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Habt ihr so was schon mal erlebt? Man träumt etwas und es lässt einen einfach nicht mehr los. Man hängt irgendwie fest in dieser Welt, in der man eigentlich nichts verloren hat. In der man so hilflos ist und nichts vorhersehbar ist. Alles ändert sich in einem winzigen Augenblick und meistens stolpert man erst darüber, wenn man aufgewacht ist.

Ich habe letzte Nacht genau so einen Traum gehabt. In den letzten Jahren habe ich sehr wenig geträumt, oder wusste einfach nichts mehr davon, sobald ich die Augen wieder aufgeschlagen hatte. An Bruchstücke kann ich mich manchmal gerade noch erinnern, aber auch die verschwinden nach einer bestimmten Zeit. Der letzte Traum, den ich mir merken konnte und der mich so sehr aus der Bahn geworfen hatte, liegt Jahre zurück. Aber auch heute erinnere ich mich noch daran. Wenn man sich einen Traum einmal gemerkt hat, verschwindet er nie wieder. Er wird vielmehr zu einem Teil der eigenen Vergangenheit. Denkt man an diesen Traum zurück, ist es fast als würde man alte Gefühle wieder hervorholen. Man taucht vielleicht wieder in die Ängste ein, die man als Kind überwinden musste oder in die sehnsüchtigen Gedanken, wenn die erste große Liebe vorbei war.

Ich war vollkommen überrascht, als ich vor ein paar Tagen wieder einen Traum hatte, der sich nicht sofort wieder in Luft auflöste. Und in der nächsten Nacht träumte ich wieder und dann wieder. Es waren alles unterschiedliche Träume, hatten rein gar nichts gemeinsam. Als ich mich dann gestern Abend schlafen legte, hätte ich nie erwartet wieder zu träumen. Und vor allem nicht so intensiv. Es waren zwei Träume aber der erste eher unwichtig. Und dann fing es an. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die richtigen Worte finde, um meine Verzweiflung zu beschreiben, denn wenn ich jetzt darüber nachdenke, erscheinen mir meine Gedanken und Gefühle wie die eines Teenagers in der Pubertät.

Ich träumte von einem Jungen, der im Traum mein bester Freund war. Wir waren praktisch nie getrennt, unternahmen alles zusammen und wollten einander kaum aus den Augen lassen. Ich fühlte mich nur in seiner Nähe vollständig und war mir sicher, dass es ewig so bleiben würde. Niemand stellt sich gerne vor, seinen besten Freund zu verlieren aber in diesem Traum kam es mir noch viel reeller vor.

Als ich hörte, er habe sich verliebt, ging meine Welt unter. Mir war schlagartig bewusst, dass ich ihn verloren hatte. Nicht als Freund aber als ständigen Gefährten, als den Teil von mir, der mir am wichtigsten war. Er sah mir meine Angst nicht an und erzählte fröhlich wie glücklich er sei. Wir sahen uns trotzdem so oft es ging aber wir waren nicht mehr allein. Seine Freundin war immer dabei, wenn auch nicht physisch.

An einem Abend waren wir verabredet, aber seine Freundin tauchte unangemeldet auf. Ich ging hoch in sein Zimmer, während er sie begrüßte und lauschte auf das Geräusch von zwei Füßen, die jeden Moment die Treppe hinaufsteigen würden. Was ich hörte, waren allerdings vier Füße und ich verkrampfte mich schlagartig. Er würde doch nicht wagen unsere Verabredung rückgängig zu machen, um mit seiner Freundin allein zu sein. Genauso kam es aber. Er setzte mich vor die Tür und jeder noch so schuldbewusste Gesichtsausdruck konnte nichts an meinem Hass ändern. Ich erkannte ihn nicht wieder.

Mir vorzustellen, was sie taten, wenn sie allein waren, verbot ich mir. Es war schon schlimm genug, es zu wissen.

Tagelang hatten wir uns nicht mehr gesehen, als er sich wieder bei mir meldete, um mich einzuladen. Ich überlegte lange, ob ich es wagen sollte zu ihm zu gehen. Aber ein Gedanke an meine Sehnsucht nach ihm genügte schließlich, um mich zu entscheiden. Das musste auch der Moment gewesen sein, an dem mir etwas schmerzhaft klar wurde. Er war schon lange nicht mehr nur ein Freund. Er war sogar schon mehr als eine meiner Hälften. Er war meine bessere Hälfte. Ich wollte immer in seiner Nähe sein und doch war mir nie klar gewesen, wie nahe ich ihm wirklich sein wollte: so nahe es ging. Deshalb also auch diese unerträgliche Eifersucht.

Mir fiel sofort auf, dass seine Freundin nicht da war, als ich seine Wohnung betrat. Wir waren allein und ich hätte nie gedacht, dass mich diese Tatsache jemals so sehr überraschen würde. Für mich war es immer selbstverständlich gewesen.

Es war fast wie immer aber dann kam der Augenblick, als er mich an den Schultern festhielt und mir traurig in die Augen sah. Ich musste schlucken, weil ich instinktiv wusste, dass er mich durchschaut hatte. Seine Frage "Es tut dir weh, dass ich jetzt eine Freundin habe, oder?" beantwortete ich allerdings, ohne nachzudenken. "Ja."

Hier endete der Traum und ich öffnete meine Augen.

Dieser eine Satz von ihm hallt noch immer in meinem Kopf. Doch das Schlimmste ist, dass ich nicht weiß wie es ausgegangen wäre. Ich bin aufgewacht mit derselben Verzweiflung, die mein Traum-Ich gespürt hatte, nur werde ich nie erfahren, ob es glücklich geworden ist.

Rein psychologisch ist ein Traum ein Abbild von meinen tiefsten, verstecktesten Gefühlen, Ängsten und Sehnsüchten aber ich habe nie verstanden, wie mir das helfen kann. Ich fühle mich danach immer wesentlich schlechter als zuvor, weil ich nicht gerne mit meinen Gefühlen konfrontiert werde und auch nicht gerne darüber rede.

Dieser Traum hat mir mal wieder vor Augen gehalten, woran ich lange nicht mehr gedacht hatte. Ich wäre allerdings dankbar gewesen, wenn Verstecktes versteckt geblieben wäre. Wenn ich ein Gefühl nicht ausstehen kann, ist es Sehnsucht und genau die hat der Traum in mir geweckt. Das einzige, das ich daraus lerne, ist dass man nichts verstecken kann. So sehr man es sich auch wünscht.

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