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Bring mir dein Lachen bei

Akt 7 - Backstage

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Nachdem wir am Samstagabend ohne viel weitere Worte ins Bett gegangen sind, redet Tobias auch am Sonntag nicht sonderlich viel mit mir. Ich nehme dies schweigend hin, keine Lust, dem weiter Beachtung zu schenken und ihm so mehr Bedeutung zu geben. Eigentlich nervt es mich. Es ist kindisch. Und ich verstehe einfach immer noch nicht, was der Grund für seine Eifersucht ist – es gibt doch überhaupt keine Gefahr.

Am Montagabend ist es wieder etwas besser. Wahrscheinlich haben ihm die Stunden Arbeit ein wenig Distanz zu der Sache gewährt. So also verbringen wir einen relativ harmonischen Abend, an dem ich gesagt bekomme, wie sehr er mich so liebt wie ich bin. Ich nehme es lächelnd zur Kenntnis.

Auch der Dienstag verspricht ein entspannter Abend zu werden, zumindest so lange, bis kurz nach dem Abendessen das Telefon klingelt. Tobias ist es, der abnimmt und dann mit mürrischem Gesicht in die Küche kommt.

„Was ist?“, gestikuliere ich, bekomme allerdings nur den Hörer hingehalten.

„Hallo?“, melde ich mich und sehe Tobias verwirrt hinterher, wie er das Wohnzimmer verlässt.

„Hi, ich bin’s“, kommt es lächelnd und ich erkenne die Stimme sofort.

„Hallo Marcel!“, sage ich dennoch und grinse in mich hinein. Einen kleinen Scherz darf man sich ja noch erlauben, nicht wahr?

Kurze Stille, dann schon die fast enttäuschten Worte: „Nein, hier ist Mel.“

„Wusste ich doch“, lächle ich noch immer.

Eigentlich sind sie nicht sonderlich schwer auseinanderzuhalten, auch ihre Stimmen nicht. Sie betonen Worte ganz anders und Mel klingt tatsächlich ein klein wenig heller als Marcel. Eigentlich ist es schwer, sie zu verwechseln, wenn man sie schon ein bisschen kennt …

„Naja, gut …“ Ein Seufzen und ich bekomme das Gefühl, dass er mir nicht glaubt. Doch bevor ich darauf eingehen kann, spricht er schon weiter. „Ich rufe an wegen Samstag.“

„Ja?“
„Du kommst doch noch, oder?“, kommt es fast etwas hektisch.

„Natürlich.“

„Schön. Das freut mich …“

Seine erfreute Stimme lässt mich lächeln. Ich lehne mich zurück gegen die Sofalehne und sehe aus dem Fenster. Irgendwie fühle ich mich gerade sehr entspannt.

„Also? Wann geht es los?“, frage ich.

„Um Sieben … So wie Caro sagte … das macht es eigentlich wirklich ziemlich … naja … unnötig … dass ich anrufe … ich meine …“

„Ist okay“, unterbreche ich ihn. „Es freut mich, dass du anrufst.“

„Ehrlich?“

„Klar!“ Und ich kann noch nicht mal selbst beschreiben, weshalb dem so ist. „Soll ich erst zu euch kommen?“

„Ich werd schon weg sein, aber Marcel sagte, er würde auf dich warten … Er kann dich auch vom Zug abholen, dann brauchst du nicht fahren …“

„Das ist eigentlich eine gute Idee … Ich weiß nur grad nicht, wann die Züge fahren.“

„Du kannst dir ja einen raussuchen und dann nochmal anrufen …“

„Ja, das mache ich.“

„Gut.“

Es wirkt, als würde er gleich auflegen wollen. Ich weiß nicht, wieso ich das gerade nicht will. Vielleicht weil ich das Gefühl habe, von Tobias belauscht zu werden … vielleicht will ich ihm nicht die Genugtuung geben, dass ich mich mit Mel nicht auch richtig unterhalten kann.

„Mel?“, sage ich deshalb.

„Ja?“

„Erzähl mir doch mal was von dem Stück … oder welche Rolle du da spielst.“

„Aber … ist das nicht doof? Ich meine … wenn du schon alles weißt … lass dich doch lieber überraschen.“

„Hm, vielleicht hast du Recht.“ Sofort suche ich nach einer neuen Frage. „Wieso hast du eigentlich angefangen, Musical zu studieren?“

„Weil ich die Musik liebe!“, kommt es prompt. „Meine Mutter hatte früher ein paar alte Musical-Platten … Grease, Cabaret und so … das typische halt … ich hab sie immer so gerne gehört … und irgendwann hab ich angefangen …“ Er wird leiser und verstummt schließlich. Seine Stimme macht deutlich, dass es ihm unangenehm ist, darüber zu reden.

„Hast du was?“

„Ich hab … mitgesungen … und ich habe mir die Noten rausgesucht und sie auf dem Klavier mitgespielt … Ich weiß nicht, das hat mir Spaß gemacht … schon immer …“

Ich lächele vor mich hin und weiß nicht wirklich, was ich sagen soll. Ich kenne es nicht, von etwas so gefesselt zu sein, darin so aufzugehen … das …

„Das hört sich schön an“, spreche ich meine Gedanken aus.

„Ich … ja …“

Es bleibt still für einen Moment. Ich lausche in den Hörer und vernehme Mels Atem ganz leise. Ich weiß nicht wieso, aber ich glaube, dass er nervös ist und rot im Gesicht. Ich sehe es fast vor mir und das lässt mich nur noch mehr lächeln.

„Weißt du …“, sage ich schließlich, um die unangenehm werdende Stille zu brechen. „Ich hatte nie etwas, für das ich mich wirklich begeistert habe … Okay, als ich klein war, hab ich bei meinem Großvater in der Werkstatt gesessen und ihm zugeguckt, das fand ich toll. Aber dann …“

„Dann?“

„Dann ist er gestorben. Damit war das vorbei.“

„Wie alt warst du damals?“

„Sieben, nein, warte … ich war grad acht geworden …“

„Und du erinnerst dich noch daran?“

„Ja. Nicht sehr gut, aber ich bilde mir ein, noch zu wissen, wie es da gerochen hat …“ Nun spüre ich meine Wangen wärmer werden. „Sorry, das hört sich doof an.“

„Nein, gar nicht! Solche Erinnerungen sind doch schön!“, kommt es schnell und überzeugt vom anderen Ende der Leitung.

„Ja“, stimme ich dem zu.

„Was … was hat dein Großvater denn gemacht?“

„Figuren aus Stein, manchmal aus Marmor. Er war richtig gut darin, auch wenn sie glaub ich extrem kitschig aussahen … Ich habe mich immer gefragt, wie er das hinbekommen hat…“

„Hast du je versucht, mal so was zu machen? Ich meine, nicht als Beruf, sondern einfach als Hobby … Es gibt da diesen Stein … er ist ganz weich und leicht zu bearbeiten … wie heißt der noch mal …“

„Speckstein?“, helfe ich ihm weiter.

„Ja genau! Hast du mal was damit gemacht?“

„Nein. Ich habe mal was darüber gelesen, in einem der Bücher, die wir verlegen, aber das ist alles. Ich erkenne zwar Kunst, wenn ich sie sehe und kann darüber schreiben, aber ich selbst bin künstlerisch nicht sonderlich begabt …“

„Aber du hast es doch nie versucht.“

„Trotzdem.“ Ich zucke mit den Schultern, obwohl er es nicht sehen kann. „Außerdem ist es ja nur eine Kindheitserinnerung.“

„Na und? Ist die weniger wert?“

Ein wenig überrascht mich diese Reaktion und vor allem fällt mir darauf keine Antwort ein. Eigentlich habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr über dieses Thema gesprochen … nur einmal mit Vivian, als ich ihr von unserem Großvater erzählt habe, den sie nicht kennengelernt hat … und Kenneth hat damals darüber gelacht, dass ich die kitschigen Figuren irgendwie immer noch mochte.

„Nein“, sage ich schließlich, „wahrscheinlich nicht.“

„Ganz bestimmt nicht! Ich finde so was ganz wichtig! Und außerdem …“ Er zögert merklich und irgendwie presse ich den Hörer näher an mein Ohr.

„Außerdem?“

„Außerdem zeigt es deine Gefühle … Du hast welche, du hast sie nur vergraben. Wahrscheinlich müsstest du dich ihnen einfach öffnen.“

Nun zögere ich, schon wieder nicht wissend, was ich sagen soll. Mel redet so ehrlich und ernst … gerade habe ich das Gefühl, dem nicht gewachsen zu sein.

„Das-“

„Sorry!“, unterbricht er mich sofort. „Ich sollte aufhören zu reden. Ich misch mich grad viel zu sehr in deine Angelegenheiten ein.“

„Mel.“

„Es tut mir Leid, wirklich! Vielleicht sollten wir-“

„Mel!“

Er bricht ab. „Ja?“

„Es ist okay. Irgendwie hast du ja Recht. Es ist nur … ich bin ein wenig überrumpelt und weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Deshalb …“

„Dann sag nichts.“ Nun ist wieder ein Lächeln zu hören. „Lass uns am besten einfach aufhören, sonst wird es peinlich … Wir sollten das Gespräch jetzt einfach beenden …“

„Meinst du das ernst?“

„Ja. Ja … es ist besser … ich meine … also …“ Seine plötzlich ganz nervös gewordene Stimme bricht ab. „Wir sehen uns Samstag?“

„Ja, wir sehen uns Samstag.“

„Gut! Ich freu mich!“

„Ich mich auch.“

„Dann Tschüss!“

„Tschüss.“

Zögernd lege ich auf, das Klicken in seiner Leitung nicht gehört. Ich nehme den Hörer herunter und sehe ihn an. Ich spüre wie das Lächeln meine Mundwinkel noch immer nach oben zieht und wie mein Herz einen kleinen Schlag schneller klopft.

Wann habe ich das letzte Mal ein solches Gespräch geführt? Schade eigentlich, dass es plötzlich vorbei war …

Noch während ich aufstehe und mich frage, wieso ich Mel eigentlich von dieser Sache erzählt habe, drehe ich mich um … und treffe auf ein Augenpaar, das mich kühl, nein fast hasserfüllt anblickt. Erschrocken halte ich in jeder Bewegung inne.

„Was ist?“, frage ich.

„Das mit deinem Großvater hast du mir nie erzählt“, spricht er und ich kann den Ton in seiner Stimme nicht deuten. Was ist es, das ich da höre? Enttäuschung? Wut? Eifersucht?

„Es ist nicht wichtig“, sage ich und setze mich wieder in Bewegung, gehe an ihm vorbei in den Flur und lege den Hörer neben die Station.

„Ach nein? Hat sich aber grad ganz anders angehört! Das war so richtig-“

„Was willst du mir jetzt damit sagen?“, fahre ich zu ihm herum. „Dass ich mich nicht mehr unterhalten darf? Dass ich keine Leute außer dir kennen darf? Sorry, Tobias, aber so läuft das nicht! Ich lasse mir von dir nicht vorschreiben, was ich tun darf oder worüber ich rede!“

Während ich spreche werden seine Augen traurig und er erwidert nichts mehr. Also gehe ich an ihm vorbei und verschwinde in meinem Arbeitszimmer … in mir drin das Gefühl der anfangenden Wut … Wut darauf, dass Tobias es nun schon wieder geschafft hat, mir etwas zu verderben, auch wenn es nur ein sehr schönes Telefongespräch war.


Am Mittwoch bin ich mir sicher, dass mir dieses ständige Auf und Ab in meiner Beziehung mehr als nur auf die Nerven geht. Ich kann sein beleidigtes Gesicht nicht mehr sehen und auch die Annäherungsversuche, die er schließlich immer wieder startet, gefallen mir immer weniger. Es ist einfach nervtötend, wie schnell er in letzter Zeit ausflippt oder mir irgendetwas vorwirft … und ich sehe den Grund dazu immer noch nicht. Was ist denn los, dass er immer empfindlicher reagiert?

Dass ich nicht vorhabe, ihn am Samstag mitzunehmen, steigert seine Laune natürlich überhaupt nicht … im Gegenteil. Und als ich dann auch noch sage, dass ich wahrscheinlich bei den Zwillingen übernachten werde, kommt es zum Streit. Tobias schreit, dass er das nicht will und ich schreie, dass es mir ganz egal ist, was er dazu sagt. Zu mehr lasse ich mich allerdings nicht herab und als ich mich mit einer Zeitschrift aufs Sofa verziehe, spüre ich noch minutenlang einen durchdringenden, wütenden und enttäuschten Blick auf mir ruhen.

Der Donnerstag ist auch nicht viel besser als der Tag zuvor, ebenso wenig der Freitag. Eigentlich habe ich abends überhaupt keine Lust, überhaupt nach Hause zu gehen … und ich frage mich zum ersten Mal seit langem, weshalb Tobias nicht endlich mal wieder ein paar Nächte bei sich Zuhause verbringen kann. Dass ich ihm diese Frage nicht stelle, ist wohl verständlich, weiß ich doch, dass er dann nur wieder an die Decke gehen wird. Dennoch liegt sie mir den gesamten Abend auf der Zunge und ich ringe mit mir, ob ich sie vielleicht doch stellen sollte,

Von diesen Gedanken lenkt mich letztendlich nur ab, dass mir einfällt, dass ich ja noch nach meiner Bahnverbindung für den morgigen Tag sehen muss. Diese herausgesucht, wähle ich die Nummer und bin gespannt, wen der beiden ich wohl am Apparat haben werde.

„Ja?“, meldet sich Marcel, wie ich irgendwie sofort erkenne. Fast wundert es mich selbst.

„Hallo! Hier Nate …“, antworte ich in den Hörer, auf den Zettel starrend, mit der Bahnverbindung, die ich herausgesucht habe.

„Ach du! Hab deine Nummer nicht erkannt! Ich sollte sie endlich mal einspeichern …“

„Jup, vielleicht solltest du das“, grinse ich.

„Wie geht’s?“

„Ganz gut. Tobias macht Stress, aber ansonsten alles wie immer …“

„Was hat er denn?“

„Das übliche. Er ist eifersüchtig, weil ich am Dienstag so lange mit Mel geredet habe …“ Ich zucke die Schultern. „Totaler Quatsch, da hat er doch gar keinen Grund zu.“

„Hat er nicht?“

„Sollte er?“, frage ich, von seiner Frage verwirrt.

„Vergiss es. Weshalb rufst du an?“

„Um dir mein Herz auszuschütten …“, sage ich theatralisch.

Marcel lacht am anderen Ende der Leitung. „Genau, und das kauf ich dir auch ganz bestimmt ab. Aber wenn du so gerne willst … was haben wir denn auf dem Herzen?“

„Naja … da ist dieses drückende Gefühl … und wenn ich atme, wird mir schwindelig … was meinen Sie, sollte ich damit aufhören?“

„Mit atmen?“ Er lacht noch lauter. „Ich glaube, das wäre nicht so gut … aber vielleicht sollten Sie herkommen, damit ich Sie mir angucken und eine Diagnose stellen kann …“

„Ja, vielleicht haben Sie Recht“, gehe ich noch weiter auf das Spiel ein. „Ich könnte morgen kommen. Mein Zug wäre um 17:56 da … meinen Sie, dass das okay ist? Oder ist Ihnen das zu spät?“

„Warten Sie einen Moment … Nein, das sollte passen, meine Sekretärin sagt-“ Weiter kommt Marcel nicht, da ihn sein Lachen zu sehr schüttelt. Auch ich kann nicht mehr aufhören zu grinsen.

„Also passt es?“, sage ich schließlich, als ich mich einigermaßen gefangen habe.

„Ja, das ist gut. Dann sind wir schon etwas früher da und vielleicht kann Mel dir ein bisschen den Backstagebereich zeigen … du kannst dir gar nicht vorstellen, was da abgeht!“

„Nein, wahrscheinlich nicht. Und wie geht es ihm? Ist er aufgeregt?“

„Und wie!“, bestätigt Marcel eindringlich. „Selbst jetzt noch ist er bei Carolin und sie proben schon wieder ihre Rollen … du glaubst gar nicht, welche Versagensangst er hat, obwohl er doch so gut ist!“

„Carolin steht auch auf der Bühne?“

„Ja, sie studiert zusammen mit Mel. In diesem Stück ist sie seine Partnerin.“

„Wie passend“, kommt es von mir steifer als gewollt, weshalb ich schnell weiterrede. „Na, da bin ich auf jeden Fall mal gespannt auf morgen!“

„Kannst du auch sein! Du wirst begeistert sein, ehrlich!“

„Bestimmt werd ich das!“

Noch ein paar Minuten reden Marcel und ich weiter, bevor wir beschließen, aufzulegen. Dies Gespräch also beendet, verlasse ich mein Arbeitszimmer und begebe mich zurück zu Tobias ins Wohnzimmer.

„Schon fertig telefoniert?“, kommt es schnippisch.

Ich sage nichts dazu, sondern setze mich einfach und starre nach vorne in den Fernseher. Schlimmerweise freue ich mich wirklich darauf, morgen mal für einen Abend nicht dieser angespannten Stimmung ausgesetzt zu sein.


„Schön, dass du da bist“, begrüßt Mel mich, als ich mit Marcel und Jeanette zusammen beim Universitätstheater ankomme.

Er strahlt mich an, während ich zunächst meine Augen nicht von ihm nehmen kann. Er sieht so verändert aus, wie ein ganz anderer Mensch … faszinierend. Und so was nur durch ein bisschen Schminke … oder durch mehr, wie man es nimmt … So schnell ist ein Mensch ein ganz anderer.

„Du siehst toll aus“, sage ich schließlich und wende meinen Blick ab, da ich das Gefühl habe, rot zu werden.

„Findest du nicht, dass ich eher albern aussehe?“, höre ich Mel grinsen.

„Nein, wieso?“

„Na schau ihn dir doch mal an!“, schaltet sich nun Marcel ein uns zupft an Mels weißem Kragen und dem blauen Jackett mit den ganzen Bestickungen herum. „Aber er kann so was anziehen. Mir würde das nie stehen!“

Alle lachen während Marcel sich Mühe gibt, ganz überzeugt dreinzuschauen.

„Ihr könntet die Rollen tauschen und es würde keiner merken …“, grinst schließlich Jeanette.

„Erst wenn er anfängt zu singen!“ Mel sieht mich an. „Ich habe keine Ahnung, wieso er es nicht schafft, auch nur den leichtesten Ton zu halten … sollte er nicht das gleiche mit seiner Stimme können wie ich?“

„Ihr klingt auch so schon ganz anders“, schüttle ich zögernd den Kopf. „Da ist das eigentlich kein Wunder.“

Ein winziges Strahlen macht sich auf Mels Gesicht breit, wie ich überrascht feststelle. „Das-“

„Mel? Kommst du?“, wird er von hinten unterbrochen.

An ihm vorbeisehend erkenne ich Carolin in einem wunderschönen hellblauen Kleid. Sie hält den Rock angehoben und kommt auf ihren hohen Schuhen zu uns angestakst. Als sie sich neben Mel stellt und irgendwas mit ihm bespricht, bekomme ich für einen Moment ein Gefühl davon, wie gut sie zusammen aussehen … das liegt nicht nur an der aufeinander abgestimmten Gardarobe, oder?

„Ich muss rein“, unterbricht Mel mich in meinen Gedanken. „Aber wenn du magst, kannst du ruhig kurz mit reinkommen …“

„Aber Mel, meinst du nicht-“

„Ach Quatsch. Die sind doch alle viel zu sehr im Stress, als dass es ihnen auffällt“, antwortet er Carolin, während ich mir nicht so sicher bin, weshalb sie mir diesen unfreundlichen Blick aus ihrem wunderschön geschminktem Gesicht zuwirft. „Also, kommst du?“

„Gerne“, sage ich.

„Wir gehen schon mal zu unseren Plätzen“, verkündet Marcel. „Bis gleich!“

Ich nicke ihm zu und folge dann dem wunderschön gekleideten Paar ins Innere des Backstagebereichs.

„Wahnsinn!“, verkünde ich, als ich mich etwas später neben Marcel in meinen Sitz fallen lasse. „Diese ganzen Kostüme! Und die Hektik! Dass die da überhaupt klarkommen!“

„Klasse oder?“, grinsend sieht er mich an. „Ist eine ganz andere Welt.“

„Aber echt!“

„Wenn du jetzt schon begeistert bist, warte erstmal die Aufführung ab!“, beugt Jeanette sich nach vorne.

„Das glaub ich dir gerne!“, nicke ich. „Ich kann’s kaum noch abwarten!“

„Zu Recht! Seit ich Mel das erste Mal gesehen habe, bin ich sein größter Fan. Da macht es gar nichts mehr aus, mit einem Musicaldarsteller verwechselt zu werden.“ Lachend verzieht er das Gesicht, wird aber kurz darauf schon wieder ernst. „Mel sieht das anders.“

„Inwiefern?“, frage ich verwundert.

„Er legt viel wert darauf, dass er ein Individuum ist. Ich meine, versteh mich nicht falsch, er hat kein Problem damit, ein Zwilling zu sein … aber er wird nicht gerne verwechselt …“

Überrascht fehlen mir die Worte, da mir bewusst wird, dass ich Mel am Dienstag noch genau diesbezüglich geärgert habe. Plötzlich ist es mir peinlich.

„Ich glaube“, fährt Marcel fort, „dass er sich vorhin sehr gefreut hast, als du das mit unseren Stimmen gesagt hast …“

„Wirklich?“

Ein Nicken. „Besonders weil-“

„Es geht los!“, unterbricht Jeanette ihren Freund.

Sofort drehen wir unsere Köpfe dem Vorhang zu … obwohl ich gerne nachgefragt hätte, was Marcel sagen wollte.

Ich beschließe, dass es nicht so wichtig war, und sehe gespannt dabei zu, wie der Vorhang sich öffnet.

ENDE Akt 7

Backstage:

Auch jedem bekannt: der Bereich, der für die Zuschauer nicht sichtbar ist.

Natürlich kann man denken, das Kapitel heißt Backstage, weil Melvin Nathanael mit Backstage nimmt, aber eigentlich habe ich dabei etwas metaphorischer gedacht. Und zwar denke ich an Nathanaels Gefühle bezüglich seiner Kindheitserinnerung. Diese verbirgt er normalerweise und trägt sie nicht sichtbar herum … aber Melvin erzählt er sie, lässt ihn weitersehen, als den normalen Zuschauer: Backstage.

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