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Uglo der Steinzeitjunge

Teil 8 - In der Hand des Zauberers

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Informationen

 

Ha, wen hab‘ ich denn da? Ah Uglo, Sohn des Bogo. Hab‘ ich dich endlich, elender kleiner Schnüffler. Du bist genauso lästig wie dein Vater! Der andere ist wohl noch im Schilf? Egal, er ist nackt, ha ha…“

Kurz war Uglo aus seinem Dämmerzustand erwacht. Sein Kopf dröhnte. Die krächzende Stimme über ihm verstärkte seine Kopfschmerzen. Er fühlte, dass irgendetwas mit ihm geschah, jemand zerrte an ihm herum. Er merkte, dass er ins Schilf gezogen wurde, die scharfen Gräser schnitten ihm in den Rücken und in sein Hinterteil. Sein Fellschurz wurde abgerissen… Die hämmernden Schmerzen in seinem Kopf wurden unerträglich, gleich darauf verlor er wieder das Bewusstsein.

Irgendwann kam er langsam wieder zu sich. Er hatte keine Vorstellung davon, wie lange er hier schon gelegen hatte. Die abendliche Kühle des nahen Flusses ließ ihn frösteln. In seinem Kopf brauste und rumorte es, der Schmerz war immer noch übermächtig. Als er die Augen langsam öffnete, sah er – nichts. Man hatte ihm die Augen mit etwas Fusseligen verbunden. Sein Versuch sich zu bewegen, misslang auch. Er war gefesselt! Seine Hände waren auf dem Rücken gebunden, seine Knöchel waren ebenfalls fest verschnürt. In seinem Mund steckte ein Knebel, der sich wie ein alter schmutziger Lappen anfühlte. Er konnte ihn nicht ausspucken… Verzweifelt schüttelte er den Kopf, um die Augenbinde zu lösen, aber je mehr er sich mühte, umso stärker wurde das Gewitter in seinem Kopf. Wütend versuchte er, an den Fesseln zu reißen, keine Chance…. Der feucht kühle Abendwind strich vom Wasser her über seine Haut, den ganzen Körper. Er fröstelte. Auf einmal stutzte er, er fühlte sich – nackt… Man hatte ihn mit seinem eigenen Lendenschurz die Augen verbunden und einen Teil davon als Knebel benutzt. Er war absolut bewegungsunfähig gemacht worden, seine Augen waren verbunden. Unter seinem Körper spürte er das harte Schilfgras, die scharfen Halme zerkratzten ihm die Arme und den Rücken. Sobald er sich bewegte, schnitten sie ihm noch tiefer in die Haut… Er zwang sich zur Ruhe, um sich zu orientieren. Wie lange mochte er hier schon liegen, ob es schon dunkel war? Er konzentrierte sich und versuchte, die Geräusche um sich herum zu erfassen. Da war das Rauschen des Flusses, der Wind strich über seinen Körper und das Schilf raschelte neben ihm. Also lag er im Schilf, wahrscheinlich in der Nähe des Pfades, der am Wasser entlangführte. Er war allein. Er musste warten, aber worauf?

Er bemühte sich, klar zu überlegen. Was war passiert? Er war zuletzt mit Ango im Versteck gewesen und hatte ihm dann den Abdruck des magischen Speers und die geknickten Schilfhalme gezeigt. Ango hatten keinen Schurz und wollte erst im Schutz der Dunkelheit… ob er schon zur Siedlung unterwegs war? Er würde auf jeden Fall dann nach ihm suchen, er war sich sicher. Bestimmt würde auch sein Vater, der Sippenälteste, ihn suchen, denn er erwartete ihn. Und nur Ango wusste, wo Uglo zuletzt war, er würde Bogo zum Versteck führen müssen, Mist…

Aber würden sie ihn auch finden, hier mitten im Schilf? Kurz verließ ihn sein Mut, was hatte die Stimme vorhin gesagt? Schnüffler, genauso lästig wie dein Vater? Er grübelte, wem war sein Vater im Weg und er mit ihm? Gab es jemanden in der Sippe, der…?

Er kam nicht dazu, weiter nachzudenken, ein rhythmisches Patschen, als ob nackte Füße auf lehmigem Boden laufen würden, zog in raschem Tempo dicht neben seinem Platz vorbei. Krampfhaft versuchte er sich aufzusetzen und laut zu rufen. Aber mehr als ein dumpfes „mmpfff“ kam nicht aus seinem Mund, der Knebel saß fest. Das tapsende Geräusch wurde wieder leiser und verschwand schließlich. Mit Tränen der Wut in den Augen ließ er sich wieder auf den Rücken sinken. Sofort schnitten die harten Schilfblätter wieder in seine Haut. Vor Enttäuschung über seine Ohnmacht begann er zu weinen. Seltsamerweise kamen ihm in diesem Augenblick die Worte der Großmutter Kuchola von heute Morgen in den Sinn… Das zauberhafte Wesen, dass mit ihm allein im Versteck verweilen will… Was sie wohl gerade macht? Ob sie an ihn denkt? Ein wohliger Schauer durchfuhr seinen Körper. Gleich darauf schüttelte es ihn - wenn sie ihn hier so hilflos sehen würde… Die Kühle der Luft nahm spürbar zu, aber der Wind, der bisher vom Fluss herüber wehte, schlief ein. Daraus schloss Uglo, dass es wohl schon Abend sein musste. Bestimmt würde man ihn bald vermissen und dann nach ihm suchen.

Wieder Drang ein Geräusch an seine Ohren. Kommen sie schon? Er wollte sich aufsetzen und bemerkbar machen aber das lange Liegen und die straffen Fesseln hatten seinen Körper versteift. Immer wieder fiel er mit dem Rücken auf das Schilf zurück. Auf eine Seite drehen konnte er sich auch nicht, dabei hätte er sich die Schultern ausgerenkt. Wieder versuchte er, seinen Knebel auszuspucken, aber…

Die Schritte kamen näher, er lauschte, nur eine einzelne Person näherte sich. Er glaubte, den schleppenden Schritt des Zauberers zu erkennen. Jetzt kamen die Schritte ins Schilf. Die Schritte endeten direkt neben ihm. Uglo hielt die Luft an…

Unmittelbar neben ihm wieder diese spöttische Stimme, „Na du Held, wie fühlst du dich? Großmaul, genau wie dein Vater. Sippenältester, pah... Du wirst mir nicht mehr gefährlich, das Monster hat bestimmt großen Appetit auf dich.“

Uglo hatte bis hier noch keine Regung gezeigt, hatte an der Stimme aber natürlich den Schamanen erkannt. Der riss ihm brutal die Augenblende vom Kopf, warf das Fell achtlos zu Boden und grinste ihn höhnisch an. Uglo kniff die Augen zusammen und blinzelte. „Na, weißt du nun Bescheid? Aber das hilft dir gar nichts mehr…“ Eine Pause entstand, in der der Alte Uglos Körper musterte. „Ja, ein wenig schade ist es schon um dich, deine Muskeln sind ganz brauchbar und dein“, er lachte grunzend wie ein altes Schwein, „na dein Zauberstab ist auch nicht zu verachten, heiliger Federgeist. So jung und schon so viel Kraft in der Feder, schade drum. Die Weiber würden sich darum prügeln und eine ganz bestimmte von ihnen wird sehr traurig sein… Aber was soll’s, ein paar Hungerleider weniger, die nach Essen schreien… wir brauchen nur ein paar neue junge Weiber. Aber du nicht mehr, das Geschlecht wird sich auch ohne dein Zutun weiter vermehren… Na und, das Monster hat schließlich auch Appetit auf dich…“

Er kontrollierte noch einmal die Fesseln an Uglos Füßen, die Handfesseln und zog den Knoten hinter dem Kopf, der den Knebel in Uglos Mund hielt, fester. Rücksichtslos packte er den Gefesselten unter den Achseln und warf ihn sich mit überraschender Behändigkeit über eine Schulter. Uglo stöhnte auf. Die knochige Schulter des Alten riss ihm die Wunde an der Hüfte wieder auf und quetschte ihm nicht nur die Eingeweide zusammen… „Hab dich nicht so, sei froh, dass du nicht laufen musst.“ Übermütig klatschte er dem Wehrlosen mit der flachen Hand mehrfach auf den nackten Hintern. Ächzend schleppte er den Jungen den Pfad durch das Schilf in Richtung Siedlung. Mehrfach wechselte er dabei die Schulter, so dass der Junge immer wieder mit seinem Köpergewicht auf den harten Schulterknochen des Alten aufschlug. „Was habt ihr eigentlich gemacht dort im Schilf, du und der Ango? Oder habt ihr etwa miteinander und du stehst gar nicht auf Weiber, hä…? Oder wollte Ango etwas von dir lernen, ha, der Schwachkopf. Ach so, du kannst ja nicht reden. Ist auch besser, sonst hätte ich gleich das ganze Dorf hier.“ Er kicherte wie besessen von seinem Einfall.

Sie erreichten den Eingang zur Siedlung, genau die Stelle, an der die Männer die tiefe Fallgrube für das Untier ausgehoben hatten. Diese war inzwischen so tief geworden, dass selbst ein ausgewachsener Mann sich nicht ohne Hilfe daraus befreien konnte. „Gleich geschafft, gleich wirst du erlöst mein Junge“, er lachte krächzend.

Am Rand der Grube hielt er an und ließ den Körper des Jungen zu Boden gleiten. „Damit du es weißt, ich habe dem Federgeist zu dem Hirschkalb noch ein kleines blutiges Opfer hinzu gebracht. Ihr wartet gemeinsam in der Grube auf den großen schwarzen Vielfraß. Ich habe den großen Geist auch gebeten, dass er das Untier heute Nacht zu uns schickt, damit es dich in der Grube besucht.“ Sein Gesicht verzog sich zu einer Fratze, er lachte leise hämisch auf. „So und nun schlaf gut.“

Mit einem Fuß stieß er den am Boden liegenden, immer noch gefesselten Jungen in die tiefe Grube. Mit einem lauten Stöhnen knallte Uglo unten auf. Der zum Glück nur locker aufgeworfene Sand am Grund der Grube milderte seinen Sturz. Noch einmal schaute der Zauberer frohlockend über den Rand der Grube. Unter Schmerzen wälzte Uglo sich auf die Seite und blickte geradewegs einem aufgeschlitzten Rehkadaver in die Augen. Das Hirschkalb lag etwas weiter in einer Ecke. In der Grube stank es fürchterlich. An den blutigen Wunden der toten Tiere summten bereits große Fliegenschwärme…

Trotz seiner Schmerzen und seiner misslichen Lage verlor Uglo nicht die Hoffnung darauf, dass man ihn bald finden würde. Wenigstens konnte er nun wieder sehen, da der Schamane ihm in seinem Triumph den Lendenschurz schon im Schilf abgenommen hatte. Er mühte sich, so gut es mit den gefesselten Armen und Beinen ging, von dem stinkenden Tierkadaver weg zu rutschen. Es gelang ihm, sich in einer Ecke der Grube hochzuschieben und aufzusetzen. Wenigstens konnte er seinem Rücken so etwas Linderung verschaffen. Immer wieder versuchte er durch Ruckeln und Wackeln an den Fesseln auf seinem Rücken etwas mehr Bewegungsfreiheit zu bekommen. Vergeblich, die Knoten zogen sich weiter fester zu. Erschöpft lehnte er sich wieder an die Wand zurück.

Inzwischen war es vollkommen dunkel geworden, tausende Sterne strahlten am Nachthimmel. Angelehnt an die kalte Grubenwand hatte er freien Blick zum Himmel. Seine Augen verfolgten wieder einen langen Sternenschweif dort oben, der aber rasch hinter der Kante seines Gefängnisses verschwand. Ein Hoffnungsschimmer, durfte er sich etwas wünschen…? Fröstelnd durch die erzwungene Bewegungslosigkeit, die körperlichen Schmerzen und die Wut auf seine eigene Unachtsamkeit am Versteck begann er wieder zu weinen. Er hatte Durst und spürte den Hunger in seinen Körper kriechen, seit dem Morgen hatte er außer einer Schale voll Hirsebrei mit ein wenig rohem Fleisch nichts weiter zu sich genommen. Der Knebel in seinem Mund trocknete ihm den Hals noch zusätzlich aus.

Allmählich erfasste ihn eine gewisse Gleichgültigkeit, er saß hier unten fest und konnte sich nicht bemerkbar machen. Vielleicht würde ja wirklich bald das Monster in die Siedlung kommen und ihn in der Grube finden… Der Geruch des toten Rehs konnte das Raubtier mit Sicherheit wittern. Wer weiß, ob seine Leute ihn überhaupt schon suchten… Erschöpft schlummerte er schließlich an die Wand gelehnt ein…

Leise murmelnd drangen später Geräusche an sein Ohr, Uglo erwachte aus seinem Dämmerzustand. Es klang, als ob oberhalb von seinem Gefängnis Leute vorbeizogen. Mehrfach erkannte er, dass am Rand der Grube der Lichtschein von Fackeln flackerte. Wie gedämpft hörte er seinen Namen rufen. Sie suchen ihn! Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer, ja, sie suchen nach ihm. Wieder versuchte er sich aufzurichten und an der steilen Wand der Grube hochzuschieben. Aber die Männer hatten gute Arbeit geleistet. Die Falle war so angelegt, dass sie sich nach oben verjüngte, so dass es schien, als ob die Wand über ihn schräg nach innen ragte. Ein Tier sollte so keine Möglichkeit haben, die Grube zu verlassen. Deutlich hörte er die Stimme seines Vaters. „Unkido, schau doch mal in die Fallgrube, ob er vielleicht hineingefallen ist?“ Die Stimme des Zauberers antwortete. „Das kann nicht sein, dann hätte er doch gerufen, aber ja, Bogo, ich schau mal nach, ihr könnt schon weiter gehen und an den Felsen suchen…“ Uglos Versuch, den Knebel aus seinem Mund zu entfernen, misslang wieder. Nur ein dumpfes Gurgeln kam aus seinem Hals. Es hörte sich so an, als ob sich das Stimmengewirr der Gruppe wirklich in Richtung der Felsen entfernte. Enttäuscht ließ er sich wieder auf den Boden der Grube rutschen.

Kurz darauf erhellte der Schein einer Fackel den Grund der Fallgrube. Im flackernden Licht erkannte Uglo das hämische Grinsen des Schamanen. „Na, wie ist es? War das Monster schon da?“ Seine Stimme wurde ärgerlich, „scheinbar nicht, das Reh ist noch unberührt… Es sind immer noch zu viel Leute unterwegs. Da muss ich mir doch was anderes einfallen lassen, hm…“ Er fluchte fürchterlich und sein Kopf verschwand wieder vom Grubenrand. Uglo versuchte die Geräusche oben zu erkennen. Aber nur der Ruf des Käuzchens und das Rauschen des Wasserfalls drangen gedämpft in sein Gefängnis.

Wieder verging eine lange Zeit in der Uglo immer mutloser wurde, bis ein Geräusch an der Kante der Fallgrube ihn aufschrecken ließ. Ein Schnaufen, ein Hecheln und ein schnüffelndes Geräusch ließen ihn erschauern. Eine Gänsehaut überzog augenblicklich seinen ganzen Körper. Ein paar Erdbrocken purzelten von oben auf ihn herab. Unmittelbar über sich hörte er ein Kratzen und Scharren, als ob jemand den Boden aufkratzte… leicht zur Seite gebeugt gelang es ihm, einen Blick nach oben an den Rand der Grube zu werfen. Und richtig – über sich sah er eine große, klauenbewehrte Tatze, die dabei war, genau über ihm im Erdreich zu graben. Eine zweite Tatze kam hinzu, mit rascher Geschwindigkeit begann das Tier, den Rand der Grube abzutragen. Das Monster war also nicht so dumm, sich unbedacht einfach so in die Grube zu stürzen, um sein Opfer zu zerfleischen. Nein, es hatte einen Plan…

Uglo begann zu zittern, es war nur eine Frage der Zeit, bis die Wand nur noch so hoch ist, dass das Monster oder was für ein Tier auch sonst, in die Grube steigen konnte. Das Kratzen am Grubenrand stoppte, ängstlich schaute Uglo nach oben. Im selben Moment beugte sich oben ein riesiger zotteliger Kopf über die Kante der Grube und starrte hinunter. Der Junge erschrak. Ein solch großes Tier hatte er noch nie gesehen. Wenn der Kopf schon so groß war, wie gewaltig musste dann erst der Körper sein…? Einige Sekunden lang starrten sich die beiden Augenpaare an. Uglo hatte das Gefühl, als ob die funkelnden Augen ihn gierig musterten. Nur mit Mühe konnte er seinen Blick von diesen Augen lösen, instinktiv war er ein Stück zur Seite gerutscht. Diese Bewegung ließ auch das Vieh über ihm aus der Erstarrung erwachen. Ein lautes Grunzen, Röcheln oder Fauchen war zu hören und gleich darauf setzte das Kratzen an der Oberseite wieder ein. Jetzt allerdings in einem Tempo, dass Uglo erneut erschauern ließ. Das Monster über der Kante schien nun noch mehr Appetit auf die sichere Beute in der Grube zu verspüren.

Wieder versuchte Uglo an den Fesseln zu zerren, sich etwas Bewegungsfreiheit zu verschaffen, aber vergeblich. Was sollte das auch, selbst wenn er sich bewegen könnte, welche Chance hatte er gegen ein solch großes Tier hier unten in der Tiefe? Angst überkam ihn, einfach nur Angst, die ihn lähmte. War er sowieso schon gefesselt, verspürte er nun keine Kraft mehr, sich gegen das drohende Ende zu wehren… Schon langte der Arm des großen Tieres in die Grube und versuchte den Jungen zu fassen. Aber noch war der Rand der Falle zu hoch. Gerade mit letzter Kraft drückte sich Uglo mit den gefesselten Beinen aus der Ecke weg und schob sich in die gegenüberliegende Ecke, wo er etwas verschnaufte. Das Tier stutzte für einen Moment, als es sein Opfer aus den Augen verlor. Ein bedrohliches Knurren setzte ein. Wütend wechselte das Monster nun seine Arbeitsseite und begann erneut über Uglos Ecke mit dem Abtragen der Kante. Diesmal mit einem noch höheren Tempo als bisher… Scheinbar war es doch nicht so klug, wie Uglo es gedacht hatte. Er rutschte wieder zur Seite weg, um nicht die herabrieselnde Erde und die Steine abzubekommen.

Das Geräusch des Grabens verstummte. Sein Blick ging wieder nach oben. Er erstarrte. Über sich sah er, wie ein großer, mächtig behaarter Tatzenfuß des Tieres von oben herab versuchte auf dem Boden der Grube Halt zu finden. Diese Tatzen waren den Abdrücken auf dem Pfad sehr ähnlich. Der langgestreckte Fuß und die fünf Krallen dazu… Uglo war sich augenblicklich sicher, zu wem die Spuren oben im Wald gehörten…

Der Bär wollte zu ihm herabsteigen! Ja, es musste ein riesiger Bär sein. Sein Vater hatte von Chhrrr gesprochen, einem der größten und gefährlichsten Räuber, den er kannte. Und der Schamane wollte allen weismachen, ein Vielfraß hätte die Spuren hinterlassen. Unwillkürlich schüttelte Uglo den Kopf… niemals.

Suchend tastete der Fuß des Tieres in der Luft, aber es fehlte noch ein großes Stück bis der Fuß den Boden berühren konnte. Was, wenn der Bär sich einfach fallen lassen würde? Er würde auf Uglo fallen und der mochte gar nicht weiterdenken…

Plötzlich zog das Tier sein Bein wieder hoch, richtete sich noch einmal drohend über dem Rand der Fallgrube auf. Ein erschütterndes wütendes Brüllen ertönte. Dann hörte Uglo auch schon das laute Getöse der Männer, die von der Suche nach ihm zurückkehrten. Sie hatten das Monster entdeckt, als es dabei war, aus der Grube zu steigen. Mit lautem Schreien und wilden Gebrüll versuchten sie anscheinend, das Monster wieder in die Grube zu treiben, aber es war ihnen wohl entkommen. Enttäuscht, laut über das Monster und ihr Ungeschick palavernd, zerstreuten sich die meisten der Männer rasch und begaben sich zu ihren Behausungen. Keiner hatte den Mut, das Untier in der Dunkelheit zu verfolgen. Nur ein paar schienen sich noch in der Nähe zu beraten. Uglo erkannte die Stimme seines Vaters, die von Taglo und dem Zauberer. Die Stimme des Zauberers säuselte „Ango, berichte uns nochmal genau, wo du Uglo zuletzt gesehen hast, was ihr gemacht habt und, na alles, was du weißt.“ Ah, Ango war also mit den Männern auf der Suche gewesen. Dann wussten sie auch vom Versteck im Schilf. Taglo ließ seinen Sohn nicht zu Wort kommen, entschlossen fuhr er dazwischen, „nein Unkido, es reicht, was der Junge in den letzten beiden Tagen alles erlebt hat und außerdem…,“ er holte tief Luft „weißt du wahrscheinlich sehr genau, was im Wald und im Schilf geschehen ist. Wir werden Uglo finden und die Wahrheit erfahren…“

Kurze Stille, der Schamane schien sprachlos. Dann aber mit vor Wut kreischender Stimme schrie er los, „was wollt ihr damit sagen, wollt ihr dem Schamanen die Achtung verweigern und alleine die Sippe führen? Ich hab‘ es schon lange geahnt, Bogo, du und dein Sohn Uglo, ihr seid Unruhestifter. Schon damals, nach Idams Tod, hätte ich euch misstrauen sollen… Und nun auch noch du, Taglo! Der Geist der fliegenden Feder wird euch strafen!“ Er ließ die drei mit einem bösen Fluch einfach stehen und flüchtete zu seinem Zelt. „Das war sehr mutig Taglo, hoffentlich behältst du Recht und wir finden Uglo bald.“ „Aber wo sollen wir denn noch suchen?“, jammerte Ango weinerlich. Am liebsten hätte Uglo laut aufgeschrien, gerade der Zauberer, dieser heuchlerische Verräter tat so, als ob er nicht wüsste, was geschehen war…

Uglo zerrte wieder an den Fesseln, umsonst. Der Knebel nahm ihm fast die Luft…

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