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Hart wie Stahl

Teil 1 - Heimat? Los!

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

- Figuren und Geschichte sind frei erfunden und haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun. - Wer Probleme mit Homosexualität hat, sollte sich eine andere Geschichte suchen. - Die Rechte liegen beim Autoren. - Jede Veröffentlichung, auch auszugsweise, ist nur nach schriftlicher Genehmigung erlaubt. Ganz besonderer Dank gilt meinen Korrektoren Kirsten und Michi die sich mit unendlicher Geduld durch meine schlechte Rechtschreibung und meinen miesen Stil gekämpft haben. Denn meine Gedanken zerreißen die Schranken und Mauern entzwei, die Gedanken sind frei! Altes Volkslied

1. Kapitel

Karl Rubins Augen ruhten auf den Anzeigen. Das Licht der Bildschirme überzog seine schwarze Haut mit einem bläulichen Schimmer. Plötzlich erschien in der Mitte des Bildschirms ein blinkendes Symbol.

„Wir sind im Flugleitsystem, jetzt übernimmt der Tower!“ sagte Rubin. Mit einem Fauchen starteten die Bremsdüsen und versetzten das ganze Schiff in Vibration.

Langsam nahm es an Geschwindigkeit ab und die Steuertriebwerke schwenkten es in eine Umlaufbahn um die Erde mit Kurs auf die Raumstation der weltweiten Handelskammer.

Er schnalzte mit der Zunge und sagte: „Es funktioniert. Eigentlich müsste niemand an Bord sein.“ Petra Rockenberg, die Kapitänin des schweren Transporters „Atman“, nickte stumm.

Schwerelos und ohne ein Geräusch bewegten sich die Megatonnen Stahl durch das All, sicher der Bahn des Funkleitstrahls folgend.

„Wenn das so weitergeht mit den automatischen Systemen, dann sind wir in ein paar Jahren arbeitslos.“ setzte Karl nach.

Petra betrachtete im Schein der bläulichen Notbeleuchtung die massige Silhouette ihres Bordtechnikers und lächelte. Karl, dessen muskulöser Körper lässig im Sitz hing, war ein notorischer Pessimist.

Aus irgendeinem Grund konnte er an den Arbeitserleichterungen des neuen Schiffs kein gutes Haar lassen.

Der neue Fusionsreaktor war ihm zu massig, die automatische Feinabstimmung der Düsen nahm ihm die Kontrolle und die Gänge waren ihm zu blau gestrichen.

Sie öffnete die Gurte an ihrem Sitz, gab sich einen Schubs und glitt zu ihm herüber. „Gibt es eigentlich irgendwas an diesem Schiff,“ fragte sie, „was Dir wirklich gefällt?“

Er grummelte etwas, was wie eine Verneinung klang. „Gut,“ sagte sie, „dann kann ich es ja wieder verkaufen und ein billiges Gebrauchtes nehmen.“

Um Karls große braune Augen bildeten sich Lachfalten und er brummte: „Na ja, die künstliche Schwerkraft in den Kabinen ist ganz nett. Aber warum haben Brücke und Maschinenraum keine?“

Lakonisch gab Petra zurück: „Wenn Du sie bezahlst, dann kannst Du sie haben.“

Sie hangelte sich zurück zu ihrem Platz in der Mitte der kleinen Brücke. „Ach Petra,“ sagte Karl, „ich habe ja nichts gegen dein Schiff. Es ist wirklich erste Sahne und der neue Schild ist wirklich klasse.“

Still lächelte die Kapitänin in sich hinein. „Eine Auflage meiner Versicherung, die sie auch bezahlt haben.“ lachte sie. „Eine Geschichte wie mit der Diamond wollten die wohl nicht noch mal erleben.“

Karl zog die Augenbrauen zusammen. Er wurde ungern an die Diamond erinnert. Das Schiff war für zehn Jahre so etwas wie seine Heimat gewesen.

Dann war der finstere Tag gekommen, an dem ein Kurierschiff der vereinigten Kirche in das im Dock liegende Raumschiff gerast war und den Schutzmantel des alten Atomreaktors durchbrochen hatte.

Es war nicht mehr daran zu denken das völlig verseuchte Schiff weiter zu benutzen. Die Versicherung der Kirche hatte erstaunlich schnell und reichlich gezahlt.

Der Techniker ließ kurz den Kopf sinken, schreckte aber sofort wieder hoch. Ein Warnsignal knarrte durch das neue Raumschiff und beide Insassen schnallten sich fest.

„Automatisches Andockmanöver,“ stöhnte Karl, „hoffentlich hält die Kiste was der Hersteller verspricht.“

Elegant glitt die Dame aus Stahl in das Dock des technischen Service. „Läuft alles glatt.“ kommentierte Petra und Karl brummte vor sich hin.

Sein Blick wanderte durch den Raum der Brücke, über die Sitze für die Bordschützin und den Navigator, über die von Anzeigen, Knöpfen und Tastaturen überwucherten Wände bis zu einer kreisrunden Aussparung an der Wand.

Nervös fummelte er an seinem Kinnbart und strich sich durch die langen Dreadlocks, die an den Schläfen langsam grau wurden.

Er wartete auf einen Fehler. Aber kein Zwischenfall gab ihm Anlass zu klagen, leider.

2. Kapitel

Aus einer Luke der Station betrachtete Sonny J. Byron die „Atman“ und kaute auf dem Ende eines Kugelschreibers herum. Die Sonne malte die matt graue Außenhaut des Schiffs gelb an.

Im Grundriss sah sie wie ein riesiges Stählernes Kreuz aus. So konnte die Atman die gigantischen neuen Normcontainer umklammern und transportieren.

Die Normcontainer hatten die Form einer riesigen Tablette mit 300 Metern Durchmesser und leicht gewölbter Unter- und Oberseite.

Sein kleines Büro war mit schweren Holzmöbeln, verschiedenen Erinnerungen an das heimatliche Texas, Auszeichnungen der Handelskammer und anderem Kram voll gestellt.

An der Wand hingen Bilder, auf denen Sonny mit Geschäftspartnern beim Golf zu sehen war, Zeitungsausschnitte und das goldene achtarmige Kreuz der Universellen Kirche.

Auf seinem Schreibtisch summte zwischen Stapeln aus Akten, Datenträgern und Kaffeetassen still der Irisprojektor seines Rechners.

Byron trippelte durch den Raum und dachte, dass man auf solch ein Büro wirklich stolz sein konnte. Sogar künstliche Schwerkraft hatte er sich geleistet, auch wenn das die Miete fast verdoppelte.

Er ließ sich die Liste der wichtigen Lieferungen auf die Netzhaut projizieren und nagte noch nervöser an dem Stift.

Seit über zwanzig Jahren war er Makler für Transportaufträge. Er hatte es sich abgewöhnt Geschäfte nach Antipathie oder Sympathie zu machen.

Wenn die Courtage stimmte, hätte er auch mit Menschenfressern Geschäfte gemacht. Aber die zahlten zu schlecht, wenn man das Risiko in Betracht zog, das ihre Aufträge mit sich brachten.

Er konnte Petra nicht ausstehen und es fiel ihm schwer dieser notorischen Lesbierin einen so ungeheuer lukrativen Auftrag zu verschaffen.

Aber andererseits verdiente er selbst daran nicht schlecht. Und Petra war es gewohnt, nicht zu fragen was sich in den Containern befand, die sie transportierte.

Zwar war sie damit nicht ganz allein, die meisten freischaffenden Kapitäne hatten nicht das Geld, sich Skrupel zu leisten, aber sie hatte von diesen leider das schnellste und neueste Schiff.

Er hatte sich gefreut, als bei einem Zusammenstoß mit einem Gleiter der Einheitskirche ihr erstes Schiff, die „Diamond“, zerstört worden war. Jetzt hatte aber die Versicherung der Kirche bezahlen müssen.

Welche Ironie des Allmächtigen! Ausgerechnet vom Geld seiner Kirche konnte sich eine Sünderin das schnellste und modernste Schiff unter den freien Kapitänen kaufen.

Als er beobachtete wie die Schleusen an das Schiff andockten und die Halterungen einrasteten, fragte er sich, warum Petra das Geld nicht genommen und sich zur Ruhe gesetzt hatte.

Stöhnend nahm er zur Beruhigung seiner angefressenen Nerven einen Gin und wartete darauf, dass Petra in seinem Büro erschien.

Sie musste seine Nachricht direkt erhalten, wenn sie von Bord kam. Sie musste seinen Auftrag einfach annehmen. Was andernfalls passierte, wollte er sich gar nicht vorstellen.

3. Kapitel

Ein letztes Mal ließ Tobias den Flur auf sich wirken und verspürte wider Erwarten so was wie Abschiedsschmerz.

Die Wände des Kinderheims St. Karol waren in einem blassen Grünton gestrichen.

In den endlosen Fluren hing der fade Geruch von Kohl und Putzmittel und die Lampen gaben ein kaltes Licht von sich, das alle Menschen so bleich wie Leichen wirken ließ.

Hier konnte sich eigentlich kein Mensch wohl oder heimisch fühlen. Aber wenn man zehn Jahre in einem Haus lebt, dachte Tobias, dann gewöhnt man sich an fast alles, auch an Kohlgeruch, blasses Grün und fahles Licht.

Langsam ließ er die Hand über die abgeschabte braune Bank vor dem Direktionszimmer gleiten, auf der er damals an seinem sechsten Geburtstag gesessen hatte, dem Tag, nachdem man seine Eltern verhaftet hatte.

Der elektrische Gong rief alle Hausbewohner zum Gebet und die elektronischen Augen an jeder Wand sahen starr auf den Fluren und Sälen nach, ob auch jeder darin der Aufforderung folgte.

Mechanisch senkte der Junge den Kopf, faltete die Hände und bewegte die Lippen.

In der Bibel stand etwas von einem eifersüchtigen Gott. Ob es Gott gab und ob er eifersüchtig war, wusste Tobias nicht. Gottes Vertreter auf Erden machten klar, dass zumindest Sie keine Nebenbuhler duldeten.

Nach dem „Ave Maria“ verharrte er in dieser Haltung, den Blick ausdruckslos auf den verschlissenen Steinboden gerichtet.

Er dachte an die Generationen von Waisen, die in diesem Heim Kohl gegessen, gebetet und fünf Stunden am Tag nach der Schule „echtes deutsches Steinzeug“ mit blauen Mustern bemalt hatten.

Mit Sechzehn zahlte der Staat nicht mehr das Kostgeld und man musste Platz für neue Waisen machen.

Und jetzt ging Tobias diesen letzten Gang durch die blaß grünen Flure, vor sich die graue Uniform einer Beamtin der staatlichen Fürsorge.

Still dachte er nach, an was für einen Arbeitsplatz ihn die „Fürsorge“ wohl bringen würde. Jeder der aus dem Waisenheim kam, hatte Anrecht auf einen Arbeitsplatz zur „Eingliederung in die Gesellschaft“.

Der Staat zahlte zwei Jahre lang einen Teil des Gehalts und wenn man die teilweise gefährliche Arbeit überlebt hatte, wurde man gekündigt und machte Platz für neue Waisen.

Er folgte der Beamtin durch die schweren Eisentore nach draußen und stieg mit ihr in einen grauen Wagen.

Durch das kleine vergitterte Fenster sah er das große graue Kinderheim St. Karol immer kleiner werden.

Der Wagen klinkte sich in die Leitschiene auf der Straße ein und fuhr lautlos mit mörderischem Tempo durch den dichten Verkehr.

Links und rechts ragten die Fronten riesiger grauer Gebäude auf, die mit ihren dunklen Fenstern hohl in den Tag starrten. An jedem prangte irgendwo das goldene achtarmige Kreuz der Universellen Kirche.

Fahl und teilnahmslos wirkten die Gesichter der Menge, die sich auf den Bürgersteigen von der Arbeit, zur Arbeit oder zum Einkaufen drängte.

Hier und da stach ein Luxuswagen, ein grellfarbiger Anzug oder ein buntes Kleid aus der Masse hervor.

Die Gebäude links und rechts wurden mit der Zeit kleiner, die Masse dünner, bis nur noch flache Fabrikhallen und vereinzelte Arbeiter zu sehen waren.

Der Verkehr war weniger geworden und hatte sich auf einige Lastwagen beschränkt.

„Gleich sind wir da“, verkündete die Beamtin der Fürsorge. „Freuen sie sich auf ihre Arbeit? Sie werden einen qualifizierten Job erlernen. Das ist doch gut?“ fragte sie und beugte sich etwas vor.

Tobias schaute sie an und wusste nicht, was er hätte antworten sollen, wenn er gekonnt hätte. Er freute sich nicht, fürchtete sich nicht und fühlte sich nicht unwohl.

Er fühlte einfach nichts bei dem Gedanken an seinen neuen Beruf.

4. Kapitel

Mit Kennerblick betrachtete Maria Grand die Munition im Schrank des Waffenhändlers. „Diese Projektile haben ein Kaliber von 25 mm,“ sagte die Stimme des automatischen Verkaufssystems, „und sind mit ihrer Titanlegierung panzerbrechend.“

Die Sicherheitsbeauftragte der „Atman“ schüttelte den Kopf und sagte: „Harmlos, die wirken nur auf kurze Distanz.“

Sofort plapperte der Verkaufscomputer mit sonorer Stimme: „Dann schlage ich ihnen diese Miniraketen vor. Diese panzerbrechenden Explosivgeschosse haben eine Reichweite von 300 km. Die integrierte Steuerung und Zielerfassung...“

Maria unterbrach den Computer: „Quatsch keine Opern! Wie ist die Feuerrate?“ „Die Feuerrate von 30 Schuss pro Minute wird auch Sie überzeugen.“ schnatterte der automatische Verkäufer.

Die große schlanke Frau mit den blonden langen Haaren zog die Augenbrauen hoch als sie den Preis sah. Sie ließ die muskulösen Schultern kreisen und die Gelenke krachten.

Mit unbewegter Miene gab sie dem Computer ihre Bestellung auf und drehte sich zum Gehen. Es war eine lange, exklusive Liste der neuesten Waffensysteme gewesen, die sie da aufgegeben hatte.

„Ach ja,“ sagte sie beim Verlassen des Geschäfts, „Lieferung und Montage sind ja wohl im Preis inbegriffen.“

Zwei Sekunden blieb es still in dem leeren Laden, dann schepperte die Stimme des automatischen Verkaufssystems: „Halsabschneiderin!“

Durch die langen Gänge der Raumstation schwebte eine zufriedene Sicherheitsbeauftragte.

Sie stieß sich an der Wand ab und bewegte sich auf ein kleines Restaurant zu, über dessen Tür eine Leuchtschrift „echte Steaks“ und „Gastraum mit Schwerkraft“ versprach.

Aus Erfahrung wusste Maria, dass die Steaks hier nicht so echt waren, wie die Leuchtschrift behauptete, aber wenigstens schmeckten sie echt.

Für den Laden sprachen außerdem das kalte Bier, und die hübsche Kellnerin. Mit einem Ruck setzte an der Tür die künstliche Schwerkraft ein und zog Maria zu Boden.

Sie ging mit großen Schritten durch den kleinen Raum, setzte sich an einen Fensterplatz und schnippte mit den Fingern, um die Kellnerin zu rufen.

5. Kapitel

Drei paar großer blauer Augen betrachteten Petra Rockenberg neugierig, als sie ihr neues Schiff verließ und zügig zum Schalter des Wartungsdocks schwebte.

Andreas, Oliver und ihre große Schwester Sandra verfolgten jede Bewegung ihrer Mutter aus der Entfernung.

Andreas und Oliver blickten Sandra stumm an. „Sie ist zufrieden!“ faßte die Älteste ihre Beobachtungen zusammen. Die zwei Drillinge nickten stumm.

Vorsichtig näherten sich die drei dem Schiff und glitten auf die Luke zu. Während sie das Schiff durch die Schleuse betraten, stupste Andreas Oliver leicht an. „Bist Du mir noch immer böse?“ fragte er leise.

Oliver knurrte und zog die Tür hinter sich zu. Er wollte nicht antworten. Dazu war der Schmerz zu frisch, die Gefahr ungerecht oder, um ehrlich zu sein, zu groß.

„Willkommen auf der Atman,“ dröhnte Karl Rubins Stimme durch die Lautsprecher, „ihr wißt ja aus dem Training im Simulator wo die Brücke ist. Kommt einfach zu mir!“

Schweigend schwebten die drei durch die grünen Gänge des Schiffs und Andreas startete einen neuen Versuch:

„Oliver, ich wusste nicht, dass Dir so viel an dem Typen liegt. Ich...“

Schneidend und kalt unterbrach ihn sein Bruder: „Lass uns einfach nicht davon sprechen, ja?“

„Aber,“ setze Andreas stotternd an, „es tut mir leid.“ Oliver zeigte weiter keine Regung im Gesicht: „Das hätte Dir gestern einfallen sollen.“

Ohne ein weiteres Wort erreichten Sie die Brücke.

„So, ihr Zwerge,“ versetzte Karl Rubin dröhnend, als die drei Jugendlichen in die Brücke schwebten, „wie gefällt Euch das neue Spielzeug?“

Sandras Augen funkelten, als sie sagte: „Es ist großartig. Die zu fliegen macht bestimmt Spaß. Alleine der neuartige Antrieb...“

Sie registrierte Karls Gesichtsausdruck und fügte hinzu: „...aber es ist nicht die Diamond, stimmt’s?“

Karl lächelte müde und lenkte vom Thema ab: „Eure Mütter sind auf der Station. Die eine kauft Waffen und die andere macht einen Auftrag klar. Ihr habt heute Abend frei. Macht, wozu ihr lustig seid.“

Andreas startete einen neuen Versuch, sich mit seinem Bruder zu versöhnen: „Wollen wir ausgehen? Eine Runde Squash?“

Oliver drehte sich um und schwebte zum Ausgang. „Du kannst ja alleine ausgehen,“ versetzte er trocken, „und irgendwen vögeln. Ich bin in meiner Koje.“

Sandra war im selben Augenblick schon verschwunden. Ein neues Schiff, neue Technik. Nichts konnte sie weiter bei ihren Geschwistern halten.

Alleine mit sich und seinem Schuldbewusstsein zog sich Andreas in einen der Sessel der Brücke. „Lass ihm Zeit,“ brummte Karl und legte seinen Arm um die Schultern des blonden Jungen, „so Sachen mit dem Herz brauchen lange.“

Ihre Blicke ruhten auf den Monitoren, die das weite All vor dem Bug der Atman zeigten. Karl tätschelte dem Jüngeren auf die Schulter und sagte: „Na komm, trinken wir ein Bier und gehen was essen?“

Doch der Angesprochene entwand sich der Umarmung: „Danke Karl, lieb von Dir. Aber ich glaube ich gehe jetzt auch mal in meine Kabine.“ und schwebte davon.

Minutenlang hing Karl Rubin noch in seinem Sessel und brummte sich etwas über die „hysterischen Homos“ auf dem Schiff in seinen Bart.

Dann beruhigte er sich und betrachtete weiter die Sterne.

6. Kapitel

Surrend hielt der Elektrowagen der Fürsorge vor einer schmutzig blauen Fabrikhalle, die Tür öffnete sich und etwas benommen trat Tobias ins Tageslicht.

„Gebrüder Dickeis – Stahlteile“ war in ehemals weißen Buchstaben auf die Tür gepinselt.

Mit Bewegungen wie ein Elitesoldat bei einer Parade marschierte die Beamtin der Fürsorge auf das Tor zu und zog den widerwillig trottenden Tobias hinter sich her. Sie stieß die Tür auf und trat ein.

Eine Schwade fetter heißer Luft, durchdrungen von Maschinenöl und dem scharfen verbrannten Geruch der Schweißgeräte hüllte sie augenblicklich ein und ließ die Hitze sofort in seine Knochen fahren.

Nach drei Schritten durch das von gelblichem Lampenlicht durchdrungene Halbdunkel der Halle trat ihnen der Schweiß aus allen Poren und begann sich mit dem Öl und Ruß der Luft zu einem schmierigen Film auf ihrer Haut zu vermischen.

Mit schweren Schritten gingen sie eine Eisentreppe empor, die an der Seite der Halle in die Büros führten. Wie eine Kanzel schwebten die Stahlcontainer der Verwaltung über den Arbeitern.

Von hier oben konnte Tobias sie sehen. Wie Ameisen wimmelten sie zwischen riesenhaften Konstruktionen aus Stahl, schweißten, nieteten und pinselten.

Im Halbdunkel der Halle glommen Lampen, an der Decke fuhr mit quäkender Sirene ein Kran, an dem ein riesiges stählernes Bauteil baumelte, und unten in der Halle blitzten die Funkenlichter von Schweißgeräten und Trennschleifern.

Als sich die Eisentür zur Verwaltung öffnete, traf die kühle und saubere Luft ihn wie ein Schlag. Augenblicklich begann er zu frösteln, als er mit unsicherem Schritt eintrat.

Ein Durcheinander aus Aktenschränken, Rechnern, Regalen mit Werkstoffproben und Werbegeschenken füllte die Wände.

In der Mitte des Raums stand ein grauer Schreibtisch mit einer grauen Frau, die ihm und der Beamtin der Fürsorge einen kalten Blick schenkte.

Sie zog die Augenbrauen hoch, tippte mit spitzem Zeigefinger auf eine Taste des Telefons und krächzte: „Herr Dickeis? Ihr neuer Arbeitnehmer!“

Herr Dickeis, der eine Minute später durch eine seitliche Tür in das Vorzimmer trat, war ein hagerer und hoch aufgeschossener Mann von etwa fünfzig Jahren.

Das fahle und leicht eingefallene Gesicht war von harten Linien durchfurcht und über der hohen Stirn hatte er sein schütteres graues Haar in den Nacken gekämmt.

Die schmalen Lippen seines zu breiten Mundes verformten sich zu der Andeutung eines Lächelns als er bat: „Kommen sie doch in mein Büro. Frau Fröhlich, Kaffe bitte!“

Die strenge geometrische Ordnung seines Büros setzte sich hart von dem Wust seines Vorzimmers ab.

Sogar die Fransen des leicht abgeschabten Perserteppichs lagen schnurgerade und parallel geordnet auf dem Boden.

Hinter dem grauen Schreibtisch, es war dasselbe Modell wie das seiner Sekretärin, erlaubten drei kleine Fenster den Blick in den Hof der Fabrik.

Die anderen Wände wurden von weiß lackierten Stahlregalen eingenommen, in denen, wie mit dem Lineal geordnet, Aktenordner, Blaupausen und kleine Behälter für Datenspeicher lagen.

Nur ein großes buntes Plakat mit der roten Aufschrift „Stahl von der Erde – härter, besser, günstiger!“ brach die herrschende Farbpalette aus grau, weiß und hellblau.

Herr Dickeis wies Tobias und der Beamten einen Sitzplatz auf zwei Stahlrohrstühlen zu und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz.

Mit einer präzisen Bewegung legte er die Fingerspitzen auf die Tischkante und musterte seinen Besuch mit hartem Blick.

Ein kurzes und unangenehmes Schweigen entstand. „Nun,“ unterbrach Herr Dickeis die Stille und suchte auf einem vor sich liegenden Blatt ein Wort, „Tobias, nicht wahr, du meinst vermutlich, dass in der Stahlindustrie nur große starke Männer arbeiten?“

Bis zu diesem Augenblick hatte sich Tobias kein Bild des Durchschnittlichen Beschäftigten in der Schwerindustrie gemacht, nickte aber aus Höflichkeit und Verlegenheit trotzdem.

„Aber gerade die hohe Präzision, mit der wir arbeiten,“ fuhr Dickeis fort, „erfordert auch Geschicklichkeit und..“ er stockte kurz, schluckte und sprach dann weiter: „Nun ja, sagen wir es offen, ein Muskelprotz kommt eben nicht an alle Stellen so eines Stahlteils heran, nicht wahr?“

Tobias schwante, warum man ihn hier benötigte und er schluckte. Die rhetorische Frage seines neuen Arbeitgebers nahm er einfach nicht wahr.

„Nun,“ fuhr dieser fort, und schien seine Sicherheit wiedergewonnen zu haben, „ Stahl muss auch an unzugänglichen Stellen, die auch unsere modernen Lackieranlagen nicht erreichen vor Rost geschützt werden. Und auch innen liegende Stellen muss man schweißen.“

Offensichtlich redete Dickeis sich in Rage, denn seine Fingerspitzen trommelten zu jedem Wort einmal auf der Tischkante.

„Diese Arbeit bedeutet aber auch eine hervorragende Ausbildung zum Schweißer, wie sie überall geachtet und geschätzt wird. Ein guter Schweißer,“ fistelte Dickeis und seine Stimme überschlug sich fast, „findet, wie ich immer sage, immer und überall sein Auskommen, nicht wahr?“

„Ich..“ begann Dickeis, wurde aber unterbrochen. Die Tür öffnete sich und Frau Fröhlich betrat das Büro, in der Hand ein Tablett mit Kaffee.

Hinter ihr folgte ein Mann mit blondem Haar in einem faltenfreiem beigen Seidenanzug und braunen Lackschuhen.

Sein Gesicht wies ihn unzweifelhaft als Bruder des ersten Herrn Dickeis aus, auch wenn es eleganter, weniger zerfurcht und jünger war.

„Bobby Dickeis,“ sagte er lächelnd und streckte Tobias eine seiner manikürten Hände zur Begrüßung hin. „Ich glaube,“ fuhr er fort, „mein Bruder hat Dich schon ausreichend mit seinen Ansichten zur Schwerindustrie gelangweilt, richtig?“

Auch wenn die Art in der Bobby Dickeis mit ihm sprach Tobias seltsam erleichterte, verunsicherte ihn die Frage. Er schluckte und schüttelte als Zeichen der Verneinung den Kopf.

Bobby Dickeis lachte über das ganze Gesicht und schlug Tobias auf die Schulter. „Du bist kein besonders guter Lügner!“ sagte er und wies auf die Tür.

„Machen wir eine Runde durch die Fabrik und sehen uns alles an? Ich zeige dir dann gleich deinen neuen Arbeitsplatz und befreie dich aus den Klauen meines langweiligen Bruders!

7. Kapitel

Mit einem Ruck zog die künstliche Schwerkraft Petra zu Boden. Sie ordnete ihre Kleidung, warf die Haare in den Nacken und warf einen prüfenden Blick auf ihre Spiegelung in der Glastür. Dann betrat sie ohne anzuklopfen Sonny Byrons Büro.

„Frau Rockenberg,“ säuselte der Makler und rannte ihr fast entgegen, „schön, dass sie kommen konnten.“ Er streckte ihr seine kleine Hand mit den kurzen, fetten Fingerchen entgegen.

Petra verschränkte ihre Arme, zog eine Augenbraue hoch und sah von oben auf Sonny Byron herab. „Warum nur,“ sagte sie und lächelte kalt, „glaube ich ihnen nicht, dass sie es schön finden, mich zu sehen?“

„Aber Frau Rockenberg,“ antworte der Makler und sonderte ein klebrig-süßes Lächeln ab, „warum so reserviert? Unter Geschäftspartnern darf man doch noch höflich sein, oder?“

Petra zog auch die andere Augenbraue hoch und fragte: „Raus mit der Sprache, Byron. Was genau wollen Sie von mir?“

„Nun ja,“ gab er zurück und wand sich ein wenig, „Sie haben ja ein neues Schiff und das ist ja eine große Investition, oder? Und die muss sich amortisieren, oder? Na ja, da dachte ich, ich könnte ihnen einen lukrativen Auftrag verschaffen, als kleine Starthilfe unter langjährigen Geschäftsfreunden.“

„Byron,“ antwortete Petra schroff, „weder sind sie mein Freund, noch ich der ihrige. Also was haben sie für einen Auftrag und warum verdammt fragen sie ausgerechnet mich?“

Der kleine dicke Mann schob die Unterlippe vor und trottete hinter seinen Schreibtisch. Gespielt beleidigt antwortete er: „Wenn sie nicht auf einen freundlichen Ton bedacht sind, kann ich es auch anders formulieren: Ich habe einen ausgesprochen eiligen Auftrag und sie haben das schnellste Schiff, das verfügbar ist.“

Die Kapitänin musterte ihn mit kaltem Blick. „Byron, sie haben mich zehn Jahre lang einfach ignoriert. Das ist keine besonders gute Empfehlung.“

Der Makler nestelte nervös an seiner Krawatte und murmelte: „Und sie wissen warum.“ Er warf ihr einen finsteren Blick zu.

„Ich für meinen Teil,“ gab sie zurück, „haben keinen blassen Schimmer wovon sie reden. Wenn sie meinen, daß sie mir keine Aufträge mehr geben, weil ich eine Beziehung zu einer Frau habe, dann stecken sie sich ihren Auftrag gefälligst sonst wo hin. Warum sollte ich mit Ihnen arbeiten?“

Byron hob triumphierend den Vertrag hoch und deutete mit dem Zeigefinger auf eine Stelle. „Eine Million plus Spesen und so weiter, Frau Rockenberg, bar ausgezahlt bei Lieferung!“

Petra ließ sich in einen der Sessel plumpsen und lächelte Byron an: „Unter Geschäftsfreunden werden Sie doch sicher einen Kaffee für mich haben, oder? Und dann erzählen sie mir mal ganz langsam, was für ein Auftrag das ist. Wo soll es hingehen? Um was dreht es sich? Und wie schnell muss es sein? Wir liegen schließlich noch mindestens eine Woche im Dock bis alles fertig ist.“

Sonny J. Byron lächelte gezwungen und antwortete: „Nun, niemand zahlt einfach so eine Million für einen Auftrag. Die Sache ist nicht ganz einfach. Da wäre zunächst die nicht ganz einfache Route.“

Auf Knopfdruck stellte der Projektor die Route dar. Petra Rockenberg betrachtete sie schweigend und mußte schlucken. „Da sollen wir wirklich lang? Warum denn das?“ fragte sie ungläubig.

8. Kapitel

„Heute?“ fragte Oliver seinen Bruder und hob den Kopf vom Kissen. Andreas, der außer Atem in der Tür stand, nickte.

„Heute, jetzt, ganz sicher. Und sie werden Ihn gleich anschließen. Sein Zustand ist stabil und sie wollen keine Zeit verlieren.“ Er stockte etwas und fügte hinzu: „Ich wollte auf die Brücke gehen und auf ihn warten. Kommst Du mit?“

Oliver zögerte und sagte: „Ich... ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass ich es ertragen kann, ihn so zu sehen.“ Dann drückte er das Gesicht wieder ins Kissen und murmelte: „Am besten, Du gehst einfach wieder.“

Sein Bruder dachte nicht daran zu gehen. Mit einem Ruck zog er Oliver an einem Arm hoch und sah ihm ins Gesicht: „Er fehlt Dir doch auch. Und egal in was für einem Zustand er sich befindet, er ist unser Bruder!“

Wenig später schwebten die beiden durch die Gänge der Atman und schwiegen sich an, bis Andreas das Schweigen nicht mehr ertrug.

„Jetzt hör schon auf dir leid zu tun, das ist unerträglich!“ herrschte er seinen Bruder an. „Ach? Wer spannt den hier wem den Mann aus?“ fauchte Oliver zurück.

„Ich kann ja nichts dafür,“ antwortete Andreas, „wenn du ihn den ganzen Abend anhimmelst, statt ihn einfach anzusprechen!“

„Ich weiß doch eh, dass die Männer immer dich wollen, den scharfen Andy. Andreas legt sie alle flach! Warum um Himmels Willen wollen die Männer immer dich?“

Andreas sah seinen Bruder durchdringend an: „Hör mal, wir sehen gleich aus. Die gleichen flachen Bäuche, knackigen Hintern und den gleichen...“ Er grinste anzüglich. „Es kann also nur an deiner Art liegen. Geh doch mal aus dir raus.“

„Ich bin da nicht so der Typ für.“ murmelte Oliver und ließ den Kopf hängen.

„Du bist feige!“ brummte Andreas. „Nach dem Motto: Wer es gar nicht versucht, kann auch nicht scheitern. Warum sprichst du keinen Mann an?“

„Wenn sie nein sagen?“ maulte Oliver. Andreas schüttelte den Kopf und sagte: „Glaub mir, kaum einer wird nein sagen. Und wenn, dann wissen sie nicht, was ihnen entgeht.“

„Und jetzt lächele gefälligst, wenn Vincent ankommt.“ fügte er hinzu und öffnete die Tür zur Brücke.

Im hinteren Teil der Brücke befand sich eine große kreisrunde Aussparung von etwa zwei Metern Durchmesser und Tiefe in der Wand. Oliver betrachtete sie nachdenklich. Auf der Hinterseite der Nische waren Anschlüsse angebracht. Er fuhr mit der Hand über das Metall.

„Da kommt er hinein?“ fragte er unsicher. Andreas nickte stumm. „Wird er schlimm aussehen?“ Andreas schüttelte den Kopf und versicherte: „Er sieht aus als schliefe er.“

Im selben Moment öffnete sich die Tür zu dem Schacht, durch den schwere Lasten in die Brücke und die Mannschaftsräume gebracht werden konnten.

Ein großer, hagerer Mann mit grauem Gesicht und weißem Laborkittel schwebte herein. „Kommt er hier hin?“ fragte der Mann.

Die Brüder nickten stumm und beobachteten, wie zwei Pfleger einen großen, runden Behälter in den Steuerraum schoben. Auf einer Seite hatte das Stahlgefäß eine bläulich schimmernde, leicht gewölbte Glasscheibe durch die man hinein sehen konnte.

Im Inneren schwebte in einer Flüssigkeit ein Junge, zusammengekauert in eine Art embryonaler Haltung, der den beiden Brüdern bis auf das kleinste Detail glich.

Nur war seine Haut seltsam fahl, die Haare waren abgeschoren und aus seinen Armen und seinem Kopf ragten Kabel und Schläuche. Wie Schlangen wanden sie sich um seinen Körper und verschwanden in der Wand des Behälters.

Die beiden Pfleger schoben den Behälter in die Aussparung an der Wand und mit einem leisen Klicken rastete er ein.

Der Mann im Arztkittel tippte auf einer Tastatur neben den Behälter eilig Befehle ein und kommandierte die Pfleger, die emsig um den gläsernen Sarg schwebten und hier etwas festschraubten, dort ein Knöpfchen drückten.

„Hallo?“ sagte plötzlich eine Stimme aus den Lautsprechern des Raumschiffs. „Hallo? Könnt ihr mich hören? Hallo?“ Es knackte und die Stimme wiederholte: „Sagt doch was? Hallo?“

Leise und gehaucht antworteten die Brüder: „Ja!“ Andreas fasste sich ein Herz und sagte laut: „Wir hören dich. Schön, dass du wieder bei uns bist.“ Oliver nickte, besann sich dann aber und sagte laut: „Ja, es ist schön.“

9. Kapitel

Bobby Dickeis zeigte auf einen kleinen Mann, der einen riesigen Hammer schleppte: „Den nennen wir Alberich.“ erklärte er. „Setze dich in der Pause bloß nicht neben ihn, dann fallen dir die Ohren ab. Alberich kann ohne Luft zu holen drei Stunden reden.“

Er grinste und sagte: „Ich glaube, ich bin da aber nicht viel besser. Und was ist mit Dir, Tobias? Du scheinst gar nicht zu reden?“

Der Junge lief rot an. Wußte Bobby Dickeis nichts davon? Er deutete mit einem Zeigefinger auf seine Lippen und machte mit dem anderen eine verneinende Geste.

„Ach?“ sagte Dickeis und guckte betroffen. „Du bist also stumm? Das tut mir leid, ich wollte da nicht... Das war ein ziemliches Fettnäpfchen, oder?“

Tobias schüttelte den Kopf und lächelte. Er holte ein kleines schwarzes Gerät aus der Tasche, hielt es in der rechten Hand und tippte mit dem Daumen auf einige Knöpfe.

Auf einem Display in der oberen Hälfte des Gerätes erschien die Schrift: „Nein, das konnten sie ja nicht wissen.“ Bobby Dickeis schüttelte den Kopf:

„So was Dummes. Ich hätte ja Deine Akte ausführlicher lesen können. Ich habe Deine guten Noten gesehen und dann auf den Rest nicht mehr geachtet. Zur Entschuldigung lade ich dich auf eine kalte Limonade in mein Büro ein, einverstanden?“

Tobias lächelte und nickte. Bobby Dickeis legte ihm eine Hand auf die Schulter und führte ihn zu seinem Büro.

„Darf ich fragen, warum... Also wieso... Ich meine, hören kannst Du ja. Es ist also keine Krankheit, oder?“ Tobias schüttelte den Kopf und drückte wieder die Knöpfe seines Geräts.

„Es war eine Operation.“ stand dort jetzt zu lesen. Bobby Dickeis Gesicht verfinsterte sich: „Eine Strafe? Das ist grausam. Warum denn? Wird man nicht wegen Aussageverweigerung zur Stummheit verurteilt?“

Tobias tippte: „Richtig!“ Sein Chef fragte leise: „Und gegen wen wolltest Du nicht aussagen?“ Auf dem Gerät erschien die Schrift: „Meine Eltern. Todesstrafe für Tabakschmuggel.“

Bobby Dickeis schob den Jungen in sein Büro und sagte: „Das ist grausam und barbarisch. Du musst viel durchgemacht haben. Aber Hauptsache ist, dass du dich jetzt bei uns im Betrieb wohl fühlst.“

Tobias blickte sich um. Das Büro von Bobby Dickeis unterschied sich von dem seines Bruders wie der Tag von der Nacht. Nicht nur lag es ebenerdig auf einer Höhe mit den Arbeitern, es war auch angenehmer ausgestattet.

Mit dicken Vorhängen, die Dickeis jetzt zuzog, konnte man die Fenster verhängen. In der Mitte stand ein großer brauner Schreibtisch mit einem schwarzen Chefsessel. In der Ecke war eine gemütliche Sitzecke mit dicken roten Sofas platziert.

Auf die ging Bobby Dickeis jetzt zu. Aus dem Kühlschrank daneben holte er zwei Flaschen Limonade, setzte sich auf eine Couch und deutete auf den Platz neben sich. „Komm und setz dich!“ forderte er Tobias auf.

„Wir haben da ein kleines Problem, Tobias.“ sagte Dickeis und guckte Tobias an. Der zog fragend die Augenbrauen hoch.

„Eigentlich,“ sagte der Vorgesetzte, „können wir Stumme gar nicht als Schweißer einstellen. Ich meine, wie willst Du denn rufen, wenn irgendwo was brennt oder so?“

Tobias ließ den Kopf hängen. „Aber,“ sagte Dickeis und legte dem Jungen den Arm um die Schultern, „wegen deiner schlimmen Kindheit wäre ich bereit, dir ein wenig entgegen zu kommen, wenn auch Du mir ein wenig entgegen kommst.“

Wie um zu verdeutlichen, was er meinte, fuhr er mit der anderen Hand über Tobias Brust, den flachen Bauch entlang und hielt kurz über dem Gürtel an.

„Du weißt,“ flüsterte er eindringlich, „was mit uns passiert, wenn du jemand davon erzählst? Du weißt doch, welche Strafe auf widernatürliche Handlungen steht?“

Tobias nickte matt und spürte wie Dickeis seinen Gürtel öffnete und langsam die Hand in seine Hose schob. Stück für Stück seiner Kleidung zog ihm der Mann aus.

Wie gewünscht legte sich Tobias mit dem Bauch nach unten auf die Couch, spreizte die Beine und versuchte den Schmerz zu ignorieren.

Er blickte starr auf den Stoffbezug der Couch wünschte sich erst noch, dass alles bald zu Ende sei. Bald fühlte er gar nichts mehr, ließ es einfach über sich ergehen, stumpf und ohne Regung.

Mit keuchenden Geräuschen arbeitete sich Bobby Dickeis immer schnell ab und Tobias hörte bei jedem Stoß dessen Hüften gegen seinen Hintern klatschen.

Als Dickeis fertig war zog er sich wieder an. Wie gelähmt lag Tobias auf der Couch, unfähig sich zu regen. „Komm schon,“ sagte sein Chef kalt, „ruhe dich jetzt nicht zu lange aus. Die meiste Arbeit habe ich ja gemacht. Du warst ziemlich passiv. Ich bringe dich jetzt zu Deinem Arbeitsplatz. Na los, ziehe dich an!

Nachdem Tobias seine Kleidung wieder zusammen gesammelt und angezogen hatte, folgte er seinem Chef mit schleppenden Schritten in die Fabrikhalle.

10. Kapitel

Vincent erwachte und versuchte sich zu regen. Erst nach einer Sekunde fiel ihm ein, dass sein Körper sich nicht bewegen konnte. Der Körper war klinisch gesehen tot, oder so gut wie tot.

Nur sein Gehirn lebte, arbeitete und war über hunderte kleine Drähte an einen Computer angeschlossen. Es wurde versorgt von kleinsten Schläuchen die sich durch den Schädelknochen bohrten und seine grauen Zellen am Leben hielten.

Seine Muskeln und Sehnen gehorchten ihm nicht mehr als seien sie ein fremdes Stück Materie. Die Impulse seines Gehirns lenkten einen Computer, steuerten ein Raumschiff, kontrollierten Kameras, Lautsprecher und Mikrophone in seinem Inneren.

Er war das Gehirn der Atman, die ewige Seele des Schiffs. Sie war sein Körper, seine Möglichkeit die Außenwelt zu erreichen und zu beeinflussen.

Er schaltete die Kameras ein und betrachtete Raum für Raum. Die Kabinen und Gänge waren leer, aber auf der Brücke wurde er fündig.

Schweigend betrachtete er die Crew, seine Mütter, den Mechaniker Karl, der ihm in den Jahren ein väterlicher Freund geworden war, seine große Schwester und seine zwei Drillingsbrüder.

Sie redeten miteinander. Er schaltete die Mikrophone im Raum ein und horchte stumm, was sie zu sagen hatten.

Ein elektrischer Impuls lief durch die feinen Drähte in sein Hörzentrum und entlud sich als leises Knacken. Dann formten sich Höreindrücke, Worte und schließlich ganze Sätze.

„Mein kleiner Schatz!“ hörte er die Stimme von Petra. Die Kamera lieferte Bilder von ihr und Maria in sein Gehirn, wie sie eng umschlungen vor seinem Behälter schwebten, eine Hand jeweils auf das Glas gelegt.

Aus seinem Gehirn transportierten die feinen Metalldrähte Impulse, die der Computer umrechnete und als hörbare Worte aus den Lautsprechern ausgab: „Mamas? Könnte ihr mich hören?“

Er ließ die Kamera die Gesichter näher zeigen und sah, wie sich über die Wangen der beiden Frauen feuchte Linien bildeten. Er nahm Petras belegte Stimme wahr, die sagte: „Ich kann Dich hören, Baby. Endlich bist Du...“ Und Maria setzte ein: „Endlich bist Du wieder bei uns!“

„Wir holen Dich da raus! Sobald es eine Heilung gibt, holen wir dich da raus!“ drang Marias Stimme zu ihm. „Ich bin doch hier bei euch.“ antwortete der Lautsprecher für ihn. „Ich bin hier, auch wenn mein Körper in dieser Dose da liegt.“

„Und das ist wichtig.“ hörte er über die im Raum installierten Mikrofone Petra sagen.

„Vincent,“ drangen die Stimmen seiner beiden Drillingsbrüder zu ihm durch, „kannst Du jetzt wirklich dieses Schiff steuern und alles sehen und hören?“

Zu seinem Erstaunen wurde seine Belustigung in den Lautsprechern als rundes, heiteres Lachen hörbar. „Ja,“ lachte er elektronisch, „ich kann alles sehn. Aber wenn ihr auf euren Kabinen etwas machen wollt, wobei ihr keine Zeugen wollt, könnt ihr mit dem kleinen Knopf neben der Tür Kamera und Mikro ausstellen.“

Über die Infrarotkamera in der einen Wand der Brücke konnte er feststellen wie seinen Brüdern das Blut in den Kopf schoß.

Er verspürte Zufriedenheit. Sein Körper war nicht da, er konnte sie nicht umarmen. Aber nach den Monaten in der Finsternis des Komas konnte er wieder mit ihnen sprechen. Eines Tages, da war er sicher, würde er sie auch wieder in seine Arme schließen können.

„Machen wir einen Testflug?“ fragte er und sah, dass alle nickten und auf ihre Plätze eilten. Seine Brüder hielten den Funkkontakt mit dem Tower und baten um Starterlaubnis, seine Schwester legte den Kurs fest, Mama Petra gab das Startmanöver, Karl gab die Maschinen frei und er zündete die Triebwerke.

Schwerelos und mit unglaublicher Geschwindigkeit nahm sein neuer stählerner Körper Kurs auf den Mond. Er jauchzte durch die Lautsprecher als die Beschleunigung seine Sensoren traf und die Atman durch das All schoß.

11. Kapitel

Simon Berliner kannte, körperlich gesehen, keine Schmerzen. Als das Gericht die Elektroden an ihn anschloß und seine Nerven unentwegt Schmerz feuerten, war irgendwann der Punkt erreicht gewesen, an dem die Synapsen den Dienst versagten.

Sie hatten ihn weiter „behandelt“ und ihn fast angefleht er solle sie „nicht zu stärkeren Maßnahmen zwingen“. Er solle sich endlich zu Gott und der einzigen Kirche bekennen, hatte der anwesende Kardinal gebeten.

Irgendwann aber waren die seelischen Schmerzen zu groß gewesen. Er hatte genickt und unterschrieben. Seitdem wurden die Schmerzen nicht besser.

Er hatte die Schläfenlocken abgeschnitten, den siebenarmigen Leuchter mit dem Achtarmigen Kreuz getauscht und den „einzig wahren Glauben“ angenommen. Die Gnade Gottes, so sagte der Kardinal, sei ihm nun gewiss.

Aber vor seinem eigenen Gewissen fand Simon Berliner keine Gnade mehr. Schlaflos hatte er sich durch die Nächte gerollt und an seinen schwachen Moment gedacht. In seinen Träumen spukten die Bilder seines alten Lebens.

Simon Berliner, der große Ingenieur mit dem großen Preis der Kammer vor den Medien. Simon Berliner mit Familie und mit Geschäftsfreunden.

Dann kamen die anderen Bilder: Simon in Ketten, Simon in Not und Simon vor Gericht.

Schließlich tauchten die letzten Bilder auf. Wie er mit Berufsverbot da stand. Wie man ihn „aus Gnade“ Schweißer werden ließ und wie die gehässigen Kollegen auf ihn herab sahen und ihn wegen seiner Größe Alberich tauften.

Alberich, wie der böse zwergische Schmied in Wagners Ring. Alberich der Verräter, der Sonderling, der kleine Bösewicht.

Jeden Tag entzündete er sein Schweißgerät und ließ aus Stahl Dinge entstehen, die Ingenieure mit makellosem Lebenslauf entworfen hatten. Sein Körper war noch immer taub. Schwarz verkrustete Stellen verunzierten seine Arme.

Wenn er sich verbrannte, warnte sein Körper ihn nicht mehr. Sogar sein Gefühl ließ ihn im Stich. Er merkte es erst, wenn ihm der Geruch seines verbrannten Fleischs in die Nase stach.

All das, seine eigene Geschichte, seine Unzulänglichkeit, ging Alberich durch den Kopf, als er an einem Dienstag um kurz vor fünf Uhr morgens das Wasser der Dusche aufdrehte und sich einseifte.

Kurz hielt er das Gesicht, den einzigen Teil seines Körpers in dem er noch etwas spürte, in das warme Wasser. Dann seifte er sich ein und blickte stumm den verunstalteten kleinen Körper an, der zu ihm gehörte.

Es war eine unansehnliche Ansammlung von Narben über die seine Hand die Seife rieb. Der Körper kannte keine Schmerzen, seine Seele schon. Eben war ein neuer Schmerz dazu gekommen. Nackt war er in den Duschraum getreten, hatte sein Tuch an den Haken gehängt und sich umgedreht.

Unter der Dusche stand der neue Auszubildende. Ein Junge von etwa sechzehn Jahren, ein sehniger Körper mit schlanken Flanken und einem runden, schön geformten Hintern. Er wirkte blaß, zerbrechlich, fast als sei er aus Porzellan.

Die schwarzen, kurzen Haare standen ihm wirr vom Kopf am. Die eleganten langen Finger glitten sanft über die weiche Haut.

Es war keine sexuelle Erregung, die ihn trieb den Jungen anzusehen, sondern das Mitleid mit diesem schönen jungen Menschen, auf dessen Armen sich die ersten Schrammen der Arbeit zeigten.

Mit verhangenem Blick dachte er darüber nach, wie der Junge nach zwei oder auch nur einem Jahr Arbeit aussehen würde. Wie sich das Kainsmal der Arbeit und der Armut in seine Haut brennen würde.

Dann drehte sich der Junge um, sah Alberich an, schien zu würgen und verließ stumm und hastig den Duschraum.

Vom jungen hübschen Aufsteiger war er zu einem häßlichen alten Krüppel geworden, bei dessen Anblick einem schlecht wurde, dachte Alberich.

Er trocknete sich ab und ging zu seinem Schlafsaal um sich anzukleiden.

Nach dem Frühstück, schlich er mit unbewegter Miene an die Arbeit. Starr, automatisch verrichtete er seine Aufgaben.

Als die Klingel schrill die Mittagspause einläutete, stellte Alberich seinen Schweißbrenner aus, ordnete die Dinge an seinem Arbeitsplatz und wischte mit einem Lappen alles blank.

In der Kantine wartete ein brauner, streng riechender Schlamm auf ihn, der laut Aushang ein „Goulasch wie vom Rind“ darstellen sollte.

„Wie vom Rind“ bedeutete, dass die grauen Brocken minimale Ähnlichkeiten mit Rindfleisch hatten, aber mit viel Glück wenigsten aus Soja waren. Wenn man kein Glück hatte, waren sie aus irgendeinem anderen Eiweiß hergestellt.

Alberich bemühte sich nicht an die Möglichkeiten anderer Eiweißquellen zu denken und ging mit seinem Tablett zu einem Tisch.

Er hob den Kopf um den ersten Bissen zu essen, als er registrierte wem er da gegenüber saß. Es war der Junge aus der Dusche, dem bei seinem Anblick schlecht geworden war.

Der Kleine nahm ein kleines Gerät aus der Tasche, tippte auf einige Knöpfe und hielt es ihm vor die Nase. Auf einem kleinen Bildschirm laß Alberich die Schrift: „Was willst Du von mir?“

Mit großen Augen blickte der alte Mann den Jungen an. „Nichts.“ sagte er. „Ich will nichts.“

Der Junge tippte wieder auf das Gerät und zeigte ihm eine andere Schrift: „Du kannst das einschleimen sein lassen und mich gleich zum ficken zwingen.“

„Was?“ fragte Alberich überrascht und ließ die Gabel sinken. „Wer sagt denn, dass ich so was will? Erstens ist das verboten und zweitens stehe ich nicht auf so etwas.“

Der Junge tippte nun: „Was willst Du denn sonst?“

„Ich will wissen,“ fragte der Alte mit leiser Stimme, „wie man auf solche Gedanken kommt?“ Der Kleine tippte: „Weil du mich so angestarrt hast.“

„Ich habe dich noch nie hier gesehen,“ erklärte Alberich, „und ich... Ach, Kacke! Ja, ich hatte Mitleid, weil Du hier in diesem beschissenen Laden gelandet bist in deinem Alter.“ Der Junge machte große Augen.

„Außerdem,“ fuhr der Alte fort, „will ich noch immer wissen, wie du auf den komischen Gedanken eben gekommen bist. Hat das schon wer von Dir gefordert?“ Der Junge senkte die Augen.

Alberichs Stimme zitterte als er fragte: „Wer?“ Der kleine blieb stumm. „Wer? Sage mir den Namen!“ forderte er mich Nachdruck in der Stimme. Sein Gegenüber schaute auf den Boden und schüttelte den Kopf.

Das war alles, was Alberich wissen mußte. „Bobby Dickeis?“ flüsterte er. „War er es?“ Ein schwaches Nicken war die Antwort.

12. Kapitel

„Himmel und Hölle,“ jubelte Petra, „das geht ja unglaublich ab! Uns holt keiner ein.“ Sie blickte auf den Bildschirm und sah zu wie sie einen der schnellen Gleiter der irdischen Sicherheitskräfte überholten.

„Damit,“ sagte sie zufrieden, „hängen wir nicht nur die Polizei, sondern auch die Konkurrenten ab.“ Dabei fiel ihr etwas ein.

„Wir hätten auch schon einen Auftrag, wenn ihr damit einverstanden seid. Auf der ganzen Brücke herrschte eine Sekunde gespannte Stille.

Dann durchbrach aus den Lautsprechern Vincents Stimme die Stille: „Nun erzähl schon. Was für ein Auftrag? Wohin soll es gehen?“

„Es geht, wenn ihr einverstanden seid, nach,“ sagte sie mit verschwörerischer Stimme und legte eine kurze dramatische Pause ein, „Frontier 13!“

Große Augen blickten die Kapitänin an und immer wieder murmelte wer: „Frontier 13?“ Sie nickte und meinte:

„Ja, die Station Frontier 13, Heimat der Sünde, der verruchteste Ort in der ganzen verdammten Galaxie. Der einzige verfluchte Ort zwischen den Planeten, wo selbst wir noch als normal gelten.“

Sie lächelte still in sich hinein. Bisher hatte sie mit dieser Besatzung noch nie den Weg dorthin gefunden.

Frontier 13 war das gelobte Land der Sonderlinge und unterhielt nur selten Geschäftsbeziehungen mit der stockkonservativen Erde.

Nach einer kurzen Sekunde absoluter Stille brach Jubel aus. Petra wusste, dass nun der richtige Augenblick gekommen war, um den kleinen Pferdefuß den die Sache hatte, anzumerken.

Natürlich mußte auch der gut verpackt daher kommen:

„Es ist übrigens auch ein spannender Auftrag. In einer Woche bekommen wir die Ladung. Bis dahin habt ihr alle Urlaub. Und dann haben wir zwei Monate Zeit den Kram abzuliefern.“

„Zwei Monate?“ fragte Sandra, die Navigatorin. „Das ist aber viel zu kurz! Da müßten wir ja...“ Sie gab etwas in ihre Geräte ein, blickte auf die Anzeige und fuhr fort:

„Wir müssen durch ein oder zwei unbekannte Wolken fliegen. Keine Ahnung, was sich da an bösen Überraschungen versteckt. Und obendrein müssen wir noch durch das Gebiet der Menschenfresser. Ich werde nicht gerne von diesen Wilden überfallen.“

„Ich schon!“ dröhnte Maria. „Laß sie uns überfallen und ich brenne ihnen ein Andenken ins Fell!“

Sie klopfte mit der Flachen Hand auf das Pult von dem aus sie die Verteidigungsanlagen der Atman kontrollierte.

„Ich knalle sie alle ab und wir verdienen uns was mit den Kopfgeldern dazu!“ Sie grinste breit.

„Maria,“ warf Olli ein, „ich zweifele nicht an deiner Schießerei, aber wenn es zu viele sind? Ich meine, das kann schwer ins Auge gehen.“

Maria zog die Schultern zurück und strafte die sehnigen Arme: „Ich kann sehr wohl einschätzen, was ich und diese verfluchten Kanonen hier können. Und außerdem,“ zischte sie und senkte die Stimme, „will ich nach Frontier zurück. Du warst noch nie da, aber ich. Und ich will noch mal dahin.“

Sie blickte Olli an und fügte hinzu:

„Deine wildesten Träume, die schönsten Männer, der größte Spaß in deinem Leben! Denk daran. Und jetzt sage mir, ob sich das bißchen Risiko lohnt?“

Petra lächelte und unterbrach das Gespräch: „Olli, Sandra, ihr habt nicht ganz unrecht. Es ist wirklich nicht ganz ungefährlich. Aber Maria hat auch recht, Frontier 13 ist einfach der beste Ort der Galaxie.“

„Und von der einen Million plus Spesen,“ sie hüstelte kurz um die Summe wirken zu lassen, „könnten wir uns jeder, sagen wir, ein paar Tausender genehmigen, um einen drauf zu machen.“

Die Stimmung kippte und die Skepsis in den Gesichtern wich zögerlicher Zustimmung. „Ach,“ fügte sie hinzu, „Frontier 13 ist für seine medizinischen Forschungen berühmt.“ Sie warf einen Seitenblick auf den Glassarg, in dem ihr Sohn schwamm.

Mit Siegermiene fragte sie: „Wer ist dagegen?“ Aus den Lautsprechern klang ein bestimmtes: „Ich!“ Alle Augen richteten sich auf den leblosen Körper von Vincent. Erstaunt blickte ihn die Crew an.

„War nur ein Scherz. Auf nach Frontier 13!“ setzte der Pilot der Atman nach. Durch die Brücke klang Jubel und Karl fügte Grinsend hinzu: „Und lasst uns den Menschenfressern mit der Kanone den Scheitel neu ziehen!“

Zwei Minuten später flackerte auf dem Schreibtisch von Sonny J. Byron ein rotes Lämpchen nervös auf. Byron tippte mit einer raschen Bewegung auf den Knopf, mit dem er seinem OnCom-Gerät befahl den eingehenden Anruf anzunehmen.

Der Irisprojektor bildete auf seiner Netzhaut ein Abbild der Brücke der Atman und er hörte durch die Boxen Petra sagen: „Byron? Machen sie die Papiere fertig, wir nehmen den Auftrag an.“

Byron sonderte einige Höflichkeiten ab und beendete die Verbindung. Er drückte eine Schnellwahltaste und wartete bis das rote Licht signalisierte, dass sein Anruf angenommen wurde.

„Gelobt sei der einzige Gott!“ hauchte er als Grußformel und eine hohe, fistelnde Stimme antwortete: „Gelobt sei der einzige Gott und seine einzige Kirche!“

„Eure Heiligkeit,“ fuhr Byron fort, „ich habe den Auftrag wie gewünscht an die Sünderin vermittelt. Wenn ihr weitere Wünsche habt, so zögert nicht euren treuen Diener zu beauftragen.“

„Gut gemacht!“ lobte die Fistelstimme. „Der Ablass für Deine grauenvolle Sünde ist Dir gewährt mein Sohn.“

Nach dem Gespräch, das aus einigen weiteren belanglosen Formeln der Höflichkeit bestand, tippte Byron beruhigt auf die Taste „Verbindung beenden“.

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und blickte auf die Nachrichtenausgabe, aus der sich langsam ein Papierstück mit amtlichem Siegel der Kirche schob. Er nahm es in die Hand und blickte auf die Überschrift: „Ablass“

Mit zufriedener Miene legte er es in eine Schublade und ging zum Abendessen.

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