Yashi lässt euch ausrichten, dass die neuen Kleider in eurem Zimmer liegen.« Felix schlüpfte in seine Tunika und folgte dem Jungen über den Hof.

Wieder auf seinem Zimmer begutachtete er die bereitgelegte Kleidung. Er schlüpfte hinein und versuchte, sich im Spiegel über der Waschschüssel zu betrachten. Die dunkelblauen Hosen und das weisse Hemd passten wie angegossen und betonten seinen schlanken Wuchs. Nun noch das Wams. Die verschiedenen Bänder und Ösen bereiteten ihm erst einige Mühe doch schließlich gelang es ihm, dass Wams richtig zu schließen. Felix drehte sich mit ausgebreiteten Armen hin und her und begutachtete sich. Doch, so konnte man ihn sicherlich vor den Rat lassen. Bei dem Gedanken wurde ihm etwas flau im Magen und er setzte sich aufs Bett.

Sein Fuss stiess gegen etwas. Er bückte sich und zog seinen alten Rucksack unter dem Bett hervor. Erleichtert darüber, dass dieser nicht verloren gegangen war, öffnete Felix ihn und durchsuchte seine Sachen. Als sich seine Finger um das seltsame Armband schlossen, mit dem die ganze Geschichte angefangen hatte, wurde er auf einmal ruhiger, nahm es hinaus und verstaute den Rucksack wieder unter seinem Bett. Er drehte den Reif hin und her. Aus einem Impuls heraus zog Felix ihn an und betrachtete sein linkes Handgelenk. Irgendwie sah es so aus, als ob er ihn schon immer getragen hätte. Felix schüttelte den Kopf und wollte ihn wieder zurück in den Rucksack stecken. Doch er ging nicht mehr von seinem Handgelenk runter. Ärgerlich schob ihn Felix soweit den Unterarm hoch, dass er unter dem Hemdsärmel nicht mehr zu sehen war. In dem Augenblick trat Yashi ins Zimmer und betrachtete ihn. »Doch, schick siehst du aus. Aber etwas fehlt noch. Komm mit.« Felix folgte ihm die Treppe runter. Die Palastwache erwartete sie bereits doch Yashi bedeutete ihnen, dass sie noch kurz warten sollten und zog Felix in den Speisesaal, griff sich einen Strick und ließ die Hand darüber gleiten. Ein grünes Licht leuchtete auf und statt eines Stricks hielt er nun einen fein gearbeiteten Gürtel in der Hand, der perfekt zu Felix Kleidung passte. »Hier leg diesen noch um. Ohne ist diese Kleidung einfach nicht vollständig.« Felix legte ihn um und folgte Yashi, der nun auf die Palastwachen zuging.

Diese geleiteten sie nun aus dem Haus bis zum Ratsgebäude hoch. Der Grünling schwebte neben Felix her. »Yashi, was sind das für Gebäude, die an den Hängen des Hügels stehen?« durchbrach Felix das Schweigen.

»Das sind die Tempel der Götter. Dies hier ist nicht nur der Bezirk des Rates sondern auch der des Glaubens. Oben auf dem Hügel steht das Ratsgebäude. Kreisförmig darum angeordnet wurden die Tempel errichtet. Siehst du den da drüben, der mit den vielen Blumen? Das ist der Tempel Ramuos. Seine Priesterinnen und Priester tragen rote Kutten und.…«

»Priesterinnen und Priester gemischt? Ich dachte, die haben immer nur entweder oder... die müssen doch keusch leben oder so…« Felix runzelte die Stirn als Yashi kicherte. »Normalerweise schon. Aber Ramuo ist der Gott und die Göttin der Liebe. So wie er mal als Mann und mal als Frau erscheint ist auch seine Priesterschaft gemischt… und glaube mir, sie rutschen nicht den ganzen Tag auf den Knien herum und beten. Oh natürlich, verehren sie ihren Gott, huldigen ihm und wirken in seinem Namen... aber sie legen kein Keuschheitsgelübde ab.«

»Er ist beides?«

»So könnte man es nennen ja. Einem verliebten Mann erscheint er als Frau. Mag der Mann jedoch Männer tritt er als Mann auf. Genau so ist es, wenn eine Frau ihn anruft. Er nimmt jeweils die Gestalt an, welche der Gläubige sich ersehnt.«

Felix blickte noch einmal zum Tempel zurück und wandte sich dann wieder Yashi zu. »Wo sind eigentlich Kion, Asa und…«, er hüstelte, »Konjaru und Manju?« Felix lief knallrot an. Beim Gedanken an die beiden sah er wieder die Szene aus dem Badehaus vor sich. Er holte tief Luft. Yashi tat so, als würde er nichts davon bemerken und fuhr fort.

»Sie wurden bereits vor uns abgeholt und zum hohen Rat geleitet. Habe ich Dir eigentlich schon unseren Rat erklärt? Nein? Oh das sollte ich wohl noch, damit Du verstehst, vor wen Du treten wirst. Der Rat besteht aus neun Mitgliedern, die auf Lebzeit gewählt sind. Jede der in Akshar vertretenen Rassen ist vertreten.«

»Werden die Mitglieder gewählt?«

»Nein. Im Illari-Tempel liegt das Schicksalsauge, ein faustgrosser Amethyst in dessen Innern Illaris Abbild zu sehen ist. Stirbt ein Ratsmitglied wird das Auge aus dem Tempel in die Ratshalle getragen, und auf den nun freien Platz gelegt.« Yashi bemerkte den skeptischen Blick seines jungen Freundes. »Das Auge verdüstert sich und sobald es wieder klar ist, steht in seinem Innern der Name des Erwählten.«

Felix kickte einen kleinen Kieselstein vor sich her. »Das klingt alles so mysteriös Yashi. Aber nachdem ich nun schon Drachen und anderes gesehen habe, sollte ich Dir wohl glauben.« Er grinste schief. »Bitte erzähl weiter. Wer ist alles im Rat der Weisen?«

»Zwei von den Neun kennst Du ja schon: Lasaju und Shi'Mari. Sie sind die Vertreter für die Ja'neisa und die Shinmari. Lasaju ist mit seinen 735 Jahren das drittälteste Ratsmitglied. Meist sehr förmlich und auch etwas steif nach aussen. Mein Mentor Yagoda und Basaju der Flusselb, sind die ältesten. Basaju ist eine beeindruckende Erscheinung. Sein Haar ist schlohweiss und sein Gesicht zeichnen Falten. Seine Augen aber zeigen, dass sein Verstand immer noch messerscharf ist und er trotz seiner bald 1200 Jahren noch lange nicht zum alten Eisen zählt. Ich glaube sogar, er ist seit dem grossen Krieg der älteste Elb in ganz Akshar.«

»Und welches sind die restlichen fünf Mitglieder?« Inzwischen verblüffte Felix das hohe Alter der Bevölkerung nicht mehr so stark wie zu Beginn seines Aufenthaltes in Akshar.

»Ah ja genau. Die Suchhörnchen werden durch Maliona vertreten. Sie kann manchmal recht launisch sein…«

»Schlimmer als Kion?«, feixte Felix.

»Oh glaub mir Junge, wenn Du Dich auf Maliona gesetzt hättest, dann wäre Dir das Sitzen für die nächsten Wochen sehr schwer gefallen. Die Dame hat äusserst scharfe Zähne die sie auch mal einsetzt. Für die Dawi«, hier unterbrach Yashi kurz, wich einem tiefhängenden Ast aus und fuhr fort. »Diese Rasse hast du bis jetzt noch nicht kennen gelernt. Sie sind ein Zwergenvolk, das in ständigem Krach mit den Suchhörnchen lebt, da sich ihre Interessen widersprechen. Aber sie begnügen sich mit lauten Beschimpfungen und hier und da auch mal kleinere Keilereien. Gruvak Knator heisst ihr Vertreter. Er und Maliona sitzen an den entgegengesetzten Plätzen des Rates, da man die beiden unmöglich nebeneinander platzieren kann. Stell Dir das Chaos vor.« Yashi kicherte. »Die Karri werden durch Kay'Mal repräsentiert. Sie sind ein Wandervolk. Sehr anziehende Wesen mit einem besonderen Charme. Sie sind… ach es ist schwer, sie zu beschreiben, man muss sie wirklich erleben. Bald ist grosser Markttag. Die beste Gelegenheit, sie kennen zu lernen.«

»Weiter?« Felix sog die Informationen wie ein Schwamm auf. Begierig wollte er mehr erfahren.

»Die Waldelben vertritt Nimisha.« Bei Felix entsetztem Gesichtsausdruck lachte Yashi auf.

»Nein nicht diese Nimisha. Es ist lediglich ein sehr oft gewählter Name bei ihnen.«

»Und wer ist das neunte Ratsmitglied?«,

»Oh, hab ich das vergessen? Das ist Sila. Eine äusserst intelligente und charmante Dame wenn auch etwas unterkühlt. Gegen sie ist Lasaju ein Possenreisser.«

»Eine Ba'nei?«

»Wie kommst Du auf diese Idee mein Junge? Nein natürlich keine Ba'nei. Sie ist eine Ja'neisa… und was für eine. Sie stammt aus der oberen Ja'neisa-Schicht und dies widerspiegelt sich in ihrer ganzen Art.«

»Du sagtest doch, im Rat seien alle Rassen Akshars vertreten. Wieso haben dann die Ja'Neisa zwei Sitze und die Ba'nei keinen einzigen?«

Der Grünling blickte ihn nachdenklich an. »Vielleicht hast du Recht und die Ba'nei sollten auch einen Sitz haben. Jedoch besteht dieses System nun schon seit Ende der Kriege und hat sich gut bewährt.«

»Nur weil ein System lange so gehandhabt wird heißt das nicht, dass es so auch gerecht ist.«

Über soviel Gedanken des Jungen zu Politik und Gerechtigkeit schwieg Yashi. Dies war ein Thema, um mit Yagoda mal in einer ruhigen Stunde bei einem Glas guten Wein zu diskutieren.

Inzwischen waren sie im Vorraum des Ratsgebäudes angelangt und warteten. Der hohe und helle Raum schien vor allem eines auszustrahlen: Ruhe und Besinnung. Felix wagte kaum, sich zu räuspern und sah sich neugierig um. An den Säulen der Halle rankte sich Efeu in die Höhe und brachte so einige Farbtupfer in das vorherrschende weiss. Dies musste der Vorraum zu jenem halbkugelförmigen Teil des Gebäudes, den er vom Rücken des Drachen aus gesehen hatte.

Auf einmal öffneten sich die Tore des Ratssaals und die Wachen wiesen Felix an, ihnen zu folgen. Die hohe gewölbte Decke war übersät mir verschiedenen Ornamenten und Symbolen. Die grossen Fenster gestatteten einen Rundblick über das Land und Felix stockte der Atem. Es war wunderschön. Erst der Stoss der Wache riss ihn aus der Betrachtung und er schritt hinter Yashi weiter auf die wartende Menge zu. Neben den verschiedenen »Stabsmitarbeiter« der Ratsmitglieder waren es vor allem Priester die gespannt auf ihre Ankunft warteten. Felix sah Kutten in den verschiedensten Farben. Die Menge teilte sich und gab den Blick auf den Rat frei.

Im Halbkreis angeordnet standen neun prächtig gearbeitete, beinahe thronartige Stühle, auf denen die Ratsmitglieder sassen. Alle trugen sie silberweisse Umhänge. Wohl als Zeichen ihres Ranges. Beim Anblick des Abgeordneten der Dawis musste Felix sich das Lachen verkneifen. Es sah aber auch zu ulkig aus, wie dieses kleine Männchen auf einem Stapel Kissen sass um seine mangelnde Grösse auszugleichen. In der Mitte sass ein Elb in blauen Gewändern und schlohweissem Haar. Dies musste Basaju sein, von dem Yashi eben gesprochen hatte. Während sie den Gang entlang schritten, den die Anwesenden gebildet hatten, wurde er immer nervöser. Die Blicke, das Getuschel und die Gesprächsfetzen... Seltling.. Spion.. Verräter…. Kalter Schweiss trat auf seine Stirn und bei jedem Schritt schien es ihm, als ob ein Gewicht ihn in die Knie zwingen wolle.

Die Eskorte erreichte den Rat und verneigt sich kurz. Wartende Stille senkte sich über den Raum. Lasaju erhob sich und fasste kurz die Ereignisse zusammen, welche ihn und Shi'Mari dazu bewogen hatten, Akshareen zu verlassen um ihre Leute zu retten. Jedoch erwähnte er weder Felix noch Konjaru dabei. Seinen Umhang zurechtzupfend setzte er wieder hin. Nach einer Weile erhob sich Basaju und winkte in die Menge. Eine Gruppe Männer in grünen Roben trat vor. Sie stellten sich im Kreis auf und fassten sich an den Händen. » Vadin na'parzu Vadin… « Felix verstand die Worte nicht, aber er spürte die Kraft, die in unsichtbaren Wellen von den Priestern ausging. Ein helles Licht leuchtete auf und sie reihten sich wieder zurück unter die Zuschauer. Wo sie zuvor gestanden hatten, war nun ein silbergrüner Kreis in den Boden eingebrannt und leuchtete hell. Yashi wisperte Felix zu. »Dies ist ein Wahrheitszauber. Wer hinein tritt wird die Wahrheit sprechen und seine Worte werden Gehört finden. Na zumindest der Teil mit der Wahrheit stimmt auf jeden Fall. Vadins Priester sind da sehr talentiert.«

Als erster trat Yashi in den Kreis und begann damit, die Erlebnisse der letzten Tage zu erzählen. Wie sie Felix gefunden hatten, den Überfall der Dunkelelben und die anschließende Reise ins Land der Drachen. Hier merkte Felix, wie vor allem die silberblonden Elben im Saal etwas blass wurden. Es musste etwas geben, was sie an den Drachenkriegern nicht mochten. Felix fragte sich, ob es wohl den gleichen Grund hatte, aus dem zu Beginn auch Konjaru Manju immer angegiftet hatte.

Yashi fuhr fort und beendete seinen Bericht mit der Ankunft in Akshareen. Die Räte redeten leise miteinander und entließen Yashi. Dieser stellte sich wieder neben Felix. Die Anwesenden waren sichtlich aufgewühlt und schienen die Wahrheit in der Form nicht wirklich akzeptieren zu wollen. Nun traten Kion und Asa vor, deren Erlebnisse sich grösstenteils mit Yashis deckten und ihn bestätigten. Das Getuschel wurde immer lauter bis ein lauter Knall alle Anwesenden zusammen fahren ließ. Shi'Mari hatte ihren Becher auf die Armlehne ihres Stuhls knallen lassen und sprang auf. »Schweigt! Alle! Wir sind hier um gerecht zu urteilen und um alle Stimmen anzuhören. Also lasst uns fortfahren und nicht unsere Zeit mit sinnlosem Geplapper aufhalten.« Sie nickte dem Elben neben der Tür zu und setzte sich wieder.

Dieser nahm seinen schulterhohen Stab und klopfte dreimal auf den Boden. »Ehrenwerte Räte… Lar Manju Ja'Neisa«, kündigte er an und Manju betrat den Raum. Felix stutzte. Lar ? Ob das so was wie ein Titel war? Vielleicht. Es würde zumindest erklären, warum die anwesenden Elben, ausser den Ratsmitgliedern, den Kopf respektvoll senkten. Manju sah aber auch fantastisch aus. Er trug ein weisses Hemd und eine weit fallende Hose aus dem gleichen Stoff. Darüber ein hellblaues Wams mit kostbaren Stickereien. Vervollständigt wurde sein Aufzug durch einen dunkelblauen Mantel, dessen trompetenförmige Ärmel fast den Boden streiften. Er hatte sie einmal umgeschlagen, so dass die weisse Innenseite der Ärmel zu sehen war.

Manju verneigte sich vor dem Rat und trat in den Kreis. Er erzählte noch einmal die ganze Geschichte. Als er Felix' seltsame Träume erwähnte, runzelten die Räte die Stirn und wirkten besorgt. Felix wunderte sich. Was war es denn, was die Leute an seinen Träumen nur so beunruhigte? Ein aufgebrachtes Raunen ging durch die Menge und Felix hörte wieder aufmerksam zu »… aus diesem Grunde, ehrenwerte Ratsmitglieder, ist auch heute ein Abgesandter des grossen Drachen hier. Ich darf euch Konjaru von den Drachenkriegern vorstellen.«

Noch bevor sich jemand dazu äussern konnte ging die Tür erneut auf und Konjaru trat ein. Diesmal trug er nicht seine übliche Kleidung sondern eine über der eisblauen Hose eine Tunika gleicher Farbe mit aufgesticktem Drachenemblem und einem mitternachtsblauem Umhang, der durch eine silberne Brosche in Drachenform auf seiner Schulter gehalten wurde. Sicheren Schrittes trat er neben Manju und ließ seinen Blick über die Ratsmitglieder schweifen. Sila und Lasaju waren nicht die einzigen, die unbehaglich den Blick abwendeten, als er ihnen direkt in die Augen sah.

Manju trat aus dem Kreis und überließ ihm den Platz. Konjaru trat vor, neigte seinen Kopf zum Grusse. »Ich grüße euch vom Rat der Weisen. Ich überbringe Grüße vom großen Alten. Er lässt ausrichten, dass wir uns angesichts der Lage die Hände reichen sollen. Nicht um das Vergangene zu vergessen aber um einen Neuanfang zu wagen.«

Basaju räusperte sich. Er war alt genug, um sich noch an den Mord der Drachenkrieger durch die Ja'Neisa zu erinnern. Langsam erhob er sich und schritt auf Konjaru zu. »Im Namen des Rates heiße ich Dich hier willkommen Konjaru. Wir bedanken uns beim grossen Weisen und entbieten ihm unsere Grüße. Ich biete dir unsere Gastfreundschaft und freue mich, neues aus eurem Reich zu hören. Schon sehr lange habe ich die Drachenfelsen nicht mehr gesehen. Doch nun«, er wandte sich an seine Kollegen, »schlage ich vor, dass wir den Jungen, von dem wir seit Stunden sprechen anhören. Auch dieser Drachenkrieger wird uns kaum noch Neues über ihn berichten können.« Er ging zu seinem Stuhl zurück und setzte sich. Die anderen Räte berieten sich kurz und nickten ihm zu. Lasaju erhob die Stimme: »Der Junge möge vortreten und unsere Fragen beantworten.«

Mit zitternden Knien setzte Felix sich in Bewegung und trat in den Kreis. Langsam, stockend aber mit klarer Stimme begann er. Den Streit mit seinen Eltern, der Gang in den Park… unverwandt blickte er Basaju an und fand in dessen Augen nur eine milde Neugierde. So ermutigt fuhr er fort. Über eine Stunde redete er bis er erschöpft mit der Rettung durch die Palastwachen seinen Bericht schloss.

Es herrschte Totenstille im Saal. Basaju räusperte sich. »Du hast uns viel zum Nachdenken geliefert Felix. Ihr alle. Wir müssen uns erst darüber beraten und…«

»NEIN!« Ein Mann in der orangen Kutte der Priesterschaft Amits trat vor und schrie: »Er ist ein elender Ketzer. Seine Worte sind reine Häresie. Er..«

»Ruhe!« Basaju erhob seine Stimme. »Kehr zu Deinen Brüdern zurück und überlasse das Urteil uns.«

Ein schlanker junger Elb in blauer Kutte trat vor und bat um das Wort. »Verzeih mir edler Bajasu. Aber ich weiss einen Weg um die Zweifel des Amit-Priesters zu zerstreuen. Lar Manju, der ehrenwerte Yashi und auch der Junge berichten alle von dieser seltsamen Traumvision. Ist sie Wirklichkeit, kann ich sie mit der Hilfe Akis zum Vorschein bringen.«

»Traumsehen?«, Basaju blickte zweifelnd seine Ratskollegen an. Sie berieten sich kurz und nickten dem jungen Priester zu. »Auch wenn es ein ungewöhnlicher Schritt ist… tu es.«

Er trat auf Felix zu und blickte ihn fragend an. Felix straffte die Schultern und nickte. Egal was nun kommen würde, es musste wichtig sein. Der Priester ergriff sein Amulett, eine blau-silberne Scheibe, drückte Felix das Amulett, auf die Brust und murmelte einige Worte. Felix Augen wurden schwer und er glitt langsam zu Boden. Staunend verfolgte Konjaru, wie eine weisse Wolke über Felix schwebte und langsam klar wurde. Sie sahen Felix Traum. »Tut ihr das oft?«, wandte er sich an Manju. »Nein. Öffentlich geschieht dies eigentlich nie. Aber der Aki-Priester hat Recht. Es ist die beste Methode, um die Zweifel über die Existenz dieser Vision zu eliminieren.«

»Er schwebte in der Nacht, kein Stern erhellte den Himmel. Wie ein sanfter Mantel legte sich die Finsternis um seinen Körper und hüllte ihn ein. Aus dem Nichts flog eine kleine blutrote Kugel auf ihn zu. Ihr folgten weitere in blau, grün und gold. Wie kleine Monde umkreisten sie ihn. Schneller und immer schneller bis sie sich einem Wirbel gleich an ihm vorbei schossen auf einen großen, silberweißen Stern zu. Ein Gefühl der Wärme durchströmte ihn und er schwebte auf den Stern zu, der ihn zu rufen schien. Auf einmal… ein eiskaltes Grauen erfasste ihn und umklammerte ihn. Regungslos sah er, wie das silberweiss zu verblassen begann…«

Schreiend schreckte Felix auf. Der junge Priester half ihm hoch und neigte seinen Kopf vor Felix, ehe er sich wieder zu seinen Brüdern stellte. Ratlos blickte Felix in die Runde. Was war geschehen? Es musste mit diesem Priester zu tun haben. Er konnte sich nur daran erinnern, dass dieser ihn mit seinem Amulett berührt hatte… und er wieder diesen Albtraum erlebte.

Basaju fasste sich als einer der ersten wieder. »Ich glaube, dies hat uns nun allen bestätigt, dass unsere Gäste die Wahrheit die Wahrheit gesprochen haben. Der Junge ist wahrlich der Schlüssel, auf den wir gewartet haben. Auch wenn uns dies heute noch unfassbar erscheint. Kehrt nun in eure Tempel und Stuben zurück. Wir werden uns zurückziehen und über unsere weiteren Schritte beraten. Yashi, Manju… bitte führt unsere Gäste herum und zeigt ihnen das Gebäude.« Sie wollten gerade gehen als Sila sie zurückrief. »Halt! Wartet!« Felix und die anderen drehten sich um und blickten sie fragend an. »Junge, zeig uns bitte den Armreif, von dem Du erzählt hast.«

Felix trat erneut in den Kreis, streckte seinen linken Arm aus und krempelte den Ärmel zurück. Nun sahen auch seine Freunde dieses Schmuckstück das allererste Mal. »Gib ihn mir«, bat Sila ihn. »Ich möchte mir diesen Reif genauer ansehen.«

Felix nickte und versuchte, den Reif abzulegen. Wieso brachte er ihn einfach nicht ab.. und wieso wurde das Ding irgendwie immer heisser? Seine Haut brannte wie Feuer. Überall wo das Metall des Armreifs sie berührte. Verzweifelt schüttelte Felix den Arm, zog und zerrte am Reif. Sila war aufgestanden und starrte ihn an. Wenn er es richtig sah, starrte jeder in dem Saal auf ihn und den Reif.

»Auuu«. Ein heller Blitz blendete ihn. Der Schmerz überrollte ihn wie eine Lawine und liess ihn taumeln. Zittrig richtete Felix sich langsam wieder auf. Die Augen entsetzt aufgerissen. Wie durch einen Schleier sah er, dass Sila auf ihn zutrat, behutsam seine Hand ergriff und umdrehte. Als sie scharf die Luft einsog und ihn ungläubig ansah überwand Felix sich und folgte ihrem Blick. Der Reif sah anders aus. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was genau sich verändert hatte. Die Enden waren nun zusammengeschmolzen! Unmöglich, den Reif ohne einen Schmied wieder abzukriegen.

Ratlos blickte Felix die anderen an. »Was… wieso? Was mache ich damit? Was hat er für eine besondere Bedeutung?« Alle starrten ihn an. Felix glaubte zu träumen, aber Basajus Augen glitzerten tränenfeucht. Oder war doch nur das Licht? Yashi antwortete als erster. »Das musst Du für Dich selbst herausfinden mein Junge. Du wurdest auserkoren und dabei darf Dir keiner von uns helfen… und nun lass uns gehen. Ich glaube, eine kleine Pause wird uns allen gut tun.«

XV

Noch immer verwirrt über die plötzliche Wendung folgte Felix der kleinen Gruppe. Blieb dann aber auf einmal stehen. Eine innere Ruhe durchströmte ihn und er wusste, was er nun wollte. »Yashi, habt ihr hier irgendwo eine Bibliothek?«

»Ja. Hier im Gebäude befindet sich sogar die grösste Bibliothek Akshars. Was willst Du denn wissen?« Der kleine Grünling blickte ihn verwirrt an. Vielleicht war das Ganze doch zuviel für den Jungen gewesen.

»Ich möchte mehr über die Geschichte Akshars und eure verschiedenen Götter erfahren. Ich denke, in der Bibliothek bin ich da am richtigen Platz.«

Yashi grinste zufrieden. »Na dann folge mir Felix.« Sie gingen durch einige verwinkelte Gänge, bis Felix schon bald nicht mehr wusste, wo sie entlang gelaufen waren. Vor einer alt aussehenden Tür blieb Yashi stehen und zog sie langsam auf. Felix' Augen weiteten sich. Die Regale reichten bis zur Decke und jeder freie Platz war mit Bücher und Schriftrollen belegt. In der Mitte des Raumes standen einige Tische mit Schreibutensilien und mehreren bequem aussehenden Stühlen.

»So, ich werde dich hier alleine lassen Felix. Ich muss einige alte Freunde begrüssen. Hier im dritten Regal findest du die Geschichtsbücher. Wenn du was brauchst«, er reichte Felix eine kleine Kristallkugel, »nimm sie einfach in die Hand und ruf nach mir.«

»Ein Sprechzauber, wie ihn auch Lasaju benutzt hatte?«

»Ja. So und nun viel Spass.« Yashi verließ die Bibliothek und ließ Felix zurück. Dieser schnappte sich einen Schemel und kletterte darauf, um einen besseren Überblick über die Geschichtsabteilung zu bekommen. Nach längerem Suchen stapelten sich die Bücher auf dem Tisch neben ihm. »Hm…. Womit soll ich denn nun beginnen?«

Ein Buch stach im besonders ins Auge: »Die Chronik Kalanja'neius von der Schöpfung bis heute«. Gespannt schlug er das Buch auf und begann zu lesen. Erst ergaben die Worte keinen Sinn doch nach einer Weile verstand er sie plötzlich. »Genau wie bei der ersten Begegnung mit Yashi und Manju. Vielleicht weiss ja jemand, warum ich wie von alleine alles verstehe ohne die Sprache je gelernt zu haben.« Er wandte sich wieder seiner Lektüre zu und begann zu lesen.

»Am Anfang, vor Anbeginn aller Zeit war der Raum, unendlich, grenzenlos und leer. Aus jener ewigen Nacht gingen die göttlichen Geschwister Kalanja, Ramuo und Darshan hervor, Leben, Liebe und Tod.

Sie regierten die Leere in Eintracht und Frieden, bis Kalanja und Darshan sich zerstritten. Es tobte ein Kampf, bis Darshan Kalanja mit einem Blitz entzwei hieb.

Doch Kalanja, das Leben, erholte sich, wie die Natur im Frühling und ward schöner denn je. Aus ihrer abgetrennten Hälfte schuf sie mit Hilfe Ramuos die Welt und nannte sie Kalanja'neiu. Diese war erfüllt von Kalanjas Geist und der unendlichen Liebe Ramuos. Aus ihrem vergossenen Blut schuf Kalanja die Drachen, die ersten Geschöpfe, und hauchte ihnen Leben ein.«

»Ach Du meine Güte, der Schreiberling hatte wohl zuviel Wein intus«, lachte Felix auf und las weiter.

»Doch Kalanja war unersättlich. Sie wollte weitere Kinder aus ihrem Blute und so gebar sie ihren ersten göttlichen Sohn, Ishan und er ward das Licht. Ishan wuchs heran und es wurde Tag. Er schuf die Sonne, die als sein Ebenbild über der Erde leuchten solle. Doch Kalanja mahnte ihren Sohn, dass auch der Tag mal ruhen muss, um sich zu stärken. So erschuf sie den Mond und die Sterne und es ward Nacht. Der schöne Ishan gewann Kalanjas Herz und so nahm sie ihren Sohn zum Gemahl und zeugte mit ihm die Götter Vadin, Amit, Illari, Aki und Kapora. Ein jeder von ihnen hatte besondere Eigenschaften und so wurde Vadin der Gott der Weisheit und Wissenschaft, Amit der Gott der Stärke, Aki der Gott der Träume, Musik und Kunst, Kapora die Göttin des Wetters und Illari die Göttin des Schicksals.

Die Drachen baten ihre Mutter um Nahrung, also schuf Kalanja die Tiere des Wassers, der Erde und der Luft. Lange Zeit lebten sie nun so auf Neiu'shar, dem Wohnort der Götter.

Eines Tages bat Vadin seine Mutter, weiteres Leben in die Welt zu setzen. Er und seine Geschwister langweilten sich. Sie wollten denkende Geschöpfe, für die sie sorgen konnten. Also zeugten Kalanja und Ishan die Neisa, welche ihre Boten und Diener sein würden. Ihnen folgten weitere magische Rassen wie die Elben, Grünlinge und die Ba'nei. Die Drachen nahmen einige der Ba'nei zu sich und lehrten sie ihre Geheimnisse. So wurden die ersten Drachenkrieger geboren.

Dies alles erzürnte Darshan, die Göttin des Todes. Kalanja, ihre Schwester hatte unsterbliche Wesen geschaffen und so sah sie sich um ihr Recht betrogen. Um einen Streit zu vermeiden, der die Welt in ihren Grundfesten hätte erzittern lassen, beugte sich Kalanja schweren Herzens dem Drängen ihrer Schwester und so kam es, dass die magischen Wesen einen Teil ihrer Unsterblichkeit verloren. Nun konnten sie zwar ewig leben aber durch Gewalt auch getötet werden. Dies reichte nicht aus, um Darshan versöhnlich zu stimmen und so berührte sie einige der Rassen und nahm ihnen damit ihre Unsterblichkeit. So kommt es, dass heute neben den Drachen, Elben, Grünlingen, Dawis und Karris auch sterbliche Wesen wie die Shinmari, Saroner, Suchhörnchen und die Ba'nei die weiten Ebenen von Kalanja´neiu bevölkern. Am schlimmsten traf es die Ba'nei, die ausser ihrer Unsterblichkeit auch den grössten Teil ihrer Macht verloren.

Jede Rasse wählte sich ihren eigenen Lebensraum, gründete Städte und Dörfer. Die Götter zogen sich in die Gefilde von Neiu'shar zurück, wohin kein Sterbliches Wesen je gelangen kann und überließen die Welt ihren Kindern. Ein neues Zeitalter begann und mit ihm eine neue Zeitrechnung.«

»Ach Du meine Güte, haben die einen komplizierten Stammbaum. Die Mutter mit den Sohn und aus sich selbst…« Felix kramte ein Stück Pergament und eine Feder hervor und versuchte, die verworrenen Verwandtschaftsgrade aufzuzeichnen. Vielleicht würde das Ganze so etwas verständlicher werden. Plötzlich spürte er, dass er nicht mehr alleine war.

Langsam wendete er den Kopf. Ein grosser gut aussehender Mann stand lässig an eines der Regale gelehnt da. Er strahlte eine Ruhe und Gelassenheit aus, so dass Felix nicht mal auf die Idee kam, sich über sein plötzliches Auftauchen zu wundern. Der Unbekannte setzte sich neben ihn und warf einen Blick auf Felix' Lektüre.

Er lachte auf. »Wahrlich diese Familie ist sehr kompliziert, dass kann ich Dir sagen… und damit meine ich nicht nur der Stammbaum.« Er ließ den Blick über den Stapel Bücher schweifen. »Willst Du die etwa alle lesen mein Junge?«

»Ja. Ich muss die Geschichte dieses Landes verstehen.«

Ernst blickte ihn der Unbekannte an. »Na gut. Ich werde Dir helfen.« Er stand auf und legte seine Hand auf Felix' Schulter. Er blickte ihn fragend an. »Was?« Der Fremde lächelte. »Sscht! Lies einfach.«

Felix spürte, wie jede Müdigkeit verflog. Seine Augen flogen nur so übers Papier. Immer schneller blätterte er die Seiten um und verschlang Buch um Buch den ganzen Stapel, den er sich vorher ausgesucht hatte. Der Mond stand schon hoch am Himmel als ein leises Räuspern ihn aus der Konzentration riss.

Ein junger Elb in grüner Kleidung stand im Raum und blickte den Unbekannten vorwurfsvoll an. Noch einmal räusperte er sich. »Ähm ja…«, der unbekannte Mann blickte leicht schuldbewusst und trat auf den Elben zu, strich ihm sanft übers Gesicht.

»Ich habe Dich nicht vergessen Co'ru . Aber ich wurde hier gebraucht. Warte noch kurz. Ich werde gleich bei Dir sein Thasin.«

»Thasin?!?«, kiekste Felix und starrte die beiden mit grossen Augen an. »Dann.. dann.. seid ihr…?«

Vadin gluckste und blinzelte ihm verschmitzt zu. »Ach.. ich dachte, ich hätte meinen Namen anfangs erwähnt. Nun leb wohl mein Junge. Denke daran, Du weißt, wohin du nun gehen musst.«

Felix nickte. Ihm war schwummerig und seine Knie zitterten ein wenig. Ja er hatte verstanden. Doch erst würde er nun das tun, was wohl viele an seiner Stelle getan hätten, die das erste Mal einem leibhaftigen Gott und dessen Geliebten gegenüberstanden… er fiel in Ohnmacht.

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