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Jonas

Winterchallenge 2005

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Informationen

von der Redaktion

Dies war ein Beitrag zur WinterChallenge 2005

Jonas

„Jetzt beeil dich endlich, wir haben noch viel vor“, hörte ich meine Mutter irgendwo sagen.

Hallo! Ich bin 17 und dein Sohn und nicht dein Schwertransporter. Mühsam schleppte ich die ganzen Tüten diverser Modegeschäfte und Einrichtungshäuser durch die Einkaufspassage. Jedes Jahr zu Weihnachten dasselbe Spiel: Meine Mutter zückt die Kreditkarte meines Vaters und macht die Stadt unsicher. Und ich, ihr heiß geliebter, einziger Sohn, darf Packesel spielen. Toll, oder?

„Kommst du jetzt endlich?“

„Ja! Ich bin unterwegs. Kannst du mir vielleicht mal was abnehmen? Ich seh´ kaum noch was.“

„Stell dich nicht so an, die paar Sachen.“

RRRUUUMMMMMMSSSSS!!!!

Ich sah nur noch die Pakete fliegen und mich natürlich hinterher. ABER – meine Landung war weich, sehr weich um genau zu sein. Dafür hörte ich unter mir ein unterdrücktes: „Ufz, kannst du nun endlich wieder mal von mir runter gehen? Ich meine, ich lieg ja gerne mal unten, aber nicht in dem Ding da.“ Und dabei zeigte er auf sein Weihnachtskostüm.

Meine Mutter stand auch schon hier und bog sich vor Lachen.

„Komm Jonas, steh auf und hilf dem armen Weihnachtsmann hoch.“

Ich rappelte mich also hoch und half dem ‚armen Weihnachtsmann’ beim Aufstehen. Und dabei erhaschte ich einen Blick in seine Augen. WOW! So was Blaues hatte ich noch nie im Leben gesehen. Mir versagte die Stimme, die Beine, das Gehirn…

Meine Mutter sah uns beide an und meinte dann an den Weihnachtsmann gewandt: „Wie heißt du?“

„Ähm, ich? Ich heiße Tobias. Tobias Schneider.“

„Na denn ,Tobias Schneider, als Entschädigung, dass mein Packesel dich umgerannt hat ,bekommst du eine Tasse heiße Schokolade, falls du dich noch nicht zu alt für heiße Schokolade fühlst. Aber ich kann dir sagen, ich mache die beste heiße Schokolade der Stadt. Heute Abend – 18 Uhr. Hier ist unsere Adresse. Und sei pünktlich. Ich kann Unpünktlichkeit nicht leiden.“

Ich hätte sie erwürgen können. Seit sie weiß, dass ich schwul bin, versucht sie mich mit allem zu verkuppeln,das Hosen anhat. Aber süß war er ja schon …. Tobias Schneider. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass er hetero war, war in meinen Augen auch ziemlich hoch.

Jaaaaa, meine Mutter weiß das. Und mein Vater auch. Und zu meiner Überraschung gehen sie damit sehr locker um. Mein Vater ignoriert das ganze eher, sprich, das ist kein Thema für ihn. Und meine Mutter versucht mich an den Mann zu bringen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Für Enkelkinder ist dann auch meine Schwester zuständig. Die hat ihren ersten Braten übrigens schon in der Röhre. Darf sie mit 25 Jahren ja auch. Ich freue mich darauf, Onkel zu werden.

Heute Abend also. 18 Uhr! Ich sammelte alles wieder auf und los ging’s zum Auto.

„Mum was soll das denn? Wieso lädst du jetzt schon wildfremde Jungs zu uns ein. Nur wegen diesem kleinen Rums? Bin ich wirklich so bemitleidenswert, weil ich keinen Freund habe?“

„Ach Jonas – das hat nichts mit Mitleid zu tun, sondern mit der Art, wie er dich angestarrt hat. Oder sollte ich sagen wie du IHN angestarrt hast?“

„Hab ich das?“

„Ja.“

Auweia, jetzt starre ich also schon fremde Jungs an. Ist es schon wieder so weit? Ich dachte mir, dass ich es dringend nötig hatte, mal wieder ins Point zu gehen. Das Point ist eine Szenedisco bei uns in der Stadt. Und wenn der allgemeine Druck zu hoch wird, findet man dort immer ein wenig Ablenkung und Spaß.

Ja ja, ich weiß ja selbst dass ein One-Night-Stand nicht unbedingt das gelbe vom Ei ist. Aber ohne Freund? Und ein wenig Nähe braucht jeder mal. Also beschloss ich ,morgen Abend mal wieder loszuziehen. Samstags war da immer die Hölle los.

TOBIAS

Ach du Schreck! Ein gewaltiger Bums, und da lag ich auf der Straße und auf mir drauf das süßeste Geschöpf, das ich je gesehen hatte. Zwei braune verwirrte Augen blickten mich an.

Daneben eine Frau ,die einen Lachflash hatte, vielleicht hat sie aber auch nur irgendwelche Antidepressiva genommen, wie das viele Leute um die Weihnachtszeit machen, um der Melancholie zu entfliehen.

So süß er war – so schwer wurde er auch langsam. „Ufz, kannst du nun endlich wieder mal von mir runter gehen? Ich meine ich lieg ja gerne mal unten aber nicht in dem Ding da.“ Und ich zupfte an meinem Kostüm rum.

„Komm Jonas, steh auf und hilf dem armen Weihnachtsmann hoch.“

Jonas rappelte sich also hoch und half dem ‚armen Weihnachtsmann’ beim Aufstehen. Arm? Ich? Ich hab grade einen Goldfang gemacht. Ich sah ihm in seine Augen. WOW! Diese dunkle schöne warme Braun, so was Braunes hatte ich noch nie im Leben gesehen. Mir versagte die Stimme, die Beine, das Gehirn…

Seine offensichtliche Mutter sah uns beide an und meinte dann an mich gewandt: „Wie heißt du?“

„Ähm, ich? Ich heiße Tobias. Tobias Schneider.“

„Na denn Tobias Schneider, als Entschädigung dass mein Packesel dich umgerannt hast bekommst du eine Tasse heiße Schokolade, falls du dich noch nicht zu alt für heiße Schokolade fühlst. Aber ich kann dir sagen ich mache die beste heiße Schokolade der Stadt. Heute Abend – 18 Uhr. Hier ist unsere Adresse. Und sei pünktlich. Ich kann Unpünktlichkeit nicht leiden.“

Sprach´s , und drückte mir eine Visitenkarte in die Hand. Und zog dann den süßen Jonas mit sich fort.

Ich kramte mein Handy raus und startete einen Notruf bei Sanne. Eigentlich Susanne. Aber jeder nennt sie nur Sanne. Und sie ist meine beste Freundin. Und die einzige Person, die weiß, dass ich nur auf Jungs stehe. Obwohl bei uns auf Arbeit alle denken, sie wäre meine Freundin, weil wir so oft zusammen abhängen.

Sanne war es auch, die mich vor 2 Wochen das erste Mal überredet hat, in so einen Schwulenclub zu gehen. Ich hab mich da überhaupt nicht wohl gefühlt. Ich meine ,die Mucke war ja ganz ok. Aber die Typen die dort rumlaufen.

Ich hab Sanne hinterher mindestens drei Stunden lang erklärt ,warum ich dort nie wieder im Leben hin will.

Schon nach dem ersten Klingeln hatte ich sie an der Strippe, und ich erzählte ihr, dass mich gerade mein Traummann über den Haufen gerannt hatte.

„Na super Schatz, da gehst du heute Abend natürlich hin.“

„Aber Sanne, der ist doch 100 % hetero. Der will nichts von mir. Wie der mich finster angeglotzt hat. Kannst du nicht mitkommen?“

„Also Tobias!!!“

Aua – wenn sie mich Tobias nennt statt Tobi ,dann ist sie sauer.

„Bitte Sanne, sonst geh ich da gar nicht hin.“

„Hach ok… nur – was wird der denken wenn du da mit mir auftauchst?“

JONAS

Rrrriiiiiiiiiiiiiiiinnnnnnnnnnngggggggggggggg!!!

Argh! Warum ist unsere Glocke nur so derartig schrill?

Ich war natürlich noch im Bad. Natürlich noch nicht fertig. Schließlich wollte ich geil aussehen für meinen Schnuckel. Meiner? Auweia… dann hat es mich doch schlimmer erwischt als ich dachte. Scheiße!

Meine Haare standen wirr vom Kopf ab und ließen sich mal wieder überhaupt nicht bändigen. Mein bester Freund nennt das immer meine „Krautfrisur“. Dann muss es eben mit Kraut gehen.

Ich stürzte die Treppen hinunter wo meine Mutter schon dabei war die Gäste ins Wohnzimmer zu bugsieren. Moment mal! Die Gäste? Wer war denn da noch dabei?

Ich ging rein, und sofort stach sie mir ins Auge. Ein wunderbares weibliches Wesen. Und mit diesem Blick sank meine Laune sofort auf unter 0 Grad. Na toll! Mein Traummann ist also hetero und hat ne Freundin. Wusste ich’s doch gleich.

Artig sagte ich Hallo.

„Hi.“ Mein Gott, wie süß schüchtern ist der denn? Dieser Blick… so von unten herauf…. so schüchtern. Jonas ,reiß dich zusammen der Typ hat seine Alte dabei.

Die „Alte“ kam nun auf mich zu und streckte mir ihre Hand entgegen.

„Hallo ich bin Sanne. Ich hab Tobi begleitet, weil er sich sonst nicht hergetraut hätte.“

„Wieso sehe ich aus, als ob ich beiße?“ Ha das war schön giftig.

„Also wenn ich ehrlich bin, im Moment ja“ strahlte sich mich an.

Meine Mutter rief aus der Küche, dass wir kommen können. Die heiße Schokolade sei fertig. Also haben wir uns alle aufgerafft und sind in die Küche gegangen. Ich hab mir meine Tasse geschnappt und mich an den Tisch gesetzt. Nach reden war mir nicht zumute. Eher nach starren. Ich musste ihn einfach anstarren.

Diese dunklen Haare. Schwarz wie Ebenholz. Hab ich erzählt dass ich ein Faible für Märchen habe? Diese blauen Augen.

Meine Mutter übernahm Gott sei dank die Kommunikation. Was er denn so macht, wie alt er ist, wo er denn so hingeht, wenn er weggeht. Er arbeitet also in den Arkaden. In einem Telekom Laden. Dann weiß ich ja, wo ich in Zukunft hingehe wenn mein Handy streikt. Den Job als Weihnachtsmann macht er in seiner Freizeit ,um sich was dazu zu verdienen. Fleißig ist er also auch. Er ist 18 Jahre alt. Na dieses eine Jahr Unterschied ist doch auch egal. Er spielt gerne Klavier? Oh nein bitte nicht – mit dem klassischen Mist kann ich nun gar nichts anfangen. Allerdings ,wenn er für mich spielen würde…Und er geht selten weg.

Seine Freundin erzählt grade ,dass sie ihn vor kurzem mal in eine Disco geschleppt hat, aber dass es ihm dort gar nicht gefallen hat.

Mein Stichwort. „Also ich gehe sehr gerne in die Disse. Ich bin morgen auch wieder im Point. Das Tanzen befreit irgendwie.“

Beide gucken sie mich völlig bedöppelt an. Wahrscheinlich sagt ihnen das Point nichts. Wie denn auch. Ist schließlich auch der Schwuppenladen schlechthin.

Nach der heißen Schokolade hat Tobi es plötzlich sehr eilig, wieder nach Hause zu gehen. Also verabschieden sie sich relativ schnell.

Sanne meint zu uns beiden: „Ihr könntet doch eure Nummern austauschen. Vielleicht kann dich ja Jonas mal mit in seine Disco nehmen, und es gefällt dir dann besser?“

Beide werden wir puterrot. Warum er eigentlich? Aber wir tauschen artig unsere Nummern aus. Und dann flattern die beiden aus der Tür raus. Und lassen mich noch verliebter zurück, als ich sowieso schon bin.

Ich hab schlechte Laune und will keinen mehr sehen oder hören. Also schmeiß ich mich in meinem Zimmer aufs Bett und drehe die Mucke auf. PAIN! Das ist es was ich jetzt brauche.

TOBIAS

Oh Gott! Der ist also wirklich schwul? Warum ist er aber so feindselig mir gegenüber? Sanne hat mir schon beim Kakao… Verzeihung, bei der heißen Schokolade den Daumen in die Höhe gestreckt. Woher wollte sie es da schon wissen?

Und überhaupt, kann der nicht ein bisschen freundlicher sein? So muffig wie der war.

Seine Mutter ist genau das Gegenteil von ihm. Die war total nett. Natürlich auch super neugierig und hat mich über alles Mögliche gefragt. Und ich hatte ganz brav geantwortet. Während er mich die ganze Zeit über finster angestarrt hat. Was glotzte der denn so dämlich?

Als dann Sanne anfing, von der Disco zu erzählen hab ich gebetet, dass sie den Namen der Disco nicht erwähnt. Hat sich auch nicht. Dafür meint Jonas plötzlich: „Also ich gehe sehr gerne in die Disse. Ich bin morgen auch wieder im Point. Das Tanzen befreit irgendwie.“ Ins Point? In die Disco, in die ich nie mehr will? Aber wenn er dahingeht, dann ist er doch auch schwul oder?

Sanne und ich haben ihn gleichermaßen blöd angestarrt. Und irgendwie hab ich mich dann nicht mehr wohl gefühlt. Wenn er also auch einer von diesen oberflächlichen, aufgedonnerten, beschmierten Jungs ist? Wenn es ihm auch nur ums vögeln geht? Ich meine HEY – ich bin noch Jungfrau, ähm… Jungmann, und ich stelle mir mein erstes Mal ziemlich romantisch vor. Auch wenn es kitschig klingt, aber in dem Punkt bin ich eben sehr altmodisch.

Als wir beim Verabschieden waren, hat es Sanne so eingefädelt dass wir die Nummern ausgetauscht haben. Naja, jetzt hab ich also seine Handynummer. Und was soll ich nun damit?

Ich lege mich nun in mein Bett und versuche zu schlafen… und zu träumen… von braunen Augen, von wirren blonden Haaren die ein wenig aussehen wie ein Topf voll Sauerkraut, von einem großen schlanken, muskulösen Körper. Ist es leichter zu sagen … von IHM?

JONAS

Samstag Abend. 23 Uhr. Meine Zeit.

Hab lange, nein ,sehr lange geschlafen. Wenn man es genau nimmt ,bin ich erst um 14 Uhr aufgestanden. Und dann hab ich den restlichen Nachmittag damit zugebracht ,mich zu stylen. Schließlich will ich heut mal wieder vögeln. Also sollte ich auch dementsprechend aussehen. Am liebsten würde ich ja mit Tobias… aber nein! Den schlag ich mir mal ordentlich aus dem Kopf. Soll der nur mit seiner Sanne rummachen. Wie kann man überhaupt Sanne heißen. Einen bescheuerteren Namen gibt es auf der ganzen Welt nicht.

Ich stehe also jetzt schön zurechtgemacht und poppbereit im Point. Aber es ist nichts wirklich tolles dabei. Das heißt – der Typ dort hinten mit seinen dunklen Haaren… sieht ein bisschen aus wie Tobi. Ob ich den mal anmachen soll?

TOBIAS

Ich fasse es nicht. Ich fasse es einfach nicht. Ich hab mich heute doch tatsächlich von Sanne überreden lassen, noch mal mit ihr in das Point zu gehen. Und das obwohl ich keine wirklich gute Meinung von dem Laden habe. Und warum? Nur weil Rehäuglein auch dort ist. Nur deswegen hab ich mich breitschlagen lassen von meiner Süßen.

Sie meinte: „Du hast doch gehört, was er gestern gesagt hat. Er geht oft ins Point – also wird er heute mit Sicherheit auch dort sein.“

Und dann stand ich mit Sanne vorm Kleiderschrank Schwarze enge Hose, schwarzes enges Shirt, meinen Nietengürtel (woher hab ich den bloß?). Und dann begann sie auch noch mich anzumalen. Bis ich ihr strikt sagte, dass es nun reicht. Ich sehe aus… ja wie bloß? Nicht wirklich wie ich. Aber – auch nicht wirklich schlecht. Eigentlich sogar ein bisschen verboten.

Und nun stehe ich mit ihr vor der Schlange und hoffe, dass wir bald reinkommen. Nein – nicht aus Sehnsucht nach Rehäuglein, sondern weil mir arschkalt ist.

JONAS

Ach du Scheiße! Wie daneben kann ein Abend eigentlich laufen?

Ich hab mir das Fickstück aufgerissen. Den Typen ,der mich so sehr an Tobi erinnert hat. Und als wir gerade beim Zungentanz auf der Tanzfläche waren sehe ich aus dem Augenwinkel… ja Tobi! Er starrte mich an und drehte sich dann um und war weg. Und Sanne war auch da. Wenn Blicke töten könnten dann wäre ich jetzt tot. Aber das bin ich auch so. Ich bin gestorben, als ich ihn da sah und als sich meine Gedanken plötzlich zu einem großen Puzzle zusammenfügten.

Er sagte nicht dass Sanne SEINE Freundin wäre, sondern er sagte ja nur es sei EINE Freundin. Er starrte mich deswegen so an ,als ich das Point erwähnte ,weil er wohl auch selbst schon hier war. Und er sagte wohl deswegen nichts, weil er ja nicht wissen konnte, dass meine Mutter Bescheid weiß ,und dass sie so locker damit umgeht.

Ich lies den anderen Typen einfach mitten auf der Tanzfläche stehen und bin Tobi hinterher. Besser gesagt, ich hab es versucht. Ich konnte ihn nur nirgends mehr wo finden. Also hab ich ihm eine SMS geschrieben >> Tut mir leid, dass du es so erfahren musstest, dass ich schwul bin. Ich möchte dich sehen und mit dir sprechen. Bitte gib mir eine Chance dir alles zu erklären. Lieben Gruß Jonas

Dann bin ich nach Hause und hab mich in mein Bett geschmissen. Die Lust auf irgendwas ist mir gründlich vergangen. Und nun? Nun warte ich wie ein Bekloppter auf eine Antwort. Und in Gedanken hab ich sein Bild. Wie er da am Rande der Tanzfläche stand. Wie er aussah. So richtig lecker, nein wohl eher verboten. Ach wie auch immer. Ich will den haben.

TOBIAS

Scheiße! Ich weiß schon, warum ich den Laden hasse.

Da komm ich mit Sanne gut gelaunt in den Laden und hoffe, mein Rehäuglein zu sehen. Und ich sehe ihn auch nach einer guten Stunde. Er bewegt sich auf der Tanzfläche, hat einen Typen im Arm und steckt dem die Zunge in den Hals. Warum kann ich nicht der Typ sein. War ja klar, dass er schon einen Freund hat. Wer so aussieht ist nicht solo. Nie im Leben.

Jetzt weiß ich, wo mein Traummann wohnt. Ich hab seine Handynummer. Ich weiß ,dass er so fühlt wie ich – d. h., dass er auch auf Jungs steht. Und ich weiß ,dass er einen Freund hat.

Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten und bin einfach raus aus der Disco, rein in die nächste U-Bahn und auf den Weg nach Hause. Sanne? Die kommt auch ohne mich klar.

Vorhin kam eine SMS von ihm >> Tut mir leid dass du es so erfahren musstest dass ich schwul bin. Ich möchte dich sehen und mit dir sprechen. Bitte gib mir eine Chance dir alles zu erklären. Lieben Gruß Jonas

Was will er mir denn erklären? Warum er einen Freund hat? Ich will keine Erklärungen – ich will ihn, verdammt noch mal.

Sonntag

Meine Mum hat natürlich gemerkt, dass was mit mir nicht stimmt und hat angefangen, mich zu löchern.

„Was ist denn los? Was war denn gestern? Warum bist du so traurig?“

„Nichts.“

„Hast du Liebeskummer?“

„Ja Mum ,und jetzt lass mich bitte bitte in Ruhe.“

„Wegen Sanne?“

Ich bekomme einen Lachflash. „Nein Mum, nicht wegen Sanne.“

„Kenne ich ihn?“

„Nein, Mum du kennst ihn nicht.“

BUMS!

Mein Gesicht bekommt die Farbe von mehreren sonnenreifen Tomaten ,als mir klar wird was soeben passiert ist. Und meine Mum steht da und grinst mich nur an. Hä? Was stimmt denn jetzt nicht?

Sie streichelt mir durch die Haare.

„Ach Tobi. Denkst du denn, ich bin total blind? Komm ich mach dir eine heiße Schokolade und dann erzählst du mir mal alles über den Mann ,der dir das Herz gebrochen hat.“

Und das tat verdammt gut. Denn eigentlich kann ich mit meiner Mum über alles reden. Seit mein Erzeuger sich aus dem Staub gemacht hat, sind wir ein Herz und eine Seele.

Meine Mum meinte, ich soll ihm eine SMS zurück schreiben und mich auf neutralem Boden mit ihm treffen. Und am besten Sanne als Schiedsrichter mitnehmen. Also hab ich mit Sanne telefoniert und ausgemacht, dass wir uns um 17 Uhr auf einen Kaffee treffen mit ihm. Jetzt ist es 16 Uhr. Er hat also eine Stunde Zeit sich darauf einzustellen. Bin ich gemein? Ach was!

JONAS

Ich liege zuhause auf dem Fußboden und hab die Musik ultralaut. Das Handy liegt auf meinem Brustkorb und die Tränen rinnen mir über das Gesicht. Ich warte und warte – nichts. Warum meldet er sich nicht? Wahrscheinlich bin ich ihm schnurzegal.

Doch plötzlich brummt es auf meinem Brustkorb. Ich sehe nach. Ja eine SMS … von ihm… >> Komm um 17 Uhr in das Café Schiller am Bahnhof. Dann kannst du anfangen mit erklären.

17 Uhr !!! Das ist in einer Stunde. Bis zum Bahnhof brauche ich eine halbe Stunde. Das heißt ich kann grade noch irgendwie mal schnell duschen. Hat der einen Knall? In Hyperhochgeschwindigkeit erledige ich meine Dusche. Wasch die Haare kurz. Rubble sie nur ab. Zum stylen bleibt mir keine Zeit mehr. Meine Augen sind immer noch ganz rot vom vielen heulen. Na toll. Was werde ich da wohl wieder für einen Eindruck hinterlassen.

Um exakt 5 Minuten nach 17 Uhr betrete ich das Kaffee und sehe ihn auch gleich sitzen. Ich haste zum Tisch hin und – oh nein – Sanne ist auch da. Was will DIE denn?

Ich setze mich mal vorsichtig hin.

„Hi Tobi, hi Sanne.“

„Du bist zu spät.“

Huch. Was ist denn mit dem los? Sanne fängt an zu grinsen. Ich könnte sie erschlagen, auf der Stelle.

„Ja ich weiß Tobi, aber die S-Bahn. Mensch, wenn du auch so knapp vorher Bescheid sagst.“

„Ok ich höre?“

Mann das ist ein harter Brocken. Ich schlucke mal und gucke zu Sanne. Die grinst immer noch. Ich versuche einfach mal sie auszublenden. Und dann fange ich an zu erzählen. Dass er mir schon gefallen hat, als ich auf ihm lag, und er sein süßes Kostüm anhatte. Dass ich nicht weiß ,ob er mich verarschen will ,weil Sanne ja seine Freundin ist. Dass ich den Typen in der Disco nur geküsst habe ,weil er ihm so ähnlich sieht. Ich setze alles auf eine Karte und warte ab, was er nun sagt.

„Du hast ihn geküsst, weil er mir so ähnlich sieht?“

„Ja, es wäre mir lieber gewesen ,dich zu küssen.“

„Ich bin noch … ich meine … ich hab noch nie…“ Seine Stimme versagt.

„Was hat das mit Küssen zu tun?“ grinse ich ihn an.

„Naja, ich meine,.du wirkst auf mich eher so als suchst du nur Spaß und dafür bin ich mir zu schade. Ich will einen Freund haben. Einen auf den ich mich verlassen kann.“

Während er das sagt beugt er sich ein wenig vor. und seine wirren Harre kitzeln mich an meiner Wange.

„Tobi… ich hab noch nie einen Menschen wie dich getroffen. Darum hab ich wohl auch keinen Freund. Ich will auch einen Freund haben. Nein ,eigentlich will ich nicht irgendeinen Freund haben. Ich will dich Tobi.“

Er sieht mich lange an.

„Du willst also den Weihnachtsmann?“

„Ja ,den will ich.“

„Und warum küsst du mich dann nicht endlich?“

Recht hat er. Und dieser Kuss ist – einfach der WAHNSINN. Wenn er alles andere auch so gut kann wie küssen, dann… ups!

Als wir uns nach einer kleinen Ewigkeit von einander lösen, sagt er zu mir: „Übrigens, Sanne ist meine beste Freundin. Und wenn sie mich nicht gedrängt hätte dann würde ich jetzt nicht hier sitzen. Du solltest dich mal bei ihr bedanken ,anstatt sie immer so anzugiften.“

Doch gerade als ich das machen möchte, muß ich feststellen dass sie nicht mehr da ist. Langsam wird sie mir wirklich sympathisch. Und das Grinsen von vorhin war doch eher ein aufmunterndes Lächeln oder?

„Tobi ich kann mich nicht bei Sanne entschuldigen ,weil sie nicht mehr da ist.“

„Dann küss mich einfach weiter.“ seufzt er und sieht mich mit großen blauen Augen an.

Mach ich, mein kleiner Weihnachtsmann. Ich wüsste nicht was ich lieber täte.

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