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Chaotische Familienbande

Chapter 1 Part 3

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1.3

„Warten Sie auf die zwei Herren?“, piepste es hinter Christian, der mit einem beherzten Schreck auf der Stelle zusammenfuhr. Dessen Pumpe raste wie verrückt und seufzte – beim Blick auf die alte Frau – gleich erleichtert auf. Die Oma reichte ihm gerade mal bis zur Hüfte und war auch alles andere als auffällig. Wer hätte außerdem damit rechnen sollen, dass in seinem Rücken ein altes Mütterchen auftaucht, während er Gedankenversunken die Wohnungstüre anstarrte. Christian musterte die kleine Frau genauer.

Sie stand wacklig auf den Beinen und hatte sich auf einen alten Gehstock abgestützt. Ihre weißen Strähnen hatte sie in einem Dutt zusammengebunden und trug ein schlichtes und ausgewaschenes rotes Kleid. Sie stank nach Katzenpisse und sah auch sonst nicht sehr gepflegt aus, aber ihre Augen verrieten einen sehr wachen Geist.

Nachdem sie ihn dann noch ein zweites Mal fragte, ob er auf die zwei jungen hübschen Burschen aus der Wohnung warten würde, bereute Christian seinen Schritt einfach das Haus betreten zu haben, als ein Nachbar heraus kam und er somit eine offene Tür vor sich hatte. Die Versuchung war aber auch zu groß gewesen, als das er hätte widerstehen können. Vielleicht hatten sie ihn einfach nicht gehört.

Doch was hatte er eigentlich erwartet? Chris wusste doch, dass niemand da sein konnte. Nach viermaligen Klingeln wusste man so etwas einfach. Und trotzdem war er in einer vagen Hoffnung die Stufen empor gestiegen. Warum eigentlich? War doch eigentlich total sinnfrei?

„Entschuldigen Sie, wissen Sie ob die Beiden zu Hause sind. Ich bin ihr Bruder und war eigentlich mit ihnen verabredet?“, fragte Christian das alte Mütterchen ohne rot zu werden. Klar log er, aber was sollte er ihr sonst sagen. Sie sah so aus, als ob sie jeden Moment die Beamten informieren wollte.

Christian hasste solche Frauen, die ihre Nase stets und ständig in anderer Leute Angelegenheit stecken mussten. Wahrscheinlich stand sie den ganzen Tag vor dem Spion um ja nichts zu verpassen. „Zeigen Sie mir ihren Ausweis bitte“, krächzte sie und Chris konnte nur seine Augen verdrehen. Was zum Geier sollte das denn werden?

„Wie bitte? Können Sie das wiederholen? Sie wollen meinen Ausweis sehen. Wieso?“

„Es kann ja jeder man hier her kommen und behaupten der Bruder oder sonst wer zu sein“, antwortete sie ihm so normal, als ob sie sich gerade über das Wetter unterhielten. „Zum Schluss stellt sich heraus sie spionieren nur die leerstehenden Wohnungen aus, um genau zu wissen, wo das einsteigen am leichtesten ist.“

'Das war ja geradezu lächerlich', dachte Christian auch sogleich. Wenn er tatsächlich Hintergedanken gehabt hätte, die in jene Richtung gegangen wären, dann wäre er entweder gleich verschwunden, als sie ihn angesprochen hatte oder er hätte sich der alten Schachtel schneller entledigen können, als ihr wohl lieb gewesen wäre.

Ein Sturz von den Treppen überlebte sie bestimmt nicht mehr. Böse Gedanken, dass wusste auch Christian, doch was glaubte die Alte wer sie war. Eine neue Miss Marple. Weit gefehlt.

„Na gut!“, nuschelte er vor sich hin und zückte seinen Ausweis. Dabei achtete er aber penibel darauf, dass die neugierige Nachbarin nur seinen Namen lesen konnte. Nach einem ausgiebigen Blick umspielte ein sanftes Lächeln ihrer ausgetrockneten Mundwinkel und sie gab sich einen Schlag freundlicher.

„Das Pärchen ist noch nicht wieder zurück. Vor ein paar Wochen sind sie weggefahren und seither habe ich sie nicht gesehen“, beantwortete sie ihm die noch im Raum stehende Frage und Christian runzelte seine Stirn. Er wusste nicht genau, ob er auf diese Pärchen Sache eingehen sollte oder nicht. Chris wusste immerhin, dass sein Zwillingsbruder Bastian alles andere als schwul war.

Obwohl er sich da dann doch nicht sicher sein konnte. Aber selbst wenn er es war, dann hatte er wohl eher nichts mit Nicholas. Denn der hatte was mit Nash am Laufen. Trotzdem wäre es interessant zu wissen, wie die Oma auf den Gedanken kam sie als Paar zu sehen.

Gut auf der Klingel standen zwei verschiedene Namen. Doch das konnte generell doch allerhand bedeuten. Von Verwandte bis zur Wohngemeinschaft oder nicht? Wieso also ausgerechnet als Paar. Das konnte sich Chris nun bei aller Liebe nicht vorstellen. Sie waren Freunde, vielleicht sogar sehr enge Kumpel, doch mehr als eine WG verband die zwei garantiert nicht.

Zudem konnte er sich nicht vorstellen, dass die zwei sich schwul benahmen. Nicholas sah zwar echt zum Anbeißen aus und pflegte sich auch, konnte sogar als Model durchgehen. Aber deswegen war man doch nicht gleich homosexuell oder etwa doch?

Scheinbar sah sie ihm seine Gedanken wie Bedenken an, denn sie plauderte sofort weiter. „Junger Mann, ich habe Augen im Kopf. Ich weiß ganz genau, was es bedeutet, wenn zwei Männer zusammenwohnen. Zu meiner Zeit wäre das überhaupt nicht möglich gewesen, aber jeder wie er will.“

Chris nickte nur abwesend mit seinem Kopf und ließ das Thema stecken. Sollte sie denken was sie wollte. Die zwei würden ihre Nachbarin schon aufklären, wenn sie der Meinung wären, dass es sie was anging. Für ihn jedoch hatte sich erst einmal alles geklärt.

Marcel war hier nicht abgestiegen und Nick und sein Bruder waren dann wohl oder übel auf Tournee. Er ging daher langsam die Treppen hinab ohne noch ein Wort mit der alten Frau zu wechseln, geschweige sie noch weiter zu beachten, was sie lautstark schimpfen ließ über die skandalöse Jugend von heute.

Doch Chris war mit seinen Gedanken ganz woanders. Sollte er eine Nachricht hinterlassen oder lieber nicht? Er war in dem Moment wirklich zweigeteilt. Wollte er Kontakt zu seinen Geschwistern? Ja, wollte er. Wollte Christian ihrer Mutter deshalb in den Rücken fallen? Eigentlich nicht. Doch er wollte nicht mehr einsam sein. Ihm wuchs das alles einfach über den Kopf. Brenda brauchte fachmännische Hilfe, doch wie sollte er das alles nur anstellen.


Frisch geduscht verließ Marcel das Studio und machte sich auf den Weg zu einem Steak-House. Dort würde er sich ein ordentliches Steak gönnen und dann konnte die Nacht beginnen. Vielleicht sollte er nur aus Spaß mal wieder in einen Club gehen und schauen ob irgendwas ging.

Es konnte zwar grundsätzlich keiner mit Gabriele aufnehmen, doch auch in Amerika wusste Marcel sich zu vergnügen. Ein Mann hatte schließlich so seine Bedürfnisse, die man nicht vernachlässigen sollte.

Je näher er allerdings seinem Steak kam, desto mehr machte er sich Gedanken um Christian. Er sah irgendwie verloren aus. Er allein mit Brenda, das konnte doch nicht gut gehen. Chris sah seinem Vater zwar nicht so ähnlich wie Mickey, doch noch immer ähnlich genug um die Wunden einer gekränkten Frau im Dauerbetrieb zu halten.

So wie er dieses Miststück kannte, hatte sie ihm die Hölle auf Erden bereitet über die letzten Monate und Jahre. Doch wenn es so war, dann lag es teilweise an ihm selbst, wenn er sich das antat. Jeder andere war clever genug sich von ihr fernzuhalten, als dann alles eskalierte. Es reichten schon die wenigen Familientreffen aus, zu denen sie sich selbst einlud, aber keiner sie dort sehen wollte. Sie gehörte einfach nicht dazu. Sie passte nicht in diese Familie, hatte sie noch nie. Auch damals nicht, als sie noch eine Weltklasseschönheit war.

Brenda war schon immer viel zu arrogant und stolz. Ihre, Pardon, die gesamte Welt ging unter, wenn Farbe von ihrem Fingernagel abgegangen war oder im schlimmsten Fall der künstliche Fingernagel gleich ganz abfiel. Wenn eine ihrer Strähnen nicht dort saß wo sie hingehörte, war die Hölle los und ganz zu schweigen davon, was los war, wenn nicht jeder ein tolles Kompliment am Tag für sie übrig hatte.

Offen gestanden wusste Marcel nicht einmal mehr wieso sie eigentlich so gute Freunde gewesen waren. Sie hatten sich einmal sehr gut verstanden und all das war in kürzester Zeit zusammengebrochen. Teilweise war das schade, aber andererseits hatte er seither weniger Kopfschmerzen gehabt.

Auf der anderen Seite hatte er noch immer ab und an Schuldgefühle ihr kein guter Freund gewesen zu sein. Obwohl er ihr schon von Anfang an immer wieder gesagt hatte, dass Gabriele nicht der ist, für den sie ihn hält. So oft wie er ihr gesagt hatte, dass Gabriele mindestens bisexuell war, musste man schon sehr blind sein, wenn man die Trennung nicht vorhergesehen hatte. Was ja auch alle getan hatten, nur eben sie nicht.

Trotzdem änderte es nichts an dem Fakt, dass er sich noch immer vorwarf ein schlechter Freund gewesen zu sein. Generell hätte er all ihre Diskrepanzen verdrängen sollen. Sie war in den Alkoholismus abgestürzt und hätte vielleicht einen Kumpel gebraucht. Doch was hatte er getan. Seine eigene Wunde geleckt, denn immerhin war sie letztlich schuld daran, dass Gabriele auch mit ihm gebrochen hatte.

„Lieber lebe ich ein Leben weit weg von euch allen und allein, bevor ich mir noch eine Minute länger diesen Zirkus antue.“ Das waren seine letzten Worte gewesen bevor er dann tatsächlich spurlos verschwand. Niemand und er am allerwenigsten hatten damit gerechnet, insbesondere da sie vor diesem Spruch noch eine sehr leidenschaftliche Nacht miteinander verbracht hatten.

Am nächsten Tag hatte Marcel noch geglaubt, dass Gabriele nur wie sonst immer einfach nur schon zur Arbeit gegangen war, doch nach der schlaflosen Nacht wussten sie es dann besser. Da fing die schrecklichste Zeit an, nicht nur für ihn selbst. Sein Bruder hatte auch kurz darauf alles liegen lassen und hatte angefangen sich auf Reisen zu begeben. Er wollte seine zweite Hälfte finden und natürlich auch zurückbringen.

Bisher gab es noch immer keine Spur, obwohl sich Michael bereits häuslich niedergelassen hatte. Vielleicht hatte er den Jüngsten auch schon gefunden und ließ dem Rest der Familie nur keinen Hinweis zukommen. Wer wusste das schon so genau. Nur eins stand fest. Im selben Land lebten sie nicht.

Marcel konnte nur hoffen, dass sie sich auf der Feier endlich wiedertreffen würden. Immerhin war es kein x-beliebiges Fest.

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