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Jeshua

Weihnachtschallenge 2014

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Schweigend musterte der Mann das Panorama, das sich vor ihm ausbreitete. Die Hügel noch braun und trocken vom heißen Sommer, aber hier und da kamen die ersten grünen Grasbüschel hervor. Es wurde auch höchste Zeit, sie waren immer höher gezogen um den Schafen und Ziegen das Grasen zu ermöglichen. Jetzt, zum Ende des Tischri, konnten die Tiere ihr Futter wieder dichter bei den Dörfern finden, wo es sicherer war vor Räubern – tierischen und menschlichen.

Und was noch wichtiger war, schoss es dem Mann durch den Kopf, sie konnten wieder in die Höhlen ziehen und mussten nicht mehr unter freiem Himmel nächtigen, denn die Nächte wurden allmählich kalt.

Prüfend schweifte der Blick jetzt hinüber zu den Schafen die er zu beaufsichtigen hatte. Friedlich graste dort der Wohlstand und in einigen Fällen wohl auch der einzige Besitz etlicher Familien des Dorfes.

Weiter unten bei einer kleinen Herde Ziegen konnte er den blonden Haarschopf von David erkennen. Anfang Nisan hatte der alte Moshe plötzlich entschieden, dass sein jüngster Sohn gefälligst die Ziegen zu hüten habe. Nichts dagegen einzuwenden, doch David war bereits 17 und er sollte wohl eher im Geschäft seines Vaters lernen, als Ziegen zu hüten. Elija selbst war Viehhirte seit seinem sechsten Lebensjahr und seit er Dreizehn war, wurde er dafür bezahlt. In diesen letzten zehn Jahren war er davon zwar nicht reich geworden, aber er liebt die Unabhängigkeit und Einsamkeit.

Während Elijas rückblickenden Betrachtungen war David langsam mit seinen Ziegen näher gekommen.

„Shalom Elija.“

„Shalom David.“

„Es wird allmählich eng da unten.“

David wies mit seinem Hirtenstab schräg hinunter auf das Dorf. Elija sah ihn irritiert an.

„Na, die Römer mit ihrer unsinnigen Volkszählung. Als ob die davon mehr Steuern bekommen würden. Das schlimmste aber ist, dass sie nur einen Registrator geschickt haben. Die Erfassung dauert schon tagelang, das ganze Dorf platzt aus den Nähten. Sämtliche Tavernen im Umkreis sind ausgebucht. Selbst die Plätze in den einfachen Häusern werden vermietet. Und mein Vater hat natürlich wieder mal alles in den Schatten gestellt.“

Während seiner kurzen Rede hatte David immer schneller gesprochen und seine helle Gesichtsfarbe hatte sich zu einem deutlichen rot verändert. In dem halben Jahr, das der Junge jetzt hier oben war, hatte sich das schlechte Verhältnis zu seinem Vater in keiner Weise gebessert.

„Was ist passiert?“

„Du kennst die Höhle unten an der Aarons-Quelle, da, wo mein Vater die Zugtiere untergestellt hat?“

Elija musste kurz nachdenken aber dann nickte er.

„Der alte Geizhals verlangt 2 Schekel pro Tag für eine Höhle ohne jede Einrichtung, mich wundert, dass er sich nicht auch noch das Wasser bezahlen lässt.“

„Das kann er nicht, das ist Gemeinschaftseigentum. Aber 2 Schekel? Das ist mehr als ein guter Arbeiter in einer ganzen Woche verdient.“

„Ja, aber in einer Taverne müsstest du jetzt das Doppelte bezahlen.“

David hatte sich endgültig in Rage geredet.

„Und jetzt kommt das Beste. Er hat die Höhle an ein junges Paar aus Nazareth vergeben. Er stammt von hier und sie ist schwanger und das Kind kann jeden Moment kommen!“

David war bei Erwähnung der Schwangerschaft ein wenig roter geworden als er ohnehin schon war und Elija musste unwillkürlich lächeln. Als David von seinem Vater hergeschickt worden war, hatte er nicht viel Ahnung von den Tieren und es war gerade Lammzeit gewesen ...


… Erst gestern hatte Moshe der Händler seinen jüngsten Sohn regelrecht hinaufgezerrt zum Lagerplatz der Schafhirten. Schwer schnaufend hatte sich der korpulente Mann auf seinen Wanderstab gestützt und Elija mit einem wahren Wortschwall überfallen.

„... und morgen kommen die Ziegen von der Südweide. Diese Enttäuschung von einem Sohn bleibt hier oben. Wenigstens hier kann er etwas Nützliches tun.“

Die kurze Rede schien den Sohn nicht sehr zu beeindrucken, denn er sagte kein Wort, sondern starrte verbissen hinüber zum Dorf. Elija wollte noch etwas sagen, aber der alte Mann machte schwunghaft kehrt und stampfte mit ungeahnter Energie den schmalen Pfad hinunter.

Elijas Blick ging hinüber zu dem jungen Mann, von dem er nicht einmal den Namen wusste, geschweige denn, was er ausgefressen hatte, dass sein Vater ihn hier unter den Hirten ablieferte wie Ungeziefer. Die hellblonden lockigen Haare waren selten, aber nicht ungewöhnlich in Judäa. Die helle Haut zeugte von einem Leben hauptsächlich innerhalb von Häusern und die Hände mit den schlanken Fingern schienen noch keine harte Arbeit kennengelernt zu haben.

„Wie heißt du denn?“

„David ben Moshe aus dem Hause Davids.“

Ein etwas überheblicher Blick und ein stolzer Gesichtsausdruck traf Elija mit der Antwort.

„Ach, was. Und was hast du ausgefressen?“

Schlagartig verwandelte sich der Gesichtsausdruck von Stolz zu Verzweiflung.

„Nichts. Ich hab nichts getan.“

„So, so. Na wenn das so ist, dann beginnen wir mal mit der Arbeit. Am besten du wechselst die Tunika, wäre doch Schade wenn die hier dreckig wird.“

David sah etwas ratlos an sich herab. Er trug lediglich eine weiße Leinentunika aus ersichtlich teurem Stoff mit einem senkrechten Streifen grüner Stickerei. Dazu einen breiten ledernen Gürtel. Über den Schultern einen schwarz-weissen Talit.

„Ich habe nichts zum Wechseln.“

Erst jetzt fiel Elija auf, dass der Junge ohne jegliches Gepäck gekommen war. Nicht einmal ein Tuch mit Lebensmitteln hatte er dabei.

Elija kramte in seinem Sack aus Schafleder und warf David eine braune Wolltunika zu.

„Hier, die dürfte etwas zu weit sein. Musst sie nur enger gürten.“

Erstaunt sah Elija, wie David ohne zu zögern den Gürtel löste und sich die Tunika über den Kopf zog. Nackt wie am ersten Tag stand er vor ihm und versuchte in die Wolltunika zu schlüpfen. Trug der Junge eigentlich kein Lendentuch? Peinlich berührt und doch wie magnetisch angezogen studierte Elija den Körper vor ihm.

Die schlanken Arme und Beine harmonierten zu dem schmalen Oberkörper und dem flachen Bauch. Und etwas tiefer – na ja, und siehe der HERR hatte wohl an ihm getan.

Elija spürte wie in ihm die Gedanken an die Oberfläche kamen, die er so erfolgreich verdrängt zu haben glaubte. Einer der Gründe, warum er immer noch hier oben am liebsten alleine war. Er spürte einen Kloß im Hals und räusperte sich.

„Nun gut, dann lass uns mal nach den Mutterschafen sehen.“

Elijas Meinung über David war erheblich gesunken, als diesem bei der Geburt eines Lammes Übel geworden war.

„Gewöhn dich dran oder du bist zum Pessach wieder im Haus deines Vaters.“

„Niemals!“

Wütend war David davongestürmt, um sich im Wasser einer Schöpfzisterne das Blut von Armen und Händen zu waschen. Danach stieg er den kleinen Pfad weiter hinauf und verschwand hinter einer Reihe von Büschen. Elija zuckte mit den Schultern und machte sich auf zum Lagerplatz. Bald würde die Sonne untergehen und er wollte noch das Essen für sie beide vorbereiten, da er nicht annahm, dass David etwas dazu beitragen könnte.

In dem kleinen Topf über dem Lagerfeuer brodelte schon der Gemüseeintopf, als David wieder erschien. Wortlos wechselte er seine Tunika und diesmal drehte er Elija dabei den Rücken zu. Im flackernden Licht des Lagerfeuers sah Elija, dass der Rücken des Jungen von roten Striemen überzogen war. Erstaunt erhob sich Elija und trat näher an David heran. Als er eine Hand hob um David zu berühren, zuckte dieser zurück.

„Nein!“

Elija stoppte seine Handbewegung und sah David fragend an.

„Nicht anfassen. Ich bin unrein.“

Elija nahm langsam seine Hand zurück und sah zu, wie David langsam seine leinene Tunika überstreifte und den Gürtel befestigte.

Schweigend setzten sich beide neben das Feuer und Elija füllte zwei Schalen mit dem Eintopf. Suchend sah sich David um, bis er den Wasserkrug entdeckte. Vorsichtig goss er dreimal Wasser über seine Hände zur rituellen Waschung. Elija nahm den Krug und tat es ihm gleich. Erst als David ihn erwartungsvoll ansah, merkte er dass etwas nicht stimmte.

„Was ist?“

„Keine Bracha?“

Erst jetzt wurde Elija bewusst, wie viele der kleinen täglichen Riten und Gebete er in seiner Einsamkeit vergessen oder ignoriert hatte. Schuldbewusst hob er die Hände.

„Gelobt seist du HERR, unser ...“


Am Abend des nächsten Tages hatte David dann auch wieder die Segnung ausgeführt und Elija sah ihn fragend an.

„Die Wunden und blauen Flecken auf deinem Rücken sind immer noch gut zu sehen. Ich habe eine Heilsalbe, die dir helfen könnte.“

David sah ihn an, schien kurz nachzudenken und nickte dann.

„Ich komme da nur nicht alleine dran.“

„Ich werde es machen. Leg die Tunika ab.“

David erhob sich und streifte die Tunika über den Kopf. Dann legte er sie auf einen großen Stein und setzte sich darauf. Elija erkannte, dass der Junge immer noch keinen Lendenschurz trug und schüttelte unwillig den Kopf. Er holte den Krug mit der Salbe aus seinem Lederbeutel und begann sie vorsichtig aufzutragen. Davids Rücken war verspannt und einige Stellen schienen zu schmerzen. Elija spürte, wie der Junge unter seinen Händen zitterte.

Auch Elija selbst spürte jetzt wieder dieses unheimliche Verlangen und seine Hände fuhren sanft über Davids gesamten Rücken.

„Elija, ich ...“

Langsam erhob sich David und drehte sich um. Sein Körper glänzte im Schein des Lagerfeuers und Elija sah nur zu deutlich, dass sich auch ein weiterer Körperteil von David erhoben hatte.

Der Blick des Jungen war ängstlich und bittend zugleich. Elija seufzte und schickte ein stilles kurzes Gebet zum HERRN. Dann löste er langsam seinen Gürtel und zog auch seine Tunika über den Kopf. Nackt wie der HERR sie erschaffen hatte, standen sie sich gegenüber, bereit zu einer Sünde, die sie das Leben kosten konnte.

Elija öffnete seine Arme und David kam zu ihm, umarmte ihn, legte seinen Kopf auf Elijas Schulter und weinte bittere Tränen der Freude und der Verzweiflung.


Das Frühjahr war ohnehin schon fast vorbei und auch der Sommer verging wie im Fluge. Kurz vor den hohen Festtagen kamen die Besitzer der Herden vorbei und holten sich Lämmer für das Essen oder für ein Opfer. Auch Moshe der Händler war ein- oder zweimal oben gewesen, um mit Elija zu sprechen und ein paar Lämmer zu holen. Seinen Sohn beachtete er nicht und sprach auch kein Wort zu ihm, obwohl er direkt neben ihm stand.

Bei Sonnenuntergang saßen David und Elija nebeneinander an einem Abhang und sahen hinunter nach Bethlehem.

„Du vermisst dein Zuhause?“

„Ein wenig. Meine Mutter, ja. Aber nicht ihn.“

Elija nickte. Er wusste, von wem David sprach.

Davids Blick richtete sich jetzt in die Ferne, weit weg als ob er dort seine Vergangenheit sehen konnte.

„Wir hatten nur ein Bisschen gespielt. Benjamin war der Sohn eines Schreibers meines Vaters, zwei Jahre älter als ich. Wir waren aus dem Bad gekommen und trugen unsere Lendenschurze noch offen als Tücher. Wir alberten herum und er stieß mich auf das Bett, ließ sich dann auf mich fallen. Wir spürten beide die plötzliche Hitze und unsere Berührungen wurden forschender als mein ... mein Vater durch den Eingang meines Zimmers trat. Dann regneten Feuer und Schwefel vom Himmel. Er schlug mit einem Stock auf uns beide ein. Benjamin bekam das meiste, ab weil er mich schützen wollte, doch der Zorn meines Vaters war schrecklich. Am nächsten Tag war die gesamte Familie des Schreibers verschwunden, man sagt sie seien nach Jerusalem gegangen, aber niemand hat sie gehen sehen. Und ich? Ich wurde eingesperrt und nach drei Tagen ohne Essen hier hoch geschleift. Den Rest kennst du ja.“

„Ja, den Rest kenne ich. Es tut mir leid. Um dich und auch um Benjamin.“

Wie immer in letzter Zeit sah sich Elija um, ob sich jemand näherte, dann beugte er sich herüber und küsste David auf die Schulter. Dann nahm er Davids Kopf, drehte ihn etwas und küsste ihn direkt auf den Mund. David zögerte erst, aber dann erwiderte er den Kuss mit ungeahnter Leidenschaft.


Elija sah sich immer noch mit dem hochroten Gesicht Davids und den finanziellen Machenschaften seines Vaters konfrontiert als er von seinen Erinnerungen zurückkehrte.

„Nun, wir müssen ohnehin eine der besseren Höhlen belegen, bevor die Hirten von den Hügeln auf der Südseite herüberkommen. Da können wir ja mal sehen, wie es den beiden so geht.“

„Aber ich weiß nicht, ob ich ihnen so ohne weiteres gegenüber treten kann. Wir haben uns ziemlich weit entfernt von den Geboten des HERRN in letzter Zeit und ich fühle mich dabei etwas unwohl, fremden Menschen gegenüber zu treten.“

David sah ihn erstaunt an. Er hatte nicht geahnt, dass Elija ein Problem mit ihrer Gemeinsamkeit hatte. Es hatte so ausgesehen, dass ihn sein Leben hier oben etwas entfremdet hatte von den ganzen Ritualen und Vorschriften der Gesetze. Aber jetzt schien er sich doch Gedanken zu machen.

David überlegte kurz und kam zu einer Entscheidung, die wohl auch Elija akzeptieren konnte.

„Wir gehen zum Bach. Der Tümpel unterhalb des kleinen Wasserfalls ist tief genug zum Tauchen.“

Elija sah ihn erstaunt an. Wieso war er nicht auf diese Idee gekommen. Hatte er sich schon so weit von allen Traditionen entfernt?

Eine ganze Zeit später standen die beiden vor dem kleinen Wasserfall des Baches, der aus den höheren Lagen der Hügelketten herunterströmte. Über einen kleinen Felsen „stürzte“ das Wasser etwa einen Meter tief und sammelte sich in einem kleinen Tümpel bevor es weiter den Hügel hinunterfloss in Richtung Bethlehem.

Elija legte seine gesamte Bekleidung ab und stieg hinunter in den Tümpel um dort ganz unterzutauchen. David sah ihm nach und hatte zwiespältige Gefühle. Die starke, muskulöse Gestalt erregte ihn, aber das Zusammensein, die kleinen Berührungen, das Reden und auch das Schweigen zusammen mit Elija erfüllten ihn mit einem Glücksgefühl.

Als Elija aus dem Wasser stieg, machte sich David bereit für das rituelle Bad. Nicht nur der Körper sondern auch der Geist wurde gereinigt. So konnte man den Menschen und auch dem HERRN wieder gegenübertreten.

Als David ins Wasser stieg, stand Elija zitternd am Ufer und trocknete sich rasch ab. Nachdenklich sah er David hinterher. Der Junge – nein, der Mann der er geworden war, hatte sich geändert. Nicht nur körperlich war er stärker geworden, auch geistig war er kämpferischer geworden. Elija lächelte, wahrscheinlich ein Erbe von Davids gleichnamigen entfernten Vorfahren. Doch dann erstarb das Lächeln. Er wusste, dass David ihn mochte, sehr sogar. Nur er selbst war sich seiner Gefühle für den jungen Mann noch nicht wirklich sicher.

Am Abend dann gingen sie hinunter zu der Höhle, die Moshe der Händler an das arme Paar vermietet hatte. Es war weniger eine Höhle als ein tiefer Unterstand, denn der nackte Fels des Hügels ragte als Decke hervor und irgendjemand hatte vor vielen Jahren eine schmale Wand aus Lehm errichtet um den Wind etwas abzuhalten. In diesem Unterstand hatte sich das junge Paar mit Stroh einen Lagerplatz gebaut, etwas abseits von dem alten wiederkäuenden Ochsen, der ganz hinten angebunden war. Weiter vorne am Eingang loderte ein kleines Feuer, um den sich zwei Gestalten gehockt hatten.

Als David und Elija sich näherten, erhob sich eine der Gestalten und Elija sah sich einem Mann gegenüber, den er für deutlich älter als sich selbst schätzte.

„Schalom. Ich bin Elija und dies ist David. Wir sind beide Hirten aus Bethlehem und wir wollten einmal sehen, wie es euch geht und ob wir euch helfen können.“

„Schalom. Ich bin Yosef und dies ist meine Frau Mirjam. Wir kommen aus Nazareth und sollen uns hier registrieren lassen, doch das dauert.“

Yosef seufzte, sah seine Frau an und blickte dann in die Runde.

„Nun, wirklich gemütlich ist es nicht, aber meine Frau bekommt ihr erstes Kind und es wird jetzt kälter in den Nächten. Ich weiß nicht, ob Holz sammeln erlaubt ist und zum Kaufen ist es zu teuer. Wir haben auch keine Sachen für ein Neugeborenes. Wir dachten, wir wären schon längst wieder in Nazareth wenn es so weit ist.“

Elija sah David an und der nickte.

„Holz sammeln ist kein Problem hier. Ringsum ist alles Gemeineigentum. Aber mit dem Rest ...“

„Ich werde mich drum kümmern. Ich habe schon eine Idee.“

Elija sah David erstaunt an, sagte aber nichts.

„Vielen Dank. Ihr habt uns sehr geholfen. Ich werde morgen sofort Holz sammeln. Mehr können wir ja doch nicht tun, als weiter zu warten.“

Sie verabschiedeten sich und Elija und David wandten sich wieder in Richtung ihres Lagers, als David plötzlich anhielt.

„Ich komme gleich nach, ich muss nur noch etwas erledigen.“

Bevor Elija antworten konnte, war er schon in Richtung des Dorfes verschwunden.


Zwei Tage später erwachte Elija durch ein lautes Geräusch, das ihn sofort noch seinem Hirtenstab greifen ließ. Noch im Halbschlaf starrte er etwas verwirrt in die Dunkelheit. Vor der Silhouette des Vollmondes erkannte er Davids Gestalt. Mit seinen blonden Haaren und der weißen Tunika strahlte er fast in der dunkleren Umgebung.

„Keine Angst, ich bin es. Es ist soweit. Das Kind ist geboren. Komm mit runter.“

Elija schüttelte sich unwillig, folgte aber David den schmalen Pfad hinunter.

Als sie die Höhle erreichten, sahen sie im vorderen Bereich bereits ein hohes Feuer lodern, das fast die ganze Höhle erleuchtete. Mit Erstaunen sah Elija außer dem Paar noch zwei Personen, die sich mit Yosef unterhielten, und hinten neben dem Ochsen war jetzt auch noch ein kleiner grauer Esel angebunden.

Leise Schreie drangen aus einem Weidenkörbchen, das mitten in der Höhle auf einem Steinblock stand, auf dem normalerweise das Futter für die Tiere aufgeschüttet wurde. Vorsichtig trat Elija näher und blickte hinein. Ein Neugeborenes lag darin, auf Stroh gebettet und in ein Wolltuch gewickelt. Als Elija es ansah, öffnete es die Augen. Nie zuvor hatte er diese strahlend blauen Augen gesehen. Doch, nein, schon einmal – suchend drehte er sich zu David um. Der stand neben ihm und lächelte das Kleine an.

„Ist er nicht niedlich?“

„Er?“

Die Antwort kam von jenseits des Weidenkörbchens. Leise war Mirjam hinzugetreten.

„Es ist ein Junge. Er soll Jeschua heißen.“

Elija runzelte die Stirn. Jeschua – der Heilsbringer. Ein ungewöhnlicher Name, aber warum nicht.

Elija sah hinüber zu Mirjam und bemerkte ihre dunklen braunen Augen, mit denen sie ihn aufmerksam musterte.

„Du also bist Elija. David hat schon viel von dir erzählt.“

Überrascht blickte Elija zu David, der davon nichts mitbekam, weil er völlig in der Betrachtung des kleinen Jeschua versunken war.

„Und wer ist das?“, flüsterte er David zu.

Der sah auf und folgte der Blickrichtung zu Yosef und den beiden Frauen, die immer noch in ein angeregtes Gespräch vertieft waren.

David zog ihn mit hinüber.

„Elija, das sind meine Mutter und meine Schwester Rachel.“

Elija war erstaunt und auch ein bisschen peinlich berührt. Sie mussten doch wissen, warum David hier oben war. Was dachten sie wohl gerade.

Davids Mutter war eine kleine rundliche Frau in einer langen Tunika und mit einem Tuch, das die Haare verhüllte. Die Schwester war ebenso groß wie David, schlank und ebenso blond.

Davids Mutter musterte Elija lange aus dunklen Augen, die nichts von ihren Gedanken ahnen ließen, doch Rachel plapperte munter darauf los.

„Es ist gut, dass du uns Bescheid gegeben hast, David. Schau nur, das niedliche Kind. Wir haben ein paar Gaben mitgebracht. Leinen für Windeln, Öl, etwas zu Essen. Aber wir müssen wieder zurück, bevor Vater merkt, dass wir hier waren.“

Schnell verabschiedeten die Frauen sich von den jungen Eltern, als Davids Mutter noch einmal zu Elija trat. Sie musste den Kopf heben um ihm in die Augen zu sehen, aber das schien sie nicht zu stören.

 

„Es ist mein einziger Sohn. Ich dachte, ich hätte ihn verloren, aber das ist nicht der Fall. Ich möchte ihn auch in Zukunft nicht verlieren. Ebenso möchte ich nicht, dass ihm ein Leid geschieht, oder dass ihm vielleicht etwas das Herz bricht. Möge der HERR euch beiden gnädig sein und euch beschützen.“

Entschlossenen Schrittes folgte sie ihrer Tochter mitsamt dem Esel hinaus, bevor Elija ihr etwas antworten konnte.

„Eine bemerkenswerte Frau. Sie hat uns Dinge gebracht, die mehr wert sind als Weihrauch oder Gold. Etwas, was wir wirklich brauchen. Ich danke euch beiden für diese Hilfe.“

Yosef war sichtlich angetan von seinen neuen Errungenschaften und ging hinüber sie zu verstauen.

Elija bemerkte, dass David immer noch am Weidenkörbchen stand und mit strahlendem Gesicht dem kleinen Jeschua zusah.

„Ein netter junger Mann.“

Mirjam war wieder neben Elija getreten. Dieser nickt ernst.

Jetzt trat sie vor ihn und sah ihm direkt in die Augen.

„Du weißt, dass er dich liebt? Nicht wie einen Freund oder einen Bruder. Wenn er dich ansieht, erkennt man das Strahlen in seinem Gesicht.“

Elija spürte, wie er rot anlief. Ja, er glaubte es zu wissen – nein, er wusste definitiv, dass David ihn liebte.

„Und du? Liebst du ihn auch?“

Das war die Frage, vor der er sich gefürchtet hatte. Liebte er David?

„Ich bin mir nicht sicher. Alles spricht dagegen. Die Gebote des HERRN ... Die Ablehnung des Volkes. Ich weiß es nicht.“

„Du hast seine Mutter gesehen. Sie liebt ihn ohne Einschränkungen. Kannst du das auch? Hier oben seid ihr frei und allein – nun fast. Und der HERR? Warum glaubst du, schickt er dir jemanden mit Namen David? Prüfe deine Gefühle, denn der HERR wird nichts dagegen haben, wenn es wahre Liebe ist.“

Ja. Elija musste lächeln. Sein Hebräisch war schlecht, aber er wusste was es heißt. David – Geliebter.

Leise trat Elija an das Weidenkörbchen heran und sah hinein. Die strahlend blauen Augen blickten ihn fast wissend an und erinnerten an ein zweites Paar solcher Augen.

Als er sich aufrichtete, sah ihn David erwartungsvoll an. Elija senkte etwas seinen Blick.

„David, ich liebe dich.“

Ein Strahlen ging über Davids Gesicht und wäre nicht jemand in der Nähe gewesen, hätte er Elija umarmt und geküsst.

David und Elija gingen eng nebeneinander zum Ausgang, als sich Elija noch einmal umdrehte und zurückblickte zu dem Weidenkörbchen.

„Ja, es stimmt. Jeschua – Heilsbringer.“

Dann verließen beide Hand in Hand die Höhle.

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