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Enterprise - Krieg und Liebe im Weltraum - Staffel 6

Teil 22

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Wenig später ertönte der Kommunikator.

„Brücke an Admiral Tiran“, meldete Zonaras Stimme klar.

Elbrun, der im Quartier auf dem Sofa saß, richtete sich sofort auf. „Sprechen Sie.“

„Sir, wir sind bereit.“

„Wir sind auf dem Weg.“

Er warf Aljoscha einen kurzen Blick zu, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Brücke. Elbrun spürte, wie die Vorfreude in ihm wuchs – wie ein leises Kribbeln unter der Haut. Aljoscha hingegen war stiller, fast angespannt.

Die Türen der Brücke glitten beiseite, und Captain Zonara drehte sich zu ihnen um. „Wir sind startklar, Admiral. Sobald Sie den Befehl geben.“

Elbrun schüttelte leicht den Kopf. „Danke, Captain. Aber das ist Ihr Schiff – ich bin nur der Passagier.“

Ein kaum merkliches Lächeln erschien auf Zonaras Gesicht. „Wie Sie wünschen.“ Dann wandte sie sich an ihre Crew: „Schwarzer Alarm. Alle Stationen auf temporale Sprungbereitschaft.“

Die Beleuchtung wechselte in ein tiefes, fast mystisches Blau. Auf den Displays erschienen fließende Muster, die sich synchronisierten.

„Steuermann – Kurs auf die räumlichen und temporalen Koordinaten, die ich Ihnen gegeben habe.“

„Aye, Captain. Kurs eingegeben.“

„Aktivieren Sie den temporalen Antrieb.“

Ein tiefes, vibrierendes Brummen durchlief das Schiff, erst kaum spürbar, dann stärker, bis man es in den Knochen fühlte. Die Raumansicht auf dem Hauptschirm begann sich zu verziehen – die Sterne zogen sich in lange Bögen, dann in Spiralen. Farben, die kein menschliches Auge je gesehen hatte, flackerten am Rand des Sichtfelds.

„Temporale Kohärenz bei 98 Prozent“, meldete Shalka ruhig.

„Bei 100 Prozent: Sprung.“

Der Wirbel vor der Paradox öffnete sich wie ein schwarzes Loch aus flüssigem Licht. Die Schilde flackerten, als das Schiff hineingezogen wurde.

Einen Augenblick lang fühlte es sich an, als würde die Realität selbst reißen.

Aljoscha packte unwillkürlich die Armlehne seines Sitzes.

„Ich hoffe, das ist normal“, murmelte er.

„So normal wie Zeitreisen eben sein können“, entgegnete Elbrun, ohne den Blick vom Schirm zu lösen.

Dann – Stille.

Die Anzeigen stabilisierten sich. Das Brummen verklang.

Vor ihnen spannte sich nun der Anblick von Iconia auf – nicht tot und karg wie in ihrer Zeit, sondern leuchtend, voller Ozeane, Wolken und glitzernder Städte, deren Lichter selbst aus dem Orbit sichtbar waren.

„Sprung erfolgreich“, meldete der Steuermann. „Wir befinden uns exakt 200.000 Jahre in der Vergangenheit.“

Für einen Moment sagte niemand etwas.

Selbst Elbrun stand nur da, atmete langsam aus – und ließ die Größe dieses Augenblicks auf sich wirken.

Die Brücke war still, als sich der Blick auf den Hauptschirm klärte.

Vor ihnen lag der Planet – und für einen Augenblick vergaßen alle, zu atmen.

Iconia war atemberaubend.

Die Ozeane leuchteten in tiefem Türkis, die Kontinente waren von einem schimmernden Netz aus Lichtern durchzogen, das sich wie Adern über die Oberfläche zog. Ganze Städte glitzerten in geometrischer Perfektion, verbunden durch leuchtende Linien – Transportwege oder Energiefelder, die selbst aus dem Orbit sichtbar waren.

„Unglaublich“, murmelte Shunun leise.

Die Kameradrohnen der Paradox schwenkten automatisch in eine höhere Umlaufbahn, und das Bild zoomte auf einen der Kontinente.

Türme aus schwarzem und goldenem Metall ragten hunderte Meter hoch, von schimmernden Energiefeldern umgeben. Über ihnen schwebten Konstruktionen, die aussahen wie schmale, durchsichtige Bögen, die in der Luft verharrten – Toranlagen, hunderte davon, miteinander verbunden, als ob der Himmel selbst ein Netzwerk wäre.

„Das ... ist also die Wiege der Tore“, sagte Aljoscha leise. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„Es ist mehr als das“, erwiderte Elbrun, sein Blick starr auf den Schirm gerichtet. „Das ist die Zivilisation, die alles verändert hat. Und wir sehen sie lebendig.“

Ein heller Lichtstrahl schoss von einem der Türme senkrecht in den Himmel, verschwand in einer der schwebenden Strukturen – das ganze System reagierte wie ein lebender Organismus.

„Sensoren erfassen massive Energiemengen“, meldete Shalka sachlich, doch auch er klang beeindruckt. „Rein technisch gesehen ist das, was wir hier sehen, Jahrtausende weiter als alles, was die Föderation jemals gebaut hat.“

Captain Zonara stand wortlos da, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Erst nach einigen Sekunden sagte sie ruhig:

„Willkommen in der Vergangenheit, Admiral. Die nächsten Stunden werden Ihre Sicht auf die Geschichte verändern.“

Elbrun nickte langsam, das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er die Tragweite jedes einzelnen Moments erfasste.

Auf dem Hauptschirm waren mehrere Schiffe zu sehen – elegant geschwungene Konstruktionen, deren Designs unterschiedlicher nicht hätten sein können. Einige wirkten wie organische Formen aus Metall und Licht, andere wie kristallene Speere, die lautlos durch den Orbit glitten.

„Mehrere Dutzend Raumschiffe in der Umlaufbahn“, meldete Shalka, seine Fühler zuckten leicht. „Die meisten eindeutig iconianischen Ursprungs. Einige ... nicht. Wir registrieren Schiffe anderer Spezies – mindestens drei, die wir nicht einmal identifizieren können.“

„Also war Iconia tatsächlich ein Handels- und Knotenpunkt“, murmelte Aljoscha.

Die Sensoren zoomten auf eine der Städte. Das Zentrum bestand aus riesigen, sternförmigen Plattformen, auf denen sich dutzende Portale befanden. Zwischen ihnen bewegten sich unzählige Personen – humanoide und nicht-humanoide Spezies, einige von ihnen offensichtlich Händler, andere Reisende.

Elbrun stand nun aufrecht, sein Blick fest.

„Das ist es. Wir sehen die Iconianer nicht nur – wir sehen sie handeln, leben, interagieren. Das hier ist die Chance, die wir gesucht haben.“

Er drehte sich zu Zonara. „Ich möchte runterbeamen.“

Die Trill hob leicht die Brauen. „Sie wissen, dass das gegen alle Vorsichtsprotokolle spricht.“

„Ich weiß.“ Elbrun hielt ihrem Blick stand. „Aber ich werde nicht riskieren, dass wir eine falsche Schlussfolgerung ziehen, weil wir nur aus dem Orbit beobachten. Ich will die Iconianer aus nächster Nähe sehen.“

Er sah zu seinem Team. „Ich nehme Captain Cornellus und Commander Shunun mit. Wir mischen uns unter die Besucher, beobachten direkt. Commander Jaynes, Sie bleiben hier, koordinieren die Sensoren und halten die Transporter bereit. Sollte irgendetwas schiefgehen, will ich innerhalb von drei Sekunden wieder auf diesem Schiff sein.“

Jaynes nickte knapp. „Verstanden, Admiral. Ich behalte Sie auf dem Schirm.“

Shunun schnaubte leise. „Sich unter eine fremde Zivilisation mischen, die vor zweihunderttausend Jahren existierte. Das ist Wahnsinn.“

„Vielleicht“, erwiderte Elbrun ruhig, und ein schiefes Grinsen huschte über sein Gesicht. „Aber genau deshalb sind wir hier.“

Captain Zonara sah ihn noch einen Moment lang an, dann nickte sie knapp. „In Ordnung. Ich lasse den Transporter vorbereiten. Aber Sie bleiben nicht länger als drei Stunden unten. Danach holen wir Sie zurück – egal, was passiert.“

„Abgemacht“, sagte Elbrun

Der Transporterstrahl erlosch, und Elbrun, Aljoscha und Shunun standen mitten auf einer weitläufigen Plaza.

Die Welt vor ihnen war atemberaubend.

Die Tore der Iconianer erhoben sich wie gigantische Bögen aus Licht und Metall, durchzogen von schimmernden Energien. Jeder Bogen zeigte ein anderes Bild: grüne Ebenen, fremde Städte, ein Ozean unter zwei Sonnen. Besucher – humanoide und nicht-humanoide – gingen ruhig und geordnet von Portal zu Portal, als wäre diese Technik für sie so selbstverständlich wie ein Spaziergang.

„Das ist ... wunderschön“, murmelte Aljoscha ehrfürchtig.

Noch bevor sie sich weiter umsehen konnten, trat eine Gestalt auf sie zu. Sie war groß – fast zwei Meter –, von schlanker Statur, die Haut grau mit einem feinen, violetten Schimmer. Sechs smaragdgrüne Augen musterten sie gleichzeitig, während sich ihre Bewegungen fließend, fast zu elegant anfühlten.

„Grüße vom Ganzen, Fremde,“ sagte sie, ihre Stimme metallisch, aber freundlich. „Willkommen auf Iconia. Mein Name ist M’Tara’ren, Herold von M’Tara. Ich werde einen kurzen Scan durchführen, um sicherzustellen, dass ihr technologischer Stand für den Zugang geeignet ist.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, hob sie die Hand, und ein Lichtfächer glitt lautlos über die drei hinweg. Shunun spannte sich unwillkürlich an, hielt aber still.

„Ihre technologische Entwicklung ist ... hinreichend“, erklärte M’Tara’ren nach einem Moment. „Doch Ihre Chroniton-Emissionen sind in beträchtlichem Maße phasenverschoben. Ein interessantes Phänomen.“

Aljoscha warf Elbrun einen scharfen Blick zu. Das war eindeutig eine Anspielung auf ihre Zeitreise.

„Ist das ein Problem?“ fragte Elbrun ruhig.

Die sechs Augen des Herold schlossen sich einen Herzschlag lang, dann nickte sie langsam.

„Es ist ungewöhnlich. Aber nicht gefährlich. Meine Meisterin wird es ... interessant finden. Bitte, folgt mir. Sie erwartet euch.“

Die drei tauschten einen Blick. Elbrun nickte nur knapp.

„Dann führen Sie uns zu ihr.“

M’Tara’ren drehte sich elegant um und führte sie durch die Plaza, vorbei an den Toren.

„Das läuft alles erstaunlich glatt“, murmelte Aljoscha leise, während sie gingen.

„Vielleicht zu glatt“, erwiderte Shunun, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Ich traue keinem Ort, der so perfekt aussieht.“

Elbrun lächelte schief. „Bleibt wachsam. Aber nutzt die Gelegenheit – das hier sehen nicht einmal Sternenflottenhistoriker in ihren wildesten Träumen.“

Nach einigen Schritten führte M’Tara’ren sie in einen offenen, von sanftem Licht durchfluteten Saal.

In der Mitte stand eine große Gestalt – größer noch als der Herold, fast zweieinhalb Meter hoch. Ihre Haut wirkte glatter, fast makellos, und schimmerte in einem tiefen Violett, das bei jeder Bewegung sanft flackerte. Sechs Augen, von einem hellen, fast leuchtenden Blau, ruhten auf ihnen.

„Meisterin“, sagte M’Tara’ren mit gesenktem Kopf, „diese Reisenden sind eingetroffen.“

„Danke. Du darfst gehen.“

Die Stimme der großen Gestalt war warm, fast melodisch, und doch lag darin eine unüberhörbare Autorität.

Als M’Tara’ren sich zurückzog, richtete die Fremde ihre volle Aufmerksamkeit auf die drei Besucher.

„Ich bin M’Tara“, sagte sie schließlich. „Anführerin meines Volkes und Hüterin der Herolde. Seid willkommen auf Iconia.“

Elbrun trat einen Schritt vor, legte instinktiv die Hand an die Brust.

„Ich bin Elbrun Tiran. Wir kommen von einer sehr fernen Welt. Wir danken euch für den freundlichen Empfang und würden uns gern ein wenig umsehen – und ausruhen, falls möglich.“

M’Tara neigte den Kopf.

„Das sollt ihr. Wenn ihr Fragen habt, wendet euch an mich oder an meine Schwestern. Und wenn ihr etwas benötigt, sprecht einen der Herolde an. Sie werden euch bringen, was ihr verlangt – sofern es in ihrer Macht steht.“

Elbrun zögerte einen Moment, dann stellte er die Frage, die ihn brennend interessierte.

„Wenn ich fragen darf – die Herolde sind nicht Iconianer, richtig?“

M’Tara nickte langsam.

„Das ist richtig. Wir Iconianer waren die ersten, die auf diesem Planeten erwachten. Unsere Lebensspanne ist sehr lang – mehrere Jahrtausende –, doch unsere Geburtenrate ist niedrig. Daher haben wir uns einer anderen Spezies angenommen. Anfangs waren sie für uns wie Nutztiere, Werkzeuge. Später veränderten wir sie, gaben ihnen eine neue Form, eine neue Bestimmung. Sie wurden unsere Diener – und unsere Kinder.“

Ihre Stimme wurde leiser, fast sanft.

„Sie dienen uns, ja. Aber wir schützen sie, lehren sie, lieben sie. Jeder von uns hat seine eigenen Herolde, gezüchtet und erzogen für ihre Aufgabe. Es ist ein Bund, den wir seit Äonen wahren.“

Aljoscha warf Elbrun einen schnellen Blick zu. Es war schwer zu sagen, ob M’Tara stolz, traurig oder einfach nur sachlich sprach.

„Das erklärt einiges“, sagte Elbrun ruhig. „Ich danke euch für eure Offenheit.“

M’Tara nickte nur.

„Nehmt euch die Zeit, diesen Ort zu sehen. Er ist – für kurze Zeit noch – das Herz der Galaxis.“

Bei diesen Worten ging ein kaum merkliches Zittern durch ihre Stimme.

M’Tara wandte sich schließlich ab, ihre langen Schritte hallten leise auf dem glatten Boden, bis sie zwischen den anderen Iconianern verschwand.

„Das ist interessant“, murmelte Aljoscha, während er den Blick noch immer auf den Platz gerichtet hielt, wo M’Tara gestanden hatte.

„Die Iconianer sind definitiv friedlich – das spüre ich. Ich nehme sie telepathisch und empathisch wahr, doch sie selbst scheinen nicht telepathisch zu sein.“

Elbrun nickte leicht. „Das passt. Und ich glaube auch, dass sie geschlechtslos sind – genauso wie ihre Herolde. Zumindest habe ich keine Anzeichen für eine geschlechtliche Differenzierung gesehen.“

„Was machen wir jetzt?“ fragte Shunun, der sich langsam umsah.

Elbrun atmete tief durch, sein Blick wanderte über die Tore, die in der Ferne in sanften Bögen leuchteten. „Wir setzen uns dort hin.“ Er deutete auf eine breite, steinerne Bank am Rand des Platzes. „Und beobachten erst einmal. Versuchen, ein Gefühl für diesen Ort zu bekommen. Danach sprechen wir vielleicht mit einem oder zwei anderen Iconianern.“

Sie gingen zu der Bank und setzten sich. Das Licht der Tore warf sanfte Reflexe auf ihre Uniformen, während sie das Treiben beobachteten: Herolde, die in kleinen Gruppen Lasten trugen, Iconianer, die ruhig und würdevoll zwischen den Toren wandelten, und Reisende anderer Spezies, die offenbar ohne Angst und Misstrauen durch die Portale schritten.

„Es fühlt sich seltsam friedlich an“, murmelte Aljoscha schließlich. „Fast ... zu friedlich.“

Elbrun warf ihm einen kurzen Blick zu, aber sagte nichts. Er hatte denselben Gedanken.

Die drei saßen einige Minuten schweigend auf der Bank, beobachteten das ruhige Treiben. Doch dann hörte Elbrun etwas – gedämpfte, aber scharfe Stimmen, die nicht zu dieser friedlichen Atmosphäre passten.

Er stand auf. „Kommt.“

Aljoscha und Shunun folgten ihm. Die Stimmen wurden lauter, bis sie eine kleine Gruppe erreichten.

Ein Herold stand dort, sichtlich verunsichert, während zwei fremde Männer ihn bedrängten. Die Wesen waren kleiner als Menschen, mit grünlicher Haut und langen, abstehenden Ohren.

„Wir brauchen diese Technologie!“, schrie der eine, seine Stimme bebend vor Wut.

„Immer gebt ihr uns nur die Medizin – aber wir müssen sie selbst herstellen können!“, sagte der andere, leiser, aber nicht weniger verzweifelt. „Die Seuche breitet sich immer weiter aus!“

„Bitte“, erwiderte der Herold mit fast flehender Stimme, „Ich kann euch nicht helfen. Ihr müsst zu meiner Meisterin T’Lerr. Sie entscheidet.“

Elbrun trat vor, seine Stimme fest: „Was geht hier vor? Warum bedrängt ihr ihn?“

Die beiden Fremden fuhren herum, musterten ihn misstrauisch. „Wer bist du, dass du dich einmischst?“, knurrte der Lautere.

„Jemand, der Ordnung schätzt“, entgegnete Elbrun ruhig. Dann wandte er sich an den Herold. „Hol deine Meisterin. Ich werde versuchen, die Lage zu beruhigen.“

Der Herold nickte dankbar und eilte davon.

„Unser Volk stirbt“, sagte der Leisere nun an Elbrun gewandt. Seine Stimme zitterte. „Wir brauchen die Technologie, sonst verlieren wir alles!“

Elbrun sah ihn ernst an. „So wie ich verstanden habe, geben euch die Iconianer Medizin. Sie helfen euch. Die Weitergabe von Technologie ist eine andere Frage – mein Volk hält sich an strenge Regeln, wenn es darum geht. Ich kann die Zurückhaltung der Iconianer verstehen.“

In diesem Moment kehrte der Herold zurück, begleitet von einer hochgewachsenen Iconianerin, deren violette Haut im Licht der Tore schimmerte.

„Ich bin T’Lerr“, sagte sie ruhig. „Und ich danke euch, dass ihr meinem Herold geholfen habt.“ Ihre sechs Augen musterten Elbrun einen Moment, dann nickte sie. „Doch nun bitte ich euch, uns allein zu lassen. Ich werde mit den Abgesandten von Dewa sprechen.“

Sie deutete mit einer eleganten Geste auf einen der nahen Wege. „Vielleicht findet eine meiner Schwestern später Zeit für euch. Bis dahin – seid unsere Gäste.“

Elbrun neigte leicht den Kopf. „Natürlich.“

Er drehte sich um, führte Aljoscha und Shunun einige Schritte zurück.

„Das war aufschlussreich“, murmelte Aljoscha, als sie außer Hörweite waren. „Die Iconianer helfen, aber sie setzen klare Grenzen. Und es gibt Völker, die mit diesen Grenzen nicht zufrieden sind.“

Elbrun nickte nachdenklich. „Vielleicht ist das der erste Riss in ihrer perfekten Fassade.“

Die drei traten beiseite, aber Elbrun blieb in Sichtweite. Er wollte hören, wie die Iconianerin reagierte.

T’Lerr erhob die Stimme, ruhig, aber klar: „Wir haben euch die Medizin gegeben, die euer Volk braucht. Mehr können wir nicht tun.“

„Ihr wollt nicht mehr tun!“, fauchte einer der Abgesandten. „Ihr könntet uns lehren, selbst herzustellen, was wir brauchen – dann müssten wir nicht jedes Mal vor euch auf die Knie fallen!“

T’Lerrs Augen verengten sich. „Eure Spezies ist noch nicht bereit, mit dieser Technologie umzugehen. Würden wir sie freigeben, könnte sie mehr Schaden als Nutzen anrichten.“

Die beiden Männer sahen sich an, dann knurrte der Lautere: „Dann habt ihr unseren Tod auf dem Gewissen.“

„Nein.“ T’Lerr blieb ruhig. „Wir haben euch das Leben gerettet. Aber die Verantwortung, was ihr daraus macht, liegt bei euch.“

Die Abgesandten drehten sich wortlos um und gingen schnellen Schrittes davon.

Aljoscha sah ihnen nach. „Das war keine einfache Bitte. Das war Verzweiflung.“

Elbrun nickte langsam, seine Stirn in Falten. „Und Verzweiflung ist gefährlich. Sie kann Völker in Feinde verwandeln.“

Shunun schnaubte leise. „Vielleicht sehen wir hier den Anfang vom Ende.“

„Vielleicht“, murmelte Elbrun. „Und genau deswegen sind wir hier.“

Die drei gingen weiter durch die weiten Gänge der Anlage. Das Licht der Portale warf sanfte Muster auf den Boden, alles wirkte friedlich – und doch lag ein unterschwelliger Druck in der Luft.

„Moment.“ Shunun blieb abrupt stehen, seine scharfen Augen fixierten einen kleinen Hain aus niedrigen, violetten Büschen. „Da ist jemand.“

Elbrun und Aljoscha folgten seinem Blick. Hinter den Büschen standen zwei Gestalten, halb verborgen, in gedämpften Stimmen sprechend.

„ ...wenn wir nur hinter das Geheimnis der Portale kämen“, flüsterte der Mann. Seine graue Haut glänzte matt, kurze Hornstacheln standen von seinem Schädel ab. Mund und Nase waren von einem dunklen Tuch bedeckt. „Stellen Sie sich vor, was wir tun könnten. Ganze Flotten könnten in Sekunden zwischen den Sternen springen.“

Die Frau neben ihm, groß und hager, ihre Haut dunkelbraun und rau wie Baumrinde, nickte langsam. „Haben Sie schon einen Weg gefunden, an die Technologie heranzukommen?“

„Noch nicht.“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Die Herolde sind überall. Jedes Mal, wenn ich auch nur in die Nähe einer Konsole komme, werde ich zurückgehalten. Sie wissen, dass wir es versuchen.“

Die Frau schnaubte leise. „Sie misstrauen uns Dinasianern genauso wie euch Iccobar. Aber wir werden eine Gelegenheit finden – und wenn sie sich nicht ergibt, werden wir eine schaffen.“

Elbrun warf Aljoscha und Shunun einen knappen Blick zu. Er hob nur leicht eine Augenbraue, und sie setzten sich wortlos wieder in Bewegung, um nicht aufzufallen.

„Sie sind neidisch auf die Portale“, sagte Shunun leise, als sie außer Hörweite waren. „Und Neid macht sie gefährlich.“

Elbrun nickte knapp. „Das ist mehr als Neid. Das ist Gier. Und Gier bringt irgendwann immer Blutvergießen.“

Aljoscha warf Elbrun einen ernsten Blick zu. „Die Iccobar und die Dinasianer arbeiten offenbar zusammen. Vielleicht auch die Dewaner. Und wer weiß, wer noch.“

Elbrun schwieg, seine Augen wanderten noch einmal zurück zu den Büschen, hinter denen die beiden verschwunden waren. „Ich würde gern mehr über sie erfahren“, murmelte er schließlich. „Vielleicht kann uns einer der Herolde mehr erzählen.“

Sie setzten ihren Weg fort, bis sie einen der Herolde fanden – eine hochgewachsene Gestalt mit demselben violetten Schimmer auf der Haut wie M’Tara’ren.

„Entschuldigung“, begann Elbrun freundlich, „ich hätte eine Frage zu den Dinasianern und den Iccobar.“

Der Herold legte den Kopf leicht schräg. „Ich bin nicht befugt, über andere Völker zu sprechen. Aber ich bringe euch zu meiner Meisterin V’Lar. Sie wird entscheiden, welche Antworten ihr erhaltet.“

Er wandte sich um, seine Bewegungen fließend und ruhig, und führte sie einen kurzen, gewundenen Weg entlang. Wenige Minuten später öffnete sich ein heller Raum, in dem eine weitere Iconianerin wartete – größer und schlanker als die meisten, die sie bisher gesehen hatten, die sechs Augen in einem sanften Blau.

„Meisterin“, sagte der Herold und verneigte sich leicht. „Diese Besucher wünschen Auskunft über die Iccobar und die Dinasianer.“

„Danke, V’Lar’ren. Du kannst gehen.“

Die Iconianerin wandte sich nun den dreien zu, ihre Stimme klang weich, aber klar. „Ich werde sehen, ob ich eure Fragen beantworten kann.“

Elbrun trat einen Schritt vor. „Mich interessiert, wie Ihre Beziehungen zu den beiden Völkern sind. Wir haben gehört, dass sie regelmäßig hierherkommen.“

V’Lar nickte langsam. „Die Iccobar sind ein kriegerisches Volk. Sie haben viele Welten erobert und unterworfen. Ihr größtes Verlangen ist der Zugang zu unserer Portaltechnologie. Wir handeln mit ihnen – Nahrung, Medizin, Rohstoffe – aber wir geben ihnen keine Technologie, die sie für Krieg nutzen könnten. Deshalb sind sie oft unzufrieden.“

Sie machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr. „Die Dinasianer sind ... anders. Freundlicher, zugänglicher. Sie handeln mit uns ohne Drohungen, aber auch sie drängen immer wieder auf technologische Unterstützung. Und so wie die Iccobar dürfen sie unsere Welten nur in Begleitung eines Herolds betreten. Sie stehen unter Beobachtung, sobald sie hier sind.“

„Also trauen Sie ihnen nicht.“ Aljoscha fasste zusammen.

„Wir vertrauen allen Völkern – in dem Maß, das sie verdienen“, erwiderte V’Lar ruhig. „Aber es gibt Dinge, die wir schützen müssen. Die Portale sind nicht nur unser Erbe – sie sind die Grundlage unserer Existenz. Wenn sie in die falschen Hände fielen, könnten sie unermesslichen Schaden anrichten.“

Elbrun nickte langsam, sein Blick wurde nachdenklich. „Verstehe.“

„Ich hoffe das wirklich“, sagte V’Lar sanft, ihre Augen ruhten einen Moment lang auf ihm. „Denn die Portale sind eine Verantwortung, keine Waffe. Manche vergessen das zu leicht.“

V’Lar trat einen Schritt näher, ihre sechs Augen wirkten nun fast leuchtend.

„Die Portale sind nicht nur Tore durch Raum und Zeit – sie sind der Faden, der unser Volk zusammenhält. Wir sehen sie nicht als Werkzeuge, sondern als Verantwortung.“

Aljoscha runzelte leicht die Stirn. „Verantwortung?“

„Ja.“ V’Lar nickte langsam. „Jedes Portal verbindet nicht nur zwei Orte, sondern zwei Lebenswelten. Wenn wir eines öffnen, schaffen wir eine Beziehung – und jede Beziehung verändert beide Seiten. Deshalb öffnen wir sie nur für jene, die bereit sind, das Gewicht dieser Verbindung zu tragen.“

Elbrun spürte, wie ihn diese Worte trafen. Sie klangen weniger wie eine technische Erklärung und mehr wie ein ethisches Fundament. „Und wenn jemand versucht, diese Macht zu missbrauchen?“

V’Lar schwieg einen Moment, dann wurden ihre Augen schmaler. „Dann schließen wir die Tore. Für immer.“

Shunun richtete sich leicht auf. „Das klingt ... endgültig.“

„Es ist endgültig“, bestätigte V’Lar ruhig. „Die Portale sind keine Waffen. Aber wenn sie zerstört werden müssen, um das Gleichgewicht zu wahren, dann tun wir das. Wir haben es schon einmal getan.“

Ein leises Frösteln lief Aljoscha über den Rücken. „Schon einmal?“

„Ja.“ V’Lar sah nun direkt zu ihm. „Vor vielen Jahrhunderten haben einige unserer Schwestern versucht, die Portale für Eroberung zu nutzen. Sie wollten Welten unterwerfen. Wir haben sie aufgehalten – aber der Preis war hoch. Ganze Netze wurden zerstört, ganze Zivilisationen abgeschnitten.“

Elbrun atmete langsam durch. „Also ... Sie sind bereit, alles zu riskieren, um zu verhindern, dass die Portale missbraucht werden.“

„Es ist kein Risiko.“, erwiderte V’Lar ruhig. „Es ist Pflicht.“

Für einen Moment war nur das Summen der aktiven Portale zu hören, fern im Hintergrund. Dann deutete V’Lar auf den zentralen Platz.

„Wenn ihr verstehen wollt, was Iconia ist, dann seht selbst. Das große Tor wird gleich aktiviert. Es führt heute zu einer unserer entlegensten Kolonien. Beobachtet, wie wir reisen – und was es für unser Volk bedeutet.“

Die drei folgten ihrer Geste und traten wieder hinaus auf den Platz. Vor ihnen begann das zentrale Portal zu erwachen: ein leises Summen, dann ein Strahlen, das heller und heller wurde, bis sich eine perfekte, ovale Öffnung bildete. Dahinter schimmerte ein anderer Ort – eine ferne Stadt, hell erleuchtet.

Eine Gruppe von Iconianern und Herolden trat hindurch, und für einen Moment hatte Elbrun das Gefühl, als stünde er am Rand von etwas, das größer war als alles, was er je erlebt hatte.

„Wow ...“, murmelte Aljoscha leise.

„Das ist nicht nur Technologie“, flüsterte Shunun. „Das ist ... Kultur.“

Elbrun nickte langsam. Und tief in ihm wuchs das Gefühl, dass diese Mission mehr verändern würde, als er geahnt hatte.

Eine weitere Iconianerin kam hinzu.

„L’Miren, was gibt es, meine Schwester?“, fragte V’Lar.

„Wir haben den Kontakt zu den äußeren Kolonien verloren. Ich weiß nicht, ob nur die Kommunikation unterbrochen ist oder ...“ Sie verstummte, ihre sechs Augen schimmerten unruhig.

V’Lar legte ihr kurz eine Hand auf die Schulter. „Ich verstehe.“

Dann wandte sie sich den Besuchern zu. „Ich muss mich leider entfernen – meine Schwester benötigt meine Hilfe.“

Elbrun nickte respektvoll. „Ich danke Ihnen, V’Lar. Wenn wir in irgendeiner Weise helfen können, sagen Sie uns bitte Bescheid.“

V’Lar und L’Miren gingen schnellen Schrittes davon. Ihre schlanken Silhouetten verschwanden zwischen den anderen Iconianern, die sich nun auffällig leiser unterhielten. Die Herolde in der Nähe hielten inne, warfen Blicke zum Portal, als lauschten sie auf etwas.

Elbrun, Aljoscha und Shunun blieben zurück.

Das große Portal schloss sich langsam, das Licht darin erlosch in sanften Wellen, bis nur noch der leere Rahmen zurückblieb. Für einen Moment war es stiller als zuvor – so still, dass man das leise Summen der Energie im Boden wahrnehmen konnte.

„Hast du das Gefühl, dass sich hier etwas ändert?“, fragte Aljoscha leise, ohne den Blick vom Portal zu lösen.

„Ja“, murmelte Elbrun. „Es liegt Spannung in der Luft.“

Shunun verschränkte die Arme, seine Augen suchten den Platz ab. „Vielleicht sollten wir aufmerksam bleiben. Irgendetwas stimmt nicht.“

„Paradox an Admiral Tiran.“

Elbruns Kommunikator piepte, und er tippte sofort darauf. „Sprechen Sie.“

„Sir – eine große Armada von Schiffen tritt soeben in das System ein.“

Elbrun erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde. „Das ist kein gutes Zeichen. Können Sie uns hochbeamen?“

„Negativ“, kam die knappe Antwort von der Paradox. „Unsere Zielerfassung wird massiv gestört – wir bekommen keine Transportererfassung. Wir arbeiten an einer Umgehung.“

„Verstanden. Halten Sie uns auf dem Laufenden.“

Das Signal erlosch mit einem leisen Piepen.

Elbrun sah auf, sein Gesicht plötzlich härter, die Stirn in Falten gelegt. „Der Angriff auf Iconia beginnt. Dass wir Zeugen davon werden würden – das war nicht geplant.“

Aljoscha trat einen Schritt näher. „Was machen wir jetzt?“

Elbrun atmete tief durch, zwang sich zur Ruhe. „Gar nichts. Wir verhalten uns unauffällig. Wir dürfen uns um keinen Preis einmischen – egal, was passiert.“

Shunun blickte sich unruhig um. In der Ferne waren bereits die ersten Bewegungen zu sehen – Herolde eilten zu den Portalen, Iconianer versammelten sich, Stimmen wurden lauter. Die friedliche Atmosphäre von eben war verschwunden, wie weggeblasen.

„Das wird nicht lange friedlich bleiben“, murmelte Aljoscha und spürte das gleiche dumpfe Ziehen in der Brust wie schon bei der Nachricht von der Paradox.

Elbrun nickte knapp. „Nein. Und wir werden gezwungen sein, einfach zuzusehen.“

Am Himmel erschienen die ersten fremden Schiffe – erst klein wie Punkte, dann größer, bis sie wie drohende Schatten über der Stadt schwebten. Sekunden später brach das erste grelle Licht los: Orbitales Waffenfeuer, das in die Oberfläche schlug. Die Erschütterung ließ den Boden unter ihnen beben, Staub stieg auf.

„Verdammt ...“, presste Aljoscha hervor.

Überall brach Panik aus. Herolde rannten, riefen nach ihren Meistern, während die Portale wie verrückt flackerten – manche schlossen sich sofort, andere brachen mitten im Betrieb zusammen, funkelnde Energiespitzen schossen wie Blitze in die Luft.

Dann begannen die Iccobar mit der Materialisierung von Bodentruppen. Ihre schweren Rüstungen glitzerten im Licht der Explosionen, und hinter ihnen erschienen Dinasianer und Dewaner, die sofort begannen, Energieverteiler und Häuser zu zerstören.

Elbrun ballte die Fäuste. Sie waren wehrlos. Die Iconianer hatten kaum Soldaten – es gab keinen organisierten Widerstand. Die friedliche Stadt, die noch vor Minuten so ruhig gewirkt hatte, verwandelte sich in Chaos.

„Wir müssen hier raus!“, rief Shunun gegen den Lärm.

„Immernnoch keine Transportererfassung möglich!“, meldete Jaynes hektisch über den Kommunikator.

Dann passierte es: Einer der Iccobar entdeckte sie, schrie etwas in seiner Sprache und hob seine Waffe. Der erste Schuss traf den Boden nur wenige Meter von ihnen entfernt – ein gleißender Blitz, der den Staub wie eine Explosion aufwirbelte.

Elbrun reagierte, bevor er nachdachte. In einer fließenden Bewegung riss er den Phaser aus dem Halfter, drehte sich und feuerte. Der Iccobar wurde zurückgeschleudert, sackte reglos zusammen.

Einen Moment lang war es still.

„Verdammt, Elbrun – das war ein Eingriff in die Zeitlinie!“, keuchte Aljoscha, seine Augen weit.

„Das war Selbstverteidigung“, knurrte Elbrun, sein Blick scharf. „Und wenn noch einer von denen auf euch zielt, schieße ich wieder.“

Er stellte sich etwas seitlich, den Phaser im Anschlag, die Augen suchten die Umgebung nach weiteren Angreifern ab.

Dann erschien L’Miren, atemlos, die Haut von Staub bedeckt, ihre Augen flackernd vor Dringlichkeit.

„Fremde! Ihr sagtet, ihr würdet helfen, wenn wir Hilfe bräuchten – und ich brauche euch jetzt.“

Elbrun trat einen Schritt vor. „Worum geht es?“

„Ich muss zum Zentralkern.“ L’Mirens Stimme bebte vor Anspannung. „Dort liegt unser Herzkristall – das Gedächtnis unseres Volkes. Alles, was wir sind, alles, was wir jemals waren, ist dort gespeichert. Wenn wir den Planeten verlassen, dürfen wir ihn nicht verlieren. Aber ich kann ihn nicht alleine bergen – er ist in der Tiefe gesichert, die Verriegelung kann nur von zwei Personen gleichzeitig gelöst werden.“

Elbrun warf Aljoscha einen knappen Blick zu.

„Elbrun ...“, flüsterte dieser, gerade laut genug, dass er es hörte.

„Wir haben uns schon eingemischt. Also ziehen wir es jetzt durch.“

Ein kurzes, entschlossenes Nicken. Dann sah Elbrun L’Miren an.

„Wir helfen dir.“

„Kommt!“ Sie drehte sich um, ohne auf eine weitere Antwort zu warten.

Sie folgten ihr durch die verwüsteten Straßen, immer wieder gezwungen, Deckung zu suchen, wenn Iccobar-Patrouillen auftauchten. Zweimal mussten sie kämpfen – kurze, knappe Gefechte, Phaserfeuer blendete auf, der Geruch von verbrannter Luft lag in der Nase.

Endlich erreichten sie den zentralen Palast. Die massiven Tore standen offen, als hätten die Iconianer längst gewusst, dass dieser Moment kommen würde.

Im Inneren war es still, nur das dumpfe Grollen der Zerstörung von draußen drang gedämpft durch die hohen Wände.

„Hier.“ L’Miren führte sie in eine runde Kammer, in deren Mitte ein Kristall schwebte – groß wie ein menschlicher Torso, von einem tiefen, pulsierenden Blau. Das Licht, das von ihm ausging, war fast lebendig, es flackerte wie Atemzüge.

„Bereit?“, fragte sie, stellte sich an eine Konsole.

Elbrun nickte und trat an die zweite Konsole. Gemeinsam legten sie die Hände auf die flachen, leuchtenden Felder.

„Jetzt.“

Mit einem tiefen, vibrierenden Ton begann sich der Kristall aus seiner Halterung zu lösen. Energieblitze tanzten an der Kammerdecke entlang, das Summen wurde lauter, bis der Herzkristall sanft nach unten schwebte – direkt in L’Mirens wartende Arme.

Sie hielt ihn, als wäre er aus Glas, und ihre Augen glänzten. „Er lebt noch.“

„Dann verschwinden wir besser, bevor er es nicht mehr tut“, sagte Elbrun, den Phaser schon wieder im Anschlag.

„Wir müssen zum zentralen Portal“, sagte L’Miren, ihre Stimme jetzt fest, fast hart. „Es ist das einzige, das noch funktioniert. Dort wird der letzte Sprung vorbereitet – unser Exodus. Wir werden diese Galaxis verlassen.“

Sie atmete einmal tief durch, dann fügte sie leiser hinzu: „Wir wussten, dass dieser Tag kommen würde. Wir haben uns vorbereitet ... aber wir dachten, wir hätten mehr Zeit.“

Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und eilte los. Elbrun, Aljoscha und Shunun folgten ihr dicht, die Phaser in den Händen.

Auf halbem Weg durch eine zerstörte Halle stieß eine weitere Iconianerin zu ihnen – hochgewachsen, breitschultrig, mit einem ernsten Gesichtsausdruck. In ihren langen Händen lag eine Waffe, die sofort Respekt einflößte.

„Das ist T’Ket, unsere furchtlose Kriegerin“, stellte L’Miren sie vor.

T’Ket nickte knapp. Ihre Augen ruhten auf dem Kristall in L’Mirens Armen.

„Meine Schwester – hast du den Herzkristall?“

„Ja“, antwortete L’Miren knapp, ihre Stimme bebte, aber sie wich nicht zurück. „Er ist sicher.“

„Gut.“ T’Ket trat neben sie, schob die Waffe in Bereitschaft. „Dann werde ich euch begleiten. Niemand wird euch diesen Kristall entreißen.“

Sie setzten ihren Weg fort, das Dröhnen der Detonationen und das ferne Schreien von Verwundeten im Rücken. Immer wieder mussten sie durch zerstörte Straßen und Hallen, vorbei an gefallenen Iconianern und Herolden, deren Körper still dalagen.

Mehrmals tauchten feindliche Trupps auf – Iccobar mit gezückten Waffen, Dewaner, die hektisch Befehle riefen. Doch T’Ket war tatsächlich so furchtlos, wie L’Miren es gesagt hatte: Mit präzisen, schnellen Schüssen hielt sie die Gegner auf Distanz. Elbrun und Shunun deckten die Flanken, Aljoscha sorgte dafür, dass niemand zurückblieb.

Der Weg zum Portal war ein Kampf gegen die Zeit. Jede Minute rückten die Angreifer näher, jede Sekunde zählte.

Nur wenige Iconianer hatten sich der kleinen Gruppe angeschlossen. Ihre Gesichter waren gezeichnet von Staub, Blut und einem Ausdruck, der zwischen Fassungslosigkeit und stiller Verzweiflung schwankte.

Am Portal warteten bereits M’Tara, V’Lar und T’Lerr – ihre hochgewachsenen Silhouetten wirkten in diesem Moment gebrochener, kleiner als je zuvor.

„Wo ist der Rest?“, fragte T’Ket, die Waffe noch immer fest in der Hand.

M’Tara senkte langsam den Blick, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Es kommen keine weiteren.“

T’Ket stolperte einen Schritt zurück. „Nur fünfzehn ...“ Sie ballte die Fäuste, ihre Augen füllten sich mit einer Mischung aus Wut und Schmerz. „Nur fünfzehn von uns leben noch?“

Ihre Stimme brach, dann schrie sie es heraus: „Eines Tages schwöre ich Rache! Ich werde nicht ruhen, bis sie bezahlen!“

„Später!“ Elbruns Stimme war scharf, schnitt durch die Verzweiflung. „Wenn ihr jetzt nicht fortkommt, gibt es niemanden mehr, der Rache nehmen könnte!“

„Das wird nicht mehr möglich sein“, sagte V’Lar tonlos. „Das Portal ist ausgefallen. Unsere Flucht ist unmöglich.“

Für einen Moment herrschte absolute Stille. Nur das ferne Donnern der Angriffe und das leise, panische Atmen der Überlebenden war zu hören.

M’Tara sank auf ein Knie, legte eine Hand auf den Boden, als würde sie den Planeten selbst um Vergebung bitten. „Dann war es das“, flüsterte sie. „Unser Volk ... endet hier.“

„Nein.“ Aljoscha machte einen Schritt vor. „Vielleicht können wir es reparieren!“

„Dafür haben wir keine Zeit!“ rief L’Miren, aber ihre Augen verrieten die Angst, die sie selbst kaum noch beherrschen konnte.

„Wir müssen es versuchen!“ Elbrun trat an die Steuerkonsole des Portals. Sein Blick war kalt, entschlossen. „Es darf nicht umsonst gewesen sein. Nicht nach allem, was sie geopfert haben.“

Er, Aljoscha und Shunun stürzten sich an die Arbeit. Funken flogen, als Shunun eine defekte Energieverbindung mit bloßen Händen freilegte. Aljoscha kniete an einem geöffneten Panel, seine Finger glitten über fremde Kristalle, während Schweiß über seine Schläfen rann.

Die Iconianer standen schweigend, einige sanken auf die Knie. Sie waren zu wenige, ihre Zahl war nie groß gewesen – und jetzt, mit nur fünfzehn Überlebenden, war die Hoffnung fast ausgelöscht.

Ihre extrem niedrige Geburtenrate machte sie zu einem Volk am Rande des Aussterbens. Die Herolde hatten in Scharen ihr Leben gegeben, um ihre Meister zu schützen, und nun warteten die Überlebenden auf der anderen Seite des Portals – bereit, vielleicht vergeblich.

„Wenn wir die Energie umleiten, könnten wir einen letzten, erzwungenen Sprung initiieren“, rief Elbrun gegen das Heulen der Alarmsirenen.

„Das wird das System überlasten“, warnte Shunun, während er ein glühendes Modul einsetzte.

„Dann hat es wenigstens einen Sinn gehabt“, presste Aljoscha zwischen den Zähnen hervor und überbrückte die letzte Sicherung.

Ein tiefer, vibrierender Ton erfüllte die Luft, als die Kristalle des Portals zu glimmen begannen. Erst schwach, dann heller – ein gleißendes, blaues Licht durchzog die Struktur.

Der Boden vibrierte, Staub rieselte von den Deckenbögen. Draußen waren Detonationen zu hören, näher, lauter.

„Beeilt euch!“, rief T’Ket, während sie ihre Waffe auf einen nahenden Iccobar richtete. „Sie sind schon fast hier!“

Das Portal erwachte zum Leben – zuerst nur ein schwaches Glimmen, dann ein gleißendes Aufbäumen, das den Platz in ein Meer aus grellem, blauem Licht tauchte. Ein tiefer, vibrierender Ton ging durch den Boden, ließ Staub von den zerborstenen Mauern fallen.

„Los, JETZT!“, rief Elbrun, seine Stimme überschlug sich fast vor Dringlichkeit. Er machte eine heftige Handbewegung, trieb die Iconianer vorwärts. „Beeilt euch – lauft!“

Die Überlebenden zögerten nicht – sie rannten, stolperten, wurden von Herolden gestützt. Einer nach dem anderen verschwand im Licht.

T’Ket war die Vorletzte, sie warf Elbrun einen letzten Blick zu, ihre Augen glühten vor Zorn. „Vergesst nicht, was hier geschehen ist!“, rief sie, dann trat sie durch das Portal.

M’Tara blieb als letzte stehen. Das grelle Licht warf ihre hohe Gestalt als Schatten auf die brennenden Ruinen.

„Kommt ihr nicht mit?“, fragte sie, und ihre Stimme klang nun gebrochen, der Schmerz war unüberhörbar.

Elbrun schüttelte den Kopf, schwer, als koste ihn jede Silbe Kraft. „Nein. Dies ist euer Erbe. Euer letzter Weg. Wir ... wir dürfen nicht mehr eingreifen. Wir gehören nicht hierher.“

M’Tara atmete langsam aus, als hätte sie diese Antwort erwartet. „Dann lebt wohl, Fremde. Ohne euch wären wir Geschichte. In mir werdet ihr immer eine Verbündete haben – für alle Zeit.“

Sie hielt Elbruns Blick noch einen Moment, dann wandte sie sich ab und trat durch das Portal. Das Licht begann sofort zu flackern, es würde sich jeden Moment schließen.

„Wir müssen es zerstören!“ Elbruns Stimme war scharf, entschlossen.

„Ich leite die Überlastung ein!“ Shunun stürzte sich an das Steuerpult, seine Krallen glitten über die fremden Kristalle. Die Konsole begann grellrot zu leuchten, ein schrilles Alarmsignal füllte die Luft.

„Tiran an Paradox“, rief Elbrun in seinen Kommunikator. „Es wäre jetzt wirklich an der Zeit, uns hochzubeamen!“

„Transportererfassung bestätigt – wir haben Sie!“

Ein blendender Lichtstrahl hüllte sie ein. Noch im Moment der Auflösung sahen sie, wie das Portal explodierte – ein gleißender Feuerball, der den Platz erschütterte, als würde der Planet selbst aufschreien. Dann war alles weg.

Die Welt um sie herum riss weg, das gleißende Licht des Transporters nahm ihnen für einen Sekundenbruchteil jede Orientierung. Dann standen sie auf der Transporterplattform der Paradox.

Der Raum war still. Niemand sprach.

Elbrun atmete stoßweise, Schweiß klebte ihm an der Stirn. Aljoscha stand neben ihm, staubig, den Phaser noch in der Hand, als hätte er vergessen, ihn herunterzunehmen. Shunun kniete auf dem Boden, die Krallen in das glatte Metall der Plattform geschlagen, seine Augen weit vor Adrenalin.

Captain Zonara trat einen Schritt vor, wollte etwas sagen – und hielt inne. Der Anblick der drei ließ sie verstummen. Der Geruch von Rauch und verbrannter Luft hing noch an ihren Uniformen, der Lärm des Kampfes schien ihnen nachzuhallen.

Elbrun war der Erste, der sich bewegte. Er stieg von der Plattform, langsam, als wiege jede Bewegung Tonnen.

„Das war’s.“ Seine Stimme war heiser, fast gebrochen. „Wir ... wir haben gerade den letzten Exodus der Iconianer gesehen. Und den Tod ihrer Welt.“

Zonara nickte nur, ernst, ohne ein Wort zu verlieren. Die Brücke der Paradox war nun in gespenstische Stille getaucht.

Elbrun setzte sich dann abrupt auf die Transporterstufe, legte die Hände vor das Gesicht und atmete tief durch. „Ich kann sie noch fühlen“, murmelte er. „Ihre Angst. Ihren Zorn. Ihr ... Verschwinden. Es ist, als wäre ein ganzer Kontinent in mir ausgelöscht worden.“

Aljoscha trat zu ihm, legte ihm eine Hand auf die Schulter. Seine eigene Fassade war brüchig, aber er zwang sich zur Ruhe. „Wir haben getan, was wir konnten.“

„Haben wir?“, fragte Elbrun leise, hob den Kopf und sah ihn an. „Oder haben wir nur dabei zugesehen, wie eine Zivilisation ausgelöscht wurde?“

Aljoscha hielt dem Blick stand, lange. Schließlich sprach er, seine Stimme leise, aber fest:

„Wir haben ihnen eine Zukunft gegeben. Das war mehr, als jeder andere gekonnt hätte.“

Niemand widersprach. Nur das tiefe Summen der Schiffsenergie war zu hören – wie ein ferner Nachhall der Welt, die sie gerade verloren hatten.

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