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Trost

Kapitel 15-18

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 15

Kai erwachte von Schmerzen in seinen Rippen. Ächzend verlagerte er sein Gewicht auf die andere Seite und stöhnte auf, als sich Schmerzen aus seiner Schulter irgendwie hämisch dazugesellten. Dumpfes Pochen hinter seinen Augen hinderte ihn, sich wieder in den Schlaf zurückfallen zu lassen.

Kai beschloss das Beste aus der Sache zu machen und zerfloss eine Weile in Selbstmitleid. Endlich wagte er erneut eine vorsichtige Bewegung mit dem Oberkörper. Der Schmerz stach ihm wieder in die Seite, sodass ihm Tränen in die Augen schossen.

Kai biss sich auf die Lippe und beschloss brummelnd aufzugeben. Blind tastete er auf seinem Nachttisch nach der Packung mit den Schmerztabletten und fummelte an der Lasche. Endlich wurde er ungeduldig, und räkelte sich mühsam im Bett höher, stemmte sich gegen die Rückenlehne, um sich hinzusetzen. Dies startete ein merkwürdiges Brummen auf seinen Ohren und einen unangenehmen Schwindel. Langsam und das Gesicht verziehend versuchte er seine Augen zu öffnen.

Es wirkte hell um ihn her, lange konnte er nicht geschlafen haben. Sein geschwollenes Auge begann zu pochen, er schloss die Lider instinktiv wieder. Es war Mittag, wenn seine innere Uhr es korrekt bestimmte. Vorsichtig quälte er die Augen wieder einen Spalt weit auf und zuckte vom Licht zusammen. Sein Kopf wurde hernach anstelle vom Pochen eher von kleinen Stichen hinter den Augen, der Stirn und den Schläfen malträtiert, die von Lichtblitzen begleitet wurden.

'Schlimmer als ein Kater.' Kai schloss die Augen rasch und atmete durch. Die Tablettenschachtel widersetzte sich seinen ungeschickten Fingern. 'Verdammtes Mistding!'

Die Schachtel nahm ihm den Fluch übel und sprang scheinbar mit reichlich eigenem Willen über den Teppich davon. 'Scheiße!! Wenn ich mich danach bücke, bin ich erst mal tot', wurde Kai klar und er ließ sich gegen die Rückenlehne zurücksinken. Hinter dem merkwürdigen Brummen auf seinen Ohren vernahm er mit einem Mal ein neues Geräusch und öffnete die Augen, dieses Mal langsamer. Es klang wie Schritte, die sich ihm über den Teppich näherten.

Als er seine Umgebung einigermaßen deutlich sehen konnte, setzte Jan sich schon an sein Bett und drückte ihm eine Tablette aus der Folie. Das leise Knistern war das einzige Geräusch zwischen ihnen, Jan sagte kein Wort.

Kai starrte auf Jans Finger. Er öffnete und schloss einmal den Mund, dann flüsterte er heiser "Zwei, bitte."

Jan hob den Kopf und sah ihm ins Gesicht. Kai blickte nur nebenbei zurück, eher aus Reflex, aber er erstarrte im Blickwechsel. Sie sahen sich nur kurz an, der Moment jedoch zog sich, dehnte sich aus. Es war grauenhaft, denn je länger er währte, desto klarer sah Kai, was er nicht sehen wollte. Endlich stand Jan mit einem Ruck auf und ging rasch und noch immer wortlos aus dem Zimmer.

Kai hob eine zitternde Hand an sein Gesicht, tastete das geschwollene Auge ab. Seine Schmerzen jedoch rückten mit einem Mal in weite Ferne, oder verlagerten sich vielmehr in den Magen. 'Gott, was bin ich für ein Idiot gewesen! Jan. Aber wieso?' Kai begann eine Diskussion mit seinem Gewissen, welches sich knurrend wehrte und versuchte weiterzuschlafen.

'Ich bin schuld, oder nicht? Aber er hat mich allein gelassen. Aber ich hab… Ja, was hab ich denn groß getan?'

Sein Gewissen erwachte und erinnerte ihn gähnend an Lukas. 'Scheiße! Scheißescheißescheiße! Verdammt, ich bin so ein Idiot!'

"Jan?" Seine Stimme war nur ein Krächzen. Wieder Schritte.

"Ich bin hier."

'Oh Gott.' Musste er ausgerechnet so was sagen? Wieso sagte Jan immer genau, was Kai brauchte? Ohne es zu wissen auch noch. Wusste er denn nicht, wie verdammt unfair das war?!

Wenn er es nicht schon gesehen hatte, zumindest an Jans Stimme hörte er jetzt, was nicht stimmte, mit bitterer Sicherheit.

Kai nahm das Wasserglas mechanisch an und würgte die Tabletten herunter. Als Jan das Glas wieder zurücknehmen wollte, hielt Kai seine Hand fest und zog leicht daran, bevor er ihn wieder losließ.

Jan seufzte leise, eben hörbar, dann ließ er sich auf der Bettkante nieder. Kai trank unsicher noch einen Schluck, endlich riss er sich zusammen und stellte das Glas ab, legte seine Hand zu Jans auf die Bettdecke. 'Verdammt. Mach schon! Frag ihn was los ist!' befahl er sich, die Blicke auf ihre Finger gesenkt. "Jan… wieso… ehm…"

Kai ließ resigniert den Kopf hängen. Würde er je die passenden Worte finden? Sein Gewissen lachte ihn aus. 'Vermutlich nicht, wenn du nichtmal den Mund aufmachst, du Schwachkopf. Rede endlich! Ah, ich kann nicht! Was hätte Jan wohl jetzt gesagt?… 'Irgendetwas scheint dich zu belasten.' Nein, zu altklug. 'Ich habe das Gefühl, dass du mir…' Zu spekulativ! 'Rede mit mir!' Zu aggressiv! Verdammte Scheiße! Wie wäre es mit 'Was bedrückt dich?' Zu mütterlich! 'Hey, sehe ich so schlecht aus, wie ich mich fühle?' Vollkommen hohl! Das würden seine Fußballidioten sagen!'

Kai merkte gepeinigt, dass Jan auf etwas wartete. Noch immer hielt er seine Hand, sie sahen mit leerem Blick beide auf ihre Finger herunter. In Kais Kopf fanden sich so viele prinzipiell brauchbare Sätze, aber hervor brachte er nach langem Kämpfen lediglich ein äußerst unbefriedigendes und irgendwie gefühlsarmes "Heulst du?"

Die Antwort war simpel, direkt und genau richtig, wie immer. Jans Gesicht lag einen Augenblick später auf Kais Schulter, der gesunden, wie dieser erleichtert feststellte, und Jan heulte wirklich. "Scheiße, Jan… ich… es tut mir leid."

Jan antwortete nicht, sondern umfasste Kai mit einem Arm und dieser legte seine Arme aus Reflex ebenso um den warmen Körper.

Nach einem Moment stellte er irritiert fest, dass er tröstende Worte sagte, ohne es zu merken, ohne deren Sinn zu erfassen. Nun, einen gesteigerten Sinn enthielten sie wohl ohnehin nicht. Sein Gewissen war erwacht und nun kampfbereit über ihn hergefallen.

Während Kai leise so bescheuerte Dinge wie "Scht, schon gut. So schlimm ist es nicht. Bitte, ich heul gleich mit. Hör schon auf, Jan. Bitte, es wird schon. Wir können doch… " sagte, krakeelte sein Gewissen lautstark 'Du Vollidiot hast es geschafft! Er denkt, dass er schuld ist!'

Kai fuhr noch immer leise redend mit den Finger an Jans sachte bebendem Rücken hinauf, bis unter die drahtigen Haare. Er verstummte, als dieser Gedanke ihn mit aller Macht traf und presste Jan enger an seinen Körper.

Er hatte Jan nicht zu Wort kommen lassen, sondern ihn raus geschickt, ihn vor Lukas kalt behandelt, abgewiesen. 'Aber genau das hat er doch zuvor mit mir gemacht!' argumentierte er gegen sein Gewissen an, welches lediglich altklug entgegnete, dass man einen Fehler nicht durch Fehler wieder gutmachen könne.

Jan beruhigte sich allmählich. Er war noch immer stumm und es machte Kai fertig, wenn er nicht redete. Jan schniefte und nahm sich ein Taschentuch von Kais Nachttisch. Ohne hinzusehen fummelte er es aus der Packung.

Allein, dass Jan dieses Taschentuch so blind finden konnte, versetzte Kai einen Stich. Es erinnerte ihn schmerzlich daran, dass Jan das konnte, weil er sich auskannte in Kais Zimmer.

Sie waren in den letzten Tagen immer hier zusammen gewesen. Bei Jan im Wohnheim hatte es keinen Sinn. Sein Zimmer hatte nur zehn Quadratmeter, sein Bett war nicht mal einen Meter breit und er teilte sich Küche und Bad mit fünf anderen auf dem Flur. Eine schwule Beziehung wäre da sofort aufgeflogen, zudem wohnte ein Fußballbekannter von Jan ebenfalls dort.

Jan hatte aus diesem Grund quasi bei Kai gewohnt, hatte beinahe jede Nacht bei ihm geschlafen. Jan hatte bei und mit ihm geschlafen, fast jede Nacht. Wie er noch munter trainieren konnte, war Kai schleierhaft.

In diesem Moment erst gestand sich Kai ein, dass er sich wohl deswegen, wegen dieser permanenten Nähe, zu viel von der Party versprochen hatte. Nun erst, als er Jans Gesicht sah, so müde und grau, bemerkte er, dass auch Jan sich mehr von der Party versprochen haben musste.

Unerwartet begann Jan zu reden, kümmerte sich nicht darum, dass er eine schrecklich verheulte Stimme hatte. Seine Stimme wurde nicht nur davon gefärbt, etwas anderes wurde ebenso Teil von ihr, es war fast schon Verzweiflung.

Kai hörte ihm fasziniert zu, verstand kaum ein Wort. Es ging merkwürdigerweise um Fußball. Jan erzählte, dass er den Trainerschein machen wollte. Er erzählte, wie er sich dafür beworben habe, wie der Trainer ihn unterstützte. "Ich bin ja jetzt ein guter Spieler, aber ich will Arzt werden und nicht Fußballer. Ich verlängere meinen Vertrag nur noch ein Mal. Aber wenn ich den Schein jetzt schon mache, dann kann ich Geld für die Übungsstunden nehmen. Außerdem macht es mir Spaß, mit den Kleinen zu trainieren."

Kai schloss die Augen und flüsterte "Jan, ich versteh nicht, wovon du redest."

Jan stockte kurz und rieb sich die Augen, dann murmelte er "Entschuldige, es war wegen der Party. Der Große, der bei uns im Tor steht, hat mir kurz bevor du zu uns gekommen bist erzählt, dass sie einen Trainer vom anderen Verein feuern mussten, weil die Eltern nicht wollten, dass ihre Söhne von einem Schwulen trainiert werden. Das hat mich total fertig gemacht."

Kai senkte den Kopf und rutschte tiefer ins Bett zurück. Das war es also, irgendwann musste so etwas ja passieren.

Jan ließ den Kopf hängen. "Und dann ist Bianca gekommen und hat mich weggeschleift, ich hab keine Möglichkeit zum Nachdenken bekommen, aber…" Er machte um einen Teil der Bettdecke eine Faust. "Aber… alles ist so kompliziert geworden in dem Moment. Genau da dachte ich, dass es viel besser ist, wenn ich von nun an also nur noch verheimliche. Genau da hab ich gemerkt, dass ich das nicht kann."

Kai nickte und murmelte "Ist aber bestimmt besser - erst mal wenigstens. Überleg mal, Jan. Wir brauchen uns in der Uni nicht angaffen lassen, du musst im Verein keine dummen Sprüche und Misstrauen ertragen und… ehm und ich brauche mich nicht vor Bianca zu fürchten."

Jan lachte heiser auf und Kai lächelte vorsichtig mit.

"Bianca," versetzte Jan leise, es klang, als rügte er Kai. Dieser hob die Schultern und wollte sich gerade entschuldigen, als Jan hinzufügte "Sie hat mich angegraben, dass es schon nicht mehr feierlich war. Ich hab versucht mit ihr zu reden, über diese Geschichte mit dem Trainer, weil es mich wirklich geschockt hat, weil ich in dem Moment nur noch daran dachte, dass ich alle also anlügen soll. Sie wollte davon nichts hören, hat nichts geschnallt. Na klar, sie kann ja auch nicht verstehen, wie wichtig das für mich war. In dem Moment hab ich echt überlegt, ob ich sie bitten soll, mich bei dir abzusetzen."

Er lachte leise und Kai errötete und seine Freude darüber verbreitete ein schon fast trunkenes Gefühl in ihm. 'Er wollte mit seinem Problem zu mir. Zu mir und zu sonst keinem. Er hat gleich daran gedacht mit mir zu reden!'

Niemals hatte er damit gerechnet, dass Jan so viel in ihm sah. Nach einer so kurzen Zeit schon. Kai schien es, dass Jan sich in der WG, bei ihm und Lolli wohl fühlte, vielleicht war es auch einfach die neue Sicherheit, vielleicht das Geheimnis, das sie verband. 'Geheimnis! Oh Scheiße! Hoffentlich hat er Bianca nicht…'

Jan zerstreute Kais Befürchtungen mit dem nächsten Satz. "Aber ich hätte es vermutlich laut schreien können, sie hat mir eh nicht zugehört. Zum Glück vielleicht. Sonst hätte ich ihr alles erzählt, von dir und von meinen Problemen. Sie wollte nicht reden, sondern mich so schnell es geht rumkriegen und ich hatte absolut keinen Bock auf sie."

Kai verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. "Na, da hab ich ja noch mal Glück gehabt, dass ich ihr zuvor gekommen bin."

Jan bedachte ihn mit einem missmutigen Blick aus geröteten Augen und sagte darauf trotzig "Sie hat mich geküsst und einen Moment lang fand ich das gar nicht so schlecht." Herausfordernd sah er Kai an, der seufzte jedoch nur und enthielt sich der Bemerkungen, die ihm zum Punkt 'Unternehmungen mit anderen auf sexueller Basis' einfielen.

Jan wechselte zum Glück das Thema. "Als ich dann in mein Zimmer gekommen bin, endlich, nachdem ich mich bestimmt vier Stunden mit Bianca über unsere ehemalige Beziehung unterhalten habe und warum es nicht geklappt hat, war ich fertig, wollte nur noch schlafen und dann mit dir reden. Stattdessen mache ich mein Handy an und bekomme den Spruch von Holger, dass man meine Karre aufgebrochen hätte. Mann, war ich im ersten Moment sauer auf dich, weil du dich doch hättest kümmern müssen! Dann hab ich mir Sorgen gemacht und dann musste ich wie ein Depp von Pontius zu Pilatus rennen.

Zuerst zu dir, du warst nicht da, und Lolli hat nicht aufgemacht. Ich hab deswegen erst mal mit meinen Eltern telefoniert, wegen der Versicherung und was ich machen soll. Meine Eltern waren sauer, weil ich den Wagen an einen Fremden verliehen habe. Ich war sauer, weil ich nicht einfach sagen konnte, dass du kein Fremder bist! Und da war es dann schon wieder! Ich musste meinen Vater anlügen, um ihm zu erklären, wieso ich dir den Wagen leihe! Ich kann nicht lügen."

Jan ließ den Kopf noch mehr hängen. "Mein Vater hat es gemerkt und am Ende zum Glück gedacht, dass ich betrunken bin!"

Kai strich Jan unsicher über die Hand. 'Mein armer Jan, all den Ärger mit mir und dem Auto und dann auch noch seine eigenen Sorgen.'

"Dann bin ich zur Polizei, die waren echt nett zu mir, hätte ich nicht gedacht. Bei der Polizei hab ich erfahren, dass es da auch zu einer Schlägerei gekommen ist. Ich bin fast gestorben vor Angst um dich!"

Jans Finger berührten Kais Wange und er murmelte "Und schau dich an. Du siehst schlimm aus! Bin ich froh, dass ich nicht dabei war. Ich wäre ausgerastet - vor allen Leuten."

Kai errötete und dankte nun ebenso der Vorhersehung, denn er konnte sich vorstellen, dass Jan mit Sicherheit umfangreich ausgerastete wäre. Und dann wäre er ehrlich gewesen, hätte es allen gesagt. 'Wohlmöglich hätte er mich 'Baby' genannt!' Kai erschauderte bei dem Gedanken, während Jan fortfuhr zu berichten.

"Ich hab Lolli endlich per Telefon erreicht, nachdem ich den Wagen hatte, und der hat mir erzählt, dass du im Krankenhaus bist und von Lukas abgeholt wirst. Musste das denn ausgerechnet der sein?!"

Kai errötete mit Fleiß und erwiderte schwach "Er ist ein Freund von Lolli und hat ein Auto. Er arbeitet bei der Polizei."

"Hoffentlich nicht bei der Sitte!" Kai spürte eine unangenehme Hitze in seinen Wangen und Jan murmelte "Entschuldige", bevor er fortfuhr, seinen Vormittag zusammenzufassen.

"Zum Glück hat mich Holger dann noch mal angerufen, wollte wissen, was mit der Karre und mit dir so ist, und der hat mir den Tipp mit der Werkstatt gegeben. Die haben den Wagen tatsächlich gleich dran genommen und haben mir für die Versicherung auch eine gute Rechnung geschrieben."

Jan seufzte einmal und Kai wusste, dass nun der Teil des Vormittags folgen musste, den er selber ebenso kannte. Er kam erstaunlich glimpflich weg. "Ich hab ja auch genug Zeit gehabt, den Wagen wegzubringen, nachdem ich hier gleich wieder rausgeflogen bin."

Jan sagte nur den einen Satz und seine Stimme klang, als sei er eher der begossene Pudel, denn wütend und das ließ Kai in Unwohlsein zerfließen. Sein Gewissen lachte ihn aus und er fühlte sich elender, als die ganze Zeit zuvor.

Er hustete schwach und murmelte leise "Es tut mir leid, das war alles auch für mich ein bisschen viel. Ich hab überreagiert."

"Was haben sie dir getan, Baby?"

Kai zuckte bei dem Wort noch immer, aber antwortete mit dem Arztbericht und erzählte von den Motorradfahrern.

Jan besah sich die Naht an der Augenbraue und murmelte "Das Hämatom sieht nicht lustig aus. Und die Rippen? Keine Fraktur?"

"Nein. Es tut noch weh, wenn ich mich zu schnell bewege, oder tief einatme. Der Kopf und die Schulter machen mir mehr Sorgen, aber laut Arzt sind das alles nur Prellungen."

"Gut." Jan nickte noch einmal, wirkte jedoch nicht mitleidig, oder sehr erschrocken, nur müde und erleichtert irgendwie. Er hatte mit Schlimmerem gerechnet, so schien es.

Kai jedoch erschrak und schluckte. Erst in diesem Moment wurde ihm alles so richtig klar. Zuvor waren die Dinge irgendwie an ihm vorbeigesaust. Er konnte sie nicht richtig greifen, sie schienen mit ihm keine wirkliche Beziehung gehabt zu haben, doch mit einem Mal kapierte er, dass wirklich 'er' zusammengeschlagen worden war! Er begriff, dass es seine Rippen waren und er stellte fest, dass es ihm im Nachhinein plötzlich mehr Angst machte, als währenddessen.

Mit einem Mal stürzten alle Erinnerungen gleichzeitig auf ihn ein und er sackte von der Wucht erdrückt in sein Kissen zurück.

"Das war viel für einen Tag, hm?" Jans Stimme war genau richtig, nicht so weinerlich mehr, ernüchtert, irgendwie realistisch.

"Ja. Das war viel," erwiderte Kai matt und hielt sich an ihm fest. Erschöpft verkroch er sich unter die Bettdecke und murmelte "Ich bin froh, dass du hier bist. Wir haben wohl beide noch Glück gehabt. Ich bin noch in einem Stück, nichts gebrochen und du hast dich nicht verraten, nicht mal an Bianca."

"Aber ich fühle mich so schlecht." Jan hatte den gefährlich sturen Unterton in der Stimme und Kai seufzte auf. "Warum?"

Jan zog die Schultern an. "Weil, wenn ich in den Spiegel sehe, ich nicht sagen kann, dass ich mein Leben so lebe, wie ich will. So ehrlich."

Kai quälte seine Augen erneut auf und streifte Jans Gesicht. "Du musst dir immer den schwersten Weg aussuchen, nicht?"

"Soll ich alle anlügen, um den Trainerschein zu machen und dann? Dann belüge ich doch die Eltern der Jungs! Und so wird es weitergehen!"

Für solch eine Diskussion fehlte Kai eigentlich die Kraft, aber er riss sich zusammen und erwiderte mühsam konzentriert "Nein. Niemanden geht doch dein Privatleben etwas an."

"Hm."

"Wirklich. Du musst einfach niemandem davon etwas sagen."

"Was? Dann muss ich ja immer auf der Hut sein, und irgendwann lüge ich nur noch und dann hassen mich alle! Vor allem ich mich selber!"

"Nein! Du wirst ihnen keine Gelegenheit dazu bieten."

"Indem ich mich schön verstelle, wie es passt, ja?"

Kai schüttelte den Kopf und hielt ihn sich gleich nach dieser unvorsichtigen Bewegung stöhnend, aber er widersprach Jan so heftig er konnte. "Nein! Einfach, indem du nur du bist, Jan! Du musst nur du selbst sein, verstehst du?"

Jan nickte einmal, dann lächelte er Kai an und dieser wusste, dass er einmal wenigstens das Richtige gesagt hatte, während Jan ihn umarmte. "Wieso hab ich dich nicht eher gefragt?" vernahm er gleich drauf optimistisch von jenseits seiner Schulter.

Er senkte den Kopf und murmelte betreten "Weil ich dich rausgeworfen habe?"

Jan rückte von Kai ab und sah ihn an, er schien sich wieder an seine Worte zu erinnern, auch wenn er nun eher wütend denn begossen wirkte.

Kai schalt sich einen Idioten, weil er Jans Selbstbewusstsein vor Ende dieser Diskussion gestärkt hatte, aber andererseits war ein glücklicher Jan ihm eine Diskussion wert. Eigentlich war ein glücklicher Jan ihm jede Diskussion wert.

Jan stützte sich auf und betrachtete Kai unwillig. "Ach ja. Was hatte denn der Mallorcaschreck mit dir im Bad zu suchen?"

Der Ton war sofort um einiges schärfer geworden und Kai errötete prompt, und das verriet ihn. Sein Gewissen lachte ihn aus und schien sich für die Abreibung einen Platz in der ersten Reihe zu sichern.

"Du hast mit ihm rumgemacht, nicht?" Verdammt, war Jan direkt. Und er konnte noch fieser sein. "Ich bin ja nur drauf gekommen, weil ich weiß, wie du aussiehst…" Jan stockte und errötete ebenfalls ein wenig.

Kai beendete den Satz im Geiste '…wie ich aussehe nach dem Sex?' Er hustete leicht und rechtfertigte sich schwach "Bitte, ich war… es tut mir leid… ich brauchte… jemanden."

Jan senkte den Kopf und murrte "Das nächste Mal wartest du bitte fünf Minuten, dann bin ich da, verdammt."

Kai schluckte und hauchte beschämt "Bist du sehr sauer? Dein Handy war aus und du bist mit Bianca weg und Tini hat gesagt…" Jan ächzte gereizt und Kai murmelte den Satz beendend "…, dass sie dich zurückhaben will."

Das war Kais letzte Unterhaltung auf der Party gewesen. Tini hatte ihn an der Tür angefallen und vollgelabert, dass Jan ja wohl ein wenig feinfühlender sein könnte. Bianca wolle ihn doch zurück haben und sie hätte sich den ganzen Sommer über nur gefragt, was schiefgelaufen sei.

Kai hätte Tini am liebsten gesagt, was genau so schrecklich schiefgelaufen war, aber stattdessen hatte er ihr süßes Parfum, ihre schrille Stimme und ihre aufdringliche Art stumm ertragen, hatte nur lächelnd genickt und sich so bald er konnte abgesetzt, was auch erst nach einer halben Ewigkeit möglich war. Auch Tini schien der Kiemenatmung mächtig zu sein.

Jans Stimme erklang gereizt an sein Ohr und unterbrach seine Erinnerungen. "Ich hatte das Handy aus, weil ich das auf Partys blöd finde. Es lag bei mir im Zimmer, falls du dich erinnerst! Du hast es doch selber noch zum Aufladen eingesteckt."

Kai hätte sich beinahe an den Kopf gefasst, aber war für zu hektische Bewegungen einfach zu müde. "Ach ja." Das hatte er vollkommen vergessen.

Jan seufzte und murmelte "Bizarr, aber ich kann es verstehen."

Kai hob den Kopf. "Ja?"

"Naja, Schock oder so, nicht? Da vergisst man vieles und man reagiert merkwürdig."

Kai nickte leicht und spürte, dass Jan ihm nicht wirklich böse war. Er versuchte ein Lächeln. "Es tut mir leid."

Jan nickte abwesend und murmelte leise "Beim nächsten Mal, sag verdammt noch mal, dass du dich langweilst und zieh nicht die 'Ich mache Jan ein schlechtes Gewissen'-Nummer ab! Mann, immer um mich herumlungern, miese Laune raushängen lassen, auf getretenen Hund machen, das finde ich scheiße! Und auf einer Party verkriecht man sich nicht in einem Sofa und schmollt. Ich hatte keine Gelegenheit dich vorzustellen. Meine Freunde beißen nicht. Du kannst ruhig mal 'Hallo' sagen, ohne gleich zu sterben!"

"Nächstes Mal?" fragte Kai so kleinlaut er konnte und Jan nickte.

"Bitte", gab er knapp zurück, aber es klang schon nicht mehr so sauer wie zuvor. Jan konnte das, sich abreagieren und dann gut drauf sein, sobald er seinen Punkt rübergebracht hatte. Das bewunderte Kai an ihm, da er selber immer schlechter drauf war hinterher. Jetzt grinste Jan schon wieder und streckte sich gähnend.

Kai riss sich zusammen und wagte sich an den anderen Punkt, solang Jan so milde gestimmt war. "Du… bist nicht sauer auf mich gewesen? Wegen… wegen der Sache im Bad?… Oder?" fragte er zögerlich.

Jan seufzte und rieb sich über das Gesicht. Die Geste erinnerte Kai an Jans Vater. "Nein. Ich war traurig."

'Scheiße! Traurig?' "Gott, es tut mir so leid, ich war ein Idiot, Jan. Bitte ich werde…"

Jan betrachtete Kais Gesicht, dieser seufzte und sah ihm in die Augen. Verdammt, Schmetterlinge, sogar, wenn er ein hämisch lachendes und höllisch schlechtes Gewissen hatte. Die goldenen Funken in Jans Augen hypnotisierten Kai und er konnte den Satz nicht mehr beenden.

Jan lächelte und strich ihm einige Haare aus der Stirn "Du willst nicht jedes Mal untreu sein, wenn ich mal zufällig nicht da bin, nein?" fragte er gefährlich nett.

Kai errötete und schüttelte den Kopf "Nein, bestimmt nicht!" entgegnete er leicht gereizt, weil er diese Vorurteile zum Thema Untreue bei Schwulen vermutete.

Jan nickte leicht und gab kühler zurück "Schön, das kann ich nämlich nicht ab. Dann mache ich Schluss."

Es schmeckte bitter, solche Worte zu hören. In gewisser Weise war es eine Drohung, aber Kai wusste für sich, dass er es verdient hatte. Jan schien aufstehen zu wollen, das wollte Kai nicht. Er konnte jetzt nicht allein sein. Rasch hielt er Jans Arm fest. "Leg dich zu mir, ich kann nicht mehr hochschauen und du bist doch auch müde," schlug er pragmatisch und hoffnungsvoll vor.

Jan sah ihn zögerlich an und nickte endlich leicht. Er gähnte und beschuldigte Kai "Du kannst einen vielleicht immer wieder rumkriegen! Nicht fair." Danach ergab er sich jedoch und streifte sich die Turnschuhe von den Füßen, während Kai erleichtert ein wenig zur Seite robbte.

Gleich darauf barg Jan sein Gesicht erneut an Kais Halsbeuge und schob seine Füße unter die Decke und gegen Kais Füße. Er drückte seine Zehen gegen die von Kai, der lächelnd dagegen hielt.

Diese vertraute Angewohnheit brachte die Wärme und Sicherheit zurück, so einfach. Als bräche ein Sonnenstrahl durch Gewitterwolken, war mit einem Mal alles wieder in Ordnung, wie konnte das nur passieren? Kai schloss dankbar die Augen und schlummerte an Jan gelehnt ein.

Kapitel 16

Das Telefon riss Kai aus dem Schlaf. Lolli ging ran und gleich darauf wurde an die Zimmertür geklopft. "Deine Ma. Will wissen, wie es dir geht!"

"Sag es ihr, ich schlafe noch," gab Kai unwillig zurück. Er vergrub sein Gesicht in Jans Haaren und schloss genervt die Augen. 'Nicht meine Mutter, nicht jetzt! Bitte nicht meine Mutter!'

Sein Wunsch wurde ignoriert, wenige Augenblicke darauf kam Lolli durch die Tür und hielt ihm den Hörer mit zwei Fingern hin, wie ein giftiges Reptil. "Sie will es natürlich von dir selbst hören. Hi Jan, Kaffee?"

Jan gähnte und streckte sich, dann grinste er Lolli an und fragte hoffnungsvoll "Tee?"

Lolli strahlte zurück. "Aber immer, Schatz.", und ging die langen Arme schwingend zur Küche davon.

Kai sah ihm grummelnd nach. Lolli verwöhnte Jan, das war nicht fair. Er rüstete sich innerlich, bevor er den Hörer an sein Ohr hielt und "Hallo, Mama," sagte. Er hielt ihn vorausschauend schon wieder von seinem Ohr fort und wie erwartet war die Stimme seiner Mutter laut genug, dass Jan sie ebenfalls noch hören konnte.

"Kai! Was muss ich da hören! Was machst du denn für Sachen?!"

"Ich? Ich mache gar nichts!" verteidigte Kai sich entrüstet und Jan trollte sich gemein kichernd zu Lolli in die Küche.

"Ach ja? Und sich in eine Prügelei reinziehen lassen ist nichts, ja?!" Er konnte förmlich sehen, wie sie die Haare richtete und ihre Faust auf die Hüfte stemmte.

"Mama! Ich bin überfallen worden!"

"Überfallen?! In was für Gegenden treibst du dich rum?!"

Kai kniff genervt die Augen und murrte "Das war in der Nähe von einem Studentenwohnheim, Mama. Das hat mit der Gegend nichts zu tun."

"Aha. Und? Was ist nun mit dir?"

"Sie haben mich nähen müssen an der Augenbraue und ich hab noch ein paar Prellungen, aber sonst ist alles einigermaßen in Ordnung."

Kai wusste sofort, dass dies keine glückliche Formulierung war, aber seine Mutter meckerte ohnehin schon aufgebracht "Einigermaßen in Ordnung?! Du spinnst wohl!"

"Mama!"

Seine Mutter überging ihn, indem sie resolut entschied "Du kommst sofort nach Hause und ruhst dich aus!"

Kai verdrehte die Augen. 'Zuhause? Ausruhen? Wohl kaum!' Er versuchte ruhig zu klingen. "Nö. Ich bin hier doch auch…"

"Ach, aber ich bekomm dich nur zu Weihnachten zu sehen, ja? Außerdem hab ich noch Wäsche von dir rumzustehen. Die kannst du gern auch mal abholen."

"Aber ich…"

"Keine Widerworte, Kai!"

Kai ballte die Hand zur Faust. Wie er diese Art an ihr hasste, aber sie hatte unglücklicherweise auch noch Recht. Er war lange nicht da gewesen. Seine Mutter holte einmal Luft und murmelte ruhiger "Du kannst doch hier im Garten sitzen. Es ist wirklich schön geworden mit der neuen Laube, die kennst du noch gar nicht."

Das war auch wahr. Darauf war er doch auch gespannt, denn für die Laube hatten seine Eltern lange gespart.

"Aber ich mag so verletzt nicht fahren. Ich kann gar keine Tasche heben und ich sehe schrecklich aus. So fahre ich nicht mit der Bahn," versuchte er ein wenig Zeit zu gewinnen.

"Wir holen dich ab!"

"Nein!" Kai erschauderte bei dem Gedanken an eine Autofahrt mit seinem Vater. "Das geht nicht und du weißt warum, Mama!"

"Ich kann dich bringen, Kai." Jan lehnte in der Tür und betrachtete sein Gesicht. Kai sah ihn fragend an und er lächelte aufmunternd. "Der Wagen ist ja schon wieder in Ordnung."

Kai war sich des gemeinen Lächelns bewusst, das über sein Gesicht kroch, aber er mochte es, diese kleine Rache fühlte sich toll an. Möglichst deutlich fragte er "Mama, mein Freund Jan würde mich bringen, kann er übernachten?"

Es war einen Atemzug lang still, dann hauchte Kais Mutter "Dein Freund?"

Kai nickte und entgegnete trotzig "Ja, er würde mich fahren. Also, was ist?! Allein komme ich nicht und Norbert und ich überleben eine Autofahrt miteinander nicht."

Ihm war klar, dass er seine Mutter erpresste. "Du hast einen Freund?" fragte seine Mutter leise, es klang enttäuscht, ermüdet, als zerbräche ihre Hoffnung.

Kai senkte den Kopf, weil er sich erneut dieser Hoffnungen bewusst wurde. Er wünschte sich eigentlich, dass sie auf so einen Satz nicht mehr in dieser Art reagieren musste.

Seine Mutter hatte sehr leise gesprochen, mehr zu sich selbst. Natürlich nicht leise genug. Im nächsten Moment hörte Kai die dunkle, ein wenig heisere Stimme seines Vaters aus dem Hintergrund "Was? Noch eine Schwuchtel kommt mir nicht ins Haus! Mein eigener Sohn reicht mir!"

Kai schloss enttäuscht die Augen, aber hörte, wie seine Mutter wütend und kämpferisch zischte "Ach ja? Dein Haus?! Hör mir mal zu, Norbert Hellmann…."

Den Rest konnte Kai nicht verstehen, da seine Mutter die Hand über die Sprechmuschel legte, aber es war mit Sicherheit unerfreulich. Er grinste, weil sein Vater ihre Wut und Enttäuschung abbekam, die ja eigentlich daher rührte, dass er nicht 'Freundin' gesagt hatte. 'Geschieht ihm nur recht', frohlockte Kais Amt für Abreibungen und aalte sich in böser Missgunst.

Als seine Mutter wieder mit ihm sprach, klang sie ein wenig atemlos, das kam selten vor bei ihr. "Wann kommt ihr? Heute noch, nicht? Ich mache ein nettes Essen und beziehe die Betten." Es war entschieden, sie hatte natürlich gewonnen.

Kai streifte die Uhr mit einem Blick. Es war drei. Er sah Jan fragend an und lautmalte 'Wann?'

"Heute Abend," sagte Jan leise.

"Wir müssen noch packen," erklärte Kai seiner Mutter. "Wir kommen heute Abend. Weiß nicht genau wann. Aber erschreck dich nicht. Es sieht schlimmer aus, als es ist."

"Gut, ich geh rasch einkaufen und mache dir das Zimmer zurecht. Fahrt vorsichtig, heutzutage ist es nicht mehr sicher mit all diesen Verrückten auf den Straßen. Schön, dass du kommst!"

Sie klang regelrecht euphorisch mit einem Mal. Kai wurde klar, dass sie sich doch nur Sorgen machte, ihren Ton nicht böse meinte. "Ja, Mama, ich packe jetzt."

"Und vergiss die Wäsche nicht! Und …"

"Bis nachher, okay?"

Sie lachte auf. "Ist ja schon gut!"

Hastig unterbrach Kai die Verbindung und sank erschöpft ins Bett zurück.

Jan ging zur Küche und kehrte mit einem Becher Tee und Lolli im Schlepp zu ihm zurück.

"Na?" fragte dieser schadenfroh. "Musst du antreten daheim?"

Kai nickte und blinzelte Jan dankbar, aber auch verunsichert, an. "Mein Vater ist nicht gerade begeistert. Es könnte zu Streit kommen."

"Ach was!" Lolli lehnte sich in die Tür und verbreitete Optimismus. "Er wird sich einkriegen. Früher oder später muss er es einsehen!"

Kai schüttelte den Kopf. "Der? Nie!" schnaubte er und rollte sich ächzend unter der Decke hervor.

Jan trank den Tee und schwieg einen Moment lang, dann sagte er leise "Ich hole meine Sachen und ruf noch mal bei meinen Eltern an. Ich hole dich in einer Stunde ab, ja?"

"In Ordnung."

Jan verschwand und kehrte mit seiner Jacke wieder. Er beugte sich über das Bett und küsste Kai, der ein wenig schwindelig auf der Kante hockte. Er hielt direkt vor seinem Gesicht inne und hob eine Hand an seine Wange. "Baby, wenn dir das zu viel wird, dann sag lieber ab. Du siehst platt aus."

Lolli seufzte im Hintergrund selig auf. Kai blickte grinsend zu ihm rüber und schüttelte den Kopf leicht. "Meine Mutter hat Recht, ich bin schon viel zu lange nicht mehr da gewesen. Außerdem ist ihr absagen anstrengender als einfach hinfahren. Das schaffe ich schon. Zur Not bleibe ich eben auf dem Sofa liegen und schlafe."

"Gut, bis gleich also." Jan küsste Kai noch einmal vorsichtig und ging dann rasch mit einem 'Tschüss' an Lolli vorbei.

"Ach ja," seufzte Lolli und ließ sich auf Kais Bürostuhl nieder, um sich blöde grinsend darauf hin und her zu drehen. Kai sah ihn fragend an.

Lolli gestikulierte zur Wohnungstür. "Er hat dir Lukas nicht übel genommen?"

"Doch, und wie." Kai schlurfte betont leidend durch sein Zimmer und kramte sich Klamotten in seinen Rucksack, bevor er mühselig versuchte das Bettzeug abzuziehen.

"Lass das doch."

"Wenn ich meiner Mutter keine Wäsche mitbringe, dann ist sie beleidigt. Sie weiß von unserer Waschmaschine, aber glaubt dennoch, dass ich nicht ohne sie auskomme."

"Ich helf dir schnell." Lolli nahm ihm die Sachen weg und Kai zog sich mit vorsichtigen Bewegungen an.

"Jan hat das mit Lukas verstehen können," gab er währenddessen an.

Lolli warf das Bettzeug auf einen Haufen und sagte leise "Lukas ist irgendwie auf dich abgefahren. So hab ich ihn noch nicht erlebt."

"So?"

"Ja, sonst war er sich immer sicher, dass er den Spaß will, nichts weiter. Vielleicht wird er ja älter."

Kai nagte an seiner Unterlippe und murmelte "Sag ihm bitte, dass ich nicht interessiert bin."

"Wieso? Das kannst du fein selber machen."

"Wenn er fragt, meine ich."

"Aha, mich fragt er aber nicht. Ich bin nur froh, dass er mal wieder vorbeischaut, von Zeit zu Zeit. Er hat mir schon gefehlt."

"Mir nicht."

Kai verschränkte störrisch die Arme und Lolli lachte ihn aus. "Aber so rot, wie du bist, kann ich das nicht glauben. Und das im Bad vorhin? Hm? Gib es doch zu, er ist dir nicht egal!"

Kai passte es nicht, aber Lolli hatte Recht. Nicht mit allem, aber egal war Lukas ihm nicht. Er entgegnete jedoch so ernsthaft er konnte "Jan ist mir wichtiger!"

Sein Mitbewohner wiegte den Kopf. "Na, das hört sich anstrengend an. Viel Spaß Zuhause, Maus." Er ging fröhlich summend aus dem Zimmer und hinterließ Kai mit einer dumpfen Übelkeit. "Das wird schon irgendwie laufen, Kai! Du schaffst das!" sagte er sich energisch vor und packte seine Tasche zu Ende.

Die Autofahrt über erzählte Kai Jan von Lollis Begegnung mit Lukas. Jan war erbost über die Ungerechtigkeit, mit der diese Männer davongekommen waren.

"Ja, schlimm, die sind schon wieder draußen. Lolli ist auch nicht gerade glücklich bei dem Gedanken."

Jan seufzte und sah kurz zu ihm rüber "Das ist vielleicht eine ungerechte Welt!"

Es hörte sich an, als spräche er von etwas anderem, Kai wagte es nicht, danach zu fragen. Damit beendeten sie das Thema ohnehin, weil sie von der Autobahn abfuhren und Kai den Weg zum Haus seiner Eltern ansagte.

Eigentlich war es immer schön, wenn er nach Hause fuhr. Es war gewohnt, wie immer, hier schien die Zeit still zu stehen. Er sah schon die Häuser der Nachbarn, der Schäferhund der blöden Leute auf der Ecke hing geifernd am Zaun als sie vorbeifuhren. Im Garten gegenüber zupfte die Oma Unkraut aus einem perfekt gezirkelten Beet. Ihre neugierigen Blicke verfolgten Kai und Jan von der Gartenpforte bis zur Haustür.

Mit Erleichterung sah Kai, dass das Fahrrad von seinem Vater nicht an seinem Platz hinten in der Garage stand. Er war also nicht da, das machte alles einfacher fürs Erste. Ansonsten stand auch in ihrem Garten die Zeit still, es hatte sich nicht viel verändert, seit er zu Ostern da gewesen war. Die ordentlichen Beete, das Vogelbad vor der Terrasse und die Glasbilder in den Fenstern waren noch wie zuvor. Der Weg zur Haustür war gefegt worden, das Moos war abgekratzt, sodass man wieder sehen konnte, wo die Beete anfingen. Mit Moos hatte der Weg ihm besser gefallen. Langsam gingen sie auf die Tür zu.

Kai warf einen Blick über den Vorgarten mit den Stauden, über die seine Mutter nun seit zwanzig Jahren schon fluchte, weil sie so viel Arbeit machten. Mit einem leichten Zusammenzucken streifte er den Gartenzwerg mit einem Blick.

Ein teures Stück. Ein Original, wie seine Mutter immer erzählte. Er schob eine Schubkarre, die mit Stiefmütterchen bepflanzt war und lachte über das bemalte Gesicht. Kai war das Lachen immer falsch vorgekommen, hämisch. Dieser Gartenzwerg symbolisierte alles, was er einmal nicht sein wollte.

"Oh Gott, wie kitschig," murmelte Jan, der seinem Blick gefolgt war.

Kai nickte leicht und gab zu: "Ich kann ihn auch nicht ab, hab ihn Norbert getauft, nach meinem Vater. Wenn ich sauer auf meinen Vater war, dann musste Norbert im Garten immer leiden," 'Einmal ganz besonders. Ja… einmal hat der Zwerg Norbert meine Wut fast nicht überlebt,' überlegte Kai und kniff bei der Erinnerung die Lippen zusammen.

"War der mal kaputt?" fragte Jan passend und betrachtete die Kittstellen.

Kai nickte unglücklich und schloss energisch auf. "Das erzähl ich dir bei Gelegenheit."

Jan hielt seinen Arm fest "Bei welcher? Immer muss ich auf Gelegenheiten warten, Kai!"

Kais Mutter kam durch den Flur auf sie zu und unterbrach dies zum Glück. Sie trug Jeans, Latschen und ein T-Shirt von der Gartenarbeit, darüber eine Schürze vom Kochen. Nun wischte sie sich die Hände daran ab und kam mit schnellen Schritten von der Küche zur Tür. Kai fiel gleich auf, dass ihre Haare anders waren, kürzer und irgendwie stürmischer frisiert. Es ließ sie energischer wirken, wenn das überhaupt noch möglich war.

Kai hatte von ihr die roten Haare geerbt und die empfindliche Haut. Sie hatte aber grüne Augen, die blauen Augen hatte er von seinem Vater. Kai trat schüchtern ins Licht und stellte sich ihrem Blick. Ihre Augen wurden erst schmaler, dann weiteten sie sich und sie schnappte nach Luft.

"Oh, wie siehst du nur aus!" schrie sie heiser und presste sich eine Hand auf den Mund. "Oh Gott, Kai!"

Unsicher blickte Kai in den Garderobenspiegel. Ja, sein Auge war leicht violett und die Nahtstelle prangte von dem Desinfektionsmittel orange verfärbt darüber. Er wollte ihr etwas erklären, aber vorher umarmte sie ihn viel zu fest und Kai ächzte und rief "Vorsicht, Mama! Meine Schulter! Aua, aua, aua!"

Seiner Mutter standen Tränen in den Augen, als sie ihn auf Armlänge vor sich hielt und betrachtete, das ließ ihn sich noch schlechter fühlen.

"Mama. Es sieht wirklich schlimmer aus, als es ist. Ich brauche nur ein paar Tage Ruhe und ein wenig Zeit, um die blauen Flecken loszuwerden."

Kais Mutter nickte einmal, der resolute Ausdruck kehrte in ihr Gesicht zurück. "Ich hab von der Station Heparinsalbe mitgebracht, dann geht es schneller, und du siehst wieder wie neu aus, wenn du zur Uni zurück gehst," erklärte sie und ließ ihren Blick forschend über ihn wandern.

Kai atmete währenddessen tief ein, der gewohnte Geruch lag in der Luft. Ihm fiel auf, wie sehr man sich Zuhause fühlen konnte, nur durch den Geruch eines Flurs.

Jan stellte die Tasche von Kai ab und dies lenkte die Aufmerksamkeit seiner Mutter auf ihn. "Ah, stellst du uns vor, Junge?" fragte sie, ihre kräftigen, rauen Finger gruben sich ein wenig in den Stoff der Schürze, sie war nervös.

Kai deutete nachlässig zwischen Jan und ihr hin und her "Das ist Jan, meine Mutter."

"Guten Abend, Frau Hellmann," begrüßte Jan sie artig.

Kais Mutter stutzte und fuchtelte dann mit ihren Händen "Nein, nein, ich bin Martina! Das wäre ja noch schöner! Kommt schon endlich rein!" Sie schüttelte Jans Hand und zog ihn aus dieser Bewegung in den Flur. An ihrer Augenbraue sah Kai, dass sie mit etwas anderem gerechnet hatte.

Sie wandte sich jedoch ab, bevor Jan etwas sagen konnte und Kai sagte hektisch "Wir bringen die Sachen in mein Zimmer."

"Gut, gut. Ihr könnt gleich Hände waschen, Essen ist fertig," schallte es zurück und Kai lachte über Jans verwirrtes Gesicht.

"Sie duzt sich mit jedem, gleich von Anbeginn. Meine Mutter ist so."

Er erklomm die Treppe mit den ausgetretenen Stufen. Die fünfte Stufe knarrte leise, das erinnerte ihn an die vielen Male, die er sich hier versucht hatte hinunter zu schleichen.

"Mein Zimmer ist am Ende des Ganges. Das ist das Bad," erklärte er und bog dann in sein Zimmer ein. Alles war wie immer. Links das Bett, rechts der Kleiderschrank und gerade durch sein Schreibtisch. An der Wand hing noch immer das Poster mit dem Wal unter einem Regenbogen, das er sich in einer Sammelkaufaktion seiner Klasse hatte aufschwatzen lassen.

Jan legte den Kopf schief und murmelte "Genauso hab ich es mir schon irgendwie vorgestellt."

"Was meinst du?"

Jan lehnte sich vor und blickte auf den Gemüsegarten. "Dein Zimmer, euer Haus. Deine Mutter ist anstrengend, nicht?"

Kai ließ sich auf dem Bett nieder und Jan stellte die Tasche auf den Schreibtischstuhl. "Nä, nicht so anstrengend wie du."

Jan grinste und wuschelte ihm durch die Haare. "Hey! Meine Frisur! Jan!"

Schritte auf der Treppe ließ sie auseinander fahren. "Kai, gib mir die Wäsche! Ich will das in die Maschine werfen, dann ist es morgen fertig. Wir können gleich essen, dein Vater ist noch im Verein und kommt erst um Neune oder so."

"Oh, Mama, das kann ich doch selber…"

"Quatsch, ich mach das!" Sie sah sich einmal im Zimmer um und fragte "Ist alles in Ordnung? Fehlt euch was?"

Jan erhob sich und fragte hoffnungsvoll "Kann man helfen?"

"Nein, nein!" Kais Mutter blickte ihn entsetzt an und schüttelte den Kopf. "Ich schaffe das schon." Sie entriss Kai die Wäsche und lief schon wieder die Treppe hinunter.

Kai trottete zum Händewaschen und Jan folgte ihm. Im Spiegel grinsten sie sich an und Jan stellte fest "Nä, deine Mutter ist anstrengender als ich."

Kai lachte und winke ihm. "Komm, wir sollten zum Esstisch gehen, dann werden wir nicht noch…"

"Kai! Jan! Nun kommt endlich!"

"…gerufen, wollte ich sagen." Sie lachten noch, während sie in die Küche gingen. Auch hier war alles so wie immer. Die gelbe Einbauküche, deren Farben und Formen in den Siebzigern einmal angesagt waren, der Gartenvereinskalender an der einen und das Gewürzregal an der anderen Wand. Dazwischen Kai in allen Altersstufen und Kunstwerke aus allen Schaffensperioden vom Kindergarten bis hin zur Oberstufe. Grinsend besah Jan sich die Fotos und Bilder.

Kais Mutter stellte die Schalen auf den Tisch. Sie folgte seinem Blick und tippte gegen ein besonders peinliches Zahnlückenportrait. "Da ist er gerade eingeschult worden. Du hast es geschafft, alle Süßigkeiten an einem Tag zu essen und bist gleich am zweiten Schultag krank geworden."

"Oh nein, Mama. Nicht alle peinlichen Erlebnisse schon vor dem Essen, bitte."

Jan bekam ein Haifischgrinsen. "Wieso? Ich mag solche Geschichten. Wo soll ich sitzen, Martina?"

Jan schaffte es, ihr eine Schale abzunehmen, bevor sie den Tisch erreichte. Kai war fasziniert von seiner Art, ganz locker das 'Du' anzunehmen.

Seine Mutter strahlte Jan an und wedelte hin und her "Such dir einen Platz aus. Nun macht schon, setzt euch, setzt euch. Es wird doch kalt!" Sie lief schon wieder raus und brachte aus dem Keller noch Wasserflaschen und Malzbier.

"Oh Super!" Kai stürzte sich darauf und zerrte Jan zu sich auf die Bank hinter dem Tisch, während er sich ein Glas eingoss.

Das Essen verlief ruhiger, als Kai es gedacht hätte. Jan wurde ausgefragt und Kai merkte, dass die Nervosität seiner Mutter sich nach und nach auflöste. Als sie bei dem Nachtisch anlangten, begann sie ihn auf den neusten Stand zu bringen, was die Nachbarn, die Mitglieder im Gärtnerverein und sonst alle anderen 'interessanten' Leute anging. Gleich nach dem Essen begann sie abzuwaschen und scheuchte ihn und Jan energisch zum Garten.

"Schau dir mal den Mirabellenbaum an! Und die Kirschen sind reif, ihr könnt euch welche nehmen, wenn ihr wollt. Dein Vater wollte sie morgen runterholen. Ach, dann stell gleich den Sprenger an, die Beete können das mal wieder brauchen, du weißt ja wo die Pumpe ist."

"Garten?" fragte Jan.

Kai nickte leicht. "Schrebergarten, der Lebensinhalt meiner Eltern, wie es aussieht. Komm, wenn wir Glück haben, dann begegnen wir niemandem."

Schweigend trotteten sie auf dem schmalen Trampelpfad hinter der Straße entlang zu der Gartensiedlung. Kai dankte seinen Schutzengeln, denn sie trafen wirklich niemanden auf dem Weg. Der Garten seiner Eltern lag auf der Ecke und es stand tatsächlich eine neue Laube dort.

Größer, als er gedacht hätte, obwohl er die Bilder aus dem Katalog ja kannte. Ein viereckiger weißer Holzbau mit zwei Fenstern, in denen hellblaue Gardinen leuchteten. Kai tastete einmal die Leisten über der Tür ab und fand den Schlüssel.

"Ihr lasst einen Schlüssel hier?!" Jan beobachtete deutlich irritiert, wie Kai aufschloss und folgte ihm in den Innenraum, der noch nach Farbe roch.

"Klar, in der Kolonie bricht niemand ein. Die letzte Laube hatte keine richtige Tür, nur ein Fahrradschloss, damit niemand an die Pumpe bei geht. Die Möbel sind noch die alten, aber die Kochnische ist neu." Kai lugte zum Fenster raus, dann stellte er die Pumpe an und drehte an dem Ventil für den Sprenger.

Jan war im nächsten Moment hinter ihm. "Ich will die Geschichte von dem Gartenzwerg hören!"

"Jetzt?"

"Hier! Das ist irgendwie das genau richtige - Ambiente, finde ich."

"Du findest es spießig, nicht?" Kai verschränkte ablehnend die Arme, es griff ja irgendwie auch ihn an.

"Spießig ist noch kein Ausdruck. Aber darum geht es doch nicht, oder?!"

Kai ging nach draußen und beobachtete wie im Wasserschleier des Sprengers ein Regenbogen entstand. "Ich bin bestimmt genauso. Wir werden, wie unsere Eltern!" behauptete er kämpferisch.

Jan blieb unbeeindruckt. Er klopfte Kai neckend auf den Po und lehnte sich an ihn an, um in sein Ohr zu sagen "So? Ich glaube, dann sollten wir schleunigst Schluss machen und uns Frauen suchen, Kai." Jan ließ ihn gleich darauf wieder los, weil eine ältere Frau ein Fahrrad vorbei schob und Kai mit einem Nicken grüßte.  

Kai grinste schief. 'Jan hat Recht. Ich kann nicht werden wie meine Eltern. Was für eine Erleichterung!' Er blickte nachdenklich auf den karierten Stoffbezug der Sitzbank nieder. "Hast Recht, aber so ein Garten ist praktisch. Ich hätte auch gern einen, egal wie spießig das ist! Man kann sein eigenes Gemüse und Obst ziehen und…"

"… und du hasst Gartenarbeit!" unterbrach Jan ihn und lachte.

"Stimmt, ich hasse Gartenarbeit, aber nur, wenn ich sie tun muss."

"Man muss sie immer tun. Ein kann gibt es nicht."

Kai seufzte und murmelte "Komm, lass uns nach dem Baum sehen."

"Später. Jetzt kannst du mir erst mal was erzählen."

Kai ging jedoch rasch an ihm vorbei, entzog sich. Das konnte er nicht so einfach erzählen. Es war zu schwierig, die richtigen Worte zu finden. "Lass uns nach den Kirschen sehen!" Er griff sich eine Plastikschale und Jan folgte ihm grummelnd.

Sie pflückten die Schale voll und stellten den Sprenger zwei Male um, während die Sonne sich langsam über den Garten senkte. Endlich ließen Kai und Jan sich auf der Bank vor der Laube nieder, die Schale mit Kirschen zwischen sich.

"Wer weiter kommt, los!" schlug Kai vor und Jan erinnerte ihn nölig "Nur, wenn du endlich mal was erzählst."

Kai nickte langsam und spuckte mit dem Kirschkern nach dem gegenüberliegenden Beet.

"Wer das Rhabarberblatt trifft!" schlug Jan im nächsten Moment vor und begann es ihm nachzumachen.

Kai genoss den schweren, süßen Kirschgeschmack und dachte an den Gartenzwerg zurück. Die Erinnerung überflutete ihn, ihm wurde kalt. Das Geräusch vom Sprenger fügte sich ein. Ja, es hatte geregnet, damals. "Okay ich erzähle, du hörst nur zu, ja?"

Jan nickte und nahm sich einige Kirschen.

Kai senkte den Kopf und erinnerte sich. Er konnte den Regen wieder auf seiner Haut spüren, die Kälte. Er spürte seine Wut. Mit einem Mal sah er alles deutlich vor sich, während er es erzählte.

"Ich bin gerade aus den Ferien in die Schule zurückgekommen, im Gymnasium war das. Es muss die zehnte Klasse gewesen sein, oder die Neunte? Am ersten Tag wurde uns der neue Schüler vorgestellt, und da er in demselben Viertel wie ich wohnte und auf die anderen langweilig wirkte, wurde ich auserkoren, ihm die fehlenden Themen in Mathe beizubringen.

Der Lehrer hat uns eine Freistunde eingeräumt dafür. Der Neue war nicht langweilig, sondern nur schüchtern, genau wie ich. Ich hab ihn zu mir nach Hause eingeladen, damit wir die restlichen Hausaufgaben zusammen machen können. Wir haben immer zusammen gelernt, ein halbes Jahr waren wir fast täglich zusammen, auch nach der Schule."

Ja, es war eine herrliche Zeit gewesen, sie hatten sich alles erzählt, alles zusammen gemacht, waren kaum ohne den anderen gesehen worden.

"An einem Nachmittag haben wir an meinem Schreibtisch gesessen und für eine Physikarbeit gelernt. Und da passierte es das erste Mal, dass ich von einem Jungen geküsst wurde. Ganz überraschend. Wir saßen nebeneinander am Schreibtisch und er hat sich mitten im Satz zu mir gebeugt und mich auf die Wange geküsst.

Ich war starr vor Schreck, aber hab nach einem Moment kapiert, dass er mich nicht austesten wollte, sondern fragen. Wir haben den ganzen Nachmittag geknutscht, das war der bestimmt schönste Tag in meiner Schulzeit."

Kai erinnerte sich nun auch wieder an den Geschmack des anderen. Sie hatten Stork 'Riesen' in sich hineingestopft und so schmeckten die Küsse. Süß, klebrig und genau wie bei den Riesen nach mehr. Nur, dass so eine Tüte leer wurde, mit dem Küssen musste man von allein aufhören. Das hatte sich als ungemein schwer herausgestellt.

Jan stupste Kai an und er erzählte rasch weiter. "Am Wochenende darauf hab ich bei ihm gepennt und wir haben uns… naja gestreichelt, mehr nicht. Mehr wollten wir beide nicht. Das war die schönste Nacht in meiner Schulzeit. In der Physikarbeit hatten wir beide nur eine vier. Die Zeit danach war trotzdem toll! Endlich war ich mir mal sicher."

Jan seufzte und traf unverhofft mit einem Kirschkern das Blatt. "Das Gefühl hätte ich auch gern mal, bald bitte",  murmelte er leise.

Kai sah ihn ein wenig verunsichert an. "Bist du denn nicht sicher?"

"Nein und du weißt es doch auch."

Kai nickte leicht und sagte eine Spur bissiger, als er wollte "Nun, mit ihm war ich mir jedenfalls sicher." Er starrte Jan an, um eine Reaktion zu bekommen. Jan ignorierte ihn bis Kai aufgab und weitersprach. "Darauf folgte aber leider die schlimmste Nacht meines Lebens, na gut, vor der letzten vielleicht. Er hat bei mir gepennt und wir lagen auf meinem Bett, Arm in Arm, haben geredet, blöde, naive Pläne geschmiedet und uns geküsst.

Wir trugen beide nur Unterwäsche, es lief trotzdem nichts, weniger als zuvor eigentlich. Mit einem Mal stand mein Vater in der Tür. Seine Reaktion war so schockierend. Ich konnte nur erstarrt zusehen, wie von außerhalb meines Körpers."

Und selbst in der Erinnerung konnte Kai nichts weiter tun, als es emotionslos berichten, er war nicht fähig Reaktionen oder Emotionen in seine Stimme zu legen. Enttäuschung, Wut, Trauer. Er hatte so stark gefühlt, doch nur innerlich, nicht nach außen. Nicht einmal seine Stimme konnte er mit diesen Gefühlen färben.

"Er hat meinen Freund und mich am Arm die Treppe runter gezerrt, in die Garage. Beide in Unterwäsche. Mich hat er verprügelt, ich hab es nicht gespürt. Er hat mich und ihn auf die Auffahrt gestoßen, in den Regen. In die Kälte, wie wir waren, in Unterwäsche und barfuß.

Ich weiß noch heute, wie sich der kalte Regen auf meiner Haut angefühlt hat. Frag mich nicht, was er gebrüllt hat, ich habe nichts wahrgenommen, alles lief wie ein zu schneller Film an mir vorbei."

Jans warme Finger auf seinem Arm konnten die Kälte der Erinnerung nicht unterbrechen. Kai erzählte monoton weiter. "Eben war ich mir noch sicher gewesen, im nächsten Moment war alles falsch. Ich hab nur gewusst, dass ich etwas Falsches gemacht hatte, dass ich etwas sehr Falsches gemacht habe, aber ich wusste zugleich, dass ich den Fehler nicht wiedergutmachen konnte, nie mehr.

Erst als ich dann im Regen stand, bin ich aufgewacht. Mein Freund ist weinend weggelaufen, nach Hause, aber ich konnte nirgends hin. Da hab ich in einem Wutanfall den verdammten Gartenzwerg, der mich auszulachen schien, auf das Auto geworfen. Dabei hat der Wagen eine mächtige Beule bekommen und der blöde Zwerg ist zerbrochen. Es fühlte sich gut an, etwas kaputt zu machen, das meinen Eltern wichtig war. Sie hatten mir immerhin etwas kaputtgemacht, das mir wichtig war.

Meine Mutter hat mich am anderen Morgen klatschnass und zitternd in der Laube gefunden, als sie mich nach ihrem Nachtdienst suchen gegangen war. Ich hab mir eine Lungenentzündung geholt, musste für drei Tage ins Krankenhaus und meine Mutter hat meinem Vater gedroht, dass sie sich scheiden lässt, wenn er auch nur ein weiteres Wort über diese Sache verliert. Er hat behauptet, dass er keinen Sohn mehr hat. So ist es wohl immer noch. Ich bin nur so ein Typ, der bei ihm im Haus rumhängt an Weihnachten."

Jan seufzte leise und Kai konnte sich denken, dass er im Geiste den Reaktionsradius seiner Eltern bemaß, kein angenehmer Gedanke.

"Ich hab den Gartenzwerg für meine Mutter gekittet und sogar bemalt. Es ist gar nicht mal schlecht geworden. Mein Vater hat anstandslos den Wagen reparieren lassen, aber seitdem hab ich nie wieder einen Freund zu mir nach Hause eingeladen.

Der Junge, mit dem das passiert ist und ich waren hinterher auch lange noch Freunde, aber gelaufen ist nichts mehr, wir hatten beide einen Schock davon, glaube ich. Er musste immerhin seinen Eltern erklären, wieso er klatschnass und lediglich in Unterwäsche mitten in der Nacht von mir fortgelaufen ist. Ich glaube, dass er gesagt hat, wir wurden mit Alkohol erwischt. Seine Eltern reden heute noch nicht mit meinen Eltern." Kai kaute nachdenklich auf zwei Kirschen und fügte an. "Jedenfalls nenne ich meinen Vater seitdem Norbert, nicht mehr Papa."

Es war still nachdem er geendet hatte.

Jan spuckte einen Kirschkern aus und murmelte "So ein Arsch." Mehr sagte er nicht, aber das war nicht nötig. Kai schwieg und aß Kirschen und verdrängte die Erinnerungen wieder, soweit es möglich war.

Wie bestellt jedoch kam ein Fahrrad über den Weg zwischen den Gärten, und Kai erkannte seinen Vater darauf, ein Netz mit den Bällen über der Schulter. Er bremste abrupt und sah sie beide kurz an, dann nickte er und lehnte das Fahrrad an den Zaun. "Hallo, Kai."

"Abend, Norbert. Wie war das Training?"

"Gut, danke." Sein Vater kam den Weg herauf und blieb vor der Bank stehen. "Wie findest du die neue Laube?"

"Sehr nett."

"Wir haben eine Heizung und fließend Wasser darin. Ich war es leid, dass wir nicht kochen und abwaschen konnten."

"Ja, ist besser so."

"Wie sind die Kirschen?"

"Gut."

"Die werden wir morgen runter holen, bevor die verdammten Amseln den Weg unter das Netz finden."

Norbert stand noch einen Moment da und streifte Jan mit einem Blick, dann ging er in die Laube, wo er das Netz mit den Bällen aufhängte und die Pumpe ausstellte. "Danke, dass du den Garten gesprengt hast, Kai."

"Keine Ursache. Das ist übrigens Jan."

Jan sagte nichts, er wäre wohl auch nicht gehört worden. Kais Vater betrachtete die Beete, kratzte sich einmal über den Kopf und machte. "Hm."

Kai beobachtete wie Norbert mit Kennermiene die Pflanzen begutachtete. Hier und dort bückte er sich, um ein paar Blätter aufzuheben, an einigen Früchten zu drücken oder einen Ast wieder festzubinden.

Er trug noch immer denselben Trainingsanzug, dieselben ekelgrünen Turnschuhe. Sein Bauch kam durch die Jacke ein wenig in Bedrängnis, obwohl er doch eigentlich sehr fit war. Noch immer wortlos ging sein Vater mit raschen Schritten zur Pforte und sagte steif "Geh bald mal nach Hause, deine Mutter hat sich auf dich gefreut."

"Wir kommen gleich rüber," versetzte Kai ebenso steif. Er widerstand der Versuchung, seinem Vater hinterherzuschreien 'Und? Was sagst du zu meinem blauen Auge?! Was sagst du zu meinem Freund?! Sag was, verdammt noch mal!'

Er zerquetschte stattdessen eine Kirsche zwischen Daumen und Zeigefinger und beobachtete, wie der dunkle Saft über seine Finger lief, während sein Vater über den Weg davon fuhr.

Jan nahm ihm die zermatschte Kirsche fort und machte "Tststs. Ihr zwei seid blöd. Man kann alles ausdiskutieren."

"So wie du mit deinen Eltern diskutiert hast, nehme ich an, ja?!" entgegnete Kai hitzig.

Jans Schultern versteiften sich ein wenig, dann murmelte er leise "Touché, entschuldige. Aber sie wissen, dass du schwul bist. Ich meinte, dass ihr doch eine Art Waffenstillstand aushandeln könntet."

"Nein, er kann mich nicht ab, ich enttäusche ihn nur."

"Unsinn, er ist bestimmt stolz auf dich!"

"Stolz? Er auf mich? Nie! Ich könnte mich mit ihm prügeln, um es auszudiskutieren, das würde ihn beeindrucken! Ich will nicht…"

Er stockte, weil Jan seine Finger in den Mund nahm und den Kirschsaft ableckte. Kai ächzte leise und begegnete Jans Blick mit einem Lächeln, während seine Zunge die empfindlichen Fingerkuppen entlang rieben.

Jan ließ ihn los und erwiderte das Lächeln. "Lass uns auch gehen. Ich bin müde, du bestimmt auch."

Kai lächelte und nickte "Wir können die restlichen Kirschen mitnehmen."

Er schloss die Tür gewissenhaft ab und versteckte den Schlüssel auf dem Türrahmen, obwohl Jan etwas von 'skandalös unvorsichtig' murrte.

Kapitel 17

Als sie Zuhause ankamen, stockte die Luft förmlich, so gespannt war die Atmosphäre. Kais Vater saß auf dem Sofa und aß von dem Abendessen, seine Mutter stand hinter dem Sofa und bügelte. Sie sprachen nicht.

Unsicher sah Kai zwischen ihnen hin und her und fragte sich, was er und Jan nun tun sollten. Zuerst gab er seiner Mutter die Kirschen und sie brachte diese hektisch in die Küche und fragte, was sie trinken wollten.

"Jan? Was willst du trinken? Wasser? Bier? Sprudel? Wir haben selbstgemachten Saft."

"Martina! Die Jungs sind alt genug und können sich selbst was holen!" fuhr Norbert genervt auf, während sie aus dem Wohnzimmerschrank eine Tüte Chips und Erdnüsse holte und die guten Gläser auf den Tisch stellte.

Unsicher sah Kai ihr zu. Einerseits wollte er gern mit Jan allein sein und der Atmosphäre entkommen, aber andererseits war es unhöflich, so früh schon ins Bett zu gehen. Seine Mutter wollte ihn bestimmt noch ein wenig um sich haben. Er ging ihr in die Küche nach, wo sie energisch an einer Tupperflasche zerrte, in der immer der selbstgemachte Saft war.

Kai linste auf das Schildchen und sah, dass es Erdbeer-Rhabarbersaft war. "Hm, lecker, Mama."

Sie ging zu ihm hin und zog ihn mit einem festen Griff an sich, um seine Haare ein wenig zu wuscheln. "Ich bin froh, dass du da bist, Schatz", murmelte sie leise an seine Schulter gerichtet. Sie zupfte ein wenig an seinen besonders störrischen Locken herum und stellte fest "Ich geb dir Geld für den Friseur, so gehst du nicht in die Uni zurück." Damit drückte sie Kai ein Glas mit Saft in die Hand und beobachtete, wie er probierte und sich von der Säure ein wenig schüttelte.

Rasch, wie unbewusst legte sie eine kräftige Hand erneut an seine Wange und sah ihn forschend an. Kai lächelte und hielt ihrem Blick mühsam stand. Sie lächelte zurück und sagte leiser "Ich bin wirklich froh und weißt du… er gibt es nicht zu, aber Norbert ist auch froh."

Kai stellte das Glas ab, um sie zu umarmen. "Ich bin auch froh, dass ich hier bin." Hastig ließ er sie los und sagte so fröhlich er konnte "Den Saft muss Jan probieren." Schnell ging er aus der Küche, bevor er noch zu heulen anfing mit ihr.

Jan stand noch immer hinter dem Sofa und starrte nun ebenso auf den Fernseher. Norbert hatte aufgegessen und erhob sich, um den Teller in die Küche zu bringen. Er schlurfte an ihnen vorbei, ohne ein Wort, kam mit einem Bier zurück und machte schon fast einen Bogen um Jan und ihn, um sich wieder ins Sofa fallen zu lassen.

Kai folgte Jans Blick zum Fernseher. Es war eine Fußballübertragung. Kai verdrehte die Augen, den starren Blick kannte er, dagegen kam nichts an bei Jan. Wenn Fußball lief, war er nicht ansprechbar.

Im Wohnzimmer dominierte für einige Minuten die fast schon hysterische Stimme des Kommentators, der es schaffte, ohne Unterbrechung zu reden. Die Stimme näherte sich einer Art Höhepunkt, als es auf das Tor zuging.

Kai musste grinsen. Er stellte sich vor, was der Typ wohl noch so machte in seiner kleinen Kabine. Jan und sein Vater starrten wie tot auf den Bildschirm, wo die schnellen Schnitte Kai verwirrten. Als der Ball zum vierten Mal ins Aus gerollt war, reichte es Kai und er zupfte an Jans Ärmel.

"Hallo?"

"Moment noch." Jan wehrte ihn nachlässig mit einer Hand ab und starrte weiter, ohne zu blinzeln.

Kai drückte ihm das Glas mit Saft in die Hand und sagte eine Spur zu laut. "Hier, probier das mal!" Jan nickte abwesend und trank wie aus Reflex. Kai seufzte und wollte ihn gerade am Arm aus dem Wohnzimmer zerren, als Jan das Richtige sagte, schon wieder, schon wieder unbewusst. Kai begann ihn für diese Gabe zu bewundern. Jan reckte erbost sein Kinn und rief "Das war Abseits!"

Kai hockte etwa eine halbe Stunde nach Jans Bemerkung zum Abseits mit seinem Glas Saft in der Hand auf der Fensterbank und konnte mit dem Grinsen nicht aufhören, während Jan und Norbert vor dem Fernseher saßen und sich über das Können eines Torwarts stritten, sich wegen eines Fouls aufregten, den Schiedsrichter in alle möglichen Länder wünschten, in denen der Pfeffer wuchs und im Endeffekt doch zufrieden auf den Spielstand 1:2 blickten.

"Was für ein aufregendes Spiel! Welch eine Wendung in der zweiten Halbzeit!" brüllte der Kommentator und Kai konnte ihm nur zustimmen. Er hatte niemals damit gerechnet, dass sein Vater seinen Freund auch nur am Leben lassen würde. Die Welt wurde irgendwie heller. Nachdenklich streifte Kai den Gartenzwerg Norbert mit einem Blick und fand mit einem Mal, dass dieser doch nicht hämisch, sondern glücklich lächelte.

Kais Mutter kam aus dem Keller mit dessen Wäsche hoch, um nun ebenfalls auf Jan und Norbert vor dem Fernseher zu starren. Die beiden jedoch waren in eine strategische Diskussion um Angriff, Manndeckung und technische Fouls verstrickt.

Sie grinste Kai verschwörerisch an und sagte leise "Und du hast nie glauben können, dass Fußball auch seine guten Seiten hat." Kai lachte und fiel fast von der Fensterbank. Der Abend verlief von da an wirklich angenehm.

Kai und seine Mutter spielten eine Partie Bauernskat nach der anderen, bis seine Mutter ihn all seine Pfennige gekostet hatte und Kai ein herzhaftes Gähnen nicht mehr verstecken konnte. Zum Glück war die Übertragung zu ende und der Fernseher wurde nach den Spätnachrichten ausgeschaltete wie an jedem Abend.

Norbert streckte sich und sagte "Ich geh schlafen, muss morgen ja früh in den Garten."

"Ich bin auch müde", ergriff Kai die Chance. Jan nickte und erhob sich.

Mit einem allgemeinen "Gute Nacht," trennten sie sich. Kais Eltern schliefen im Erdgeschoss, das hatte seine Vorteile. Er war früher immer gewarnt gewesen, wenn sie ihn checken kamen.

Er zog sich langsam aus und überdachte die neue Situation. Immerhin mochte Norbert seinen Freund dieses Mal. Änderte das etwas? Jan kam aus dem Bad und er ging sich die Zähne putzen. Vorsichtig betastete er sein Auge und seufzte. 'Ändert es etwas? Wenn ja, was?' Als er in sein Zimmer kam, lag Jan auf seinem Bett, die Matratze daneben hatte er ignoriert. Kai legte sich neben ihn, rückte sich vorsichtig zurecht, so dass seine Rippen nicht schmerzten.

Jan legte sich auf die Seite, um Kai anzusehen, der sich auf dem Rücken liegend neben ihm behutsam streckte und versuchte eine bequeme Lage zu finden. Als Jans Finger ihren mittlerweile gewohnten Weg durch seine Haare und über den Hals begannen, drehte er den Kopf gegen Jans Schulter, während dieser ihn langsam, in Gedanken versunken streichelte.

Kai liebte das Wegdämmern unter Jans Fingern. Jan konnte stundenlang im Bett lesen oder noch Fernsehen. Kai hielt es nicht lange aus, ohne einzuschlafen. Deswegen hatte er jeden Versuch auch aufgegeben. Das brachte ihn aber in den Genuss von leicht zupfenden, streichelnden, tastenden Fingerspitzen, die Jan in Gedanken auf seiner Schulter oder durch seine Haare laufen ließ. Es war einfach nur paradiesisch so einzuschlafen. Kai fragte sich schon, wie er es zuvor allein immer geschafft hatte.

Heute jedoch hatte Jan einen zu nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. Er stupste den bereits eingedösten Kai wieder wach und sagte entschlossen "Du interessierst dich nicht für ihn und für seine Sachen. Das ist das Problem." Kai gähnte und stutzte, Jans Stimme klang leise und ernst.

"Nein, ich interessiere mich nicht für Fußball, andere Interessen hat er aber nicht." Genervt zupfte Kai an der orange-geblümten Bettwäsche. Es ärgerte ihn, dass Jan so einen besserwisserischen Ton drauf hatte.

"Ich auch nicht."

Typisch Jan, erst mal Protest. "Doch! Natürlich!"

"So? Was denn? Ich spiele an drei Tagen in der Woche!"

"Du interessierst dich für Medizin, das Meer, Menschen, Partys, Musik, du interessierst dich für vieles, er nur für den Garten und für Fußball."

"Und du?"

"Ich interessiere mich auch für vieles, nur eben nicht für Fußball."

"Das kann man lernen. Du willst doch mit ihm auskommen, oder?"

"Nein… doch… ich,…" Kai wusste es mit einem Mal und schlug mit der Faust auf die Matratze "Ich will, dass er sich einmal, wenigstens einmal, bei mir entschuldigt!"

Er japste erschrocken, weil ein scharfes Ziehen in seinen Rippen seiner Handbewegung folgte.

Jan lächelte und sagte sich anscheinend sicher "Eines Tages macht er das."

"Und der Papst trägt rosa Spitzenhöschen", knurrte Kai und musste dummerweise bei dem Gedanken wieder grinsen, während Jan über ihn lachte. "Ach Kai, du bist so herrlich pessimistisch!"

Die Treppe knarrte und Kai schreckte auf, während Jan ihm noch durch die Haare wuschelte. Jan lag doch direkt neben ihm und… 'Oh nein!' Jan trug nur seine Shorts! Kein T-Shirt! Eigentlich mochte Kai das, er schlief gern das Gesicht gegen Jans nackte Brust gelehnt ein, aber nicht jetzt!

Entsetzt starrte Kai auf die nur angelehnte Tür zu seinem Zimmer. Er konnte die Schritte nicht hören, aber er wusste, dass sie näher kamen, wenn erst einmal die Treppe geknarrt hatte.

Jan lag neben ihm, hatte seinen rechten Arm auf das Kissen gelehnt und den Kopf aufgestützt. "Was ist?" fragte er nun, als Kai hektisch um sich zu blicken begann und er legte die freie Hand zu allem Übel noch auf Kais Bauch. In dem Moment klopfte es an der Tür und Jan sagte "Ja?", bevor Kai davon hechten konnte. Er hätte es vermutlich seiner Rippen wegen ohnehin bereut.

In der Tür stand Norbert. Kais Herz begann wild zu schlagen, während sich neben der Wärme von Jans Hand auf seinem Bauch eine unangenehme Hitze in seinem Gesicht ausbreitete.

Hier lagen sie nun, genau wie damals, nebeneinander auf seinem Bett, in einer doch eindeutigen Situation und sein Vater stand mit Pyjama bekleidet in der Tür. Alles genau wie damals.

Kai blickte gebannt und erschrocken auf die aschblonden Haare seines Vaters, den immer ein wenig griesgrämigen Gesichtsausdruck und die dunkelblauen Augen, wegen denen seine Mutter ihn geheiratet hatte, wie sie behauptete. Er wagte es nicht, seinem Blick zu begegnen.

"Kai, soll ich…," Sein Vater erblickte sie und zögerte, seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. Er sah gleich drauf wieder weg, in Richtung Fenster, und endete "… dich morgen wecken? Willst du mit in den Garten?"

Kai blinzelte erschrocken, aber nickte. Er fand seine Stimme wieder und antwortete "Ich kann die Leiter halten. Raufsteigen wäre keine so gute Idee."

Sein Vater trat schon wieder in den Schatten in den Flur zurück und erwiderte leise "Nein, nicht dass du dich noch mehr verletzt." Er verzog den schmalen Mund zu einem kurzen, kleinen Lächeln. Dann sagte er "Ich wecke euch gegen sieben."

Kai öffnete den Mund und schloss ihn wieder. 'Euch! Er hat 'euch' gesagt!' Hastig entgegnete er "Ist gut, Norbert." Damit schloss sein Vater schon wieder die Tür und ging davon.

Kai fühlte Wärme. Mit einem Mal fühlte er Wärme und Helligkeit.

"Siehst du, Baby. Er sorgt sich doch", flüsterte Jan an sein Ohr und Kai seufzte nur milde genervt, während er das Gesicht gegen Jans warme Haut lehnte und dessen Geruch genoss.

"Nenn mich nicht so."

"Wenn du so ein Baby bist, dann nenn ich dich auch so."

Dieser Streit war müßig, Jan bestand drauf, Kai mochte den Klang des Wortes mittlerweile. Er erlaubte es sich, eingelullt in Jans Umarmung einzuschlafen. Die gewohnten Geräusche und der gewohnte Geruch seines Zimmers beschworen Erinnerungen herauf, die ihn genauso lächeln ließen, wie das Wissen um die Situation, in der er sich jetzt befand. Mit seinem Freund Zuhause und seine Eltern hatten diesen ohne weiteres akzeptiert. Seine Mutter schien ganz eingenommen von Jan und sein Vater hatte ihn nicht umgebracht, sogar mit ihm geredet!

"Du grinst wie die Katze aus 'Alice im Wunderland', Kai. Man kann das Grinsen im Dunkeln noch sehen."

Kai lachte leise und sah zu Jan rüber, der sich bequemer gegen ihn schob und nun auch lächelte. Seine Zähne blitzten im Dämmerlicht auf, dann beugte er sich vor und küsste Kai rasch auf den Mundwinkel. "Schön, dass es dir wieder gut geht", flüsterte er leise und schnell, dann bettete er seinen Kopf hinter Kais auf das Kissen und Schweigen senkte sich über sie herab, bis Jans gleichmäßige Atemzüge auch Kai in den Schlaf driften ließen, obwohl er nun erst recht nicht mehr mit dem Grinsen aufhören konnte.  

Kapitel 18

Kai wachte genauso auf, wie er am Abend zuvor eingeschlafen war. An Jan gelehnt, dessen einen Arm über seiner Taille, der andere Arm irgendwo hinter dem Kopfkissen unter seinem Kopf. Jans Atem strich ihm durch die Haare. Er bewunderte und liebte Jan besonders dafür, dass dieser in so einer Position schlafen konnte. Vor allem, ohne dass sein Arm taub wurde.

Jan war schon wach, sah nicht besonders fröhlich aus. "Was ist das für eine infame Kreatur?"

Kai gähnte und kuschelte sich enger an Jans Oberkörper, fuhr mit den Fingerspitzen über das Relief seiner Lieblingsmuskeln. "Welche Kreatur meinst du?"

Jan wies mit dem Finger auf das Fenster. "Dieser Schreihals, was auch immer er ist! Der hat um halb fünf angefangen zu kreischen."

"Singen. Das ist eine Singdrossel."

Jan streckte sich bis in die Zehen und gähnte, dann knurrte er unleidlich "Ne, bestimmt eine Kreischdrossel!" Er ließ seine Finger über Kais Hüfte wandern und schlug vor "Lass uns duschen."

"Vor der Gartenarbeit macht das keinen Sinn."

Jan strich Kai über den Bauch auf und ab, dann küsste er ihn auf die Wange. "Ich meinte eigentlich auch nicht zum Waschen, Baby."

"Jan! Ich bin… hmpf… verletzt!" Kai wehrte Jan ab, bevor dieser ihn erneut küssen konnte.

Jan seufzte die Augen verdrehend, dann er krabbelte über Kai und stand auf. "Kein Sex? Schade."

Kai wurde rot, wie konnte er nur so direkt sein?

Jan hatte das Thema bereits abgehakt. "Ich helfe euch am Vormittag mit, aber dann fahre ich. Morgen hab ich ein Spiel."

Kai drehte sein T-Shirt ein wenig verunsichert in den Händen und fragte endlich "Bist du jetzt sauer?"

Jan schüttelte den Kopf, schien überrascht von der Annahme. "Nee, ich kann das verstehen. Ich hab auch mal die Rippen angeknackst gehabt."

Kai fuhr sich erleichtert mit den Fingern durch die Haare und fragte ablenkend "Bevor ich in den Spiegel sehe, ist es sehr schlimm?"

Jan lachte als Antwort nur und zog sich die Shorts aus, um nach seiner Unterhose zu fischen.

Als Kais Vater nach oben rief, dass es bald Frühstück gäbe, war Kai schon im Bad und blickte ächzend in den Spiegel. Jan versuchte ihn davor zu verdrängen, damit er sich rasieren konnte. Kichernd besprühten sie sich gegenseitig mit Rasierschaum. Kai lamentierte eine ganze Weile, dass er sich für mindestens eine Woche nirgends blicken lassen könne mit dem blauen Auge und versuchte seine Locken zu glätten.

Jan tupfte ihm sorglos Schaum auf die Nase und erwiderte fröhlich "Betrachte die guten Seiten, Baby. So wie du jetzt aussiehst, kannst du immerhin noch einen Job als Vogelscheuche bekommen. Vielleicht bist du gut gegen Kreischdrosseln zu brauchen!"

"Na toll! Nicht fair!" Kai ließ sich auf den Klodeckel fallen und sah Jan beim Rasieren zu. Sie gingen zum Thema Uni über und stritten kurzfristig, wann denn die ersten Vorlesungen stattfanden und wer nun welchen Kurs wechseln musste, damit sie nicht überall zusammen auftauchten, bis Kais Mutter zum zweiten Mal hoch rief und zudem begann, im Flur Hektik zu verbreiten.

Als sie zum Frühstück kamen, sagte sie erklärend zu Jan "Du musst deinen Wagen in der Straße parken, wir bekommen den Anhänger sonst nicht aus der Garage."

Kai nahm sich einen Kaffeebecher, während Jan nach einem Blick nach Draußen sagte "Ich mach das gleich, da ist eine Lücke gegenüber."

Kai und seine Mutter standen nebeneinander am Küchenfenster und sahen Jan über die Kräuter hinweg zu, der über das Gartentor flankte.

Kais Mutter zupfte an der Petersilie und stellte fest "Er ist attraktiv."

Kai wurde rot, die Stimme seiner Mutter klang so dunkel, als schleiche sie sich an. Andererseits nahm er Komplimente zu seinem Freund jederzeit und gern an. Nicht ohne Stolz pflichtete er ihr bei "Ja, finde ich auch."

"Und intelligent und er ist umgänglich. Die Mädchen stehen doch bestimmt Schlange, hm?"

Kai seufzte irritiert, aber gab zu "Ja, er ist beliebt. Hat auch eine Exfreundin, die noch Ärger macht." 'Bianca…,' dachte er säuerlich. 'Die Uni fängt ja demnächst wieder an.'

"Dachte ich mir," murmelte seine Mutter in ihren Becher und zupfte an ihren Kräutern auf der Fensterbank.

"So?" Misstrauisch warf Kai einen Seitenblick auf seine Mutter.

Sie versenkte die untere Hälfte ihres Gesichts in dem Kaffeebecher und wurde zur Sphinx. Irritiert wandte Kai den Blick erneut auf die Straße. Jan setzte den Wagen mit elegantem Schwung in die enge Lücke zurück.

"Er spielt Fußball", vernahm er nach einem Moment.

"Ja, der Verein bezahlt ihn sogar dafür."

"Auf seine Klamotten achtet er nicht unbedingt, hm?"

Kai erinnerte sich, dass Jan mal wieder das schreckliche Fußballshirt angezogen hatte und grinste nickend. Jan und Klamotten war so ein Thema. 'Bei all der Kohle, die seine Eltern haben, könnte er sich echt mal was netteres kaufen, stimmt.'

Kais Mutter schüttelte den Kopf und ergänzte "Und der Friseur würde ihm auch mal gut tun."

"Ja? Ich mag die Haare so wuschelig", verteidigte Kai seinen Freund und trank einen Schluck Kaffee. Er fragte sich mittlerweile schon, was seine Mutter wollte.

"Und er kann einparken, gute Güte."

Kai blinzelte, Jan konnte ausgezeichnet Autofahren. "Ja, er hat ein gutes Augenmaß."

Seine Mutter lehnte sich mit dem Rücken an das Fensterbrett an und fragte, noch immer mit der dunklen Stimme, "Und wo ist er schwul?"

Kai grinste und gab ebenso dunkel zurück "Im Bett?"

Seine Mutter und er sahen sich in die Augen, bis sie verlor und lachen musste, dann schlug sie ihn halbherzig. "Du…"

"Du hast gefragt!" verteidigte Kai sich und genoss es, dass einmal wenigstens sie eine Situation peinlich fand.

Leider behielt er nicht lange genug die Oberhand. Sie umfasste seinen Arm und sagte ernsthaft und leise "Ihr seid beim Sex vorsichtig, nicht?"

'Gott, wie peinlich!' Er nickte und wollte sich abwenden.

Sie hielt ihn fest. "Ich verlass mich auf dich, Kai."

"Ja, Mama."

"Ich meine das ernst! Das ist mir wichtig!"

Jan kam in die Küche und fragte "Wichtig?"

Kai wurde rot und lächelte verkrampft, doch seine Mutter fragte gelassen "Möchtest du einen Tee, Jan? Ich habe ihn, glaube ich, zu lange ziehen lassen." Das Thema war vom Tisch und wurde auch nachdem Jan wieder abgefahren war nicht mehr fortgesetzt.

Nachdem Jan zurückgefahren war, bekam Kai nicht wenig zu tun. Seine Mutter schleifte ihn gnadenlos in den Garten, zum Friseur, zu seiner Oma, zu seiner Tante, der Schwester seiner Mutter, zum Einkaufen und überhaupt in die Öffentlichkeit, obwohl er sich wegen seines blauen Auges schämte. Erholung hatte er sich echt anders vorgestellt.

Aber es hatte den Vorteil, dass er etliche neue Klamotten bekam, denn seine Mutter hatte sich vorgenommen, ihn zu verwöhnen, und seine Tante hatte sich vorgenommen, sich ihrer Patentantenpflichten zu entsinnen, was selten genug vorkam. Es hatte auch den Vorteil, dass Kai abgelenkt wurde von den unangenehmen Gedanken, die er sich zu seinem Vater machte, wie immer, wenn er Zuhause war.

Norbert kehrte zu seiner alten Angewohnheit, Kai so vollständig wie es ging zu ignorieren, zurück. Und das tat er, obwohl Kai zu den beiden Spielen mit hinkam, die der Verein seines Vaters auszustehen hatte. Obwohl er sich bemühte, wirklich bemühte, ein interessiertes Gesicht zu machen, während er neben seinem Vater am Spielfeldrand stand.

Kai erschien es sogar so, als sei sein Vater noch ein Stückchen weiter von ihm abgerückt und kühler geworden, nachdem er Jan und ihn am Abend zusammen gesehen hatte und nicht ausgerastet war. Als Kai ihn fragte, ob er nicht mal mitkommen solle zum Spiel, hatte Norbert nur mit Seitenblick auf seine resolute Ehefrau geantwortet, dass es ein netter Einfall sei.

Kai erschien es sogar so, als wäre es Norbert nicht recht, ihn neben sich stehen zu haben, mit ihm gesehen zu werden. Norberts Milde am Abend zuvor schien von dem Schrecken herzurühren, den man ihm beim Erblicken seines verletzten Sohnes nicht angesehen hatte, den Kai aber fühlen konnte.

'Er hat mich gern, aber dann auch wieder nicht. Wäre es leichter, wenn er mich nur hassen und verabscheuen würde?' Solche Gedanken waren Kai so bekannt von früher, so vertraut, wenn er seinen Vater am Frühstückstisch beobachtete.

Norbert hatte eine Art ganz leicht, eben gerade zusammenzuzucken, wenn Kai mal wieder nicht seinen Erwartungen entsprochen hatte. Seine Augenbrauen ein wenig zur Mitte zu ziehen und mit dem Lächeln aufzuhören.

Wie damals, als Kai sich geweigert hatte, in die Tanzschule zu gehen, wie seine Schulfreunde, weil er sich geradezu davor fürchtete, mit den vielen Mädchen tanzen zu müssen. Als er in Sport eine vier heimbrachte, weil er nicht gut war in Basketball, Fußball oder Schwimmen. Als er von seinen Eltern von einem Zeltlager abgeholt werden musste, weil er Heimweh bekommen hatte, das er nicht mehr aushielt. Kai schien für seinen Vater nur aus Enttäuschungen zu bestehen, das hatte er schon immer, würde er auch immer.

Er war nicht am Wettbewerb mit den anderen Jungs interessiert. Noch immer saß Norbert enttäuscht, abgewendet mit angezogenen Schultern am Tisch, wenn Kai etwas erzählte, wenn er… einfach so war, wie er war.

Nachdem Kai es aufgegeben hatte, nachdem er und Norbert nicht mehr miteinander sprachen, nur noch Worte wechselten, fremdartige Höflichkeiten, war es schlimmer geworden. Und auch nachdem er ausgezogen war hatte sich nichts geändert.

Ein wenig ärgerlich war Kai eigentlich nur, weil er Hoffnungen gehabt hatte, weil er sich tatsächlich die Hoffnung gemacht hatte, dass alles mit einem Mal schön werden sollte. Heiter, gerecht, dass seine Familie mit einem Mal funktionieren konnte, ohne dass er sich um hundertachtzig Grad verändern musste. Diese Hoffnung zersplitterte an Norberts undurchdringlicher Fassade beim Frühstück noch bevor Jan gefahren war.  

Alles in allem war Kai nicht wenig dankbar, als sein Auge nur noch von gelblichen Schatten umgeben war, die Rippen nicht mehr schmerzten und er nach Hause fahren konnte. Er rief Jan fast jeden Tag an, aber der hatte Training und musste selber nach Hause fahren, weswegen die Gespräche meistens nur kurz waren und eher unpersönlich, entfernt irgendwie.

Zu seinem Leidwesen musste Kai mit dem Bus vom Bahnhof zur Wohnung fahren und sein reichliches Gepäck allein schleppen. Deswegen war er außer Atem, durchgeschwitzt und schlechter Laune, als er mit der schweren Tasche und den neuen Klamotten sowie viel zu viel zu Essen von seiner Mutter in den dritten Stock wankte.

Er fragte sich schon jetzt, wie er all die Tupperdosen wieder nach Hause bekommen sollte und wie er sie erst mal in ihrem kleinen Kühlschrank unterbringen konnte.

Lolli war nicht da, aber hatte ein heilloses Chaos hinterlassen, weil er sich allein nicht genügend zusammenreißen konnte, um abzuwaschen oder das Bad zu putzen. Genervt schrieb Kai ihm einen Zettel.

Dann rief er Jan an und sprach ihm auf den Anrufbeantworter, dass er wieder in der WG zu finden war. Nach einer Dusche warf Kai sich ins Bett, um sich endlich einmal auszuschlafen. Zuhause musste er immer so früh aufstehen, seine Eltern erwarteten das.

Kai wurde jedoch, nicht lange nachdem er eingeschlafen war, ruppig geweckt, weil es an der Tür Sturm klingelte, obwohl es mitten in der Nacht sein musste. Blind tastend schaltete er das Licht auf dem Nachttisch an. Es klingelte noch zwei Male, ungeduldiger. "Verdammte schei…Lolli, du Idiot."

Ächzend rollte sich Kai aus dem Bett und warf einen raschen Blick auf den Wecker. 'Halb zwölf, naja, geht ja noch. Lolli hat bestimmt den Schlüssel vergessen…' Grummelig drückte er den Knopf auf der Gegensprechanlage, aber anstelle Lollis Gejammer zu hören, vernahm er Jans fröhliches Lachen. "Hast schon geschlafen? Lass mich rein!"

Kais Herz machte einen Sprung und begann dann hüpfend schneller zu schlagen. 'Was sag ich jetzt nur? Du hast mir gefehlt? Das klingt so… dämlich, oder?' Aber es war die Wahrheit, Kai hatte Jan vermisst wo er nur konnte. Vor allem, wenn sie miteinander telefonierten, hatte er gespürt, dass er statt bei den Eltern lieber bei ihm sein wollte. Es hatte sich schlimmer als das Heimweh angefühlt, das ihn in der Grundschule auf der Klassenfahrt überfallen hatte.

Den Geruch von Jans Haaren, seine angenehme Stimme, das Gefühl seiner kräftigen Finger, die ihn streichelten, der Arm, der sich beschützend um ihn gelegt hatte, während sie schliefen. All das war ihm schon so sehr zur Gewohnheit geworden und in den zehn Tagen Zuhause hatte es ihm viel zu sehr gefehlt.

Kai öffnete die Tür und blickte ungeduldig die Treppen runter. Aber Jan lief ohnehin schnell, war regelrecht außer Atem, als er im dritten Stock vor Kai ankam. Sie sahen sich an, beide lächelten, beide schwiegen und bewegten sich nicht, obwohl das Licht im Treppenhaus nach einem Augenblick mit lautem 'Klack' ausging.

'Geh zur Seite, lass ihn rein! Sag hallo oder irgendwas! Steh nicht so dumm rum, wie ein Ölgötze! …' Die Protokollabteilung von Kais Gehirn war genervt. 'Du kannst ihn fragen, wieso er so spät nachts noch vorbeikommt, wie es ihm geht, ob er…'

Jan übernahm das Protokoll. Er ging mit zwei schnellen Schritten auf Kai zu und küsste ihn, bevor sie in den Flur taumelten, weil Kai sich, durch die Attacke überrascht, zurückdrängen ließ.

Und es war kein 'Hallo-Auf-Wiedersehen-Küßchen', es war gleich im ersten Moment ein leidenschaftlicher Zungenkuss, der Kai den Atem raubte. Jans Finger schoben sich durch seine Haare, hielten seinen Kopf und so blieb Kai nichts weiter zu tun, als die Augen zu schließen und sich überfallen zu lassen. Seine Finger gingen zudem von allein auf eine gierige Wanderschaft über Jans Schultern und Rücken. Endlich ließ Jan ihn zu Atem kommen, indem er Kai über die Wange und von dort sachte über seinen Hals küsste. Gleichzeitig schob er die Haustür mit dem Fuß zu.

Kai lehnte sich an die Wand auf der gegenüberliegenden Seite und umfasste Jans Hüfte, zog ihn zwischen seine Beine und eng an sich. Er holte Luft, um etwas zu sagen, aber in seinem Gehirn fanden sich leider nicht genügend passende Worte für einen simplen Hauptsatz.

In dem Moment flüsterte Jan "Du hast mir vielleicht gefehlt. Es war direkt unheimlich."

Kai riss die Augen auf und lächelte endlich. "Du hast mir auch gefehlt. Schön, dass du noch vorbeigekommen bist", murmelte er an Jans Gesicht gelehnt, während er ihm über den Po strich, seine Finger in die Gesäßtaschen von Jans alter Jeans schob.

Gott ja, allein diesen süßen Hintern hatte er viel zu sehr vermisst. Die Muskeln unter seinen Fingern zu spüren, den Herzschlag gegen seine Brust und dann das Gefühl von Jans Atem auf seinem Hals, wenn er erregter wurde und seinen Kopf auf Kais Schulter sinken ließ, so wie jetzt. Wie er schneller atmete, bei besonders richtigen Berührungen nach Luft schnappte oder Kais Hals entlang küsste, ihn mit der Zunge neckte. Seine leise Stimme, fast nur ein Flüstern, und meistens nur unzusammenhängend auf Kais Berührungen antwortend. Es hatte ihm so sehr gefehlt, zu spüren, wie Jan auf ihn reagierte.

Kai umfasste Jans Po fester und zog ihn mit einem leichten Ruck gegen seinen Schoß. Jan seufzte und begann ihn wieder zu küssen, während Kai ihm hastig das T-Shirt aus der Jeans zerrte, sich unwillkürlich gegen ihn zu bewegen begann, während seine Finger der Wirbelsäule auf Jans warmem Rücken folgten.

Verspätet erst realisierte Kai, dass sie noch auf dem Flur standen, nämlich als die alte Heizungstherme zischend neben seinem Kopf ansprang. Ort und Zeit hatte er aus irgendeinem Grund vergessen.

Er ließ Jan ein wenig los und grinste über sein unwilliges Knurren, aber flüsterte rasch "Wir sind noch im Flur, komm." Jan hob den Kopf und nickte, folgte Kai in dessen Zimmer.

Als Kai seine Tür geschlossen und den Blick noch auf das Poster daran gewandt hatte, wurde er auch schon mit ungeduldigem Schwung dagegen gepresst. Jan hielt ihn mit dem ganzen Körper fest, küsste und biss seinen Nacken und machte keine Anstalten ihn gehen zu lassen, während die Finger seiner einen Hand den Weg unter das T-Shirt fanden, um Kais Brust entlang zu streichen, zart mit den Nägeln zu schaben, sodass es Kai eine Gänsehaut über den Körper jagte. Die Finger der anderen Hand verschränkte Jan in Kais Finger an der Tür und hielt ihn dort.

Kai ächzte und streckte sich, stützte sich mit dem Unterarm an die Tür. Er konnte nicht viel tun, außer Jans energische Zuwendungen genießen. Jan ließ sich kaum Zeit, war nicht gerade geduldig, aber das war auch nicht nötig. Kai war schon erregt gewesen, bevor sie sich auch nur geküsst hatten. Jans Stimme über die Gegensprechanlage hatte ausgereicht, um ihn regelrecht wild zu machen.

Zielstrebig schob Jan Kais Shorts ein wenig herunter und strich mit den flachen Händen über seine Hüften auf die Oberschenkel und von dort in kleiner werdenden Kreisen nach innen, aber nicht weit genug, um ihn dort zu berühren, wo Kai es wollte. Diese Berührungen sammelten dennoch eine beinahe unangenehme Hitze in Kais Unterleib, er spürte sein Blut rauschen, fühlte, wie seine Erregung stieg.

Gleichzeitig rieb Jans Schoß sich hart und herrlich erregend an Kais Po. Der Jeansstoff fühlte sich rau an, aber auf eine angenehme Art. Der Druck gegen seinen Körper, das Gefangensein zwischen Jans Hüften und seinen Fingern versetzte Kai in eine kribbelige Unruhe.

Er würde so gern… Mit einem Mal wusste Kai, was er gern erlebt hätte mit Jan. Er fühlte sich dabei merkwürdig sicher. Das kam so selten vor bei ihm und er genoss es, dass er einmal sicher war, bevor die Unsicherheit zurückkehrte. Er wollte, dass Jan mit ihm schlief, wollte ihn spüren. Ein wenig überrascht von seinem Gedanken hob er den Kopf und stieß gegen Jans Stirn.

"Au!" Jans Finger hielten genau vor seinem Schoß inne. "Hm?"

"Jan… würdest du…?" Jan streichelte ihn weiter, aber schien zu warten, hielt seinen Körper still.

"Ja?"

"Ehm mit mir…" 'Schlafen!!! Sag es, sag es, sag es!' Kai atmete einmal ein, um sich sicher zu werden, dann seufzte er und schüttelte leicht den Kopf, bevor er schwach beendete. "… zum Bett wechseln?"

Jan lachte leise und biss ihn erneut in den Nacken, dann raunte er an Kais Ohr "Nein, ich bin nicht geduldig genug."

Er ließ Kais Finger los und hob sein Kinn für sich an und zog den Kopf an seine Schulter zurück, um ihn zu küssen. Gleichzeitig umfasste er ihn hart und berührte ihn fordernder, direkter als je zuvor, während seine Zunge Kais Mund einnahm.

Kai ächzte und griff hinter sich, tastete ziellos über Jans Jeans, versuchte die Knöpfe zu öffnen, wollte ihn auch spüren, seine Haut, die Hitze und das Pulsieren seiner Erregung. Er schaffte es eben gerade, seine Finger in Jans Shorts zu bekommen, zwischen ihre Körper. Das schien ausreichend zu sein, denn Jan stöhnte auf und drängte sich gegen ihn.

Noch immer nagte jene Stimme in seinem Kopf 'Sag es ihm, du willst es doch!' Eine andere Stimme erwiderte harsch 'Und dann? Dann tut er dir weh, wie Lukas! - Aber vielleicht magst du das dann? - Jaja… vielleicht auch nicht. Du willst das nicht mehr machen, aber er will es dann, erwartet es dann und du …'

Jan vertrieb die Stimmen aus seinem Kopf. Sie wichen zugunsten von heißkalten Lichtblitzen, als Kai wenig drauf kam. Jans Finger umschlossen ihn, rieben sanft, ließen ihn nicht gehen, während er Jan gegen seinen Hintern spürte, der sich noch immer leicht bewegte, aber nur wenig, nicht mehr voller Verlangen, eher die Nachwehen genießend, die dies durch ihrer beider Körper sendete. Dann ließ Jan ihn los und hinterließ einen unangenehm kalten Fleck an seinem Rücken, als er durch das Zimmer fortging.

Kai sank nach Luft schnappend gegen die Tür zusammen. Er lehnte sein verschwitztes Gesicht gegen das Türblatt und vernahm Jans leises Lachen, gleich drauf bekam er ein Taschentuch in die Hand gedrückt und bedankte sich grummelig, nicht bereit sich umzudrehen.

Kleider raschelten, Jan zog sich aus und ließ sich auf das Bett fallen, begann mit einer Hand unter den Kissen nach seinen Schlafsachen zu suchen, die längst ihren Stammplatz dort hatten.

Kai mochte diese Momente nach dem Sex nicht. Jan liebte sie. Das war das einzige, was es wirklich sehr anstrengend mit Jan machte. Nach dem Sex flüchtete Kai sich ins Bad und wollte nicht angefasst werden, wollte sich allein auskühlen, einen Augenblick Ruhe. Jan wollte kuscheln, und zwar nicht zu wenig und am allerliebsten, wenn sie verschwitzt und sonst noch eingesaut waren.

Dieses Mal rettete Kai sich jedoch nicht ins Bad, sondern ließ sich erledigt neben Jan auf sein Bett fallen, der ihn mit einer besitzergreifenden Geste gegen seinen harten Körper raffte und seine Schlafsachen verwaisen ließ. Kai starrte auf die dunkle Nachttischlampe und holte tief Atem.

"Was wolltest du mir eben sagen, Kai?"

Kai erstarrte. Eben, was hatte er sagen wollen? "Ich… hab doch nichts gesagt, oder doch?" 'Hab ich etwa gesagt, dass ich will, dass er mit mir… Nein, das kann nicht sein, kann das sein?'

"Du wolltest mir etwas sagen, aber dann hast du Memme nur nach dem Bett gerufen." Ein leises neckendes Lachen begleitete diese Feststellung und Kai errötete. Jan merkte, verdammt noch mal, aber auch alles! 'Wie frage ich ihn denn danach? Wie mache ich das? Wie…'

"Jan?" Jans Körper bewegte sich nun nur noch von den gleichmäßigen Atemzügen und seinem Herzschlag und das beruhigte Kai. Nachdenklich betrachtete er seine kleine, blaue Nachttischlampe und wagte es zu fragen "Du magst es, wenn ich mit dir…?" Er brach ab. 'Das ist so indiskret! Ich kann ihn doch unmöglich…'

"Schlafe?"

Klang da mehr in Jans Stimme mit? Hatte er auch darüber reden wollen?

Kai atmete aus und nickte erleichtert. Er wollte Jan noch immer nicht ansehen. Mit der Lampe war es viel leichter, darüber zu reden.

Nach einigen Atemzügen vernahm er "Ja, es verwundert mich, aber ja. Sonst würde ich es nicht machen, Kai."

"Was daran magst du?"

Jans Körper ruckte leicht, dann drehte er Kai zu sich um und sah ihn interessiert an. "Es ist geil. Wieso fragst du? Willst du es versuchen?"

"Ehm… nein, ja, ich weiß nicht, ob ich…." Kai wurde rot und spürte das mit nicht wenig Ärger.

Jan lachte weich und entgegnete "Mit anderen Worten 'ja'? Oder mit anderen Worten 'ich weiß nicht'?"

Kai zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht", gab er endlich zu.

Jan runzelte die Stirn und grinste ihn an. "Also mit Kai Hellmann mal über Sex zu reden, ist auch eine interessante Neuigkeit. Was ist passiert?"

"Was?!"

"Ist doch so, du redest nicht darüber, nie. Du hast mir noch nie gesagt, was du magst.”

"Dich." Die Antwort kam prompt und war wahr. Kai mochte Jan, egal wie. Er liebte seine stürmische Art, seine Ungeduld, seine Ausdauer, die Jan allerdings nur dann zu entwickeln schien, wenn Kai an einem raschen Ende gelegen war, und er mochte, dass Jan stets einfach sagte, bestimmte. Selbst wenn er unten lag, dominierte Jan und das mochte Kai an ihm.

Jan lächelte, aber kam zum Thema zurück. "Wieso fragst du?"

"Ich weiß nicht, ich will es wissen, weil ich es…"

Entsetzt stockte Kai, aber Jan sah ihn aufmerksam an, deutete sein Erröten und folgerte "Du fandest es nicht so toll? Hast du es also schon mal probiert?"

"Nun ja,.." Kai ächzte und erzählte dann knapp, wie er Lukas kennengelernt hatte, wie dieser mit ihm geschlafen hatte, ohne ihn explizit gefragt zu haben, ob es ihm Spaß machen würde.

Jan tat einmal mehr etwas anderes als Kai erwartet hatte. "Schade," murmelte er leise und fügte mit gefährlichem Unterton hinzu "Dafür sollte ich mich wohl bei dem Arsch bedanken, hm?!"

"Wofür denn?"

Jan seufzte und lehnte seinen Mund an Kais Stirn. "Ich hätte gern mit dir geschlafen, wenn du dich traust, wenn du soweit bist, aber anscheinend musst du erst mal deine Angst loswerden, die du seit der… war es eine Vergewaltigung? Jedenfalls solltest du es erst mal überwinden, nicht?"

Da Kai den Kopf schüttelte, sagte Jan es auf seine Frage beziehend "Aber es war keine so angenehme Erinnerung."

"Nein, nicht wirklich."

Kais Herz schlug mit einem Mal schneller. Das Wort so einfach zu verwenden, laut auszusprechen. Jan hatte es wieder getan, genau wie die Frage am Strand, als sie sich geküsst hatten. 'Wie hast du gemerkt, dass du schwul bist?' Jan konnte solche Dinge aussprechen, ohne sie fehl am Platz aussehen zu lassen.

'War es eine Vergewaltigung?' Dieses Wort machte Kai mit einem Mal mehr Angst. 'War es das denn? Ver-ge-wal-ti-gung. Hab ich vielleicht nicht laut genug 'Nein' gesagt? Immerhin bin ich ja mit in den Bus…' Aber die Entschuldigung hinterher hatte er angenommen, hatte Lukas verziehen, oder etwa nicht? 'Ja, doch, das habe ich.' Zudem hatte er Lukas nach dem Überfall so ganz anders kennengelernt. 'Er wollte mich nicht verletzten, dann war es auch keine…' Nicht einmal denken konnte er das Wort, ohne zu erschaudern.

Und Jans Verdacht stimmte genauso. Kai hatte es nicht vergessen. Es durchlief seinen Körper mit widerlich heißen Schauern der Angst, wenn er daran dachte, dass Jan so etwas einmal tun könnte. Ihn verletzten, sein Vertrauen brechen. Zum Glück hatte er diese Angst nie, wenn Jan bei ihm war. Noch nie hatte er sich in seiner Nähe in Gefahr gefühlt. Und das, obwohl Jan stärker war als er und mit Sicherheit nicht übermäßig vorsichtig.

Diese harsche Ungeduld, von ihm festgehalten, in die Matratze gedrückt und regelrecht überfallen zu werden, das machte Kai an. Aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Und weiter ging Jan nicht, als ob er darum wüsste. In dem Moment realisierte Kai, dass Jan ohne sein Einverständnis nie weiter gehen würde und kuschelte sich erleichtert dichter an ihn.

Mit einem Mal war er froh, dass sie das Thema angesprochen hatten und er erklärte Jan ernsthaft "Vielleicht habe ich es ja überwunden. Ich wollte dich nämlich vorhin fragen, ob du mit mir schlafen willst."

Stille.

"Jan?"

Jan rückte ein wenig von ihm ab und nickte dann leicht. "Das möchte ich natürlich, Kai."

"Ja?"

"Blödmann, ja ja ja!" Jan wuschelte ihm durch die Haare, dann nickte er zum Nachttisch und knurrte gähnend "Aber bestimmt nicht jetzt. Und du, mein Lieber, bist dran, Kondome zu kaufen."

'Die Abteilung Romantik wurde soeben für heute geschlossen.' Kai musste trotzdem grinsen. Jan konnte auch gleich ein Schild raushängen, aber es war ihm egal. Er rollte sich und Jan in seine Decke ein und schlief herrlich, verschlief in vollster Absicht.

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