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Bring mir dein Lachen bei

Akt 8 - Showstopper

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Es werden eineinhalb Stunden, in denen ich dasitze wie gebannt. Schon die ersten Minuten reißen mich mit, die junge Hauptdarstellerin überzeugt sofort mit ihrem Können, ebenso ihr männlicher Partner, dessen kräftige Stimme den ganzen Saal erfüllt … doch dann, in dem Moment, in dem Mel auf der Bühne steht, in dem Moment, in dem er anfängt zu singen, wird mein gesamter Körper in Sekundenschnelle von einer Gänsehaut überzogen.

Ich starre ihn an, klammere mich an meinen Sitz und kann gar nicht in Worte fassen, welches Gefühl in mir herrscht. Aber muss ich das denn? Muss ich es so banal erklären, wie er mich mitreißt, wie er mich in seinen Bann zieht und an seinen Lippen hängen lässt? Reicht es nicht, wenn ich sage, dass ich meine Augen nicht von ihm nehmen kann und das Gefühl habe, noch nie eine so volle und mächtige Stimme gehört zu haben? Jegliche helle Note ist aus diesem Klang verschwunden, zurückgeblieben ist eine ergreifende Stimme, die von Liebe, Furcht und Hass singt … die mich mit der Rolle fiebern und bangen lässt, mit ihr trauern … und in jedem Moment, in dem er nicht auf der Bühne steht, in dem er als zweite männliche Hauptrolle nicht im Stück vorkommt, sehne ich danach, ihn erneut zu sehen … ihn im Zusammenspiel mit Carolin, welche ebenfalls so wunderschön singt, dass ich für einen Moment all meine Unsympathie vergesse und sie in Harmonie mit Mel einfach nur bewundere. Doch dann kommt dieser kurze Moment am Ende, in dem sie einander küssen, in dem sie sich in den Armen liegen und weinen, der Trennung wegen, die ihnen bevorsteht … es ist der Moment, der mir eine Träne die Wange hinab laufen lässt, und in dem ich gleichzeitig das Gefühl habe, Mel Carolins Armen entreißen zu wollen, weg von ihrem schönen, weiblichen Körper, von den voll Lippen … und die gesamte letzte Szene hindurch, in der es um das liebende Hauptdarstellerpaar geht, spüre ich diese aufgewühlten Gefühle in mir … die Gewissheit zerfrisst mich, dass es das nun war, dass heute Abend Mel nicht noch einmal für mich singen wird, mich nicht noch einmal so ergreifen wird, während ich gleichzeitig so viele andere Empfindungen spüre, die ich nicht verstehen kann … Und als der Vorhang fällt, habe ich das Gefühl, noch nie dermaßen gelitten zu haben.

Ich nehme nur nebenbei wahr, wie ich von der Seite angesprochen werde. Ich habe die Augen noch immer nach vorne gerichtet, auf den geschlossenen, dunkelblauen Vorhang, auf die Leute, die sich vor mir in Bewegung setzen … doch ich sehe all das nicht … ich weiß nicht, was ich sehe, doch es ist nichts, was gerade wirklich geschieht.

„Nate? Geht es dir gut?“, wird nun energischer auf mich eingesprochen, doch erst als schließlich eine Hand vor meinem Gesicht herumwedelt, drehe ich den Blick.

Ich sehe in Mels Gesicht.

Nein. Es ist Marcels …

Da erst wache ich auf.

Von einer Sekunde auf die andere stehe ich auf den Beinen.

„Das war … wow … ich meine …“

In meinem Kopf dreht sich alles und ich versuche ein Lachen, das mir garantiert nicht gelingt, wie ich in Jeanettes und Marcels Gesicht sehe.

„Frische Luft …“, stammle ich dann und dränge mich an ihnen vorbei, während mir sogleich bewusst wird, dass der Ausgang in der anderen Richtung viel näher liegt.

Ich fahre mir durch die Haare und atme durch, sehr tief durch … Ich schließe die Augen kurz, bis mir schwindelig wird und ich mich an einer Stuhllehne festhalte. Kurz darauf habe ich den Ausgang erreicht, laufe durch den Eingangsbereich bis hin zur frischen Luft. Hier erst bleibe ich wieder stehen.

Was war das gerade?

Wieso rast mein Herz so stark?

Wieso habe ich das Gefühl, von irgendwas erdrückt zu werden?

„Nate?“

Erschrocken fahre ich herum, als eine Hand mich berührt. Es ist Jeanette, die mich nun sorgenvoll ansieht.

„Was ist denn los? Du bist ganz blass …“, fragt sie und will die Hand nach meiner Stirn ausstrecken.

Ich weiche zurück.

„Mel … das war …“ Mir fehlen die Worte.

„Fantastisch, oder?“, lächelt sie.

„Ja.“ Das ist es nicht. Ich nicke. „Ja.“ Dann sehe ich mich um. „Wo ist er?“

„Ähm … Backstage?“, kommt es mit einem verwirrten Ton, der deutlich macht, dass mir das eigentlich klar sein sollte.

„Oh … ja … natürlich.“ Ich bleibe stehen und sehe mich erneut um. Marcels fragende Augen sehen mich an … und dann gehe ich los.

Ich dränge mich durch die Menschengruppen und bin schließlich vor der Tür angekommen, die ich zuvor mit Mel zusammen durchschritten habe. Ich halte inne. Ich darf hier nicht rein …

Ich schrecke zurück, als die Tür Sekunden später aufgeht. Ein geschminktes Frauengesicht guckt mich verdutzt und dann lächelnd an, bevor sie mich nicht weiter beachtet und ihren Weg fortsetzt. Kurz entschlossen tue ich dasselbe.

Die Luft hier drin scheint anders als zuvor, stickiger, wärmer, vielleicht durch die ganzen aufgeheizten Personen.

Ich suche Mel unter ihnen, weiß aber noch immer nicht, weshalb ich das tue … es ist mir egal, ich will nicht darüber nachdenken …

Als ich ihn sehe, zieht er sich gerade das schwarze Jackett über den Kopf, das er bei der letzten Szene getragen hat. Schnellen Schrittes bin ich bei ihm angekommen.

„Mel …“, bringe ich hervor, als ich hinter ihm stehe.

Sofort fährt er herum, ziemlich überrascht. „Nate … was machst du denn …“ Er bricht ab und bringt dann ein strahlendes Lächeln auf sein Gesicht. „Hat es dir gefallen?“, fragt er, während ich ihn nur anstarren kann und mir mit einem Mal wünsche, ihn an mich zu reißen.

„Ja … ja, hat es …“, stottere ich und berühre ihn an der Schulter. Sofort bleibt er stocksteif stehen.

Ich sehe ihn noch genauer an und will ihn küssen. Ich weiß nicht wieso, aber ich will ihn küssen.

„Mel … du warst …“

Ich hebe die Hand und berühre ihn am Hals, spüre die warme Haut unter meinen Fingern. Ich komme ihm näher und spüre, wie mein Herz rast. Ich will es einfach tun, egal welche Konsequenzen das mit sich bringt. Lass mich dich nur ein Mal küssen …

„Hey ihr!“, wird Mel mir entrissen.

Sofort zucke ich zurück, reiße die Hand herunter, die in der Luft schwebt, und schärfe irritiert mein Blickfeld. Vor mir steht Carolin, die die Arme um einen von Mel geschlungen hat und mich nun strahlend ansieht.

Ihre Augen strahlen nicht im Geringsten.

Ich schließe die Augen und habe das Gefühl, von einem Stein erschlagen worden zu sein.

„Worüber habt ihr geredet?“, fragt sie und ich öffne die Augen wieder, sehe Mel an, dessen Blick ebenfalls auf mir ruht. Dann sieht er weg, zu ihr.

„Über gar nichts. Nate ist grad erst gekommen.“ Er lächelt sie an. „Er hat gesagt, dass es ihm gefallen hat.“ Er sieht wieder mich an.

„Hat es das?“, zieht sie meinen Blick auf sich. „Das ist schön zu hören.“

„Ja.“ Ich zwinge mir ein Lächeln aufs Gesicht. „Das wollte ich nur loswerden. Ich warte draußen!“

Damit mache ich auf dem Absatz kehrt.

Draußen aus dem Backstagebereich sehe ich Marcel und Jeanette nur ein Stück entfernt. Dies hält mich auf, lässt mich die Richtung wechseln.

Hier hab ich doch vorhin irgendwo … ach da!

Schnell schlüpfe ich durch die Tür zu den Toiletten und erst als ich in einer der Kabinen stehe, halte ich endlich inne.

Was um Himmels Willen war das gerade?

Ich sinke auf dem geschlossenen Toilettensitz nieder wie ein Stein. Das Gefühl, meinen Kopf irgendwo gegen schlagen zu wollen, holt mich ein, doch natürlich gebe ich ihm nicht nach. Stattdessen schüttle ich meinen Kopf, wie um endlich diese Denkblockade verschwinden zu lassen.

So was ist mir ja noch nie passiert!

Habe ich mich überhaupt schon jemals so bescheuert aufgeführt?

Das war ja höchstpeinlich! Und vor allem so unnötig! So unglaublich unnötig!

Wieso hatte ich denn bitte das Bedürfnis, Mel zu küssen?

Ich verstehe es nicht … ich verstehe nicht, wieso mein Herz noch immer nicht normal schlägt … was ist denn bloß los? Das ist überhaupt nicht lustig!

Lange Minuten vergehen, bevor ich es schaffe, mich hochzureißen. Tief durchatmend verlasse ich die Toiletten und versuche, meine Schritte zu festigen. Einfach nicht mehr darüber nachdenken, habe ich beschlossen, einfach so tun, als sei nichts gewesen … einfach ganz normal sein!

„Nate, da bist du ja endlich!“, kommt Marcel auf mich zu. „Wir haben uns schon gefragt, wo du warst …“

„Sorry, mir war etwas übel …“, versuche ich ein Grinsen. „Ich glaub, das war die Luft da drin …“

„Ach so … ja …“

Er nickt und deutet dann hinter sich, wo ich die anderen drei erkenne. Mels Blick trifft mich und mir wird flau im Magen. Wie peinlich ich mich benommen habe!

„Wir können los“, verkündet Marcel mit mir im Schlepptau, bevor er mir erklärt, dass sie noch was trinken gehen wollten.

„Gern“, lächle ich und versuche immer noch, mich wieder vollends zu fangen.

Als wir einige Zeit später in der kleinen Bar ankommen, in der ich schon mit Marcel nach dem Fußballspiel gewesen bin, habe ich endlich das Gefühl, mich langsam selbst wiedergefunden zu haben. Ich bestelle mir ein Bier und schaffe es dann zum ersten Mal wieder, Mel direkt anzusehen.

„Es war wirklich toll!“, sage ich mit ernster, ehrlicher Stimme. „Carolin und du, ihr habt wirklich toll gespielt! Ich war ganz hin und weg.“

Mel wird leicht rot. „Vielen Dank“, lächelt er mich an. „Obwohl ich ein paar Mal improvisiert habe … an der einen Stelle in der Kammer hat zum Beispiel der Spiegel gefehlt …“

„Ja!“, lacht nun Carolin neben ihm. „An deiner Stelle wär ich glaub ich vollkommen durcheinander gekommen.“

„War ich!“, bestätigt er, „Und wie! Du kannst dir gar nicht vorstellen, was einem in einem solchen Moment durch den Kopf geht! Und du darfst dir ja nicht anmerken lassen, dass etwas nicht stimmt … Grausam, sag ich dir!“ Seine Augen fixieren mich.

„Kann ich mir vorstellen“, grinse ich. „Das erfordert wahrscheinlich viel Training, in solchen Momenten ruhig zu bleiben, oder?“

„Sehr viel sogar! Es gibt sogar einen Studienabschnitt, der sich unter anderem um Improvisation dreht.“

„Er war da immer besonders gut“, legt Carolin ihren Arm um Mel. Ich beobachte sie ungewöhnlich genau dabei. „Manchmal …“, fügt nun Marcel hinzu. „Wenn ich mit ihm geübt habe, hat er gesagt, ich solle einfach mal ein paar Zeilen weglassen oder stattdessen etwas anderes sagen … Das hat mir mehr abverlangt als ihm …“

„Stimmt gar nicht … du weißt, wie oft ich mich verhaspelt habe …“

„Man hat es aber nur selten gemerkt. Und heute hab ich’s auch nur gemerkt, da ich das Stück schon ein paar Mal gesehen habe …“

„Ich hab das auch nicht gemerkt“, stimme ich zu. „Sehr gut gemacht.“

„Danke.“ Mel strahlt mich an. „Schön, dass es dir gefallen hat.“

„Ja, das hat es.“ Ich sehe ihm tief in die Augen, bevor mir genau das bewusst wird und ich stattdessen mein Bier leere.

Einige Zeit nach Mitternacht machen wir uns auf den Rückweg. Carolin verabschiedet sich von uns und als sie Mel umarmt, wende ich mich fast automatisch Jeanette zu. Innerlich wundert es mich, dass Carolin geht.

„Wie lange bleibst du morgen eigentlich?“, fragt Mel, als er wieder bei uns ist und wir uns auf den Weg machen.

Ich zucke die Schultern. „Keine Ahnung, hab mir keine Zeit gesetzt …“

„Das ist schön“, sehe ich sein Lächeln.

„Weshalb?“

„Nur so.“ Er zuckt die Schultern. „Dann können wir was zusammen machen… die beiden haben morgen auch nichts vor …“ Er deutet auf das Pärchen neben uns. „… und da können wir den Tag zu viert genießen…“

„An was hast du gedacht?“, kommt es von meiner Rechten.

„Ich weiß nicht…“ Mel geht ein paar Schritte vor, dreht sich um, geht nun rückwärts weiter. „Wir könnten einfach was spielen… oder kochen… oder wir gehen weg…“ Er breitet die Arme aus. „Keine Ahnung, es gibt doch so viel, das man tun ka-“

„Vorsicht!“

Einen Schritt, dann reiße ich Mel an mich. Ihn schon fallen gesehen, rast mein Herz nun… und während ich seinen Körper an meinem spüre, wirbelt es in meinem Kopf herum, dass es nur ein Bordstein war. Nicht hoch… nur ein Bordstein!

Ich schließe die Augen, versuche zu atmen. Hitze strömt meine Fingerspitzen hinauf in meine Wangen. Dann spüre ich eine Bewegung.

„Das war knapp“, lacht Jeanette hinter mir.

Eine weitere Bewegung so dicht an mir lässt mich die Augen wieder öffnen. Ich sehe ihn an… und die Hitze von seinem Handgelenk strömt noch immer in mich hinein.

„Nate?“

Erschrocken springe ich zurück, von meinem Namen geweckt. Ich lasse ihn los und Kälte verschlingt mich… zusammen mit plötzlich eintretender Scham.

„Entschuldigung! Ich hab nur…“ Ich schüttle den Kopf, bewege mich… gehe wieder los. Ich kann keinen von ihnen ansehen. „Mein… Meine Schwester hat sich so mal den Knöchel gebrochen und….“

Ich verstumme als Mel neben mir aufgeholt hat. Er berührt meine Schulter.

„Danke“, lächelt er… und ich nicke, meine Lüge hinter einem Lächeln verschleiernd.

In der Wohnung angekommen trennen sich unsere Wege schnell. Jeanette, die ihr Gähnen die gesamte Zeit zu unterdrücken versuchte, verschwindet bald in Marcels Zimmer und er folgt ihr nach einigen Minuten mit den Worten, dass er bestimmt wie ein Stein schlafen wird.

Mel hilft mir dabei, das Laken über dem Sofa auszubreiten. Mittlerweile schaffe ich es wieder, ihn ganz normal anzusehen.

„Ich hab mal für ein paar Nächte hier geschlafen“, deutet er dann darauf. „Es war ziemlich unbequem.“

„Es geht“, zucke ich die Schultern. „Es ist okay.“

„Das ist gut.“ Ein Gähnen entweicht ihm.

„Du solltest auch ins Bett gehen“, erlöse ich ihn von dem Gefühl, noch etwas Zeit mit dem Gast verbringen zu müssen.

„Wahrscheinlich …“, gähnt er erneut und macht Anstalten, das Wohnzimmer zu verlassen.

„Sag mal … wieso schläft eigentlich Carolin nicht hier?“, entweicht mir in letzter Minute die Frage, die ich eigentlich nicht stellen wollte. Es geht mich nichts an!

„Wieso sollte sie?“

„Na, als deine Freundin ist das doch ganz normal …“

„Meine Freundin?“ Verwundert werde ich angesehen und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass er danach sogar etwas verärgert klingt. „Wer hat dir das denn gesagt?“

„Äh … niemand … aber, ich dachte …“

Er schüttelt den Kopf. „Zu viel gedacht. Sie ist nicht meine Freundin … und ich habe auch keinen Freund.“ Ein letzter Blick tief in meine Augen, bevor er sich umdreht und das Zimmer verlässt.

Wie erstarrt bleibe ich stehen und starre auf die leere Wohnzimmertür. Sekunden später geht im Flur das Licht aus. Ich sinke auf das Sofa nieder und versuche mir darüber klarzuwerden, was ich soeben erfahren habe.

Er … er ist …

Habe ich das falsch verstanden?

Nein, das kann nicht sein …

Er kann doch nicht wirklich auch …

Ich muss mich verhört haben!

Erschüttert verbiete ich mir alle weiteren Gedanken, lege mich hin und bete, dass der Schlaf schnell kommen mag.


Geweckt werde ich am nächsten Morgen von einer lächelnden Jeanette.

„Aufstehen“, sagt sie leise und nimmt die Hand wieder von meiner Schulter.

„Wie spät ist es?“, gähne ich, strecke mich auf dem Sofa und blinzle ins Tageslicht hinein.

„Neun Uhr. Marcel hat gesagt, ich solle dich wecken … Sorry.“

„Kein Problem! Das war gut so!“ Ich richte mich gähnend auf, strecke mich.

„Lass dir Zeit und mach dich erstmal fertig. Wir sind in der Küche …“ Damit richtet sie sich auf und geht Richtung Tür. „Ach, du trinkst Kaffee, oder?“

„Ja.“

Als sie verschwunden ist, sinke ich nochmals ins Sofa zurück. Ehrlich gesagt habe ich noch lange wach gelegen … und irgendwann habe ich wieder angefangen, über das Musical nachzudenken … darüber bin ich dann eingeschlafen und habe davon geträumt … in vollkommen übertriebener Dramatik …

Kopfschüttelnd schäle ich mich nun unter der Decke hervor und stehe auf. Ich schnappe mir meine Hose und mein Hemd vom Boden und mache mich damit auf den Weg zum Badezimmer. Schon wieder gähnend öffne ich die Tür und erstarre.

„’tschuldigung!“, reiße ich die Tür augenblicklich wieder zu und starre sie an, als habe ich einen Geist gesehen. Dabei war es nur Mel mit einer Zahlbürste im Mund … es war ja noch nicht mal irgendwas Anzügliches.

Über mich selbst den Kopf schüttelnd, trete ich einen Schritt von der Tür zurück. Aus der Küche höre ich Stimmen und leise Musik. Ich lehne mich gegen die Wand.

Eigentlich hätte ich einfach mit einem „Entschuldigung. Guten Morgen.“ die Tür wieder schließen können … aber nein, was mache ich?

Bescheuert … aber echt …

„Es ist jetzt frei“, reißt Mel mich aus meinen Gedanken, als er aus dem Bad kommt. Er lächelt mich an. „Guten Morgen.“

„Guten Morgen“, erwidere ich und frage mich dann, ob ich wohl rot bin.

Schnell verziehe ich mich ins Bad.

„Einen wunderschönen guten Morgen!“, werde ich auch von Marcel begrüßt, als ich die Küche wenig später betrete.

Ich erwidere es und lasse mich neben ihm auf dem freien Stuhl nieder.

„Hast du gut geschlafen?“

„Ich denke schon …“

„Das hört man gern! Und? Fit für den Tag?“

„Kommt drauf an.“ Ich schiele zu Mel. „Ich weiß ja noch nicht, was auf mich zukommt …“

„Wie wäre es damit?“, wird von der anderen Tischseite her eine Zeitungsseite nach oben gehalten.

„Rentner sollen zukünftig-“

„Nicht das!“, unterbricht Marcel seinen Bruder harsch und deutet auf ein kleines Feld am rechten Rand.

„Antiker Flohmarkt?“, lese nun ich vor.

„Genau.“ Er zieht die Zeitung wieder zurück. „Der ist heute und Jeanette ich wollen hingehen… Kommt ihr mit?“

„Hey! Vielleicht finde ich ja da diese komischen Ansteckdinger!“, sehe ich Mel heftig nicken, ehe ich selbst dazu kommen kann, irgendwie meine Zustimmung preiszugeben.

„Ansteckdinger?“, frage ich nun verwirrt.

„Ach, für ein Kostüm. Wir sollen Ende des Monats etwas fertig stellen und unserer Gruppe wurde die Zeit Napoleons zugeteilt. Naja, und Caro hat so genaue Vorstellungen davon, am liebsten hätte sie alles bis aufs kleinste verziert…“ Es werden die Augen gerollt.

„Willst du sie auch fragen, ob sie mitkommt?“, greift Marcel nach einem Marmeladenglas und lässt es einen Moment in der Luft schweben.

„Caro? Nein. Zu viert ist es doch irgendwie besser, oder?“, werde nun ich direkt angesehen. Dunkles Braun strahlt mir entgegen, verschlingt mich.  

Schnell wende ich mich der Butter zu.

„Ja“, sage ich und bete, dass das Thema gewechselt wird.

In meinem Kopf drehen sich wieder Mels Worte.

ENDE Akt 8

Showstopper:

Als Showstopper wird der Moment bezeichnet, in dem die Aufführung kurzzeitig unterbrechen muss, da es einen zu großen Applaus gibt, als dass einfach so weitergespielt werden kann.

Auf diesen Akt bezogen, sehe ich den kurzen „Ausfall“ von Nathanaels Denkvermögen als den Showstopper an, also sein Verhalten nach der Aufführung.

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