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Angel of Darkness

Tyr Dieanell - The last royal Beast

Chapter 1

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

Tyr Dieanell ist ein wahrer Engel der Nacht, dessen Kräfte in der Finsternis in vollem Glanz erstrahlen. Sein Element ist die Dunkelheit, denn in allem was Schatten spendet, fühlt er sich wohl, oder besser gesagt, sollte er sich dort wohl fühlen…

Als der letzte Urvampir – ein echtes dämonisches Biest und ein begnadeter Killer – fungiert er wie ein Hüter seiner Art. Damit sind jedoch nicht nur die dämonischen oder nur halbdämonischen Vampire gemeint, sondern alle, sogar die extrem menschlichen Exemplare, die oft bis zu ihrem Tod gar nicht wissen, was sie wirklich waren.

Tyrs Aufgabe bestand seit seiner Zeitrechnung darin, alles was ihre Existenz angeht zu verschleiern, genaugenommen welche Übermacht in ihnen – den Vampiren – wirklich schlummerte. Es gelang ihm manchmal nicht und es kam zu Eskalationen, doch mittlerweile hatte er es so gut im Griff, dass die Menschen sogar mit den menschlicheren Vampiren ein gemeinsames Leben teilten und überhaupt nicht wussten, dass die eigentlichen Vampire einst Dämonen waren.

Selbstverständlich gab es immer wieder auch misstrauische Menschen, die durch Neugier oder akribische Nachforschung hinter dieses oder jenes Geheimnis kamen, doch dies galt es frühzeitig zu verhindern, bevor der eine oder andere schlummernde Dämonen-Killer im Menschen noch erwachen könnte und es erneut zu einer Schlacht auf Gedeih und Verderb käme im Kampf um die Vernichtung der „untoten Dämonen“.

Obwohl Tyr keine Angst hatte vor diesen seltenen Ausnahmen, konnten sie mit den richtigen Informationen noch immer gefährlich für sie werden, insbesondere da nicht mehr viele Familienoberhäupter existierten, die die verbrannten Aschenhäufchen wieder erwecken konnten  im Fall der Fälle.

Allerdings waren alle bisher gesponnenen Annahmen nichts weiter als Humbug und so amüsierte er sich nach wie vor prächtig über die primitiven Vorstellungen von Pflock, Silber, Knoblauch und allen anderen irrwitzigen Hilfsmitteln.

Am besten jedoch fand Tyr aber immer noch die gesammelten Witze rund um die Kirche, als ob ein einfaches Schmiedeschmuckstück oder Wasser, welches angeblich mit machtvollen Worten eines „Geistlichen“ besprochen wurde, ihnen Schaden zufügen könnte.

Es sei denn, es war eine waschechte Hexe, eine Dämonin, die der Lichtseite ihres Seins verschrieben war. Sie konnte wirklich Wasser mit machtvollen Worten besprechen, auch wenn es ihnen – den Dämonen der Finsternis – auch nicht in dem Ausmaß schadete, wie man es annehmen könnte. Immerhin waren sie, die Dämonen des Lichtes und die Dämonen der Finsternis, wie Yin und Yang und bildeten ein natürliches Gleichgewicht. Einzeln konnten sie sich keinen gegenseitigen Schaden zufügen. So wirkten die besprochenen Flüssigkeiten, in denen meist noch bestimmte Kräuter beigemengt waren, auf heilende Art und Weise und waren nicht nur für Hexen von wertvollem Nutzen, sondern auch für alle Anderen.

Es gab allerdings auch Zeiten, in denen sich mehrere Hexengenerationen vereinten und gemeinsame Sache gegen ihre dämonische Kehrseite machten und dann konnten sie tatsächlich zu einem Ärgernis werden.

Bei Tyr jedoch erregten die Handvoll Hexen, die es noch gab, keine Besorgnis, immerhin war er so alt, dass es sehr viel Hexenkraft benötigen würde um ihm schaden zu können. Zudem war er der Wächter der Nacht und sowieso unantastbar. Er war wie ein eigenes Naturgesetz, unberührbar, möglicherweise sogar unzerstörbar und wurde deswegen auch nicht umsonst gefürchtet. Gerade deswegen wanderten seine Gedanken viel öfter zu seinen Küken, als zu den Wesen mit der Existenzgrundlage des Lichtes.

Er hatte schließlich Sorge zu tragen, dass all seine verwandten Nachkommen…

Wie er alle Vampire gerne bezeichnete, obwohl sie weder seine eigenen Nachkommen waren, geschweige er menschliche Vampire zu seiner verwandten Art zählen mochte, doch sie waren eben allesamt ihm gegenüber verwandt und indirekt auch seine Nachkommen, so sah es ihre Art nun einmal. Zudem hatten eben auch die menschlichen „Vampies“ jene Eigenschaft, die alle Vampire nun einmal hatten, da sie auch ihre Alterung stoppen konnten, wenn sie fremdes Blut zu sich führten und zählten somit rein theoretisch sehr wohl in die Kategorie verwandte Art.  

…nicht zur Gefahr für ihres Gleichen wurden.

Bisher gab es pro Jahrhundert immer mindestens einen Kandidaten, der in sich den Herrscher über das Menschenvolk sah und sich neben der Suche nach Anhängern damit beschäftigte, die Nahrungsquellen systematisch zu versklaven, so wie Menschen es seit Generationen mit Vieh taten. Doch Menschen waren - für sie ebenso nicht mehr als Vieh - wenn eingeengt und in großen Gruppen, durchaus gefährlich und schlugen nicht selten mit enormem Fantasiereichtum zurück, so dass Tyr, als Hüter seiner Art, dafür verantwortlich war seine kleinen „Kinder“ an der Leine zu halten und sie nicht nur zu erziehen, sondern auch zu sanktionieren, wenn sie Unsinn anstellten. Immerhin war er das oberste Gesetz…

…doch nur weil er ein mächtiges Wesen war, gefürchtet und doch respektiert, war er nicht weniger einsam, als es die meisten seinesgleichen waren.

Es zog ihn daher jede Nacht unter Menschen, nicht nur wegen seinem „Beruf“ nach dem Rechten zu sehen, sondern auch weil er in den wenigen Stunden unter den Lebensgeistern der Sterblichen seine quälende Einsamkeit und die andauernde Dunkelheit um sich herum vergessen konnte. Doch nicht selten kam es vor, dass er nach seinem Spaziergang nur umso frustrierter heimkehrte, da es zu deutlich war, dass er eigentlich nicht in diese Welt gehörte und ihm die Zeit auf Erden und sein ewiges Leben allmählich überdrüssig wurden.

Er konnte nicht ahnen, dass die junge, dynamische und ungehalten naive Welt der Menschen vor seinen eigenen Füßen noch Spannung für ihn bereithalten würde…

01

Ein Knarren durchbrach die Stille, ein rasend pumpendes Herz war zu hören und in der Luft breitete sich der Geruch von Unwohlsein aus. Sofort öffneten sich seine Augen und seine Pupillen funkelten golden, als der schwache Kerzenschein auf seine Netzhaut traf.

„Guten Morgen Master Dieanell. Die Sonne ist vor einer Stunde am Horizont verschwunden.“

Verärgert schnalzte Tyr seine Zunge als er sich aufgerichtet hatte und die Hausdienerin durch die leuchtenden Augen eines Jägers ansah.

“Ich hasse es am frühen Abend dem Geruch eines Sterblichen ausgesetzt zu sein“, zischte er bedrohlich, „der so bestialisch stinkt, wie sie es stets tun. Die Geräusche durch Adern strömenden Blutes, der Gestank von Furcht oder der ekelerregende Duft von herbem Schweiß. Das weckt meine Gier und zwingt mich zur Jagd. Wie oft soll ich ihnen noch sagen, dass sie das Haus vor Sonnenuntergang verlassen haben sollen.“

Verunsichert begannen ihre Hände zu zittern, wodurch das Kerzenlicht nervös umher flackerte. Mit bebender Stimme setzte das junge Mädchen zu seiner Verteidigung an.

“Selbstverständlich sind mir ihre Anweisungen bekannt und ich vermeide tunlichst ihre Regeln zu missachten, aber Miss Dairean bat mich für die nächsten Wochen ganztägig im Haus zu verweilen. In Kürze dürfte bei Miss Dairean die …“

Tyr unterbrach das Mädchen und versuchte Ruhe auszustrahlen, um ihre Furcht zu lindern, damit ihr Geruch seine Urinstinkte nicht weiter anstachelte.

“Schon gut, ich werde ihnen nicht den Kopf abreißen, nur weil sie dem Wunsch meiner Cousine nachgekommen sind. Solange sie bei uns bleiben, halten sie sich während meines Erwachens von mir fern, sonst kann ich für nichts garantieren. Sie können sich nun zurückziehen und Miss Dairean ausrichten, dass ich ausgehe. Nebenbei sollten sie sich eine Dusche gönnen, an ihnen klebt der Geruch von frisch abgesondertem Sperma. Und sollten sie nicht ein Kind von meinem Vetter wünschen, empfehle ich ihnen sich die Pille danach zu besorgen, sie bekommen heute Nacht ihren Eisprung.“

Das brachte das junge Ding in Verlegenheit und nur aufgrund der Dunkelheit im Zimmer war ihr das rote Gesicht nicht anzusehen. Sie zog sich zurück und er vernahm nur noch schnelle Schritte, die sich von seiner Tür entfernten. Er seufzte und begann amüsiert zu lächeln, während er sich vom Bett entfernte, da er wusste, dass Normalsterbliche von ihrem Sperma nicht schwanger werden konnten, sofern sie nicht zuvor schon einmal vom Blut ihres Auserwählten kosten durften. Doch er liebte es, diese Göre aufzuziehen, da er sie nicht besonders gut leiden konnte und ihre Vernarrtheit in Vico kannte, die sich nichts sehnlicher wünschte, als endlich zu seiner Braut zu werden und das in jeder Hinsicht.


„Du bist so unsensibel.“, schrie ihn seine Cousine an, die ihn auf der Treppe abfing. Tyr wand sich zu Dairean und lies seinen Blick in ihre Gedanken gleiten. Sie versuchte erst gar nicht ihn daran zu hindern und so erfuhr er, dass sie noch bis vor kurzem die Tränen von Annelie trocknete, die sich an Dairean‘s Brust ausgeheult hatte. Dann drehte er sich von seiner Cousine ab und ging weiter. Sie hingegen eilte ihm nach und stellte sich dann provokativ vor ihn. Selbst Vico hatte großen Respekt vor ihrer Kühnheit. Kein Anderer würde es wagen, sich in Tyr's Weg zu stellen gar in Person.

„Wenn sie mit der Wahrheit nicht umgehen kann, sollte sie aufhören mich zu stören. Du weißt es selbst am besten, dass sie mit deinem Partner Sex hat und dann kommt sie auch noch zu dir um sich Schutz zu holen. So typisch sterblich! Außerdem kann ich nichts dafür, dass sie für mich einfach bestialisch stinkt.“, schnaufte er verächtlich und nahm seinen Weg zur Haustür wieder auf.

Sie ließ ihn gehen, sie wusste, dass er Recht hatte, nicht nur was den Geruch anging. Jeder hatte ein anderes Empfinden für Gerüche und ihren Geschmack traf es auch nicht. In der Thematik Vico hingegen fand sie, dass er übertrieb. Sie waren nicht wirklich zusammen, sie hatten sich nur zusammengetan um ihre Art fortzuführen, auch wenn das zu Tyr's Zeit anders gehandhabt worden war. Doch für Dairean war es nicht ihre Angelegenheit, wenn Vico nebenbei noch mit anderen Sex hatte und das hatte auch Tyr zu akzeptieren, da es auch nicht seine Angelegenheit war. Vico liebte sie schließlich nicht, geschweige sie ihn, auch wenn er seine Qualitäten besaß, doch zu mehr als Freundschaft wären sie nicht in der Lage, dafür passten sie einfach nicht zusammen. Allein deswegen nicht, weil sie sich gegenseitig beeinflussen könnten, wenn sie wirklich wollten und damit war es ausgeschlossen, dass sie füreinander gemacht waren. Seinen Seelengefährten konnte man nicht manipulieren, jedenfalls nicht gänzlich. Man konnte in aufgewühlten Situationen schon in den Geist fahren und beruhigend wirken, sogar dann den einen oder anderen Gedanken lesen, doch mentale Befehle waren wirkungslos, solange die andere Hälfte nicht genau das Gleiche vorgehabt hatte, in diesem Fall verstärkte sich die Handlung allerding. War es daher ein mentaler Befehl für einen Kuss, musste man aufpassen, dass man danach nicht gänzlich ohne Kleidung da stand.

Dairean und Vico hingegen mussten ihren Geist unter mühevoller Anstrengung während ihrer gemeinsamen Vereinigungen verschließen, um nicht unter den Einfluss des Anderen zu geraten, was automatisch passieren würde, und sie taten sich den ganzen Stress nur an, weil sie Angst hatten, wie Tyr, irgendwann allein zu sein und zusehen zu müssen, wie sie die Letzten ihres eigenen Familienstamms wären. So wollten sie nicht enden.

Die Tür fiel ins Schloss und der Hausherr war von dannen. Im Haus selbst kehrte nur für wenige Sekunden eine Totenstille ein, bevor Vicos samtweiche, aber maskuline Stimme die Ruhe durchbrach.

“Du weißt genau, warum er so empfindlich reagiert. Du solltest ihn nicht noch in die Enge drängen.“ Ein Mann mit schwarzen Locken, zusammengebunden durch eine schwarze Schleife, trat auf den Treppenabsatz. „Wenn es nach ihm ginge, wäre sie längst Geschichte und dein Verhalten fördert diese Meinung nicht besonders.“

Überrascht fuhr Dairean zurück, schnaufte kurz und zog sich zurück, bevor sie sich umdrehte und Vico Kontra bot:

“Bild dir ja nichts drauf ein, dass ich es vielleicht für dich tue. Seitdem sie nach deiner Aufmerksamkeit lechzt, steht ständig etwas zwischen uns und der Haussegen hängt beträchtlich schief.“ Erneut wand sie sich von ihm ab, um nur eine Minute danach fortzufahren:

„Im Übrigen dulde ich sie nur, weil sie zum einen eine gute Hebamme ist, des Weiteren ein hervorragendes Kindermädchen, zudem noch eine exzellente Haushälterin abgibt und nicht zu vergessen eine freiwillige und lebende Nahrungsquelle ist, die ich nun einmal in meinem Zustand unbedingt benötige. Glaubst du denn, es ist besonders angenehm ihr die Freundin vorzuspielen, die sie glaubt in mir immer noch zu haben, während ich ihren Geist wie ein offenes Buch lesen kann?“


Vollständig in seinen Gedanken, irrte er ziellos in der Stadt umher und registrierte auch nicht den Pfad, den seine Füße gegangen waren und ihn so automatisch zum Kino im Stadtkern geführt hatten. Erst die Flut aus einem Meer pochender Herzen, rauschendem, warmen Blut und dem Duft von Leben – den der Wind mit sich trug – ließ ihn kurz zusammenfahren.

Es dauerte nicht mal eine Sekunde, dass seine animalische Wandlung einsetzte, seine Zähne wuchsen zu seinem gefährlichen Raubtier-Gebiss, seine Augen fingen an bedrohlich hell zu leuchten und seine Pupillen wurden zu Katzenaugen.

Sein Sichtfeld begann aus den normalen Farbtönen, sein ganz individuelles Jagd-Bild zu liefern. So wurden aus festen Formen zunächst verschiedene wärmebildähnliche Strukturen und dann änderten auch diese sich zu einer Art des Röntgenblicks. Er sah somit nicht nur jedes einzelne Organ, jeden einzelnen Knochen, sondern ganz besonders gut das Blut, in all seinen Bestandteilen, durch alle Blutbahnen strömen. Dabei sah er auch die ganzen Botenstoffe, Abfallprodukte und Sauerstoffteilchen.

Zu der guten Sicht kam auch ein noch viel deutlicheres Gehör, welches seinen Betriebsmodus wie die Augenleistung um ein zigfaches anhob, als er es auch ohne seinen „Jäger-Modus“ hatte und so nahm er das pochende Herz millionenfach präziser wahr und konnte nun auch die Geräusche der Herzklappen überdeutlich hören, sowie auch jedes Wassergluckern im Bauch. Des Weiteren gaben ihm seine Ohren bereitwillig über jedes Wort und jeden Satz Auskunft und zwar nicht nur die, die ausgesprochen wurden, sondern auch über jene, die die Menschen in seinem Feld nebenbei dachten.

Hinzu konnte er jedes Gefühl erspüren und hatte auch aus der Entfernung noch einwandfreien Zugriff auf die Gedanken und Handlungen der Sterblichen, so ließ er gerade zwei verliebte, heterosexuelle Teenager auseinander fahren, die sich schon fast provokativ vor seinen Augen küssten.

Ganz zu Beginn seiner Existenz überforderten ihn diese Fähigkeiten jedes Mal und ließen ihn fast wahnsinnig werden. Heute allerdings waren sie nichts Besonderes mehr für ihn und er ignorierte oft die Umstände, die sein Jagd-Feld aktivierten, da er seine Instinkte zu neunundneunzig Prozent kontrollieren konnte.

Hundertprozentig würde es ihm wohl nie gelingen, solange er sich nicht mehr um seinen Hunger kümmerte und diesen immer wieder überhand nehmen ließ, denn nur in diesem Zustand reagierte er augenblicklich auf eine Menschenmasse, rauschendes Blut und pochende Herzen.

Doch allein der Gedanke jeden Tag auf Jagd zu gehen für einen Snack zwischendurch ließ ihn sich weiter quälen und warten, denn genau diese kleinen Drinks machten es ihm sehr deutlich, wie einsam er sich doch in Wahrheit fühlte. Immerhin war er in diesem kurzen Moment sehr eng mit ihrer Gefühlswelt verknüpft und durchlebte quasi ihr Leben im Schnelldurchlauf, dabei nicht nur die schlechten, sondern insbesondere die guten Zeiten. Diese mit all der Freude und den vielen, wenn auch oft oberflächlichen Freundschaften, aber insbesondere die kurzweiligen sowie heftigen Liebschaften taten ihm weh und blieben sehr lange an ihm haften, so dass ihn die Jagd immer mehr abschreckte. Er zwang sich somit längere Pausen einzuhalten, bevor er erneut ein neues „Opfer“ fand, unter dem er dann nachhaltig zu knabbern hatte.

Leider zählte er, bedingt durch seine Natur, zu den Vampiren oder besser Dämonen, die sich am lebenden Objekt nähren mussten. Ihm brachten die konservierten Blutbeutel nur geringfügig etwas, es war vergleichsweise wie eine nährstofflose Dosensuppe, die den Appetit besiegte, aber den Hunger nicht zu stillen vermochte.

Er fühlte sich manchmal extrem hilflos unter den Menschen, trotz oder gerade wegen seiner Übermacht. Es fiel ihm einfach absolut schwer sich auf Menschen einzulassen und so kurzweilig seiner Einsamkeit zu entfliehen, doch die Schmerzen die ihm oft währenddessen oder noch danach zugefügt wurden, waren um vieles schwerer zu ertragen als das elende Alleinsein.

Sterbliche, sie logen einfach immer und meistens zu viel. Es hinderte ihn zwar nicht daran unter ihnen zu weilen, doch mit ihnen zu leben wäre alles andere als gesund. Sie predigten Toleranz und lieferten auch jeden Tag eine hervorragende Show, doch er wusste es nun einmal besser, auch wenn er sich oft gewünscht hatte es nicht zu tun.

Er roch ihr Misstrauen und ihre Angst und insbesondere durchschaute er ihre Lügen. Vor vielen, vielen Jahrhunderten hatte er noch daran geglaubt, irgendwann einmal einen Menschen zu finden, der ihn überraschte, doch er kannte sie nun mittlerweile zur Genüge um zu wissen, dass sie von eingefahrenen Riten, gar Aberglaube, schwer abzubringen waren und für die Mühe, die man in sie investieren müsste, waren sie einfach viel zu kurzlebig, so dass sich der ganze Aufwand nicht lohnte. Und genau aus diesem Grund empfand er das Leben mitunter äußerst mühselig, da es sich für ihn nicht lohnte Freundschaften zu etablieren oder für jede Generation gut Wetter zu machen und so wich sein fröhliches Gemüt einer kühlen Aura und einem grummeligen Charakter.

Natürlich sahen das die jüngeren Exemplare ganz anders, doch diese zählten in den meisten Fällen nicht einmal ein halbes Jahrtausend und fanden den Wandel der Kulturen nach wie vor alles andere als unspannend, ganz zu schweigen von den kleinen Babys, die höchstens hundert Jahre waren oder im Extrem im gleichen Alter wie die Menschen in ihrem Umfeld. Für sie war alles im wahrsten Sinne des Wortes noch aufregend neu, einmalig und spektakulär. Sie genossen ihre gemeinsame Zeit mit den Menschen und konnten sich nicht vorstellen wie es anders sein sollte.

Tyr gönnte es ihnen, gerade weil er wusste, dass auch für sie in spätestens eintausend Jahren alles anders sein würde. Sie würden, wie jeder Dämon, noch frühzeitig genug erleben, was Einsamkeit wirklich war und das es ein schrecklicher Fluch war.

So schön ein ewiges Leben sein konnte und die Illusion zum Träumen einlud, doch die Schattenseiten waren nicht ohne, dabei war das mit der Aufnahme von zusätzlichem Blut das kleinste aller Übel.

Er zwang sich zurück in sein menschliches Aussehen mit seinem dunkelbraunen, leicht gewellten Haar, welches ihm bis über die Schultern ging und welches er oft lässig und locker, dreifach geflochten, zu einem Zopf band. Er mochte den Russenzopf und der passte sehr gut zu seinem aristokratischen Gesicht mit flacher Stirn, langen, schwarzen Wimpern, braunen Augen und einer geradlinigen, wie fein modellierten Nase, inklusive schmalen wie sinnlichen Lippen. Passend zu seinem 1,90  großen Körperbau Marke Strand-Mannequin, mit starken wie breiten Schultern, traumhaftem Sixpack, schmalen Hüften, wohlgeformtem wie knackigem Po, edel proportioniertem Geschlecht, festen  Oberschenkeln und strammen Waden.

Er kam gerade noch rechtzeitig wieder zu Sinnen, bevor er inmitten der aufgeheiterten Traube stand, die vom Kino nun auf ihrem Weg zu einigen Clubs stadteinwärts waren. Junge Mädchen in kurzen Röcken und noch kürzeren Tops und hormonbetrunkene Männer, die berauscht waren durch ihr Testosteron, aufgrund der fast nackten Tatsachen um sie herum.

Tyr schwang sich schnell aus der Dunstwolke, bestehend aus Lust pur, um nicht vollkommen in den begehrlichen Wünschen der Jugend gefangen zu sein, das hätte ihm gerade noch zu seinem nagenden Hunger gefehlt, eine unübersehbare und schmerzende Erektion. Obwohl das Sehen ihm die wenigsten Probleme bereitet hätte, immerhin war es keine Kraftanstrengung einen mentalen Befehl an den Großteil der umliegenden Menschen und Jungvampire zu senden, der ein „nicht sehen“ inne hielt. Es sah ihn auch keiner, zumindest nahm ihn keiner wahr, ausschließlich am Rande ihres Bewusstseins blitze ein Mikrobild von ihm auf, doch so schwach, dass es im Wahrnehmungsfilter sofort wieder gelöscht wurde.

Der Gruppe mit seinem Gehör- wie Geruchssinn noch folgend, bemerkte er erst einige Zeit darauf, dass sein Blick eigentlich bei einem Pärchen hängen geblieben war und konzentrierte sich nun allmählich voll und ganz auf die Zwei.

Eine junge Frau in komplett schwarzer Bekleidung, schwarzem Make-up, sowie schwarzem Haar und ein schon fast unscheinbarer Junge im Vergleich zu der vollbusigen Gothik-Braut vor sich. Dieser trug nämlich eine normale BRIGHT Vintage Cargohose in Weiß, einen körperbetonten V-Pulli in Creme-Pfirsich, obwohl man bei der Entfernung hätte denken können, dass er oberkörperfrei herumlief und TIMOAR Flip Flops.

Automatisch fiel Tyr's Kopf auf die Seite und er musterte mit unerwartetem Interesse die beiden Figuren, die da unweigerlich zu seinem Blickfang wurden, von dem er noch nicht einmal sagen konnte weswegen. Er erlebte, wie sie sich gerade voneinander verabschiedeten  und sich kurz darauf voneinander trennten.

Seine Füße wiederum folgten, ohne dass er es sofort realisieren konnte, auch noch gegen seinen Willen, dem Jungen, der seinen Ohren einen Frevel antat, indem er sie mit einem überlauten Bass via Kopfhörer-Stöpsel beschallte.

Doch die kristallklaren Augen wirkten einfach wie Magnete auf ihn und zogen ihn kompromisslos zu ihm hin. Sein Körper reagierte völlig unerwartet auf diesen Menschen und Tyr war trotz seines Alters, gnadenlos hilflos was soeben mit ihm geschah. So kannte er sich gar nicht und er hatte zuvor auch nie von solch einem wundersamen Verhalten gehört. Was geschah nur mit ihm? Hätte er ein intaktes Herz besessen, würde dieses auf jeden Fall einen Ticken schneller schlagen, denn der alte Dämon war zum ersten Mal seit Jahrhunderten  aufgeregt und wusste es nur nicht.

In seinem Körper baute sich eine Spannung auf, die sein Interesse zu wecken begann und ihn regelrecht dazu anstachelte dem Jungen zu folgen, nicht nur weil er ergründen wollte, aus welchen Grund ihn das blonde Kerlchen mit dem einen Augenbrauenpiercing regelrecht in den Bann zog.

Verfügte dieser eventuell über noch unergründete magische Fähigkeiten, die selbst der mächtigste Dämon nicht erfühlen konnte, oder zog ihn nur das süßliche Aroma dessen Blutes an und sprach somit nur die reinen Instinkte eines hungrigen Vampirs an. Oder, was noch viel unvorstellbarer wäre, sollte es tatsächlich ein Wesen geben, welches ihn nicht nur als Vampir ansprach…

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