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Silvesterfeuerwerk

Weihnachtschallenge 2007

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Beitrag zur Weihnachtschallenge 2007

 

Brrr. Kalt. Zitternd schloss ich die Wohnungstür. Winter... einfach nicht meine Jahreszeit. Überall dieser Schnee, die hektischen Menschen in der Stadt, die panisch versuchen, ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen... und habe ich den Schnee und die Kälte erwähnt? Es war der 23.12., also quasi Fünf vor Zwölf... und ich hatte noch nicht alle Geschenke zusammen. Ich hatte mir noch nicht einmal Gedanken gemacht, wer alles Geschenke bekommen sollte, geschweige denn, was. OK, da waren meine Schwester und meine Eltern – und damit wäre eigentlich die erste Frage geklärt. Also auf ins Getümmel und mal schauen, was mir zur zweiten Frage einfallen würde. Beim Window-shopping hatte ich meist die besten Ideen, auch wenn ich es hasste, alleine einzukaufen. Und hatte ich die Menschenmassen schon erwähnt?

Ohhh, ich glaube ich sollte noch ein paar Informationen über mich preisgeben: Ich heiße David, komme aus einem kleinen Nest in den Weiten der mecklenburgischen Prärie und studiere jetzt in Rostock. Ich bin diesen Sommer 20 geworden – und wie ihr euch denken könnt, stock-schwul. Anderenfalls würde ich meine kleine Geschichte wohl nicht hier auf nickstories.de veröffentlichen. Und ich bin Jungfrau. Jedoch nicht, wie ihr jetzt denkt, vom Sternzeichen. Ich hänge zwar immer mit einer Menge Schwuler rum, aber irgendwie hab ich es noch nie geschafft, jemanden für mich zu interessieren. Soviel zum Selbstbewusstsein.

Aber weiter im Text. Die Stadt war gut gefüllt. Überall standen Menschen vor den Weihnachtsmarktbuden. Aber nach Glühwein war mir im Moment nicht, so dass ich mich nach wenigen Minuten der Kälte in den ersten Laden flüchtete. Auch wenn ich Geiz nie geil fand, landete ich in einem großen Medienkaufhaus. Hier begann nun der eigentlich spannende Teil der Geschichte.

Zum eigentlichen Medienmarkt führte eine schöne lange Rolltreppe und wie jedes Mal nutzte ich den Ausblick, um meinem Hobby nachzugehen, der Suche nach süßen Kerlen. Dieses Mal hatte ich mich jedoch zu sehr ablenken lassen und zuviel in der Gegend umhergeschaut und geträumt. Die Rolltreppe blieb abrupt stehen und ich fiel gegen den Typen vor mir. So was passiert aber auch nur mir. Also setzte ich mein Sonntagslächeln auf und entschuldigte mich: „Sorry, dass ich dir so in den Rücken gefallen bin, aber ich war etwas abgelenkt.“ Der Typ vor mir drehte sich um und antwortete mit einem hinreißenden Lächeln: „Entschuldigung angenommen, aber beim nächsten Mal musst du mir ein Eisbecher ausgeben, denn so gerne lass ich mir nun auch nicht in den Rücken fallen.“

OK, wenn er einen Eisbecher haben will, den würde ich ihm gerne ausgeben, dachte ich noch, als ich in das süßeste Gesicht schaute, das ich seit Langem gesehen habe. Aber daraus würde wohl nichts werden, denn ich bin ein schüchternes Mauerblümchen und verpasse es natürlich, ihn gleich einzuladen. Nur ein tomatenrotes Gesicht stellte sich bei mir ein. Und im nächsten Augenblick war er schon in der Menschenmasse verschwunden.

Aber ich hatte ja heute auch etwas anderes vor. Also schlenderte ich durch den Laden auf der Suche nach einer Idee. Und ich hatte schon die Erste, als ich an den Digitalkameras vorbeikam. Meine Schwester hatte zum Geburtstag eine Digicam bekommen. Also warum nicht etwas Praktisches kaufen und ihr einen zweiten Speicherchip schenken. Gesagt, getan, und ein Drittel des heutigen Auftrages erfüllt. Wenn ich schon mal hier war, konnte ich auch schauen, ob es ein neues PC-Spiel gab, das auf der lahmen Krücke, die ich meinen PC nenne, noch lief. Also auf in den zweiten Stock in die PC-Abteilung. Was ich dort fand, war kein passendes PC-Spiel, sondern wieder der süße Typ von eben. Als er in meine Richtung schaute und wieder lächelte, war es um mich geschehen. Ich wurde wieder rot und wollte nur noch weg. Also weiter in den nächsten Laden. Ich fand zwar immer irgendwelchen Kitsch im Nanu-Nana um die Ecke, aber heute hatte ich keinen Erfolg. Alles was ich sah, war zum dritten Mal er. Verfolgte der mich etwa? Aber er schien auch zu suchen und schaute nicht in meine Richtung. Ich nutze meine Chance und verließ den Laden, um nicht schon wieder rot zu werden und mich zu blamieren.

Also ab in den Kaufhof. Ich erwartete zwar nicht, hier etwas zu finden. Aber vielleicht hatte ich ja Glück. Und Glück hatte ich. Wie gesagt, ich fand meist praktische Geschenke. Und da meine Ma noch immer die 25 Jahre alten Tortenplatten benutzte, die sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte, erstand ich eine von den hier angebotenen drehbaren Tortenplatten. Ich sagte doch, ich steh auf Kitsch und so war ich schon bei zwei Drittel meines heutigen Solls. Erwähnte ich schon, dass es voll war. Nein? OK, es war voll, sehr voll sogar, und die Schlange an der Kasse war ewig lang. Müssen die Menschen alle auf den letzten Drücker einkaufen? Und musste dieser Kerl jetzt auch noch vordrängeln, dachte ich bei mir und wollte mich gerade beschweren, als er sich umdrehte. Ups, wieder mein „Freund“.

„Ich dachte, ich hätte noch Einen gut bei dir, also wirst du mich ja sicher vorlassen.“ Ich wurde wieder einmal rot und nickte nur. Aber auch diese Begegnung der Dritten Art war schnell vorüber, da ich meinen Mund wieder mal nicht aufbekam. So stürzte ich mich in den schwersten Teil meiner Suche. Für meinen Vater ein Geschenk zu suchen, glich der Suche einer Stecknadel im Heuhaufen.

Mit diesem Gedanken schlenderte ich weiter in den Rostocker Hof, eine Galerie von kleinen Läden. Also erst in den Uhrenladen, um einem guten Bekannten guten Tag zu sagen. Dann im Modeladen nachschauen, ob ich heute wieder ein Glas Sekt abstauben könnte, aber mein Kumpel war nicht da. Also kein Sekt heute. Ein Wink des Schicksals. Ich sollte wohl fleißiger weiter suchen, sonst würde ich heute nicht mehr fündig. Aber wer lief den da hinter mir, war das nicht wieder mein „Freund“? Ja, ich hatte meine Augen halt überall und süße Kerle sah ich eigentlich sofort. Aber er schien mich wieder nicht gesehen zu haben.

Drei mal eine Chance nicht nutzen ist schon schlimm, also würde ich dieses Mal alles auf eine Karte setzen und meine Chance nutzen. Ich blieb abrupt stehen. Und der Erfolg trat wie gewünscht ein, ich wurde angerempelt. „Man kannst du nicht aufpassen? Welcher Trottel bleibt denn hier so einfach stehen?“, hörte ich nur, als ich mich umdrehte. „Nee, nicht du schon wieder!“ Ich nahm all meinen Mut zusammen: „Doch ich, ich dachte, einen Eisbecher könnte ich heute noch vertragen“, sagte ich. Er schaute erst wie ein Auto und fing dann an zu lachen. „Nicht wirklich, oder? Es ist eiskalt draußen, da isst man kein Eis!“ Ich wurde wieder rot und musste all meinen Mut zusammennehmen: „Wie, erst stellt du mir einen Eisbecher in Aussicht, und dann willst du kneifen.“ – „OK, OK,“ lachte er, „hier oder im Conti?“ – „Mir schmeckt es hier im Rostocker Hof besser, aber da du der Gast bist, darfst du aussuchen.“ sagte ich.

Zwei Minuten später hatten wir einen Tisch im Eiskaffee ergattert und Eis bestellt. Ich bevorzuge eher die roten Eissorten, aber er schien ein Schokotyp zu sein und bestellte ein Schokoladeneisbecher mit Cappuccinoeis und Wallnüssen. Weitere zehn Minuten später hatten wir unseren Eisbecher bekommen und ich wusste, dass er Martin heißt, 19 ist, seit drei Monaten in Rostock Medizin studiert und Single ist. Womit wir zum heiklen Teil der Unterhaltung kamen. Der Frage nach meinem Liebesleben. Ich druckste herum. Aber er bohrte weiter nach, „Also komm schon, bist du Single und woran liegt es? Du siehst doch ganz nett aus.“ Aha, ich sehe also nett aus, ein Kuchen sieht nett aus, ein Schal mag nett aussehen, aber zu einem Typen sagt man sowas ja wohl nicht. Also sagte ich: „Ja, bin auch Single. Irgendwie wollen die Kerle hier nichts von mir.“ Manchmal bin ich wohl zu direkt, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, er hätte sich an einer Walnuss verschluckt. Jedenfalls war er es, der dieses Mal rot und still wurde. „Na, geschockt?“, brach ich die Stille. „Nein, eher überrascht, dass die Kerle nicht auf dich abfahren. Ich würde dich sofort nehmen.“ Wie sollte ich das denn nun wieder verstehen? War er nun schwul oder nicht? „Wie, du würdest mich sofort nehmen, wenn du schwul wärst oder wie?“ – „Na, wer sagt denn, dass ich nicht schwul bin?“

Nun wurde es mir zu bunt und ich wechselte das Thema. Sollte er doch sagen, wenn er was wollte. So erzählten wir noch eine Ewigkeit über unsere Heimatdörfer, das Studium und was uns sonst noch so einfiel. Ich erfuhr, dass auch er morgen zu seinen Eltern fahren und erst zu Silvester zurück sein würde, dass er Silvester so wie ich am Strand feiern würde und, und, und. Als wir auf die Uhr schauten stellten wir fest, dass es kurz vor Sieben war. Da wir beide noch nicht alle Geschenke zusammen hatten, tauschten wir schnell unsere Nummern aus und brachen auf. Jetzt hatte ich zwar seine Nummer, aber war nicht schlauer als zuvor – und ein Geschenk hatte ich auch noch nicht für meinen Vater. Aber wie gesagt, manchmal hatte ich Geistesblitze und so fiel mir der Anglerladen im Hafen wieder ein. Es würde zwar knapp werden, aber ich schaffte es noch rechtzeitig und kaufte ein wenig Zubehör für sein Hobby, das Angeln.

Als ich wieder zu Hause angekommen war, schaffte ich es auch endlich mal, auf mein Handy zu schauen, wo schon zwei SMS auf mich warteten. Meine beste männliche „Freundin“ fragte, mit welchem süßen Kerl ich nun schon wieder ein Eis gegessen hätte, und Martin schrieb, dass ihm der Nachmittag gefallen habe und er auf eine Wiederholung hoffe. Mit der Message konnte ich mich auf den Weg zu meinen Eltern machen. Was soll ich erzählen, die Woche bei meinen Eltern bestand aus essen, schlafen, essen, schlafen, Verwandte besuchen, essen, schlafen und wieder essen. Also der ganz normale Festtagsstress. Nur die Unmengen SMS, die von Martin kamen, waren ein Lichtblick. Und mit jeder SMS wurde ich aufgeregter und erwartete sehnsüchtiger unser Wiedersehen. Ich sollte mich nicht so in solche Sachen hineinsteigern, redete ich mir immer wieder ein, schließlich hatte er noch nicht mal gesagt, dass er schwul sei, geschweige denn, dass er mich mag. Mit dieser Ungewissheit kam Silvester und ich fuhr zurück nach Rostock.

Ich hatte mich mit meinen Freunden bei einem Kumpel verabredet. Dort sollte vorgeglüht werden und dann sollte es Richtung Warnemünde, einem Stadtteil von Rostock an der Ostsee, gehen. Mein bester Freund fragte mich zwar immer noch nach Martin aus, aber ich ignorierte ihn. Auch ich konnte mal geheimnisvoll sein. Nach gut einer Stunde vorglühen war ich gut vorgewärmt. Aber auch für das, was noch bevorstand, hatte ich vorgesorgt und mir extra Socken eingepackt. Dachte ich zumindest. Finden konnte ich in meinem Rucksack zunächst nur eine Socke. Nach ein paar Bitten war auch dieses Problem gelöst und ich borgte mir ein paar Socken von meinem Kumpel.

Nachdem nun alle reisefertig waren, ging es im überfüllten Nahverkehr Richtung Warnemünde. Die schwule Kneipe in der Nähe des Strandes war natürlich bereits überfüllt, so dass wir alle draußen standen und die mitgebrachten Alkoholvorräte aufbrauchten. Wie blöd kann man eigentlich sein, bei -5 Grad in der Eiseskälte draußen zu stehen und zu feiern. Aber trotz der Kälte hielt mich die Hoffnung warm, dass ich Martin heute wiedersehen würde. Auch er feierte mit seinen Freunden hier irgendwo. Kurz vor Mitternacht wollten wir uns am Strand treffen und gemeinsam auf das neue Jahr anstoßen. Punkt 23:45 Uhr begann die Völkerwanderung. Die Lokale leerten sich. Alles was Beine hatte, macht sich auf den Weg zum Strand, wo um Punkt Mitternacht das größte Hotel am Platz ein Feuerwerk abfackeln würde, dem sich dann jeder Einzelne mit seinen Raketen anschließen durfte. Auch wenn ich Feuerwerke mag, war das heutige doch nebensächlich. Ich konnte schon seit Stunden nur noch an das eine denken, bzw. den einen.

Wir schrieben nun schon den ganzen Abend SMSen und ich glaube, auch er war etwas aufgeregt. Zumindest kamen seine Antworten immer sehr schnell. Als wir am Strand angekommen waren, schickte ich Martin eine Message, wo ich zu finden wäre. Wir hatten vereinbart, dass er mich suchen wollte. Also wartete ich mit einem Gefühl im Bauch, das nicht nur durch den Alkohol zu erklären war. Würde er kommen? Was würde er sagen? Würde er mich… ja was…?

So stand ich da und wartete… und wartete … und wartete.

Und dann geschah alles auf einmal. Es schlug zwölf, die erste Rakete explodierte in der Luft und er stand vor mir und küsste mich. „Ich liebe dich“, sagte er. „Und ich erst“, sagte ich leise und küsste ihn noch einmal. Meine Träume gingen in Erfüllung.

„Ich hoffe, dieses Jahr geht so weiter wie es begann!“, sagten wir beide wie aus einem Mund ohne darauf zu achten, was um uns herum vorging.

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