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Nils & Comic

Weihnachtschallenge 2011 - Sieger Redaktionsvoting

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„Tja, Nils, eigentlich hätte ich gedacht ich müsste dich nie wieder sehen. Zumindest nicht zu solch einem Anlass.“

„Ich hab Sie auch lieb. Wie wäre es, wenn wir uns das sentimentale Gequatsche von vergangenen Zeiten ersparen und direkt zum Geschäftlichen kommen?“

Mein Gegenüber hatte nicht mit so einem harschen Kommentar gerechnet. Dr. McNider warf mir über seine Brillengläser hinweg einen irritierten Blick zu. Für eine Sekunde glaubte ich Bedauern darin lesen zu können. Dann war der Moment verstrichen und Dr. McNider klickte mit seinem Kugelschreiber. Ich warf mich auf die Couch und starrte gelangweilt an die Decke.

„Nicht mal neue Bezüge haben Sie hier nach all den Jahren.“

„Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich so hohen Besuch zu erwarten habe.“, er räusperte sich. „Nun gut, Nils. Welches Spiel willst du spielen? Soll ich meine studierten Fähigkeiten auf dich loslassen oder möchtest du, da wir doch sowas wie alte Bekannte sind, einfach erzählen?“

Erzählen. Ich jonglierte den Begriff in meinen Gedanken. Aus dem Mund meines Psychologen klang er so normal. Doch je länger das Wort in meinem Kopf durchschüttelte, umso mehr gewann es an Lächerlichkeit, die durch die tiefen meines Hirn hüpfte und mich hämisch auslachte. Erzählen. Was sollte ich erzählen? Ja, Doc, lustige Geschichte, eigentlich wollte ich duschen gehen, aber statt mich nass zu machen, hab ich Feuer gefangen.

„Ich nehm die studieren Fähigkeiten“, grinste ich ihn frech an. „Dann wenden Sie doch mal ihren Nietzsche-Voodoo an.“

Ich hab keinen Plan von Psychologie, auch wenn ich schon oft genug bei Dr. McNider gelegen habe. Oder Dr. Emerson. Oder Dr. Nelson. Und bestimmt wollen sie mir alle helfen. Versuchen in mein innerstes Vorzudringen um all die düsteren Dämonen zu befreien, auf dass meine gegeißelte Seele Frieden finden möge. Doch bei den Erfahrungen, die sie bisher mit mir gemacht haben, bei all der Zeit, die sie mich bisher begleitet haben, werden wahrscheinlich so wie ich mich von der Couch erhebe Wetten darüber abgeschlossen, wann ich denn endlich in die Innere eingewiesen werde.

Aber soll ich euch was sagen? Ich bin total normal. Na gut, normal ist nun unglücklich ausgedrückt, aber immerhin hab ich keinen an der Klatsche. Mein Kopf ist völlig gesund. Es ist sogar ein ziemlich hübscher Kopf, wenn ich das so sagen darf.

Eigentlich hab ich es in keinster Weise nötig mir diese Sitzungen antun zu müssen. Es gibt nichts, woran einer dieser Fachheinis im Rollkragenpulli herumdoktoren könnte. Warum ich das euch sage und nicht meinem Doc?

Er ist mein Psychologe, es ist sein Job es besser zu wissen als ich. Wenn ich ihm sage, dass bei mir alles in bester Ordnung ist, reite ich mich nur weiter rein. Dabei war alles in Ordnung. Na ja … bis ich eben in Flammen stand …


„Nils, hier!“ Das war Ansage genug für mich. Ich passte den Fußball zu meinem Kollegen, der frei stand. Und zack, rein das Ei.

„Hakuna Matata!“, rief ich meiner Mannschaft zu. Dafür erntete ich sowohl Augenrollen als auch lächelndes Kopfschütteln.

„Boah, Nils, langsam reichts mal wieder mit deinem Spruch. Ich kann ihn echt nicht mehr hören, so random wie du ihn verwendest. Wenn du dich freust: Hakuna Matata. Wenn du dich erschrickst: Hakuna Matata. Wenn du wütend bist: Hakuna Matata. Wenn du nich bald deine Klappe hältst, matata ich dir deine Hakunas, dass du keine Kinder mehr zeugen kannst!“

Ich hob beschwichtigend meine Hände: „Heeey, Hakuna Matata.“

„ICH BIN RUHIG!“, schrie es zu mir herüber, während alles um uns herum lachte.

Meine Mannschaft war wieder im Ballbesitz. Besser gesagt ich und es sah gut danach aus, dass ich den Ball dieses mal selbst versenken könnte. Aber plötzlich tauchte ein kleines Etwas auf und versperrte mir den Weg. Ich konnte kaum reagieren, da hab ich den Jungen, der sich vor mir aufgebaut hatte, auch schon über den Haufen gerannt. Es war ein netter Versuch, doch das Tor konnte der Kleine nich verhindern.

„Boah man, was kannst du eigentlich?“

„Ich hab doch versucht ihn…“, weiter kam der Kleine nich, jemand aus seiner eigenen Mannschaft schubste ihn zur Seite, worauf er ein weiteres mal zu Boden fiel.

„Steh einfach nicht im Weg rum, ok? Jungs, wir wussten von Anfang an, dass wir mit einem Mann weniger spielen würden, auch wenn die Mannschaften gleich groß sind. Also legt euch ins Zeug, wenn ihr das Spiel noch rumreißen wollt.“

Ich lief wieder zurück in meine Hälfte des Spielfeldes, blickte mich aber nach dem Jungen um. Merkwürdig, er war mir noch nie zuvor aufgefallen, dabei spielte ich hier mit meiner Klasse. Eigentlich müsste ich doch jeden seit mehreren Jahren kennen. Wer war also dieser Junge?

Ein Pfiff. „Los, ab unter die Duschen. Für heute is hier Feierabend.“, und johlend stürmten meine Klassenkameraden an unserem Sportlehrer vorbei Richtung Umkleiden. Ich hingegen schlenderte ganz gemütlich. Ich machte das immer so, denn es war besser für mich als Letzter unter die Dusche zu steigen. Ihr wollt unbedingt weitere Ausführungen? Nun ja, sagen wir so: Mein Körper reagiert ziemlich konkret auf die nackten, männlichen Körperbau. Die Vorstellung alle meine Freunde nackt unter der Dusche zu erleben, war natürlich mehr als nur traumhaft. Aber wenn sie meinen Ständer entdecken würden, könnte meine restliche Schullaufbahn womöglich zu einem Albtraum werden. Also zügelte ich mein Verlangen nach den nassen Jungenkörpern und ließ mir immer extra viel Zeit bevor ich mich unter die Dusche stellte.

„Nils, man kanns auch echt übertreiben. Dass du jedes mal nach dem Sport noch mal deine Beine dehnst.“ Ein halbnackter Lars, nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet, hüpfte an mir vorbei.

„Würde dir vielleicht auch ganz gut tun. Dann würden deine Schüsse genauso nen Bumms drauf haben, wie meine“, grinste ich ihn an.

„Ach, das mit dem Bumms krieg ich auch ganz gut ohne deine Tipps hin“, zwinkerte er mir zu und er bewegte sein Becken auf unverkennbare Weise vor und zurück. Die anderen Jungs johlten.

„Also dann, wir sehen uns morgen.“

„Jo, haut rein“ und nah und nach leerte sich der Umkleideraum. Mein Einsatz. Ich entledigte mich meiner verschwitzten Klamotten und tapste barfuß zu den Duschen. Ja, ich tapste. Ich darf das, ich bin schwul.

Ich drehte das Wasser auf, schloss meine Augen und genoss das erfrischende Nass. Doch das Prasseln wurde von einem weiteren Geräusch begleitet. Ich blickte auf. Neben mir stand der kleine Junge von vorhin, nackt wie die Evolution es wollte und seifte sich ein. Er hatte mir den Rücken zugewandt und schien sich an meiner Anwesenheit nicht zu stören. Sein Kopf war gesenkt und seine Haare klebten in dunklen Strähnen an seinem Kopf. Das Wasser rann seinen Nacken runter. über den Rücken. Bis hin zu seinem Hintern. Einem ziemlich süßen Hintern sogar. Oh man, Nils, bist du blind? Das ist der heißeste, nackte Jungenarsch, der sich jemals in so greifbarer Nähe von mir befand. Lächelnd kam ich auf falsche Gedanken. Und bereute es sofort, denn nicht nur mein Kopf fand den Hintern des Jungen heiß. Jemand zwischen meinen Beinen richtete sich auf, wie um mir altklug zuzustimmen. Verschämt wandte ich mich ab. Keinen Moment zu früh, denn der Junge hatte nun das Wasser abgedreht und tapste mit triefnassen Körper zur Umkleide. Verstohlen blickte ich ihm noch einmal kurz hinterher. Dann begann auch ich mich einzuseifen. Den Teil, was ich genau unter der Dusche mit meinen von Bodylotion glitschigen Händen getan habe, überspringen wir einfach mal. Jedenfalls stand ich wenig später als Letzter in der Umkleide und trocknete mich ab. Von dem Kleinen war nichts zu sehen. Merkwürdig, normalerweise war ich immer der Einzige, der so lange in der Umkleide braucht. Wieso kann ich diesen Jungen nicht einordnen? So ein süßer Typ muss mir doch aufgefallen sein. Diese dunklen Haare und die kleinen Augen. Und dieser Körper, schlank wie ein junger Gott. Mit ihm würde ich zu gerne … doch ich vollendete meinen Gedanken nicht. Etwas stimmte nicht. Wärme stieg in mir auf.

„Oh nein, bitte nicht. Ich dachte ich hätte das überstanden.“ Die Wärme hatte sich über meinen gesamten Körper ausgebreitet. Ein leichtes Zittern durchfuhr meinen Körper, das immer mehr zu einem Beben anwuchs, als würde sich aus meinen inneren Organen ein Vulkan erheben. Ich spürte die Hitze, wie bereits viele male zuvor. Doch das war Jahre her. Wieso geschah es wieder? Wieso konnte ich nich einfach normal sein? Ein Schwall Hitze überkam mich, trat aus meinen Poren heraus. Versuch ruhig zu bleiben, Nils. Atme ganz entspannt, vielleicht kannst du es noch unter Kontrolle halten. So hoffte ich. Dann brach Feuer aus meinen Augen heraus. Auf meiner Haut tanzten blaue und rote Flammen. Immerhin schrie ich nich aus Leibeskräften wie früher.

„AHHHHHHHHHHHHH!“ Ok, das kam nicht von mir.

„Junge! Was machst du denn?“ Kräftige Arme packten mich so plötzlich und fest, dass mir für einen Moment die Luft weg blieb. Dann spürte ich, wie ein Wasserstrahl auf höchster Stufe auf mich herunterstürzte.


„Also um das noch mal zusammen zu fassen: Dein Sportlehrer hat dich also bei deinem Suizidversuch gestört und verhindern können, dass du Verbrennungen davon trägst, indem er dich augenblicklich unter die Dusche gestellt und gelöscht hatte. Und bis auf ihn hat niemand sonst etwas davon mitbekommen, ja? Keiner deiner Mitschüler?“

„Es war kein Suizidversuch. Das war eine spontane Selbstentzündung. Ich dachte Sie wären ein so belesener Mensch. Davon müssen Sie doch schon mal gehört haben.“ Dr. McNider ignorierte meinen Einwurf.

„Du hast grad das Wort spontan benutzt. Meinst du damit, dass du eigentlich gar nicht beabsichtigt hattest den Suizidversuch zu …“

„HAKUNA MATATA, es war KEIN Suizidversuch!“

„Ach ja, diesen Spruch hab ich auch schon vermisst gehabt.“ Kopfschüttelnd legte er seine Brille zur Seite. Ich bin zwar kein Experte, aber was meint ihr, für einen Psychologen macht er nicht gerade einen kompetenten und zuversichtlichen Eindruck, oder?

„Na gut, ich gebs zu. Ich habe ein Problem.“

McNiders Miene erhellte sich. „Ja? Das ist gut, Nils, so machen wir Fortschritte. So kann ich dir helfen.“

„Ja, also ich denke wirklich, dass es nicht normal ist, dass ich in Gedanken immer wie zu einem Publikum spreche. Wenn Sie Bock drauf haben, könnten Sie das weg therapieren.“


Er hatte keinen Bock. Aber um meinen Psychologen soll es auch gar nich gehen. Viel wichtiger ist dieser Junge. Der Junge, der im wahrsten Sinne des Wortes das Feuer in mir entfacht. Ein Feuer, das ich für lange erloschen gehalten habe. Angefangen hatte alles damals in der, wie sollte es auch anders sein, Pubertät. Und während alle anderen Jungs nur bemerkt haben, wie viel Spaß es machen kann an seinem Schwanz rumzuspielen und was „kommen“ noch bedeuten kann, hatte ich mit ganz anderen Veränderungen zu kämpfen. Ihr alle kennt es, man sitzt in freudiger Erwartung am Tisch und bekommt eine riesige Geburtstagstorte hingestellt. Man wünscht sich was, schließt ganz schnell die Augen, holt tief Luft und … genau, und wenn man sie öffnet, steht das gesamte Wohnzimmer in Flammen. Statt die Kerzen auszupusten, brannte sich ein knisternder Feuerball seinen Weg durch meinen Hals um meinen Geburtstag zu ruinieren. Zum Glück hatte die Feuerwehr eine Erklärung. Gasleck. Tja, wenn euch diese Situation schon bekannt vorkommt, wartet erst die nächste ab. Ein halbes Jahr darauf gingen in unserer Nachbarschaft ein paar Sträucher in Flammen auf. Ein Baum fing Feuer. Und rund die Hälfte der Häuser, die zufällig auf meinem Schulweg liegen, wurden Opfer von Brandsätzen oder dergleichen, wobei ein größerer, verheerender Schaden ausgeblieben ist. Natürlich gabs hierfür auch wieder eine Erklärung, die genauso plausibel klang wie das Gasleck. Gibt es nicht immer ein Gasleck? Das Nessie-Monster, von dem mittlerweile Fotos existieren, wird natürlich immer nur als Ente gesehen und hey, Kornkreise, die werden auch nur von übereifrigen, künstlerischen Bauern angefertigt, was?

Nein, mit mir stimmte etwas nicht. Doch eigentlich dachte ich ich hätte das Überwunden. Mit den Jahren hatte ich gelernt diese Ausbrüche zu kontrollieren. Das, oder sie verschwanden einfach von allein. Mittlerweile war ich volljährig und ich hatte schon seit Ewigkeiten kein Feuer mehr entfacht. Nicht mal ein Streichholz angezündet. Nennt es paranoid, aber ich wollte lieber kein Risiko eingehen. Tja, aber wie sich nun gezeigt hat, hat es nichts gebracht. Mein Lehrer hat mich dabei erwischt, wie ich menschliche Fackel gespielt habe, hatte natürlich sofort die hohen Tiere in der Schule ebenso wie meinen Vater informiert und nun saß ich wieder beim Psychologen. An sich stören mich die Sitzungen nicht. Im Gegenteil, ich mach mir nen Spaß daraus meinen Seelenklempner in den Wahnsinn zu treiben. Den vermeintlichen Pyromanen kann er mir schließlich nicht austreiben. Er wird meine Psyche nicht in ihre Bestandteile zerlegen und neu zusammen bauen können. Manchmal hab ich zwar schon daran gedacht, was, wenn ich wirklich als gefährlich oder labil eingestuft werde? Was, wenn ich einfach weggesperrt werde? Damals war ich zu klein, irgendwie konnte mein Vater erreichen, dass die Wände meines Zimmers keinem Gummi weichen mussten. Aber nun? Ich war erwachsen. Also zumindest auf dem Papier. Wer weiß was ein weiterer Ausbruch auslösen würde. Und alles wegen dieses Jungen. Diese Wärme, die ich spürte, als er neben mir stand. Ich musste ihn wieder sehen. Aber hey, er ging in meine Klasse, sollte ja kein Problem sein, was?


Das gibt’s doch nicht. Seit ner Viertelstunde noch vor Unterrichtsbeginn saß ich nun im Raum und wartete darauf, dass alle der Reihe nach eintrudelten. Hallo Mirja hier, hallo Lasse da. Aber von dem süßen Jungen keine Spur. Meine Clique kam herein getrödelt, der Lehrer nahm seinen Platz ein. Zu guter Letzt huschte noch Comic durch die Tür und setzte sich an seinen Tisch in der letzten Reihe. Ich war frustriert. Hatte ich mir den Jungen nur eingebildet? War es vielleicht genau umgekehrt gewesen? Nicht der Junge hatte den Ausbruch ausgelöst, sondern er selbst war eine Fiebererscheinung der aufsteigenden Wärme gewesen? Enttäuscht starrte ich aus dem Fenster. Vielleicht sollte ich mir mehr Sorgen darüber machen, was das nun für mich bedeutete, dass meine feurige Eigenschaft solch extreme Ausmaße annahm, dass ich schon Halluzinationen davon bekam. Eine wunderschöne Halluzination. Ich lächelte vor mich hin. Völlig in Gedanken versunken, ging der Schultag an mir vorüber wie im Flug. Der Schlussgong riss mich regelrecht aus meinen Träumereien voller heißer Jungs, die mich vor meinem inneren Auge umgarnten, nur um sich dann doch, bevor ich ihre Körper an mich schmiegen konnte, in Rauch und Asche aufzulösen. Seid ihr auch so cool und lasst euren Rucksack nur über eine Schulter hängen? Ich verrate euch was, es macht schon Sinn, dass diese Erfindung einen Träger für jede Schulter besitzt. Denn wenn ihr in jemanden reinlauft, läuft euer Rucksack weniger Gefahr herunterzurutschen und auf den Boden zu knallen. Zweiter Tipp: Zieht den Reißverschluss zu.

„Matata!“ Man kann ihn einfach nicht jedes mal vollends aussprechen. Aber verärgert war ich trotzdem, meine gesamten Sachen waren auf dem Boden verteilt und inmitten meiner Bücher saß die Person, die ich umgerempelt hatte. Es war Comic, ein Junge aus meiner Klasse.


„Es tut mir leid“, murmelte er und versuchte meine Sachen zurück in meinen Rucksack zu stopfen.

„Hey, Comic! Mal wieder zu blöd zum laufen?“ An uns gingen ein paar Freunde von mir vorbei. Hab ich erwähnt, dass ich zur coolsten Clique der Schule gehöre? Kann nur so sein, immerhin zähle ich dazu.

„Warte, Kleiner, ich helf dir.“ Comic wurde eine Hand entgegen gestreckt, doch bevor er sie ergreifen und sich daran hochziehen konnte, schlug die Hand ihm den Rucksack aus der Hand und meine Sachen wurden ein weiteres mal verstreut. Dass die anderen mit ihren Füßen versuchten die Bücher möglichst weit weg zu kicken, half mir nicht unbedingt.

„Scheiße, Leute, das sind meine Sachen. Könnt ihr mal damit aufhören?“ Meine Freunde hielten inne. Mit einem „Sorry“ schlenderten die einen weiter. Der Rest aber widmete sich wieder Comic: „Ich glaube du solltest dich bei unserem Freund entschuldigen, dass du ihm im Weg rumgestanden bist.“ Eine Hand griff in Comics Nacken, worauf dieser sein Gesicht vor Schmerz verzerrte. „Also, hast du ihm was zu sagen, Freak?“

Ein leise Entschuldigung kam zwischen seinen Lippen hervor. Dann wurde er wieder fallen gelassen.

„Jo, Nils, heute Abend Party, was meinst du? Biste dabei?“

Ich nickte nur lässig. Das reichte als Antwort und die Anderen gingen nun ebenfalls Richtung Schulausgang. Ich blickte zu Boden und beobachtete wie Comic noch einmal versuchte meine Sachen zusammen zu sammeln. Er rappelte sich auf und mit hängendem Kopf überreichte er mir meinen Rucksack. Dann drehte er mir den Rücken zu und rannte hastig den Gang entlang. Ich brauchte einen Moment, um die ganze Situation noch mal in meinem Kopf abzuspielen. Ich war gerade in den kleinen Comic reingerannt. Meine Freunde haben ihren üblichen Spaß mit ihm abgezogen und … Der kleine Comic. Und dann ging mir ein Licht auf. Wobei das nun nicht wörtlich zu verstehen ist. Meine Haare brannten nicht lichterloh. Ich hatte einfach nur einen Gedanken der Erkenntnis und … is ja auch egal, jedenfalls rannte ich Comic hinterher.

„Hey, warte mal.“ Er musste mich missverstanden haben, denn sein Schritt beschleunigte sich. Ach, was hab ich erwartet. Ich wäre auch nicht stehen geblieben an seiner Stelle. Aber er war zwei Köpfe kleiner als ich und schon nach ein paar schnelleren Schritten lief ich neben ihm her und versuchte ihn zu bremsen.

„Was willst du?“, blaffte er mich an. Es war teilweise feindselig, doch in seiner Stimme hallte eine Spur von Traurigkeit mit.

„Woah, ganz ruhig. Ich wollte nur kurz…“, ich hielt inne und musterte ihn. Er blinzelte mir durch seine Brille entgegen. Seine Haare standen in zerzausten Strähnen leicht von seinem Kopf ab. Comic und ich mussten wohl schon eine halbe Ewigkeit zusammen in eine Klasse gehen, aber ich hatte ihn noch nie zuvor so intensiv betrachtet wie in diesem Moment.

„Könntest du vielleicht kurz deine Brille abnehmen?“

„Fass mich nicht an!“ Er wich zurück. „Außerdem haben du und deine Freunde bereits zwei Brillen von mir geschrottet.“ Vergesst das teilweise feindselig von zuvor. Der Junge hasste mich, so wie er mich anstarrte.

„Man, Comic, beruhige dich mal.“ Ich versuche ihm meine Hand auf die Schulter zu legen, doch er schlug sie weg.

„Ich heiße nicht Comic!“

Stille. Ich stand in einer Art Schockzustand da. Er hieß gar nicht Comic. Ja, das stimmte wohl. Natürlich wusste ich, dass er nicht so hieß. Also zumindest hab ich es mal gewusst. Den Namen hatten wir ihm gegeben, weil er so eine Art Nerd war. Irgendeine seiner Bunte-Bilder-Zeitschriften hatte er immer bei sich. Er wurde ziemlich schnell als Freak abgestempelt. Außerdem kritzelte er auf jede freie Stelle Papier Figuren. Fiese Monster, Cape-behängte Typen. Ein Lehrer hatte schon mal angesprochen, dass er die Arbeiten von Comic .. ähm, also meinem Kameraden hier, am liebsten kontrollierte, weil es immer was unterhaltsames zum betrachten gab. Danach wurde seinem Nerd- und Freak-Status auch noch der Titel Schwuchtel verliehen. Allerdings nicht für lang, weil ich unterschwellig versuchte das wieder aus der Welt zu schaffen. Ob Comic vielleicht trotzdem auf Jungs stand? Ich meine, hey, starke Männer in Unterhosen, die sie über ihren Strumpfhosen trugen, das klingt doch echt sehr danach. Eine schöne Vorstellung, denn auch wenn er seine Brille nicht abnahm, für mich stand fest, dass er der Junge von gestern war. Der Junge, der nackt neben mir unter der Dusche stand. Mit diesem traumhaften, engelsgleichen Körper. Eine sanfte Wärme stieg in meinem Körper auf. Nicht so wie gestern, nicht gierig und zerstörerisch. Viel mehr beruhigend. Wie wenn die Eltern einem die Brust mit Wick einschmieren, wenn man erkältet ist. Ein herrliches Gefühl. Ich versicherte mich, dass ich wirklich nirgendwo Funken sprühte, dann blickte ich Comic wieder in die Augen. Dem Jungen, dessen eigenen Namen ich gar nicht kannte.

„Kann ich nun gehen?“, fragte er zögerlich. „Wenn du mir Geld abzocken willst, das kannst du gleich vergessen. Seit ich mit euch in einer Klasse bin, hab ich mir angewöhnt lieber nichts von Wert bei mir zu haben.“ Der Hass war weg und wich einem betrübten Blick. Er ließ die Schultern hängen und wandte sich zum gehen.

„Wie heißt du?“


„Kann doch dir scheiß egal sein“, murmelte er und schlurfte davon. Ich folgte ihm. Wie weh es tun musste, diese Frage von jemandem gestellt zu bekommen, den man bereits Jahre kannte, fragte ich mich.

„Komm schon, Comic, lass mich doch nich einfach so stehen. Unterhalt dich doch ein wenig mit mir.“ Ich lächelte ihn aufmunternd an.

Er schnaubte: „Und warum sollte ich das tun?“

Ja, warum eigentlich? Weil ich in Flammen aufgehe, wenn ich dich sehe? Man, das könnte der Titel einer neuen Liebesschnulze werden, die im Radio rauf und runter gespielt wird. Na gut, lasst uns mal einfach logisch nachdenken. Viele Jungs kriegen nen Ständer, wenn sie jemanden sehen, der sie anmacht. Alles völlig normal, das heißt noch lange nicht, dass man die andere Person heiraten muss. Aber isses mir schon mal passiert, dass mein inneres Feuer ungezügelt mit solch einer Gewalt aus mir herausbrach, nur beim Anblick einer anderen Person? Ist es überhaupt schon mal jemandem passiert? Vielleicht höchstens beim ollen Mose, als der Dornenbusch ihn erblickte und sprach: Hier, Mose, nimm mich.

„Was lachst du denn nun so?“ Comic schaute mich skeptisch an.

„Ach nichts. Also nicht nichts. Aber …ach, ich würd dich einfach gern besser kennen lernen.“

Er sah mich an wie ein Auto. „Und der Gedanke bringt dich zum lachen? Wie schmeichelhaft.“, stellte er ironisch fest. Ich wandte sich ab. Für einen Moment standen wir einfach nur da, dann platzte es aus ihm heraus.

„Was bildest du dir eigentlich ein?“ Da war der Hass wieder. Er spuckte ihn mir direkt ins Gesicht. „Die letzten Jahre waren für mich die Hölle. Täglich haben deine Freunde und du mich schikaniert und das nur weil ich auf Comics stehe. Ihr habt sie mir weggenommen und vor meinen Augen zerrissen. Mich geschubst und beschimpft, wann immer sich für euch eine Gelegenheit geboten hatte. Ich habe euch nie was getan. Außerhalb der Klasse bin ich sogar ein echt cooler Mensch. Ich hab Freunde, die mich mögen, so wie ich bin. Die das toll finden, dass ich mich für eine Sache, wie unwichtig oder unnütz sie auch sein mag, so begeistern kann. Und nach all der Zeit erdreistest du dir tatsächlich mir einfach ins Gesicht zu sagen, dass du mich besser kennen lernen willst? Für wie bescheuert hältst du mich? Das is doch nur ein Trick. Außerdem, warum sollte ich dich bitte besser kennen lernen wollen? Gibt es dafür einen Grund?“

Er blickte mich erwartend an, doch seine kleine Rede hatte mich sprachlos gemacht. Die angenehme Wärme war verschwunden. Kein Gefühl mehr da. Wie tot fühlte ich mich. Vielleicht bin ich in diesem Moment tatsächlich gestorben. Habt ihr schon mal davon gehört, dass Leute sagen kurz bevor man stirbt, würde sich das alte Leben noch mal vor seinem inneren Auge abspielen? Sowas ging in dem Moment bei mir ab. Ich sah nicht nur den Vorfall von heute oder wie er gestern beim Fußballspiel nieder gemacht wurde, sondern all die Momente, in denen er von uns schlecht behandelt wurde. Hatte ich erwähnt, dass ich zur coolsten Clique der Schule gehörte? Was ich gerade sah, fand ich überhaupt nicht cool.


Schnitt, Klappe die nächste und ich sitze auf seinem Bett in seinem Zimmer. Oh ja, auf dem Bett dieses unglaublich süßen Jungen. Und wenn nun alles mega realistisch zugegangen wäre, dann hätten wir uns auf der Straße vertragen, wären sofort die besten Freunde geworden, ich wäre zu ihm nach Hause und hätte ihn gevögelt als gäbe es kein Morgen. Und da braucht ihr gar nicht zu lachen, so ist es nun mal im wahren Leben. Treffen sich zwei schwule Jungs das erste mal… zwei Tage später sind sie ein Pärchen. Und es ist für IMMER.

Aber so ist es leider nicht gelaufen. Wir sind schweigend nebeneinander her bis wir schließlich vor seiner Haustür standen. Und vielleicht weiß er selbst den Grund nicht so genau, aber er hat mich hereingebeten. Und nun sitze ich hier und blicke mich interessiert um. Und auch wenn hier überall Poster von gezeichneten Figuren von den Wänden prangen, Action-Figuren mich aus ihren gläsernen Vitrinen-Zellen mustern und der ganze Raum so viel Comics beherbergt, dass ich Gefahr laufe auf sie drauf zu treten – wobei er wirklich ein ordentliches Zimmer hat, das muss ich echt sagen – so fühlte ich mich doch wohl. Ich saß in seinem Zimmer und es fühlte sich gut an. Warm. Um genau zu sein, sogar sehr warm. Oh man, wenn ich sein Zimmer abfackle mit all seinen Schätzen, dann wird er mich eigenhändig zerlegen. Konzentriere dich. Auf irgendwas.

„Ähm, und der beschützt dich in der Nacht?“ Ich blickte zu dem riesigen, gezeichneten Batman an der Wand, der von der Hüfte aufwärts über Comics Bett aufragte. Ob er ihn selbst gezeichnet hatte? Er sah auf jeden Fall ziemlich professionell aus. Comic presste die Lippen aufeinander, sagte aber nichts weiter. Na toll, das mit dem Flirten muss ich wohl noch ein wenig üben. Aber hey, ich hab eben zum ersten Mal gecheckt mit was für stumpfsinnigen Gorillas ich befreundet bin. Oder war. Es dauert eben bis ich den Trampel in mir verbannt habe.

„So, Comics also. Scheinst ziemlich gern Comics zu lesen, hm?“ Hakuna Matata, Nils. Bei einer Show, wo das Publikum entscheiden müsste, wer der größere Freak von euch beiden ist, würdest du wohl nicht gut abschneiden. Verdammt, entspann dich doch einfach. Bisschen Smalltalk, komm schon. Mit Erleichterung stellte ich aber fest, dass Comic mir ein wenig entgegen kam. Er setzte sich neben mich aufs Bett. In Händen hielt er ein Heft.

„Also, Nils, das ist ein Comic. Siehst du? Das hier nennt man Seiten. Seeii-teen“, sprach er gedehnt. What the …. „Auf den Seiten sind Bilder und Wörter. Kennst du das, Nils? Wörter? Sowas kann man lesne. Und wenn man nun eine Seite nimmt, siehst du, so“, er nahm meine Hand und führte sie zu seinem Heft. Mir war so unglaublich warm. „… dann kann man die umblättern. Genau so, und wenn du nun schaust … JA, tatsächlich. Auf der anderen Seite sind wieder Bilder und Wörter.“

Er grinste mich frech an. Ich starrte nur unverständig zurück. Was sollte diese scheiße denn gerade?

„Weißt du, die Comics tun dir nichts. Nein, die wollen nur spielen. Du musst sie nur lieb behandeln, manchmal einfach ganz sanft über die Seiten streicheln und schon können sie deine besten Freunde sein.“ Er rückte näher an mich heran, aber mir reichte es.

„Kannst du mir erklären, was das gerade soll?“

„Na ja“, zuckte er mit den Schultern. „Die Leute mögen meistens das nicht, was sie nicht verstehen oder was ihnen Angst macht. Ausländer, Anders-Gläubige. Schwule.“ Kam es mir nur so vor, oder hatte er mir bei dem letzten Wort einen eindringlicheren Blick zugeworfen? Doch wenn, dann hatte sich sein Blick wieder normalisiert und er fuhr unbeirrt. fort: „Ihr mögt es anscheinend nicht, dass ich Comics lese, also wollte ich versuchen dir zu helfen deine Angst vor dieser bösartigen Monstrosität zu überwinden. Du hast die Fähigkeit große Furcht zu überwinden.“ Den letzten Satz sprach er feierlich. Keine Ahnung, was das sollte.

„Man, Com… Kumpel, ich habs ja kapiert. Was willst du? Ich kann die letzten Jahre nicht ungeschehen machen. Es tut mir leid.“

Comic blickte auf. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Danke“, flüsterte er. Sein Lächeln hielt an. Und je mehr er mich anlächelte, desto wärmer und schummriger wurde mir. So einen Gesichtsausdruck hatte ich noch nie bei ihm gesehen. Natürlich hatte ich ihm generell in der Vergangenheit nicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt, aber was da gerade in seinen Augen zu lesen war, das war pure, losgelöste Freude, wie ich sie noch nie zuvor bei einer Person gesehen hatte.

Er legte das Comic weg. Teen Titans prangte als Titel auf der ersten Seite. Eigentlich waren das sogar ziemlich coole Zeichnungen.

„Hä? Was is da los? Is das nich Robin von Batman? Wieso is der in diesem Comic zu sehen?“

Gut, Leute. Nehmen wir an ihr habt jemanden, der ein Experte für irgendwas Abstruses ist. Computer oder Modelleisenbahn. Oder Pornofilme. Wieder ein Tipp von mir, der nur lieb gemeint ist um euer Überleben zu sichern: Stellt ihm keine Frage zu seiner Welt. Ihr setzt damit Kräfte frei gegen die ihr nicht ankommt. Außer die andere Person lässt euch in Flammen ausbrechen. Dann ist das natürlich in Ordnung. Und so saßen wir nebeneinander und Comic erzählte mir von dem Mysterium, warum die Figur Robin nicht an Batman geschweißt ist wie ein siamesischer Zwilling. Es gibt da nämlich das DC Universum und da sind tausende von Figuren und die gehören alle zusammen und können alle in verschiedenen Serien, also Heftreihen auftreten. Und dann gibt’s da noch immer wieder große Events und sowas und seit neuestem haben sich die Macher was total geniales einfallen lassen um die Kasse klingeln zu lassen, weil die nämlich sämtliche Serien wieder von vorne begonnen haben bei Nummer 1. Bei NUMMER EINS, das müsse ich mir mal vorstellen und wie aufregend das ist das nun miterleben zu dürfen. Blablabla, irgendwas mit einer Flasche? Nein, Flash, so heißt das Ding. Biltz schnell und so. Parallel Universen, Batman tot, Batman lebendig. Mir rauschte der Kopf.

„Ok, aber wenn ich nun das Fazit aus deiner langen … langen langen Rede ziehe: Du stehst auf Superhelden Comics mit Batman und Spiderman und sowas, ja?“

Sein Blick verriet mir, dass ich gerade eine der größten Sünden in seiner Welt begangen habe. Er hätte mir doch alles zu DC erzählt und Spiderman ist aber Marvel und so und er is aber totaler Anhänger von den einen und deshalb kauft er keine Comics von den anderen. Blablabla, und wieder faselte er mir die Ohren fusselig. Ich schielte rüber zu dem Batman an der Wand. Hilf mir, versuchte ich ihm telepathisch verstehen zu geben. Ha, telepathisch! Ein Wort, dass ich heute von Comic gelernt hatte. Batman, Gotham City braucht dich! Oder zumindest der arme, kleine Nils.! Bitte. Aber Batman starrte nur düster zurück. Ja, das is deine Masche, was?

Es musste schon reichlich spät sein, draußen wurde es schon dunkel. Ich blickte auf die Uhr.

„Bitte was? Es is gerade mal halb fünf? Hakuna Matata, ich dachte der Sandmann wäre bereits vorbei.“

Comic wollte gerade ansetzen, da unterbrach ich ihn: „Bitte sag mir nicht, dass der Sandmann auch in deinen Comics rumgeistert. Noch eine stundenlange Predigt packe ich grad nich, tut mir leid, Süßer.“  Scheiße, was hast du da gerade gesagt? Vielleicht hat ers überhört. Ja, bitte, er ist doch noch in den Tiefen von Comicland, er hat das letzte Wort BITTE BITTE überhört.

„Ähm, also eigentlich gibt es tatsächlich eine Figur, die so heißt. Sandman, Dr. Wesley Dodds, starb während …“ Puh, noch mal Glück gehabt. Ein weiteres Seminar Comic-Wissen für Nerds nehm ich gern noch mal in Kauf, solang er nur das Süßer nicht registriert hat. „Aber eigentlich bist du tatsächlich noch gar nich so lange da. Und dunkel isses doch nur, weil wir so langsam Winter kriegen.“ Er schaute kurz betreten zu Boden. „Entschuldige, dass ich dich so gelangweilt habe. Ich dachte nur .. also, ja, ich hab sonst niemanden, dem ich davon erzählen kann und für diesen einen Moment war das ziemlich schön.“

Ach, wie süß kann ein Mensch sein. Die Wärme pulsierte in meinem, also in meinem Kopf und breitete sich über meinen ganzen Körper aus.

„Aber meintest du nicht du hast noch andere Freunde, die dich so nehmen, wie du bist? Denen wirst du doch wohl tagtäglich davon erzählen.“ Ich schaute ihn aufmunternd an.

„Na ja, das sind keine richtigen Freunde. Eher.. ach, vergiss es. Jedenfalls entschuldige, dass ich dich belästigt habe. Wenn du möchtest, kannst du auch wieder gehen. Du musst echt nicht so tun, als würdest du mich mögen. Und auf Mitleid kann ich sowieso verzichten.“ Er erhob sich vom Bett und versuchte beschäftigt auszusehen. Ich lächelte. Es stimmte schon, er kannte sich extremst gut aus, was seine Comics da betraf. Aber letzten Endes war das ja nichts schlimmes und an sich war er wirklich ein lieber Typ. Er hatte zumindest eine sympathische Ausstrahlung. Die Art, wie er mich auf der Straße angeschnauzt hatte. Trotz unserer Vorgeschichte so energisch und stark. Und wie seine Augen anfangen zu leuchten, wenn er von seinen Comics erzählt. Das tun sie nämlich, wie bei einem kleinen Kind zu Weihnachten, wenn die Glocke ertönt. Kling Kling. Sollte ich ihm mal zeigen, wie ich meine Augen zum Leuchten bringen konnte? Kopfschüttelnd verwarf ich den Gedanken jedoch wieder.

Ich erhob mich ebenfalls vom Bett und trat an ihn heran.


„Hör mal. Es gab gerade keinen Grund dich für irgendwas zu entschuldigen. Ich habe dir gerne zugehört und du darfst mir jederzeit gerne wieder davon erzählen. Vielleicht nur nicht gerade wenn ich schlafe. Oder wenn ich esse. In der Schule. Oder wenn ich am wichsen bin. Aufm Nachhauseweg. Oder am Telefon.“ Er lachte kurz auf. Ein so reines und schönes Lachen, so erfrischend, als wäre es total unverbraucht. Als hätte er eben erst gelernt wie man lacht um es jung und unschuldig durch den Raum tanzen zu lassen.

„Und außerdem, ich glaube ich mag dich wirklich. Wenn du möchtest, könnten wir …“ Ich hielt inne. Auf seinem Schreibtisch lag etwas. Eine Zeichnung. Sie zeigte einen großen, blonden Jungen, grün mit Schwingen auf dem Rücken. Und in seinen Armen lag ein zweiter Junge. Comic folgte meinem Blick. Erschrocken nahm er die Zeichnung an sich und presste sie mit der Vorderseite an seinen Bauch.

„Hey, was war das?“

Er wurde rot im Gesicht. „Das war gar nichts. Fliegendes Monster, der ein Mädchen entführt.“

„Comic, ich konnte genau sehen, dass das kein Mädchen war. Zeig doch noch mal her. Ich nahm ihn sanft am Arm und befreite das Stück Papier von ihm. Kein Zweifel, das war ein Junge. Oder genauer zwei Jungen, die durch die Lüfte flogen und sich dabei leidenschaftlich küssten.


„Jo, Nils, wo warste denn gestern Abend?“ Einer meiner alten Kameraden lümmelte sich auf den Platz neben mir. „War ne geile Party gestern. Ginas Eltern waren nicht da und wir haben mit vierzig Mann die Bude gerockt. Alter, ihr Bett hat echt was aushalten müssen, wenn du weißt was ich meine.“

Ehrlich gesagt wusste ich gerade nicht was er meinte. Standen die vierzig Personen im direkten Zusammenhang? Haben die da nich nur ne Party, sondern ne Orgie gefeiert? Ich schüttelte den Kopf um das Bild aus meinem Kopf zu verbannen.

„Ja, ne, ich war gestern daheim. Mir gings nich so gut.“ Ich erntete ein Nicken. Keine Ahnung, ob ich ein guter Lügner war oder mein Gegenüber einfach zu blöd. Aber gestern Abend habe ich tatsächlich einen der schönsten Momente meines Lebens gehabt. Wisst ihr noch was ich erzählt hatte über zwei schwule Jungs, die sich kennen lernen und gleich zusammen kommen? Tja, das war gestern dann doch noch eingetreten. Ich sah das Bild der zwei küssenden Superhelden, natürlich waren es Superhelden, und wusste bei Comic sofort Bescheid. Er gestand, dass er das Süßer nicht überhört hatte und tja, dann hat sein Bett echt was aushalten müssen, wenn ihr wisst, was ich meine.

Na gut, ok, ganz so wars dann auch wieder nicht. Es hat für einmal Sex gereicht. Oder zumindest fummeln. Geknutscht, hatten wir geknutscht? Nein, denn eigentlich ist am gestrigen Abend nichts weiter gelaufen außer dass wir gemeinsam eng umschlungen im Bett lagen. Sein süßer, dunkelhaariger Kopf lag auf meiner Brust und mein Arm umfasste ihn so sanft und zugleich fest, als wäre er der kostbarste Schatz der Welt, den man nicht beschädigen und schon gar nicht verlieren wollte. Und so lagen wir da. Ohne auch nur ein einziges mal über Comics zu reden. Oder Mobbing. Oder was für ein riesen Idiot ich bin, dass mir nie aufgefallen war, was für ein kleiner, wunderschöner Engel in meiner Klasse saß. Keine Flamme war an diesem Abend aus mir herausgebrochen, auch wenn ich eine starke Befürchtung hatte. Doch als nicht mal der kleinste Sonnenstrahl zum Fenster herein schien, war es stockdunkel im Raum.

Ganz leicht hatte ich den kleinen Schläfer auf mir dann angestupst, um ihn doch noch mal nach seinem richtigen Namen zu fragen. Leise hatte er ihn mir zugeflüstert, doch eigentlich würde er es ganz schön finden, wenn ich ihn weiter Comic nennen würde.

Mein kleiner Comic. Da stand er im Türrahmen. Ich lächelte als ich ihn sah. Er erwiderte es und steuerte auf meinen Tisch zu. Doch plötzlich fiel er vornüber.

„Na na na, Kleiner, wo solls denn hingehen? Sitzt du nich in der letzten Reihe? Das kommt davon, wenn man nich weiß, wo sein Platz is, da kann es einen ganz schnell auf die Schnauze hauen.“

Jemand hatte ihm auf dem Weg zu mir ein Bein gestellt. Völlig ratlos saß ich da. Ich wollte ihm eigentlich aufhelfen, das ist es doch, was in der Situation das Richtige gewesen wäre. Aber ich rührte mich keinen Fleck von der Stelle und sah nur zu, wie mein Kleiner sich aufrappelte und zu seinem Platz trottete. Wieso sah ich nur zu? Papierkugeln pfiffen ihm um die Ohren. Ich blickte nach vorne, ich war zu beschämt um ihm in die Augen zu sehen. Der Unterricht wollte nicht vorübergehen, endlos zogen sich die Stunden. Und die ganze Zeit konnte ich nur an den kleinen Engel in der letzten Reihe denken. Dann endlich die Schulglocke.

Ich wartete ab, bis die anderen alle bereits gegangen waren, dann ließ ich meinen Blick schweifen. Von Comic keine Spur. Ich lief die Gänge entlang und tatsächlich holte ich ihn ein.

„Hey, warte mal bitte.“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich machte mich beim Blick in seine Augen auf größtmögliche Enttäuschung oder Wut gefasst. Er würde mich bestimmt anschreien. Vielleicht würde er mich auch einfach nur anschweigen, das wäre noch schlimmer. Doch stattdessen lächelte er mich an.

„Hallo Nils, ich hoffe dir geht’s gut.“ Er blickte zu mir herauf. In diesem Moment wünschte ich mir ein Comic herbei, deren Sprechblasen mir genau beschrieben, was ich sagen sollte. Ich hatte einfach keinen klaren Gedanken in meinem Kopf. Wieso war er so freundlich?

„Ähm, hi. Sag mal, das wegen vorhin. Also ich wollte … Ich meine … Bist du gar nicht sauer?“

Comic runzelte kurz die Stirn. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, sollte ich?“

„Na ja, aber … ich hab dich doch eben hängen lassen. So wie bisher immer. Aber du sollst nicht glauben, dass ich den Abend mit dir nicht genossen hätte. Das habe ich nämlich. Der Abend mit dir war einer der Schönsten seit langem“ Lüge, es war der Allerschönste seit schon immer.

„Es ist schon ok, Nils. Ehrlich. Ich kann nicht erwarten, dass du wegen mir auf einmal deinen gesamten Freundeskreis aufgibst. Und ich verlange es auch gar nicht. Es ist bestimmt auch nicht einfach für dich gerade in der Situation zwischen zwei Fronten zu stehen oder zumindest sich so zu fühlen. Und deshalb entspann dich. Ich fand den Abend auch sehr schön mit dir und wenn wir außerhalb der Schule befreundet sein können, dann ist das mehr als ich die letzten Jahren zuvor hatte.“

Befreundet sein können also. Aber ich wollte nicht befreundet sein. Ich wollte ihn küssen und vögeln. Ihn an mein Handgelenk ketten, damit ich nie von ihm getrennt sein muss. Blumen, Pralinen, Kerzen und so nen Quatsch.

„Wow, ok. Damit hab ich nicht gerechnet. Aber, wenn du das so locker nimmst, dann schätze ich, ist es ja ok. Oder?“

Den Rest des Tages sprachen wir nicht mehr über dieses Thema. Eigentlich sprachen wir generell nicht viel. Wir kuschelten uns nur aneinander und hatten uns gern. Und das warme Gefühl, das ich dabei bekam, war bestimmt nicht nur auf mein inneres Feuer zurückzuführen.


Es war ein ziemlich heißer Sommertag und mein Vater war mit mir ins Grüne gefahren. Ich muss ziemlich klein gewesen sein, nehme ich zumindest an, denn ich konnte noch nicht richtig sprechen und stopselte ungeschickt durch die Gegend. Wer das Wort nicht kennt, soll sich einfach mal ganz, ganz kleine Kinder vorstellen, mit nem Schnuller im Mund. Und wenn die versuchen mit ihren ungelenken, unförmigen Babyspeck-Beinen durch die Gegend zu stopseln… ja, das heißt nun mal so. Gebt mir recht. Auf jeden Fall war das der Tag, an dem für meinen Vater feststand, dass er es nicht leicht mit mir haben würde. Ich glaube mein Outing muss ihm im Vergleich zu allen bisherigen, turbulenten Abenteuern wie eine Erholungspause vorgekommen sein. Ich kann mich natürlich kaum mehr an diesen Tag erinnern, aber mein Vater hat mir diese Geschichte bereits so oft erzählt. von der Decke auf der ich dann gelegen habe, dem Picknickkorb und wie ich mit meinen Füßen gespielt habe. Dass Erwachsene es immer so süß finden, wenn kleine Kinder an ihren Stampfern rumfingern. Aber in dem Alter wird man ja auch gelobt, wenn man einen Rülpser lässt. Jedenfalls lagen wir so da, ließen uns von der Sonne bescheinen und mein Vater wuschelte mit einem kleinen, flauschigen Ball, der im Inneren eine Klingel enthielt, vor meinem Gesicht herum. Muss das toll sein, wenn man auf so simple Weise Spaß haben kann. Heutzutage braucht man dafür Gleitcreme. Und dann gab es da diesen Grashüpfer, den ich erblickt hatte. Als Stadtkind hatte ich so ein kleines Wesen noch nie gesehen gehabt. Und als so kleines Geschöpf hatte ich generell noch nicht besonders viel gesehen. Aber dieser Grashüpfer landete auf einmal auf der Decke und war im Vergleich zu vorher im grünen Gras, sehr deutlich zu erkennen.

„Ja, was ist denn das, Nilsi? Da schaust du, hm? Na, was ist denn das? Na, was ist denn das?“

So oder so ähnlich wird mein Vater wohl mit mir gesprochen haben.

„Eine Grille ist das, Nilsi. Grill-lle. Kannst du Grille sagen?“ Vadder, ich steck mir manchmal meinen eigenen Fuß in den Mund, wie soll ich da solche Höchstleistungen vollbringen? Aber wahrscheinlich war ich schon immer ein sehr überdurchschnittlicher Typ, denn aus meinem Mund kam tatsächlich ein „Grill-Grill“.

„Nein, Nilsi. Grille. Grill-lle.“

„Grill. Grill-Grill.“

Mein Vater gab jedoch nicht auf. „Ja fast, ja ganz fast. Machst du fein. Aber jetzt versuchs noch mal. Grille, Nilsi. Sag das mal.“

„Grillglglglgl.“ und ich verlor das Interesse an meinem Vater und widmete mich wieder dem Tierchen. Mein Vater lächelte nur vor sich hin. Doch von einem Moment zum anderen erstarb es, dürfte es zumindest. Vermute ich stark. Ich schätze die wenigsten Väter stecken das so locker weg, wenn ihr kleiner Hosenmatz versucht nach einem Insekt zu greifen und aus seinen Händen plötzlich Flammen herausschießen. Und so wie die Idylle zerstört wurde, so hatte sich auch das komplette Leben meines Vaters verändert. Eben noch war alles friedlich, nun schrie ein zu Tode erschrockenes Kind die gesamte Stadt zusammen, ein höchst geschockter Vater fragte sich wie viel Geld er in den nächsten Jahren wohl in  Feuerlöscher investieren musste und die Welt war um eine gegrillte Grille reicher.

Ja, das wäre wohl die Antwort auf Dr. McNiders Frage nach meinem ersten Versuch Feuer zu legen. Die für ihn vorgesehene Version allerdings, zugegeben, ein wenig anders. Darüber wie ich um eine Ecke bog und plötzlich lag da ein Flammenwerfer, so wies nun mal im wahren Leben geschieht, war er nicht sehr erfreut.

„Dieses Verlangen Feuer zu legen, Dinge in Brand zu setzen, ist das permanent vorhanden oder schwankt es? Und wieso hast du die letzten Jahre Ruhe gegeben?“

Ich dachte an Comic und wie die Wärme in seiner Nähe immer aufstieg. „Na ja, manchmal überkommt es mich einfach, je nachdem was für Personen in meiner Nähe sind.“

Der Doc machte sich ein paar Notizen. „Mhm, das heißt du hegst gewissen Leuten gegenüber eine Abneigung und willst sie deswegen bestrafen und zündest Sachen von ihnen an?“

„Nicht Sachen von ihnen“, murmelte ich unheilvoll. Mein Doc blickte kurz auf, kniff dabei angestrengt die Augen zusammen, als würde er mich ausleuchten können mit eine Art Röntgenblick. Ja, Doc, wenn sie nur lang genug schauen, werden sie auf des Rätsels Lösung stoßen.

„Nils. Ich komme so nicht mit dir weiter. Willst du denn nicht auch dein Problem in den Griff kriegen? Wäre es nicht schön von diesem Verlangen befreit wie ein ganz normaler Mensch zu leben?“

„Ach, braucht nicht jeder ein Hobby?“

„Es bereitet dir also Spaß? Bist du gelangweilt? Brauchst du Aktion, ist es das? Dann sag mir, Nils, wann lässt du die nächste Party steigen?“

Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass dieser Mensch Psychologie studiert haben soll. Und wenn, dann war er derjenige, der in der hintersten Reihe gesessen und nebenbei an seinem Laptop Angry Birds gespielt hat. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass unsere Zeit um war.

„Also dann, Doc. Wir sehen uns nächste Woche.“ Ich hielt inne. Auf seinem Schreibtisch erblickte ich eine Schachtel Zigaretten. „Was ist das?“

„Wieso, was meinst du?“

„Doc, sie rauchen? Ist ihnen bewusst, welcher Gefahr sie uns beide gerade ausgesetzt haben? Jemandem wie mir einfach so etwas zu präsentieren, was dazu gedacht ist angezündet zu werden. Sie spielen mit dem Feuer, Doc. Sie können doch auch nicht vor den Augen eines Alkoholikers mit ihrem Weinkeller prahlen.“ Ich grinste in mich hinein, als seine Augen immer größer wurden und dachte mir ich setze noch eins drauf. „Doc, geht’s nur mir so oder ist es hier gerade ziemlich heiß geworden?“

Diesen Satz interpretierte er auf seine Weise und hechtete zur Tür hinaus, weil er ganz dringend das Bad aufsuchen müsse. Aber ich wüsste ja wo es hinausgeht. Und damit war er verschwunden. Doktor. Ich schüttelte den Kopf. Er musste ja noch andere Patienten haben, wirkliche Patienten, die ernsthafte Probleme hatten. Wenn er deren Rettung war, dann wollte ich denen nicht mal gern bei Tageslicht begegnen. Ich konnte für ihn nur hoffen, dass kein Serienkiller darunter war. Im Hinausgehen ließ ich die Schachtel Kippen mitgehen, es gab nämlich etwas, das ich ausprobieren wollte. Es war von Vorteil, dass meine Sitzungen immer abends abgehalten wurden. Um diese Uhrzeit war niemand mehr auf der Straße zu sehen. Ich legte die Schachtel auf einen Bordstein. Zigaretten…  Ich würde niemals verstehen, wie sich Menschen so etwas antun konnten. Es gab so viel andere schöne Süchte. Sex zum Beispiel. Ich erhob meine Hand und konzentrierte mich.

„Feuer frei“, murmelte ich. Nichts.

„Achtung, fertig, Feuer!“ Wäre Grill-Grill noch am Leben, er würde jetzt anfangen in die Stille der Nacht zu zirpen.

„Na komm schon. Glücksstrahlen los! Mit der Macht des Mondes werde ich dich bestrafen.“

Jaaaa, ich weiß, ich habe Sailor Moon geschaut, na und? Bestimmt war Sailor Moon nicht aus Batmans DC Universum. Ob Comic sie trotzdem angesehen hatte oder war das auch wieder so eine Todsünde? Ach, Comic, seufzte ich.

„Woah!“, entglitt es mir. In meiner Hand hatte sich eine kleine Feuerkugel gebildet. Erst nur so groß wie der Schein einer Kerze wuchs sie auf die Gestalt eines Apfels an. Ja, wer sagts denn. Ich schleuderte die Feuerkugel auf mein Ziel. Doch statt die Schachtel einfach nur in Flammen aufgehen zu lassen, zersprengte meine Kugel das Objekt und ließ nichts weiter als Asche zurück.


„Hakuna Matata, was für eine Feuerkraft. Vielleicht sollte ich mein persönliches Kraftwerk betreiben. Umwelt, dein Retter naht!“ Ich hatte es geschafft. Zum ersten mal hatte ich daran gedacht dieses Feuer, woher es auch kam, bewusst einzusetzen. Und es war ein voller Erfolg. Vollauf zufrieden trat ich den Heimweg an. Dabei sollte ich nicht bemerken, dass mir die Blicke einer Gestalt aus einem hell erleuchteten Therapieraum folgten.


Es war noch gar nicht so lange her, da habe ich Comic keines Blickes gewürdigt. Höchstens um ihn nieder zu machen. Doch das war vor gefühlten Ewigkeiten. Na ja, eigentlich erst vor knapp einer Woche, aber jede freie Minute verbrachten wir gemeinsam, sodass es uns vorkam, als würden wir uns bereits Jahre kennen. In der Schule verlief natürlich alles völlig seinen geregelten Gang. Doch danach verbrachten wir die meiste Zeit bei ihm daheim. Ich genoss die Zeit mit ihm. Um ehrlich zu sein hatte ich vorher noch nie einen Freund, dem man nicht vorheucheln musste, wie toll Titten doch waren. Mit Comic hingegen war es kein Problem über Jungs, süße Jungs oder noch süßere Jungs zu reden. Und so lernte ich ihn auch von einer ganz anderen Seite kennen. Comic war nicht der Looser, für den er in unserer Klasse gehalten wurde. Er hatte seine Outing-Phase ziemlich früh und ziemlich schnell hinter sich gebracht. Ich war beeindruckt wie stolz er darauf war, „einer von uns zu sein“, wie er es ausdrückte. Und während ich ihn bisher immer als den Kleinen von uns beiden ansah, musste ich mir teilweise eingestehen, dass er mir in manchen Dingen womöglich voraus war. Ein Glück, dass ich schnell lerne.

„Übrigens, die beiden Jungs in deiner Zeichnung“, sagte ich, als wir mal wieder nebeneinander im Bett lagen. Dieses mal allerdings Kopf an Kopf. Er lag auf dem Rücken, während seine Füße irgendwo an der Wand lehnten und ich ließ meine Beine über den Bettrand baumeln.

„Ich hab rausgefunden wer das ist. Die heißen Hulkling und Asguardian.“

„Eigentlich heißt der zweite Wiccan. Sie haben ihn umbenannt, weil Leute anfingen ihn „Ass-Guardian“ zu nennen. Das bedeutet…“

„Ich weiß, was das bedeutet“, unterbrach ich ihn leicht böse. „I do speak English, you know?“

„Du verstehst eine Bezeichnung in der das Wort „Arsch“ vorkommt, das heißt noch nicht, dass du Englisch sprichst. Whatever. Jedenfalls bin ich aber richtig stolz auf dich. Du kannst google benutzen.“

Ich rollte mit den Augen. „Was ich aber eigentlich sagen wollte: Diese beiden, die sind gar nicht DC.“

„Hm?“ Comic versuchte völlig ungerührt zu klingen.

„Ja ja, du hast mich schon verstanden, mein Kleiner. Die sind nicht DC.“ Ich drehte mich auf den Bauch und sah ihm in die Augen.

„Marveeel. Die haben mit X-Man und so zu tun. Sündeee.“

„X-Men, du Depp. Das sind mehrere. Cyclops und Wolverine und…“

Ich unterbrach ihn: „Nicht ablenken. Du liest den Feind. Wie kann das sein? Ich dachte du hättest dir die Initialen DC in dein Herz gelasert.“

„Ach, wie süß, du Vogel. Kaum geschlüpft und schon meinen mit den großen Vögeln balzen zu wollen.“ Comic lachte. Ach, wie ich dieses Lachen liebte.

„Ich balze dir gleich was“, und mit diesen Worten machte ich mich über ihn her und kitzelte ihn. Comic japste und versuchte sich zu wehren. Kräftig war er zwar, aber mein Dreamteam Körpergröße und Schwerkraft bescherten ihm einen unfairen Kampf. Er bettelte um Gnade und ich ließ mich auf ihm niedersinken und streichelte ihm seinen Arm entlang.

„Also, Verräter, wie lautet deine Verteidigung.“

Unter mir giggelte der ganze Körper: „Na ja, die sind heiß?“

„Is nich dein Ernst. Der eine von beiden is ein Hulk. Du kannst mir nicht weiß machen, dass du auf große, grüne Elefantenmenschen stehst.“

„Erstmal ist ein Hulk kein Elefantenmensch. Und zweitens ist Teddy kein Hulk, sondern ein Skrull.“

Für einen Moment wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Hat er gerade eine andere Sprache gesprochen? Er hatte zwar was gesagt, aber der Inhalt seines Satzes war mir völlig unverständlich.

„Skrull, äh cool, mein ich.“ Ich hielt inne und hörte auf ihn zu streicheln. „Moment, Teddy also? Soso, du bist mit ihm also schon bei Teddy angelangt. Wie lang geht das denn schon so zwischen dir und Teddy?“, fragte ich gespielt zickig.

„Ach, weißt du, das war quasi Liebe auf den ersten Blick. Ich sah seine ledrigen Flügel aus seinem Rücken herausbrechen und dachte mir nur: Fick mich!“

Bitte was? Sofort hatte mein Kleiner meine gesamte Aufmerksamkeit. „Was hast du gerade gesagt?“

Comic kicherte: „Ich war gerade dabei meine Verteidigung aufzubauen und zu begründen, warum diese beiden Marvel-Jungs Zutritt zu meinem DC-Reich haben. Und der Grund is einfach, dass sie die süßesten schwulen Superhelden überhaupt sind. Es gibt eh zu wenige von uns in Comicheften. Wählerisch kann man da nicht sein. DC hat zwar Midnighter und Apollo im Angebot, aber die sind wie schwule Abbilder von Batman und Superman. Nicht falsch verstehen, die wirken extremst männlich. Aber ich weiß nicht, obs dir aufgefallen ist, ich bin noch etwas jung und stehe auch auf junge, süße Typen. Und mit den beiden wäre das DC-Universum so gut wie abgegrast. Wobei ich ja schon so ein wenig für Batwoman schwärme.“

„Es gibt eine Batwoman?“

„Ja, rothaarig, Jüdin, Lesbe. Da haben sie einfach mal alles an Minderheiten in einer Figur vereint.“

Sachen gibt’s. Aber egal wie wenig ich mich eigentlich für Comics interessiere, ein wenig nachdenklich machte mich das schon. Egal wie akzeptiert oder normal viele von uns mittlerweile aufwachsen und leben können, in der Comic-Welt sind Schwule nach wie vor Exoten. So gut wie nicht präsent. Ich glaube die meisten Kinder wollten schon mal wie Superman sein. Wie schön wäre es da für einen schwulen Jungen ebenso ein solches Idol haben zu können in dessen Cape man sich hüllen konnte. Weder Apollo noch Midnighter hatten ein Cape.

Comic riss mich aus meinen Gedanken. „Wollen wir dieses Wochenende was machen?“

„Was schwebt dir denn so vor?“, und ich schmuste mich an seinen Hals.

„Wir könnten ins Ridiculous. Da is am Samstag ne coole Party“, meinte Comic in aller Seelenruhe.

Ich stutzte. „Du meinst ein Club? Na ja, könnten wir schon, aber meinst du nicht, dass dann die Gefahr besteht, dass uns jemand aus der Schule zusammen sieht?“

Der Kleine lachte: „Nils, willst du mir sagen du kennst das Ridiculous nicht?“

„Natürlich kenn ich das“, maulte ich. Wovon sprach er zum Teufel? „Da war ich schon so oft. Wenn ich anfangen würde zu zählen … also wirklich schon so oft.“

Das helle, unschuldige Lachen erklang und schwebte durch meine Ohren direkt in mein Herz. Man, wie schnulzig werd ich denn bitte? Ich lüftete mein Shirt ein wenig. Ob die Wärme von Comics Heizung kam, die man einfach nur abdrehen musste, brauchte ich gar nicht erst in Erwägung zu ziehen. „Was ist denn nun bitte so lustig, du Ass-Guardian?“

Er knuffte mich in die Seite. „Du bist einfach nur süß. Aber ich finds gut, dass du natürlich weißt, dass das Ridiculous ein Schwulenclub ist.“ Oha „und du, da du ja bereits so oft dort gewesen bist“  Oha, oha, „nichts dagegen haben wirst mich dorthin zu begleiten.“

Ich schluckte. In einen Schwulenclub. Bisher hab ich nur düstere Märchen darüber gehört. Auch wenn ich vor Comic noch keinen anderen Jungen wirklich kennen gelernt hatte, so war ich doch auf diversen Seiten angemeldet und hab das eine oder andere Gespräch geführt. Und in Schwulenclubs war es einfach Naturgesetz, dass jeder dort immer und überall Sex hatte. Die berühmt-berüchtigte Szene. Mir wurde bisher jedenfalls immer abgeraten sowas zu betreten, weil dort eh nur oberflächliche Leute wären.

Comic blickte mich erwartungsvoll an. „Na komm schon, wo wir uns doch scheinbar jedesmal, wenn ich da war, verfehlt haben. Da können wir ja dieses mal gemeinsam hingehen.“

„Du bist da schon öfter gewesen?“

Er dachte kurz nach. „Hm, warte mal. Also letzte Woche und die davor. Dann war da die Schlagerparty, die mag ich nich. Aber davor und …also wenn du 3mal im Monat als öfter einstufst, dann kann man wohl sagen, ja, ich war schon öfter da.“ Er grinste.

„Na wenn das so ist, dann kann mir, äh, dir ja nichts passieren. Wenn du dich da schon auskennst. Und außerdem bin ja dann ich dabei“, und ich schlang meine Arme um seinen Körper.

„Na ja, mein Hulkling, wollen wir mal sehen, wer auf wen aufpassen muss. Schließlich bin doch scheinbar nun ich von uns beiden der Guardian, der auf deinen Ass aufpassen muss.“ Für einen kleinen Moment spürte ich wie er mir über meinen Hintern streichelte. Durch den Stoff spürte ich seine Hand nur ansatzweise, aber diese leichte Berührung ließ mich Sterne sehen.

„Ähm, Nils?“

„Was denn?“

„Ist irgendwas mit deinen Augen?“ Schnell kniff ich sie zu. Verdammt, hatte ich wirklich Sterne oder Funken in den Augen gehabt? War Glut aus meinen Augen gesprüht? Verdammt, ich weiß es nicht!

„Ich verstehe gerade nicht, was du meinst“, nuschelte ich völlig ruhig, als gäbe es nichts, worüber ich mir Gedanken machen musste.

„Ne, schon ok. Ich glaub ich bin auch einfach grad ein wenig müde“, und untermalte seine Feststellung mit einem ausgiebigen Gähnen. „Aber eine Sache würde ich gerne fragen, wenn ich darf.“

„Alles, was du willst, mein kleiner Guardian.“

Er räusperte sich. Seine Stimme war sehr vorsichtig. „Also, wir beide wissen ja nun, dass du Stammgast in dem Club bist. Wahrscheinlich auch bei allen anderen Clubs dieser Art.“

„Das ist richtig“, murmelte ich. Mir gefiel nicht, wie sich dieser Ansatz weiterentwickeln konnte.

„Und so wie du ständig auf all diesen Partys bist, hast du bisher bestimmt auch schon viel Erfahrungen mit Jungs gemacht, oder?“

Ich schwieg. Dann sagte ich: „Ständig. Mit allen, die mir vor die Hose gelaufen sind.“ Ich spürte eine Hand auf meinem Rücken, die langsam rauf und runter strich.

„Gut, dann weiß ich ja Bescheid, Nils“, und damit ließ er das Thema auf sich beruhen. Und ich war ihm dankbar. Unter uns, ihr habt vielleicht gemerkt, dass ich den einen oder anderen Spruch mit ner extra dicken Hose gesagt habe, aber wenn ich zurück überlege und nachrechne… vielleicht hatte ich doch noch gar nicht so viele Erfahrungen. Doch gerade brauchte ich sie auch nicht. Gerade wollte ich nur, dass diese Hand auf meinem Rücken niemals aufhören würde mich zu streicheln und ich auf dem Körper, der sich gleichmäßig unter mir hob und senkte, wann immer ich nur wollte einschlafen durfte.


„Du wirkst etwas bedrückt, Nils. Was ist los?“

Ich wollte dem Doc nicht antworten. Denn die Wahrheit quälte mich. Ich dachte es wäre leicht in der Schule so zu tun, als wäre alles wie immer. Da habe ich mich wohl geirrt. Ich hatte nach der Pause auf dem zurück zum Klassenzimmer ein wenig getrödelt. Und als ich in den Gang einbog, sah ich wie drei Typen mit Comic sprachen. Oder eher ihn bedrängten. Der eine hatte ihn gegen die Wand gedrückt. Was genau los war, konnte ich nicht verstehen. Langsam näherte ich mich der Gruppe, doch als Comic mich erblickte, schüttelte er seinen Kopf. Ganz leicht. Kaum zu fassen, nur für mich bestimmt. Ich ging weiter, während ein „Yeaahh, Nils“ mich verfolgte. Von wegen yeah. Scheiße fühlte ich mich. Ich bin mit einem der liebsten Menschen der Welt befreundet und ich konnte nicht zu ihm stehen. Konnte? Konnte ich? Oder wollte ich nur nicht? War ich zu feige? Ich, der große Nils, der um seinen Ruf fürchtete, während der kleine, zarte Junge, dessen richtiger Name aus der Klassenrealität gebannt wurde, sich täglich irgendwelchen Repressalien stellte?

„Nein, Doc, schon ok. Es war ein harter Tag in der Schule. Daran werden Sie sich bestimmt auch noch erinnern können. Nichts, worüber man reden müsste. Lassen Sie uns die Stunde einfach nur schnell absitzen. Sie versuchen an mich heranzukommen und ich gebe blöde Antworten. Arbeitsteilung, ich finde wir geben so ein ganz gutes Team ab.“

Irgendwas war anders an ihm. Schon vor Jahren war er nicht derjenige gewesen, der seine Nerven alle beieinander behalten konnte. Erst als es nicht mehr jede Woche einen neuen Ausbruch zum besprechen gab, steigerte sich sein Selbstbewusstsein bis er sich schließlich als den großen Psychologen feierte, als ich zum ersten mal ein halbes Jahr ohne Brände durchgehalten hatte. Meine Rückkehr in sein Zimmerchen muss ihm einen üblen Schlag unter die Gürtellinie verpasst haben. Aber heute war er völlig beherrscht. Keine Anzeichen von Verzweiflung oder Frustration. Na ja, egal.

Er sah mich durchdringend an. Mal wieder dieser Röntgenblick. Aber viel konzentrierter. Wenn er weiter so schaut, brennt er mir ein Loch in mein Gesicht.

Brennen. Es hatte wirklich viel gebrannt. Ein großes Feuer. Es hätte jemand zu Schaden kommen können. Mich traf der Schlag und eine Woge des Schocks ging durch meinen Körper. Comic!

Es war vor ein paar Jahren gewesen. Mein letzter großer Ausbruch. Es war Frühling, nach irgendwelchen Ferien und in der Schule stand ein Ausflug an. Wandertag. Zwei Lehrer machen sich mit ihren Schützlingen auf den Weg in die Pampa durch Wälder, Felder, Heidekraut. Und sobald man ne gewisse Zeit tot geschlagen hat, konnte man wieder in die andere Richtung bis das ganze aufgelöst wurde. Mit etwas Glück bekam man einen netten Lehrer ab, der mit einem dann immerhin ein paar Spiele spielte. Was für ein Glück wir doch hatten, dass unser Lehrer mal irgendwas in Sachen Jugendarbeit gemacht hat. Geländespiele und son Kram. Hatte der echt drauf. Und so kam es, dass meine Klasse, angeführt vom besten Lehrer des Jahres, Megagut oder sowas in die Richtung muss sein Name gewesen sein, in einem Waldgelände Rast machte. Eine Stunde wollte er mit uns ein Spiel spielen. Gegner fangen, eigene Leute befreien, Fahne finde. Sowas kennt man ja. Es machte auch wirklich Laune. Allerdings hatte ich ein kleines Problem. Klitzeklein. Eigentlich nicht nennens wert.

„Na, Nils, hats dich ein bisschen erwischt? Man, und das bei so herrlichem Wetter“, strahlte Herr Megagut. Oder so. Was weiß ich, mit Namen hab ichs nich so.

„Ne, ne,“ entgegnete ich. „Das is keine Erkältung, das sind Pollen. Oder Baumrinde. Vielleicht auch Waschbären. Auf jeden Fall zu viel Natur.“

„Oha, Mister Computergeneration. Na ja, deine arme Mannschaft. Dann bist du ja leicht zu fangen, wenn man dich selbst aus dem besten Versteck niesen hört.“

„Alles Taktik, alles Taktik.“ Megagut lachte. Ja, da lachte er noch. Und ich habe auch noch gelacht, denn was ich nicht mitbekam, war, dass ich bei jedem Niesen ein paar Funken auf den Waldboden verteilte. Natürlich könntet ihr nun sagen: Na hey, die paar Fünkchen sollten einem frischen, grünen Wald im Frühling ja nichts anhaben können. Erinnert ihr euch an die Zigarettenschachtel? Ich sag nur Feuerkraft.

Ich möchte das ganze gar nicht so weit ausschmücken, es ist keine wirklich schöne Geschichte. Aber das Resultat war jedenfalls, dass sich durch das Niesen vereint mit dem Laufen im ganzen Wald kleine, unaufhaltsame Feuer gebildet haben. Hab ich klein gesagt? Nennen wir es lieber groß. Es wurde ein ziemlich großes Feuer. Manche von uns hatten ziemlich Angst bekommen und versuchten irgendwie einen Weg zum Waldrand ausfindig zu machen. Wie ich feststellen musste, einer jedoch nicht. Im Gegensatz zu den anderen konnte ich herumlaufen wie ich wollte. Das Feuer konnte mir nichts anhaben. Das habe ich bereits mitbekommen, als ich versuchte an meinem Geburtstag meine Geschenke auszupusten. Weder die Hitze, noch die Flammen an sich, nicht mal der Russ in meinen Lungen schien mir etwas anhaben zu können. Also eilte ich umher um mich zu vergewissern, dass auch jeder aus dem Wald herauskam. Das war nichts Heldenhaftes von mir. Es war das Mindeste, das ich tun konnte, immerhin war ich Schuld an dem Unglück. Und tatsächlich fand ich jemanden. Es war ein kleiner Junge, der sich als einziger nicht an dem Spiel beteiligt hatte. Er musste total vertieft in seine Beschäftigung gewesen sein. Der Baum, an dem er lehnte war über und über mit Einkerbungen übersäht. Er hatte mit einem Messer Figuren hinein geschnitzt.

„Hey, du. Wach auf.“ Ich tätschelte die Wange des Jungen. „Hörst du, wir müssen los. Ich weiß, Schule is total langweilig, aber das is grad nicht der Moment dafür.“

„Er musste eine ganze Menge Rauch eingeatmet haben, denn ich bekam ihn einfach nicht wach. Zum Glück war ich schon damals einer der Größten in der Klasse. Der andere hingegen einer der kleinsten. Ich trug ihn sicher aus dem Inferno heraus. An eine sichere Stelle. Außer mir war da keiner. Und ich hatte Angst. Ich hatte solche Angst um diesen Jungen.“

Ich hatte gar nicht bemerkt, wie ich angefangen hatte zu sprechen. Dr. McNiders Blick war total auf mich fokussiert. Er wusste, dass ich ihm dieses mal die Wahrheit erzählte.

„Die anderen waren sonst wo. Und der Wald brannte. Dieser ganze Wald brannte. Wie war das überhaupt möglich. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber man kennt das ja. Erste Hilfe. Aus dem Fernseher. Ich hab ihm am Brustkorb rumgedrückt. Meine Lippen auf seine gepresst. Ich weiß nicht mehr wie lange ich das tat. Ich kann mich auch gar nicht mehr erinnern, woher plötzlich die anderen alle kamen und Herr Wilson… genau, das war sein Name. Wilson. Er wurde vom Krankenwagen weggebracht. Und ich sah hinterher. Konnte nur hinterherschauen. Ich war Schuld. Comic.“

Der Doc runzelte die Stirn bei dem letzten Begriff. Er konnte ihn nicht einordnen. Woher auch?

„Ab da hast du aufgehört Feuer zu legen? Als du gemerkt hast, dass du jemanden in Gefahr gebracht hast?“

„Ab da hat es aufgehört. Hat aufgehört. Es brach nicht mehr aus.“

McNider räusperte sich. „Was meinst du damit, dass es aufgehört hat? Das Verlangen? Die Sucht?“

„Das Feuer.“

„Ja?“

„Es war weg. Kam nicht mehr zurück. Nie wieder. Bis jetzt. Er.“ Kennt ihr das? Wenn ihr anfangt etwas zu begreifen und es euch total übermannt? Ihr gar nicht so schnell die Gedanken ordnen könnt? Gar nicht genau begreift, was ihr da denkt oder es euch gar nicht traut zu denken? Feigling, der ich war, wollte ich gar nicht weiter denken. Ich blinzelte einmal und dann war ich wieder da. Ich lümmelte mich tiefer in die Couch und warf dem Doc einen gelangweilten Blick rüber.

„Haben Sie hier eigentlich Plätzchen? Weihnachtszeit und so, da könnte man das hier doch ein bisschen gemütlicher gestalten. Ich sorge für Kerzenlicht.“ Ich lachte. Es klang falsch.


Mein Herz klopfte. Ich stand vor Comics Haustür. Die letzten Tage hatte ich versucht die letzte Sitzung aus meiner Gedankenwelt zu verbannen. Heute war Party angesagt.

„Hakuna Matata.“ Und dieses mal meinte ich es wirklich im Sinne von „Keine Sorgen“.

Die Tür öffnete sich. Und vor mir stand der Junge aus dem Waschraum. Leider nicht so nackt, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

„Du hast deine Haare geglättet?“, fragte ich. Comic nickte schüchtern. „Und trägst du Linsen?“

„Ja, ich hab die erst seit kurzem. Trag die eigentlich nur zum Sport oder wenn ich mich hübsch machen will.“

Ich schüttelte den Kopf und umarmte ihn erst mal zur Begrüßung. „Du bist doch immer hübsch.“

Zu gern hätte ich ihn auf dem Weg zum Club an der Hand gehalten. Irgendwie im Arm gehabt. Einen kleinen Kuss auf die Wange gegeben. Aber ich tat es nicht.

„Es ist ganz schön kalt geworden, nicht wahr?“ Comic fröstelte.


„Warte, hier. Du kannst meine Jacke haben.“

Er zögerte kurz: „Aber dann fängst du doch selbst an zu frieren.“

„Nein, nein.. Mach dir mal um mich keine Sorgen. Die is eigentlich nur als Deko gedacht.“

Ganz überzeugt war er nicht, doch die Kälte ließ ihn nach der Jacke greifen. Sie stand ihm sehr gut. Oder stand er eher der Jacke? Ja, ich war überzeugt, dass sie um einiges schöner aussah, wenn er darin eingepackt war. In der Straßenbahn fragte er zwar, ob ich zumindest die Fahrt über die Jacke wieder haben mochte, aber ich verneinte lächelnd. Dieses Lächeln erstarrte dann allerdings nach ein paar Stationen. Wir mussten aussteigen, jetzt wurde es ernst. Natürlich wusste Comic, dass ich keinen Plan hatte, wie wir entlang laufen mussten. Aber er zog mich mit sich und nahm mir mit ein paar blöden Sprüchen die Nervosität. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete und ein wenig wünschte ich mir, dass ein alter Mann mit Rauschebart aus den Schatten treten würde und schrie: „Flamme von Udûn. Geh zurück zu den Schatten. Du kannst nicht vorbei!“ Balrog-gleich würde ich dann in Flammen stehend in die sichere Schlucht im Land des gewöhnlichen Alltags herunterstürzen. Aber nichts dergleichen geschah. Und Comics Grinsen riss mich aus meiner Gedankenwelt.

„Willst du nicht reingehen?“, fragte er unschuldig.

„Oh, wir sind schon da? Äh, ich meine: Natürlich sind wir schon da. Und wenn wir da sind, dann sollten wir wohl wirklich .. es is ja draußen auch kalt. Und…“ Comic zog mich einfach mit sich.

„Hakuna Matata, Comic. Sag mir, dass du das auch siehst.“

„Was meinst du denn?“, er blickte gar nicht auf, während er sich seiner Jacken entledigte.

„Da bei der Kasse. Ist das tatsächlich …. Comic, ist das, wofür ich es halte, das es ist?“

Er folgte meinem Blick. „Ja, das ist tatsächlich eine Frau. In Schwulen-Clubs gibt es trotzdem auch Frauen.“

„Blödmann!“, blökte ich. „Ich meine das, was sie um ihren Hals trägt.“ Und tatsächlich, diese Dame, die da völlig gelassen an der Kasse stand um die Partygänger zu begrüßen, trug nicht nur ein hautenges, seltsam anmutendes Kostüm in braun und grün, sondern hatte sich um den Hals eine Schlange gehängt. Comic zwinkerte mir zu: „Willkommen im Ridiculous.“

Ab da riss der Strom an Reizen nicht mehr ab. Angefangen bei den bunten Lichtern und Strahlern, den Menschen, die einen im Vorbeigehen eindringlich musterten. Auf Mörderabsätzen laufende Drag-Queens, die wie Leuchttürme aus den restlichen Anwesenden ragten. Männer jeglichen Alters. Frauen, die leidenschaftlich in einer Ecke miteinander knutschten. Ein junges Pärchen, kaum älter als Comic und ich selbst, rauschte Händchen haltend an uns vorbei. Meine Begleitung sah mich erwartungsvoll an. Ich ließ meinen Blick umher schweifen. Soweit ich sehen konnte, waren alle Leute mehr oder weniger bekleidet. Über die Mode konnte man immer noch geteilter Meinung sein, aber ansonsten hatte ich es mir wesentlich schlimmer vorgestellt. Doch im Gegenteil, die Atmosphäre war wunderbar. Die Leute schienen sehr entspannt und freundlich. Und außerdem hatte ich Comic an meiner Seite, dessen Hand sich langsam in meine gelegt hatte ohne, dass ich mir Sorgen zu machen brauchte.

„Lass uns tanzen“, strahlte er mich an und schon zog er mich mit auf die Tanzfläche. Ich hatte noch nie so getanzt. So eng. Mit einem anderen Jungen. Aber es war aufregend. Comic ließ seine Hände an meinem Körper entlang gleiten, drückte seinen Schritt gegen meinen und wirbelte immer wieder voller Freude und Energie herum. Durch seine Hefte konnte er zwar nicht ganz den Status eines Bücherwurms erlangen, aber dass solch eine Tanzmaus in ihm steckte, das hätte ich ihm nicht zugetraut. Ich ließ mich anstecken von ihm. Von seinem Charme und seinem Tanz. Wir bewegten uns als gäbe es kein Morgen und tanzten als würden wir dafür bezahlt werden. Ab und an gruben sich meine Finger leicht in seinen Hintern. Oh man, wie warm es in so einem Club werden konnte. Ich schloss die Augen und versuchte das Gefühl dieses Moments voll und ganz in mir aufnehmen zu können. Ich fühlte mich gut. So befreit. Machte das nur dieser Ort aus? All die Menschen, die „zu uns“ gehörten? Ach, Nils, nicht zu viel denken. Einfach nur geschehen lassen und erleben.

Im Laufe des Abends stellte Comic mich ein paar Leuten vor, die er vom Feiern kannte. Ich war überrascht wie viele Jüngere es doch „von uns“ gab und freute mich über jede neue Bekanntschaft.

„Darf ich vorstellen, Nils. Das ist Tobsn.“ Was für ein süßer Name. Er zog mich zur Begrüßung an sich heran. Dabei bemerkte ich, wie er mir sanft über den Rücken streichelte. Ist mir gerade warm geworden?

„Hey Nils. Schön dich kennen zu lernen. Dein Freund hier hat schon eine ganze Menge von dir erzählt. Au, wieso stößt du mich? Darf man doch sagen, oder? Wo ihr doch zusammen seid?“

Ich schaute übertölpelt zu Comic.

„Oh, seid ihr gar nicht? Entschuldung, dann hab ich das falsch verstanden. Aber in diesem Fall, was meinst du? Darf ich Nils auf die Tanzfläche entführen?“

Comic grinste: „Aber klar, hab Spaß mit ihm.“ Bitte was? Was hat der da gerade gesagt? Er kann mich doch nicht mit diesem Typen allein lassen. Ok, ich weiß seinen Namen, aber … Halt! … Aber da wurde ich auch schon fortgerissen. Tobsn tanze wie ein junger Gott und schmiegte sich immer wieder sehr lasziv an mich heran. Irgendwann wurden seine Bewegungen ruhiger, dafür näherte er sich mir immer mehr. Tobsn war größer als Comic. Das merkte ich vor allem, als er meinen Lippen immer näher kam und ich mich kaum bücken musste. Ich spürte seine Zunge in meinem Mund. Wollte ich das gerade? Es würde mein erster Zungenkuss sein. Wäre es nicht schöner ihn mit Comic zu erleben? Aber in dem Moment verabschiedete sich mein Kopf und jemand aus einer tiefer liegenden Etage übernahm das Kommando über meinen Körper. Ich ließ den Kuss zu. Viel mehr noch, ich zog Tobsn gierig an mich heran. Küssen, saugen. Und dabei so ein Kribbeln in der Magengegend. Die Lieder zogen an uns vorbei, ich hatte kein Gefühl dafür wie lange wir so eng beieinander standen. Plötzlich bemerkte ich zwei Hände, die sich an meinem Körper zu schaffen machten. Zwei weitere Hände um genau zu sein. Comic tanzte mich von hinten an und fuhr dabei über die Arme und die Hüfte von Tobsn. Dieser löste sich nun langsam von mir und begann ebenso wie Comic wieder mich anzutanzen. Tobsn sah ziemlich süß aus, muss ich sagen. Nicht wie mein Engel natürlich, aber ich hätte ihn auch nicht von der Bettkante gestoßen. Ach, Nils, du Großmaul, aber was denkst du dir da eigentlich.

„Hier, Nils, deine Jacke.“ Ich wehrte dankend ab und überzeugte Comic davon, dass er sie gerne noch für den Rückweg haben dürfe. Viel zu schnell waren die Stunden im Club vergangen, doch noch länger zu bleiben würde ich wohl nicht mehr aushalten. Bald würde die Sonne wieder aufgehen und ich wollte einfach nur noch ins Bett. Tobsn hatte sich bereits vorher von uns verabschiedet, weil er noch ein paar bekannte Gesichter erblickt hatte. Und so verließen wir zwei diese tolle Party.

„Na, wie war es für dich zum ersten mal Szeneluft schnuppern zu dürfen?“

„Unbeschreiblich. Aber auf jeden Fall positiv. Einfach wunderschön. Ich hatte es mir gar nicht so vorgestellt, nach allem, was ich bisher immer so gehört hatte.“

Comic lächelte zufrieden: „Na ja, kommt halt einmal immer auf den Club beziehungsweise die Party an. Aber vor allem natürlich auch mit welchen Leuten du unterwegs bist.“ Er strahlte mich an. Ich strahlte zurück und vor lauter Übermut nahm ich seine Hand. Seine Finger wuselten zwischen meine und gemächlich liefen wir Richtung Straßenbahn. Die Fahrt verlief ziemlich ruhig, wir waren beide auch ziemlich müde. Zu müde um zu bemerken, dass wir noch immer Händchen hielten. In der Straße, wo das „Ridiculous“ war, war das wohl schon in Ordnung. Aber hier waren wir in einem ganz anderen Stadtteil. Und leider gibt es in so mancher Stadt einen Stadtteil in dem zwei Jungs wohl besser nicht Hand in Hand durch dunkle Straßen laufen sollten. Zumindest nicht zur falschen Zeit.

„Na, was haben wir denn da? Schwuchteln“ Die ranzige Stimme, die plötzlich in der Stille der Nacht erklang, hatte mich zutiefst erschrocken und auch Comic ließ reflexartig meine Hand los.

„Aber nein, was habt ihr denn? Wir mögen Schwuchteln“, höhnte eine zweite Stimme. In der Dunkelheit tauchten drei Gestalten auf, die sich bedrohlich vor uns aufbauten. Die drei Typen hatten die dreißig bestimmt noch nicht erreicht, aber so wie sie aussahen, würden sie auch generell in ihrem Leben nicht mehr viel erreichen. Der Geruch von Alkohol lag in der Luft.


„Was fällt euch eigentlich ein hier entlang zu laufen? Wenn euch Kinder gesehen hätten? Ihr widerlichen Wichser macht mich krank.“ Der Typ spuckte auf den Boden. Dann schien er ein Zeichen zu geben und bevor ich reagieren konnte, streckten die anderen beiden ihre Hände nach Comic aus. Grob zogen sie an ihm und mein Kleiner verzerrte das Gesicht.

„Lasst ihn sofort los!“, schrie ich, weniger selbstbewusst, als eigentlich beabsichtigt.

„Nur keine Sorge, Süßer, du kommst auch noch dran. Sobald wir mit deinem Schätzchen hier fertig sind.“ Sprachs und rammte Comic seine Faust in den Bauch. Ich schrie, ebenso wie mein Freund. Ich versuchte die anderen wegzustoßen und ihn zu befreien, aber zu dritt waren sie mir überlegen und stießen mich zu Boden. Ich war zwar groß, aber leider war ich nicht der Hulkling von Comics Zeichnung.


„Na du kleine Pussy, frierst du? Seht mal, Männer. Der hier hat zwei Jacken an. Vielleicht sollten wir ihm ein bisschen einheizen?“ Mit bösartigem Gelächter rissen sie ihm die Jacken herunter. Ich sog die Luft scharf durch den Mund ein, als ich bemerkte, wie nun einer von ihnen sich an Comics Gürtel zu schaffen machte. Mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, konnte ich vereinzelt Tränen in Comics Gesicht ausmachen. Er weinte. Mein Engel weinte. Ich schloss kurz voller Verzweiflung meine Augen. Dann wurde es hell.

Die drei Typen wussten nicht wie ihnen geschah, der Schock saß zu tief in ihren Gliedern, als dass sie auch nur einen klaren Gedanken hätten fassen können. Im ersten Moment sah es für sie so aus, als könnten sie mit zwei unschuldigen, dahergelaufenen Jungen ihre eigene persönliche Party feiern. Doch nun sahen sie sich einem Desaster gegenüber. Mit mir war etwas geschehen. Der Anblick von Comic hatte etwas in mir ausgelöst. War es unter der Dusche seine Schönheit, die Schönheit seines Wesens, die mich entfachte, so war es nun seine Not. Eine Not, die wie Benzin aus einer kleinen Glut ein großes Inferno beschwor. Aus meinen Augen sprühten Funken und mein gesamter Körper sandte ein knisterndes Glühen aus. Keine Flammen, doch ich wusste, ich müsste nur einen Gedanken fassen und schon würde ich wie ein gewaltiger Feuerdämon lichterloh entbrennen. Stattdessen war jedoch etwas anderes eingetreten. Meine Haut hatte ein tiefdunkles Rot angenommen. Mein Körper war muskulöser und hatte mein Shirt gesprengt, das mir nun in Fetzen am Körper herunter hing. Meine Hände waren zu Klauen geformt und am Rücken .. nein, am Rücken trug ich keine ledrigen Flügel, wie Hulkling. Schade eigentlich. Dafür spürte ich einen anderen Körperteil, der zuvor ganz sicher nicht dagewesen war. Einen Schwanz. Einen roten, kräftigen Schwanz, den ich über den Boden peitschen ließ.

Noch immer blickten mich die drei Männer entgeistert an. Durch das Glühen meiner Augen konnte ich es nicht genau bestimmen, aber ich glaubte zu sehen, dass ihre Haare von einer Sekunde zur nächsten schneeweiß geworden ist. Ich stampfte mit einem Bein auf. So viel Kraft. So viel Macht. Ich wusste nicht, was mit mir geschehen war, aber ich wusste, dass ich jemandem weh tun wollte. Wofür sollte ich mich entscheiden? Mit großen Feuerbällen um mich schmeißen? Oder doch auf diese neugewonnene Muskelkraft setzen und ihnen die Seele aus dem Leib prügeln? Doch dann sah ich meinen kleinen Comic, der da am Boden kauerte und zu mir aufsah. Ich stieß die drei Männer zu Boden, näherte mich ihren Gesichtern, sodass ihre Brauen durch die Funken aus meinen Augen versengt wurden. Dann raunte ich ihnen ein schlichtes „Verschwindet von hier.“ zu. Das ließen sie sich nicht zweimal sagen und stolperten und stürzten davon. Schon nach wenigen Augenblicken waren sie nicht mehr zu sehen und meine Atmung normalisierte sich, die Hitze nahm ab und meine Haut nahm seinen normalen Teint an. Zu schade, meine Muskeln schrumpften auch wieder in sich zusammen. Comic sprach kein Wort. Er sah mich an, doch sprach kein Wort. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Hatte er Angst? Sah er in mir ein Monster? Doch seine Hand, die nun die meine wieder suchte, sagte mir etwas anderes. Er schmiegte sich an meine Schulter, drückte mir einen leichten Kuss auf den Hals und zog mich mit sich mit. Ohne über den ganzen Vorfall zu sprechen, gingen wir zu ihm nach Hause, legten uns ins Bett und schliefen im Nu ein.


Was würdet ihr tun? Euer Freund hat sich vor euren Augen in ein teuflisches Wesen verwandelt. Feuer spuken, Hörner auf dem Kopf – wie mir mein Engel später noch haarklein beschrieb hatte ich kleine Hörner auf meinem Kopf – das volle Programm. Was würdet ihr tun?! Ich weiß auf jeden Fall, was Comic am nächsten Morgen nicht getan hat. Angemessen reagiert. Weder brach er in Panik aus, versuchte die Heilsarmee zu informieren oder wanderte in ein anderes Land aus. Stattdessen nahm er das ganze auf, als wäre es das Normalste von der Welt.

„Du bist also ein Teufel.“

„Bitte? Wer hat das denn gesagt?“

Comic musterte mich: „Du hast dich vor meinen Augen verwandelt. Kein Mensch der Welt muss es mir sagen, ich habe es mit eigenen Augen gesehen.“

„Ach ja, stimmt. Na ja. Und nun?“

„Da du selbst so gelassen reagierst, nehme ich an, dass es für dich keine Überraschung ist. Das heißt du hast dich schon mal so verwandelt?“ Seine Augen leuchteten und seine Miene drückte helle Begeisterung aus.

Ich zögerte. „Nun ja, so ganz nicht.“

„Erzähl, erzähl, erzähl!“, quengelte er. Er setzte sich auf meinen Schoß und schlang seine Arme um mich. „Du großer, roter Mann, warum hast du so feurige Augen?“

Ich schmunzelte. War es überhaupt erlaubt, dass er so normal reagierte? Ich wusste es, diese Comics konnten nicht gesund sein für ihn. Er hat nen totalen Schaden.

„Oh du großer, roter Mann, warum hast du einen so langen Schwanz?“

„Ah, fang bloß nicht von diesem Schwanz an. An den hab ich selbst mich noch nicht gewöhnt. Na gut, also wo fang ich an?“

Und ich versuchte ihm so viel wie nur möglich zu erzählen. Von meinem inneren Feuer, das erst seit kurzem wieder aufgelodert ist. Dass er womöglich der Auslöser dafür war, verschwieg ich allerdings. Ebenso wie, dass ich wahrscheinlich durch ihn … keine Ahnung, eine mentale Blockade oder dergleichen hatte, weil er damals wegen mir ins Krankenhaus gebracht werden musste. Doch ansonsten erzählte ich ihm von meinen Sitzungen, von Grill-Grill und meinen sämtlichen Feueraktionen. Er fand das alles super spannend und es schien als wäre seine Begeisterung nicht minder heiß als mein Feuer.

„Und wieso warst du nun selbst nicht so erstaunt, als du dich so krass verwandelt hast?“ Ich glaubs nicht, er hatte sich völlig gelassen, während er auf meinem Schoß sitzt und meine Lebensgeschichte, mein größtes Geheimnis, etwas wofür ich Millionen verdienen oder in ein Versuchslabor gesteckt werden konnte, einen Schokoriegel geangelt und lutschte nun genüsslich daran. Er folgte meinem Blick und hielt ihn mir fragend entgegen.

„Bähh, nein, danke. Wieso isst du ihn nicht wie jeder andere auch?“

Comic grinste mich nur an. „Lutschen bis das Weiße kommt“, sagte er vergnügt. „Erzähl jetzt.“

„Mein Vater hatte damals eine Frau kennen gelernt. Also meine Mutter. Schön wie die personifizierte Sünde. Heiß wie ein Vulkan. Mit Beinen wie…“

„Ja, Nils, danke, aber ich bin schwul. Du musst mir deine Mum nicht wie eine Pornodarstellerin beschreiben.“

„Verzeihung. Also mein Vater ist ein richtig heißer, durchtrainierter Kerl, mit ..“

„NIELS!“, protestierte der Kleine auf meinem Schoß. Ich kicherte.

„Jedenfalls ist er ihr begegnet, sie haben eine Nacht zusammen verbracht, mich bekommen. Alles wunderbar. Bis sie irgendwann meint, sie müssten reden.“

„Oha, ganz böser Satz. Ja, dieser Satz hat schon ganze Dynastien vernichtet und Weltreiche in den Untergang gestürzt.“

Ich kraulte ihm leicht den Nacken. „Auf jeden Fall erzählte sie ihm, dass sie ihn liebe, ihn jedoch verlassen müsste, um ihn und das Kind, also mich, zu schützen. Mein Dad natürlich kein Plan. Warum? Was ist denn los? Total überrumpelt mit der ganzen Situation. Sie meint natürlich, sie kann es ihm nicht erklären. Und mein Dad wieder, warum? Was ist denn los? Erklärs mir doch. Böser Fehler. Denn wenn er jetzt schon völlig überrumpelt war, dann hat ihm das Kommende völlig sein bisheriges Weltbild zerhauen. Meine Mum erklärt ihm also, dass sie eine Prinzessin aus einem Höllenreich ist, sie jedoch ihrem Schicksal entfliehen und ein Leben an der Erdoberfläche gesucht hat. Und sie dachte es würde alles glatt gehen, doch nun wurde sie wieder entdeckt und sie muss sich in Sicherheit bringen, denn wenn sie gefangen und zurück gebracht wird, wird sie niemals wieder zur Oberfläche zurückkehren können. Dad natürlich, blablabla, du hast einen anderen. So ganz theatralisch wie Männer nun mal sind, nicht wahr? Schlampe, wie konnte ich dich nur lieben. Auf einmal macht es BÄMM, und die Mutter seines Kindes steht in ihrer Teufelsgestalt da.“

„Hatte sie auch so einen Schwanz?“

„Ja. Ihre gesamte Erscheinung hatte sich so stark in Dads Hirn gebrannt, er konnte mir jedes Detail aufzählen. Schwanz, Hörner, die gesamte Palette.“

„Cool.“ Da, seht ihr? Nicht normal. Jeder andere hätte mich zurück ins Märchenreich gescheucht.

„Jedenfalls, wenn ich nur ein klein wenig von ihren Genen, wenn Teufelinnen sowas haben, geerbt habe, war mir bewusst, dass die Möglichkeit besteht, dass ich auch irgendwann so eine Verwandlungsshow abziehen könnte. Daher konnte ich mich innerlich schon ein wenig darauf vorbereiten.

„Und du frierst nie?“  Ich verneinte.

„Was isst du?“, fragte Comic begeistert.

Ich schaute ihn irritiert an. „Hallo? Was is das denn für eine Frage?“

„Na ja, ich lern dich doch nun ganz neu kennen. Wer weiß, Teufel werden ja oft mit Hufen dargestellt. Hab ich an dir nun nich gesehen, aber was nich is, kann ja noch werden. Ich hab bei Teufeln in Bio nich so gut aufgepasst. Jedenfalls, mache ich dir eine Freude, wenn ich in meinem Zimmer eine Krippe mit Stroh aufbaue?“

Ich packte ihn und warf ihn auf Bett. Wir tollten und alberten herum und ich war so dankbar dafür, dass er die gesamte Angelegenheit mit so viel Coolness betrachten konnte.

Wir lagen eng umschlungen in seinem Bett. Zärtlich fuhr er mit seiner Hand meinen nackten Oberkörper entlang.

„Du kannst natürlich, wenn du heute nach Hause gehst, versuchen Klamotten von mir zu tragen. Deine sind ja nicht mal mehr als Putzlappen zu gebrauchen.“

„Danke.“

„Ach, und wenn wir schon dabei sind, da gibt es noch eine Sache, die ich gerne klären würde.“

Ich schaute ihn aufmerksam an. „Und die wäre?“

„Werden wir mal Sex haben, wenn du dich in deiner Feuerteufelsgestalt befindest?“

Ich schubste ihn von mir runter und setzte mich auf. Bitte was, hatte ich mich verhört? Er lachte mich nur aus.

„Dein Gesicht. Total geschockt. Ja was, mein großer Hulkling. Zu prüde um mit mir, deinem Engel, über Sex zureden?“

Ich grübelte. Ich hatte bisher noch nicht viel über Sex geredet. Natürlich wieder mit den Jungs aus der Schule, aber das zählte nicht. Das waren Schauspieltexte, die ich aus der Bravo einstudiert hatte, um normal zu wirken vor den anderen.

„Stehst du etwa auf diese Muskelberge?“

„Ach, das ist es nicht mal, aber ich fänds interessant, wenn du versuchen würdest mich mit deinem Teufelsschwanz zu ficken.“  Und da war ich vom Bett gefallen. Sein Spruch hatte mich so erschreckt, dass ich einen ganz schönen Satz gemacht habe und dabei nicht wieder auf der Matratze gelandet war.

„Du willst. .. du willst was?“

„Nils, das muss dich doch auch reizen, oder etwa nicht? Ich meine, sogar du selbst, was du dir mit diesem Teil Gutes tun könntest. Wir haben beide gesehen, dass er zum Boden reicht und hundertprozent flexibel und beweglich ist. Wie ein Arm.“

Mir wurde ein wenig schwindelig bei seinen Vorstellungen. Klar, ein wenig reizbar war diese Vorstellung schon. … Oder … nein, das war total verrückt. Und überhaupt, Sex mit Comic? Ich hatte ihn total gern. Ach was sag ich, ich hatte mich verliebt. Natürlich hatte ich mich verliebt. Aber Sex? Ging mir das zu schnell? Die ganze Männerwelt hätte mir nun wahrscheinlich zu gerne eins gegen meinen Hinterkopf gegeben.

Ich setzte mich wieder aufs Bett „Ähm, du? Ich muss dir was sagen.“

„Na, was denn?“ und Comic kuschelte sich wieder an mich.

„Also wegen Sex. Ich glaube ich bin da noch nicht so erfahren.“

„Das verlangt doch auch keiner von dir. Du hast dich gestern Nacht zum ersten mal verwandelt, da kann keiner von dir verlangen, dass du beim zweiten mal schon damit im Bett umgehen kannst.“

Ich seufzte. „Ich mein das anders. Ich hab, … also, …“

Hilfesuchend sah ich ihn an. „Hattest du schon Sex?“

Er kicherte. „Na sicher, Nils.“ Er drückte mich ganz fest an sich. „Aber das ist keine Leistung, ok? Du musst dich nicht schlecht oder komisch fühlen, nur weil du noch keinen Sex gehabt hast. Bei Sex geht es nicht darum, wer ihn als erstes hatte oder wer am meisten und am öftesten hat. Es geht darum, dass er beiden gefällt, wenn man ihn hat.“

Ich lächelte ihn an. Was brauchte man mehr als einen Freund, der einem so verständnisvoll und lieb entgegenkam?


„Nanu, bist du noch müde?“ Comic streckte sich ausgiebig und ließ seine Hände dabei über meinen Oberkörper gleiten.

„Ach na ja“, murmelte er. „Möglicherweise ein klein wenig. Aber keine Sorge, ich weiß, wie ich mich wieder fit kriege.“ und mit diesen Worten wanderte sein Kopf langsam, ganz langsam in Richtung Gürtel. Er ließ mich dabei ebenso wenig aus den Augen wie ich ihn. Ein leichtes Zittern überkam mich und die Wärme ergoss sich von innen über meinen ganzen Körper. Langsam und vorsichtig zog Comic mir die Hose herunter und ließ seine Zungenspitze dahin wuseln, wo sich bisher nur meine rechte Hand ohne Landkarte auskannte. Ich lehnte mich zurück und schloss entspannt die Augen.


„Bist du dir ganz sicher, dass du das möchtest, Nils?“

„Ja, ich habe es mir überlegt, wir haben darüber gesprochen. Ich möchte das machen.“

Comic lächelte schief. „Na gut, wie du meinst. Ich hoffe nur du nimmst das nicht auf die zu leichte Schulter. Willst du noch mal ein wenig durchatmen? Bisschen entspannen? Oder einfach Augen zu und rein?“

„Ich bin für das Letzte. Je länger wir jetzt warten, umso schlimmer wird es sonst gerade.“

„Na gut, bereit?“ Ich nickte. Und mit einem starken Ruck zog Comic die Klassenzimmertür auf und betrat Hand in Hand mit mir den Raum. Natürlich ernteten wir Blicke. Ungläubige. Verwunderte. Und manche wirkten auch ein wenig angewidert. Doch das war mir egal. Nach diesem ereignisreichen Wochenende wollte ich mich nicht weiter verstecken. Ich hatte die drei Penner auf unserem Heimweg fertig gemacht, ich würde es auch mit ein paar blöden Sprüchen in der Schule aufnehmen können. Und selbst wenn mir ab heute jeder Tag wie in der Hölle vorkommen mag, erstens bin ich der Sohn einer Herrscherin über ein Höllenreich und zweitens ist es das alles wert, wenn mein Freund neben mir im Unterricht sitzen konnte.

Erstaunlicherweise blieben die Befürchtungen unerfüllt. Natürlich war hier und da ein Flüstern zu hören, aber die meisten in unserer Klasse kümmerte es nicht, oder, was noch besser war, sie freuten sich für uns. Und selbst die wenigen, die den einen oder anderen bösen Kommentar abgaben, wurden von den anderen sofort zum Schweigen gebracht, so dass die vertretbar waren.

Ich fühlte mich großartig. Und dieses Gefühl hielt die gesamte Woche an. Die Sitzung bei Dr. McNider ließ ich ausfallen. Was sollte sie schon bringen? Ich hatte nun sowieso gelernt meine Kraft oder Fähigkeit oder wie man das auch immer nennen wollte zu kontrollieren. Es würde keine weiteren Vorkommnisse geben.  


„Oh man, Nils, dafür, dass du noch ganz frisch dabei bist, hast du es wirklich drauf“, keuchte mein Freund. Ich kam mit dem Kopf wieder unter der Decke hervor. Zufrieden lächelnd.

„Ja, hats dir gefallen?“ Ein eifriges Nicken kam als Reaktion. Er rappelte sich auf und mit einem „Bin gleich wieder da.“ verließ er das Zimmer. Ich versuchte meine Haare wieder ein wenig in Form zu bringen. Aber gerade war das ein vergeblicher Kampf. Na ja, vielleicht hatte Comic später Lust auf Duschen.

Ich setzte mich an den Schreibtisch und drehte ein paar Runden. Da blickte ich auf ein paar Zeichnungen. Ich griff nach ihnen und studierte die Abbildungen.

„HA, Schnüffler!“ Erschrocken zuckte ich zusammen. Comic war mit ein paar Getränken wieder aufgetaucht.

„Schatz, was ist das?“, fragte ich und deutete auf die Zeichnungen.

Comic grinste. „Oh man, ich muss mich noch total daran gewöhnen, von dir Schatz genannt zu werden.“ Er schlürfte an seinem Getränk. „Das, mein kleiner Teufel, sind einfach n paar Zeichnungen. Ich hab ein wenig herumgesponnen und …“

„SOLL ICH DAS SEIN?“ Ich starrte auf ein riesiges Ungetüm. Die Szene stellte einen Weihnachtsmarkt dar. Und inmitten der Menschenmenge stand ein Hühne von einem Mann. Eine rote Gestalt, deren Gesichtszüge unverkennbar mich darstellten. Comic konnte ohne Zweifel sehr gut zeichnen, das musste ich ihm lassen. Es wirkte fast schon real, wie abfotographiert. Na gut, das ist ein wenig übertrieben, aber ihr wisst wie ich meine. Sehr gute Zeichnungen.

„Und was mach ich da?“

„Du jagst die Alkoholvorräte des Weihnachtsmarktes in die Luft.“

„Bitte was?“

„Ja, is doch logisch. Du verwandelst dich und dabei setzt du ungeheure Energie und Wärme frei und entzündest den Alkohol. Du weißt, dass Alkohol brennbar ist?“

„Gibt es auf einem Weihnachtsmarkt nicht hauptsächlich Glühwein? ich kann mir nich vorstellen, dass der sich so verhält wie in deiner Zeichnung.“

Comic sah mich mit trüben Augen an. „Bist du ein Teufelsjunge, der Feuer spuken und Flammen schleudern kann oder bist du keiner?“ Er hatte ja recht. Gerade ich brauchte meinen Mund keinen Milimeter weit aufmachen, wenn es um Realitätsgetreue ging.

„Außerdem bin ich der Zeichner. Und Inker noch dazu. Außerdem war ich für Handlung und Text zuständig und ich wollte das so haben.“

„Is ja schon gut, is ja schon gut. Was passiert als nächstes?“

„Du streitest dich mit diesem Engel.“

„Der sieht aus wie du.“

„Ja, ist das nicht ein Zufall? Toll was? Der kann sich wirklich glücklich schätzen so ein tolles Gesicht abbekommen zu haben. Jedenfalls streiten die da gerade auf dem Platz, weil weißt du, die sind ein Pärchen. Und streiten Pärchen nicht immer? Und wie in jedem guten Film, wenn ein Pärchen sich streitet, gehen sie aufeinander mit Fäusten los uuuund…“ er blätterte die Seite um.

„Is nich dein Ernst“, murmelte ich.

„Du hast richtig geraten. Sie küssen sich. In hemmungsloser Leidenschaft mitten in der Öffentlichkeit. Das Blut wallt auf und die Hormone spielen verrückt.“

Ich beachtete seine kleine Brabbelei gar nicht und blätterte weiter. „Die Hormone scheinen wirklich sehr verrückt zu spielen. Wie es aussieht, haben der Teufel und der Engel von der einen Seite zur nächsten ihre Kleidung verloren und … SCHATZ, bist du bescheuert? Du kannst mir doch nicht so rein Riesengerät zwischen die Beine malen.“

„Ach doch, das hat schon seine Richtigkeit so. Und keine Sorge, sämtliche Kinder, die ich in die Menschenmenge gezeichnet habe, bekommen die Hände ihrer Eltern vor die Augen gehalten.“

„Aber du kannst uns doch nicht mitten auf dem Weihnachtsmarkt eine Sexszene auf den Leib malen.“

„Doch, doch. Natürlich kann ich. Und es ist auch unbedingt nötig. Und weißt du warum?“

Ich weiß nicht, ob ich die Antwort hören wollte.

„Ja, genau, weil sonst die Polizeiautos auf der nächsten Seite ja überhaupt keinen Sinn ergeben würden. Siehst du? Die Hüter von Recht und Ordnung gehen dem öffentlichen Ärgernis nach. Ihre harten Schlagstöcke haben sie ebenso mit dabei.“

„Mein kleiner Engel, du hast Probleme. Entweder zu viele Pornos geschaut oder zu wenig Fantasien ausgelebt.“ Ich blätterte weiter. Ein weiteres mal sah ich Weihnachtsmarkt, Menschenmenge, Polizisten, doch an der Stelle, wo sich das sonderbarste Pärchen aller Zeiten befinden sollte, war eine großer, weißer Freiraum. Fragend schaute ich meinem Schatz in die Augen.

„Ach na ja, ich überlege noch in welcher Stellung ich die beiden da drauf pinseln möchte. Vielleicht warte ich einfach bis wir herausgefunden haben, was deine liebste….“ weiter kam er nicht. Ich küsste ihn bevor er weiter sprechen konnte und stieß seinen kleinen Erotik-Strip vom Schreibtisch. Erst protestierte Comic lauthals, aber mit einer Zunge im Hals geht das auf Dauer relativ schlecht und er beruhigte sich wieder. Die Klamotten waren auch schnell abgelegt und wir verkrümelten uns unter die Decke.


Ach, es war so wundervoll mit meinem kleinen Engel zusammen zu sein. Wie gesagt, wie war das noch bei schwulen Jungen? Treffen, zusammen kommen und vögeln. Den letzten Punkt hatten wir zwar zwischenzeitlich ein wenig übersprungen, aber das machte überhaupt nichts, denn wir waren schon auf Level vier angekommen: Kennen lernen. Und so verbrachten wir mittlerweile nicht mehr nur unsere Zeit im Bett, sondern spazierten durch die Straßen, gingen shoppen und ins Kino. Und jedes Wochenende statteten wir einer Schwulen-Party einen Besuch ab. Mit der Zeit erblickte auch ich hier und da vertraute Gesichter unter den Tanzenden und ab und an gingen wir sogar mit jemand anderem „von uns“ nen Kaffee trinken. Das Leben könnte nicht besser sein. Nun war auch bald Weihnachten und ich würde es mit meinem Freund verbringen. Was konnte es schöneres geben.

„Hallo Fremder, lange nicht mehr gesehen.“ Comic und ich waren mal wieder im Ridiculous und wen hatten wir da erblickt?

„Hey Tobsn, schön dich zu sehen. Ich hoff es is alles gut bei dir?“

„Ach ja“, antwortete er „aber heute is irgendwie kaum was los. Ein Glück, dass ihr gekommen seid, dann sind wenigstens ein paar interessante Menschen neben mir noch hier unterwegs.“

Comic streichelte unserem Freund über den Rücken.

„Ach, du Armer. Aber hey, jetzt hast du ja uns. Und wenn es hier wirklich so öde wird, dann müssen wir eben woanders unsere eigene Privatparty schmeißen.“

Hatte ich mich da eben verhört? Was war das denn für ein Spruch gewesen? Aber bevor ich meinem Freund einen fragenden Blick zuwerfen konnte, hatte er sich schon auf die Tanzfläche getummelt und gemeinsam mit Tobsn ließ er seine Hüften kreisen. Ich folgte ihnen und stimmte mit ein. Und wie beim letzten mal auch, tanzten wir drei uns gegenseitig an. Wer von beiden mir gerade über den Hintern fuhr, wusste ich nicht, aber irgendwie spielte es auch keine Rolle. Solange es meinen Freund nicht störte, sollte es mir auch nichts ausmachen.

„Hm, Nils?“ Mein Freund hatte sich ganz nah an mein Ohr gewandt. „Was hältst du davon, wenn wir Tobsn mit zu uns nehmen? Es is wirklich nich so viel los hier und wir könnten uns noch nen schönen Abend machen. Und außerdem weißt du doch, was uns das letzte Mal fast passiert wäre. Wenn ihm das auf dem Heimweg allein passieren würde, dass könnten wir uns nie verzeihen.“

Er lächelte mich mit einem Schlafzimmerblick an. Was konnte ich da schon anderes als ein einfaches „Ok“ wispern? Der Wunsch meines Freundes war mir Befehl. Und wenn Comic auch nur ein klein wenig so dachte wie ich, dann würde das noch eine ziemlich aufregende Nacht werden. Doch die Erfahrung hat sowieso gezeigt, dass er viel versauter denkt als ich. Später zeigte sich, dass ich aber vielleicht auch einfach gar nicht nachdachte.

Es war eine merkwürdige Stimmung, als wir bei Comic im Bett lagen. Vielleicht kam es aber auch nur mir so vor, weil ich der Unerfahrenste der drei war. Ob mein Schatz schon mal was mit Tobsn… wahrscheinlich schon. Die Aufregung ließ meine Härchen am gesamten Körper sich aufrichten. Ich wusste wirklich nicht, wie ich mich verhalten sollte. Glücklicherweise halfen mir die anderen beiden dabei. Beide, sowohl mein Freund als auch Tobsn, begannen langsam und zärtlich meinen Körper entlang zu fahren. Es dauerte nicht lang, da lagen wir alle drei nackt im Bett und ließen es uns gut gehen.

„Habt ihr hier Kondome?“

Mein Schatz verneinte. „Sorry Tobsn, die letzte Hürde kann wohl heute Nacht nicht genommen werden. Aber vielleicht kann man das ja nachholen.“ Das war die einzige Unterbrechung, der wundervollen Stunden bis wir schließlich völlig erschöpft, aber glücklich und vollauf befriedigt einschliefen.

Ich wurde von etwas Feuchtem geweckt. Verschlafen blinzelte ich in den Raum. An meinem Hals hing Tobsn. Von meinem Freund keine Spur.

„Wo ist…“, aber Tobsn legte mir einen Finger auf den Mund. „Der ist grad Brötchen holen gegangen. Sollte aber bald wieder kommen. Solange hätten wir die Möglichkeit uns noch ein wenig die Zeit zu vertreiben.“

„Wie meinst du?“, fragte ich ihn unsicher.

Er kramte in seiner Hosentasche. Dann zog er ein Kondom hervor. „Es ist leider nur eins. Aber für deinen Schatz ist das bestimmt in Ordnung. Er sagte ja, wir könnten das noch nachholen.“

Ich starrte das Gummi zwischen Tobsns Fingern an. Meinte er das ernst? Er wollte mit mir hier und jetzt im Bett meines Freundes ficken? Diese Gedanken schienen ihn nicht zu beunruhigen, denn er leckte wieder an meinem Hals herum und machte Anstalten eine Etage tiefer zu wandern. Mir wurde warm. Wars nicht Comics Idee gewesen Tobsn mit zu nehmen? Und gestern Nacht, da hatte ich ja sowieso schon irgendwie Sex mit Tobsn gehabt und das fand mein Engel in Ordnung. Ich wehrte mich nicht, als Tobsn mir die Hose herunterzog. Ebenso wenig, als er die Packung öffnete und sich das Kondom drüber rollte. Erst als nach einer gefühlten Ewigkeit mein Freund mit einer Bäckertüte im Türrahmen stand, schaltete sich mein Verstand wieder ein. Er sagte kein Wort. Er schaute uns nur an, dann fiel ihm die Tüte aus der Hand.


„Schatz, wo bist du?“ Ich brüllte aus Leibeskräften. „Comic!“

Er war nachdem er Tobsn und mich gesehen hatte, war er einfach aus dem Haus gerannt. Was ich fühlte, als Tobsn mir zuflüsterte „Na ja, jetzt wo wir eh schon scheiße gebaut haben, könnten wirs auch noch zu Ende bringen“ konnte ich gar nicht in Worte fassen. Ebenso wenig konnte ich aber fassen, wie blöd ich gewesen bin. Wie konnte man nur so die Kontrolle verlieren. Über mich. Über diese ganze Situation. Ich hatte es nicht schlimm eingeschätzt, weil ich es nicht so einschätzen wollte. Ich wollte mit Tobsn schlafen. Aber… warum? Ich hatte doch diesen wunderbaren Engel. Der meinen Körper in Flammen aufgehen lässt. Keuchend hielt ich inne. Ich wusste nicht, in welche Richtung ich rennen sollte. Und dieser romantische Satz, der vor kurzem noch ein Radiohit hätte werden können, klang nun tot und leer. Eine Träne kullerte zu Boden. Ich dachte an Hulkling und Wiccan. Hulk. Der war damals in den Comics dumm wie Brot, konnte kaum zusammen hängende Sätze bilden. Aber selbst der hätte nicht eine solche Dummheit angestellt wie ich. Comic. Ich dachte an den Batman an der Wand und ich war wütend, dass er nur stumm zugesehen hatte, während ich meinen Freund betrogen hatte. Wütend. Wütend auf mich und wütend auf Tobsn. Wütend auf Dr. McNider, der nie lernen würde, wie er seinen Job zu machen hatte. . Wütend auf Comic, dass er so süß war, dass ich gar nicht wütend auf ihn sein konnte. Ich war sogar wütend auf meine Mutter, die mir ihr teuflisches Erbe vermacht hatte ohne mir einen Weg zu weisen. Ohne diese Kraft hätte ich Comic schon damals nicht verletzt. Er wäre nicht ins Krankenhaus, er hätte keinen so großen Effekt auf mein inneres Feuer gehabt, ich hätte nicht so heftig in der Umkleide reagiert, ich hätte mich nie verliebt und hätte ihm nicht vor wenigen Augenblicken so weh getan. Ihn mal wieder verletzt. … Ich trottete umher. Ich hätte mich nie verliebt. Der Gedanke tat weh. Weitere Tränen, die auf den Boden tropften. Ich liebte Comic. Die letzten Wochen waren die Schönsten, die ich jemals hatte. Er hatte so viel durchgemacht. Selbst als ich noch meine alten Freunde über ihn gestellt hatte, hat er es hingenommen und sich über das gefreut, was er hatte. Ich war so ein Arsch. Ich war so ein Riesenarsch!

Eine Druckwelle ging von mir aus und mit einem Mal stand ich rot, groß und mit glühenden Augen da. In meinen Händen loderte Feuer. Und mit aller Kraft schleuderte ich es einfach in irgendeine Richtung. Die Bäume und Sträucher in den anliegenden Gärten zerfielen zu Asche. Auf der Straße blieben brennende Stellen zurück. Argh, nein, nicht ausrasten. Du bist nicht der Hulk. Und auch nicht Hulkling. Du bist Nils und willst deinen Freund wiederhaben. Ich blickte um mich. Ich hatte ein gutes Stück der Straße verwüstet. Ein Wunder, dass mich noch niemand entdeckt hatte. Aber wie heißt es so schön. Wenn man vom Teufel spricht. Ein Mann mit einem Hund bog um die Ecke und blieb abrupt stehen. Der Hund rannte auf mich zu und kläffte mir entgegen. Was sollte ich tun? Zeugen beseitigen? Nicht der beste Einfall. Doch statt voller Panik davon zu rennen, kam die Gestalt langsam auf mich zu. Das konnte nur eines bedeuten. Denken wir doch ganz realistisch. Im wahren Leben, welche Person würde in dieser Situation einfach so aus dem Nichts auftauchen. Wie bestellt?


„Mum?“, rief ich der Gestalt zu.

„Nils?“, kam als Antwort. Oha, ich hätte nicht gedacht, dass meine Mutter eine solche tiefe Stimme haben würde. Aber was wusste ich schon von Teufelsprinzessinnen.

„Ich kan es nicht glauben, dass du, nach all der langen Zeit“, ich lief auf die Gestalt zu, „wirklich zurückgekehrt bist und gerade jetzt.“ Ich hielt inne. „Sie sind nicht meine Mutter.“

„Ähm, nein, ich erinnere mich auch nicht das behauptet zu haben, mein Junge.“

Ich blickte auf Dr. McNider herab. „Was tun sie hier?“

„Also erst mal wohne ich hier. Aber … Nils, .. was tust du hier? Und .. wie bist du … was konnte?“ Die Fragen türmten sich in seinem Kopf auf. Dann schüttelte er sich kurz um einen klaren Gedanken fassen zu können, blickte zu mir herauf und sprach relativ gefasst: „Meintest du nicht es würde keine Vorfälle mehr geben?“

Ich senkte den Kopf.

„Nils, ich hatte dich beobachtet. Ich habe mir schon damals gedacht, dass du kein normaler Patient bist. Du hattest keine Störung oder Neurose oder irgendeine Art von Knacks. Du warst ein völlig normaler Junge und hast in keinster Weise pyromanische Charakterzüge an den Tag gelegt. Deshalb verstand ich jedoch auch nicht, weswegen sich all diese Dinge immer bei dir ereigneten. Eigentlich verstand ich eine Menge nicht, vor allem warum dein Vater dich zu uns geschickt hatte.“

„Ach, irgendwas mit dem Jugendamt oder so. Er konnte es auf jeden Fall nicht verhindern.“

„Äh“, er hatte sich kurz beirren lassen. „Ja. Aber auf jeden Fall hatte ich keine Ahnung, wie ich mit dir umzugehen hätte oder was ich tun sollte. Und dann habe ich dich beobachtet. An dem Abend, als du die Zigaretten entwendet hattest. Ich konnte es mir nicht erklären und noch viel weniger kann ich mir das da erklären,“ er deutete auf mich, während sein Blick meinem peitschenden Schwanz folgte, „und vielleicht gibt es auch gar keine Erklärung für dieses Was. Aber bestimmt für das Warum. Nils, wieso wütest du hier wie ein Dämon?“

Ich war extremst überrascht, dass Dr. McNider so gefasst war. Wie gesagt, das wahre Leben hat doch ein wenig zugeschlagen. Nämlich das, das ebenso dafür sorgte, dass kein Nachbar zum Fenster herausblickte oder ein anderer Stadtbewohner die Straße entlang fuhr. Ach ja, die Straße brannte immer noch. Ich ließ mich vor dem Doc nieder und erzählte ihm von Comic. Erzählte von der wunderschönen Zeit, wie sehr ich ihn liebte und wie sehr ich es versaut hatte.

Nachdenklich lief Dr. McNider ein wenig auf und ab. Dann schaute er mich triumphierend an.

„Du sagtest er hatte einen Weihnachtsmarkt gezeichnet, ja?“ Ich nickte.

„Also, ohne darauf eingehen zu wollen, was ihr beiden im Detail in diesen Zeichnungen da getrieben habt, aber ich als Psychologe würde vermuten, dass es einen Grund gibt, dass er diesen Weihnachtsmarkt gezeichnet hatte. Vielleicht ist es ein besonderer Ort für ihn oder er hatte da ein besonderes Erlebnis. Auf jeden Fall kann ich dir nur raten, dich dorthin zu begeben und … “

Die Stimme des Doktors erstarb. Ich war weg. Wie vom Erdboden verschwunden. Aufgelöst in Raucch und Feuer. Ich wünschte ich hätte ihm ebenso einen Rat geben können, doch ich glaube er hat irgendwas ähnliches schon selbst für sich beschlossen und sich auf dem schnellsten Weg in sein Bett gemacht und die Bettdecke weit über seinen Kopf gezogen.


Ich befand mich auf dem Weihnachtsmarkt. Ach Mum, wenn du mich doch nur hättest aufziehen können. Dass ich mich teleportieren kann, hätte ich auch echt gerne viel früher gewusst. Groß wie ich war, war es ein Leichtes für mich den Platz abzusuchen. Und trotz allem nahmen die wenigsten Menschen von mir Notiz. Hier und da gab es einen Kommentar wie „Hey, Halloween is schon vorbei.“ oder „Klasse Kostüm.“ aber im Großen und Ganzen schenkte mir niemand großartige Beachtung. Jeder war mit seinem eigenen Kram beschäftigt. Ich irrte zwischen den Leuten umher. Und dann sah ich ihn. Er stand einfach nur da und betrachtete den Weihnachtsbaum. Langsam ging ich zu ihm hinüber. Und wie ich mich ihm näherte, schmolz meine Teufelsgestalt dahin und der normale Nils stand an der Seite von meinem Schatz.

„Hey“, flüsterte ich.

„Hey“, kam es zurück.

Einige Minuten vergingen in denen keiner auch nur ein Wort sagte. Er sah einfach nur verzaubert zu dem Baum oder ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Dann räusperte ich mich und sprach:


„Schatz, Comic. Mein .. Freund. Bist du noch mein Freund? Ich wollte dir sagen, es tut mir schrecklich leid. Ich wollte es eigentlich nicht und doch konnte ich es nicht lassen und …“, eine Träne rann mir über die Wange.

„Marcel, es tut mir so leid.“ Ich hatte ihn ausgesprochen. Seinen richtigen Namen. Marcel. Ein wunderschöner Name. Der schönste Name der Welt. Klar, dass ihn auch der schönste Junge der Welt trägt.

Er blinzelte mich an. „Es ist Weihnachten.“, murmelte er.

„Ähm, ja. Ich weiß. Gerade an Weihnachten hätte ich es nicht tun dürfen. Oh bitte, verzeih mir doch.“

Doch er legte seinen Finger auf meine Lippen.

„Psst. Es ist Weihnachten. Das Fest der Liebe. Ich liebe Weihnachten. An Weihnachten scheint alles schöner zu sein. Die Menschen erinnern sich an Leute, die schon lange nicht mehr gesehen haben und schreiben Karten. Sie zermartern sich den Kopf, was sie jemandem geben könnten, damit sie ihm eine Freude bereiten. Es ist alles voller Lichter und Glanz. Voller Kugeln und Zauber. Kinder kriegen leuchtende Augen und man darf die ganze Zeit über Naschen. Plätzchen und Schokolade und Mandarinen. Und überhaupt Essen. Gänsebraten, Ente, Speckröllchen. Sieh dich um.“

Und ich sah mich um. Die Leute kauften eifrig an den Glühweinständen, die wirkten, als würden ihre Quellen niemals zu neige gehen. Zwei Kinder versuchten sich gegenseitig die Hand des anderen vorm eigenen Gesicht wegzuschieben, während sie beobachten wollten, wie der größere Bruder mit seiner Freundin knutscht. Und inmitten der fröhlichen Gesellschaft liefen ein paar Polizisten umher, beide eine leuchtende Nikolausmütze auf dem Kopf.

„Weihnachten ist eine besondere Zeit. Zeit der Freude und Freunde. Zeit der Liebe und der Verzeihung.“ Ich sah ihn an.

Marcel drückte mich an sich. „Ich verzeihe dir. Es tut gut, dass du dich entschuldigt hast. Und es lässt mich nicht gerade in Freudentränen ausbrechen, dass du dein erstes mal nicht mit mir hattest. Aber hey, es gibt so viel wichtigeres, als dieser kleine Unfall. Es war ein Fehler. Aber die macht jeder von uns. Und du bist mein Freund, wenn ich dir keinen Fehler verzeihen kann, wem denn dann? Außerdem wollte ich mit dir Weihnachten feiern. Und nur wegen sowas lächerlichem wie Sex werde ich mir das nicht nehmen lassen.“ Er lächelte mich an. Ich lächelte zurück.

Dann küssten wir uns lange und innig. Wir küssten uns wie sich nur Liebende an Weihnachten küssen können und küssten uns noch, als ich mich langsam in Rauch auflöste und ihn mit mir wegteleportierte.


Fröhliche Weihnachten

P.S.

„Marcel? Ich hab da eine Frage? Also … ich weiß, es is nich gerade geschickt von mir das noch mal aufzuwärmen, aber angenommen es wäre nicht Weihnachten gewesen, als das mit Tobsn passiert ist …“

Er vollendete meinen Satz: „Dann hätte ich dir den Kopf abgerissen.“

„Autsch.“

„Ach was. Und außerdem, darüber sollten wir uns wirklich keine Gedanken machen. Höchstens darüber, wann wir Tobsn mal wieder zu uns einladen.“

„Was? Ich meine, … bitte was? Du würdest…“

Mein Engel sah mich mit vielsagenden Augen. „Fröhliche Weihnachten“, wisperte er und drückte mir einen Kuss auf den Mund. Dann kramte er kurz in seiner Manteltasche und streckte mir einen Labello entgegen.

„Tja, das ist dann wohl der Nachteil, wenn man mit einem Teufelsjungen mit innerem Feuer zusammen ist“, kicherte er.

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