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Christmas Hustle

Teil 3 - Eine Geschichte von Liebe

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Informationen

 

Ich komme aus Cheyenne, Wyoming. Wyoming ist nicht so der Platz für Schwule, das machen die Menschen dort einem immer klar. Nicht erst, seit sie bei mir in der Gegend damals den Matthew Shepard totgeschlagen haben, weil er schwul ist. Du wirst dich vielleicht daran erinnern?

Ich habe gehört, manche Menschen tun das. Du musst wissen, die Menschen bei uns machen das nicht einmal bewusst, es ist wohl einfach die Art, wie sie miteinander umgehen und wen sie bewundern. Wyoming ist Cowboy-Country. Sarah-Palin-Land.

Dass ich schwul bin, wusste ich spätestens, seit ich im Alter von 14 mit einem Mädchen herum geknutscht habe und das so aufregend fand wie eine leere Getränkedose. Seitdem ist mir immer öfter an mir selbst aufgefallen, dass ich die Typen im Football-Team viel toller fand als die meisten Cheerleader.

Zu Anfang hab ich wirklich versucht, das alles weg zu beten. So richtig. Also, nicht, dass ich so blöd gewesen wäre, meinem Pastor davon zu erzählen. Das wäre vermutlich mein Tod gewesen, denn der wäre sofort zu meinen Eltern gerannt. Nein, aber ich hab mich einfach total in meiner Kirchengemeinde engagiert, war sogar Jugendleiter und wirklich jeden Tag im Gottesdienst. Ich weiß ja nicht, ob du schon mal in so einer amerikanischen Landkirche warst, aber hier herrschen andere Sitten als in L.A. Hier heißt es “Love the sinner, hate the sin.” Und das mit dem Hass ist ganz wörtlich zu nehmen.

Nein, ich war einfach ganz besonders eifrig in meiner Kirche. Hab eine Jugendgruppe geleitet, war jeden Tag im Gottesdienst. Ich hab wirklich geglaubt, dass ich, wenn ich nur ganz oft mit Gott darüber sprechen würde, warum er sich ausgerechnet mich dafür ausgesucht hat, den Grund erkennen und das Problem beheben könnte. Hat natürlich nicht funktioniert, vermutlich, weil Gott keine Lust hatte, einem dummen Jungen bei der Lösung seiner dämlichen Probleme zu helfen. Oder weil es gar keinen Gott gibt. Oder gar kein Problem. Wie auch immer, ich war sogar der Vorsitzende vom Faith&Abstinence-Club. Wenn der Lehrer, der mich damals darum gebeten hat, den Job zu übernehmen, wüsste, was ich heute mache...In solchen Momenten habe ich oft Lust, zurück zu fahren und ihnen alles zu erzählen. Von jedem einzelnen Typen und so. Aber vermutlich könnte ich hinterher nicht schnell genug laufen, um heile und in einem Stück wieder nach L.A. zurückzukommen.

Wie auch immer. In der Kirchengemeinde war kein Junge, der mich interessiert hätte und weil ich mich auch in der Schule mit den Leuten aus dem “Faith & Abstinence”-Club rumtrieb, sah es für mich eine Weile so aus, als hätte ich mit dem Wegbeten sogar Erfolg und als hätte sich nur das Gerede vom Pfarrer nicht bestätigt, der immer wieder behauptet hatte, Jesus würde, wenn man ihn nur inbrünstig genug darum bitten würde, auch persönlich zu einem wahrhaft Gläubigen sprechen. Nun, daran dass ich inbrünstig bat und wahrhaft glaubte, kann hier mal überhaupt kein Zweifel bestehen.

Naja, auf jeden Fall hatte ich das Gefühl, dass alles gut sei. Bis nach den Sommerferien letztes Jahr auf einmal dieser Typ neu in meine Stufe kam. Mit dem änderte sich alles. Im Guten wie im Schlechten. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.

Der Direktor meiner High-School hatte Logan persönlich in unsere Klasse gebracht und ihn auch persönlich vorgestellt.

Von der ersten Sekunde an liebte ich ihn.

Noch bevor ich seine Stimme hörte oder die Farbe seiner Augen wusste, war ich in ihn verliebt. Er war großgewachsen, vielleicht einsneunzig, hatte die breiten Schultern eines Football-Spielers, braune Haare und, das bekam ich erst etwas später mit, die Augen eines Engels. In Blau.

Obwohl wir ihn alle abschätzig angafften, blieb Logan gelassen, ja, er lächelte sogar und betrachtete mit erhobenem Kopf die Reihen seiner neuen Mitschüler vor ihm. Ich war ihm verfallen, als seine Augen meine trafen. Was er dann sagte, bekam ich nicht mit. Der Direktor musste ihn wohl gebeten haben, sich kurz selbst vorzustellen, danach setzte er sich hin, eine Reihe vor mich. Von meiner Position aus konnte ich seine breiten Schultern bewundern und auf die Stelle starren, an der sein T-Shirt seinen Hals berührt, konnte die feinen Härchen in seinem Nacken beobachten und mir damit ziemlich gut und bilderreich vorstellen, wie es wäre, meine Hand in seinen Haaren zu vergraben, wenn ich ihn küsste.

Wie du dir vorstellen kannst, hat diese Situation mir nicht gerade geholfen. Als Logan sich dann auch noch anschickte, mein Freund werden zu wollen, geriet meine Welt erst recht ins Wanken.

“Hey”, sagte Logan eines Tages beim Mittagsessen.

Ich verschluckte mich fast, als ich erkannte, wer mich dieses Mal bei der üblichen schweigsamen Mittagspause mit meiner besten Freundin Elisabeth störte.

“Kann ich mich zu euch setzen? Wir haben Literatur zusammen, oder?”

Ich konnte wieder nur nicken. Verdammt. Der musste damit aufhören, unbedingt!

Genaue Erinnerungen an das erste Gespräch mit Logan habe ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich mich penetrant davon abhalten musste, ihm nicht andauernd in die Augen zu starren. Es musste aber irgendwie gut gelaufen sein, denn im Laufe der nächsten Wochen sahen wir uns immer öfter und wurden so etwas ähnliches wie Freunde. Meine Verwirrung erreichte unterdessen einen neuen Höhepunkt. Jetzt, wo ich nahezu jeden Tag mit einer Person verbrachte, der ich immer näher sein wollte, näher als jedem anderen Menschen auf dieser Welt - und als sich herausstellte, dass dieser Mensch ein Mann war, ein Mann wie ich selbst, brach meine Idee vom Wegbeten und vom normalen Leben im Kreis meiner Familie mit jedem Tag ein Stück weiter zusammen. Ich war verzweifelt, völlig verloren irgendwo zwischen meinem Glauben an Gott und meinen Gefühlen.

Zu diesem Zeitpunkt wusste freilich niemand von meinem Problem. Und ich wollte daran nichts ändern, solange ich es irgendwie beeinflussen konnte. Meine Eltern sind sehr einfache Leute und zudem sehr gläubig. Ich hätte vorher wissen können, wie sie es aufnehmen würden, aber ich habe ihnen vertraut und doch geahnt, dass ich, wenn ich die Chance haben wollte, von ihnen akzeptiert zu werden, die Angelegenheit sehr genau würde planen müssen. Und außer meinen Eltern hatte ich wenige gute Freunde. Denn die Menschen, mit denen ich mich täglich umgeben hatte, waren genauso besessen von dem Gedanken an Abstinenz als Mittel der Liebe zu Gott, waren genauso gläubig, wie ich es gewesen wäre, wenn ich mich nicht als schwul herausgestellt hätte. Mit ihnen konnte ich also nicht reden.

Während ich meine Einsamkeit in meinen Tagebüchern und in Gedichten verarbeitete, ging draußen das Leben weiter. Logan war in den letzten Wochen so eine Art Stammgast bei uns zu Hause geworden, meine Eltern mochten ihn und so war es kein Problem, dass ich, obwohl ich meinem Vater eigentlich bei irgendeiner Sache mit seinem Auto hätte helfen sollen, an einen See zum schwimmen fahren durfte. Mein Herz war gespalten. Auf der einen Seite wollte ich mit ihm zusammen sein, immer und jeden einzelnen Tag. Auf der anderen Seite wurde mir bereits bei der Idee, Logan nur in Badehose zu sehen, schwindelig.

Seit einigen Jahren hatte es sich eingebürgert, dass Jugendliche, die schwimmen gehen wollten, sich im Naturschutzgebiet trafen, wo man in einigen der Seen ziemlich gut und vor allem ungestört schwimmen gehen konnte, sofern man sich nicht völlig dämlich anstellte. Und dahin wollten wir, zu zweit. Hinzu kam, dass wir an einem Schultag fahren wollten - es sprach also viel dafür, dass wir auch alleine bleiben würden und niemand in unserem Alter sich zu uns gesellen würde.

Fünf Minuten vor der verabredeten Zeit - ich weiß es, weil ich alle dreißig Sekunden auf die Uhr geschaut habe - hupte es und Logan saß in seinem weißen Chrysler und winkte.

“Hey Buddy, kanns losgehen?”

Ich nickte, kontrollierte in Gedanken nochmal den Inhalt meiner Tasche - schließlich wollte ich nicht vor ihm nacktbaden müssen, wenn ich meine Badehose vergessen hatte und sprang auf den Beifahrersitz.

“Boah, ich freu mich so!”, strahlte Logan mich an.

“Und ich mich erst!”, bestätigte ich ihm. Die Fahrt über redeten wir über dies und das und vor allem über die Schule. Nach einer knappen Viertelstunde hatten wir das Naturschutzgebiet erreicht, in dem der See liegt. Mit der Ortskenntnis eines Alteingesessenen umfuhr Logan die Rangerstation, so dass niemand misstrauisch werden würde, wenn wir zwei Jungs mit Badesachen zum See liefen. Schließlich war das Baden zwar nicht verboten, aber alles andere als gerne gesehen.

Als wir das Auto geparkt hatten und uns jeder mit einer Tasche und einer Decke bewaffnet auf den Weg machten, stieß Logan mich in die Seite und grinste:

“Wer zuerst am See ist, hat gewonnen!” und sprintete den Weg entlang in Richtung See. Ich hatte Mühe, Schritt zu halten, denn auch wenn ich sicher nicht unsportlich bin, so schnell wie Logan war ich nie. Und so kam ich keuchend und schnaufend erst dann am Ziel an, als mein Begleiter sich schon in den kiesligen Sand am Ufer des Sees geworfen hatte.

Wie angewurzelt stand ich da, weil ich mich von dem Anblick nicht losreißen konnte. Ihm muss das aufgefallen sein, denn nach einer kurzen Zeit richtete er sich auf, kniff die Augen zusammen und fragte: “Was stehst du da so rum?”

Mir fiel keine Antwort ein - und sagen, dass ich da so herum stand, um ihm beim herum liegen zuschauen zu können, das erschien mir eher unklug. Also ging ich hinüber und ließ mich neben ihm in den Sand fallen. Es war ein warmer Tag Ende August, mit klarer Luft und blauem Himmel, sprich, ganz einfach ein herrlicher Tag, um sich draußen herum zu treiben. Dennoch waren wir, von ein oder zwei Menschengruppen, die wir durch die große Entfernung nur in Umrissen erkennen konnten, ganz alleine.

Eine Weile lagen wir nebeneinander und besahen den Himmel. Dann begannen wir, das Stativ aufzubauen, ich glaube, Logan wollte Fotos von der Landschaft machen, ganz sicher bin ich mir jedoch nicht - wir sind irgendwann jedenfalls damit fertig gewesen und haben beschlossen, dass es nun Zeit wäre, ins Wasser zu gehen.

Obwohl es nicht mehr allzu warm war - jedenfalls erinnere ich mich nicht daran, dass es besonders warm gewesen war - fand ich die Idee gut. Und kurz nachdem ich genickt hatte, war Logan schon aufgesprungen und hatte sich buchstäblich die Klamotten vom Leib gerissen. Als er seine Hose auszog, stockte mir kurz der Atem, aber er hatte seine Badehose schon angezogen, also blieb mir das, was ich damals für das Schlimmste hielt, zunächst erspart.

“Wasn?”, fragte mich Logan als er sah, dass ich keine Anstalten machte, mich auch auszuziehen.

“Achso, ja.” Ich musste ziemlich verwirrt geguckt haben. Als ich meine Schwimmhose aus meiner Tasche zog, grinste Logan.

“Nun beeil dich! Ich guck dir schon nichts weg!” Bei dem Gedanken, dass er die Gelegenheit dazu bekommen würde, mir etwas wegzugucken, wurde mir ganz heiß und alles - ja, alles! - an mir versteifte sich. Ich konnte mich unmöglich vor ihm ausziehen. Und jetzt, wo ich einen Ständer sondergleichen hatte, noch weniger.

“Geh nur schon ins Wasser!”, versuchte ich ihn zu vertreiben und nachdem ich ein, zweimal insistiert hatte, verzog er sich mit einem leicht irritierten Blick und sprang ins Wasser. Ich betrachtete Logan, wie er einige elegante Züge im Wasser unternahm und jauchzend tauchte. Nichts konnte mich, beziehungsweise meinen kleinen Freund, irgendwie beruhigen. Nach einiger Zeit wurde mein Verhalten - ich draußen, gaffend, er drinnen schwimmend - so lächerlich, dass ich, obwohl ich immer noch spitz war wie nichts Gutes, einfach darauf hoffte, er würde aus der Ferne nichts mitbekommen und mich umzog.

Als ich meine Badehose endlich angezogen hatte, stand Logan klatschnass plötzlich hinter mir.

“Nun komm schon”, quängelte er.

“Ja, bin ja schon fertig”, grinste ich und versuchte, so schnell wie möglich ins rettende Wasser zu kommen.

Er sagte nichts, grinste nur merkwürdig und folgte mir.

Als wir am Wasser ankamen - es kommt mir vor, als wär ich eine Meile gelaufen, dabei warens sicher nur wenige Meter - hatte er mich eingeholt und stupste mich in die Seite. “Musst nix verstecken!”

Ich versuchte leidlich überzeugend, mich unwissend zu stellen. “Hä?”

Er grinste nur und schubste mich sachte Richtung Wasser. Dankbar für die Ablenkung nahm ich die Gelegenheit wahr und stürzte mich mehr oder weniger elegant bäuchlings ins Wasser. Er folgte mir.

Das Wasser war angenehm kalt und erfrischend, mein Problem erledigte sich trotzdem nicht. Das lag vor allem daran, dass Logan nass im Wasser noch verführerischer aussah als tropfnass an Land. Oder trocken. Oder überhaupt. Außerdem war er ständig um mich herum, so dass ich nicht wirklich anders konnte, als ihn im Auge zu behalten.

Wir fingen an, um die Wette zu tauchen.

Um die Wette zu schwimmen.

Uns nass zu spritzen.

Er fing an, mich unterzutauchen.

Er hatte mich im Schwitzkasten.

Ich hatte meine Hände um seine Hüften und hakte mein Bein zwischen seine, um ihn zu Fall zu bringen.

Ich hatte keinen Erfolg. Er auch nicht. Wir schluckten beide eine Menge Wasser.

Wir gaben Beide nicht auf.

Wir wollten Beide nicht aufgeben.

Irgendwann, ich weiß gar nicht, wie genau das zu Stande kam, rutschte er aus und zog mich mit ihm unter Wasser.

Prustend tauchten wir wieder auf. Seine Hände um meinen Hals, meine Hand um seine Hüften. Wir sahen uns in die Augen. Hafteten unsere Blicke aneinander, grinsten und ließen los.

Ich hatte verstanden, er hatte verstanden. Dachte ich jedenfalls.

Er hatte mich nicht zurückgewiesen, meine Welt war zugleich aus den Fugen und in völliger, vollkommener Ordnung.

Ich kann mich nicht erinnern, ob wir danach noch lange im Wasser blieben, oder nicht. Was ich jedoch weiß, ist, dass wir im Wasser waren, als meine Gewissheit sich wieder auflöste.

Wir waren um die Wette geschwommen und ich hatte ihn geschlagen. Zum ersten Mal oder so.

Er stand neben mir im flachen Wasser, ungefähr dort, wo er realisiert hatte, dass ich gewonnen hatte und grinste. Ich grinste zurück und watete auf ihn zu. Er nahm mich in den Arm, zog mich zu sich heran.

“Super, Alter!”

Ich wusste nicht, wie mir geschah. Warum tat er das?

Dann wollte ich ihn loslassen, weil ich die Latte, die ich in meiner Hose hatte, nicht aufdringlich gegen seine Hüfte drücken wollte. Man soll ja die Toleranz seiner Mitmenschen nicht allzu sehr herausfordern, dachte ich.

Logan ließ mich nicht aus der Umarmung. Im Gegenteil.

Logan küsste mich.

Ich wusste die ersten Sekunden nicht, wie mir geschah.

Vierundzwanzig.

Fünfundzwanzig.

Sechsundzwanzig.

Ich hatte nicht den Mut, seinen Kuss zu erwidern, so dass er sich irgendwann von mir zurückzog und mich mit verschleiertem Blick traurig anschaute.

Schweigen. Im Wasser, das auf einmal gar nicht mehr so angenehm war. Wären meine Gedanken nicht viel zu sehr darum gekreist, die Tatsache, dass Logan mich eben geküsst hatte, in mein Weltbild zu pressen, hätte ich mich vermutlich geohrfeigt. Da küsst mich der Mensch, in den ich offensichtlich verliebt bin und alles, was ich tue, ist, ihn dafür dämlich anzustarren.

Logan sagte nichts, sondern sah mich mit einem für mich nicht zu deutenden Blick an, bevor er sich umdrehte und dem Ufer entgegen strebte.

Ich stand weiter da, wie zur Salzsäule erstarrt und sah ihm hinterher. Erst als Logan das Ufer erreichte, löste sich die innere Blockade, die mich festgehalten hatte und ich lief ihm, so schnell das durchs Wasser eben ging, hinterher.

“Logan”, rief ich, nein, was sage ich, schrie ich. Aber er blieb nicht stehen. Ich hatte sogar den Eindruck, dass er seine Schritte beschleunigte, als er mich rufen hörte. Jedenfalls begann ich, schneller zu laufen. Und tatsächlich, er lief wirklich vor mir weg, ohne Rücksicht auf seine nackten Füße lief er von unseren Sachen, die irgendwo links von ihm am Ufer lagen, weg, auf ein Waldgebiet zu. Ich rannte hinterher, immer noch seinen Namen rufend, jedenfalls, solange mir die Luft dazu blieb.

Rückblickend glaube ich, ich hätte ihn nie eingeholt, wenn ich nicht über die Wurzel gestolpert wäre. Logan war einer Gazelle gleich darübergesprungen, ich jedoch hatte sie übersehen und fiel wenig elegant und ziemlich schmerzhaft auf die Nase. Dort blieb ich liegen, davon überzeugt, nicht nur Logan und meine räumliche Orientierung, sondern auch meine Gesundheit verloren zu haben.

Dann hörte ich neben mir Äste knacken und dachte, dass die Wölfe, die sich sicher gleich über mich hermachen würden, mir hoffentlich einen schmerzlosen Tod bereiten würden, als eine Hand sich auf meinen Rücken legte und darüber strich.

“Andrew?”, flüsterte Logan leise, “Bist du okay?”

Ich lag auf dem Bauch und spürte, das Blut an meiner Wange hinunterlaufen.

“Ging schon besser”, erwiderte ich und drehte mich langsam zu ihm herum. Er strich mir den Dreck aus dem Gesicht, ich zuckte zurück, sah die Sorge in seinen Augen und wollte nichts, außer “Entschuldigung” sagen, aber aus meinem Mund kamen nur ein paar gepresste Töne, die für ihn keinen Sinn zu ergeben schienen. Die Sorge in seinem Blick wuchs.

“Kannst du mir aufhelfen?”, fragte ich.

Er sah nicht überzeugt aus, aber ich musste erstmal selbst wissen, wie es mir ging, bevor ich ihm sagen konnte, was ich wollte.

Logan zog mich auf die Beine, ich stand da, unsicher, ob mir irgendetwas wirklich weh tat und wenige Augenblicke später erleichtert darüber, dass ich nur einige kleine Schürfwunden davongetragen hatte.

“Können wir hier weg?”, fragte ich als nächstes und realisierte, wie besorgt und zugleich unglaublich ängstlich mein Gegenüber mich anschaute. Er nickte dann auch nur und wir versuchten schweigend, den Weg, den wir genommen hatten, so gut wie möglich zu rekonstruieren und kamen nach einer erstaunlich kurzen Zeit wieder am Strand an.

Irgendwie befreite mich der Anblick des Sees von meiner inneren Schwere.

“Hör zu, es tut mir leid!”

“Ich weiß nicht, wovon du redest!”, erwiderte Logan, aber seine Stimme verriet mir, dass das nicht stimmte.

“Wirklich, Logan!”

Wir standen immer noch nur in unseren Badehosen am Strand und allmählich wurde es kalt, aber ich wollte diese Angelegenheit zu Ende bringen, wollte wissen, was dieser Kuss bedeuten sollte.

“Ich weiß nicht, wovon du redest, Kumpel”, versuchte Logan einen weiteren Ablenkungsversuch.

Ich starrte ihn an. “Nicht?”

“Nein!”

Ich zögerte eine Sekunde, trat an ihn heran, zog seinen Kopf an meinen und drückte ihm meine Lippen auf den Mund. Sekunden danach verlangte meine Zunge Einlass in seine Mundhöhle, den er mir gewährte. Ich küsste ihn. Er küsste mich. Wir küssten uns.

Ich war im Himmel. Dachte ich.

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