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Enterprise - Krieg und Liebe im Weltraum - Staffel 6

Teil 23

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Etwas später saß Elbrun nur in Unterhose auf dem Sofa im Quartier. Sein Haar war noch leicht feucht von der Dusche, in der er versucht hatte, die letzten Stunden von sich abzuwaschen, er benutzte nicht die Schalldusche, sondern Wasser.

Aljoscha kam gerade aus dem Bad, trug eine einfache Schlafanzughose und ein T-Shirt. Er blieb kurz in der Tür stehen, betrachtete Elbrun und setzte sich dann neben ihn.

„Meinst du, wir haben das Richtige getan?“, fragte er leise.

Elbrun schwieg einen Moment, rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht und atmete tief aus.

„Ich weiß es nicht“, antwortete er schließlich. „Wir haben definitiv gegen die oberste Temporale Direktive verstoßen. Und wenn die Iconianer jemals zurückkehren, wenn sie Rache wollen ... wer weiß, ob sie sich nach 200.000 Jahren noch an uns erinnern. Aber ...“ Er hob den Blick, sah Aljoscha fest an. „Ich weiß nur eines: Ich kann noch in den Spiegel schauen.“

Aljoscha nickte langsam, ließ die Worte wirken. „Und was passiert jetzt?“

„Wir bleiben noch ein oder zwei Tage hier, um weiter zu beobachten.“ Elbruns Stimme war nun wieder nüchtern, fast sachlich. „Die Siegermächte haben begonnen, den Planeten zu plündern. Und sie bombardieren weiter, als wollten sie absolut sicher sein, dass kein einziger Iconianer überlebt.“

Aljoscha schnaubte leise. „Und wenn wir zurückkehren?“

Elbrun lehnte sich zurück, legte den Kopf gegen die Sofalehne. „Dann könnte es sein, dass ich verhaftet werde.“

„Was?“ Aljoscha drehte sich zu ihm, ungläubig.

„Ich habe gegen eines der obersten Gesetze der Föderation verstoßen.“ Seine Stimme war ruhig, fast zu ruhig. „Wenn ich Glück habe, ist nur meine Karriere vorbei. Vielleicht ... vielleicht lande ich im Gefängnis. Oder in einem Arbeitslager.“

Aljoscha starrte ihn an. „Du spinnst doch. Niemand wird dich dafür einsperren. Du hast Leben gerettet!“

Elbrun lächelte müde. „Das ist nicht immer der Punkt. Aber ich stelle mich lieber darauf ein.“

Es entstand eine lange Pause. Dann sprach Aljoscha leiser, nachdenklicher:

„Ich habe darüber nachgedacht ... vielleicht war es genau so vorherbestimmt. Dass wir diese Reise machen mussten. Dass wir die Iconianer retten mussten. Vielleicht ist das alles Teil der Zeitlinie.“

Elbrun zog eine Braue hoch, ein schwaches Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Ein Prädestinationsparadoxon? Durchaus möglich. Und vielleicht ... rettet mir genau dieses Argument den Hintern, wenn wir zurück sind.“

Aljoscha lehnte sich gegen ihn, ihre Schultern berührten sich. „Ich hoffe es. Denn wenn du fällst, falle ich mit dir.“

Elbrun legte einen Arm um ihn und zog ihn ein Stück näher. „Dann hoffe ich, dass wir beide stehen bleiben.“

Elbrun schüttelte leicht den Kopf.

„An dich. An den Mann, der niemals wegsieht, egal wie schwer es wird. Genau deswegen ...“ Aljoscha legte ihm eine Hand an die Wange, zwang ihn, ihn anzusehen. „… genau deswegen werde ich nicht zulassen, dass dich irgendjemand bricht.“

Elbrun hielt seinem Blick stand. Ein Muskel zuckte an seiner Kieferlinie, dann ließ er sich nach vorne sinken und küsste ihn. Es war kein vorsichtiger Kuss – er war fordernd, roh, voller aufgestauter Anspannung.

Aljoscha erwiderte ihn sofort, schob eine Hand in Elbruns noch feuchtes Haar. Die letzten Stunden, die Angst, der Kampf, das Blut – alles entlud sich in diesem Moment.

„Du riechst noch nach der Dusche“, murmelte Aljoscha atemlos, als ihre Lippen sich kurz lösten.

„Und du riechst nach Zuhause.“ Elbruns Stimme war rau, fast ein Knurren.

Sie bewegten sich wie von selbst, fielen halb auf das Sofa, halb aufeinander. Elbruns Hände glitten über Aljoschas Rücken, fanden den Saum seines T-Shirts und schoben es hoch.

Aljoscha lachte leise, kurz, fast erleichtert, bevor er sich wieder in den Kuss drückte.

Es war kein sanfter Moment – es war drängend, dringend, eine verzweifelte Bestätigung, dass sie beide noch hier waren. Jeder Atemzug, jeder Herzschlag schien zu schreien: Wir leben.

Später, als sie beide auf dem Sofa lagen, verschwitzt, erschöpft und nebeneinander atmend, griff Elbrun nach Aljoschas Hand.

„Ich liebe dich“, sagte er rau.

„Ich weiß.“ Aljoscha drückte seine Hand. „Und genau deswegen gehen wir da gemeinsam durch. Egal was kommt.“

Elbrun schloss für einen Moment die Augen, ließ die Worte wirken. Dann nickte er nur.

„Gemeinsam.“

Am nächsten Tag lag die Paradox immer noch im Orbit von Iconia.

Doch der Planet unter ihnen war nicht mehr derselbe.

Die fruchtbaren Ebenen, die leuchtenden Städte, die Tore – alles war fort.

Zurückgeblieben war eine verbrannte, graubraune Wüste, durchzogen von Kratern und verkohlten Ruinen, aus denen noch schwach Rauch aufstieg.

Elbrun stand auf der Brücke neben Aljoscha und sah schweigend auf das Hauptdisplay. Niemand sprach. Das Summen der Konsolen wirkte unpassend laut in der stillen Brücke.

Schließlich durchbrach Elbrun die Stille.

„Ich glaube, es gibt hier nichts mehr zu entdecken.“ Seine Stimme war ruhig, aber schwer. „Es wird Zeit, nach Hause zu gehen.“

Captain Zonara nickte langsam. „Ich stimme Ihnen zu, Admiral. Wir haben gesehen, was wir sehen mussten.“

Shalka, der andorianische Erste Offizier, wandte sich an die Brückencrew. „Laden Sie den temporalen Antrieb. Bereiten Sie die Phase vor.“

„Aye, Sir“, bestätigte der Steuermann. Ein leises Brummen erfüllte die Brücke, als die Systeme der Paradox hochfuhren. Die Anzeigen leuchteten in sanftem Blau, während die komplexen Berechnungen für den Sprung in die eigene Zeit durchgeführt wurden.

Aljoscha verschränkte die Arme und atmete tief durch. „Komisch“, murmelte er. „Man könnte meinen, wir wären nie hier gewesen. Und doch fühlt sich alles ... anders an.“

Elbrun legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter, drückte sie leicht. „Wir waren hier. Und wir haben etwas getan, das niemand je wissen wird. Aber vielleicht ... war es genau das, was geschehen musste.“

Captain Zonara warf den beiden einen kurzen, ernsten Blick zu. „Der Antrieb ist geladen. Auf Ihr Kommando, Admiral.“

Elbrun nickte, trat einen Schritt vor.

„Bringen Sie uns nach Hause.“

„Temporalen Antrieb aktivieren“, befahl Zonara.

Vor der Paradox öffnete sich erneut der violette Wirbel, größer und heller als beim ersten Mal. Die Brücke wurde in ein gleißendes Licht getaucht, als das Schiff von der Strömung erfasst wurde – und in die Zeit zurückriss, aus der sie gekommen waren.

Wenige Stunden, nachdem die Paradox in ihre Zeit zurückgekehrt war, brachen Elbrun, Aljoscha, Shunun und Jaynes mit der Captains-Yacht wieder auf.

Das kleine Schiff löste sich sanft von der Andocksektion und glitt in den Raum hinaus, bevor es Kurs auf die Dyson-Sphäre setzte.

Die Reise verlief ereignislos. Stille erfüllte den Innenraum der Yacht – keine hektischen Rufe, kein Alarm, nur das leise Summen des Warpantriebs.

Elbrun saß an der Konsole der seitlichen Arbeitsstation, das PADD fest in der Hand. Mit konzentrierter Miene begann er, seinen Bericht zu verfassen.

Er ließ kein Detail aus. Jedes Gespräch, jede Beobachtung, jede Handlung, bis hin zu dem Moment, in dem sie das Portal zerstört hatten.

Ab und zu hob er den Blick, starrte für einen Moment gedankenverloren in das Warp-Feld vor dem Fenster, dann schrieb er weiter.

Seine Stirn war leicht gerunzelt – nicht vor Unsicherheit, sondern vor der Schwere dessen, was er dokumentierte.

Aljoscha beobachtete ihn schweigend vom gegenüberliegenden Sitz aus. Erst als Elbrun das PADD kurz sinken ließ, um sich die Schläfen zu reiben, sagte er leise:

„Du beschönigst nichts, oder?“

„Nein.“ Elbrun schüttelte den Kopf. „Wenn ich diesen Bericht an Admiral Gromek schicke, dann so, dass sie alles weiß. Wir sind Zeugen des Falls von Iconia geworden. Sie hat das Recht, jedes Detail zu kennen.“

Shunun nickte nachdenklich. „Und Sie riskieren damit, dass Sie vor das Temporale Tribunal gestellt werden.“

Elbrun sah zu ihr hinüber, seine Augen dunkel, aber ruhig.

„Dann sei es so. Ich stehe zu dem, was wir getan haben.“

Niemand widersprach.

Die Yacht glitt weiter durch den Warp – still, als hielte sie selbst den Atem an.

Die Enterprise schwebte ruhig in der inneren Umlaufbahn der Dyson-Sphäre, als die Yacht in den Hangar glitt. Das Schott schloss sich, und der Druckausgleich erfolgte mit einem tiefen Zischen.

Elbrun wartete, bis die Klappe sich senkte, dann trat er hinaus, das PADD immer noch in der Hand.

„Zurück an Bord“, murmelte er, fast mehr zu sich selbst als zu den anderen.

Aljoscha fiel an seine Seite, während sie den Hangar verließen. „Du willst den Bericht sofort abschicken, oder?“

„Je eher, desto besser.“ Elbrun klang entschlossen, beinahe hart. „Gromek muss alles wissen. Und ich will nicht, dass sie denkt, ich würde irgendetwas verschweigen.“

Sie gingen gemeinsam zu seinem Bereitschaftsraum. Die Tür glitt auf, das vertraute Summen des Schiffes empfing sie.

Elbrun setzte sich sofort an den Schreibtisch, legte das PADD auf das Interface und rief den Übertragungskanal auf.

Auf dem Display erschien das Gesicht von Admiral Gromek, kühl wie immer.

„Admiral Tiran.“

Elbrun nickte knapp. „Admiral. Ich melde die erfolgreiche Rückkehr der Mission. Der vollständige Bericht ist auf diesem Kanal verschlüsselt. Ich habe keine Details ausgelassen.“

Gromek musterte ihn einige Sekunden lang schweigend, dann hob sie leicht eine Braue.

„Ich nehme an, das bedeutet, ich werde die nächsten Stunden damit verbringen, einen der umfangreichsten Missionsberichte der letzten Jahre zu lesen?“

„Ja, Ma’am.“

„Gut.“ Sie lehnte sich etwas zurück. „Ich werde mich melden, sobald ich ihn ausgewertet habe. Erwarten Sie ... kritische Fragen, Elbrun. Und seien Sie darauf gefasst, dass das Temporale Tribunal eingeschaltet wird.“

„Ich erwarte nichts anderes.“

Einen Moment war es still. Dann nickte Gromek langsam.

„Sie sehen nicht aus wie jemand, der Reue empfindet.“

„Empfinde ich auch nicht.“ Elbruns Stimme war ruhig, beinahe leise. „Ich kann noch in den Spiegel schauen. Das muss reichen.“

Gromek schnaubte leise. „Wir werden sehen, ob das Tribunal das auch so sieht. Gromek Ende.“

Der Bildschirm erlosch.

Aljoscha stand noch immer neben dem Schreibtisch und sah ihn an. „Und jetzt?“

Elbrun lehnte sich zurück, atmete tief durch und legte das PADD beiseite.

„Jetzt? Jetzt möchte ich etwas essen – und mit meinem Mann einen schönen Abend genießen.“

Ein schiefes Grinsen huschte über Aljoschas Gesicht. „Das klingt endlich mal nach einem Plan, der keine Temporale Direktive verletzt.“

Elbrun grinste zurück, leiser als sonst, aber ehrlich. „Dann komm mit.“

Sie gingen gemeinsam ins Quartier. Das Licht war schon gedimmt, als hätte das Schiff geahnt, was sie brauchten.

„Was essen wir?“, fragte Aljoscha und streifte sich die Uniformjacke ab.

„Egal. Hauptsache, es dauert nicht lange.“ Elbrun stand vor dem Replikator und rief zwei einfache Gerichte ab – nichts Besonderes, aber warm, nahrhaft, bequem.

Sie setzten sich an den kleinen Tisch, aßen schweigend, nur ab und zu kreuzten sich ihre Blicke. Es war keine unangenehme Stille – eher ein Ausatmen nach all den letzten Tagen.

Als die Teller leer waren, ließ Elbrun sie wortlos im Replikator verschwinden, drehte sich dann um und lehnte sich an die Kommode.

„Also ... Abend gerettet?“

„Fast.“ Aljoscha stand auf, trat zu ihm und legte die Hände an seine Hüften. „Da fehlt noch was.“

„Ach ja?“ Elbrun legte den Kopf leicht schief, ein Grinsen spielte um seine Lippen.

„Ja.“ Aljoscha zog ihn langsam in Richtung Couch. „Der Teil, bei dem du aufhörst, an Berichte und Admiräle zu denken.“

„Ich denke gerade nur an dich.“

Er ließ sich auf die Couch fallen, zog Aljoscha mit sich. Der lachte leise, bevor er sich an ihn schmiegte. Für einen langen Moment war nur ihr Atem zu hören, gleichmäßig, ruhig.

„Das,“ murmelte Aljoscha, „war wirklich ein guter Plan.“

„Dann sollten wir ihn öfter machen.“

Elbrun küsste ihn – langsam, ohne Eile, einfach weil sie es konnten.

Die Tage vergingen, und schließlich wurde die Enterprise zur Erde zurückbeordert. Elbrun wusste, dass es unausweichlich war: Er musste sich vor dem Sternenflottenkommando verantworten.

Der Saal des Flottenkommandos war groß, hell erleuchtet und voller Gewicht. Vor ihm saßen zwölf Flottenadmiräle, in zwei Reihen angeordnet, jeder mit einem eigenen Pult.

Elbrun stand aufrecht, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, die Uniform tadellos, sein Gesicht ausdruckslos.

Er erkannte einige der Anwesenden sofort: Samantha Gromek, die ihm den Einsatz genehmigt hatte, blickte ihn mit einem neutralen, aber wachsamen Blick an. Admiral Veta, Soval, Sendak, Mafalda Shinato und Lokinar waren ihm wohlgesinnt.

Gral und Silrek nickten ihm kaum merklich zu, ein stilles Zeichen, dass sie seine Arbeit respektierten.

Die anderen kannte er nur dem Namen nach: Mirko Lakonav, Jonak, T’Lara – ihr Gesicht war so undurchdringlich, wie es nur ein Vulkanier konnte – und schließlich Alynna Nechayev, deren Ruf für Härte und Konsequenz ihr weit vorausging.

„Admiral Tiran,“ begann Gromek schließlich, ihre Stimme so scharf wie ein Messer, „Sie stehen heute hier, um die Ereignisse Ihrer Mission zu Iconia zu erläutern. Im Rat gibt es Stimmen, die eine klare Verletzung der Obersten Temporalen Direktive sehen – und Stimmen, die Ihr Vorgehen als notwendigen Präzedenzfall betrachten.“

Elbrun hob den Kopf, ließ den Blick über die Runde gleiten, dann begann er mit ruhiger Stimme:

„Ich habe diese Mission durchgeführt, weil ich überzeugt war, dass wir uns nicht länger Blindheit leisten können, wenn es um die Iconianer geht. Ich habe jedes Risiko abgewogen, jede Entscheidung dokumentiert. Ja – wir haben uns eingemischt. Wir haben nicht nur beobachtet, wir haben Leben gerettet. Aber wenn Sie mich fragen, ob ich es bereue ...“

Er hielt kurz inne, atmete tief ein.

„Nein. Keine Sekunde. Ich stehe zu jeder Handlung, die mein Team und ich ausgeführt haben. Wenn Sie mich dafür belangen wollen – dann tun Sie es. Aber ich werde nicht hier stehen und behaupten, es sei ein Fehler gewesen.“

Ein Murmeln ging durch die Reihen der Admiräle, flüchtige Blicke wurden gewechselt.

Nechayev beugte sich leicht vor, die Hände verschränkt. „Sie geben also offen zu, dass Sie die Direktive bewusst gebrochen haben?“

„Ich gebe zu“, erwiderte Elbrun ruhig, „dass ich die Direktive vielleicht ... gebogen habe, um das Überleben einer ganzen Zivilisation zu sichern. Wenn Sie das ein Verbrechen nennen – dann bin ich schuldig.“

Es entstand eine lange Stille. Nur das Summen der Displays war zu hören.

Soval beugte sich leicht vor. „Admiral Tiran – Sie sagen, Sie hätten die Zukunft der Föderation sichern wollen. Aber können Sie ausschließen, dass Ihr Eingreifen nicht das Gegenteil bewirkt hat? Dass Sie vielleicht den Grundstein für einen künftigen Konflikt gelegt haben?“

Elbrun hielt stand, sein Blick unbeweglich. „Nein. Ausschließen kann ich es nicht. Aber ich weiß, dass Nichtstun an diesem Tag das Ende einer Kultur bedeutet hätte. Und ich werde nicht der Admiral sein, der im Nachhinein sagt: ‚Ich habe zugesehen, weil ich Angst vor Möglichkeiten hatte.‘ Wenn Sie mir ins Gesicht sagen können, Sie hätten in meiner Lage tatenlos zugesehen – dann bestrafen Sie mich. Ich stehe zu dem, was ich getan habe.“

Ein Murmeln ging durch die Reihen. Einige Admiräle wechselten Blicke.

Nechayev war die erste, die reagierte. Ihre Stimme war hart, aber ungewohnt leise. „Er hat recht. Ich weiß nicht, wie ich in derselben Situation gehandelt hätte.“

Gromek nickte kaum merklich. „Ich glaube, ich hätte ebenfalls geholfen.“

Silrek, die Klingonin, schlug mit der Faust auf ihr Pult. „Einem Volk beim Sterben zuzusehen ist unehrenhaft.“

Doch nicht alle Stimmen fielen zugunsten Elbruns aus. Mirko Lakonav presste die Lippen zusammen. „Admiral“, sagte er kühl, „Gefühle sind ehrenhaft — Disziplin ist überlebenswichtig. Sie haben eine Direktive gebrochen, die aus gutem Grund besteht. Die temporale Direktive schützt uns vor genau solchen Kaskaden.“

T’Lara blickte ihn mit kalter Gelassenheit an. „Wollen wir wirklich einen Präzedenzfall schaffen, in dem jedes ‚wohlmeinende‘ Eingreifen im Nachhinein als moralische Größe gefeiert wird?“ Ein Raunen lief durch den Saal; die Lager zeichnete sich nun deutlich ab.

Jonak erhob sich, die Stimme bedacht: „Wir stehen an einem Scheideweg. Auf der einen Seite das moralisch Gebotene — Leben retten. Auf der anderen die langfristigen Risiken. Beides sind gewichtige Argumente. Wir dürfen nicht in Ideologie verfallen.“

Gral, der bis dahin geschwiegen hatte, legte die Hände flach auf sein Pult. Sein Ton war nun bestimmend: „Genug. Dieses Gremium ist kein Tribunal der Empörung. Wir müssen sachlich entscheiden.“ Er richtete seinen Blick auf Elbrun. „Admiral Tiran hat gehandelt. Ob richtig oder nicht, das werden unabhängige Untersuchungen zeigen.“

Er wandte sich zum Rest des Rates. „Wir bilden eine Untersuchungskommission — ausgewogene Mitglieder, inklusive externer Experten für temporale Ethik und Historiker. Die Kommission erhält vollen Zugriff auf Ihre Logbücher, Admiral, alle Sensorprotokolle und die Zeugenaussagen der Paradox-Crew. Bis zum Abschluss der Untersuchung setzen wir Ihre operativen Vollmachten teilweise aus — nicht als Strafe, sondern aus Vorsicht. Sie bleiben Admiral, doch Sie werden vorläufig vom Kommando der Enterprise entbunden. Die Enterprise verbleibt hier bei der Erde. Weitere temporale Aktivitäten bedürfen einer höheren Genehmigung. Zudem: Sie werden den vollständigen Bericht persönlich erarbeiten und diesem Rat vorlegen.“

Nechayev runzelte die Stirn, nickte dann langsam. „Das ist vernünftig. Wir müssen sowohl die Gefahr als auch die Motive prüfen.“ Jonak murmelte etwas von Prinzip, stimmte dann aber ebenfalls zu.

Lokonavs Stimme zerschnitt die Stille wie ein Klingenhieb:

„Ich bin dagegen, dass er zurück auf die Enterprise darf. Er soll in Gewahrsam genommen werden – sofort. Damit er keine Berichte fälschen kann.“

Es war ein Todesurteil in einem einzigen Satz.

Gromek fuhr auf, ihre Hand schlug fast gegen das Pult. „Das ist doch nicht Ihr Ernst! Er ist einer der besten Offiziere, die wir haben —“

„Genug, Samantha,“ schnitt Lokonav ihr das Wort ab. „Die Regeln gelten auch für Helden.“

Für einen Moment knisterte der Saal von unausgesprochenen Worten. Alle Augen richteten sich auf Elbrun.

Dann sprach er selbst – ruhig, aber so fest, dass es wie ein Donnerschlag wirkte:

„Wenn mein Gewahrsam das Vertrauen dieses Gremiums sichert, dann akzeptiere ich es. Ich gehe dann gerne in eine Arestzelle. Nicht, weil ich schuldig bin – sondern weil ich nichts zu verbergen habe.“

Seine Stimme hallte in der plötzlichen Totenstille nach. Keine Spur von Angst, nur klare Entschlossenheit.

Gral schlug mit der flachen Hand auf sein Pult. „Das Gremium entscheidet. Admiral Tiran bleibt im Rang, seine Befugnisse werden suspendiert. Bis zur Untersuchung wird er in Gewahrsam genommen.“

Die Worte fielen wie ein endgültiges Urteil. Zwei Sicherheitsoffiziere traten hervor, ihre Schritte klangen wie Trommelschläge im großen Saal.

Elbrun richtete sich noch ein Stück auf, groß und unerschütterlich. Als die Offiziere ihn in die Mitte nahmen, drehte er den Kopf – suchte und fand Aljoschas Blick am Rande des Saales.

„Imzadi,“ sagte er leise, so dass nur Aljoscha es hören konnte. „Vergiss nie, warum wir es getan haben.“

Aljoscha machte einen Schritt nach vorn, die Stimme gebrochen: „Dann lass mich mit dir gehen. Ich bleibe nicht hier stehen, während sie dich wie einen Verbrecher abführen.“

Ein Lächeln huschte über Elbruns Gesicht – traurig, aber voller Zärtlichkeit. „Nein. Das ist mein Weg. Du musst bleiben.“

Die Offiziere legten die Hände an seine Arme. Elbrun ließ es geschehen – erhobenen Hauptes, ungebrochen.

Elbrun folgte den beiden Sicherheitsoffizieren durch die weiten Flure des Flottenkommandos. Jeder Schritt hallte auf den metallischen Böden wider, ein steter, drängender Rhythmus, der die Schwere der Situation unterstrich. Aljoscha blieb zurück, die Hände leicht erhoben, als wollte er Elbrun noch ein letztes stummes Versprechen senden.

Elbrun wurde in die Arestzelle geführt. Sie war schlicht eingerichtet: ein Bett, ein kleiner Tisch, das war alles. Die Sicherheitsoffiziere aktivierten das Kraftfeld, und dann blieb Elbrun alleine zurück. Er legte sich auf das Bett und versuchte, abzuschalten – was ihm auch ein wenig gelang.

Einige Zeit später bekam er Besuch. Es war Admiral Nechayev.

„Da haben Sie ja ein ganz schönes Chaos angerichtet. Nachdem Sie abgeführt wurden, brach die Diskussion erst richtig aus“, bemerkte sie.

„Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen, Sir“, sagte Elbrun und erhob sich.

„Weil ich den Ruf habe, hart zu sein?“, entgegnete sie. „Das stimmt, ich bin hart und befolge gerne die Regeln – genauso wie Sie. Wenn jemand wie Sie die Regeln bricht, dann nur aus einem wichtigen Grund, nicht aus einer Laune heraus. Dass Sie hier sind und dies selbst befürwortet haben, beweist genau das. Ich sage Ihnen eines: Sollte es zu einer Abstimmung kommen, stünde es neun zu zwei für Sie. Nur Lakonav und T’Lana würden gegen Sie stimmen, und Jonak würde sich wohl enthalten oder ist noch unentschlossen. Es sieht also gut für Sie aus.“

Elbrun setzte sich wieder auf das Bett, sein Blick blieb fest auf Nechayev gerichtet. „Dann würde es also bedeuten, dass die Mehrheit der Admiräle mein Vorgehen unterstützt, zumindest insgeheim?“

„Nicht insgeheim, Admiral“, antwortete Nechayev ruhig. „Viele haben lange darüber diskutiert. Es gab Anerkennung für Ihre Entschlossenheit, die Zivilisation zu retten – aber ebenso Sorgen über die langfristigen Konsequenzen. Ihre Handlung war eindeutig ein Präzedenzfall.“

Elbrun nickte langsam. „Ich weiß. Aber was, wenn mein Handeln genau so stattfinden sollte, die Zeitreise, die Rettung der Iconianer?“

Nechayev trat einen Schritt näher. „Sie haben Ihren Standpunkt klargemacht, Admiral. Die Frage war, ob das Tribunal Ihre Motive genauso sehen würde. Einige könnten argumentieren, dass selbst der edelste Zweck die Direktive verletzte – und damit Ihre persönliche Verantwortung hervorhob.“

„Das Risiko kannte ich“, sagte Elbrun gelassen. „Aber wissen Sie, Admiral, manchmal muss man bereit sein, die Verantwortung allein zu tragen. Ich habe das Team geschützt, die Crew und die Iconianer. Mehr konnte ich nicht tun.“

Nechayev nickte nachdenklich. „Sie haben nicht nur gehandelt, Sie haben kalkuliert. Und das war der Unterschied zwischen einem Befehlshaber und einem Rebell. Die Flotte wird das sehen – vielleicht nicht alle, aber die richtigen werden es verstehen.“

„Halten Sie nur Ihre Integrität, Admiral“, sagte Nechayev schließlich, ihre Stimme nun fest, aber respektvoll. „Das Tribunal wird urteilen, aber die Geschichte wird erkennen, dass Sie in dieser Mission das Richtige getan haben.“

Elbrun lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Es ist gut zu hören, dass Sie das so sehen. Ich weiß, dass nicht jeder meiner Schritte gefallen würde – aber das war unvermeidlich.“

Elbrun nickte erneut, ein Hauch von Erleichterung in seinen Augen. „Dann hoffe ich, Sie haben recht, Sir.“

Nechayev legte ihm die Hand auf die Schulter. „Sie haben die richtige Balance gefunden zwischen Pflicht und Moral. Halten Sie daran fest.“

Dann drehte sie sich um, verließ die Zelle und hinterließ Elbrun allein mit seinen Gedanken, bereit für das, was kommen mochte.

Am nächsten Tag wurde Elbrun intensiv verhört. Das Verhör fand in einem hellen, nüchtern eingerichteten Raum des Flottenkommandos statt. Ihm gegenüber saßen mehrere Offiziere und Mitglieder des temporalen Tribunals. Jeder Blick, jede Frage war präzise, darauf ausgelegt, jede Entscheidung, jedes Motiv zu prüfen.

„Admiral Tiran“, begann einer der Kommissare sachlich, „bitte erläutern Sie Schritt für Schritt, warum Sie gegen die Oberste Temporale Direktive verstoßen haben.“

Elbrun lehnte sich leicht zurück, hielt den Blick fest auf die Fragenden gerichtet und begann ruhig: „Ursprünglich war die Mission nur eine Beobachtungsmission. Wir wollten mehr über die Iconianer erfahren. Doch dann wurden sie angegriffen, das war der Punkt ihrer Auslöschung. Einer der Feinde hatte das Feuer auf uns eröffnet, ich zog meinen Phaser und feuerte zurück, um uns zu schützen. Die Paradox konnte uns nicht hochbeamen, das Signal war gestört. Dann fragte einer der Iconianer uns um Hilfe. Da ich auf die Iccobar gefeuert hatte, galten wir ohnehin schon als Feinde, also konnten wir den Iconianern helfen – sie waren verzweifelt, hoffnungslos. Hätte ich dabei zusehen sollen, wie sie abgeschlachtet werden? Ja, ich habe die Direktive gebrochen. Aber ich habe nicht leichtfertig gehandelt.“

Ein weiterer Offizier hakte nach: „Hatten Sie jemals Zweifel an den Konsequenzen Ihres Handelns?“

Elbrun atmete tief durch. „Jede Entscheidung, die wir treffen, trägt Risiken. Ich habe abgewogen und gehandelt. Ich stehe zu jeder Konsequenz. Ich kann zumindest noch in den Spiegel gucken.“

Die Fragen wurden intensiver, persönlicher, jede Wortwahl präzise analysiert. Elbrun blieb gelassen, antwortete ehrlich, ohne zu beschönigen, ohne zu rechtfertigen. Stunden vergingen, und das Tribunal schien jedes Detail, jede Nuance seines Handelns aufzunehmen.

Am Ende des Verhörs legte Elbrun die Hände ruhig auf den Tisch. „Ich habe alles gesagt, was ich sagen kann. Ich habe keine Angst vor Ihrer Entscheidung. Ich stehe zu dem, was wir getan haben.“

Ein Moment der Stille folgte, dann nickte der leitende Kommissar. „Das Verhör ist abgeschlossen. Ihre Aussagen werden in den Bericht aufgenommen.“

Die folgenden Tage verbrachte Elbrun zwischen kurzen Pausen in seiner Zelle und den immer wiederkehrenden Verhören. Das temporale Tribunal stellte präzise Fragen, analysierte jede Entscheidung, prüfte jede Reaktion, jedes Motiv. Mal waren die Fragen sachlich, mal persönlich; mal prüfte man seine Kenntnisse der temporalen Ethik, mal seine Einschätzung möglicher langfristiger Konsequenzen. Elbrun beantwortete alles ruhig, bedacht, ohne zu beschönigen, ohne Reue zu zeigen. Jede Antwort war nüchtern, klar, getragen von der Überzeugung, das Richtige getan zu haben.

Zwischendurch konnte er wenige Stunden Ruhe finden, die er dazu nutzte, nachzudenken, sich zu erholen und Aljoscha kurze, verschlüsselte Nachrichten zu senden, die dieser auf der Enterprise empfing. Jede Nachricht war ein stilles Versprechen, dass sie einander noch hatten, egal was kommen mochte.

Am vierten Tag nach Beginn der Verhöre trat der leitende Kommissar schließlich in den Raum, diesmal allein. Sein Gesicht wirkte ernst, doch nicht feindselig. Elbrun erhob sich, als der Kommissar ihn ansah, und blieb gespannt stehen.

„Admiral Tiran“, begann der Kommissar, „bitte kommen Sie mit.“ Elbrun wurde in den Großen Saal geführt, wo die zwölf Admirale bereits warteten und an ihren Pulten saßen. Der Kommissar fuhr fort: „Sie haben die Oberste Temporale Direktive verletzt. Doch Ihr Handeln rettete unzählige Leben, und Ihre Entscheidungen waren bewusst kalkuliert. Die Kommission empfiehlt, Sie zu ermahnen und einen Eintrag in Ihre Dienstakte vorzunehmen. Strafrechtliche Schritte werden nicht eingeleitet.“

Elbruns Schultern entspannten sich leicht. Ein Hauch von Erleichterung erschien in seinem Blick, doch seine Haltung blieb würdevoll, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Ist das alles?“, fragte er verwundert.

Der Kommissar nickte. „Das Tribunal hat die ethische Abwägung anerkannt. Sie haben Verantwortung übernommen, Admiral. Das ist nicht selbstverständlich.“

Elbrun neigte leicht das Haupt, dankbar für das nüchterne Urteil. „Ich habe getan, was getan werden musste.“

„Elbrun, wir stimmen dem Kommissar zu“, sprach Samantha Gromek.

„Sie sind damit wieder frei“, ergänzte Soval.

Elbruns Blick glitt über die Gesichter der Admiräle. Einige wirkten erleichtert, andere blieben maskenhaft neutral. Doch nur einer, Mirko Lakonav, saß starr da, die Augen voller unverhohlener Feindseligkeit.

Elbrun spürte sie wie einen Dolch, kalt und giftig. Er fragte sich im Stillen: Warum er? Warum dieser Hass?

Doch er ließ sich nichts anmerken. Er hob das Kinn, verschränkte die Hände erneut hinter dem Rücken – und stand da, als hätte er nicht nur einen Prozess überstanden, sondern eine Schlacht.

Als alle Formalitäten erledigt waren, verließ Elbrun das Gebäude. Die Türen des Flottenkommandos schlossen sich hinter ihm, und mit jedem Schritt hinaus auf den offenen Platz fühlte sich Elbruns Brust leichter an. Kein Urteil, keine Zelle mehr – nur der kühle Wind von San Francisco und die Freiheit, die er beinahe schon verloren geglaubt hatte.

Er sah die Menschen um sich herum, Offiziere, Kadetten, Zivilisten – alle gingen ihrer Wege, keiner wusste, welch Schwere eben noch über ihm gehangen hatte.

Doch einer wartete.

Am Rand der Stufen stand Aljoscha. Die Hände in den Taschen, die Schultern angespannt, als hätte er seit Stunden keinen Atem mehr gefunden. Als Elbrun ihn erblickte, huschte ein schwaches, ungläubiges Lächeln über Aljoschas Gesicht.

„Also?“, fragte er leise, als Elbrun näher kam.

Elbrun blieb einen Moment vor ihm stehen, sah ihm in die Augen – dann zog er ihn wortlos in eine Umarmung. Fest, fast hart, als wollte er die letzten Tage aus seinem Körper herausdrücken.

„Ich bin frei“, murmelte er gegen Aljoschas Schulter. „Ein Eintrag in die Akte, mehr nicht.“

Aljoscha lachte leise, aber da war auch Zittern in seiner Stimme. „Du bist verrückt. Du bringst dich fast um Kopf und Kragen – und kommst mit einer Notiz im Lebenslauf davon.“

„Ich bin eben überzeugend.“

„Nein,“ erwiderte Aljoscha und sah ihm direkt in die Augen, „du bist einfach zu stur, um unterzugehen.“

Elbrun grinste schief, aber in seinem Blick lag diesmal keine Härte mehr. Nur Erleichterung – und das stille Wissen, dass er hier, bei diesem Mann, angekommen war.

„Komm,“ sagte Aljoscha, legte ihm den Arm um die Schulter. „Lass uns irgendwo hingehen, wo es keine Admiräle gibt. Keine Tribunale. Nur wir zwei.“

Elbrun nickte, und zum ersten Mal seit Tagen klang seine Stimme weich:

„Genau das brauche ich jetzt.“

Gemeinsam stiegen sie die Stufen hinab – weg vom Flottenkommando, hinein in die Abendsonne, die über der Bucht lag.

San Francisco empfing sie mit goldenem Licht. Die Sonne stand tief, spiegelte sich im Wasser der Bucht und tauchte die Skyline in ein warmes Leuchten. Elbrun und Aljoscha hatten keine Worte nötig – sie gingen einfach nebeneinander her, über die Promenade, vorbei an Kadetten in roten Uniformen und Spaziergängern, die nichts von den Ereignissen im Flottenkommando ahnten.

Schließlich blieben sie bei einem kleinen Straßencafé stehen, das fast unscheinbar wirkte, aber draußen einfache Holztische unter einem Sonnensegel hatte. Kein Protokoll, keine Admiräle, keine Pflicht. Nur zwei Männer, die endlich wieder frei durchatmen konnten.

„Ich hätte nie gedacht, dass wir hier sitzen würden“, murmelte Aljoscha, während er sich in den Stuhl fallen ließ. „Noch gestern hab ich mir vorgestellt, wie ich dich in einer Arrestzelle besuchen muss.“

Elbrun bestellte zwei Gläser Wein und setzte sich ihm gegenüber. Er legte die Hände locker auf den Tisch, und sein Blick wurde weicher, fast nachdenklich.

„Ehrlich gesagt hab ich mir dasselbe vorgestellt. Aber weißt du was? In meinem Kopf hab ich dich trotzdem bei mir gesehen. Immer. Das war es, was mich durch die Verhöre getragen hat.“

Aljoscha blinzelte, dann schüttelte er leicht den Kopf. „Du kannst so ein furchtbarer Sturkopf sein. Aber manchmal ... manchmal ist das genau das, was uns rettet.“

Sie stießen an, sagten eine Weile nichts, sondern ließen die Normalität auf sich wirken – das leise Stimmengewirr der Menschen, der Geruch von frisch gebackenem Brot, das Glitzern der Sonne im Wasser.

Als die Sonne versank, suchten sie eine abgelegene Transporterplattform auf. Elbrun trat neben ihn, so nah, dass sich ihre Schultern berührten.

„Bereit?“, fragte Aljoscha leise.

„Immer – solange du bei mir bist.“

Ein letzter Blick auf die Bucht, dann hüllte sie das blaue Schimmern des Transporters ein.

Zurück auf der Enterprise rief Elbrun seine Dienstakte auf. Der Eintrag zum Verstoß gegen die Oberste Temporale Direktive war kaum mehr als eine Fußnote, ein unscheinbarer Satz am Rande. Elbrun starrte einen Moment auf die Zeilen, dann lehnte er sich zurück. Ein kleines, fast zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. Perfekt. Gerade diese kleine Narbe machte die Akte erst vollkommen.

Er war gerade dabei, es sich mit Aljoscha im Quartier gemütlich zu machen, als sich die Kommunikation meldete.

„Lieutenant Codga an Admiral Tiran. Eine Nachricht von Flottenadmiral Gromek.“

Elbrun richtete sich auf. „Stellen Sie sie hierher durch.“ Er trat zum Terminal, während Aljoscha sich etwas abseits hielt, die Arme verschränkt, aufmerksam lauschend.

Das Display flackerte – und Elbrun hob überrascht die Augenbrauen. Nicht nur Samantha Gromek sah ihn an, sondern auch Admiral Veta und Soval, die zu beiden Seiten neben ihr saßen.

„Ich bin überrascht, gleich drei Admiräle auf einmal zu sehen,“ sagte Elbrun trocken. „Was kann ich für Sie tun?“

Gromek beugte sich leicht vor. „Zuerst: Gratulation. Sie haben das Tribunal unbeschadet überstanden. Doch ...“ Ihre Stimme wurde schärfer. „Sie Idiot, haben Sie eigentlich eine Ahnung, welche Scherereien wir ihretwegen ausbaden mussten? Sie haben wieder einmal mehr Glück als Verstand gehabt.“

Elbrun lächelte schief. „Nun, ich habe von den Besten gelernt.“

Für einen Moment brach die Strenge – Gromek und Veta erlaubten sich ein Lächeln. Soval blieb, wie erwartet, unbewegt.

„Aber es gibt da noch etwas,“ sagte Veta. „Eine Frage, die uns beschäftigt. In welcher Verbindung stehen Sie zu Mirko Lakonav?“

Elbrun runzelte die Stirn. „Zu Lakonav? In gar keiner. Ich kenne ihn nicht.“

Soval neigte den Kopf minimal. „Sind Sie sich sicher?“

„Völlig.“

Gromek atmete leise durch, dann beugte sie sich vor, ihr Blick härter. „Lakonav hat alles versucht, um Sie zu Fall zu bringen. Seine Argumente waren scharf, seine Angriffe präzise – aber er war wie besessen davon, Sie zu bestrafen.“

Veta nickte langsam. „Wir sagen Ihnen das im Vertrauen: Die Abstimmung endete elf zu eins. Nur Lakonav stimmte gegen Sie – und er kämpfte bis zur letzten Sekunde, als ginge es um sein eigenes Leben.“

Elbrun schwieg. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden, sein Blick wurde schmal.

Soval war es, der die Stille brach. „Seien Sie vorsichtig, Admiral. Wir vermuten, er wird sich mit dieser Niederlage nicht zufriedengeben. Er könnte ... weitere Maßnahmen ergreifen.“

Das Terminal erlosch. Elbrun stand noch einen Moment stumm davor, die Hände locker zu Fäusten geballt. Hinter ihm trat Aljoscha näher, legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Das klang nicht nach einer Warnung, Elbrun,“ murmelte er leise. „Das klang nach einer Drohung.“

Kaum war die Verbindung zu Gromek beendet, meldete sich erneut Lieutenant Codga.

„Sir, Admiral Shinato möchte Sie sprechen.“

Elbrun unterdrückte ein Seufzen. „Stellen Sie durch.“

Das Terminal erwachte, und das Gesicht von Admiral Mafalda Shinato erschien. Ihre Augen funkelten streng.

„Elbrun“, begann sie, die Arme vor der Brust verschränkt, „wissen Sie eigentlich, welch ein Chaos Sie angerichtet haben? Sitzungen über Sitzungen, endlose Diskussionen, und alles nur, weil Sie mal wieder meinten, die Regeln seien ... flexibel.“

Elbrun lächelte schief, doch er wagte keinen Kommentar.

„Halten Sie sich nicht für zu clever, Elbrun“, fuhr sie fort, „Sie haben Glück, dass Ihre Motive so klar waren. Wäre nur der kleinste Zweifel geblieben, würden Sie diesen Anruf nicht in Ihrem Quartier entgegennehmen, sondern in einer Zelle.“

„Das ist mir bewusst, Admiral“, erwiderte er ruhig. „Aber ich stehe zu allem, was ich getan habe.“

Shinato musterte ihn einen Moment lang, bevor sie mit gesenkter Stimme weitersprach:

„Gut. Dann kommen wir zu dem, was wirklich zählt. Ich habe eine Frage: In welcher Verbindung stehen Sie zu Admiral Lakonav?“

Elbruns Stirn legte sich in Falten. „In keiner. Ich kenne ihn nicht persönlich.“

„Hm.“ Shinatos Blick verengte sich. „Dann ist es umso merkwürdiger, dass er sich so fanatisch gegen Sie gestemmt hat. Seine Argumentation war scharf, seine Haltung fast schon ... besessen. Er wollte Sie unter allen Umständen fallen sehen.“

Elbrun schwieg einen Moment, ehe er leise erwiderte: „Dann hat er wohl seine Gründe.“

Shinato nickte knapp, doch ihr Ton blieb ernst. „Seien Sie vorsichtig. Ein Mann, der so viel Energie auf Ihre Vernichtung verwendet, ist gefährlich – vor allem, wenn er nicht bekommt, was er will.“

Damit beendete sie die Übertragung.

Elbrun starrte noch lange auf das erloschene Terminal. In ihm nagte etwas, das stärker war als bloße Vorsicht – es war das Gefühl, dass dieser Schatten nicht so schnell verschwinden würde.

Der Abend nahm kein Ende.

Kaum hatte er sich wieder gesetzt, meldete sich Lokinar – dieselbe Frage: „Welche Verbindung haben Sie zu Lakonav?“

Dann Gral, dann Silrek, dann Sendak. Selbst Jonak, sonst immer bedächtig, und T’Lara, kühl wie eh und je, stellten dieselbe Frage. Immer wieder. Jedes Gespräch begann mit einer kurzen Bemerkung, endete mit dieser einen, bohrenden Frage.

Aljoscha warf Elbrun irgendwann einen Blick zu, halb genervt, halb besorgt. „Willst du noch wetten, wie viele es heute werden?“

Elbrun verzog nur die Lippen. „Es fehlt nur noch eine.“

Er hatte recht. Wenig später erschien Alynna Nechayev auf dem Schirm. Ihre Augen waren wie immer hart, doch ihre Stimme klang tiefer, ruhiger als sonst.

„Admiral Tiran“, begann sie, „ich will Sie nicht lange aufhalten. Aber ich habe eine Frage: Welche Verbindung haben Sie zu Admiral Lakonav?“

„Keine“, antwortete Elbrun knapp. „Ich kenne ihn nicht.“

Nechayev musterte ihn lange, ihr Blick war scharf, aber nicht feindlich. Schließlich nickte sie langsam.

„Gut. Ich glaube Ihnen.“ Sie machte eine kurze Pause, dann veränderte sich ihr Tonfall. Weniger Amtsstimme, mehr persönlich. „Und eines sollten Sie wissen: Sie haben in mir eine Freundin. Sollten Sie jemals wirklich Unterstützung brauchen – Sie können auf mich zählen.“

Mit diesen Worten endete die Verbindung.

Elbrun starrte auf das erloschene Terminal, während Aljoscha sich neben ihn setzte.

„Also“, sagte dieser leise, „alle wollen plötzlich wissen, ob du Lakonav kennst.“

„Ja.“ Elbruns Blick blieb dunkel. „Und das sagt mir, dass da mehr im Spiel ist, als bloß ein Admiral, der sich im Rat durchsetzen wollte.“

Aljoscha und Elbrun verbrachten den restlichen Abend so entspannt wie möglich. Sie aßen zusammen, redeten über Belanglosigkeiten, hielten die Schatten der letzten Tage bewusst von sich fern. Später zogen sie sich ins Bett zurück, suchten die Nähe des anderen – und fanden endlich Ruhe.

Doch am nächsten Morgen war Elbrun früh wach. Schlaf hatte ihn nicht lange gehalten; der Name Mirko Lakonav brannte sich immer wieder in seine Gedanken. Während Aljoscha noch ruhig neben ihm atmete, stand er auf, zog sich nicht einmal an und setzte sich direkt an den Schreibtisch.

Mit nacktem Oberkörper, die Stirn in Falten gelegt, rief er Lakonavs Dienstakte auf. Zeilen um Zeilen glitten über das Display, nüchterne Daten, aber für Elbrun war es mehr als bloße Information. Er las langsam, gründlich, suchte nach jedem Detail, das einen Hinweis geben konnte: Herkunft, Karriere, Beförderungen, Einsätze, politische Verbindungen.

Seine Augen blieben immer wieder an bestimmten Stellen hängen, während er innerlich abwog. Warum? fragte er sich. Warum dieser unbändige Hass?

Aljoscha regte sich schließlich im Bett, schlug die Augen halb geöffnet auf und sah zu ihm hinüber. „Du bist schon wieder am Arbeiten?“, murmelte er noch verschlafen.

„Nicht arbeiten“, antwortete Elbrun leise, ohne den Blick vom PADD zu heben. „Suchen.“

„Und? Hast du etwas gefunden?“, fragte Aljoscha und rieb sich den Schlaf aus den Augen.

Elbrun schüttelte den Kopf, ohne den Blick vom PADD zu heben. „Eine blitzblanke Dienstakte. Kein einziger negativer Eintrag, nichts. Ein Vorzeigeoffizier.“ Seine Stimme klang angespannt, fast frustriert.

Aljoscha richtete sich im Bett auf. „Aber irgendeine Verbindung muss es doch geben.“

„Ich weiß es nicht ...“ Elbruns Finger glitten über die Einträge, bis er plötzlich innehielt. „Moment.“ Seine Augen verengten sich. „Lakonav war auf der USS Endeavour stationiert. Zur selben Zeit wie mein Vater.“

Aljoscha runzelte die Stirn. „Dann könnte also etwas zwischen den beiden vorgefallen sein? Und jetzt will er es an dir auslassen?“

Elbrun nickte langsam, sein Blick war düster. „Absolut möglich. Wenn er meinem Vater feindlich gesinnt war ... könnte ich für ihn nichts anderes sein als der Sohn, an dem er seine Abneigung fortsetzt.“

Er lehnte sich zurück, starrte nachdenklich auf den Schirm, als würde sich in den Zeilen der Akte ein verborgenes Muster zeigen. Vielleicht lag der Ursprung dieses Hasses nicht in der Mission ... sondern Jahrzehnte zurück.

Etwas später saßen die beiden beim Frühstück. Elbrun hatte sich immer noch nicht die Mühe gemacht, sich anzuziehen – barfuß, nur in Unterhose, lehnte er lässig am Tisch. Aljoscha wirkte zumindest ein wenig zivilisierter, in Jogginghose und Unterhemd, den Kaffeebecher in der Hand.

„Was meinst du, was damals vorgefallen ist zwischen den beiden?“, fragte Aljoscha schließlich und musterte ihn nachdenklich.

Elbrun schob sein Besteck zur Seite, die Stirn in Falten gelegt. „Ich weiß es nicht. Vielleicht nur ein Streit. Vielleicht ... ein Verrat.“ Er schwieg einen Moment, dann hob er den Blick, entschlossener. „Aber eins ist klar: Ich werde meinen Vater kontaktieren. Wenn jemand die Wahrheit kennt, dann er.“

Aljoscha nickte langsam. „Dann hoffe ich, dass er bereit ist, sie dir auch zu erzählen.“

Ein kurzer, schwerer Moment der Stille folgte, nur unterbrochen vom Summen der Systeme der Enterprise – als würde selbst das Schiff lauschen.

Nach dem Frühstück zog Elbrun sich schließlich seine Uniform an und nahm Kontakt zur USS Malinche auf. Es dauerte einige Minuten, bis die Verbindung stand. Dann erschienen seine Eltern auf dem Bildschirm – Velik mit der gewohnten Gelassenheit, Linara etwas strenger.

„Es ist schön, dich zu sehen“, sagte sein Vater warm.

„Elbrun, was mussten wir von Admiral Gromek hören?“, fuhr Linara dazwischen, ihre Stirn gerunzelt. „Du hast in der Zeit rumgepfuscht?"

Elbrun verzog das Gesicht, druckste. „Naja ... so hart würde ich es nicht ausdrücken.“

„Du sollst uns doch keinen Ärger machen.“ Linaras Tonfall war ermahnend, fast mütterlich streng.

„Ach, lass den Jungen doch“, mischte sich Velik ein, und für einen Moment klang er mehr nach Betazoid als nach Vulkanier.

Linara atmete hörbar aus. „Nun, Elbrun ... du hast dich bestimmt nicht nur gemeldet, um ‚Hallo‘ zu sagen?“

„Nein“, antwortete Elbrun und wurde ernst. „Es gibt da etwas, das ich wissen muss. In welcher Beziehung steht ihr zu Flottenadmiral Mirko Lakonav?“

Linara wich seinem Blick aus, fast so, als wäre ihr etwas peinlich. Veliks Miene dagegen verfinsterte sich.

„Warum willst du das wissen?“, fragte er scharf.

„Weil er meine Karriere zerstören will“, entgegnete Elbrun.

Einen Moment herrschte Schweigen. Dann sprach Linara leise, beinahe widerwillig: „Elbrun ... Mirko war in mich verliebt.“

„Verliebt?“ Elbrun blinzelte fassungslos.

Velik nickte langsam. „Er dachte, er könnte deine Mutter mit Schmeicheleien oder Geschenken für sich gewinnen. Doch sie wählte mich. Lakonav war außer sich vor Eifersucht. Es kam zum Streit – ein hässlicher Streit. Schließlich wurde er von der Endeavour versetzt, weil er begann, deiner Mutter nachzustellen.“

„Er hat mich bedrängt“, fügte Linara mit leiser Stimme hinzu. „Er konnte nicht akzeptieren, dass mein Herz längst Velik gehörte.“

Veliks Augen funkelten dunkel. „Wenn dieser Mann nach all den Jahren immer noch auf Rache sinnt, dann ist er gefährlicher, als ich dachte. Er hat Geduld ... und offenbar ein sehr langes Gedächtnis.“

Elbrun atmete scharf aus, rang um Worte. „Moment ... ihr wollt mir sagen, der Mann will meine Karriere ruinieren – wegen verschmähter Liebe?“

Linara senkte den Blick, ihre Stimme bebte leicht. „Es ist meine Vergangenheit, Elbrun. Ich hätte dir früher davon erzählen sollen ... vielleicht hätten wir dich so besser vorbereitet.“

„Mutter, du hast dir nichts vorzuwerfen.“ Elbrun schüttelte den Kopf. „Seine Gefühle, sein Handeln – das war allein seine Entscheidung.“

Velik verschränkte die Arme, sein Blick fest auf den Sohn gerichtet. „Aber du musst verstehen: Solche Männer geben nicht auf. Er ist ein Offizier der Flotte, diszipliniert, ehrgeizig – und voller Groll. Ein gefährlicher Mix.“

„Er wird nicht ruhen, bis er glaubt, sich gerächt zu haben“, fügte Linara leise hinzu.

Elbrun ballte unbewusst die Fäuste, zwang sich dann aber, ruhig zu atmen. „Also versucht er, den Sohn für das zu bestrafen, was er beim Vater nicht konnte ... oder bei dir, Mutter.“

„Ja“, antwortete Velik knapp.

Für einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen. Das Gewicht der Vergangenheit lag spürbar im Raum.

Dann hob Elbrun den Kopf, sein Blick entschlossen. „Wenn er das Spiel so spielen will, dann soll er es tun. Aber er wird nicht gewinnen. Ich lasse mir nicht das nehmen, wofür ich gekämpft habe – und schon gar nicht von einem Mann, der von seiner eigenen Bitterkeit zerfressen ist.“

Velik nickte langsam, ein kaum wahrnehmbares Anzeichen von Stolz in seinem Blick. „So habe ich meinen Sohn erzogen. Wachsam, aber standhaft.“

Linara seufzte, die Hände gefaltet. „Elbrun ... sei vorsichtig. Männer wie Lakonav ... sie greifen nicht immer frontal an. Sie schlagen aus dem Schatten.“

Elbrun ließ sich zurück in seinen Sessel sinken, die Hände fest auf den Tisch gestützt. Sein Blick war scharf, unerschütterlich.

„Aber ich greife frontal an.“

„Elbrun, was hast du —“ begann Linara, doch da war die Verbindung schon abgebrochen. Der Bildschirm erlosch, das Gesicht seiner Mutter verschwand in der Schwärze.

Einen Augenblick lang blieb er still sitzen, das Summen der Systeme die einzige Begleitung. Seine Kiefermuskeln arbeiteten, während er sich aufrichtete. Dann atmete er tief durch, zog seine Uniformjacke glatt und verließ das Quartier.

Sein Schritt war fest, beinahe hart, als er durch die Korridore ging. Crewmitglieder, die ihm begegneten, spürten die Spannung, die ihn umgab, und wichen instinktiv beiseite. Er sah weder nach links noch nach rechts.

Schließlich erreichte er den Transporterraum. Die Türen glitten zischend auf, der diensthabende Offizier sprang sofort auf.

„Sir!“

„Bereiten Sie den Transport vor“, schnitt Elbrun ihm knapp das Wort ab. „Ziel: Flottenhauptquartier, San Francisco.“

Der Offizier blinzelte überrascht, nickte dann hastig und begann, die Koordinaten einzugeben. Elbrun trat auf die Plattform, die Hände verschränkt, der Blick entschlossen nach vorne gerichtet.

Er war fertig damit, aus der Defensive zu handeln. Jetzt wollte er Antworten. Direkt von Mirko Lakonav.

Nachdem er sich materialisiert hatte, stürmte Elbrun ohne zu zögern durch die Korridore des Hauptquartiers. Jeder Schritt hallte entschlossen, jeder Blick verriet, dass er sich von niemandem aufhalten lassen würde. Vor Lakonavs Büro hielt er nicht einmal inne – die Tür glitt auf, und Elbrun trat ohne Ankündigung ein.

Lakonav fuhr erschrocken auf, die Augen blitzten vor Zorn. „Was zum Teufel fällt Ihnen ein? Raus aus meinem Büro, sofort!“

„Ganz bestimmt nicht.“ Elbruns Stimme war eiskalt, schneidend. „Ich will Antworten. Und zwar sofort.“

Mit einer demonstrativen Geste nahm er seinen Kommunikator ab und legte ihn mitten auf Lakonavs Schreibtisch. „Inoffiziell.“

Lakonav starrte ihn an, dann griff er langsam nach seinem eigenen Gerät und legte es ebenfalls beiseite. „Also schön“, knurrte er. „Was wollen Sie?“

„Lassen Sie endlich Ihren Hass auf meine Eltern ruhen. Und vor allem hören Sie auf, ihn an mir auszulassen.“

Lakonavs Gesicht verzerrte sich zu einem bitteren Lächeln. „Hass? Auf Ihre Eltern? Nein ... nur auf Ihren Vater. Linara war meine große Liebe. Und Ihr Vater hat sie mir genommen.“

„Das erzählt mir meine Mutter aber anders“, erwiderte Elbrun, die Stimme hart wie Stahl.

Lakonav trat näher, seine Augen bohrten sich in Elbruns. „Sie haben keine Ahnung. Sie ...“ Er stockte, dann flackerte ein verächtliches Funkeln in seinem Blick. „Sie sehen genauso aus wie er. Als stünde Velik Tiran persönlich vor mir. Nur diese verfluchten Ohren – nicht ganz so spitz. Aber der Rest ... derselbe arrogante, selbstgefällige Ausdruck. Sie widern mich an.“

Ein schweres Schweigen lag im Raum. Elbrun spürte die ganze Schwere von Jahrzehnten, die sich in diesem Mann aufgestaut hatten. Hass, Eifersucht, unerfüllte Sehnsucht – alles prallte nun auf ihn.

Elbrun blieb regungslos stehen, seine Augen kalt, die Hände locker hinter dem Rücken verschränkt. Nur seine Stimme durchbrach das giftige Schweigen.

„Sie haben Jahrzehnte gebraucht, um diesen Hass zu nähren. Und alles, weil meine Mutter Sie nicht wollte? Weil mein Vater der Mann war, für den sie sich entschieden hat? Sie nennen mich selbstgefällig? Nein, Admiral, was Sie hier zeigen, ist nichts anderes als erbärmliche Besessenheit.“

Lakonavs Adern an der Schläfe zuckten, seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Passen Sie auf, Tiran. Sie wissen nicht, mit wem Sie sich anlegen. Ich habe Einfluss, Verbündete – mehr, als Sie ahnen. Ein falsches Wort von mir, und Ihre Karriere ist Geschichte.“

Elbrun machte einen Schritt nach vorne, stand nun so nah, dass sie sich fast berührten. Sein Blick war unerschütterlich. „Versuchen Sie es. Aber eines sage ich Ihnen, Lakonav: Ich lasse mich nicht von den Geistern Ihrer verpatzten Vergangenheit vernichten. Wenn Sie es auf mich abgesehen haben, dann tun Sie es offen. Spielen Sie nicht das Tribunal gegen mich aus wie ein feiger Schattenkämpfer. Haben Sie den Mut, Ihren Hass beim Namen zu nennen – oder halten Sie endlich den Mund.“

Lakonav atmete schwer, seine Wut war greifbar. Dann lachte er kurz, hart und ohne Freude. „Sie sind wirklich wie Ihr Vater. Dieselbe Arroganz. Dieselbe Haltung. Und wissen Sie was? Genau deshalb werde ich Sie zerstören. Schritt für Schritt. Bis Ihnen niemand mehr glaubt, bis niemand mehr an Ihrer Seite steht.“

Elbrun erwiderte das Lachen nicht. Stattdessen senkte er die Stimme, so tief und ruhig, dass jedes Wort wie ein Dolch wirkte. „Da irren Sie sich. Ich stehe nicht allein. Ich habe eine Crew, die zu mir steht. Ich habe Admiräle, die meine Entscheidungen nachvollziehen. Ich habe viele Freunde in der gesammten Sternenflotte. Und ich habe eine Wahrheit, die stärker ist als Ihre alten Wunden. Also ... kommen Sie ruhig. Aber seien Sie sich sicher: Wenn Sie diesen Weg gehen, dann gibt es kein Zurück.“

Für einen Moment zitterte die Luft zwischen ihnen – zwei Männer, gebunden durch die Schatten der Vergangenheit, aber getrennt durch eine unüberwindbare Kluft.

Lakonavs Gesicht verzerrte sich, erst wutrot, dann zuckte es unkontrolliert. „Sie spielen mit mir, Tiran?“, keuchte er, seine Stimme kaum noch Worte, mehr ein wildes Bellen. „Sie machen Witze auf Kosten meiner Ehre?“

Elbrun blieb ruhig stehen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Ich habe nichts gespielt, Admiral. Sie hingegen ...“

Lakonavs Augen blitzten. Ohne jede Vorwarnung riss er ein PADD vom Schreibtisch und stürzte sich auf Elbrun. Mit einem wütenden Schrei warf er ihn zu Boden, packte ihn am Hals und begann, ihn zu würgen.

Der erste Sicherheitsoffizier im Türrahmen reagierte sofort, weitere stürmten herein. Binnen Sekunden waren vier uniformierte Männer im Raum. Zwei zogen an Lakonav, versuchten ihn von Elbrun zu lösen. Doch Lakonav kämpfte wie ein Rasender. Er schlug um sich, trat, fluchte, seine Stimme überschlug sich. „Du wirst alles verlieren, Tiran! Ich schwöre es dir!“

Die Sicherheitsleute arbeiteten routiniert, packten ihn an den Armen, drehten die Handgelenke, pressten ihn zu Boden. Schließlich sackte Lakonav auf die Knie, schnaubend, außer Kontrolle. Mit einem metallischen Klicken schlossen sich die Fesseln um seine Handgelenke.

„Admiral Lakonav, Sie sind unter Arrest wegen Behinderung eines Offiziers, Beleidigung, Körperverletzung, Störung des Dienstbetriebs und versuchten Mordes“, erklärte der ranghöchste Sicherheitsmann kühl. Zwei Offiziere zerrten Lakonav zur Tür. Er wehrte sich noch, schrie Drohungen und Flüche, bis seine Stimme im Korridor verhallte.

Elbrun lag noch am Boden, rang nach Luft, die Hand an seinem Hals. Zwei Sicherheitsoffiziere knieten bei ihm, halfen ihm aufzusetzen.

Da öffnete sich die Tür erneut, und Admiral Alynna Nechayev trat ein. Ihre Augen blitzten, ernst und scharf. „Elbrun, sind Sie in Ordnung?“

Elbrun hustete, brachte mit rauer Stimme hervor: „Ja ... es geht schon.“

„Aber wieso sind Sie hier — und die Sicherheit gleich dazu?“, fragte er dann, noch keuchend.

Nechayev trat näher, die Arme vor der Brust verschränkt. „Ich habe gesehen, wie Sie in Lakonavs Büro gestürmt sind. Da wusste ich, dass etwas geschehen würde. Ich habe zugehört, und als ich merkte, dass es aus dem Ruder lief, rief ich die Sicherheit. Wie sich zeigt — völlig zu Recht.“

Wenig später saß Elbrun auf einer Krankenstation des Flottenkommandos. Ein Arzt scannte ihn sorgfältig, prüfte Hals und Luftröhre, während Elbrun still auf der Liege blieb. „Keine ernsthaften Verletzungen“, stellte der Arzt schließlich fest. „Leichte Hämatome und Reizungen durch den Würgegriff, aber nichts, was nicht in ein paar Tagen verheilt.“

Elbrun nickte knapp. „Gut. Dann verschwenden wir keine Zeit.“

Kurz darauf befand er sich in einem Befragungsraum, wo er eine offizielle Aussage zum Vorfall machte. Ruhig, präzise schilderte er jedes Detail: Lakonavs Wutausbruch, die körperliche Attacke, die Rolle der Sicherheitsoffiziere und Admiral Nechayevs Eingreifen. Er ließ nichts aus, verzichtete aber auf jede Ausschmückung. Seine Worte waren nüchtern, klar – und sie zeichneten ein Bild, das keine Fragen offenließ.

Als die Formalitäten beendet waren, erhielt Elbrun die Erlaubnis, zurück auf die Enterprise zu kehren. Ein schwaches Schimmern erfasste ihn, und im nächsten Moment materialisierte er sich im vertrauten Transporterraum.

Aljoscha wartete dort bereits. Kaum, dass der Energiestrahl verblasst war, trat er einen Schritt näher, seine Augen voller Besorgnis. „Elbrun!“

„Mir geht’s gut“, beruhigte Elbrun ihn sofort, auch wenn seine Stimme noch leicht rau klang. „Er hat es nicht lange geschafft, Druck auszuüben.“

Sie gingen gemeinsam Richtung Quartier, und Elbrun erzählte auf dem Weg alles: Lakonavs Ausbruch, seine Obsession mit der Vergangenheit, der Moment, als er die Beherrschung völlig verlor. Aljoscha schwieg zunächst, hörte nur zu, die Hände fest an seiner Seite verschränkt.

Als Elbrun geendet hatte, blieben sie vor ihrer Tür stehen. Aljoscha atmete tief durch, dann legte er eine Hand an Elbruns Schulter. „Das war knapp. Zu knapp. Aber du hast ihn entlarvt – jetzt weiß jeder, wie er wirklich ist.“

Elbrun nickte, ein Schatten von Müdigkeit in seinen Augen. „Vielleicht. Aber das war erst der Anfang.“

Gemeinsam traten sie in ihr Quartier, die Tür schloss sich lautlos hinter ihnen.

Aljoscha ließ sich aufs Sofa fallen, die Arme verschränkt, und musterte Elbrun mit einem schiefen Grinsen.

„Aber eines überrascht mich wirklich: Wie hast du es geschafft, dass Bitchayev dich anscheinend mag?“

Elbrun blieb im Türrahmen stehen, blinzelte ihn mit gespielter Entrüstung an. „Nenn sie nicht so. Sie mag hart wirken, ja – aber eigentlich ist sie ganz nett.“

Aljoscha hob beide Brauen. „Nett? Wir reden von derselben Alynna Nechayev? Die Frau, die angeblich mal einen ganzen Sektor im Alleingang verängstigt haben soll? Das hätte ich nun wirklich nie gedacht, dass ich dich mal Nechayev verteidigen höre.“

Elbrun zuckte die Schultern, setzte sich schließlich neben ihn. „Vielleicht kennst du sie einfach nur aus den falschen Geschichten. Hinter all dem Stahl steckt Verstand – und, wenn man genau hinsieht, sogar ein Hauch von Menschlichkeit.“

„Oder du bist einfach der Einzige, der es schafft, das bei ihr auszugraben.“ Aljoscha beugte sich näher, seine Stimme halb belustigt, halb warm. „Wie machst du das eigentlich? Leute, die dich zuerst verurteilen wollen, enden am Ende oft auf deiner Seite.“

Elbrun grinste leicht, legte den Arm um seine Schultern. „Vielleicht liegt das daran, dass ich rechthabe.“

Aljoscha verdrehte die Augen. „Natürlich. Bescheidenheit war noch nie deine Stärke.“

Elbrun neigte sich näher, sein Ton nun ruhig, fast ernst. „Falsch. Ich war nie bescheiden – und ich weiß es. Aber vielleicht ist das auch gut so. Wenn man zu oft zögert oder sich klein macht, verliert man die Momente, in denen man handeln muss.“

Aljoscha atmete leise aus, ließ die Stirn einen Augenblick gegen Elbruns Schulter sinken. „Das ist zumindest eine ehrliche Antwort.“

Elbrun legte eine Hand an seinen Nacken, hielt ihn sanft. „Ich rede mich nicht raus, Aljoscha. Nicht bei dir. Du weißt genau, wer ich bin – mit allen Fehlern.“

Langsam hob Aljoscha den Kopf, sah ihn lange an. Ein kleines, schiefes Lächeln spielte um seine Lippen, diesmal leiser, ernster. „Ja. Und trotzdem bin ich hier.“

Elbrun erwiderte den Blick, für einen Moment stumm, dann beugte er sich vor und küsste ihn – nicht flüchtig, sondern fest, fast dankbar.

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