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Meines Bruders Hüter

Prolog

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Obwohl die Sonne bereits hoch am Himmel stand und der Tag sich gen Mittag neigte, waren die dichten Vorhänge vor dem Fenster zugezogen.

Das penetrante Klingeln an der Tür riss Kane aus dem Schlaf. Mit kleinen Augen warf er einen Blick auf seinen Radiowecker. Die roten Leuchtziffern blinkten unentwegt. Ein Stromausfall hatte wohl den Speicher gelöscht.

Die Decke über dem Kopf suchte er blind nach seiner Uhr auf dem Nachttisch. Kane öffnete ein Auge.

Da war sie wieder: Die schrille Türklingel.

Es war kurz vor zwölf und Kane seit gerade knapp vier Stunden im Bett.

Inzwischen donnerte jemand mit der Faust gegen sein Türblatt.

Kane überlegte, es einfach zu überhören. Irgendwann würde derjenige vor der Tür schon aufgeben.

"Mach auf, Kane!", rief eine weibliche Stimme und zerstörte damit seine vagen Hoffnungen.

Mit einem genervten Stöhnen schob er nun doch die Beine aus dem Bett und schleppte sich wie ein nasser Sack zur Tür.

Er löste schlaftrunken die Kette vor der Tür und öffnete einen Spalt. "Was gibt es, Ellen?", fragte er seine Kollegin eher gelangweilt und kratzte sich die nackte Brust. "Ich hab erst in ein paar Stunden Dienst."

"Kann ich rein kommen?" Sie drängelte sich einfach an ihm vorbei.

Kane runzelte die Stirn und warf die Tür leicht ins Schloss. Noch immer mit kleinen Augen fiel er schwer auf seine Couch und unterdrückte das aufkommende Gähnen nicht.

"Der Chief schickt mich. Du musst nach New York fliegen. Ich habe hier schon ein Ticket für dich. In einer Stunde geht dein Flug."

Ellen hielt ihm das Ticket unter die Nase und er betrachtete es wie ein giftiges Insekt.

"Was soll ich in New York?", fragte er stattdessen. "Ist nicht unser Zuständigkeitsbereich."

Seine Kollegin seufzte und legte das Flugticket auf den Couchtisch. Sie sank neben ihn und musterte ihn. Die schwarzen Haare standen wild durcheinander von seinem Kopf ab. Die Wangen waren überzogen von kratzigen Stoppeln, die blauen Augen noch glasig vom Schlaf.

"Es geht um deinen Bruder", begann Ellen schließlich, als sie die Ungeduld in seinem Gesicht sehen konnte.

Kane war plötzlich hellwach. "Wieso? Was ist mit ihm?"

Ellen zögerte, doch dann legte sie einfach ihre Hand auf die seine.

"Er hatte einen Unfall. Du sollst ihn identifizieren."

Kane sah sie fragend an und schüttelte den Kopf. "Das muss ein Missverständnis sein." Er stand auf und suchte nach seinem Handy. Schnell hatte er die Nummer seines Bruders gewählt, war sie im Kurzwahlspeicher gleich auf der eins hinterlegt. Doch nur die Mailbox meldete sich.

Ellen beobachtete ihn und erhob sich schließlich. Noch bevor sie ihn berührt hatte, war er im Schlafzimmer verschwunden.

Sie folgte ihm langsam und beobachtete ihn dabei, wie er einfach ein paar Klamotten in den offenen Koffer auf dem Bett warf.

Viel wusste sie nicht über ihren Partner. Kane war gut darin, sein Privatleben für sich zu behalten. Aber die enge Bindung zu seinem jüngeren Bruder, die kannte sie sehr gut.

"Ich fahre dich", legte sie fest und sparte sich eine Mitleidsbekundung. Die hätte ihm sowieso nichts gebracht. "Unterwegs kannst du dich etwas zurecht machen", wies Ellen ihn sanft auf sein raubeiniges Aussehen hin.

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