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Bring mir dein Lachen bei

Akt 6 - Ensemble

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Komischerweise wird Tobias’ Stimmung schlechter, umso näher wir dem Samstag kommen. Es ist ziemlich eindeutig, dass er sich nicht gerade darauf freut, mit mir zu Marcel und Mel zu fahren. Natürlich frage ich ihn diesbezüglich, frage ihn auch, ob ich allein fahren solle ... aber auf seinen Vorschlag, ganz abzusagen, gehe ich nicht ein. Fast entsteht daraus am Freitag auch wieder eine riesige Diskussion mit Streitpotential ... Ich sehe es einfach nicht ein, diese Verabredung abzusagen, nur weil mein Freund sich aus Eifersucht querstellt. Und ich verstehe diese Eifersucht nicht. Es gibt doch überhaupt keinen Grund dafür. Was macht ihn bloß so rasend, wenn es um die Zwillinge geht, die er doch gar nicht kennt?

Dementsprechend schlecht ist unsere Stimmung den gesamten Samstag hindurch. Während wir uns fertig machen, spricht Tobias kein Wort mit mir. Ich nehme es hin. Ich habe keine Lust mehr, sein ständiges Gemecker zu hören. Ich will mich darauf freuen, mit den beiden etwas zu machen – und da das schon ungewöhnlich genug für mich ist, will ich mir das ganze erst recht nicht mies machen lassen.

Auf der Fahrt wird Tobias Stimmung langsam wieder etwas besser. Er scheint sich zumindest ein wenig mit seinem Marterpfahl abgefunden zu haben oder sieht zumindest ein, dass er die Situation nicht ändern kann, so sehr er auch schmollt. Also versucht er, ein Gespräch in Gang zu bekommen, indem er über den Radiosprecher spricht, über die Lieder, über die Werbung ... Ich gehe darauf ein, obwohl ich die Themen dämlich und oberflächlich finde. Besser das als seine miese Laune.

Im Geheimen freue ich mich weiterhin. Es ist mir egal, dass es eine lange Autofahrt ist, es ist mir egal, dass ich diese Autofahrt auch wieder zurück vor mir habe, es ist mir einfach vollkommen gleichgültig, da ich etwas vorhabe, mit Leuten, die ich gut leiden kann. Ja, so ist es tatsächlich. Ich kenne ihn zwar noch nicht besonders gut, aber ich mag Marcel ... und ich mag auch Mel. Was auch immer der Grund ist, weshalb Marcel noch mal bei mir aufgetaucht ist, so ist er mir vollkommen gleichgültig geworden. Dies ganze verspricht eine Freundschaft zu werden und das ist gut, das ist sogar sehr gut ... denn eigentlich hat Tobias vor einer Woche recht gehabt: ich habe nicht wirklich Freunde.

„Hey! Da seid ihr ja!“, öffnet uns Marcel die Tür, als wir angekommen sind und ich Tobias noch ein letztes Mal gebeten habe, doch ein wenig fröhlicher zu wirken.

„Da sind wir“, grinse ich und trete an ihm vorbei in die Wohnung. Tobias folgt mir zögernd.

„Mel holt gerade Carolin ab, aber sie sollten gleich da sein, dann können wir los ...“, erklärt Marcel, während er uns voraus in die Küche geht. Dort steht eine junge Frau und strahlt uns an. „Und das ist Jea-“

„Lass das!“, sie schiebt Marcel zur Seite. „Ich hab dir schon tausend Mal gesagt, dass ich das dämlich finde!“ Ihr Blick wandert wieder zu uns und sie hält mir grinsend die Hand hin. „Hi, ich bin Jeanette ... und du bist?“

„Ich bin Nate ...“, greife ich lächelnd nach ihrer Hand und drehe mich dann ein Stück. „Und das ist mein Freund Tobias.“

„Siehst du! Das ist ganz normal!“

„Ruhe dahinten!“, ruft sie dem protestierenden Marcel zu, der sofort zu lachen anfängt. Dann dreht sie sich wieder Tobias zu und hält ihm die Hand hin, die er zu meiner Erleichterung sofort lächelnd ergreift. „Schön dich kennenzulernen.“

Diese Förmlichkeiten hinter uns gebracht, bietet Jeanette uns etwas zu trinken an.

„Die Fahrt war sicher anstrengend, oder?“, fragt sie, fast mit einem mitleidigen Ton in der Stimme.

„Ja, schon ...“, antworte ich ehrlich, woraufhin sie nur ein wenig verdutzt zurückblickt.

„In einer solchen Situation sagt man ‚Nein, sie war okay, immerhin hab ich mich auf den Abend gefreut‘ ...“, lacht Marcel neben mir und schubst mich ein Stück zur Seite, als er an einen der Schränke tritt und zwei Gläser herausnimmt.

„Du glaubst doch nicht, dass du mich so schnell ändern kannst?!“, grinse ich zurück und nehme dann dankend ein Glas mit Wasser entgegen. Im nächsten Moment spüre ich Tobias direkt an meiner Seite.

„Ich hab’s auch schon oft versucht ... es klappt nicht“, sagt er lachend, doch ich erkenne in seinen Augen, dass er es nicht so fröhlich meint. Was soll bloß diese Abwehrhaltung schon wieder?

„Ah! Da sind sie!“, verkündet Marcel aber im nächsten Moment auch schon, als man einen Schlüssel in der Tür hört. Schnell huscht er an mir vorbei in den Flur. „Man, hat das lange gedauert!“, begrüßt er die Neuankömmlinge.

„Caro ist Schuld! Sie war noch nicht fertig“, deutet Mel zwinkernd auf sie, bevor sein Blick mich trifft. Strahlend lächelnd sieht er mich an.

„Dann ist der schwarze Große da unten von euch?“, fragt er, auf uns zukommend.

„Ja, das ist meiner“, erwidere ich sein Lächeln, bevor ich Carolin ansehe, welche an Mels Arm hängt.

„Freut mich“, sage ich und halte ihr die Hand hin, stelle mich vor, stelle Tobias vor.

Ich sehe, wie sie Mel loslässt und dann sieht sie mir in die Augen. Ihr Blick ist freundlich und dennoch habe ich das Gefühl, etwas zu viel ernst darin zu sehen. Sie begrüßt uns, geht dann aber schnell an uns vorbei zu Jeanette. Den kühlen Eindruck, den sie bei mir hinterlässt, kann ich mir nicht ganz erklären.

„Wollen wir los?“, reißt mich Mels Stimme aus meinen Gedanken. Erst als ich ihn wieder ansehe, wird mir klar, dass es Marcel war, der gesprochen hat.

„Von mir aus gerne!“, höre ich Jeanette hinter mir hervorkommen.

Sie schlingt den Arm um meinen und zieht mich hinter sich her zur Tür. Mels lachende Augen verfolgen mich dabei, ebenso wie der scharfe Blick Tobias’. Ich zögere kurz, bevor ich nach seiner Hand fische und ihn mit mir ziehe. Warum ich gerade das Gefühl habe, irgendwas vorzeigen zu müssen, weiß ich nicht genau.

„Wir nehmen deinen Wagen!“, wird beschlossen, als wir unten ankommen.

„Aber ... wir sind doch sechs-“

„Na und? Wir machen es uns hinten schon bequem!“, verkündet Marcel und positioniert sich demonstrativ neben meinem Auto.

„Meinst du nicht, wir sollten lieber-“

„Ach komm schon. Es ist nicht sehr weit, wir werden sicher nicht angehalten ...“ Aus großen, extrem bittenden Augen sieht er mich flehend an.

„Was ein Hundeblick!“, kommentiere ich und nicke dann.

„Ich kann dem auch nie widerstehen!“, verkündet Jeanette hinter mir und ich bekomme gerade noch mit, dass Tobias etwas murrt. Was es war, verstehe ich allerdings nicht.

Ich schließe den Wagen auf und steige ein. Auf der Rückbank machen es sich zunächst die Zwillinge und Carolin bequem, bevor Jeanette auf Marcels Schoß klettert und dabei irgendwelche komischen Verrenkungen macht.

„Soll ich auch-“

„Ja, das wäre besser ...“

Hin und her wird rangiert, bevor sie verkünden, dass es losgehen kann. Die beiden Mädchen sitzen nun mit geduckten Köpfen auf ihren Freunden, die irgendwie eingequetscht wirken. Ich sehe Mel das Gesicht verziehen und kann mir ein Lachen nicht verkneifen, bis ich im nächsten Moment Tobias’ schrägen Blick sehe. Ich schlucke jegliche Worte, die mir auf der Zunge lagen, herunter und starte den Wagen.

„Alle noch am Leben?“, frage ich amüsiert, als wir nach einigen Parkplatzproblemen endlich angekommen sind.

„Halb halb ... ich muss mich erstmal entfalten ...“, stöhnt Jeanette, sich den Nacken reibend.

„Beschwer dich mal nicht! Wenigstens wurdest du nicht erdrückt!“

„Hörst du das, Mel?! Also echt, du musst deinem Bruder mal ein paar Manieren beibringen!“

„Das hab ich schon versucht, als wir noch so klein waren!“, deutet er etwa die Größe eines Fußballs an. „Aber nein, er konnte nicht aufhören, Mama zu treten!“

„Das war nicht ich, das warst du! DU wühlst beim Schlafen immerhin immer das halbe Bett durch!“

„Das ist nur, weil-“

„Genug!“ Lachend schlingt Jeanette die Arme um den Hals ihres Freundes, dann wendet sie ihren Blick Tobias und mir zu. „Was sich neckt, das liebt sich ... ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was ich schon alles für Kindheitsgeschichten oder Marotten der beiden kenne, allein durch diese Zickereien ... Wie zwei Frauen, ich sag’s dir!“

„Hallo~o, ich bin direkt neben dir, ich hör dich.“

„Wirklich Schatz?“ Ironisch grinsend sieht sie Marcel an, drückt ihm einen Kuss auf den Mund.

In dem Moment fällt mir Carolin auf, die irgendwie verloren neben Mel steht und nicht ein Lächeln zu Stande bekommt. Sie sollte sich mit Tobias zusammentun.

„Lasst uns reingehen“, fordere ich auf, um die beiden für den Moment zu erlösen.

„Gute Idee!“, setzt sich Tobias direkt in Bewegung und zieht dabei an meiner Hand. Mit einem Seitenblick auf die anderen gehe auch ich los. Mel erwidert meinen Blick als einziger für eine kurze Sekunde, bevor er sich zu Carolin dreht.

Da Marcel eine Bahn reserviert hat, werden wir direkt zur Bahn 5 verwiesen, nachdem wir unsere Schuhe bekommen haben. Irgendwie verwundert habe ich dabei festgestellt, dass Mel und Marcel verschiedene Größen genommen haben.

„Ich dachte immer, bei Zwillingen ist auch so was gleich ...“, sage ich, als ich neben Mel sitze und mir meine Schuhe binde.

„Was?“

„Die Schuhgröße.“

„Ach so. Nein, Marcel hatte schon immer eine Nummer größer als ich ... er ist sowieso etwas größer ...“

„Echt?“ Ich werfe Marcel, der mit Jeanette herumalbert, einen Blick zu. „Ich dachte, das machen die Haaren.“

„Zum größten Teil, ja. Es sind auch nur zwei Zentimeter, die fallen nicht sonderlich auf ... Aber dadurch bin ich wirklich der kleine Bruder ...“ Mel zwinkert mir zu. „Manchmal bildet Marcel sich sogar ein, mich beschützen zu müssen.“

„Und? Muss er das?“, rutscht mir die Frage heraus, ohne dass ich sie überhaupt gedacht habe.

Mit großen Augen werde ich angesehen. „Sehe ich so hilflos aus?“, runzelt er die Stirn.

„Nein, quatsch! Ich hab nur so gefragt, ohne Grund! Außerdem ...“ Ich zögere.

„Außerdem?“, sieht er mir neugierig in die Augen.

„Außerdem kenn ich dich noch nicht wirklich.“

„Stimmt. Das sollten wir ändern, meinst du nicht?“

„Ich-“

„Nate, was willst du trinken?“, unterbricht Tobias mich.

Ich hebe den Blick und sehe in sein Gesicht, welches deutlich das unterdrückten Missfallen zeigt.

„Bitter Lemon“, antworte ich mit nicht zu überhörendem Unterton.

Einen Moment lang funkelt er mich an, bevor er sich zum Gehen dreht. Als ich mich nun wieder Mel zuwenden will, stelle ich fest, dass dieser gar nicht mehr neben mir sitzt. An dem Eingabemonitor finde ich ihn wieder, wie er zusammen mit Carolin über irgendwas ratschlagt. Sie hat dabei den Kopf gegen seine Schulter gelegt. Ich starre die beiden an.

Erst als mir das bewusst wird, reiße ich mich los und stehe auf, gehe zu Marcel hinüber, der bei den Kugeln steht und scheinbar das richtige Gewicht sucht.

„Na du ...“, grinst er mich an, als er mich bemerkt. „Schön, dass ihr mitgekommen seid.“

„Ja, find ich auch.“

„Tobias weniger, oder? Hattet ihr Streit?“

„Nein. Er ist nur eifersüchtig.“

„Auf wen?“

„Keine Ahnung. Ich verstehe ihn nicht.“ Ich zucke mit den Schultern und greife nach einer grünen Kugel mit einer 12 darauf.

„Mel hat mir von eurem Telefongespräch erzählt und was du gesagt hast. Ich habe später überlegt, ob ich dich anrufen soll, hab es aber gelassen ... Hättest du reden wollen?“

„Wozu?“

Ein kurzes Auflachen. „Okay, das bist wohl wieder ganz du.“ Er klopft mir auf die Schulter. „Hast die gesamte Sache schon wieder verdaut, was?“

„Wahrscheinlich. Kann sie ja eh nicht ändern ...“

„Stimmt, aber manchmal ist es gut, darüber zu sprechen ...“

„Worüber?“, unterbricht Jeanette uns und hängt sich an Marcels Arm.

„Darüber wie schön du bist, mein Schatz, nur darüber ...“ Er küsst sie und schiebt sie dann zur Seite. „So Leute, lasst uns anfangen! Caro, du bist dran!“

Es dauert lange, bis ich mich eingespielt habe. Das liegt wahrscheinlich am meisten daran, dass ich in meinem Leben vielleicht ein halbes Dutzend Mal Bowlen war und das war gegen Ende meiner Schulzeit. Meine Eltern haben nie wirklich etwas von diesem „Sport“ gehalten, weshalb ich vielleicht unterbewusst genau diese Einstellung angenommen habe. Nun aber muss ich sie revidieren. Auch wenn ich nach Jeanette der Schlechteste von uns allen bin, macht es doch großen Spaß, die einzelnen Kugeln zu stoßen und ihnen hinterher zu fiebern ... oder sich darüber zu ärgern, dass schon wieder eine in die Bande gerollt ist.

„Das kann doch nicht wahr sein!“, lasse ich mich fluchend auf der Bank nieder, während Tobias an mir vorbei nach vorne geht.

Mel neben mir grinst mich an. „Ist doch nicht so schlimm ...“

„Das sagst du! Du liegst ja auch vorne!“

Er zuckt die Schultern. „Ein unnötiges Talent ... was bringt das schon ... da würde ich lieber andere Dinge können.“

„Trotzdem ist es deprimierend ...“

„Findest du das wirklich?“

Ich kann mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen und schüttle den Kopf. „Nein, es ist okay.“ Ich greife nach meinem Glas auf dem Tisch und trinke es leer.

„Willst du noch was?“, deutet Mel darauf.

„Hm, ja, es ist ziemlich warm hier ...“

„Warte, ich hol dir was, wollte selbst noch was trinken.“ Damit steht er auf und greift noch nach zwei anderen Gläsern, bevor er mir die Hand für meines hinhält.

Aus den Augenwinkeln sehe ich Carolin zum Aufstehen zucken. Ich komme ihr zuvor, keine Ahnung wieso.

„Ich komm mit“, lächle ich und greife nach zwei weiteren, leeren Gläsern.

„Gut. Leute, wir holen noch was zu trinken. Alle noch mal das Gleiche?“

Ein ziemlich einstimmiges Ja ertönt, nur Carolins intensiver Blick auf mich fällt mir auf und Tobias schweigt sich aus. Ich werfe ihm einen ernsten Blick zu. Er ist schon die ganze Zeit still und mürrisch drauf. Langsam kotzt es mich ziemlich an. Ich drehe mich um und folge Mel zur Bar.

Dort angekommen bestellt er fünf Getränke und lässt sich auf einem der Barhocker nieder.

„Und? Gefällt dir der Abend?“, werde ich mit festem Blick angesehen, nachdem ich mich ebenfalls gesetzt habe.

„Ja.“ Ich lächle. „Es ist wirklich schön hier und, naja, es macht Spaß ...“ Ich beuge mich etwas vor. „Aber lass Marcel nicht wissen, dass ich das Wort benutzt habe, ja?“, zwinkere ich.

„Ich schweige wie ein Grab, wenn es sein muss.“ Er beugt sich mir entgegen, so dass ich seinen Augen plötzlich ganz nah bin. „Noch irgendwelche mörderischen Geheimnisse, die der Herr loswerden will?“, werde ich genau angesehen. Ein Schauer läuft meinen Rücken hinunter.

„Ich denke nicht“, ziehe ich mich zurück, da mir die Nähe irgendwie zu nah wird. Mir ist heiß.

Mel nickt, sagt dann erstmal nichts mehr. Er sieht mich an und ich habe das Gefühl, in seinem Gesicht irgendwas zu suchen. Tatsächlich fallen mir nämlich immer wieder winzige Kleinigkeiten auf, die ihn von Marcel äußerlich unterscheiden. Zum Beispiel diese kleine Narbe unter dem rechten Auge ...

Fast ruckartig wende ich meinen Blick ab. Ich greife nach einem Bierdeckel. Erst als ich ihn bestimmt fünf Mal gedreht habe, wird er mir bewusst.

„Hat er den schon?“, sehe ich Mel an.

„Was?“ Fast etwas erschrocken sieht er aus, wie aus irgendwelchen Gedanken gerissen.

„Diesen Bierdeckel“, deute ich mit meinem Blick nach unten. Mels Augen folgen nur langsam.

„Ich glaube schon.“

„Schade.“

Ich lasse den Bierdeckel los und sehe ihn aber noch immer an. Dann sehe ich auf Mels Finger, die unruhig am Tresenrand herumfahren … und dann sehe ich wieder in sein Gesicht.

Er ist hübsch.

„Warum hat Tobias eigentlich keinen Spaß?“, unterbricht Mel mich, bevor ich den Gedanken weiterdenken kann.

Ich zucke die Schultern.

„Lass uns nicht darüber reden, das vermiest mir nur die Laune.“

„Läuft es bei euch nicht so gut?“

„Keine Ahnung. Das musst du ihn fragen. Er ist einfach schwierig. Er verlangt ständig Dinge von mir, die ich ihm nicht geben kann ...“

„Was denn zum Beispiel? ... Natürlich nur, wenn ich fragen darf!“

Ich nicke bedächtig. „Ich weiß nicht. Gefühle vielleicht. Er hat immer noch nicht begriffen, dass ich das einfach nicht so gut kann ...“

Mel legt den Kopf schief. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich so schlimm ist. Du wirkst gar nicht, wie ein Eisblock…“

„Oh, ich kann mich nur gut verstellen“, zwinkere ich.

Ein kurzes Lächeln. „Nein, im Ernst. Schau doch nur dein Lächeln in diesem Moment an …“

Überrascht bin ich kurz ratlos, was ich sagen soll.

„Es macht ja auch Spaß mit euch“, setze ich dann schnellstmöglich hinterher.

Seine Mundwinkel ziehen sich in die Höhe und mir fällt wieder dies niedliche Grübchen auf.

„Freut mich, dass du so denkst.“

„Ja. Aber ansonsten, ich weiß nicht ... es ist schwierig. Ich kenne das einfach nicht so richtig, weißt du ... meine Eltern waren auch immer sehr kühl ...“

„Und deshalb bist du es auch?“

„Wahrscheinlich. Oder mein Herz ist aus Stein.“

„Glaub ich nicht, du bist doch ganz warm.“

Mein Lächeln erstarrt in dem Moment, als Mels Hand die meine berührt. Sie ist etwas kälter als meine ... aber seine Finger sind ganz sanft.

Ich reiße mich von dem Gedanken los und suche nach Worten.

„Na, dann bin ich ja wenigstens ein Mensch, was?“ Damit stehe ich auf, denn ich sehe die Bardame mit einem Tablett zu uns kommen.

Auch Mel erhebt sich, dreht sich dem Tablett entgegen.

Ich starre auf seine gesträhnten Haare und frage mich, weshalb ich Enttäuschung in mir spüre.

Noch fast eineinhalb Stunden lang hält uns das Bowlingspiel auf Trapp, bevor Tobias ziemlich unmissverständlich deutlich macht, dass er nach Hause will.

„Wir fahren immerhin sehr lange“, meint er mürrisch, als es darum geht, ob wir eine weitere Runde spielen sollen oder nicht.

„Also nicht“, kommentiert Marcel, schenkt mir einen kritischen Blick und sinkt dann auf einer der Bänke nieder, um die Schuhe zu wechseln.

Ich habe das Gefühl, etwas sagen zu müssen, aber mir fällt nicht ein was, weshalb ich es ihm schließlich gleich tue und mich nicht zum ersten Mal an diesem Abend frage, weshalb ich Tobias eigentlich mitgenommen habe.

Die Stimmung ist deutlich unterkühlt auf dem Rückweg. Das Gelächter, das zuvor noch von der Rückbank gekommen ist, bleibt aus und ich blicke nur ein paar Mal durch den Rückspiegel nach hinten und treffe dabei auf Mels Auge, wenn er nicht gerade mit Caroline flüstert, die auf seinem Schoß sitzt. Mit ihr habe ich den gesamten Abend kaum ein Wort gewechselt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie etwas distanziert ist ... und das ist vielleicht ein Grund, weshalb ich noch keine Sympathie für sie gefunden habe.

Aber kann man einen Menschen nach einer so kurzen Zeit wirklich so grundlos nicht mögen?

Ich beschließe, nicht länger darüber nachzudenken, sehe zurück zur Straße. Es war ein schöner Abend, trotz allem mürrischen Tobias-Gehabe. Hoffentlich vermiest er mir meine Stimmung nicht völlig, wenn wir gleich alleine sein werden ...

Ich parke den Wagen am Straßenrand vor der Zwillingswohnung. Hier steige ich aus. Tobias bleibt sitzen.

„Es war toll“, wende ich mich an Marcel, als dieser aus dem Auto geklettert ist und seine Glieder streckt.

„Das freut mich“, grinst er. „Also können wir dich gerne wieder fragen?“

„Sehr gerne“, nicke ich.

„Gut! Da hätten wir auch direkt was.“ Er dreht sich ein Stück und zieht Mel am Arm herbei. „Wann war noch mal deine Aufführung?“

„Am nächsten Samstag.“ Mel sieht mich an, wirkt mit einem Mal etwas unsicher. „Wenn du willst, besorg ich dir eine Karte ... dann kannst du ... zuschauen ...“

„Welches Stück führt ihr denn auf?“

„Ist eher unbekannt ...“, meint Mel und nennt mir irgendein französisch klingendes Wort. Ich verstehe es nicht, oder kenne es nicht, frage aber auch nicht nach. „Ich ruf dich die Woche mal an und sag dir, wann genau du wo sein sollst ...“, fügt Mel hinzu.

„Es geht um Sieben los“, meldet sich in dem Moment Carolin hinter ihm zu Wort. Sie sieht mich an und irgendwie habe ich tatsächlich immer noch das Gefühl, den kühlen Blick vom Anfang zu spüren. Ihr Arm schlingt sich um Mels.

„Stimmt. Ich ...“

„Er ruft dich trotzdem noch an, nur um sicher zu gehen!“, unterbricht Marcel seinen Bruder und nickt mir zu. Sein Grinsen ist ziemlich breit.

„In Ordnung.“ Ich lächle. „Aber ich denke, ich fahre jetzt, sonst flippt er noch mehr aus ...“ Ich deute augenrollend nach hinten.

„Klar. Also dann! Bis nächste Woche!“

„Bis nächste Woche.“

„Und fahr vorsichtig!“, wirft Mel ein, sieht mich noch immer an.

„Mach ich“, erwidere ich den Blick, bevor ich mich umdrehe und um das Auto herumgehe. „Bis dann!“

Damit steige ich ein. Sofort trifft mich ein eiskalter Blick, den ich zu ignorieren versuche.

„Na endlich“, kommentiert er das ganze dann aber auch noch.

„Sei still Tobias. Ich habe jetzt keinen Bock darauf!“, sage ich und starte den Wagen. „Schlaf oder schmoll vor dich hin aber ich lass mir den Abend nicht noch mehr von dir verderben als ohnehin schon.“

„Ein Wunder, wie ... ... ... ast ...“

„Was?“, frage ich sein Genuschel nach, nicht sicher, ob ich es eigentlich hören will.

„Ein Wunder, wie du dich in der kurzen Zeit verändert hast!“, spricht er nun lauter. „Das ist echt erschreckend. Ich dachte immer, dass du-“

„Es reicht!“ Ich drehe die Musik auf, spüre, dass in mir schon wieder irgendwas zu brodeln beginnt.

Wieso um alles in der Welt habe ich ihn bloß mitgenommen?

Den Fehler mache ich nächste Woche ganz sicher nicht noch einmal!

ENDE Akt 6

Ensemble:

Kennt wohl jeder, dennoch die Erklärung: so wird der Cast beim Musical bezeichnet, bzw. die gesamte Gruppe der auftretenden Personen. In meinem Fall dachte ich bei der Titelvergabe an das Auftauchen von Carolin und Jeanette, welche die vielleicht wichtigste Personengruppe dieser Geschichte komplett machen.

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