zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Love Me Tender

Teil 4

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

 

And now the end is near...

Einen Tag später spricht die ganze Schule über diese eine Sache: Lila und Schoko auf’m Klo! Ich soll ihm einen runtergeholt haben. Oder er mir. Einige behaupten, wir hätten es getrieben, andere wissen, dass Lila mich fürs Blasen bezahlt hat. Das dämliche Gerede nervt gewaltig und egal, wo ich heute auftauche, es wird hinter meinem Rücken getuschelt und gekichert. Ein paar Jungs machen obszöne Gesten, außerdem höre ich mehrmals Wörter wie Schwuchtel und Schwanzlutscher. Fabi ist der Einzige, der sich traut, mich direkt zu fragen.

„Also... habt ihr nun oder nicht?“

„Das geht nur mich was an“, erkläre ich.

„Was ist überhaupt los mit euch?“

„Gar nichts.“

„Klingt überzeugend“, nickt er.

„Wenn ich Lust hab, mit dir darüber zu reden, lass ich es dich schon wissen.“

„Okay, entschuldige, dass ich es gewagt habe, dich anzusprechen“, entgegnet er und gesellt sich zu seinen bescheuerten Freunden.

„War es das, was du wolltest? Die ganze verdammte Schule zerreißt sich das Maul über uns.“

„Na und?“, zucke ich die Schultern. „Du stehst doch gerne im Mittelpunkt, was stört dich jetzt daran?“

„Du brauchst echt Hilfe“, zischt Lila.

„Und was du gebraucht hast, haben wir gestern gesehen.“

„Fick dich, Schoko“, faucht er, schiebt den Riemen seiner Tasche über die Schulter und stampft wütend an einigen Jungs vorbei, die pfeifen und gröhlen.

„Haltet eure beschissenen Fressen... Idiotenpack“, schreit er.

„Ey, Süßer... willst du’s mir nicht auch besorgen?“, krakeelt einer und fasst sich in den Schritt, worauf alle anderen lachen.

Lila bleibt kurz stehen. „Erstens will ich mir keine Filzläuse holen, zweitens wird mir übel, wenn ich deine Visage sehe und drittens... du stinkst.“

Dass Lila nicht ständig aufs Maul bekommt ist echt ein Wunder.

Zum Glück sind jetzt Herbstferien. Wahrscheinlich wird sich danach keiner mehr an die Klo-Schlagzeile erinnern. Ich hab zwei Wochen Lila-frei – wie ich das aushalten soll, ist mir schleierhaft. Es war schon ätzend, ihn jeden Tag sehen zu müssen, aber ihn gar nicht mehr zu sehen, nicht zu wissen, was er treibt, macht mich verrückt. Ich könnte ins Sputnik gehen und hoffen, dass er da ist. Ich könnte auch langsam mal was dagegen unternehmen, dass der Blödmann so mein Leben bestimmt. Vielleicht muss man manche Dinge einfach hinnehmen.

Wir sind keine Freunde mehr, das ist schrecklich, aber eben nicht zu ändern. Ich meine, wie soll das denn weitergehen? Soll ich mit Dreißig immer noch davon träumen, dass er mich liebt? Mein Blick fällt auf Lilas Ringelshirt... das ist sicher ein Zeichen. Ich stopfe es zusammen mit zwei DVDs vom King in eine Plastiktüte und beschließe spontan, dass heute der Tag ist, an dem ich mich endgültig von Lila trenne und er seine Sachen zurück bekommt. Denn wenn man noch Sachen von jemandem hat, ist das wie ein Hintertürchen, das man sich offen hält, weil man nicht loslassen will, obwohl es gesünder für einen wäre. Und vernünftiger. Und überhaupt. Zum Abschluss werde ich ihm noch mal kräftig meine Meinung sagen. Dass er emotional gestört ist und mir das Herz gebrochen hat. Dass ein Kotzbrocken wie er meine Liebe gar nicht verdient... Blödsinn, ich werde ihm sagen, dass ich mit Fidel viel mehr Spaß im Bett hatte. Das wird ihn nämlich eher treffen als irgendein Liebesgefasel. Und wenn er es wagt, den Mund aufzumachen, trete ich ihm in die Eier!

Vor seiner Zimmertür hole ich noch mal tief Luft, sammele mich kurz und gehe ohne anzuklopfen rein. Lila ist gerade dabei, sich anzuziehen. Er muss wohl geduscht haben, denn seine Haare sind nass.

„Ach du Scheiße...,“ stöhnt er und verdreht die Augen, „was willst’n du hier?“

Ich... fuck... ich hab’s vergessen.

Er wirft sich sein Elvis-Shirt über und starrt mich finster an. „Ich hab dich was gefragt.“

Die Plastiktüte in meiner Hand wiegt mindestens eine Tonne, sie fällt dumpf auf den Boden.

„Was zum Teufel willst du hier?“, schreit er mir ins Gesicht.

Ich mache einen Schritt auf Lila zu und... schmiege mich an ihn. Meine Wange streift seinen Kiefer, meine Lippen berühren sein Ohrläppchen. Er schnauft angestrengt und ich rechne damit, dass er mich wegstößt, aber dann umarmt er mich langsam. Irgendwie schaffen wir es, dass sich unsere Lippen berühren und mein Verstand setzt völlig aus. Es ist einfach so unglaublich schön, ihn zu küssen. Mann, wie hab ich das vermisst.

„Schoko...“, murmelt er, doch ich lege ihm meinen Zeigefinger auf den Mund.

Wahrscheinlich zum ersten Mal in meinem Leben hab ich keine Lust, mit Lila zu reden. Das würde uns viel zu schnell in die Realität zurückholen. Ich schlafe lieber mit ihm und denke nicht weiter nach... wobei mir auffällt, dass ich eigentlich sowieso niemals nachdenke, wenn ich mit Lila Sex habe. Das kommt ja erst immer hinterher und heute ist leider keine Ausnahme. Allerdings macht er den Anfang und das ist eine sehr große Ausnahme.

„Sex war nie unser Problem... also, ich meine, Sex ist natürlich irgendwie total unser Hauptproblem, aber du weißt schon, was ich meine...“, faselt er etwas hilflos.

In der Tat, weiß ich das. Und ich finde, seinen Versuch, etwas Sinnvolles zu sagen, muss man anerkennen. Da er nicht gelernt hat, Konflikte zu besprechen, war das eben schon ziemlich bemerkenswert.

„Es ist ekelhaft, mit dir zu streiten und... na ja, ich... ähem... du fehlst mir.“

Wow, ich bin beeindruckt. „Was genau fehlt dir denn? Sex oder Freundschaft?“

„Beides.“

„Leider funktioniert beides nicht. Wir wollen einfach unterschiedliche Dinge. Das ist unser Problem“, stelle ich fest.

„Soll heißen?“

„Keine Ahnung. Warum muss ich immer eine Lösung finden?“

„Weil du mit meiner nicht einverstanden bist.“

Ich befreie mich aus seinen Armen und schlüpfe in meine Klamotten. Er zieht sich ebenfalls wieder an. „Deine Lösung sieht so aus, dass du vögeln darfst, wenn du willst, ich aber nicht. Klingt nicht besonders fair, oder?“

„Du bist doch angeblich verliebt in mich... warum willst du dann mit anderen Typen vögeln?“

„Du machst es dir ein bisschen zu leicht, Lila.“

„Und du machst alles kompliziert. Okay, also von mir aus kannst du mit irgendwelchen Mädels schlafen“, grinst er. „Gleiches Recht für alle.“

Ob der mich provozieren will, damit ich einen Anfall kriege?! Fassungslos setze ich mich auf die Fensterbank und rauche eine Zigarette, um runter zu kommen.

„Du solltest dir diese Angewohnheit schnell wieder abgewöhnen, Schoko. Rauchen ist ungesund.“

„Deine Einstellung ist für mich ungesund. Ich hab mal einen Film gesehen, da hat die Frau zu ihrem Kerl was gesagt, wo ich erst dachte, dass es schwülstiger kaum geht, aber jetzt verstehe ich das total.“

Lila zieht gespannt eine Braue hoch. „Aha?“

„Ja, sie sagte... wenn ich dich ansehe, möchte ich weinen, weil ich so müde bin. Müde, dich zu lieben.“

„Das war bestimmt ein französischer Film. Da sagen die immer so einen pseudo-bedeutungsvollen Schwachsinn.“

Ich möchte nicht nur heulen, ich möchte grad laut aufschreien! Und ich bin tatsächlich müde. Und ich hab es so verflucht satt. Matt erhebe ich mich. „Ich gehe nach Hause. Da in der Tüte sind deine Sachen. Die wollte ich dir bloß vorbeibringen.“

„Warte mal...,“ er hält mich an der Tür fest, „wie soll ich das denn jetzt verstehen? War das so’ne Art Abschiedsfick, oder was?“

Ich zucke die Schultern.

„Ey, das ist ja wohl total beschissen. Ich dachte...“

„Was?“

Er beißt sich auf die Lippe. „Na ja, dass wir aufhören zu streiten und wieder Freunde sind.“

„Hast du überhaupt etwas von dem verstanden, was ich dir gesagt habe?“, schüttele ich den Kopf.

„Ich bin nicht vollkommen verblödet.“

„Sei mir nicht böse, aber ich hab da starke Zweifel.“

„Fein, tun wir weiter so als würden wir uns hassen und wenn du Bock hast, bläst du mir einen auf’m Schulklo. Toller Plan.“

„Du weißt ja nicht mal, warum ich das getan habe.“

„Na, weil du scharf drauf warst.“

„Genau, Lila, ganz genau deshalb“, bestätige ich und tätschele ihm die Wange.

„Und weil du mir zeigen wolltest, wie abgewichst du sein kannst“, lächelt er. „Schoko, ich bin nicht bescheuert. Hör mal, dass du mir fehlst war ernst gemeint und wenn ich echt zwischen Sex und Freundschaft wählen muss, dann ist mir Freundschaft wichtiger. Das hab ich dir von Anfang an gesagt. Du warst immer derjenige, der Sex wollte, oder? Also wenn du es schaffen könntest, deinen Trieb unter Kontrolle zu halten...“

Es ist erstaunlich, jedesmal wenn ich glaube, dass er auf dem Gipfel der Unverschämtheit angelangt ist, klettert er doch noch eine Stufe höher. Genauso erstaunlich ist es, dass ich trotzdem noch so doll verliebt bin.

„Ich muss nachdenken. Wir sehen uns, Lila.“

„Wann?“

„Spätestens wenn du Stress mit deinem Stiefvater hast und bei mir pennen willst.“


„So, und nun habt ihr also wieder beschlossen, Freunde zu sein“, stellt Fidel fest und knabbert delikat an einem Halloween-Keks. „Wie willst’n das aushalten?“

„Wir haben gar nichts beschlossen. Ich weiß auch nicht, wie das jetzt laufen soll.“

„Meine Güte, was hat der Typ bloß, dass du ihm dermaßen hörig bist?“

„Du hast ja wohl auch monatelang versucht, ihn rumzukriegen.“

„Stimmt“, nickt er, „aber ich war nie in ihn verliebt. Zum Glück, sonst wäre ich genauso ein Wrack wie du.“

„Vielen Dank.“

„Du hoffst immer noch, dass er sich eines Tages für dich entscheidet, mh?“

„Bemitleidenswert, nicht wahr“, lächele ich.

„Sex unter Freunden ist keine schlechte Sache... wenn man nicht den Fehler macht, sich zu verlieben.“

„Der Schlaumeierspruch des Tages“, bemerke ich. „Dafür hast du dir einen Keks verdient.“

Er zuckt die Schultern und steckt sich einen dunklen Gespensterkeks in den Mund. „Mir fällt so langsam auch nichts Sinnvolles mehr ein. Und irgendwie geht mir der Typ auf den Sack. Ich meine, da hat er die unglaubliche Chance, mit dir zusammen zu sein... und er greift nicht sofort zu. Ich an seiner Stelle würde dich festhalten und nie wieder loslassen.“

„Das war jetzt aber nicht der Versuch, mir deine Liebe zu gestehen, oder?“, frage ich ein wenig unbehaglich.

„Dann wäre das Chaos perfekt, was?“, lacht er. „Nee, ich weiß schon genau, wie wir zueinander stehen und das ist vollkommen in Ordnung. Schließlich wollte ich dich bloß mal vögeln.“

„Ich hab aber dich gevögelt“, grinse ich.

„Meine Oma würde sagen... das ist gehopst wie gesprungen. Aber hast schon Recht, ich hab nicht das bekommen, was ich wollte.“

„Wer bekommt schon das, was er will?“

„Offensichtlich momentan keiner von uns. Dafür hab ich ein Veilchen gekriegt, ist doch auch schon was.“

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass er dir aufs Auge gehauen hat.“

„Fühl dich geschmeichelt. War ja deinetwegen.“

„Aber nicht, weil er mich liebt, sondern weil du mit seinem Spielzeug gespielt hast.“

Fidel hält sein Rotweinglas gegen das Kerzenlicht und starrt in die glitzernde Flüssigkeit. „Ich fürchte, er wird erst begreifen, wenn es längst zu spät ist. Dann habt ihr leider beide nichts mehr davon.“

„Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, irgendwann nicht mehr in ihn verliebt zu sein“, seufze ich. „Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Lila irgendwann mal irgendwas begreift. Übrigens ist es nicht gut, ein einzelnes, einsames Meerschwein zu halten“, wechsele ich das Thema. „Ihr solltet dem armen Vieh ein Mädchen kaufen.“

„Ach ja? Und wieso keinen Jungen, mh?“

„Jungs sind geisteskrank.“

„Dafür werden Mädchen gerne mal schwanger“, gibt er zu bedenken.

„Dann nennt die Meersau Ella“, lächele ich horrorartig.

Als ich spät abends nach Hause komme, lungert der kleine Kotzbrocken vor der Tür herum.

„Ich warte schon seit Stunden auf dich“, begrüßt er mich vorwurfsvoll.

„Entschuldige, vielmals. Waren wir verabredet, oder so’n Scheiß?“

Wir gehen in mein Zimmer, wo er sich gleich vor die Heizung stellt und tut, als wäre er halb erfroren. Alte Zimperliese!

„Wo bist’n gewesen?“, fragt er und pustet sich in die Hände.

„Fidel.“

Sein Gesicht verfinstert sich augenblicklich. „Bumst er dich jetzt regelmäßig?“

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“

„Wir sind Freunde, schon vergessen? Ich mache mir eben Sorgen“, behauptet er.

„Wie du meinst. Wolltest du etwas Bestimmtes?“

„Bei dir pennen. Der Stiefvater nervt.“

Ich krame in meiner Tasche und werfe ihm den Schlüssel fürs Gartenhaus zu. „Kennst ja den Weg. Gute Nacht, Lila.“

Einen Moment lang stiert er mich ziemlich fassungslos an. „Nacht“, murmelt er schließlich und schlurft hinaus.

Der hat doch wohl nicht gedacht, dass ich ihn unter all diesen Umständen in meinem Bett schlafen lasse. Selbst wenn ich wollte... es ginge gar nicht. Schwierig genug, in seiner Nähe zu sein, mit dem Wissen, dass er mich nicht so liebt, wie ich es mir wünsche. Ein bisschen muss man ja auch aufpassen, das man sich nicht völlig kaputt macht. Und ich muss mich ungefähr die gesamte Nacht über zwingen, nicht ins Gartenhaus zu gehen. Oh, Mann!!


Ich habe das Gefühl, mich in einem Paralleluniversum zu befinden. Oder vielleicht auch nicht. Lila benimmt sich relativ normal... für Lila. Ich hätte nur nicht gedacht, dass er das nach allem, was zwischen uns passiert ist, so durchziehen würde... könnte. Es ist tatsächlich so, als hätten die letzten Monate überhaupt nicht stattgefunden. Es ist ihm nicht unangenehm, sich schlaftechnisch bei mir aufzudrängen, und er ist auch so frei, sich an mich zu kuscheln. Dass ich dabei tausend Tode sterbe, merkt er nicht. Oder es belastet ihn nicht weiter. Hab ihn natürlich zwischenzeitlich doch mal in meinem Bett pennen lassen, um zu überprüfen, was ich empfinde. Und weil er so genervt hat. Jedenfalls war die Nacht absoluter Horror. Wenn der Typ, denn du haben willst wie sau, sich an deinen Körper schmiegt, du aber ganz genau weißt, dass er sich an jeden Körper schmiegt, der ihm gefällt, und du total nichts Besonders für ihn bist... das ist echt hart! Lila schläft jetzt wieder im Gartenhaus. Und Lila schläft auch wieder mit Mädchen. Auf der Halloweenparty im Sputnik ist er mit einer gehörnten Rothaarigen, die sich für Asmodina höchst persönlich hielt, abgehauen. Ich hoffte, sie würde ihm mit ihren Hörnen das Herz durchbohren, bis mir einfiel, dass Lila kein Herz hat, deshalb heulte ich mich die Nacht über bei Fidel aus. Ich rechne es ihm hoch an, dass er meinetwegen ein ausgesprochen hübsches Date sausen ließ. Das ist der Unterschied zwischen ihm und Lila. Die beiden sind sich zwar ziemlich ähnlich (deswegen verabscheuen sie sich auch so), aber Fidel denkt, im Gegensatz zu Lila, halt nicht immer bloß an sich.

Einen Tag vor Halloween ist Lila achtzehn geworden. Seinen Geburtstag verbringt er seit Jahren gleich: erst geht er mit Mama auf den Friedhof, danach essen und anschließend hängt er bei mir rum und zieht sich Sahnetorte rein, die meine Mutter für ihn gebacken hat. Einen Tag später geht er feiern, was sich ganz gut trifft, denn an Halloween gibt’s ja eh immer ’ne Party im Sputnik. Übrigens bekam er als Geschenk vom Stiefvater das Geld für’n Führerschein. Das ist auch so’ne Sache... der Typ ist streng, keine Frage, und vielleicht auch manchmal SEHR streng, aber andererseits bekommt Lila alles in den Hintern gesteckt. Geld für Klamotten ohne Ende, immer das neueste und beste Handy, einen super Computer... ich nehme an, der Stiefpapa verdient ziemlich gut. Als meine alte Gurke den Geist aufgab, hab ich keinen neuen Computer bekommen, sondern Lila hat mir seinen ausrangierten geschenkt, was ungefähr aufs selbe raus kam. Meine Eltern sind nicht besonders reich, was mich allerdings wenig stört. Ich meine... ich krieg genug zu essen, hab ein eigenes Zimmer, muss nicht in dreckigen Lumpen rumlaufen und mit meinem Taschengeld komme ich auch hin.

Lila sagt immer, der Scheißer wolle ihn kaufen, damit er die Fresse hält, aber den Gefallen tue er ihm nicht. Trotzdem nimmt er Geld und Geschenke an. Das finde ich persönlich verlogen und heuchlerisch. Ich würde ja auch kein Geld von, sagen wir mal, Hitler annehmen. Okay, ein blöder Vergleich, aber ist doch klar, was ich damit meine, oder? Wenn er seinen Stiefvater hasst, dann bitte konsequent. Vielleicht ist der Kerl bloß so streng, weil er sich nicht anders zu helfen weiß. Lila kann wirklich extrem ekelhaft, ätzend und ausfallend werden. Wäre ich der Stiefvater, hätte ich den kleinen Kotzbrocken bestimmt schon längst ins Heim gesteckt. Auf der anderen Seite könnte Lila unheimlich liebevoll, süß und rührend sein, wenn er sich mal trauen, oder das nicht als schlimme Schwäche oder weiß der Fuchs was ansehen würde. Bei jemandem, der regelmäßig Geld für gequälte Tiere spendet, kuschelig wird, wenn der King singt, und seinem besten Freund ein phantastisch schönes Erstes Mal schenkt, sollte man die Hoffnung nicht aufgeben.

„Hey, Schoko... was geht?!“

Ich krieg neuerdings immer etwas Angst, wenn Lila zu mir kommt. Weil ich ihn doch so dringend küssen und beschmusen möchte, was aber natürlich total ausfällt. Wir sind ja bloß scheiß dämliche Freunde. Außerdem hasse ich es, wenn Lila denkt, er wäre dermaßen unwiderstehlich, dass ich pausenlos an Sex denke, wenn er auf der Bildfläche erscheint.

Andererseits... bei Lila nicht sofort an Sex zu denken ist praktisch unmöglich. Und es ist ja auch nicht so, dass er aufgehört hätte, mit mir zu flirten. Ich hab da einen Verdacht... und der geht so: Lila will mich dazu bringen, über ihn herzufallen, weil er nämlich genauso scharf auf mich ist, wie ich auf ihn! Selbstverständlich darf er das nicht zugeben. Ich soll den ersten Schritt machen, damit er hinterher zufrieden grinsend triumphieren kann. Das wäre nicht weiter schlimm... wenn ich meine Gefühle für ihn ausschalten könnte, was aber leider immer noch nicht funktioniert. Wird es wahrscheinlich auch nicht. Niemals. Für ihn ist das alles ein Spiel, für mich wird’s langsam unerträglich.

„Ey,“ er stupst mich mit seinem Ringelsockenfuß an, „redest du schon wieder nicht mehr mit mir?“

„Wieso“, frage ich schwächlich, „hast du was gesagt?“

„Ja... was geht?!“

Warum muss er aber auch so wahnsinnig gut aussehen? So nach knutschen, verdammt.

„Nix.“

„Was’n los mit dir?“

Hahahaha... die beschissenste Frage des Jahrhunderts.

„Hat dich dein Stecher nicht genügend rangenommen, oder wie?“

„Erstens hab ich keinen Stecher und zweitens... wenn du Fidel meinst, halt die Klappe.“

„Entschuldigung, ich wollte bloß Konversation betreiben“, erklärt er und räkelt sich ein wenig auf meinem Bett.

Ich finde, er macht das extra. Und ich finde das zum Kotzen.

„Hast du zur Abwechslung mal ein anderes Thema als Sex?“

Er zuckt die Schultern, kramt aus seiner Tasche einen Fahrschulfragebogen und tut so, als sei er damit total beschäftigt.

„Warum machst du das nicht bei dir zu Hause?“

„Willst du, dass ich verschwinde? Dann sag’s halt.“

„Wann hast’n deine erste Fahrstunde?“

„Wieso?“

„Weil ich dann lieber nicht auf die Straße gehe.“

„Super lustig, Schoko, echt.“

Mir ist eh schleierhaft, weswegen er überhaupt Auto fahren will... wo sein Papa doch dabei umgekommen ist, was er bekanntlich noch längst nicht verarbeitet hat.

„Hast du dich inzwischen wieder mit Ella vertragen?“

Lila sieht mich an und schüttelt den Kopf. „Ich wüsste nicht, dass ich mit ihr gestritten hätte.“

„Immerhin hast du sie geschwängert... beinahe.“

„Danke, dass du mich daran erinnerst. Ich hätt’s vergessen... beinahe“, lächelt er finster.

„Ich an deiner Stelle würde das ja im Kopf behalten. Ich meine, so wie du rumvögelst...“

„Eifersüchtig?“, unterbricht er mich.

„Nee. Wieso auch? Wir sind schließlich nur Freunde.“

„Du sagst es, Schoko“, bestätigt er und widmet sich seinem Fragebogen.

Ich mache den Fernseher an und zappe wie irre durch die Programme.

„Würdest du bitte mit dem Scheiß aufhören?“, grummelt er. „Ich kann mich Null konzentrieren.“

„Entschuldige, dass ich in meinem Zimmer mache, was ich will“, grummele ich zurück und schalte den Fernseher aus. „Wie war’s eigentlich mit deiner Hörnerschlampe? Hast noch gar nichts erzählst.“

„Drehst du irgendwie durch, oder was ist dein Problem?“, seufzt er.

„Ich mein ja nur... bist doch sonst immer so ekelhaft mitteilsam.“

Lila klappt seine Mappe zu und glotzt mich ernst an. „Es war total mies. Und weißt du auch wieso? Weil ich gemerkt habe, dass ich eigentlich überhaupt nicht mehr mit Mädchen schlafen will, weil ich nämlich immer nur an dich denke, Schätzchen. Ich liebe dich, Schoko.“

Wie bitte?! Mein Herz klopft wie bescheuert und wahrscheinlich kriege ich rote Ohren. Mein Hirn will sich grad verabschieden und ich bin schon fast dabei, mich in seine Arme werfen... da fängt er an zu lachen. Sehr gemein zu lachen. Na ja, ich hätte es wissen müssen. Sein ’Schätzchen’ und ’ich liebe dich’ war doch wirklich ZU dick aufgetragen.

„Du bist so ein Arschloch, Frank. Findest du das besonders witzig?“

„Das war für den Spruch über meinen Vater auf der Wolke“, erklärt er eisig.

„Verschwinde“, fordere ich ebenso eisig.

„Mit dem größten Vergnügen“, murmelt er und... verschwindet.

Ey, was für eine saublöde, widerliche kleine Pissnelke.


Lilas Witzliebeserklärung hab ich noch nicht so ganz verdaut, obwohl wir uns wieder vertragen haben. Das heißt, er sagte „wir sind quitt“ und damit war die Sache erledigt.

Ich lasse ihn in dem Glauben, dass zwischen uns alles klar ist, weil ich keine Lust habe, die Strapazen einer vernünftigen Aussprache auf mich zu nehmen. Und weil es eh nichts bringen würde. Lila ist nun mal ein Vollpfosten, das kann man nicht ändern.

Am Samstag treffe ich mich mit Fidel im Sputnik. Nachdem ich ungefähr eine halbe Stunde auf der Tanzfläche rumgehopst habe, flirte ich ein bisschen mit ihm... nur aus Spaß, versteht sich.

„Dein Herzblatt belauert uns“, wispert er mir ins Ohr und schiebt meinen Arm von seiner Schulter. „Sorry, aber ein blaues Auge reicht mir. Außerdem will ich nicht, dass die ganzen hübschen Jungs denken, ich sei mit dir zusammen.“

„Das wäre selbstverständlich sehr schlimm, weil ich so ein hässlicher Frosch bin, was?“

„Nee, aber ich muss schließlich auch sehen, wo ich bleibe. Immer nur zum eifersüchtig machen benutzt zu werden, ist auf die Dauer echt unbefriedigend.“

„Verstehe,“ nicke ich, „tut mir Leid.“

„Is okay,“ lächelt er, „nur jetzt grad nicht.“

Mein Blick streift umher und bleibt an einem niedlichen Punk hängen, der Fidel ziemlich auffällig mustert.

„Ohhh... verstehe“, grinse ich, schnappe mir meine Cola und verschwinde.

Fidel macht noch ein verstohlenes Wir-telefonieren-Zeichen und ich... ich suche Lila. Er sitzt in der Nähe der Tanzfläche.

„Hey.“

„Hallo, Sebastian.“

Au je... er muss ganz schön geladen sein. Warum ist mir schleierhaft.

„Ey, Schoko“, trompetet mir jemand fröhlich ins Ohr. Es ist Conny. Mangamäßig aufgebrezelt und für ein Mädchen echt hübsch.

„Hi... lange nicht gesehen.“

„Na ja, erst warst du mit Fabi beschäftigt und dann mit der Lichtgestalt“, lächelt sie und deutet auf Fidel. „Ich bin logischerweise mal wieder die Dumme, weil ich kein Kerl bin.“

„Zum Glück gibt’s auch noch Typen, die nicht nur Schwänze lutschen“, bölkt Lila ungefragt dazwischen und klopft auf den freien Platz neben sich. Conny folgt der Einladung augenblicklich und schnappt sich Lilas Drink. Mir wird übel, als sie an seinem Sternchenohrring fummelt und Lilas Finger über ihren netzbestrumpften Schenkel krauchen.

Und wie beschissen flirtig die sich anglotzen. Und wie beschissen die kichern. Und wie beschissen Lila am Spitzensaum von Connys Kleidchen zuppelt. Ätzend! Er wird doch nicht dermaßen schweinisch sein und vor meinen Augen was mit ihr anfangen?! Zittrig nippe ich an meiner Cola und versuche, ein gleichgültiges Gesicht zu machen. Aber plötzlich fängt er an, mit Conny zu knutschen... und das ist zu viel.

„Du dumme Sau“, brülle ich und trete gegen seinen Schuh.

Conny schaut erschrocken aus der Wäsche, Lila dagegen grinst. Und zwar so überaus dämlich, dass ich ihm reflexartig meine Cola ins Gesicht schütte. Sein Grinsen stirbt, langsam wischt er sich mit dem Ärmel durch die Visage.

„Schoko...“

Keine Ahnung, ob er noch was sagt, denn ich stürme bereits nach draußen, zerschmettere das leere Glas, heule vor Wut und vor was weiß ich nicht und bin froh, dass mir unterwegs niemand begegnet, sonst würde ich nämlich spätestens übermorgen wegen schwerer Körperverletzung im Knast hocken.

Zu Hause angekommen ist mein Aggressionspegel noch längst nicht gesunken. Ich muss etwas kaputt machen. Egal was, einfach nur draufhauen und mir vorstellen, es wäre Lilas Schädel. Für solche Fälle ist es günstig, einen Sandsack zu haben. Daran kann man sich richtig austoben. Gibt’s hier leider nicht, deshalb schlage ich mein Kopfkissen auf die Matratze, zerre und reiße, dass die Federn auf mein Bett herniederschneien. Der ganze aufgestaute Frust steigt in mir hoch und jede noch so kleine Blödarschigkeit von Lila rauscht mir durchs Hirn, während ich huste, pruste, schnaufe und munter weiter mein Kissen verhaue. Gott sei Dank kommen meine Eltern nicht rein und fragen, warum ich mich mitten in der Nacht in ein tollwütiges Viech verwandelt habe. Ich sehe wahrscheinlich zum niederknien lachhaft aus.

Aber die Aktion hat ihren Zweck erfüllt... als ich wieder einigermaßen bei Sinnen bin, geht’s mir besser. Ich beseitige das Chaos und beschließe, dass ich mit Lila endgültig fertig bin. Er hat es tatsächlich geschafft, dass ich mich entliebe. Nachdem mir das klar geworden ist, schlafe ich friedlich ein.

Sonntagnachmittag latscht der Kotzbrocken in mein Zimmer.

„Können wir reden, Schoko?“

„Nein... und nenn mich nicht mehr so.“

„Okay,“ seufzt er angestrengt, „ich hab’s gestern übertrieben, das sehe ich ein... aber das war nur, weil du... und... Fiedl...“

„Du hast doch was am Kopf“, zische ich. „Lass mich einfach in Ruhe und wir kommen in Zukunft bestens miteinander aus.“

„Ich war... zum Kotzen eifersüchtig, deswegen hab ich mit Conny geknutscht. Das hat mir total nichts bedeutet, ich wollte dir bloß weh tun.“

„Halt den Rand und verpiss dich.“

„Bitte, Schoko... gib mir noch eine Chance.“

Jetzt nur nicht weich werden!! „Unsere Freundschaft ist seit Monaten im Arsch. Je eher wir das begreifen, desto besser.“

„Aber... du liebst mich und ich... fuck, ich will bei dir... mit dir zusammen sein, das weiß ich jetzt.“

„Und wann ist dir dieses Licht aufgegangen?“

„Als du mir die Cola ins Gesicht gekippt hast“, grinst er.

Ein Teil von mir möchte ihn küssen, der Rest hingegen glaubt ihm kein Wort. Lila und Beziehung... toller Witz! Gleich faselt er wieder, dass er mich liebt und lacht hinterher darüber.

„Ich hab’s dir schon mal gesagt, Frank, ich bin müde. Viel zu müde. Dieser ganze Scheiß zwischen uns... ich hab da keinen Bock mehr drauf. Also geh endlich und steck dir dein Zusammensein in den Hintern. Du hattest ungefähr hundert Chancen, jetzt ist es zu spät.“

„Denkst du vielleicht, dass Fiedl mehr von dir will als Sex? Der Typ ist ’ne Drecksau, dem ist doch egal...“

„Mann, halt die Klappe“, unterbreche ich ihn wütend. „Fidel hat überhaupt nichts damit zu tun. Denk doch ausnahmsweise mal über dein eigenes Verhalten nach. Aber mach das bitte woanders, ich hab nämlich die Schnauze voll von dir.“

„Ich hab jedenfalls nicht mit ihm gevögelt“, entgegnet er beleidigt.

Will der mich verarschen? „Nee, mit ihm nicht, aber mit ungefähr allen Weibern, die dir über den Weg gelaufen sind.“

„Das ist vorbei, Schoko, echt.“

„Interessiert mich nicht mehr.“

„Das meinst du nicht ernst.“

„Doch, meine ich.“

„Ich...,“ er holt tief Luft, „ich hab dich lieb, Schoko.“

Buahahahaha... noch so’ne Schote und ich knall ihn ab! „Verschwinde, und zwar schnell.“

„Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?“

„Und welchen Teil von Verschwinde-und-zwar-schnell hast du nicht verstanden, mh?“

„Aber... ich... ich hab mich für dich entschieden. Genau das, was du wolltest?“, brabbelt er ziemlich hilflos.

„Nehmen wir mal kurz an, das wäre die Wahrheit... keine Ahnung, vielleicht glaubst du selber dran, aber ich kenne dich besser. Denk mal an die Geschichte mit Ella und erwarte nicht, dass noch mal auf dein Gelaber reinfalle.“

„Logisch, du glaubst mir nicht“, schüttelt er bedröppelt den Kopf. „Ich hab ja auch alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Du... ähm... du brauchst sicher ein bisschen Zeit... und... wir sehen uns morgen, ja?“ Er gibt mir einen hektischen, unsicheren Kuss auf die Wange und geht.

Ich leg mich wieder ins Bett und stehe den ganzen Tag nicht mehr auf.


Lila begreift anscheinend nicht die Spur, dass ich ihn nicht mehr sehen will, denn er schleicht mir in den Pausen hinterher und fragt andauernd, ob er nach der Schule vorbeikommen dürfte. Des weiteren ruft er mich ständig an und/oder schickt mir erschreckend rührselige Nachrichten aufs Handy. Gott, das nervt vielleicht. Wenn ich ihm vertrauen könnte... wenn ich wüsste, dass er neulich gemeint hat, was er sagte... aber jemand wie er ändert sich nicht mal eben so, bloß weil er Cola in die Fresse gekriegt hat. Hab ich mich erst wieder auf ihn eingelassen, wird er mich erneut enttäuschen und ich kann mit der Entlieberei von vorn anfangen. Bleibe ich jetzt stark, hab ich’s irgendwann überstanden. Und möglicherweise bin ich sogar eines Tages so weit, dass ich mich in jemanden verlieben kann, der mich genauso liebt.

Heute lag ein Umschlag im Briefkasten, der Lilas Handschrift trug. Drin war eine CD... als ich mir das einzige Lied drauf anhörte, bekam ich Magenschmerzen.

Maybe I didn’t treat you quite as good as I should have

Maybe I didn’t love you quite as often as I could have

Little things I should have said and done I just never took the time

You were always on my mind, you were always on my mind…

Denkt der wirklich, er schickt mir ein schwülstiges Lied vom King und schon falle ich ihm vor die Füße, oder was? Die CD fällt... in den Mülleimer.

Zwei Tage später bekomme ich eine neue, mit einem anderen Lied.

You know I can be found sitting home all alone

If you can’t come around at least please telephone

Don’t be cruel to a heart that’s true…

Don’t stop thinking of me, don’t make me feel this way

Come on over here and love me, you know what I want you to say

Don’t be cruel to a heart that’s true…

So langsam wird’s echt peinlich. Oh Mann, der scheint für jede Gelegenheit den passenden Elvis-Song zu haben. Vielleicht ist Lila spontan total verrückt geworden. Also noch irrer, als er ohnehin schon war. Was, wenn er sich in einen Stalker verwandelt, der in seinem Zimmer einen Schoko-Schrein aufgebaut hat? Mittlerweile traue ich ihm alles zu.

Ich muss mit ihm reden, weil er mit dem Scheiß aufhören muss. Meine Güte, ist der glücklich als ich ihn anrufe und herbestelle. Ich nehme an, er hat die Einladung sehr missverstanden.

Eine Viertelstunde später klopft es zaghaft an meine Tür.

„Komm rein, verdammt“, rufe ich.

Shit, ich bin mir absolut sicher, er hat die Einladung komplett missverstanden. Sonst hätte er sich nicht angezogen wie in der Nacht im Gartenhaus an meinem Geburtstag. Nicht schwach werden, Schoko... auch wenn grad der schönste Junge der Welt vor dir steht und so schüchtern lächelt. Wow, ich wusste nicht, dass Lila schüchtern sein kann. Ist das süß. NICHT schwach werden, Schoko!! Das ist bestimmt bloß eine neue Masche von ihm, um mich einzulullen.

„Hey, Schoko“, begrüßt er mich leise.

„Frank“, sage ich und nicke kurz.

Seine Augen werden traurig, die glitzern so komisch. Ah, sicher hat er sich vorher irgendwas reingeträufelt, damit sie im richtigen Moment zu tränen anfangen.

„Hast du... ähem... die CDs bekommen?“

„Logisch, du hast sie doch in unseren Briefkasten gesteckt. Was soll die dämliche Frage?“

„Weiß nicht,“ murmelt er mit gesenktem Kopf, „tut mir Leid.“

Igitt, seine völlig unangebrachte Unterwürfigkeit ist ja direkt ekelhaft. Und gespielt. Lila würde sich in echt niemals so verhalten.

„Was wolltest du eigentlich damit bezwecken?“

Er setzt sich auf die Bettkante und knetet seine Finger. „Ich hab gedacht... weil ich doch immer nicht... nicht so gut sagen kann, was ich... äh... fühle...“

Was ich FÜHLE?! Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht loszulachen. Lila benimmt sich absurd.

„Da hast du gedacht... lass ich halt den King für mich sprechen, oder wie?“

„Na ja, ich hätte dir auch einen Brief schreiben können, aber das war mir zu peinlich.“

„Peinlicher als die zwei Lieder zu schicken wohl auch nicht“, bemerke ich. „So, und was erwartest du jetzt?“

Er zuckt die Schultern und präsentiert mir einen herzzerreißenden Schmuseblick, den er mit Sicherheit vorm Spiegel geübt hat.

„Vielleicht hättest du dir das vorher überlegen sollen.“

Sein Blick verändert sich plötzlich. Er wird wütend. „Das macht dir Spaß, ja? Natürlich, tut es das. Lila, der gefühllose Bastard, kommt her und weiß nicht, wie er dir sagen soll, dass er... dass er sich verliebt hat, verdammte Scheiße“, faucht er. „Zum Schreien komisch, hä?“

Nicht schwach werden, Schoko!! „Du stehst nicht auf Liebe. Du stehst überhaupt nicht auf diesen ganzen Gefühlskram. Du bist doch bloß sauer, weil ich nicht mehr mit Herzchenaugen hinter dir her dackele. Ist Gift für dein Ego, dass du bei mir nicht landen kannst, mh?“

„Um bei dir zu landen, müsste ich mich nicht mal so viel“, er macht mit Daumen und Zeigefinger eine entsprechende Geste, „anstrengen.“

„So sicher, ja?“

„Jeder Vollidiot, der aus Versehen deinen Hals berührt, könnte dich innerhalb von drei Sekunden flachlegen.“

Ahhhh... endlich ist der alte Lila wieder da. Und schon wird mir ein bisschen heiß. Hey, ich bin zwar sauer auf ihn und kaufe ihm sein Gerede von Liebe nicht ab, aber sexy ist er trotzdem.

„Traumtänzer. Versuch’s doch.“

„Nein. Ich will mehr als Sex.“

Jetzt muss ich ihn aber wirklich auslachen.

„Okay, vergiss es“, seufzt er und verlässt mein Zimmer, während ich immer noch kichere und gluckse.

„Und schick mir bitte noch ein paar CDs“, rufe ich ihm hinterher.

„Arschloch“, ruft er zurück.

Morgens in der Schule verhält Lila sich nicht nur absurd, sondern aberwitzig. Ich stehe nichts Böses ahnend in der Pause mit Fabian zusammen, als Lila dazukommt und wie selbstverständlich nach meiner Hand greift. Fabian glotzt ebenso fassungslos auf unsere Hände wie ich.

„Ähem... also ist es jetzt offiziell, oder was?“, fragt er.

„Nein“, sage ich.

„Ja“, sagt Lila zeitgleich.

Entschuldigung... was geht hier ab?!

Ich versuche, Lilas Flosse abzuschütteln, doch er hält meine fest. Was soll’s?!

„Im Unterricht lässt du mich aber hoffentlich los“, grummele ich.

„Klar“, strahlt Lila, dass mir unheimlich wird.

In den nächsten Stunden Deutsch und Englisch klebt sein Blick an mir wie alter Kaugummi am Schuh. Er glotzt dermaßen verträumt, dass sich Schweißperlen auf meiner heißen Stirn bilden. Dazu noch dieses wahnsinnige Grinsen... du lieber Himmel. Auch als Herr Berger ihn darauf aufmerksam macht, dass die Aufgaben nicht in meinem Gesicht geschrieben stehen, starrt er weiter. Aber wenigstens nicht mehr ganz so penetrant. Ich bin dennoch froh, als es endlich klingelt und ich mich schnell vom Acker machen kann.

Um der Gefahr zu entgehen, dass er unangemeldet bei mir zu Hause erscheint, verabrede ich mich mit Fidel. Ich brauche einfach einen normalen Menschen um mich rum.

„Du siehst aus, als hätte dich ein schlimmer Dämon heimgesucht“, bemerkt er und reicht mir eine Tasse Stracciatella-Cappuccino.

„Der Dämon hat sogar einen Namen“, entgegne ich finster und erzähle, was sich die letzten Tage zugetragen hat.

„Ihr habt echt die bekloppteste Beziehung der Welt“, schüttelt er den Kopf.

„Wir sind nicht zusammen.“

„Ihr seid schon jahrelang zusammen... erst ohne Sex, dann mit Sex und jetzt anscheinend wieder ohne. Du bist verliebt in ihn und er in dich. Wo ist also das Problem?“

„Du kennst Lila... der verliebt sich nicht, egal, was er sagt.“

„Irrtum, er hat es bis jetzt nicht zugegeben. Mann, Schoko, er kraucht doch schon am Boden. Willst du ihn nicht endlich erlösen? Bevor er noch peinlicher wird... Liebeserklärungen an Häuserwände pinselt oder ein Flugzeug in den Himmel schickt, das eine Botschaft für dich hinter sich herzieht, oder er dir einen Heiratsantrag macht.“

„Hältst du es für möglich, dass er auf solche Ideen kommt?“

„Absolut. Für jemanden, der so verzweifelt ist und gleichzeitig so wenig Ahnung vom Verliebtsein hat, ist es schwierig, das richtige Maß zu finden.“

Ich nippe an meinem süßen Heißgetränk. „Lila ist verzweifelt?“

„Glaub schon“, antwortet er.

„Und wenn er wieder fremdgeht?“

Fidel streckt sich, wobei sein Shirt nach oben rutscht und ein Streifen Karamellhaut zum Vorschein kommt. Das sieht zwar extrem hübsch aus, interessiert mich allerdings nicht mehr.

„Das Risiko hättest du mit jedem anderen Typen auch. Du solltest das tun, was dich glücklich macht. Ist es okay ohne Lila oder möchtest du mit ihm zusammen sein?“

„Mit ihm zusammen sein, aber ich kann ihm einfach nicht glauben.“

„Ey, du bist tausendmal anstrengender als der kleine Kotzbrocken“, stöhnt er.

„Und du wärst an meiner Stelle überhaupt kein bisschen skeptisch und vorsichtig?!“

„Wenn du’s nicht noch mal versuchst, wirst du ja auch nicht rausfinden, ob er es ernst meint. Also geh bitte zu Lila und mir nicht weiter auf den Geist.“

„Okay“, nicke ich, ziehe den Totenkopfring von meinem Finger und drücke ihm das Teil in die Hand. „Wir telefonieren, oder?“

„Logisch.“


In meinem Körper spielt sich grad einiges ab. Zuerst ist mir ein Schauer über den Rücken gekrochen, dann wurde mir unglaublich heiß und es kribbelte überall. Mein Kopf fühlt sich an... als würde es da drin hallen oder so was. Ich kann’s nicht gut beschreiben, so was muss man selber erleben. Ich will heulen und gleichzeitig lachen. Lila ist... er hat... zum Glück weder Liebeserklärungen an Häuserwände gemalt, noch ein Flugzeug in den Himmel geschickt. Das, was er getan hat, ist besser. Und auch irgendwie Lila-like. Als ich die CD auspackte, die heute früh im Briefkasten steckte, war ich, ehrlich gesagt, voll genervt. Nachdem ich sie mir angehört hatte... ja, da spielten sich diese seltsamen Dinge in mir ab. Um das mal klar zustellen: ich mag den King, aber der Song gehörte nie zu meinen Favoriten, jetzt liebe ich ihn. Es geht nicht anders, ich muss ihn mir noch mal anhören.

Never know how much I love you

Never know how much I care

When you put your arms around me

I get a fever that’s so hard to bear

You give me fever when you kiss me

Fever when you hold me tight

Fever in the morning

Fever all through the night.

Sun lights up the daytime

Moon lights up the night

I light up when you call my name

And you know I’m gonna treat you right

You give me fever when you kiss me

Fever when you hold me tight

Fever in the morning

Fever all through the night…

Das wirklich Phantastische daran, das Unfassbare sozusagen, ist… Lila hat das Lied selbst gesungen. Für mich!! Und seine Stimme ist einfach... rrrrrr! Vielleicht würde ein Herr Bohlen das nicht so sehen, aber was zum Arsch interessiert mich die alte Gesichtsbaracke?!

Auf dem Weg zu Lila grinse ich wie bescheuert. Ich kann echt nicht damit aufhören. Und als ich in seinem Zimmer vor ihm stehe, grinse ich vermutlich noch sehr viel mehr.

„Hey, Schoko... was geht?“, fragt er unsicher.

„Du hast etwas, das mir gehört.“

Lila wirkt spontan bedröppelt. „Haben wir nicht schon Sachen ausgetauscht?“

„Ich hab dir deine zurückgegeben,“ bestätige ich, „du mir meine nicht.“

„Aber ich hab doch gar nichts mehr von dir.“

„Du hast etwas, das mir gehört, und das will ich haben“, erkläre ich grinsend.

„Hast du getrunken?“

„Nein“, lache ich mich kaputt. Man könnte wirklich meinen, ich hätte unterwegs ein paar Schnäpse gekippt.

„Drogen?“, mutmaßt Lila weiter.

Ich schüttele kichernd den Kopf und wedele mit meiner Hand vor seinem Gesicht.

„Was, Schoko? Was zum Teufel willst du?“, ruft er verzweifelt.

„Meinen Ring.“

Au je, ich glaube, jetzt ist er völlig verwirrt.

„Keine Angst, ich erwarte nicht, dass wir heiraten oder so’n Scheiß... aber wenn ich mit dir zusammen bin, kann ich ja schlecht Fidels Ring tragen.“

Seine Augen beginnen zu strahlen, während er aus seiner Tasche den Ring zaubert und ihn mir zittrig auf den Finger schiebt. Meine Hand zittert auch und mein Herzschlag bollert mir bis in den Schädel hinein. Eigentlich ist das doch ein verdammt romantischer Augenblick. Wenn man Lila und die letzten Monate bedenkt. Leider ist die Spannung so unerträglich, dass ich schon beim ersten zarten Lippenkontakt anfange, drauflos zu knutschen und ihn auszuziehen.

„Schoko...“, wehrt er sich.

„Halt die Klappe, Lila“, stöhne ich.

„Mensch... warte doch mal“, entgegnet er und nimmt meine Hand aus seiner Hose.

Ich schlinge meine Arme um seinen Körper, stolpere mit ihm durchs Zimmer, sodass wir schließlich auf seinem Bett landen. „Was denn?“

„Sollten wir nicht... vorher reden?“

„Seit wann willst du dich unterhalten, wenn du ficken kannst?“, säusele ich und knabbere an seinem Hals, während sich meine Hand schon wieder in seine Hose schlängelt.

„Ey, das funktioniert so nicht“, behauptet er und schiebt mich weg. „Du kannst nicht einfach die Spielregeln ändern, verstehst du?!“

Meine Fingerspitzen streicheln seinen niedlichen Bauch. „Nee.“

„Okay, pass auf, du hast echt alles in mir total auf den Kopf gestellt, ja? Seit dieser beschissenen Nacht im Gartenhaus...“

„So beschissen fand ich die Nacht gar nicht.“

„Nee, ich auch nicht. Aber... du bist vollkommen anders als ich erwartet habe. In meiner Vorstellung bist du der schüchterne, zurückhaltende Junge, der sich nicht traut, sondern darauf wartet, dass ihm jemand zeigt, wo’s lang geht“, erklärt er beleidigt.

„Aha... und wie bin ich tatsächlich?“

„Du bist ein kleines, sexgeiles Stück. Das irritiert mich.“

Langsam streicheln meine Finger höher und spielen mit seinen harten Nippeln. „Ich hab eben vom Meister gelernt“, flüstere ich ihm ins Ohr.

Plötzlich wirbelt er mich herum und drückt meine Hände fest auf die Matraze. „Alle Tricks kennst du deshalb noch lange nicht.“

Ich drehe mein Gesicht weg, als er mich küssen will. Danach sehe ich ihn an.

„Sag’s mir.“

„Hm?“

„Dass ich der Einzige bin.“

„Du hast die CD gehört, oder?“

„Ja.“

„Dann weißt du’s doch.“

„Sag’s trotzdem.“

„Ich will dich, Schoko. Niemanden sonst“, wispert er und startet einen neuen Versuch, mich zu küssen.

„Keine Weiber mehr, Lila.“

„Geht klar.“

Ich bin immer noch nicht sicher, dass er das auch hinkriegen wird, aber für den Moment glaube ich ihm, küsse ihn heftig und lasse mir ein bisschen zeigen, wo es lang geht.


„Hi, Schatz“, brummelt Lila, der vermummt wie ein Eskimo in mein Zimmer stiefelt.

Seine miese Laune hat einen Grund. Heute war seine erste Fahrstunde und... es klappte keineswegs wie am Schnürchen. Hab’s vom Schulhof aus gesehen. Langsam streift er seine Handschuhe ab, wickelt den Schal von seinem Hals, nimmt die Mütze vom Kopf und bei der Jacke helfe ich ihm.

„Ich hasse Winter“, schnieft er.

„Der kann doch nix dafür, dass du mehrmals den Motor abgewürgt hast.“

„Halt die Klappe, Schoko. Ich friere, verdammte Scheiße.“

Ich nehme seine Hände und schiebe sie hinten in die Taschen meiner Jeans, dann umarme ich ihn. „Komm her, ich wärm dich.“

„Ist ja wohl auch das Mindeste. Nie wieder Fahrstunde direkt nach der Schule. Alle haben’s gesehen und alle werden morgen lachen... hahaha... Lila kann nicht Auto fahren.“

„Dafür kann Lila andere Sachen“, entgegne ich und mache eine obszöne Sexgeste.

„Du alte Pottsau. Hatten wir nicht letztens die Rollenverteilung festgelegt?“

„Das hast du geträumt. Und außerdem... du stellst dich nun mal wahnsinnig gut dabei an“, grinse ich.

„Oh Mann, ich hab ein Monster erschaffen!“

„Genau. Legen Sie sich ins Bett, Doktor Frankenstein. Nur weil’s da warm ist“, füge ich hinzu, als er augenverdrehend den Kopf schüttelt.

Lila kickt seine Schuhe von den Füßen, kriecht unter die Decke und kuschelt sich behaglich in meine Arme.

„Hast du mich eben eigentlich Schatz genannt?“

„Ja, das war ein Scherz.“

„Schade“, seufze ich.

„Soll ich dich so nennen?“

Meine Hand wuselt durch seine Haare. „Mir reicht es, wenn ich weiß, dass ich dein Schatz bin.“

„Danke, dass du mir die Peinlichkeit ersparst.“

„Ich will dich schließlich nicht schon in den ersten Wochen überfordern. Bin eh erstaunt, dass bis jetzt noch kein von dir geschwängertes Weib aufgetaucht ist.“

„Fang nicht wieder damit an“, zischelt er und tritt mir gegen den Fuß.

„Vermisst du Sex mit Weibern?“

„Du lässt mir kaum Zeit dafür.“

„Fühlst du dich bedrängt?“

„Nee, ich schlafe gern mit dir.“

„Lieber als mit einem Weib?“

Seine Hand öffnet unter der Bettdecke meine Hose. „Offensichtlich.“

„Aber mit Weibern gefällt es dir auch“, stelle ich fest und ziehe mein Shirt aus.

Lila leckt über meine harten Nippel. „Na und? Ich bin total hinter dir her, Schoko.“

„Jetzt vielleicht... aber was ist in ein paar Monaten?“

„Was ist, wenn du mich in ein paar Monaten nicht mehr magst?“

„Das liegt dann aber nicht am Sex.“

„Worauf willst du eigentlich hinaus?“

„Dass... ich dir nicht alles geben kann, was du möchtest“, erkläre ich.

„Also im Moment möchte ich...“, seine Hand gleitet zwischen meine Beine und ich bin für eine Weile ruhig gestellt.

„Du, Lila...“

„Ja, Schoko...“

„Was hättest du eigentlich gemacht, wenn Ella tatsächlich schwanger gewesen wäre?“

„Erstmal einen Vaterschaftstest“, entgegnet er.

„Und dann?“

„Die nächsten Jahre zweimal im Monat und die Hälfte der Ferien mit meinem Sohn... oder meiner Tochter... verbracht.“

„Hättest du das gut gefunden?“

„Na ja, besser als vor Gericht um das Sorgerecht zu streiten, oder?“

„Nee, ich meine Kinder... generell.“

„Muss nicht unbedingt sein. Wieso? Willst du etwa eins haben? Von mir?“

„Das geht ja wohl kaum, Idiot.“

„Stimmt, du kannst es schließlich nicht in ’ner Zigarrenkiste aufbewahren“, kichert er.

„Daran sind nicht einmal die Römer Schuld“, grinse ich. „Meine Eltern werden sicher enttäuscht sein, wenn sie irgendwann mal erfahren, dass sie keine Enkel bekommen.“

„Aber sie werden doch mit einem schwulen Sohn umgehen können, oder?“

Ich zucke die Schultern und sehe ihn an. „Meinst... denkst du, deinem Vater hätte es was ausgemacht?“

Lila sagt einige Sekunden nichts und ich hab schon Angst, dass er gleich ausflippt, aber plötzlich lächelt er. „Ich glaube, mein Papa hätte dich gern gehabt.“

„Ehrlich?“, frage ich überrascht und überwältigt.

„Klar. Der war genau so ein Romantiker wie du. Aber von mir wäre er enttäuscht.“

„Quatsch. Wieso denn?“

„Weil ich ein Arschloch bin“, antwortet er bitter. „Und zu feige, mir den Typen, den ich haben will, zu schnappen.“

„Lila... du hast mich geschnappt.“

„War das nicht ein bisschen umgekehrt?“

„Ist doch egal“, seufze ich und schmiege mich in seine Arme. „Hauptsache, du weißt jetzt, wo du hingehörst.“

„Tja, ich hab mal nachgedacht und... also eigentlich ist es doch ziemlich praktisch, mit dem besten Freund ins Bett zu gehen.“

„Aha?“

„Ja, da muss ich nicht erst lange rumsuchen, wenn ich Lust auf Sex habe. Das spart eine Menge Zeit.“

So ein Penner! „Wenn es bloß darum geht, könntest du dir auch einfach einen Freund zum Aufblasen kaufen“, erkläre ich beleidigt.

„Aber du bist so viel hübscher als ’ne Sexpuppe“, zwinkert er.

Offenbar ist Komplimente machen eine Sache, die er lernen muss. „Bist du bei deinen Weibern auch dermaßen charmant gewesen? Dann kann ich mir nicht erklären, warum die sich von dir haben flachlegen lassen. Hatten wahrscheinlich nicht sehr hohe Ansprüche, mh?“

„Du hast dich doch auch von mir flachlegen lassen.“

„Halt die Klappe, Lila.“

„Wieso zum Teufel hast du eigentlich so eine kalte Nase?“, fragt er und drückt seine Handfläche gegen meine Nasenspitze. „Genau wie deine Füße. Was ist bloß los mit dir?“

„Äh...?“, mache ich irritiert.

„Du bist doch wohl kein Eisbär.“

„Eisbären haben kalte Füße?“

„Was denkst du denn? Schließlich rennen die andauernd auf Schnee und Eis herum. Schoko, ich hab Angst.“

„Vor Eisbären?“, entgegne ich dümmlich.

Er schiebt mich ein Stück zur Seite und setzt sich auf. „Nein, Blödian. Ich werd bestimmt eine Menge Fehler machen, unsensibel sein, unromantisch, unaufmerksam und... das wird dich nerven und verletzen, dann machst du Schluss und alles ist im Arsch“, erklärt er, ohne mich anzusehen.

Ich schlinge von hinten meine Arme um ihn und stütze mein Kinn auf seine Schulter. „Darauf bin ich gefasst, immerhin kenne ich dich seit Jahren. Ich verlange auch nicht, dass du mir jeden Tag sagst, wie sehr du mich liebst, ich verlange nur, dass du treu bist. Alles andere kriegen wir schon hin.“

„Du kleiner Optimist.“

„Na, wenn wir davon ausgehen, dass es wieder nicht funktioniert, müssten wir es logischerweise lassen. Wäre dir das lieber?“

Er scheint einen Moment zu überlegen, dann sieht er mich an und lächelt.

„Auf keinen Fall. Ich... bin verrückt nach dir, Schoko.“

„Ich hab dich auch lieb, Lila“, antworte ich und küsse ihn.

Am Samstag steht der erste Härtetest an. Wir sind im Sputnik, Fidel steht neben mir und Lila ist eben los, um Getränke für uns zu holen. Leider wird er auf dem Weg zur Theke von verschiedenen Weibern aufgehalten.

„Mach ein freundliches Gesicht, Schoko“, brüllt Fidel mir ins Ohr. „Du denkst doch nicht, dass er vor deinen Augen was klarmacht. So blöde ist nicht einmal Lila.“

„Keine Ahnung“, zucke ich die Schultern und glotze weiterhin finster drein. Bin halt eifersüchtig, kann ich nichts gegen tun. Ich bin sogar noch viel eifersüchtiger als Lila. Denn während er sich bei Fidel echt zusammenreißt, bezeichne ich die Mädchen in Lilas Umfeld als Weiber, Schnepfen, Schlampen. Das ist ein bisschen ungerecht, denn mein Freund flirtet grad mindestens genauso heftig wie die beiden Weiber. Wieder einmal überlege ich bedröppelt, dass sich jemand nicht einfach so über Nacht ändert und wie naiv es ist zu glauben, dass Lila es ernst mit mir meint.

„Ich muss mir das nicht länger geben“, erkläre ich und trotte wie ein begossener Pudel zum Ausgang. Dort angekommen tippt mir wer von hinten auf die Schulter.

„Wieso willst’n schon gehen? Und warum ohne mich?“, fragt Lila.

„Du machst die ganzen Weiber verrückt“, antworte ich enttäuscht.

Er dreht sich kurz um. „Okay, und was ist mit dir?“

„Hä?“

„Na ja, mache ich dich auch verrückt? Das ist nämlich alles, was mich interessiert.“ Lila grinst so ekelhaft sexy, dass mir fast die Luft wegbleibt. „Hör mal, ich weiß, dass das mit dem Vertrauen wahrscheinlich nicht so einfach ist, aber glaubst du, ich hätte für eine von denen“, er deutet auf ein paar Schnepfen, die in der Gegend rumstehen, „Fever gesungen? Glaubst du das, Schoko?“

„Nein“, murmele ich.

„Und hatten wir nicht so was wie eine Vereinbarung, dass du mir sagst, wenn dich was stört?“

Ich sehe ihm fest in die Augen. „Hör auf, mit den Weibern zu flirten.“

Lila legt seinen Arm um meine Schultern, seine Lippen berühren hauchzart mein Ohr. „Ich würde dich auf der Stelle flachlegen... aber Sex in der Öffentlichkeit ist ja nicht dein Ding.“

Mir würde es schon reichen, wenn er unsere Zusammengehörigkeit durch subtilere Gesten in der Öffentlichkeit zeigen würde. Er kommt leider nicht mal auf die Idee, meine Hand zu halten. Als hätte er meinen Gedanken erraten, schiebt sich seine Hand in meine.

„Fiedl und deine Cola warten auf dich.“

Und plötzlich ist Lila wie ausgewechselt. Den ganzen Abend bleibt er in meiner Nähe, streicht mir über den Rücken, küsst meinen Hals, kuschelt sich an mich... sodass Fidel schon genervt die Augen verdreht.

„Siehst du, das ist der Unterschied zwischen ihm und mir“, erklärt Lila daraufhin, „ich weiß, was ein romantischer Junge erwartet.“

„Woher denn?“

„Hab mich ein bisschen schlau gemacht.“

„Wie das?“

„Bei Fabi.“

„Und seit wann steht ihr euch so nahe?“, frage ich überrascht.

„Keine Ahnung. Seit ich mit ihm zusammen das Lied für dich aufgenommen habe.“

„Du hast mit ihm...“

„Ja, schließlich hat er Ahnung von solchen Sachen. Ich hab ihm gesagt, was ich vorhabe und er fand’s gut. Ende der Geschichte. Wir sind jetzt nicht auf einmal befreundet, denn er geht mir immer noch auf den Geist.“

„Weil er dich auf Pias Party untern Tisch gesoffen hat“, grinse ich.

„Nee, weil er dich abgeknutscht hat.“

„Du wolltest ja erst nicht.“

„Ich will dich seit Jahren küssen“, flüstert er mir ins Ohr. „Wow, ich lerne ziemlich schnell, was? Kuck mal, ich kann schon zugeben, dass ich seit Jahren auf dich stehe. Übrigens ist das total süß, wenn du rot wirst.“

„Halt die Klappe, Lila.“

„Okay“, seufzt er und fängt an, mit dem Finger über meinen Hals zu streichen.

Ich hasse das. Es ist so, als würde er einen Knopf drücken, und schwupps bin ich bereit. Zum Glück weiß das wirklich nur Lila.

„Du bist unglaublich“, schüttelt er den Kopf und lacht mich aus. „Das funktioniert ja echt immer.“

Ladies and Gentlemen...Elvis has left the building!

Verwendete Songtexte:

Always on my mind

(Carson/James/Christopher)

Screen-Gems EMI Music Inc.

Don’t be cruel

(Blackwell/Presley)

Cherry River Music Co.

Elvis Presley Music

Fever

(Davenport/Cooley)

Trio Music Co. Inc.

Lesemodus deaktivieren (?)